GEWERBE 6: DER NORDEN 1350-1520

 

Finanzkapital

Hanse (Die Waren / Handel, Gewalt und Krieg 1 / Kapital und Kapitalist / Der Seehafen / 15. Jahrhundert / Handel, Gewalt und Krieg 2)

Süddeutschland

Transport

Vom Speicher bis zum "Kaufhaus"

Messen

"Welt"handel und Vernetzung

Der Warencharakter der "Welt"

Die Ausweitung des Warenangebotes (Rohstoff,  Halbfabrikat, Fertigprodukt)

Textilien (Aufblühender Kapitalismus in Thüringen)

Bergbau und Metalle

Lebensmittel

Papier und Druck

"Kunst": Malerei

Zünftiges Handwerk in deutschen Landen (Gesellen / Krämer)

 

 

 

Finanzkapital

 

Wichtige Kreditgeber sind bis ins 14. Jahrhundert hinein im Norden Juden, Lombarden und Kawerschen/Karwenschen. Bis dahin sind sie auch im Warenhandel beteiligt, aus dem Juden dann verdrängt werden, worauf sie sich ganz auf eher kurzfristige Darlehen konzentrieren, die aufs Jahr umgerechnet Zinsfüße von 60-70% enthalten. "Bauern, Städter und Adelige standen in Schuldverhältnissen zu Juden, denen Gerichtsgefälle, Regalieneinkünfte, Pretiosen, Wertgegenstände, Arbeitsgerät, gewerbliche Rohstoffe, Dörfer und Burgen, ferner etwa auch die Kronen der pfälzischen Wittelsbacher verpfändet waren. In einem kleinen Gebiet an der Mosel hatten 29 jüdische Gläubiger insgesamt 217 Schuldner, darunter vor allem städtische Handwerker (Schuster, Schneider, Sattler)." (Isenmann, S.382)

 

1348/49 kommt es im Zusammenhang mit der Pest zu großen Judenpogromen. Seit etwa 1380 werden die Juden auch in deutschen Landen von dem Geschäft mit großen öffentlichen Anleihen verdrängt. An etwa 1385 kommt es zu großen Enteignungsaktionen, an denen zum Beispiel Nürnberger Großbürgertum wie die Behaim und Haller beteiligt sind. Der Nürnberger Ulman Stromer schreibt in seinem 'Püchel von mein geslechet und von abentewr' in neuhochdeutscher Übersetzung: Anno domini 1390 Jahr, da mussten die Juden ihre Schulden lassen. Da waren bei Herzog Friedrich von Bayern, die Bischöfe von Bamberg und von Würzburg und von Augsburg, der Burggraf von Nürnberg, die Grafen von Öttinge, die Grafen von Wertheim, unseres Herrn des römischen Königs Räte von Böhmen, viele Herren; und sie kamen überein aufgrund ihrer vom römischen König verliehenen Gewalt, dass unter den Herren und Städten niemand keinem Juden weder Hauptgut noch Zinsen geben soll und sie mussten alle Pfänder und Briefe wieder hergeben. (in: Fuhrmann, S.231f) 

 

Um 1500 ist das Geldgeschäft im wesentlichen in christlicher Hand. Verdrängt werden auch die Lombarden und Kawerschen, bis dahin mit obrigkeitlichen Konzessionen ausgestattet.

 

 

Bis zum Beginn des 15. Jahrhunderts gibt es in deutschen Landen noch keine Banken, die denen in Norditalien ähneln, die insbesondere das bargeldlose Geschäft kontrollieren. In Flandern wie in süddeutschen Landen nördlich der Alpen nehmen Wechsler das Depot- und Depositengeschäft auf, verwahren Edelmetall, Schmuck und Geld. Geldwechsler nehmen dann seit der zweiten Hälfte des 14. Jhs. überdies Inkasso-Abwicklungen als Verlängerung des Depositengeschäfts in ihr Dienstleistungsangebot mit auf, d.h. sie zahlen Gelder zunächst auf mündliche, dann auch auf schriftliche Anweisungen hin aus.

In fünf Monaten 1368/69 schreibt eine Brügger Bank mit 1100 Konten täglich durchschnittlich 30 Transaktionen auf. (Goldthwaite, S.450) Allerdings hat Brügge nur rund 15 (größere) Banken im Vergleich zu 100-150 (kleineren) in Florenz.

Die andere Seite ist: "Überhaupt bedienten Nürnberger und Kölner Wechsler sogar in stärkerem Maße als ihre Kollegen aus Brügge Wechselbriefe des Großhandels." (Dirlmeier, S.52)

Andererseits schreibt Kümper : "Mit einem Wechsel kaufte man Ware, erwirtschaftete damit einen Gewinn und beglich erst dann den Kaufpreis. Im hansischen Handel auf Gegenseitigkeit lief es genauso, nur dass erst gar kein Geld benötigt wurde. Die Ware wurde auf Vertrauen zum Geschäftspartner geschickt, der vom Gewinn neue Ware kaufte und sie zurücksandte." (S.184)

 

In Lübeck gibt es in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts eine Filiale der Medicibank. In dieser Zeit betreibt auch ein Gerhard der Wale ein Wechsel- und Bankengeschäft.

"Bis 1469 wickelten er und später sein Handlungsgehilfe Francesco Rucellai als Medici-Korrespondent den Geldverkehr in Richtung Kurie ab, sie schickten die vielen kirchlichen Gebühren und Ablassentgelte in Richtung Zentrale." (Kümper, S.186)

1461 wird eine Bank des Godeman van Buren in Lübeck gegründet, die nun auch heimische Kaufleute bedient, aber offenbar in den folgenden zehn Jahren wenig erfolgreich ist. 1472 bis 1477 betreibt der Lübecker Domherr Alf Greverade II. hier eine öffentliche Wechselbank. Sein Nachfolger werden dann die Fugger.

Dass es im Hanseraum kaum Banken gibt, erklärt Kümper auch mit der Abwesenheit großer Bergbauanlagen, Saigerstätten und Textilmanufakturen, die zur Finanzierung Kredite benötigt hätten, und auch damit, das Hansekapital ständig in Umlauf ist.

 

 

In deutschen Landen wird ein eigenständiges Konkursrecht entwickelt. "Das deutsche Konkursrecht geht nicht von einer wütenden Zusammenrottung der Gläubiger aus, einem concursus creditorum, wobei die Wechselbank des betrügerischen Wechslers umgestürzt, banco rutto gemacht wird, sondern ist eine eigentlich recht geniale Übertragung der Nachlassschuldenregelung auf die Lebenden. Der verschuldete Kaufmann muss - später nur noch symbolisch -  aus der Stadt fliehen, gilt danach als tot, so dass unter seinen Gläubigern eine Art Nachlassteilung eintreten kann." (Ebel in Isenmann, S.87)

 

Die Macht des süddeutschen Finanzkapitals,  insbesondere des aus Nürnberg und bald auch Frankfurt stammenden, und die Abhängigkeit von Fürsten, Königen und Kaisern davon wird im ausgehenden 14. Jahrhundert immer deutlicher, wie alleine schon mit dem Nürnberger Geld deutlich wird: Konrad Groß ist Finanzier Ludwigs des Bayern. Die Haller, Groß, Stromer und Tetzel sind maßgeblich an der Geldbeschaffung für den Kauf der Mark Brandenburg durch Karl IV. im Jahre 1373 beteiligt wie wohl 1412-1418 andere Nürnberger Familien beim Erwerb der Mark durch die Zollern. Nürnberger Geschlechter bevorschussen 1401 mit 55 000 Gulden die Florentiner Subsidien für König Ruprechts Kriegszug gegen Mailand und diskontieren die Wechsel. Ratsherren und Geldkaufleute unterstützen 1422-1427 durch diplomatische und finanzpolitische Maßnahmen die Reichsreformpläne König Sigmunds und dessen Abwehrkampf gegen die Kurürstenfronde unter Führung des Markgrafen Friedrich von Brandenburg, gegen den sie eine Kreditsperre verhängen. Dem Patrizier Ulrich Ortlieb verpfändet Sigmund um 1500 Gulden eine Krone. Danach löst dann Augsburger Kapital das Nürnberger bei Investitionen in fürstliche Macht ab.

 

Die Hanse

 

Die erste große Pestwelle trifft in Hanseraum besonders Norwegen sehr stark, wo vielleicht sogar mehr als die Hälfte der Bevölkerung stirbt, darunter ein Großteil des Adels. Das Land wird darum jetzt für seine Versorgung sehr abhängig von Hanseschiffen. Lübeck andererseits wird erst 1367 und dann noch einmal 1376 stärker betroffen, was aber offenbar seinem Handel kaum großen Abbruch tut.

 

Das wichtigste Ziel des Hansekaufmanns im Fernhandel ist es, möglichst überall gleichmäßig privilegiert zu sein, also Vorrechte zu genießen. Diese werden bis Anfang des 14. Jahrhunderts gerne von Städten, Fürsten und Königen verliehen, da Fernhandel auch den jeweils eigenen Reichtum vergrößert. Das ändert sich, als es sinnvoller wird, eigene Kaufleute zu bevorzugen.

Wichtig ist für Kaufleute, dass schon im 13. Jahrhundert für sie der gerichtliche Zweikampf verschwindet und außerdem die individuelle Schuld des Einzelnen die Gruppenhaftung zum Beispiel einer Stadt für ihren Kaufmann ablöst. Das betrifft bald auch Geldschulden.

Für den Seehandel wichtig wird bei den häufigen Havarien die Aufhebung des Strandrechtes, welches an Land gestrandetes Gut zur Beute von Küstenbewohnern macht. Da bleibt aber durchs Mittelalter im Detail Konfliktpotential bestehen.

 

Dann kommt der weite Bereich der Abgaben, insbesondere der Zölle. Für England heißt das zum Beispiel: Ein ungefärbtes Stück Tuch kostet den Hanseaten 12 Pfenning, den Engländer 14 und manche Ausländer bis zu 31 Pfennige. (Dollinger, S.246) Dazu kommt dort das Vorrecht, nicht verkaufte Waren wieder zollfrei ausführen zu können, welches umkämpft bleibt.

 

1384 beklagt sich der Dortmunder Kaufmann Christian Kelmer, dass er anders als es das Hansekontor in London vorschrieb, bei der Ausfuhr nicht verkaufter Pelze aus England den vorgeschriebenen Zoll bezahlt hat und dafür ihm seine Güter und Waren auf dem Festland abgenommen werden und möchte, dass der Geheime Rat Richards III. für ihn einen Gegenwert aus dem Londoner Kontor beschlagnahmt. (in: Dollinger, S.543) Das macht an einem Beispiel deutlich, in welchem Maße die Hanse eine Gemeinschaft ausführlicher Reglementierung des Handels ist und gewiss kein Vertreter eines irgendwie gearteten Freihandels.

 

Der Sinn der Hanse besteht also wesentlich darin, mit ihrer geballten Wirtschaftskraft für alle hanseatischen Kaufleute in gleicher Weise solche Privilegien durchzusetzen. Sich dabei benachteiligt fühlende einheimische Händler sind ihre natürlichen Gegner, die ihre Städte dazu bewegen, solche Privilegien immer wieder zu unterlaufen und Repressalien gegen die Fremden einzusetzen. Das betrifft vor allem die Kontore in London und in Brügge.

