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Wiesbaden im Mittelalter

 

Die früheste Erwähnung Wiesbadens, des antiken Aquae Mattiacorum, in der Nachantike steht bei Einhard zu 829: ad castrum, quod moderno tempore Wisibada vocatur, übernachtet er bei seinem Reliquientransfer. (in: Renkhoff, S.6). Mit castrum ist wohl die römische Ummauerung gemeint. Vermutlich gibt es hier auch einen Königshof und eine Kirche. Im ganzen Königs-Sondergau gibt es königlichen, kirchlichen und adeligen Besitz. Konradiner werden hier Grafen.

965 hält sich Kaiser Otto I. hier auf. 995 und 1022 wird Wisebadon wieder erwähnt, im letzteren Fall als villa. 991 wird mit Drutwin das Grafenamt erblich, und der gilt als Stammvater der Grafen von Nassau mit Besitz an der unteren Lahn.

 

Nach 1100 erbauen die Laurenburger die Burg Nassau, nach der sie seit 1160 benannt werden. Sie verfügen bald über den Wiesbadener Königshof und 1215 sind sie im Besitz des Patronats der Wiesbadener Kirche. Zugleich konkurrieren sie mit den Eppsteinern, gegen die die Nassauer die Burg Sonnenberg errichten. Fast durch das ganze 13. Jahrhundert sind dann Eppsteiner Erzbischöfe von Mainz. Eppstein kontrolliert immer mehr vom Südosten des ehemaligen Königs-Sondergaus. Nasau gewinnt die Ortsherrschaft über Wiesbaden.

 

Eppstein ist staufisch, Nassau welfisch bis 1214. 1215 geht das Patronat über die Mauritiuskirche an den Deutschen Ritterorden. Um 1232 wird Wiesbaden Reichsstadt, und 1236 hält sich der Kaiser hier auf. In der Spätzeit des Kaisers fällt Nassau von ihm ab, zusammen mit seinem Kölner Lehnsherrn Konrad von Hochstaden.

1241 wird Wiesbaden als civitas bezeichnet, hat einen vom Reich eingesetzten Schultheißen und cives als Schöffen. In der Stadt gibt es Stadthöfe umliegender Klöster und von Adeligen.

 

1242 ist Nassau wieder stauferfreundlich, und Mainz schlägt zu. In einer Wormser Chronik heißt es:

Die Anhänger des Erzbischofs verbranten vil dorffer und deten grossen sschaden, fingen etlich herren, die sie doeden liessen, und zürstorten unnd verbranten die statt Wieszpaden. (in:Renkhoff, S.74)

Mit der Zerstörung verliert Wiesbaden seinen Reichsstadt-Charakter.

 

 Im 13. Jahrhundert: Burg und engere Stadt, ummauert, eigentliche Reichsstadt

 "Flecken" mit Pfarrkirche, Markt, Gemeindebad und Mühle, durch Wall und Graben geschützt. Quellen- und Bäderbezirk ohne Ummauerung bis ins 17. Jh. Thermalbad.

 

1280 universitas de Wisebaden vertreten durch vom Grafen auf Lebenszeit ernannten Schultheißen, sieben aus der Bürgerschaft gewählte und vom Grafen bestätigte Schöffen und mehrere ehrbare Männer. Schultheiß und Schöffen sind reiche und mächtige Bürger.

 

 1292 bezeichnet Adolf von Nassau Wiesbaden als seine Stadt. Er fördert aber eher Idstein und Weilburg. Nach 1305 vollständige Ummauerung von Burg und engerer Stadt mit drei Türmen. Der viel größere Flecken mit seinem hohen Grünland-Anteilund das Bädergebiet durch Wälle, nasse Gräben und Weiher gesichert, von vier Bächen gespeist. Das reicht offenbar für die Verteidigung. (Renkhoff, S.136)

1318 kann sich die Stadt gegen einmonatige Belagerung durch Truppen von König Ludwig verteidigen. Aber das Umland wird geplündert und verwüstet. Inzwischen gibt es ein Stadtsiegel.

 

1346-53 gerät die Stadt in den Mainzer Bistumsstreit. Nassauer werden Mainzer Erzbischöfe bis 1475.

1355 wird Nassau-Idstein/Wiesbaden von Nassau-Weilburg abgetrennt. Es beginnen die Zeiten, in denen Teile oder die ganze Herrschaft Wiesbaden immer mal wieder verpfändet werden. Kriegerische Konflikte mit den Eppsteinern.

 

1361 tauchen vier ratlude auf, kurz darauf ein Bürgermeister.

1379 wird in Wiesbaden die ritterliche Löwen-Gesellschaft gegründet. Sie erweitert sich langsam Deutschland-weit. 

Graf Adolf unterstützt König Sigismund und ist einflussreich. Wiesbaden wird langsam stärker nassauische Residenz.

 

1431 taucht ein regulärer Stadtrat auf, nunmehr mit zwei Bürgermeistern. Aber ab 1474 verschwindet er wieder zugunsten von "Geschworenen", die einst dem Rat vorausgegangen waren.

Ende des 15. Jahrhunderts Niedergang der Eppsteiner. Kaiser Friedrich III. ist öfter in den Wiesbadener Bädern.

 

Die Verteidigung ist Sache der Bürger. Der Graf führt in der Stadt und auf den Dörfern Musterungen durch, bei denen die Waffen vorgezeigt werden müssen.

1480-1511 residiert Graf Adolf III, ständig in Wiesbaden. Ab 1507 wird der Flecken ummauert. Vor der Stadt Landgräben, Hecken, Gebück aus gekappten Hainbuchen.

 

Um 1520 werden Geschworene Bürgermeister, und die übernehmen nach einem Jahr andere Ämter. Alle werden bezahlt.

 

Städtische Einnahmen 14./15.Jh.

Ab 1438 etwas mehr als die Hälfte Back-Ungeld beim Mahlen von Roggen und Weizen. Befreit sind Schultheißt, Büttel, Priester, Förster (Renkhoff, S. 156) 

Es folgt die Grund- und Gebäudesteuer und das Wein bzw. Bier-Ungeld. Bis Mitte des 16. Jhs. überwiegen die Steuern, insbesondere die indirekten. Dann steigt die Herdsteuer erheblich an.

Ausgaben: Fast die Hälfte sind Abgaben an den Grafen, vor allem die Bede auf Grundbesitz. Dazu erhält er bis 1478 das gesamte Wein-Ungeld, danach erhält die Gemeinde etwa ein Fünftel davon. (Renkhoff, S.159)

Ausgaben sind auch der Schuldendienst und die Bau-Unterhaltung sowie Besoldungen. Außergewöhnliche Ausgaben werden durch Kredite finanziert.