 

Als Vertretung des Großhandels sind die Münzen der Städte an Geldstabilität interessiert, die sie auch einigermaßen erreichen; sie nutzen darum Münzpolitik auch nicht gewinnorientiert bzw, durch Münzverschlechterung, wie sonst Fürsten und Könige. Zum Zweck der Vereinfachung bzw. Vereinheitlichung wird 1379 ein wendischer Münzverein gegründet, dem vor allem Lübeck, Hamburg, Wismar und Lüneburg angehören, dem drei Jahre später auch Rostock und Stralsund beitreten. "Der wendische Münzverein suchte den gemeinsam festgesetzten Feingehalt zu erhalten, den Geldumlauf zu überwachen, die Prägestätten, ihr Personal und die Goldschmiede zu kontrollieren, das nötige Silber durch Einfuhren aus Böhmen oder Braunschweig zu beschaffen und das Monopol der Städte für den Kauf und Verkauf von Edelmetall zu behaupten." (Dollinger, S.272) Er wird bis ins 16. Jahrhundert halten.

 

1340 beginnt Lübeck nach einem Privileg von Kaiser Ludwig IV. Goldmünzen zu prägen, als erste neben Frankfurt. Dabei orientiert man sich an dem Florentiner Standard. Daneben beginnt man im Wendischen Münzverein mit der Prägung der "Witte", einer neuen Vier-Pfennig-Silbermünze. Zur Orientierung für Pfennig und Witte wird die Lübische Mark als reines Rechengeld eingeführt. (Kümper, S.182)

 

 

Um 1350 ist jene Entwicklung abgeschlossen, die aus den Kaufmanns-Fahrtgenossenschaften eine Art Städtehanse macht, den eher lockeren Städteverbund der 1356 erstmals so erwähnten dudesche hense, der zwar keine Staatlichkeit ausbildet, aber einen Machtfaktor unter den Herrschaften des nordeuropäischen Raumes darstellt.

1358 versammeln sich im raadhuse von Lübeck raadmanne der stede Hamburg, Rostock, Stralsund, Wismar und Braunschweig, zudem von Elbing und Thorn, allesamt koplude van der Dudeschen Hense, de to Brugge to Vlanderen pleghen to wesende. Andere schicken in Briefen Generalvollmachten. (Kümper, S.108)

In drei Hansen geteilt, sind diese Leute nun aber der langsam zunehmenden Konkurrenz Nürnberger Kaufleute, vor allem aber der Holländer und der Engländer ausgesetzt, die nach 1400 dann an Fahrt gewinnt.

 

Anlass waren Klagen über die Verhältnisse in Flandern. "Münzverschlechterungen und neue städtische Abgaben schmälerten die Gewinnmargen.Wirte, Makler und Logistiker hoben ihre Preise an. Und zuletzt dehnte die Stadt auch noch ihr Stapelrecht aus und verlangte nun, dass auch Salz und Getreide, das die Kaufleute bisher untereinander (...) verkaufen durften, ausgeladen und auf dem öffentlichen Markt feilgeboten wurden"

(... Kümper, S.110)  Nach zwei Jahren Blockade geben Graf und Städte nach und dehnen die Hanseprivilegien sogar über ganz Flandern aus.

 

In dieser Zeit der zunehmenden Bedeutung der Hansestädte gelingt es auch mehr oder weniger, die vier großen Kontore unter Hansetags-Kontrolle zu bringen, zuerst Brügge schon 1356, dann 1361 Nowgorod, während Bergen ohnehin unter enger Lübecker Kontrolle steht und London sich vorläufig etwas mehr Freiräume bewahren kann.

 

Ob es zu einer bestimmten Zeit 50 oder 150 Hansestädte gibt, muss unklar bleiben, da die Hanse keine Mitgliederlisten aufstellte. Im Gegensatz dazu schließt sie aber Mitglieder durch "Verhansung" aus, wenn sie der Herrschaft des jeweiligen Großkapitals entgleiten. Kein Mitglied ist der Deutsche Orden, sind aber die Kaufleute seiner Städte.

Auch anhand der Vertreter auf den Hansetagen lässt sich das Problem nicht lösen. In der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts machen sich nur in gut der Hälfte der Fälle überhaupt Vertreter aus allen drei Dritteln zur Tagfahrt auf. Theoretisch kann jedes der Hansedrittel acht Abgeordnete in diesen Kaufmannsrat entsenden.

 

Das Bündnis zwischen den Hansestädten wäre nach königlichem Recht des Reiches, welches Städtebünde seit Kaiser Friedrich II. weithin verbietet, eigentlich nicht legal. Wohl auch deswegen wird es als reine Handelsgemeinschaft ausgegeben, wiewohl es durch seine Bündnispolitik (insbesondere gegen Fürsten) und seine Ausrichtung gegen zünftischen Einfluss immer einmal wieder sich ein durchaus allgemeinpolitisches Mandat gibt, was nicht verwunderlich ist, denn Kapitalverwertung und Politik bilden eine offene Gemeinschaft, was bis heute nicht nur so geblieben, sondern inzwischen Kern aller Staatlichkeit auf unserer Erde geworden ist.

Aber diese Solidargemeinschaft des norddeutschen Handelskapitals reicht nur so weit, wie es auch eine wirtschaftliche Interessengemeinschaft gibt. Ansonsten setzt Köln seine nach Westfalen, England und dem Westen ausgerichteten Eigeninteressen durch und Lübeck versucht, für das übrige Gebiet seine Vorherrschaft mit seinen wirtschaftlichen Interessen durchzusetzen. So gelingt es der Travestadt zum Beispiel, nach 1388 in Bergen zu dominieren, und zwar solange, bis im Verlauf des 15. Jahrhunderts dort der englische Einfluss zunimmt.

 

1469 schreibt der Lübecker Jurist Johannes Osthusen ein Gutachten gegen Haftungsansprüche, die die englische Krone gegen die Hanse (wohl unberechtigter Weise) stellt, und erklärt, die Hanse sei weder societas noch universitas, sondern ein loser, situativer Verband ohne bona communia. Man könne ihr so keine Kollektivhaftung auferlegen.

 

Wichtigste Rahmenbedingung für die Hanse bleibt bis gegen 1500 das mit Ausnahme von Karl IV. süddeutsch basierte weitgehende Desinteresse römischer Könige an Norddeutschland zwischen den Niederlanden und den baltischen Städten. Für sie springen die Fürsten ein, die immer wieder versuchen, Hansestädte unter ihre Kontrolle zu bekommen, was im 15. Jahrhundert dann in Einzelfällen gelingt.

 

Der eigentliche Wirkungsraum der Hanse umfasst die Nord- und Ostsee und vor allem die Städte der norddeutschen Tiefebene. Südlich davon handelt der Hansekaufmann individuell oder über Einzelverträge seiner Stadt. Wichtigster Einkaufsplatz für Waren aus Italien und dann auch Süddeutschland ist bis Ende des 14. Jahrhunderts Frankfurt/Main, welches zeitweise für die Hanse nach Süden die Bedeutung hat wie Brügge im Westen. Im 15. Jahrhundert übernimmt Nürnberg diese Funktion.

 

Größte Hansestadt bleibt durch das Mittelalter Köln, welches Ende des 15. Jahrhunderts auf deutlich über 35 000 Einwohner angestiegen ist. An zweiter Stelle folgt Lübeck mit etwa 25 000 Einwohnern um 1500 und dann Hamburg mit 20 000, welches danach Lübeck überflügeln wird. Im Osten wird Danzig so groß wie Lübeck. Aber verglichen damit sind Florenz, Mailand, Venedig oder auch Paris und London riesig.

 

In den "wendischen" Ostseestädten ist der slawische Anteil um 1300 längst assimiliert. Eine deutsche Stadt ist auch Riga mit einem deutschen Dreiviertel- Anteil und Danzig mit 10% Kaschuben und andere. Südlich davon und von Preußen steigt aber der slawische Einwanderungsdruck vom Lande her auf deutsche Stadtgründungen.

 

Die hansischen Handelsstädte werden längst weithin von einem Rat großer Kapitaleigner regiert und verwaltet, die im wesentlichen ihre eigenen Handelsinteressen und die ihrer Kollegen vertreten. Wie selten auch einmal im süddeutschen Raum und häufiger in der Nordhälfte Italiens gelingt es der Wulflam-Familie in Stralsund in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts, die Zügel des Stadtregiments mehr oder weniger alleine in die Hand zu bekommen. Sie scheitert erst, als die Geldzahlungen der Hanse an die Stadt zum Zwecke der Seeräuber-Bekämpfung nicht entsprechend ausgegeben werden. Karsten Sarnow gelingt es darauf, eine neue Stadtverfassung durchzusetzen und Bertram Wulflam muss nach Lübeck flüchten. Von dort kann er nach einem erneuten Umschwung in der Stadt zurückkehren, nachdem Sarnow hingerichtet wurde. Ein Wulf Wulflam ist dann ab 1407 dort Bürgermeister, wird aber 1409 in einer Privatfehde erschlagen.

Aber in der Regel sind es kapitalkräftige Geschlechter, die sich in Trinkstuben und Gesellschaften treffen, oft untereinander (wenigstens entfernt) verwandt sind und untereinander bleiben, welche die Städte regieren. Das sollte man bedenken, wenn man bis heute hanseatisches Flair dort werbetechnisch einsetzt. (siehe "Städte 6/7")

 

 

Wichtigste Niederlassungen sind der Petershof in Nowgorod, die Deutsche Brücke in Bergen, der Stalhof in London und die Niederlassung in Brügge, die im 16. Jahrhundert dann Kontore heißen werden. In ihrem Kerngebiet strukturieren die Kontor-Städte im nordrussischen  Raum, in Norwegen, Flandern und England vorwiegend an der Küste den Handel, indem sie Zielpunkt großen binnenländischen und Seegebiete umfassenden Regionalhandels sind. Für die Ostsee gilt zudem, dass sie darüber hinaus sowieso auch idealer Transportweg für schwere und Massenwaren ist. Noch Anfang des 16. Jahrhunderts lassen die Fugger ihr Kupfer aus den Karpaten über die Weichsel und die Ostsee nach Antwerpen transportieren. (Hanse, S.114)

 

Zur Verwaltung und inneren Gerichtsbarkeit werden Vertretungen gewählt, die die Kasse führen und als Korporation ein Siegel führen dürfen. Bis auf Brügge leben die Kaufleute in diesen Niederlassungen  streng reglementiert in eigenen Vierteln und in Nowgorod und Bergen durch eine Mauer von der übrigen Bevölkerung getrennt. Es können schon mal mehrere hundert sein. Das alles erinnert an die schon früheren Niederlassungen der Venezianer, Genuesen und anderer Italiener.

Diese Kontore kennen also jene klare Mitgliederstruktur und Hierarchie, wie sie der Hanse als ganzer fehlen.

 

Neben den vier Kontoren gibt es kleinere Niederlassungen wie die in (King's) Lynn in Norfolk; Amsterdam und Sluis bei Brügge dienen dem Hamburger Bierhandel als Niederlassungen.

1346 erkennen die Hansestädte das Stapelreicht Rigas für den Dünahandel an (Hanse, S.49). Nach und nach löst sich die Stadt vom Handel mit Nowgorod und konzentriert sich auf den entlang der Düna nach Russland hinein und nach Litauen. Von dort kommen Pelze, Wachs, Holz, Asche und Teer sowie andere Produkte, während Riga dorthin vor allem Tuche, Salz und Heringe liefert.

 

Das Kontor von Nowgorod behält seine große Fläche und ansonsten auch seine Bedeutung bis tief ins 15. Jahrhundert. Es bleibt auch beim Wechsel von Sommer- und Winterfahrern, wobei beide jeweils die Kasse bei Abfahrt bis nach Visby mitnehmen und dort deponieren.

 

In Bergen besteht inzwischen die Bevölkerung zu einem Viertel aus Deutschen, wobei die außerhalb der Gaarden des Kontors hausenden Handwerker einen beträchtlichen Anteil ausmachen. Über sie gewinnt das Kontor Ende des 14. Jahrhunderts die Gerichtsbarkeit und passt auf, dass sie keinen Handel treiben.

 

Erst 1343 sind die deutschen Kaufleute als Hanse benannt, nämlich in der Bestätigung von Zollprivilegien durch König Magnus an die mercatores de hansa Theutonicorum.

Die Deutschen in Bergen scheinen besonders ruppig zu sein. In einer Beschwerde des norwegischen Königs heißt es unter anderem:

(,,,) wenn irgendwelche Leute des Mordes oder anderer schwerer Delikte überführt sind, werden die Übeltäter auf ihren Schiffen fortgebracht mit der Absicht, weder dem Kläger noch der Krone Genugtuung zuteil werden zu lassen.

(...) Ferner haben die Kaufleute in Bergen oft Aufruhr und Unruhen verursacht, bei denen norwegische Leute getötet wurden, und dafür haben wir keine Gerechtigkeit erlangt. (...) Ferner haben die Schneider in Bergen einen Bruder des Herrn Erzbischofs von Trondheim erschlagen. Dafür haben wir bis jetzt noch keine Gerechtigkeit erlangt. (in: Dollinger, S.514)

 

Neben Bergen gibt es noch deutsche Niederlassungen in Oslo und Tromsö.

 

 

In Brügge wohnen die Hansekaufleute bis 1478 über die Stadt verteilt bei Gastwirten, viele bei der Beurze-Familie. Solche Hostelliers dienen dann auch weiter als Makler.

Die Kaufleute sind nach Regionen in Drittel geteilt, die jeweils eine eigene Kasse führen. "Jedes Drittel entsandte jährlich zwei Älteste, die wiederum sechs Ratsherren wählten, die den Vorsitz innehatten. Erst ab 1379/80 gab es einen angestellten Sekretär, der den jährlichen Wechsel im Vorstand nicht mitmachte." (..., von Seggern in: Felten, 119) Brügge ist das größte Kontor; "Die Versammlung aller Kaufleute von 1457 umfasste ungefähr 600 Teilnehmer." (Dollinger, S.133) Normalerweise sind allerdings eher nur um die 200 deutsche Kaufleute in Bügge

Einige Hansevertreter lassen sich auch am Stapelplatz für Wein in Damme nieder und andere in Sluis.

 

Schon im 13. Jahrhundert arbeiten Hansekaufleute auch in Antwerpen zusammen. Als gerade der Zwin immer bedrohlicher zu versanden beginnt, reißt 1404 eine verheerende Sturmflut viel flämisches Land wieder ins Meer zurück, mit dem Ergebnis, dass nun die Schelde bis Antwerpen von Handelsschiffen befahren werden kann, was Hansekaufleute bald nutzen.

 

Im Londoner Stalhof wird im Verlauf des 14. Jahrhunderts die englische Handels-Konkurrenz insbesondere der fernhandelnden merchant adeventurers immer deutlicher. Für 1383 ist dann neben einem deutschen Aldermann ein Bürger Londons als zweiter dokumentiert. Er vermittelt vor allem rechtlich zwischen den Hanseleuten und den englischen Ämtern. Im Nachhinein wird deutlich, wie der englische Handel, von den Königen unterstützt, sich gegen norddeutsche Übermacht durchsetzen wird.

 

Neben den vier "Kontoren" gibt es eine ganze Anzahl weiterer, zum Teil großer Niederlassungen wie in Polozk, Boston, Bourgneuf und Lissabon, die von den jeweils nächsten Kontoren geleitet werden.

 

***Die Waren***

 

Der Batzen des Hansehandels betrifft auch nach 1350 nicht in Hansestädten produzierte Güter, vom Wert her vor allem Tuche und nach 1400 Baiensalz aus der einen Richtung und Pelze, Wachs, Holz und Getreide aus der anderen. Aber es gibt auch Eigenproduktion.

Dabei gibt es einmal den Seeweg für die Waren, aber zusammen sind auch Binnenschiffahrt und Transport über Straßen wichtig. Das betrifft zum Beispiel den Landhandel Lübecks mit Köln, Frankfurt/Main und Nürnberg insbesondere im 15. Jahrhundert, der allerdings weniger dokumentiert ist.

 

Der Raum der Hanse ist in dem Sinne zweigeteilt, dass der Kernraum an der Ost- und Nordseeküste völlig vom Handel bestimmt wird, während die Städte weiter südlich im Binnenland eine Mischung als Handel und Produktion beherbergen. Köln ist stark von Tuch- und Metallgewerbe geprägt, Dortmund und Soest von Wolltuchproduktion und dem Metall des Umlandes, Soest und Werl von der Salzproduktion und Braunschweig von der von Waffen.

 

Die nördlichen Seestädte sind Handelsstädte, in denen es zusätzlich vor allem Schiffsbau, Fischverarbeitung, Böttcherei und Braugewerbe gibt. Ansonsten fehlt die Innovation im produktiven Sektor und das Handwerk bleibt im wesentlichen auf die Versorgung der eigenen Stadt beschränkt. Dabei nimmt dort wegen der Dominanz des Handelskapitals das Verlagssystem zu. Die allgemein geringere Bedeutung des Handwerks insbesondere in den Seestädten bedeutet aber nicht, dass sie nicht mindestens die Hälfte der Bevölkerung stellen.

 

Zentraler Produktionszweig ist wohl wie zum Beispiel auch in Venedig der Schiffsbau, und wie dort wird er stark städtisch-staatlich reglementiert. Die Räte besitzen die Schiffsbauplätze, "Lastadien, die als unterschiedlich große Grundstücke gegen Zins zur Nutzung auf Zeit vergeben werden." (Schulz, S.193) Der Rat legt oft die Höchstlöhne der Schiffszimmerleute fest, verhindert deren Abwanderung und verbietet den Verkauf hansischer Schiffe. Den Schiffszimmerern wird bis ins 16. Jahrhundert keine zünftige Organisation erlaubt

Der Schiffsbau in Partnerschaften nach Anteilen an investiertem Kapital kann auch die Zimmerermeister umfassen, und führt dann oft in die Partenreederei.

 

Zur Fischbewirtschaftung gehört die Böttcherei, aber Fässer sind überhaupt ein wesentlicher Aufbewahrungsort für zahlreiche Handelsgüter, nicht nur Wein und Bier, Öl, sondern auch für Honig, Wachs und Salz, Butter, Getreide und Fleisch. Aber auch Pelze werden so transportiert, Flachs, sogar Bücher, um sie vor Nässe zu schützen. Entsprechend mächtig ist das Handwerk, kann sogar eine zunftmäßige Organisation durchsetzen.

 

Mit der Einführung des Hopfens wird die Bierbrauerei in den Küstenstädten zwischen Bremen und Danzig zum Exportgewerbe. Das Braurecht bleibt am Grundstück und Haus, nicht an der Person des Brauers gebunden. In Hamburg gibt es gegen 1500 mehr als 500 Häuser mit solchem Braurecht. Die Produktion wird nun immer mehr vom Nebenerwerb zum kapitalschweren Hauptgeschäft von Brauherren, die manchmal zur kleinen Gruppe der Ratsherren gehören, manchmal auch zu den sonstigen bedeutenden oder mittleren Handelsherren. Die Herren setzen Braumeister und deren Gehilfen gegen Lohn ein. Die Kapitalisierung samt Lohnarbeit führt dazu, dass sich keine Zünfte ausbilden können.

Bier dient zwar wie jeder Alkohol auch der Euphorisierung, der Betäubung und dem Rausch, aber vor allem ist es ein Lebensmittel. Als solches bedarf es in der Herstellung absolut reinen Wassers und tauglicher Zutaten, was vor allem die Haltbarkeit betrifft. Aufsicht über die Qualität ist hier wichtiger als irgendwo sonst.

 

Die Bedeutung dieses Gewerbes lässt sich in Zahlen messen. Bis um 1350 beliefert Bremen die Niederlande, dann löst es Hamburg ab, nachdem es in Bremen zu einem Qualitätsverlust kommt. "In der Hamburger Eidesliste von 1376 sind insgesamt 1075 Personen aufgeführt, die einem bürgerlichen Gewerbe nachgingen: 457 dieser Bürger werden als Brauer bezeichnet." (Schulz, S.203 mit Quelle) Das Hamburger Exportvolumen wird auf knapp 100 000 Tonnen geschätzt und 1369 soll es etwa ein Drittel des gesamten Exportes aus seinem Hafen ausgemacht haben, wovon ein Großteil in die nördlichen Niederlande geht. In dieser Zeit soll die Hanse insgesamt bis zu eine Million Hektoliter jährlich exportiert haben. Lübeck hat um 1400 rund 180 Brauer, von denen rund 100 etwa 120 000 Hektoliter in den Export bringen. Wismar hat 1460 "fast 200 Brauereien und die Brauer besaßen die Majorität im Rat." (Dollinger, S.298)

 

 

1368 macht der Tuchhandel in Lübeck "mehr als ein Drittel der Einfuhren und mehr als ein Viertel des Gesamthandels aus." (Dollinger, S.285) Der große Bedarf schafft stabile Gewinne zwischen 15 und 30 Prozent. Bis 1350 sind es fast nur flämische Tuche, die von Brügge aus in den Osten gehen. Tuche stellen dabei mehr als drei Viertel der Hanseausfuhren aus Flandern dar und sie kommen aus vielen flämischen Städten. Dabei handelt es sich sowohl um kostbare gefärbte Tuche wie auch billige vor allem aus Poperinge bei Ypern, die nur einen Bruchteil kosten.

 

Im 15. Jahrhundert werden sie zunehmend von preiswerteren englischen und holländischen Stoffen verdrängt. Die meisten englischen Tuche kommen bis um 1400 von Boston auf Hanseschiffe, danach wird London immer wichtiger, welches Mitte die 15. Jahrhunderts darin dann Boston weithin verdrängt hat. Inzwischen machen Tuche rund 90% der Hanseausfuhren aus England aus, vor allem ungefärbte Tuche mittlerer Qualität. (Dollinger, S.321)

Dazu kommen gegen Ende des 14. Jahrhunderts in immer höherem Maße Textilien aus Schlesien. Zudem gibt es weiter Luxusstoffe aus Italien, die über die Frankfurter Messen und die süddeutschen Reichsstädte gehandelt werden. Hingegen nimmt der Handel mit englischer Wolle seit der Mitte des 14. Jahrhunderts immer mehr ab und der mit spanischer Wolle spielt kaum eine Rolle.