 

Im 15. Jahrhundert tauchen zwei Gemeindehäuser auf, die als Rathaus dienen. Um 1580 neues Rathaus, nach Brand um 1610 das noch heute erhaltene (Alte") Rathaus.

 

Um 1467 sieben offizielle Marienfeste im Jahr. (Renkhoff, S.173)

In Wiesbaden selbst gibt es kein Kloster, aber die Klöster außerhalb besitzen Höfe im Flecken. Daneben gibt es den gräflichen Schloßguthof. Der Adel besitzt mehr Höfe im Flecken, als es dort geistlichen Besitz gibt. Daneben gibt es auch Adelshöfe in der engeren Stadt und dort auch die Burgmannen-Häuser. 

 

Heiße Natriumchlorid-Quellen, 21 Thermalquellen werden genutzt. Gemeindebad mit vom Grafen erlassener Badeordnung, Badhäuser mit 10-20 Betten zur Übernachtung bei Selbstverpflegung. Sie gehören der wohlhabenden städtischen Oberschicht.

 

Recht arbeitsteiliges Handwerk, manche Spezialisten werden aus Mainz geholt.

Tuchhandel auf der Frankfurter Messe in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Für die Wollweberei Schafzucht im Taunus.

Im 15./16. Jahrhundert vornehme Damen und Herren auf Badekuren.

 

1474 erste Gewerbeordnung der Metzger, gemeinsam durch Graf und Gemeinde erlassen. Saisonale Fleischsorten, Höchstpreise. Qualitätskontrolle durch Beseher. Vier Bäcker verkaufen in Brothalle. Ebenfalls Höchstpreise. Wohl bis ins 16. Jahrhundert zumindest viele Hausschlachtungen und Backen zuhause.

 

Drei landesherrliche Mühlen.

Bis Anfang des 16. Jahrhunderts blühendes Gastgewerbe. Nach 1527 Privilegierung von vier Schankhäusern, was die übrigen schädigt.

 

Im 15. Jahrhundert vier Jahrmärkte, daneben Wochenmärkte. Im Flecken das Kramhaus für täglichen Verkauf.

 

Eigentliche Stadt ummauerter Raum um die Burg mit dem "PLatz", wohin sich die Menschen bei Gefahr flüchten. . Flecken um Pfarrkirche. Bäderbezirk "Sauerland".

Häuser mit Giebelseite zur Straße. Kaum durchgehende Häuserfronten. Neben dem Haus Durchfahrt zu Wirtschaftsgebäuden. Erst für 1524 erste Pflasterung belegt. Im 16. Jahrhundert Beleutung mit Feuerpfannen an wenigen Stellen.

In der Gemarkung Feldflur und Allmende-Wald.

 

In der Stadt gibt es keine Ärzte oder Apotheker. Stattdessen Bader. Der Graf hat eigenen studierten Privatarzt. Um 1350 gründet der Graf ein Hospital. Nur Unterkunft und Verpflegung, keine Behandlung

 

1525 Bauernkrieg, der in der Stadt als Bürgeraufstand mittlerer Bürger stattfindet. Beschwerden gegen Geistliche, Stadtobrigkeit und gräfliche Verwaltung. In Wiesbaden danach Gefängnis und Geldbußen, keine Hinrichtungen. Freiheiten der Stadt werden eingeschränkt.

 

Bis 1555 setzt sich in kleinen Einzelschritten die Reformation erst in der Bevölkerung und dann in der Obrigkeit durch.

In der ersten Hälfte des 16. Jahrhundert viele Seuchen, es ist dann von dem Sterben die Rede. 1524 geschätzte 1200 Einwohner, 1550 1000-1100.

Im 16. Jahrhundert manchmal 2, manchmal vier jüdische Familien, gelegentlich Kreditgeber für den Fürsten.

 

 

 

1. Zur Entstehung des Islam

 

Von Mohammed weiß man, historisch gesichert, nicht viel mehr als von Jesus, außer dass man erschließend vermuten kann, dass es Menschen diesen Namens zur entsprechenden Zeit gegeben hat.

 

Der Koran ist eine um 700, also mehrere Generationen nach seinem Tod redigierte Textsammlung, von der man nicht weiß, ob die Redaktion vorher schriftliche Quellen besaß oder ganz auf mündlicher Überlieferung beruhte (was fast alle Wissenschaftler vermuten). In ihm kommt Mohammed weder namentlich noch sonstwie, was seine Person oder sein Leben betrifft, soweit vor, dass man irgendetwas wissenschaftlich gesichertes über ihn erfahren könnte. Zugleich (um 700) beginnt man aber im Auftrag eines Kalifen, der dem Islam eine bestimmte politische Wendung geben will, Legendäres von Geschichtenerzählern auf arabischen Marktplätzen zu sammeln, was widersprüchlich bleibt, aber dann in die Legendensammlungen der Hadith eingeht, die für einen Muslim so glaubenswert sind wie die Geschichten der Evangelien für wirkliche Christen, die heute als christliche Fundamentalisten bezeichnet werden.

 

Derselbe Kalif gibt um 700 wohl auch eine bzw. mehrere „Biographien“ des Mohammed in Auftrag, die auf mündlichen volkstümlichen Legenden beruhen, Sira heißen und sich ebenfalls widersprechen.

 

Solche Offenbarungen, wie sie den Koran ausmachen, hatten in der Zeit, in der der Islam entstand, viele Männer in Arabien. Im Koran aber werden solche Offenbarungen an den letzten Propheten immer von dem einzigen, weil wahren Gott geleistet. Alle früheren, nichtarabischen und für den Koran anerkannten Propheten hatten ihre Offenbarungen so wie der letzte von ihnen erhalten, manchmal im Schlaf wie im Traum, manchmal in besonderen Wachzuständen. Als man bei der Niederschrift längst dem Bedürfnis nachgekommen war, durch mehr oder weniger märchenhafte oder besser legendäre Geschichten und Geschichtchen sich einen Propheten konkreter vorstellen zu wollen, wurde in der Hadith-Tradition auch erzählt, der Erzengel Gabriel habe Mohammed Gottes Texte eingeflüstert. In solchen Geschichten wird man stark daran erinnert, wie Gabriel Maria ihre göttliche Insemination und Jungfrauengeburt angekündigt hat, was in Arabien bei den Geschichtenerzählern bekannt war.