 

Leinen für Kleidung, Segel und Verpackung kommt aus Westfalen und wird vor allem von Hamburg aus in den Westen und für den Osten von Lübeck aus versandt. Der dafür nötige Flachsgarn  kommt vor allem aus Livland wie auch Hanfgarn u.a. für Seile und Bindfäden, aber auch aus ganz Norddeutschland.

 

 

Was die Tuche für den Weg von West nach Ost sind die Pelze für den Gegenweg. Viele kommen über Nowgorod aus Russland, von den Küsten des Weißen Meeres, aus Karelien und dem Wolgagebiet, andere aus dem Balikum, Preußen, Polen und Schweden. Als besonders wertvoll gelten Zobel, Marder, Biber und Hermelin. Aber auch Luchs, Otter, Wiesel und Eichhörnchen wird systematisch das Fell abgezogen. Pelze können deutlich höhere Gewinne erzielen als Tuche, sind aber auch besonders konjunkturabhängig. Was die Größenordnungen und den Raubbau an Tieren angeht: "Drei im Jahr 1405 von Riga nach Brügge auslaufende Schiffe, deren Ladung 107 Kaufleuten aus Dorpat und Riga gehörte, hatten 450 000 Pelze geladen, die auf 3300 Pfund Groten geschätzt wurden, ferner Wachs (1435 Pfund) und Leinen (1125 Pfund). (Dollinger S. 308)

Es gelingt den Hansen, die norwegische Konkurrenz für diese Ware fast völlig zu vertreiben und dann über 90% der Pelzimporte nach England zu betreiben.

 

Weniger konjunkturabhängig ist das (Bienen)Wachs aus denselben Gebieten wie die Pelze, da es eine dauernde Nachfrage für die Beleuchtung gibt, deutlich wichtiger als Siegelwachs und solches zum Abdichten von Gefäßen. Es gelingt den Hansen, dabei fast ein Monopol auf Wachsimporte aus Osteuropa zu erringen, die manchmal im Jahr über 75 Tonnen betragen. (Kümper, S.195)

 

In die andere Richtung geht Honig aus Norddeutschland, nämlich nach Livland und Nowgorod. "Der Honighandel muss einträglich gewesen sein, denn es entstanden Handelsgesellschaften ausschließlich zu diesem Zweck." (Dollinger, S.295) Größer wohl ist aber der Weg von Honig aus osteuropäischer Waldbienenzucht nach Westen. ("In die Bäume werden größere Aushöhlungen, die >Beuten< geschlagen, in denen die Bienen siedeln können. Zur Erntezeit wird der Baum mit der Axt geöffnet und werden Wachs und Honig entnommen." Kümper, S.196)

 

Eines der eher wenigen Luxusgüter des Hansehandels ist samländischer Bernstein, den der preußische Orden bald für sich monopolisiert. Er stellt dann Lieger als Kaufleute für den Handel mit der unbehandelten Ware ein, die vor allem in Lübeck und Brügge in die Hände der Zünfte der Rosenkranzmacher gelangt.

 

 

Der Stockfisch ist haltbarer als Hering, ist aber mengenmäßg geringer als dieser. Der Fisch wird weiter im Schatten an Holzlatten aufgehängt und so getrocknet. Den Fischtransport übernehmen etwa 20 Lübecker Schiffe, die darauf spezialisiert sind und gewichtsmäßig ist das etwa der vierte Teil der schonischen (eingesalzenen) Heringsmenge. Umgekehrt bringen die Bergenfahrer Roggen, Weizen, Malz und Hopfen mit. Ein Teil des Stockfisches geht auch nach Boston, von wo die Lübecker Tuche für Lübeck laden.

 

Dänische Fischer fangen den Hering zwischen Juli und September, wenn er zum Laichen in die Ostsee kommt, in großen Mengen in Netzen.Verhandelt wird er weiter auf den Messen von Schonen, wo bis in die zweite Hälfte des 14. Jahrhunderts auch Textilien, Pelze, Holz und Wachs verhandelt werden. Danach werden Nicht-Hanseaten von den Messen verdrängt und sie werden auf den Fischhandel beschränkt. Die Hanseschiffe bringen außer den Unmengen an Salz auch viele leere Tonnen mit.

Fischverarbeitung auf der Halbinsel Skanör wiederum betreiben die Kaufleute mit ihren vor allem weiblichen Arbeitskräften auf ihnen zugeteilten Grundstücken der verschiedenen Hansestädten.

Der Transport auf und von Schonen nimmt im 14. Jahrhundert enorme Größen an.

1368 "transportierten 250 Schiffe allein aus Lübeck Heringe im Wert von  48 000 Mark Lübisch, was fast ebenso vielen Heringstonnen (zu je etwa einer Mark, gefüllt mit je 850 Stück) entsprach. Im Jahr 1400 gingen mehr als 550 lübische Schiffe bei Schonen vor Anker, die insgesamt etwa 65 000 Heringstonnen in Lübeck verzollten. (...) Danach dürfte der Heringsexport von Schonen in den Jahren um 1400 insgesamt bei 300 000 Tonnen gelegen haben." (Schulz, S.198).

Um 1400 exportiert Lübeck dazu alleine bereits um 2000 Tonnen Salz. Für 5 Tonnen Fisch wird eine Tonne Salz gebraucht (und für zehn Fässer Butter ebenfalls dieselbe Menge).

 

Von den Häfen gelangt der Fisch über Träger in Heringshäuser (herinckhusen), 

wie in Lübeck, Wismar und Rostock, aber auch im Binnenland nach Lüneburg oder Hildesheim. Dort wird er gewaschen, kontrolliert und dann über Binnengewässer weiter transportiert.

Bei den Heringshäuser entwickeln sich Fischmärkte wie im 12. Jahrhundert schon der Kölner am Rhein, wo auch Süßwasser-Fische verkauft werden. Solche entwickeln sich zumindest in Preußen auch zu einer massenhaften Handelsware.

 

Mit der Verdrängung der Holländer von den schonischen Messen nimmt dann im 15. Jahrhundert die holländische Heringsfischerei in der Nordsee zu, wobei der unbeliebtere Nordseehering billiger als der schonische Hering verkauft wird. Am Ende wird die Reformation mit der massiven Reduktion der Fastentage die Bedeutung des Fischfanges verringern. Aber in dieser Zeit nehmen auch die Heringschwärme in der Ostsee massiv ab.

 

 

Auch abgesehen vom Heringshandel gehört Salz von Anfang an zu den Haupthandelsgütern, besonders, da es im Osten fehlt. Der Salzgehalt der Ostsee ist zu niedrig, aber jeder Mensch verbraucht auch dort für sich im Jahr rund 15 kg davon. Bis etwa 1370 ist Lüneburger Salz der wichtigste Exportartikel Lübecks. Danach kaufen Hansehändler billigeres französisches Salz erst in Flandern und dann in Bourgneuf und Brouage (gegenüber von Oléron bei La Rochelle), welches im Nordseeraum überhand nimmt. Aus der Bucht (Baie, darum Baiensalz) von Bourgneuf laufen im 15. Jahrhundert jedes Jahr rund 50 Salz-Schiffe in Danzig ein. Dies Salz ist aber nicht nur billiger, weil es aus Meerwasser gewonnen wird und weil es unreiner ist, es gewinnt auch an Bedeutung, weil Lüneburg (und Halle) im Norden die steigende Nachfrage nicht mehr befriedigen kann. 15-30% der Schiffe, überwiegend jetzt Holländer, die in Danzig und Reval einlaufen, kommen inzwischen aus der Baie von Bourgneuf.

Für die Ostsee bleibt das Lüneburger Salz aber wichtig. Schließlich kommt im 15. Jahrhundert noch in geringerem Maße das reichlich vorhandene Salz aus Setubal dazu, welches in Lissabon vor allem für Kampener und preußische Schiffe eingekauft wird.

 

 

Getreide, vor allem Roggen, aber auch Gerste und Weizen, gehören zu den wesentlichen Produkten, die nach Norden und vor allem Westen verschifft werden. Zunächst werden sie aus dem südlichen Hinterland von Nord- und Ostsee vor allem nach Skandinavien verschickt. Später kommen sie aus den Weiten Preußens und Polens vor allem, aber auch aus Ostelbien. In Preußen forciert der Deutsche Orden den Getreideanbau auf seinen riesigen Gütern, deren Ernten in seinen Komtureien gelagert werden. Mit der Getreideabhängigkeit Nordskandinaviens, Englands und der Niederlande, zuerst vor allem Flanderns, kann die Hanse vor allem Druck ausüben, bis insbesondere Holländer und Engländer den Handel mitübernehmen. Ende des 15. Jahrhunderts verlassen jährlich etwa 20 000 Tonnen Roggen Danzig, hundert Jahre später werden es   100 000 Tonnen sein.

 

 

Der frühe Kapitalismus in Flandern und der dann im 14./15. nachziehende in

Teilen der nördlichen Niederlande führt dort zu fast flächendeckender Entwaldung. Das betrifft oft auch das große Umland der Hansestädte. England wiederum bedarf seit dem späteren 14. Jahrhundert des Holz-Importes für Schiffe. Entsprechend groß ist der Holzbedarf aus Gegenden, die nicht so abgeholzt sind. Das sind die inländischen Gebiete zwischen Weser und Litauen, aber auch Norwegen. Neben dem Holz selbst werden aus diesen Gebieten auch Asche fur das Bleichen von Textilien, Pech vor allem für den Schiffsbau und Harz exportiert.

 

Metalle haben durchgängig eine gewisse Bedeutung für den Hansehandel. Das sind vor allem Kupfer und mehr noch Eisen, einmal aus Schweden (Kupfer von Falun, Eisen auch aus anderen Regionen) und dann auch aus Ungarn. Sie gehen auf dem Seeweg über Danzig nach den Niederlanden und England. Harzkupfer gelangt über Hamburg nach Flandern und England und außerdem  nach Köln und Dinant. Kupfer der Karpathen wird über die Hansestädte Krakau und Thorn nach Norden verschafft.Ungarisches Kupfer gelangt auf der Weichsel von Krakau nach Danzig.

Eisen des Sauer- und Siegerlandes wird dort zu Stahl verarbeitet und dann über Köln nach England verschifft. Silber gelangt aus dem Harzes und später vor allem aus Mansfeld und Böhmen nach Lübeck.

 

Einen gewissen Raum nimmt auch Wein ein, wobei der Hanseraum vorwiegend über Köln transportierten Rheinwein verbraucht, aber auch portugiesische und spanische Weine. Daneben liefert er nach England und den Niederlanden auch seit den Salzfahrten aus dieser Region den Wein aus der Gascogne, dem Poitou (über La Rochelle) und von der Loire.

Nach und nach verringert sich im Hanseraum der Weinkonsums und halbiert sich in etwa. Er wird nun durch Bier ersetzt.

 

***Handel, Gewalt und Krieg: 1350-1400***

 

Anders als Könige, Fürsten und kleinere Adelsherrschaften führt der Verbund von Hansestädten keine Kriege zu irgendeiner Gebietserweiterung bzw. Unterwerfung von Gegnern, sondern nur solche zur Vertretung von Handelsinteressen. Da diese nie bei allen Städten dieselben sein konnten, sind es immer nur einige Städte, die zusammen in kriegerische Handlungen eintreten.

"Deshalb beteiligte sich kaum je eine Binnenstadt an den Seeaktionen gegen Dänemark, hielten sich die rheinländischen Städte mehrheitlich aus dem Konflikt mit Holland, aus dem mit England wiederum Köln heraus und setzte die Hanse bei Ausbruch der Soester Fehde lediglich diplomatische Unterstützung in Gang." (Kümper, S.265)

 

Nach außen hingegen tendiert die Hanse dabei zur offenen Aggression, wo es um den von ihr oft allein beanspruchten "Freihandels-Raum" geht. Dann verbündet sie sich auch mit Fürsten und deren Interessen. Da werden die Gotländer Bauern von dem privilegierten Standort Visbys durch militärisch verteidigte Mauern ausgeschlossen. Da werden die Russen aus dem Ostseehandel so verdrängt wie Engländer, Friesen und Flamen ausgeschlossen.

 

Da die Hanse Gewalt nur zur Wiederherstellung von von ihr in Anspruch genommenem Recht dient, handelt es sich dabei rechtlich um Fehden und nicht um Kriege. (Kümper, S.266) Anders steht es um die Blockaden zur Durchsetzung gefährdeter Privilegien. Hier handeln Hanseschiffe gemeinsam, wobei sie oder private Unternehmer eigene Schiffe so ausrüsten, dass sie gegen Blockadebrecher gewaltsam vorgehen können.

Es kommt dabei weniger zu großen Seeschlachten, sondern zum Abnutzungskrieg durch Kaperfahrten, wobei Gruppen von Kaufleuten das Schiff ausstatten, oder aber Schiffer sich mit ihren Mannschaften selbst ausrüsten, um auf eigene Rechnung und mit dem Ziel der Beute (prise) auszufahren.

 

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Die Hanse hat jene Fürsten als Feinde, die als Könige versuchen, Ansätze für Nationalstaaten oder übernationale staatliche Konglomerate zu entwickeln und dabei Untertänigkeit auch auf die bislang sich selbst verwaltenden Städte auszudehnen. Dazu gehören nicht die römischen (deutschen) Könige, die den norddeutschen Raum weder beschützen noch kontrollieren können und denen dort die Niederlande an Burgund verloren gehen.

Vorrangig werden skandinavische Reiche zu Gegnern, insbesondere dänische Könige, mit denen die Hanse, wiewohl kein frühstaatliches Gebilde, Kriege führt, und manchmal vorher und nachher Kaper"kriege" seeräuberischer Art. Sobald in England Produktion und eigener Handel aufblühen, wird es zum nächsten Kontrahenten, und am Ende werden noch die nordrussischen Großfürsten dazu kommen, vor denen man aber nur noch zurückweichen kann. 

Nachdem die Hanse aber nun ihre größte Ausdehnung erreicht hat und kaum noch mächtiger werden kann, verlegt sie sich eher auf die Defensive.

 

Die Gewalttätigkeit wird 1351 eingeläutet mit der Plünderung eines Schiffes aus Greifswald vor Brügge durch ein englisches Kaperschiff, was vor Gericht verurteilt wird und dann zu englischen Repressalien führt. Um das dabei deutlich gewordene selbständige Handeln des Brügger Kontors wieder einzuschränken, findet 1356 unter Lübecker Leitung ein erster allgemeiner Hansetag statt, der sich die Oberaufsicht über alle Hanse-Kaufleute zuteilt. In den nächsten Jahrzehnten wird das für alle Kontore durchgesetzt.

 

In dieser Zeit dehnt Brügge sein Stapelrecht auf Salz und Getreide aus und hindert so die Hansekaufleute, direkt von Schiff zu Schiff zu verkaufen. 1358 verhängt ein Hansetag der wendischen, sächsischen und preußischen Städte die Blockade über ganz Flandern. Die Kaufleute müssen nach Dordrecht umziehen. Es kommt zu Getreideknappheit in Flandern, und schließlich werden auch die dänischen Meerengen gesperrt, um Schmuggelschiffe auszuschalten. 1360 führen Verhandlungen dann zur Aufhebung der Blockade. Aber die Flamen werden in Zukunft nicht mehr aufgeben, die Macht der Hanse in ihrem Gebiet zurück zu schrauben.

 

 

Seit 1363 ist die Lübecker Korporation der Schonenfahrer dokumentiert und ab 1380 spalten sich die Fahrer anderer Zielorte davon ab. Die den Schonenfahrern angehörenden Kaufleute organisieren Verarbeitung und Handel mit den schonischen Heringen.

Diese Schonenfahrer sind ratsfähig, im Rang aber unterhalb der Mitglieder der Zirkelgesellschaft angesiedelt. Zusammen mit den Bergenfahrern stellen sie den höchsten Anteil der Lübecker Flottenführer.

 

 

1360 erobert der in den zwanzig Jahren zuvor erstarkte König Waldemar IV. ("Atterdag") die Insel Schonen von den Schweden, die es 1332 von Graf Gert von Holstein gekauft hatten. Er zwingt die Hansestädte zur Bezahlung erheblicher 4000 Mark  für den Erhalt ihrer Handelsprivilegien.

1361 landet er auf Gotland, schlägt ein dortiges Bauernheer und richtet dabei ein Blutbad an, marschiert dann in Visby ein und lässt die Stadt plündern. Die Insel wird nun für Jahrhunderte dänisch. Er bestätigt zwar die Stadtrechte, aber das führt dennoch zum ersten hansisch-dänischen Krieg.

Inzwischen verliert Visby aber ohnehin seine Bedeutung an Lübeck und andere Städte, da immer mehr Schiffe ohne Zwischenstop direkt in den Osten fahren.

Das überwiegend von Deutschen besiedelte Riga versucht eine gewisse Unabhängigkeit von Lübeck zu erhalten und unterstützt darum Visby.

 

In Greifswald beschließen die wendischen und pommerschen Seestädte einen Handelsboykott gegen Dänemark, der allerdings nicht so gut funktioniert, da die Städte an der Zuidersee nicht mitmachen. Zur Finanzierung wird ein Pfundzoll von vier Pfennigen auf auslaufende Schiffe und Waren erhoben. Die Fürsten von Norwegen, Schweden, Schleswig und Holstein leisten Zahlungen.

 

1362 scheitert eine Flotte von 52 Schiffen unter dem Befehl des Lübecker Bürgermeisters Johann Wittenborg gegen Kopenhagen. Nach Jahren kommt es zu einem unbefriedigenden Verhandlungsfrieden. Immerhin zeichnet sich nach 1364 vorsichtig eine Wende ab, als schwedische Adelige ihren König absetzen und dafür mit Albrecht einen Sohn des Herzogs von Mecklenburg einsetzen.

Für preußische und holländische Kaufleute bleibt allerdings der Sund weiter durch dänische Schiffe gesperrt.

 

1366 nimmt der Druck der preußischen Städte zu, sich wieder gegen Dänemark zu wenden. Als die wendischen Städte nicht reagieren, wird ein Bündnis mit den holländischen Städten geschlossen, um die Durchfahrt durch den Sund herzustellen.

 

1367 wird von holländischen, wendischen, pommerschen und preußischen Städten in Köln eine am Ende immer wieder verlängerte und so auf 18 Jahre angelegte Konföderation gegen den Dänenkönig beschlossen, der sich auch elf Fürsten, darunter der Graf von Holstein, die Herzöge von Mecklenburg und der bedrohte König von Schweden anschließen, ebenso dänische Adelige. 1368 kann endlich Kopenhagen eingenommen und teilweise zerstört werden wie auch die dänischen und norwegischen Küsten. Schonen wird erobert, wo Helsingborg 1369 kapituliert. 1370 werden im Stralsunder Frieden die hansischen Privilegien insbesondere auch für Schonen bestätigt, wo die Hansestädte für fünfzehn Jahre die Burgen und Messeplätze als Pfand erhalten. Damit sichert sich die Hanse für die Zeit bis 1385 den Heringsmarkt in Schonen als Monopol und macht sich so vom zunehmenden Wettbewerbsdruck der englischen und niederländischen Umlandfahrer frei. Dabei wird der Markt auf einen reinen Heringsmarkt reduziert.

 

Es handelt sich um einen Sonderfrieden mit dem dänischen Reichsrat, während der dänische König abwesend ist, um Verbündete zu suchen, und in ihm kommen die Städte den Fürsten zuvor.

 

Als der dänische König Waldemar IV. 1375 stirbt, kommt es zum Nachfolgekrieg zwischen der dänischen Königin Margarethe als Regentin für Sohn Olav und dem mecklenburgischen Herzogtum. Die Mecklenburger werben Seeräuber für einen Kaperkrieg, den diese nach einem Waffenstillstand 1379 als unabhängige Piraterie auch gegen Hanseschiffe weiterführen.

 

 Der für Schweden unterlegene Albrecht von Mecklenburg beginnt einen Kaperkrie, um wenigstens Stockholm zu halten.

Nach einem vorübergehenden Frieden 1395 gehen die Kämpfe unter Nachfolger Erich von Pommern weiter. 1423 verbünden sich die wendischen Städte mit Erich, aber drei Jahre später erklären sie ihm den Krieg, erleiden aber eine militärische Niederlage.

 

Ab 1376 führen Lübeck und Stralsund den Kampf gegen die Piraten, an dem allerdings Rostock und Wismar nicht teilnehmen. 1389 gelingt es Margarethe, bis auf Stockholm auch über Schweden zu herrschen. Nun ruft Mecklenburg mit Albrecht öffentlich zum Kaperkrieg auf. Dessen Anführer sind zunächst oft verarmte mecklenburgische und überhaupt norddeutsche Landadelige, die in der Krise des 14. Jahrhunderts wirtschaftlich scheitern, alles verkaufen und dann in Kaperschiffe und Mannschaften investieren. Dem folgen Leute aus allen Schichten. 1391 gelingt es, Bornholm und Visby zu erobern, 1393 wird Bergen geplündert.

 

Für 1393 beschreibt die sogenannte Rufus-Chronik ihren Überfall auf Bergen:

In dem selben Jahr (...) da fuhren die Rostocker und die Wismarer Vitalienbrüder nach Norwegen und schunden den Kaufmann zu Bergen; sie nahmen viele Kleinode in Gold wie Silber und kostbare Kleider, Hausrat und auch Fische. Mit dem großen Schatz fuhren sie dann, ohne zurückgehalten zu werden, nach Rostock und verkauften ihn unter den Bürgern; das war denen willkommen; den andren Teil des Raubes fuhren sie nach Wismar und verkauften ihn dort: die Bürger beider Städte machten sich wenig Gedanken, ob die Ware rechtlich oder widerrechtlich in Besitz genommen worden war. (in: Hanse, S.64)

 

Im Frieden von 1395 wird auch festgelegt, dass die Ostsee umgehend von den Piraten zu räumen ist. Die aus dem Adel stammenden Anführer ziehen sich zurück, aber nun übernehmen unteradelige Hauptleute wie Klaus Störtebecker und Goedecke Michels das Kommando. Was der Adel kann, gelingt zunächst auch dem gemeinen Mann. Operationsbasis wird Gotland, dessen Herrscherin sie einlädt, soweit sie die Hälfte der Beute an sie abgeben. 1398 schafft es eine Flotte des Deutschen Ordens, sie dort und aus der Ostsee zu vertreiben, und und sie tauchen nun in der Nordsee auf, unterstützt von friesischen Häuptlingen, 1400/1401 gelingt es Hamburger Flotten, sie teilweise gefangen zu nehmen und ihre Anführer hinzurichten. Erst 1435 wird dann ihr letzter fester Platz an Land zerstört.