 

In der ganzen durch Texte bekannten damaligen Welt gab es solche Offenbarungen und auch in der römischen Antike, in der das Christentum seinen Schliff bekommt. Kaiser Konstantin hat, heißt es, im Traum Gottes Aufforderung gehört, er solle im Zeichen des Kreuzes die Schlacht gewinnen. Römische Priester und griechische Wahrsagerinnen haben ständig Eingebungen. Der evangelische Jesus redet unentwegt so, als ob durch ihn sein Gott spräche. Etwas Handfestes über die Offenbarungen, die Gott einem Mohammed mitteilte, haben wir nicht. Es gibt keine zeitgenössischen Texte dazu, niemanden, der in der Zeit um 620/30 aus Mekka überliefert hätte, was da geschah, so wie niemand in der römischen Provinz Palästina zu dessen Lebzeiten etwas auch nur ansatzweise ergiebiges von einem Jesus berichtet, jedenfalls ist nichts derartiges überliefert.

 

Offenbarungen gibt es damals viele, aber was da mit einem Mohammed und wie passiert sein soll, wie sein Al-Lah sich mit ihm in Verbindung setzte, was da geschah, in welcher Form, und wie das alles bis um 700 so genau noch gewusst wird, ist völlig unbekannt. Im Koran sagt Gott nur, dass er ganz bewusst arabisch spreche. Vielleicht stimmt an den Geschichtchen, die heute junge Leute im Islamunterricht in Deutschland lernen, irgendetwas, wäre also historisch, so oder ähnlich geschehen, aber vielleicht ist alles erfunden, niemand weiß es.

 

Juden und Christen haben in Arabien die Voraussetzungen für den Islam geliefert.

 

In der Zeit, in der sich auf der arabischen Halbinsel ein panarabisches Bewusstsein herauszubilden beginnt, nämlich vor allem im sechsten Jahrhundert, und zwar vor allem gegen Persien und das oströmische (griechische) Reich gerichtet, ist der Norden dieses Arabiens in Teilen christlich, während im heutigen Jemen ein jüdisches Reich besteht und gegenüber in Äthiopien seit dem vierten Jahrhundert ein christliches mit einer jüdischen Minderheit. Wenn man dem Koran und den Legenden sammelnden Texten aus der Zeit um 7oo glauben kann, gab es in der Gegend von Medina beispielsweise arabische Stämme, die jüdischen Glaubens waren. Von Judentum und Christentum stark beeinflusst, bildet sich eine Art arabische Reformbewegung heraus, die Panarabismus (auf der arabischen Halbinsel, wo es Araber gab) mit der Forderung nach religiösen Reformen verbindet. Manchmal ist da von Hanifa die Rede, und in der Gegend des kleinen Städtchens Mekka von Hums.

Dabei treten Tendenzen in Richtung auf einen Gott als Hauptgott auf, der offenbar (nicht nur) in der Gegend von Mekka noch drei Töchter hat, die im Koran als Begleiter des Hauptgottes gelten. Dem oder den Gründern des Islam als einer panarabischen Religion ist dann als wesentliche Steigerung der Reform daran gelegen, diese Töchter al-Lahs zu verbieten. Wahrscheinlich gelingt es ihm/ihnen zunächst, sie aus dem ummauerten heiligen Bezirk um die Kaaba zu verdrängen, und mit der kriegerischen Explosion, die dann von dort ausgeht, werden ihre Heiligtümer auch draußen vernichtet. Im Koran ist darum immer wieder von den „Begleitern“ Al-Lahs die Rede, die es zu vernichten gelte, damit er zum „unbegleiteten Gott“ wird. Dasselbe würden sie dann auch von den Christen verlangen, den Gott ohne Begleitung anderer Götter wie Jesus, der wie Mohammed nur ein Mensch und ein Prophet war.

 

Arabien sorgt dafür, dass man über die Entstehungsgeschichte des Islam vor Ort nicht forschen darf. Islamische heilige Städte wie Mekka, Yathrib, oder Medina, was aber eigentlich auf arabisch nur Stadt heißt, und andere sind für jede wissenschaftliche Forschung und darüber hinaus für alle Nicht-Muslime verschlossen. Das bisschen, was man dennoch weiß, legt nahe, dass Mekka Anfang des 7. Jahrhunderts ziemlich klein und unbedeutend, hingegen der Nachbar Yathrib groß und mächtig war. Mekka nun hat mit seinem heiligen Stein immerhin die Einkünfte von Pilgern, die ihn dort verehren, und vermutlich damals etwas Edelmetall-Bergbau. Yathrib wiederum war bedeutende Handelsstadt. In der Konkurrenz beider Orte konnte Mekka darauf verweisen, dass dort arabische Stämme hausten, die zum Teil jüdisch, zum Teil christlich waren, sich gegenseitig bekriegten und vielleicht auch schon mal feindselig gegenüber dem Stamm der Kureisch waren, der wie alle arabischen Stämme wiederum aus Clans bestand, von denen die Legenden behaupten, das aus einem von ihnen „Mohammed“ stamme. Mohammed ist aber womöglich gar kein Eigenname gewesen, sondern ein Ehrentitel, der so etwas wie der Erhabene bedeutet. Dann wäre er einem Religionsgründer nachträglich beigegeben worden.

 

Vermutlich hat er oder wer auch immer alles den Islam begründet, auch nur wenige Neuerungen gegenüber den bisherigen arabischen Reformbewegungen „geoffenbart“ bekommen. Diese bestehen darin, dass er Al-Lah seine Begleiterinnen nimmt, allen anderen arabischen Orten ihre auf Al-Lah gerichtete Heiligtümer, und als einziges noch die Kaaba in Mekka zulässt.

 

Die Suren des Koran lassen deutlich erkennen, dass sie von verschiedenen Autoren stammen, und dass fast jede einzelne, vor allem aber die längeren, aus unterschiedlichen Texten wiederum zusammengestückelt wurden. Wenn irgendetwas an den Sira und den Hadith dran ist, dann ist es zunächst Familie und Verwandtschaft dieses Mohammed, die sich seiner Lehre (den Offenbarungen Al-Lahs) anschließen. Auf jeden Fall entsteht der Islam wohl in Mekka unter Mitgliedern eines Clans der Kureisch, von denen man ansonsten wenig weiß. Wie dieser Islam aussieht, bevor der Koran um 700 endverfasst wird, bleibt weitgehend unbekannt. Wenn es übrigens einen rigorosen monotheistischen Islam gab, dann blieben doch alle möglichen Geister (dschinns) und Dämonen bestehen, gehen auch in den Koran ein, und eine arabische Variante des christlichen Teufels gibt es auch.