 

Ein weiterer Konfliktfall entwickelt sich mit England. Inzwischen setzen sich die als merchant adventurers in London, Bristol und York organisierten Fernhändler dauerhafter in Elbung, Danzig und Stralsund fest. Die Hanse verbietet nun deren Einzelhandel und den Direkthandel mit anderen Ausländern. Ab 1370 werden die Engländer langsam ganz von Schonen verdrängt und erleben zunehmende Behinderungen auch ansonsten in der Ostsee.

 

In dieser Zeit beginnen englische Könige  ihre Kaufleute massiver zu unterstützen. Insbesondere unter Richard II. wird die Forderung lauter, dass Engländer in Preußen dieselben Privilegien haben sollten wie Hanseleute in England. Die finanziellen Belastungen für sie steigen dort. In den 80er Jahren kommt es zu gegenseitigen Überfällen auf Handelschiffe. Am Ende bekommen die englischen Händler 1391 feste Rechte für ihren Großhandel in Preußen und betreiben darüber hinaus insbesondere von Danzig aus auch Kleinhandel. Die Lage bleibt aber bis zum Ende des Jahrhunderts angespannt. In einem englischen Beschwerdebrief von 1404 heißt es:

 

Ferner haben sie angeordnet - in welchem Hafen in Preußen die Leute unseres Herrn, des Königs, mit ihren Schiffen und Waren auch ankommen - , dass sie in eben diesem Ort ihre Waren verkaufen und dort ihre Schiffe wieder beladen müssen; sie sollten sich nicht unterstehen, weiter in das Land vorzudringen, um Handel zu treiben, bei schwerer Strafe. (...) Auch haben sie angeordnet, dass jeder Engländer, der von einer englischen FRau begleitet wird, sich nicht unterstehen soll, in dem genannten Land zu verweilen, sondern sofort das Land verlassen muss (...)  Es kamen mehrere Übeltäter und Räuber aus Wismar und Rostock aus dem Bund der Hanse gewalttätig mit einer großen Flotte nach der Stadt Bergen in Norwegen und erstürmten sie, ergriffen alle anwesenden englischen Kaufleute und ihre Güter, verbrannten ihre Häuser und Wohnungen und forderten für sie ein hohes Lösegeld (... Die englischen Kaufleute beklagten sich), dass die Schäffer in Preußen allen Schiffern aus Preußen befehlen, alle Engländer festzuhalten, die sie auf den Meeren treffen würden, so dass die genannten englischen Kaufleute nicht wagten, in Schonen zu verweilen noch an einem anderen Ort Handel zu treiben. (in: Dollinger, S.518ff)

 

Massive Konflikte gibt es ab 1375 auch in Flandern. Die Hanseleute in Brügge beschweren sich über schlechte Bedingungen, werden aber durch harte Maßnahmen des Grafen zum Schweigen gebracht. Der Aufstand der flämischen Weber und der gräflich-französische Sieg über Artevelde führen zur Auswanderung vieler Hanseleute in holländische Hafenstädte.

 

Auch mit Philipp ("dem Kühnen") kommt es zu keiner Einigung. 1388 wird darauf das Kontor in aller Heimlichkeit nach Dordrecht verlegt und eine Blockade über Flandern verhängt, Die Zuiderzee-Städte befolgen sie kaum und die preußischen Städte erhalten Ausnahmegenehmigungen. 1392 kommt es zur Eingung und Entschädigungen an die Hanse. Aber mit dem Burgunderherzog tritt nun der Hanse eine immer stärkere Macht entgegen.

 

Gleichzeitig mit der Blockade Flanderns findet auch eine Nowgorods statt. Seit längerem drangen deutsche Ritter von Livland auf russisches Gebiet vor, was russische Repressalien nach sich zog. Aber 1392 kommt es auch hier zu einer Einigung, die im äußersten Osten rund hundert Jahre halten wird.

 

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Nach dem Lüneburger Erbfolgekrieg sind die erfolgreichen Celler Herzöge gezwungen, sich von den Lüneburgern Geld zu leihen. Dafür werden den Landständen erhebliche Privilegien in einem Vertragwerk zugesichert (der Sate). Die Kosten dieses weitgreifenden Bündnisses wollen die welfischen Herzöge bald nicht mehr tragen. Man nimmt Uelzen ein und bedroht Lüneburg mit einer Wirtschaftsblockade. Die Ilmenau, schiffbar vom hier bis in die Elbe, wird mit Pfahlgittern und versenkten den Lüneburgern abgenommenen Schiffen gesperrt. Lüneburger Handelsreisende werden ausgeplündert.

Lüneburg verbündet sich mit Hannover und erhält auf einem Hansetag in Wismar die militärische Unterstützung von Hamburg und Lübeck versprochen. Der gefährdete Salztransport gefährdet den Heringshandel. Viele Leute aus Lübeck und Hamburg graben eine Umgehung der gesperrten Ilmenaustelle.

Im Verlauf von 1396 gelingen den Hansekontingenten immer mehr militärische Siege. Es kommt erst zum Waffenstillstand und dann zu einem Friedensvertrag.

 

Die "Sate" hat sich einerseits erledigt, aber andererseits ist das hanseatische Salz nicht mehr gefährdet und 1407 überlassen die Welfen das Recht an der Ilmenau der Stadt Lüneburg.

 

 

***Hanse: Kapital und Kapitalist***

 

Die Hanse ist im wesentlichen eine in Städte gegliederte Vereinigung kaufmännischen Großkapitals. Dieses große Kapital bleibt aber deutlich kleiner als das süddeutscher Firmen und der italienischen. 1499 kann der Hamburger Bürgermeister Henning Buring, einer der reichsten Hanseaten, ein Erbe von

46 000 Mark hinterlassen. In dieselbe Währung umgerechnet besitzen die Fugger um diese Zeit etwa 375 000 Mark und die Große Ravensburger Gesellschaft    198 000 Mark. (Dollinger, S.206)

Hanse-Kaufleute mit unter 5000 Mark handeln nur mit einem ausländischen Markt und betreiben zudem auch Detailhandel. Auf diesem Kapital-Niveau stehen auch Reeder und große Bierbrauer. Aber noch kleinere Kapital-Eigner hängen sich mit geringen Mengen an den Fernhandel der Großen dran.

Wer regelmäßig Fernhandel in eine Richtung treibt, gehört einer fraternitas oder Kompagnie in seiner Stadt an, wie der der Schonenfahrer oder Bergenfahrer. In Lübeck schwankt die Zahl dieser Bergenfahrer im 15. Jahrhundert zwischen 100 und 200.

 

Die ganz Großen des hanseatischen Großkapitals treiben fast alle vor allem Fernhandel, entweder wie ein Deutscher aus dem mittelschwedischen Västeras in eine Richtung, in seinem Fall über Lübeck nach Flandern und zurück, oder wie Hildebrand und Sievert Veckinghusen die ganze hansische Küste bis nach Flandern und die französischen Häfen bis nach Bayonne entlang, zugleich aber auch nach Süddeutschland und Italien.

Das gewonnene Kapital geht relativ schnell teilweise in Grundstückgeschäfte, die Großkapitalisten besitzen in der Regel bald Grund und Häuser. Johann Wittenborg besitzt eine Brauerei in Lübeck. Insbesondere im 15. Jahrhundert geht dann auch Kapital in Finanzgeschäfte und man kauft Renten.

Johann Nagel wird um 1385 Bürgermeister in Stockholm, Johann Wittenborg 1360 in Lübeck, Hinrich Castorp 1462 ebenfalls in Lübeck.

 

Vielleicht ein Sonderfall ist Tilemann Limberg aus Dortmund, der ersten Reichtum wohl im Englandhandel erreicht und 1430 dann zusammen mit einem Genter Kaufmann dem englischen König Edward III. 1000 Pfund leiht.

"Einige Jahre später wurde Limberg in das große Konsortium aufgenommen, das die westfälischen Gläubiger des Königs gebildet hatten; wenig später wurde er zusammen mit einem Kollegen zum Syndicus des Konsortiums ernannt,und spielte von nun an eine hervorragende Rolle. Limberg war es auch, mit dem EWduard III. verhandelte, um seine große Krone wiederzuerlangen, die für 45 000 Schildgulden an den Erzbischof von Trier verpfändet war.

Nach der Auflösung des Konsortiums (1344) bildete Limberg, wieder mit westfälischen Kaufleuten. ein neues, hauptsächlich um die kleine, an Kölner verpfändete Königskrone wieder auszulösen, und gründete verschiedene Gesellschaften mit englischen Kaufleuten. Während der Belagerung von Calais (1347) lieh er dem König nochmals 10 000 Pfund; gegen eine jährliche Zahlung von 3500 Mark an den Schwarzen Prinzen ließ er sich 1347 auf drei Jahre und drei Monate die Einkünfte der Zinngruben von Cornwall übertragen, wodurch er die Verfügungsgewalt über die Ausfuhr dieses Erzes gewann. Er sicherte sich unter anderem auch Getreidelieferungen nach Bordeaux, die für die englischen Truppen bestimmt waren." (Dollinger, S.222f)

 

Um 1350 erwirbt er von der Abtei Wilmington königliche Lehen in acht südenglischen Grafschaften und kümmert sich um das englische Geld an die päpstliche Kurie in Avignon. Bald danach zwingt ihn Feindseligkeit englischer Konkurrenz, nach Köln überzusiedeln, aber 1359 ist er wieder zurück und pachtet die Minen von Alston Moor (Silber, Blei, Kupfer). Dem König leiht er erneut 2000 Pfund. Bald muss er aber wieder England verlassen und zieht über Dortmund nach Köln.

 

Unternehmerisches Kapital ist immer einem gewissen Risiko ausgesetzt und ist ein Stück weit ein Glücksspiel. Große Kapitalien können massiv vergrößert werden, aber auch von einem Moment auf den nächsten verschwinden.1418 klagt Sievert Veckinchusen seinem Bruder aus Köln, er könne weder Fisch noch Pelze verkaufen, da sie offenbar zu teuer eingekauft wurden. Ich weiß nicht, wie ich angesichts meiner Schulden von hier nach Lübeck kommen soll; und ich fürchte, dass ich den ganzen Winter über hier bleiben muss, das bekümmert mich und würde mir auch viel Schaden und Nachteil bringen (... in: Dollinger, S.567)

 

Dollinger fasst rund zwanzig Briefe Rigaer Kaufleute von 1458 so zusammen:

"Die Russen wollen kein Tuch kaufen,, vor allem kein flämisches, da sie das billigere englische vorziehen; Pelze sind in Brügge nicht zu verkaufen; es herrscht große Unruhe wegen der Angriffe von Danziger Seeräubern im Krieg gegen den Deutschen Orden; deshalb registriert man mit Erleichterung die wohlbehaltene Ankunft lübischer und flämischer Schiffe und vor allem der Salzflotten aus Bourgneuf, die rlauben, auf zufriedenstellende Gewinne zu spekulieren - unter der Bedingung allerdings, dass keine holländische Salzflotte ankommt, die die Preise drückt und zum Verkauf mit Verlust zwingt. Diese Briefe vermitteln den Eindruck, dass der Hansekaufmann des 15. Jahrhunderts in städniger Angst lebte und mehr noch durch das Überangebot an Waren als von der Furcht vor Verlusten durch Schiffbruch oder Beschlagnahme geplagt wurde." (S.235)

 

 

Nach und nach bilden sich auch im deutschen Raum größere Firmen, wie die Venezianische Gesellschaft von Hildebrand und Sivert Veckinghusen, Peter Karbow und Hans van Mynden, deren Gesellschafter unter anderem in Lübeck, Brügge, Köln und Venedig ansässig sind. Hildebrand Veckinchusen macht Anfang des 15. Jahrhunderts von Brügge aus Geschäfte im ganzen Ostseeraum, in Köln, Straßburg und bis nach Italien. Dimensionen und Risiken des Geschäftes werden in einer Momentaufnahme sichtbar in einem Brief von Karbow aus Venedig an Hildebrand Veckinghusen in Brügge vom 19. Januar 1411:

 

Freundlichen Gruß zuvor! Wisst, lieber Hildebrand, wie ich euch von den 1 000 Dukaten geschrieben habe, die ich bei Hans Reme in Augsburg aufgenommen habe, so habe ich Euch wohl mitgeteilt, was Ihr ihm zum 19. März dafür zu zahlen habt. Ich bitte Euch um aller Freundschaft willen, dass Ihr ihm dies pünktlich zahlt, da ich ihm Bürgschaft gestellt und ihm darüber hinaus noch Briefe mit dem Siegel unserer Gesellschaft gegeben habe. Wenn ihm ein Schade entsteht, müssten ich selbst und meine Gesellschafter ihm dafür aufkommen. - Ich teile Euch ferner mit, dass ich vor acht Tagen für 10 000 Dukaten Gewürze, nämlich indischen und arabischen Ingwer, Muskatnüsse und Muskatblüten, Gewürznelken und was ich sonst noch am günstigsten erhandeln konnte, von hier abgeschickt habe und in den nächsten acht Tagen noch weiter abschicken werde. Dazu benötige ich Geld, wenn ich die Rosenkränze, Tuche und Hermelinpelze nicht bis auf St. Jacobi stehen lassen will. Auch habe ich von Weihnachten bis heute 12 000 Dukaten bar ausgegeben, und jeden Tag erhalte ich noch neue Wechsel von Hans von Mynden. Lieber Hildebrand, möge Gott uns helfen, dass wir noch für ein Jahr vorlegen können und dass es sich so ergibt, wie ich dem Syvert mitgeteilt habe: ich vertraue darauf, dass ich mit Gottes Hilfe eine genau so günstige Abrechnung vorweisen könne, wie es die letzte war. Wir müssen daran denken, das Geschäft mit den Rosenkränzen nicht aufzugeben, auch wenn man sie lange auf Lager halten muss (…) Was ferner die Pelzsendung betrifft, die ihr mir geschickt habr, so habe ich 2 000 Stück gezählt. Es sollten Luchspelze sein, aber das ist eine viel schlechtere Ware. Schreibt mir, wie es sich damit verhält. (in: Engel/Jacob, S. 169)

 

In dieser für das 14./15. Jahrhundert typischen Situation zwischen Kredit, Risiko und Spekulation wird zunächst eines deutlich: Es ist offenbar vollkommen gleichgültig, welche Produkte verhandelt werden, Hauptsache, sie bringen Gewinn. Einziger Maßstab, der zwischen diesen Menschen vermittelt, ist Geld und ein wichtiges Kapital dabei ist der Kredit. Ehrbarkeit, Treu und Glauben sind einerseits Werte, die an die persönlichen Erfahrungen mit anderen Geschäftsleuten geknüpft sind, die aber, wenn es eng wird oder man Betrügern aufsitzt, auch schnell verschwinden. Betrügereien betreffen dabei insbesondere Quantität und vor allem auch Qualität der Waren. Gute Ware wird in Packungen nach oben gelegt, schlechte nach unten.

Hildebrand Veckinghusen landet am Ende in Brügge im Schuldturm und stribt dann dort völlig verarmt.

 

 

Der große hansische Handelskapitalist gewinnt inzwischen das Geld für den täglichen Verbrauch und zur Darstellung seines Status aus Eigenhandel, während der größere Teil seines Kapitals in längerfristigen und sich später realisierenden Investitionen in Handelsgesellschaften steckt.

Eine Form des Eigenhandels ist es, einen Gesellen auf die Handelsreise zu schicken. Eine weitere ist das Geschäft auf Gegenseitigkeit, bei dem die Waren zu einem Partner geschickt werden, der sie für den anderen verkauft und dann für die Gegenleistung wiederum Waren schickt. Kleinere Mengen gehen dann auch in den Detailhandel seiner jeweiligen Stadt und ihres Umlandes. (Hanse, S.99)

 

Klassischer hansischer Gesellschaftshandel bleibt die Widerlegung (wedderlegginge), wo oft nur zwei Kaufleute ihr Kapital für eine oder mehrere Unternehmungen bzw, für eine bestimmte Zeit zusammenlegen. Sie sind oft auch weiter miteinander verwandt, was die Vertrauensbasis stärkt. Der kleinere Investor geht dann auf Handelsfahrt, die Gewinne werden am Ende halbiert. Offenbar nicht selten kapitalisieren inzwischen auch kleine Leute bis hin zu Dienstboten Ersparnisse, indem sie sie in eine solche Widerlegung hinzufügen, - mit den selben Risiken wie großes Kapital sie hat.

Im 15. Jahrhundert wird die Widerlegung häufiger mit dem Geschäft auf Gegenseitigkeit kombiniert, welches dann auch noch auf Kommissionsbasis funktionieren kann.

 

In der Regel ist großes Handelskapital gleichzeitig Mitglied in mehreren Handelsgesellschaften, was auch die Risiken streut.

 

Eine typische, eher überschaubare Handelsgesellschaft mit drei Kapital beisteuernden Teilnehmern ist die folgende:

Im Jahr 1441, am 24. Juni, haben Friedrich Depenbeke, Bürger von Reval, und Ludwig Greverode, Bürger von Lübeck, vor dem Schuldbuch bekannt gemacht, dass sie mit Alf Greverode, Bürger von Stralsund und Bruder des genannten Ludwig, eine freie Gesellschaft gegründet haben, um zu dritt Handel zu treiben, ohne weitere Spesen als das Ungeld, das auf den Waren liegt. (...)

Alf soll in Stralsund Honig beschaffen und auf Kosten und Gefahr der Gesellschaft nach Reval senden, sobald die anderen ihm das Geld besorgt haben und er den Honig hat kaufen können. (...) Ludwig und Friedrich sollen untereinander abrechnen und alle drei sollen in jedem Frühjahr einander schriftlich Rechenschaft ablegen, damit man darüber unterrichtet ist, was jeder besitzt und welches Kapital die Gesellschaft hat. In die Gesellschaft wurden von jedem der drei 400 Mark Lübeckisch investiert, zusammen 1200 Mark, die zur Zeit von Ludwig verwahrt werden. Die Gesellschaft soll von jetzt an für drei Jahre unverändert bestehen bis zum Frühjahr. (...)

Jeder erhält dann seinen Teil zurück, ein Drittel des Gewinns und des Grundkapitals. (... in: Dollinger, S.561f)

 

Um 1400 werden einzelne der bislang personell kleinen Kapitalgesellschaften unter nicht zuletzt in Brügge erfahrbarem Einfluss größer. Für Hildebrand Veckinghusen (bis 1426) ist zum ersten Mal die selschop (Gesellschaft) mit zunächst fünf und dann mehr Partnern belegt. Der Kern sind zunächst Verwandte wie viel früher schon in Italien. Daneben gibt es wie zur gleichen Zeit in Süddeutschland auch größere Familiengesellschaften, in denen weisungsgebundene Faktoren an verschiedenen Niederlassungen agieren. Solche Firmen können im Einzelfall mehrere Generationen überdauern und den gesamten Hanseraum abdecken.

 

Am Anfang großer Kapitalgesellschaften steht im hansischen Raum die Gesellschaft von Jan Falbrecht aus Thorn "mit Witich Morser aus Danzig und David Rosenfeld aus Kulm, später Thorn und Breslau, ein wirtschaftlich, finanziell und politisch verflochtener hansischer Konzern, der von 1400 bis 1439 mit seinem Handel fast den gesamten hansischen Wirtschaftsraum umspannte, jedoch auch bis Venedig und zum Schwarzen Meer ausgriff." (Hanse, S.100)

 

Die Widerlegung mit ihren zwei Partnern wird im 15. Jahrhundert durch ein System von Außengesellschaften abgelöst, "und bei der Summierung aller Geschäftsbeziehungen existierten damit größere Handelsgesellschaften als in oberdeutschen Städten." (Fuhrmann, S.196)

 

Der bargeldlose Handel mit Inhaberschuldverschreibungen im Osten und Wechseln im Westen nimmt immer mehr zu. "Um die Mitte der 1430er Jahre benötigen die hansischen Kaufleute im Tuchhandel mit England fast kein Bargeld mehr. Sie nahmen kurzfristige Kredite bei den Londoner Tuchhändlern auf, die auf den Messen in Antwerpen und Bergen op Zoom zahlbar waren, wo sie ihre erworbenen Tuche zum größten Teil absetzten. Die englischen Tuchhändler wiederum liehen das Geld an Landsleute, die von Antwerpen oder von Bergen op Zoom nach England exportieren wollten." (Hanse, S.108)

 

Ein typisches Beispiel für einen Wechselbrief ist der folgende aus Lübeck an die Herren, Bürgermeister und Räte von Danzig:

(...) Unseren ehrerbietigen Gruß zuvor! Liebe Freunde! Wir bitten Euch von jenen 1000 Mark, die ihr in Eurem Gebiet aus dem Pfundgeld erhoben habt, wie Ihr es uns kürzlich schriftlich mitgeteilt habt, dem Überbringer dieses Briefes, unserem Bürger Heinrich Ricboden, sobald er Euch diesen Brief vorlegt, 60 Mark Preuß auszuzahlen, die wir von ihm durch Wechsel erhoben haben. Ihr würdet uns dadurch eine große Gefälligkeit erweisen. (... in: Dollinger, S.564)

 

Kapitalrenditen lassen sich nur vage schätzen, insbesondere, wenn sie in Brutto- und Nettogewinne unterschieden werden sollen und man alle Kosten einrechnen soll. Heutige Schätzungen gehen von durchschnittlichen 15% aus. Dabei muss man noch unterscheiden danach, ob man das einzelne Geschäft, oder das Hin- und Rückgeschäft gemeinsam berechnen möchte. Zudem sind verschiedene Waren unterschiedlich gewinnträchtig, und das auch noch zu unterschiedlichen Zeiten bis hin zu Zeitpunkten und an unterschiedlichen Orten.