 

Im Koran wird immer wieder deutlich, dass sein Autor oder seine Autoren die „biblischen“ jüdischen wie christlichen Texte nicht gelesen hatte(n). Es ist aber auch unübersehbar, dass er oder sie diese indirekt aus Erzählungen der damals üblichen und wohl oft professionellen Geschichtenerzähler kannten, allerdings eben nur ungefähr. Diese für Christen „biblischen“ Texte waren also in Arabien auch außerhalb von dessen jüdischen und christlichen Regionen weit verbreitet. Und dann haben diese Autoren sie wiederum so verändert, dass sie in die neuen Vorstellungen des Islam passen. Dabei übernehmen sie das Kernthema des sogenannten Alten Testamentes: Der eine wahre Gott suchte, zum ersten Mal mit Abraham, einen Bündnispartner unter den Menschen, der dafür sorgen sollte, dass sie nur an ihn glaubten und nicht an die anderen Götter. Und sobald sie dann wieder von ihm abfielen, bestrafte er sie. Soweit sind Koran und antike jüdische Texte identisch. Zum letzten Mal nach Jesus hat er nun Mohammed auserkoren, um die Menschen zu ermahnen, und sich als Volk eben nicht mehr die Juden auserwählt, sondern die Araber. Wenn sie ihm nun nicht die Treue halten würden, würde es einen Weltuntergang ohne Gläubige als Überlebende geben, also kein Paradies, keine sich selbst reparierenden himmlischen Jungfrauen und all das andere Schöne, was sich arabische Männer damals so ausdenken.

 

Die Araber hatten seit mehreren Jahrhunderten eine gemeinsame Sprache, in der sie sich verständigen konnten, und seit einigen Jahrzehnten auch eine eigene Schrift. Deswegen spricht Al-Lah nunmehr auch arabisch, wie er immer wieder im Koran betont, denn alle Araber können ihn so verstehen, und die extrem wenigen, die schreiben können, alles aufschreiben. Bei den anderen Völkern war er schließlich bereits hoffnungslos gescheitert.

 

Dem entspricht auch, dass offenbar von den Juden als einzig wahrer Gott ein sehr maskuliner übernommen wird, und viele der falschen Götter sind entsprechend bei beiden Religionen Frauen. In der viel mächtigeren Konkurrenzstadt Mekkas hieß die Göttin Al-Lat, deren Kult Al-Lah beseitigt sehen will.

 

 

Im arabischen Raum sind Stämme wie die Kureisch, denen Mohammed entstammt sein soll, auch berittene Kriegerhorden, aber daneben gibt es auch Händler und Leute, die Land bearbeiten. Mit dem einen männlichen Gott unter Ausschluss eben auch alles Weiblichen im Göttlichen wird dies kriegerische Element gestärkt.

 

Der Koran ist so in wesentlichen Punkten eine Übernahme altjüdischer Vorstellungen, die auf den arabischen Kulturraum übertragen werden. Mit dem neuen Testament und insbesondere mit seinem Aufruf zur Friedfertigkeit konnten die Autoren hingegen nichts anfangen, genauso wenig wie die Christen selbst seit spätestens dem 4. Jahrhundert. Auch deshalb wohl bleibt der letzte Prophet des einzigen wahren Gottes, der sich nun als Al-Lah ganz arabisch gibt, blass und sehr unscharf im Koran. Er hat wenig neues hinzugefügt. Aber niemand muss sich wundern, wenn Muslime Abraham heißen, arabisch Ibrahim, oder je nach Weltgegend Merjem oder Miryam oder wie auch immer in ihrer Sprache die Prophetenmutter Maria heißt.

 

Der Islam ist also der letzte Versuch Gottes, sich ein Volk auszusuchen, welches nur an ihn glaubt. Die Grundthese, die sich aus dem Koran herausdestillieren lässt, ist, dass Al-Lah sich (unter anderem Namen) zum ersten Mal Abraham geoffenbart hatte, der somit der erste Prophet war. Danach kam es aber wieder zu fürchterlichster Vielgötterei. Ein weiterer Prophet kam, beseitigte sie, danach kam sie wieder zurück. Schließlich erinnerte Jesus daran, dass es nur einen Gott gebe, aber auch diese Offenbarung wurde bald nicht mehr befolgt.

 

Und so findet sich Gott nun und nur noch einmal bereit, an sich zu erinnern, und dafür offenbart er sich dem letzten Propheten vor dem Weltende, der in der späteren Überlieferung Mohammed heißt und der dafür besonders geeignet ist, weil er schon vorher spürte, dass das Weltenende (wie bei Jesus) ganz nah sei und man schnell zum Gott Abrahams zurückkehren müsse, der mit Al-Lah identisch sei, wegen dem einige bereits inzwischen zum heiligen Stein in Mekka gepilgert waren. 

 

Im siebten Jahrhundert ist das schlagendste Argument, Juden und Christen zum Islam zu überreden, die Erklärung, nur der Islam würde dem (einen) Gott Abrahams derzeit noch die Stange halten.

 

Im Koran wird an einer ganzen Anzahl Stellen darauf verwiesen, dass der Islam eine originär arabische Religion sein soll, also die, unter der sich die „Araber“ (ver)einigen sollen. In gewissem Sinne werden sie so zum (neuen) auserwählten Volk Gottes, allerdings später grundsätzlich offen für die ganze Menschheit, was zwischen den Zeilen impliziert, dass sie dann auch irgendwie Araber werden würden, wenn sie sich zu Al-Lah als einzig wahrem Gott bekennen, etwas, was im islamischen Spanien wichtig werden wird.

 

In gewissem Sinne übernimmt der Gott, der im Koran spricht, auch die Vorstellung von einer mit Gott verbundenen heiligen Sprache, bei Juden althebräisch, bei den Arabern eine der vielen verwandten Sprache, die sich vor mehreren Jahrhunderten als gemeinsame durchgesetzt und damit die Vorstellung eines gemeinsamen Arabertums befördert hatte. Al-Lah begründet darum immer wieder im Koran, warum er nun sehr bewusst arabisch spricht. Deswegen bemühen sich fromme Muslime in aller Welt, ihre auswendig gelernten Suren, die sie pflichtschuldigst täglich fünfmal als Gebet hersagen,  auch in koran-arabisch aufsagen zu können. Die magische Wirkung der Unterwerfungsgebärde im Gebet ist vom genauen Verständnis des Inhaltes dann letztlich so unabhängig wie die lateinischen Teile der Messe der römisch-christlichen Kirche durch Unkenntnis des Lateinischen beim Gläubigen ebenfalls ihrer magischen Charakter nicht verloren, ja, dieser eher gesteigert wird.

 

Bevor der Islam sich um 700 als fixierte Religion konsolidiert, ist er bereits bis tief in das damals von zoroastrischen Persern beherrschte Mesopotamien und Syrien vorgedrungen und bis nach Nordafrika. Dies aber als vor allem auch völkisch begründeter Vorstoß, der ein arabisches Reich schafft, in dem die Araber weithin eine winzige, dünne Herrenschicht bilden und der Islam zunächst nur ihre Religion ist. Als der besagte Kalif in Damaskus merkt, das ein Reich, in dem es hauptsächlich Christen und an zweiter Stelle Juden gibt und nur verschwindend wenige Muslime, beginnt man, auch die Untertanen zu arabisieren und zu islamisieren. Der Druck von oben nach unten nimmt zu. Islam wird zur Weltreligion, und da seine Inhalte stark arabisch geprägt sind, beginnt eben mit Islamisierung auch Arabisierung, zum Beispiel auch in Spanien, als es ab 711 von Arabern und ihren Hilfstruppen aus schon eroberten Gebieten erobert wird.

 

 

Wie schon angedeutet, hat der Islam von Anfang an eine „politische“ oder besser gesagt sehr weltliche Seite. Die arabische Halbinsel war in jüdische und christliche Stämme sowie besonders im Wüsten-Inneren solche mit Vielgötterei und Dämonenglauben geteilt, in sich sehr uneinig und sich dem Untergang, also der Unterwerfung zunächst durch Byzanz und dann durch Persien nahe fühlend. Arabische Stämme verhökern ihre Kriegerscharen mal als Söldner an Ostrom, mal an Persien. Der jüdische Jemen war im 6. Jahrhundert persisch geworden und wurde „entjudaisiert“. Christliche Araberstämme im Norden, die mit Ostrom verbündet waren, wurden ebenfalls von Persien erobert und „entchristianisiert“. Arabische Christen übrigens nannten ihren Gott oft auch Al-Lah, was zeigt, dass er nicht nur einer der Götter Mekkas war, und sie scheinen dessen Heiligtümer in Arabien deshalb in Ehren gehalten zu haben, indem sie ihn mit dem Christen-Gott identifizierten.

 

Im Koran ist von zwei Arten von Weltuntergang die Rede (also vor allem Untergang eines eigenständigen Arabiens), die wohl beide damit zu tun haben, dass man befürchtet, Persien würde die ganze Halbinsel unter seine Kontrolle bringen. Da Al-Lah allmächtig ist, droht er im Koran, die Araber untergehen zu lassen, wenn sie sich nicht zu ihm bekehren und bekennen. Und es ist dann laut legendärer Tradition im Islam das Verdienst des letzten aller Propheten, dass sie dabei seien, sich ganz im Gegenteil zur Weltherrschaft aufzumachen.

 

Aspekte eines solchen Gedankens konnten direkt von den Juden und Christen übernommen worden sein, die beide eine Erlösung als Endsieg des wahren Gottes in Form eines allgemeinen Weltuntergangs predigen, nachdem einerseits die Juden dann als einzige Überlebende paradiesische irdische Zustände bekämen, die die Christen andererseits als „Himmelreich“ irgendwo anders bezeichnen, in die hinein wiederum nur sie wiedergeboren würden.

 

Der Islam des Koran und der Krieg gehören zusammen. Es gibt keinen soliden Hinweis darauf, dass die frühen Muslime zehn Jahren nach der ersten Offenbarung Al-Lahs für Mohammed aus Mekka vertrieben worden seien, wie spätere Legenden behaupten. Möglich scheint auch, dass der Prophet in Medina einen Stützpunkt für die Entfesselung eines Krieges gegen Mekka brauchte, der im Falle eines Sieges zur Ausrottung aller Ungläubigen führen sollte. Medina bietet sich einmal wegen der Nähe an, zum anderen wegen der Anwesenheit vieler arabischer Juden, mit denen er zunächst sich verbündet.

 

Die ersten Lebensgeschichten (Sira) Mohammeds um 700 (vor allem die Ibn Ishaqs) beschreiben sieben Versuche, die Kureisch von Mekka in Kämpfe zu verwickeln und schließlich den Überfall auf eine Karawane von ihnen, die durch mekkanische Krieger verstärkt war. Mohammeds Leute siegen und töten, wie es ihnen ihr Gott befohlen hatte. In der Sure 9 sagt Al-Lah zu Mohammed:

Doch die glaubten, auswanderten und auf dem Wege Gottes kämpften, mit ihrem Gut und ihrem Leben, die haben den höchsten Rang bei Gott. Das sind die Gewinner.

 

In der zu Recht berüchtigten Sure 49 wird das ergänzt:

Wenn ihr jedoch die trefft, die ungläubig sind, dann schlagt sie auf den Nacken, bis ihr sie ganz besiegt habt. Dann schnürt die Fesseln fest! Dann entweder Gnade oder Lösegeld – solange bis der Krieg ein Ende nimmt. So soll es sein. Wenn Gott wollte, könnte er sich ihrer selbst erwehren. Doch will er euch auf die Probe stellen. Und die auf dem Wege Gottes getötet wurden, deren Werke lässt er nicht verloren gehen. Recht leiten wird er sie und ihnen Wohlergehen schenken und sie in den Paradiesgarten führen, den er für sie ausersehen hat.

 

Als die jüdisch-arabischen Stämme in der Gegend von Medina sich weigern, zum Glauben Mohammeds überzutreten, gelingt es Mohammed mit seinen durch den Sieg gestärkten Kriegern, mehrere von ihnen mit kriegerischer Gewalt zu vertreiben (Sure 59), und laut der islamisch-arabischen Tradition um 700 einen komplett abzuschlachten. In der Sure 33 heißt es dazu:

Er (Al-Lah) gab euch ihr Land zum Erbe, ihre Häuser und ihr Gut, Land, das ihr noch nicht betreten hattet. Gott ist allmächtig.

 

Mit der Kodifizierung der mündlichen Tradition der Suren des Koran unter dem Kalifen Oman, der dessen Ergebnis auch gegen die schiitischen Feinde durchsetzen kann, erschüttern seitdem drei "ewige" Offenbarungen und Wahrheiten enthaltende und miteinander konkurrierende heilige Bücher die Welt.

 

Die Ausbreitung des Islam und der Araber und in ihrem Verein der Berber und "Türken" ist die wohl rasanteste Völkerwanderung der Spätantike bzw. des frühen Mittelalters. 622 soll die Hedschra stattgefunden haben, die Emigration Mohammeds nach Medina, wo sich schon Anhänger von ihm befinden sollen. Die ersten drei Kalifen schaffen zwischen 632 und 656 die Ausbreitung ihrer Herrschaft und des Islam über ganz Arabien.

635 wird Damaskus erobert, 638 Jerusalem. Seit 637 wird das persische Mesopotamien erobert und Basra am persischen Golf gegründet, kurz darauf Kufa. 651 ist das Kernreich der Sassaniden erobert. 646 ist Ägypten arabisch besetzt und Fustat wird gegründet.

In den Jahrzehnten darauf wird Nordafrika samt seinen oströmischen Herrschaftsgebieten überrollt. 711 fällt mit der Schlacht von Xeres de la Frontera fast die ganze iberische Halbinsel an die "Araber".

 

720 überqueren sie die Pyrenäen, Aquitanien wird erobert und verwüstet. 732 werden sie von Karl Martell zwischen Tours und Poitiers zum ersten Mal zurückgeschlagen. In den nächsten fünf Jahren werden sie von ihm weitgehend aus der Provence vertrieben. Dabei ist die fränkische Zentralgewalt unter dem Hausmeier Karl immer neuen Bündnissen aquitanischer, provenzalischer und burgundischer Großer mit den muslimischen Streitkräften konfrontiert. Es geht hier kaum um Religion, aber sehr um Macht. Nach Tours und Poitiers taucht zum ersten Mal seit der Antike das Wort Europenses auf, in Abgrenzung zu den "anderen".

 

Der ursprünglich arabische Koran trifft bald auf den Arabern völlig fremde Kulturen. Im Zusammentreffen mit Persien kommt es zum ersten großen Schisma, auf dem Weg nach Spanien bewegt er die Berber zu erheblichem Expansionsdrang, der sie an der Eroberung des Westgotenreiches auf der iberischen Halbinsel teilhaben lässt.

 

Als Sarakenoi wurden vom frühen Konstantinopel aus gesehen Nomadenstämme auf der Sinaihalbinsel bezeichnet. Seit den Kirchenvätern wurde dann die Legende verbreitet, die "Hagarener“, die Nachkommen der verstoßenen Nebenfrau Abrahams, hätten sich „Sarazenen“ genannt, um vorzutäuschen, sie stammten von Sarah, der Ehefrau Abrahams ab.

 

Die Franken können halbwegs zwischen den arabischen Herrschern in Bagdad und der auch von Berbern geprägten Zivilisation von Cordoba unterscheiden. Sie nennen sie manchmal im Sinne des Alten Testamentes Ismaeliten, in der Regel bald aber Sarazenen, wodurch sie von den östlichen Arabern, wenn auch etwas verschwommen, abgetrennt sind.

 

Der Islam ist eine Religionsgemeinschaft, umma, und zunächst zugleich ein ethnisches und militärisches Gebilde, nämlich arabisch und auf Eroberung aus. Eine Besonderheit im Vergleich mit der christlichen Welt ist, dass die Herrscher, Kalifen, in der arabischen Richtung der sunna als Nachkommen Mohammeds gelten: Religion und weltliche Macht sind in einer Hand. Damit die Macht "arabisch" bleibt, wird zur Zeit der Eroberung Hispaniens, der Spania, bereits bewusste Arabisierung betrieben, d.h. die vorherrschende Sprache wird das Arabische, welches die anderen Sprachen, zum Beispiel die der Berber, verdrängt. Da Araber sein und Muslim sein vorläufig außerhalb Persiens identisch wird, wird zugleich Islamisierung betrieben, allerdings eher mit Druck als offener Gewalt.

 

Das Kalifat in Damaskus kann die multiethnischen und multireligiösen Gebiete nicht lange gut kontrollieren. An vielen Stellen bilden sich militärisch begründete, nach mehr Selbständigkeit strebende islamische Regionen heraus. Der Einfall in Spanien beispielsweise geschieht recht unabhängig von der Zentrale des Kalifates.

 

Um 698 marschiert der vom Kalifen bestimmte Gouverneur Musa ibn Nusayr in Kairouan (Qayrawán) ein. Einer seiner Offiziere, Tarik ibn Ziyád, wie andere für den Chef mit der Eroberung des heutigen Marokkos beschäftigt, nimmt Tanger und Ceuta ein. 711 setzt er mit von einigen geschätzten 18 000 Soldaten, überwiegend wohl Berbern ("Mauren"), nach Spania über.

 

Nachdem Roderich 711 in der entscheidenden Schlacht getötet wird, sind die Goten ohne Führer. Musa ibn Nusayr kommt nach und bemächtigt sich gleich Sevillas. Teile der gotischen Großen laufen zu den Invasoren über. Laut arabischen Chroniken heiratet der Sohn des Eroberers Músa ibn Nusayr nicht nur Egilona, die Witwe von König Rodrigo, sondern setzt sich auch eine Krone auf, was Glaubensgenossen dazu bringt, ihn zu töten, - er könnte eine unislamische Monarchie einführen wollen.

 

 

 

 

 

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„Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Anleitung eines anderen zu bedienen. Selbst verschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Muthes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Sapere aude! Habe Muth, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! ist also der Wahlspruch der Aufklärung

 

 

Der Bruch mit dem Mittelalter

 

Fabriksystem, Untergang des Handwerks und Industrialisierung der Landwirtschaft

"Aufklärung"

Verwissenschaftlichung

Politische Theoriebildung als alleinige Rechtfertigung von Machtausübung

 

Geschichtsschreibung: Die Geschichte der Wenigen und die vielen Anderen

 

An das Unheil der Geschichte schließt sich das Unheil der Geschichtsschreibung fast lückenlos an.

 

Geschichte handelt von Geschehen, welches naturgemäß immer zugleich Vergangenheit ist. Soweit es nicht wie fast alles vergessen wird, also soweit es erinnert wird oder neu entdeckt werden kann, verwandelt sich das Geschehen in Geschichten, die manchmal in Verbindung gebracht werden können, mit denen man sich auseinandersetzen kann, und die immer neue Horizonte in Zeit und Raum erschließen.

 

Geschichte ist keine Wissenschaft wie die mathematisierten und technik-orientierten Naturwissenschaften, aber sie kann sich der Kriterien wissenschaftlicher Verfahrensweisen bis zu einem bestimmten Punkt bedienen. Am Ende ist sie so subjektiv, wie Subjektivität den Menschen nur interessant machen kann, sie ist so subjektiv wie das Interesse, welches dahintersteckt, mag es auch nach Verallgemeinerung streben.

 

Schließlich ist Geschichte immer Erzählung, Bericht, Untersuchung, und darum selbst im besten Fall höchstens ähnlich dem, was einmal war. Das hat dann auch etwas mit den Zufälligkeiten von Erinnerung zu tun, von Fundstücken und Überlieferungen, und natürlich mit den Interessen des Erzählers.

 

Kenntnisse von irgendeiner Vergangenheit haben wir umso weniger, je mehr uns Texte fehlen: Geschichte ist immer ein Text, und er handelt vorwiegend von dem, was sich in Text fassen lässt. Schon dadurch geht fast die ganze Vergangenheit völlig verloren. Knochen, Gebäude. Werkzeuge, Artefakte und ähnliches erlauben nur blasseste Spekulation über das, was von vergangenen Menschenaltern handelt, wenn wir nicht wenigstens in Texten Menschen "lauschen" können, die dazu gehörten.

 

Nun ist aber über die Überlieferung Geschichte bereits ganz ungeheuer einseitig: Von den meisten Menschen "wissen" wir gar nichts, von den meisten übrigen fast nichts, und mehr nur von ganz, ganz wenigen. Dies sind die Wenigen, von denen wir Schriftliches überliefert haben, und je weiter wir in die Vergangenheit zurückgehen, desto weniger wird das, - und wenn wir uns in Richtung "Gegenwart" bewegen, handelt es sich andererseits um eine längst unüberschaubare Masse an "Quellen", die unter den Bedingungen des Buchdrucks und dann später der Massenproduktion immer weniger über Menschen und immer mehr über den Warencharakter der Produkte verraten, während sich die Menschen zunehmend dahinter verbergen.

 

Das Problem der Einseitigkeit wird aber erst dadurch so recht schwerwiegend, dass Vorgänge des Wandels, des Betreibens von Veränderung, die gerade auf diesen Seiten hier auch betrachtet werden sollen, vornehmlich von ganz wenigen nur betrieben wurden, die dadurch in unserer Wahrnehmung eine besondere Prominenz erhalten. Die Geschichte ist soweit die der wenigen Erfinder und nicht so sehr die der Mitmacher und Nachahmer, sie ist eine der besonderen Talente und Antriebe, wie sie nur wenigen zuteil wurden - im Guten wie im Bösen. Und schließlich ist sie eine der Prominenz der großen Machthaber, die seit Jahrtausenden mit dem Hang von zu "Volks"massen umgeprägten Menschen rechnen dürfen, ihr Leben nicht selbst und zugleich gemeinsam verantworten zu müssen.

 

In dem, was wir hier als Geschichte betrachten, ist dann noch etwas wichtig: In der Regel wissen die Beteiligten nicht, was sie anrichten, welche Folgen es hat und ignorieren die fatale Differenz zwischen Absicht und tatsächlicher Wirkung. Wenn Geschichte im Rückblick dem naiven Betrachter plausibel, konsequent, logisch linear erscheinen mag, so war und ist genau das im Vorausblick immer illusionär. Die Logik des Rückblicks ist eine Konstruktion des Betrachters. Auch insoweit ist Geschichte reine Ansichtsache, und die Blickrichtung verändert den Gegenstand in ganz erstaunlichem Maße.

 

 Zwischen Herodot und dem einsam herausragenden Thukydides entwickelt sich eine zunehmend weniger dem Hörensagen gehorchende und kritischere, analytischere griechische Geschichtsschreibung. Erst relativ spät beginnen Römer die eigene Geschichte aufzuschreiben, nämlich seit den punischen Kriegen, und entsprechend werden römisches Machtstreben und die Interessen der Reichen und Mächtigen ungeniert propagiert. Mit den Bürgerkriegen kommt dann mehr oder weniger ideologisch verbrämte Parteinahme für einzelne Machtfraktionen hinzu. Das Entsetzliche an dieser Geschichtsschreibung ist aber vor allem, dass sie im wesentlichen von Kriegen und Machtkämpfen handelt, von Gewalttätern vor allem, von denen ein Teil auch noch gefeiert wird. Die allermeisten Menschen tauchen nur summarisch als das massenhafte Menschen-Material dieser Halunken auf und wir erfahren nicht einmal exemplarisch etwas von ihrem Leben. 

 

Das wird seit Livius 'Ab urbe condita', welches schon ins Prinzipat mündet, über Tacitus bis zu den letzten weströmischen antiken Autoren nicht besser. Tiberius lässt ein prorepublikanisches Geschichtswerk verbrennen und bekommt dafür von Velleius Paterculus eines, welches ihn lobt. Auf Lucans sogenannte 'Pharsalia', welche Cato feiern, folgt der präventive Suizid des Autors.

 

Tacitus beklagt das Ende eines idealisiert-aristokratischen Römertums:

Das Werk, das ich beginne, enthält eine Fülle von Unglück, berichtet von blutigen Kämpfen, von Zwietracht und Aufständen, ja sogar von einem grausamen Frieden. Vier Fürsten fielen dem Dolch zum Opfer, drei Bürgerkriege wurden geführt, noch mehr Kriege mit auswärtigen Feinden, beide Arten meistens zur gleichen Zeit. (...) Sklaven wurden bestochen gegen ihre Herren, Freigelassene gegen ihre Patrone und, wenn ein persönlicher Feind fehlte, der wurde ein Opfer seiner Freunde. (Historien I)

 

Die Identifikation mit dem eigenen Imperium und den oder ausgewählten Reichen und Mächtigen bleibt durchgehender Standard. Autoren wie Sueton oder Sallust werden dann nicht nur stilistische Vorbilder für mittelalterliche Geschichtsschreibung, in der die eigenen Herrscher und Machthaber meist mit Lobhudelei versehen und ihre Gegner diffamiert werden. Ganz offen sagt das zum Beispiel einer der Gebildeteren, Otto von Freising in seinen 'Gesta Frederici', also dem Tatenbericht Kaiser Friedrichs I.: Die Absicht (intentio) aller, die vor uns Geschichte (res gestas) geschrieben haben, war es, so meine ich, die glänzenden Taten tapferer Männer (virorum fortium clara facta) zu preisen (... OttoGesta, S.114). Und er wird genau das für seinen Kaiser und Verwandten tun. Da es sich seit dem Ende des weströmischen Imperiums für rund tausend Jahre um geistliche Autoren handelt, Bischöfe, Mönche, Äbte, kommt zur weltlichen nun die kirchlich-religiöse Propaganda hinzu.

 

Die moderne Geschichtsschreibung mit wissenschaftlichen Kriterien ist im Umfeld eines späten Kapitalismus entstanden und von diesem notwendig geprägt worden. Die Unterordnung der Menschen unter das Kapital als magische sowie handfeste Abgabe von Lebendigkeit an dasselbe, die zugleich ja Ein- und Unterordnung in eine Hierarchie von Agenten und Agenturen seines Verwertungsprogramms ist, die Ausweitung der Gratifikationen und Kompensationsmöglichkeiten - Lebendigkeit aus zweiter Hand - die sich immer rapidere Ausweitung der Zerstörung alles Lebendigen auf der Erde zugunsten einer Welt toter Waren, --- all das wurde ignoriert durch eine Begrifflichkeit, die ich als neuzeitlich idealistisch bezeichne und in der eine hochgradige Verklärung des kapitalistischen "Fortschritts" als Heilsreligion veranstaltet wird. Der Umgang mit Wörtern wie "Freiheit", "Gleichheit", "Demokratie", "Wohlstand" u.v.a. vergoldet den oft vergleichsweise behäbigen Alltag von Verbeamteten der "Wissenschaft". Das Schulterklopfen der staatlichen und privaten Geldgeber war und ist ihnen so gewiss wie die fehlende Beunruhigung angesichts dessen, was Menschen so anrichteten und weiter anrichten.

 

Diese Geschichte ist eben auch eine der Wenigen, die sie als "Wissenschaft" betreiben, fern jeder Öffentlichkeit der weit mehr als 99% der Bevölkerung, die sie auch ganz praktisch fast überhaupt nicht bemerken, weil sie sich dafür nicht die Zeit nehmen und wohl auch schnell intellektuell überfordert sind. Dabei kommt es reichlich unreflektiert zu einer ganz besonderen Bindung zwischen den Historikern und denen, die sie kommentierend begleiten und gerne derart ein wenig adoptieren.

 

Das Problem der Geschichte von Wenigen für Wenige hat allerdings auch eine ganz andere Seite; - unter den Bedingungen von Zivilisationen spätestens seit der griechischen und römischen Antike werden die meisten Menschen nicht nur von der Geschichtsschreibung als entindividualisierte Massen betrachtet, als Material für diejenigen, die "Geschichte machen", als manipulierbare Klientel der Mächtigen, sondern sie sind auch nur allzu oft tatsächlich dazu gemacht worden. Zivilisationen verlangen brave und möglichst gedankenlose Untertanen, und zwar sehr viele, nicht zuletzt solche, die als städtische "Volks"massen, besser, als urbane "Bevölkerung" Untertänigkeit, Schutz und Versorgung verlangen - und sonst gar nichts.

 

Leute, die in Armeen und Manufakturen hineindomestiziert werden, in, Grundherrschaften, Plantagen und Bergwerke, in staatliche Schulen, Büros und Fabriken, und die dafür als Preis Drogen und Amüsierprogramme geliefert bekommen, Leute, die sich einer steten Propaganda-Berieselung von oben ausliefern und ausgeliefert werden, sind nicht nur individuell kaum noch beschreibbar, ihre Individualität ist auch kaum noch im nachherein verifizierbar. Und so sind sie in den Geschichtsbüchern üblicherweise der anonyme Stoff, aus dem die Namhaften und Benennbaren "Geschichte machen", sie sind Kanonenfutter, Arbeitskraft, Jubel- und Stimmvieh.

 

Das Erschreckende dieser Liebe zur Untertänigkeit, ein Komglomerat aus Faulheit, Bequemlichkeit, Dummheit, Angst und Feigheit, hat sich am deutlichsten in den letzten Jahrhunderten in jenen sogenannten "Revolutionen" entfaltet, in denen eine machtgierige Clique eine andere "im Namen des Volkes" der einer "Klasse" abzulösen versuchte, und die, soweit erfolgreich, oft von den Protagonisten der modernen Geschichtsschreibung im Namen eines fast schon theologisch schöngeredeten Fortschritts hochgejubelt werden, bis hin zu den Lobreden auf derzeitige "Demokratien".

 

Es lässt sich aber ganz allgemein beobachten, dass sich mit der Zivilisierung, also der Zerstörung von Kulturen und der Schaffung untertäniger Massen eine allgemeine Neigung dieses längst geduckten "Volkes" zur Identifikation mit der Macht zeigt, eine Neigung zur Abgabe von Verantwortung an die Mächtigen auch auf Basis eines zunehmenden Unverständnisses der komplexer werdenden (eigentlich eigenen) Lebenszusammenhänge. Diese lässt sich wohl anthropologisch-biologisch mit der eingeborenen Neigung zur Faulheit und damit auch Verblödung von Säugetieren erklären, die in Gefangenschaft gehalten und dabei durchgefüttert werden. In den menschlichen Zivilisationen kommt dann als Kompensation noch die Vorhaltung von Amüsement dazu, höchste Gratifikation für Menschen, die von den Mächtigen als Nutztiere besonderer Art gehalten werden.

 

Gegen eine solche jahrtausendealte Historie, die man auch als interessegeleitete Geschichtsfälschung innerhalb eines kleinen Zirkels Interessierter bezeichnen kann, anzuschreiben, ist enorm schwierig. Zweimal gab es bislang Anstöße, es anders zu machen, einmal unter dem Einfluss von Karl Marx, was immerhin das Interesse vor allem von Frankreich ausgehend ein wenig in neue Richtungen lenkte, und dann in der BRD, als der Schock des Dritten Reiches und der Zerstörung Deutschlands im verlorenen Krieg seit den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts ein wenig zu wirken begann. Aber das hat die weitere Ideologisierung der Geschichte jeweils nach den neuesten Moden nicht aufhalten können und die zunehmende Zerstörung der deutschen Sprache und die nicht mehr nur mit Mitteln der Diffamierung betriebende Dogmatisierung einer politischen Korrektheit, die inzwischen deutlich an die Methoden der Bolschewiken und Nationalsozialisten gemahnt und in manchem bereits über sie hinausgeht, tut ihr übriges.

 

Aber einen Versuch hier soll es eben doch wert sein!