Fernhandel ist eben ein Risikogeschäft. Wer rechtzeitig vor einem hereinbrechenden Krieg Kriegsgerät liefern kann, fährt schon mal über 100% Gewinn ein. Wem das Schiff untergeht oder von Piraten gekapert wird, der hat sogleich Totalausfälle. Wer in Fässer oben gute und unten schlechte Ware einlegt, oder oben gutes und unten schlechtes Silber, und dabei nicht gleich erwischt wird, steigert seine Rendite erheblich. (Beispiele in: Hanse, S.108f)

 

Schiffe gehören meist zum Teil (Part) dem Schiffer als Reeder und zu weiteren Teilen mehreren Kaufleuten. Partenreederei ist so eine Art Handelsgesellschaft. Diese Schiffe werden häufig mit Waren mehrerer Kaufleute bestückt, und diese Kaufleute wiederum verteilen ihre Waren auf mehrere Schiffe. Während sich am Mittelmeer und dann auch in England regelrechte Seeversicherungen ausbilden, ist diese Risikoverteilung der hansische Ersatz.

 

1494 verpfändet ein Lübecker Reeder an Bürgen einer erheblichen Schuld sein ganzes bewegliches Vermögen: sein Silbergerät, seine Möbel und sein Hausgerät, seine Kannen, Kessel und Grapen, seine Guthaben, alle seine Schiffe und Schiffsanteile mit ihrer Ausrüstung. Das sind Anteile an acht Schiffen und ein ganzes Schiff. Sollte er sterben und das Pfand nicht ausreichen, gehören auch seine Immobilien, darunter Häuser dazu. (in: Dollinger, S.572)

 

Je mehr Kapital der Unternehmer zur Verfügung hat, desto früher reist er kaum noch mit seinen Waren. Im 14. Jahrhundert sitzt er dann in seiner scrivekamer und beschäftigt einen Schreiber, einen Diener, zwei, drei Gesellen und Lehrlinge. Als Voraussetzung für seine Lese- und Schreibkünste entstehen im 14. Jahrhundert in den Pfarreien Elementarschulen. Studieren tun Hansekaufleute allerdings kaum, da ihnen das nicht weiterhelfen würde und sie wertvolle Karrierezeit verpassten.

 

Doppelte Buchführung aus deutschen Landen ist in Dokumenten des Regensburgers Matthäus Runtinger und des Lübeckers Hildebrand Veckinghusen  um 1400 erkennbar.

 

Das Kapital kommt nicht nur aus kurzfristiger Teilhaberschaft des Großkapitals, sondern auch aus Einlagen, an denen weite Kreise von Adeligen bis zu Hafenarbeitern beteiligt sind. "In Danzig beteiligten sich 1438 an der Baienfahrt, der Salzfahrt nach Bourgneuf in der Biskaya, das Brigittenkloster, die Marienkirche, das Heiligengeisthospital und die Älterleute des Johannisaltars." (Isenmann, S.365)

 

Das Kreditwesen wird schon Ende des 13. Jahrhunderts durch städtische Schuldbücher gefördert und die Kaufleute selbst führen Rechnungsbücher. Darin sind aber nicht nur Handelsgeschäfte verzeichnet, sondern auch "Einkünfte aus Grundbesitz, Bauvorhaben und häusliche Ausgaben." (Dollinger, S.213)

Eine Sonderform des Kredites ist der Borgkauf, den die Hanse zu verhindern versucht. Ein Kaufmann aus London erklärt für seinen Bereich, warum die Hansetage das verbieten sollen:

(...) nämlich dass man das Tuch von den Engländern zu teurerem Preis auch auf Borg kaufen kann, statt gegen bar oder im Tausch, und zwar zuweilen 2, 3 oder 4 Pfund teurer für den Packen. Das ist ein übles Verfahren  und führt allzu oft dazu, dass falsche und unredliche Kaufleute von der Hanse nach England kommen, auf Borg kaufen und dann flüchtig werden, so dass die guten Leute um ihre Bezahlung betrogen werden, wodurch wir vielerorts Schimpf und Verdruss erleiden müssen. Und dies hat die weitere Folge, dass die Gemeinen des Reichs von England im Parlament sich gegen den Kaufmann stellen, so dass er die Bestätigung der Privilegien nicht erlangen kann. (in: Dollinger, S.559)

 

Eine Sonderrolle spielt der Deutsche Orden bis zur Schlacht von Tannenberg. Er treibt selbst mit einem erheblichen Kapital Handel von zwei "Großschäffereien" in Marienburg und Königsberg aus. "Den Großschäffereien unterstanden gewöhnlich jährlich ernannte Vertreter (Lieger) u.a. in Brügge, London, Schottland, Lübeck, Danzig, Thorn, Elbing und Riga, die Vollmacht hatten, Waren zu übernehmen, sie so gewinnbringend wie möglich zu verkaufen, andere zu kaufen und heimzusenden. Der Deutsche Orden ist zwar im Unterschied zu den ihm unterstehenden Städten kein Mitglied der Hanse, aber eng und zugleich konfliktreich mit ihr verbunden.

 

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Herr oder Knecht ist man nicht nur auf dem Lande, sondern letztlich bei allen Freiheiten auch in der Stadt, wo sich das am deutlichsten als Obrigkeit und Untertan manifestiert; man ist es auch in der Familie als Kind gegenüber der väterlichen Gewalt. Knecht ist auch der Sohn des Hansekaufmanns, der selbst einer werden möchte, und zwar mehr oder weniger bis hin zu seiner Selbständigkeit.

 

Erster Ausdruck davon ist die Prügel, die auch mit hartem Gerät ausgeführt werden kann, erst im Elternhaus und dann insbesondere in der Schule. Die wenigen diesbezüglichen Quellen geben ohnehin den Eindruck her, dass die lateinisch-abendländische (städtische) Zivilisation zumindest seit dem 10. Jahrhundert den Menschen weitgehend eingeprügelt wird. Die so den Knaben eingebläute Härte ist genau die, die sie nachher weiterzugeben haben. Erst der massive Konsumismus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts - aufgrund des extrem armen Teiles der Welt möglich - wird das ändern und mit psychosozialer Verwahrlosung als Ersatz für Erziehung das andere Extrem betreiben, - allerdings als alternativer Weg in massiven Egoismus und fast völlige Entsolidarisierung der Menschenmassen.

 

Schüler wird man mit etwa sechs Jahren, lernt dabei Lesen, Schreiben, Rechnen, manchmal auch Latein und Kirchengesang, meist in den Pfarrschulen. Mit etwa zwölf Jahren oder etwas später beginnt dann die Lehrzeit als dienende Einführung in die Praxis, nicht selten erst einmal bei Verwandten. Ein Teil davon wird häufig im Ausland verbracht und ist mit dem Erlernen von Sprache(n) verbunden, wobei innerhansisch ohnehin das Norddeutsche ausreicht. Gelegentlich werden Lehrlinge auch im Detailhandel eingesetzt, wo man eher Warenkenntnis erhält. Grundlegendes Lernziel ist allerdings Unterwürfigkeit, gute Voraussetzung, um später umgekehrt Macht auszuüben. "Ein Rigauer Kaufmann sandte seinen Neffen nach Brügge zur Ausbildung und forderte dessen Lehrherrn auf, dat he en dwange geholden werde, dat he synen willen nicht kriege." (Hanse, S.95) Auch dem heutigen, meist akademischen Historiker dürften solche (oft stillschweigende) Vorgaben auf seinem Karriereweg kaum unvertraut sein. Kompensiert wird offenbar schon früh mit Alkohol, wie es mancherorts heißt.

 

Das ändert sich auch während dem meist zweijährigen Gesellenstatus nur geringfügig, in dem der Herr seinen Gesellen immer noch oft als knecht bezeichnet und behandelt. Die enorme Rohheit erreicht einen Gipfelpunkt bei den Bergener Spielen nach der Ankunft der Hanseflotte im Frühjahr:

"Im Mittelpunkt standen die Torturen, , die die Gesellen der Bergenfahrer über sich ergehen lassen mussten, bevor sie als vollberechtigt aufgenommen wurden. Sie hatten drei Prüfungen abzulegen. Die erste war die Rauchprobe: Der Prüfling wurde an einem Strick bis zu einer Rauchöffnung hinaufgezogen, aus der beizender Qualm strömte, und musste die albernsten Fragen beantworten., bevor man ihn halb erstickt wieder herabließ. Die zweite Probe war das Wasserspiel: Im Hafen wurde der Neue dreimal ins Wasser geworfen und musste dann wieder in sein Boot steigen, wobei er durch die in anderen Schiffen stehenden Gesellen reichlich ausgepeitscht wurde, nur mangelhaft geschützt durch einen stockbewaffneten Verteidiger. Die dritte Probe, die schlimmste, war die Prügelprobe:. Berauscht,  mit verbundenen Augen und nackt wurde der Prüfling in das >Paradies< geführt und bis aufs Blut ausgepeitscht, während seine Schreie durch den großen Lärm von Zimbeln und Pauken übertönt wurden; danach musste er noch vor den um die Tafel versammelten Altgesellen ein Lied singen." (Dollinger, S.238f)

 

Wenn der Geselle so schließlich ordentlich mannes wird, also selbständiger Kaufmann und nicht selten menschlicher Widerling, hat er gelernt, wie mit Untergebenen umzugehen ist und vielleicht später als Obrigkeit im Rat mit den Untertanen. Natürlich gehört zur Unterrichtung auch Buchführen, Rechnungswesen, Warenqualität, Formen des Ein- udn Verkaufes und Kreditwesen.

Nun hat der Kaufmann seinen Eigenhandel, und/oder er investiert sein Kapital oder einen Teil davon in Handelsgesellschaften; schließlich kann er auch (noch) in den Kommisssionshandel eintreten. Dabei hockt der Kaufmann nicht nur in seiner Kammer, sondern er kontrolliert die Waren bei Ankunft und Versand, schließt Verträge mit Transporteuren und Schiffern. Manchmal reist er auch in eines der Kontore mit seinen Waren mit.

Aber immer wichtiger wird die Korrespondenz, die über Politik, Krieg und anderes informiert. Vor allem informiert ihn der Korrespondent "über die Preise der verschiedenen Waren, schätzt die Höhe der Abgaben und Frachtkosten, den Gewinn, die Wünsche und die Zahlungsfähigkeit der Kunden und gibt in den sehr häufig vorkommenden Fällen der Absatzstockung den Befehl, die Frachten woanders hinzubefördern, um sie manchmal um jeden Preis abzusetzen..." (Dollinger, S.234)

 

Hat er hinreichend Reichtum erwirtschaftet und kann solchen Status nach außen demonstrieren, kann er nach Neigung und Möglichkeiten in Machtpositionen in der Stadt einsteigen und die Geschäftsführung Jüngeren überlassen. Im 15./16. Jahrhundert kann er aber auch, wie es schon früher in Italien stattfand, dem kleinen Landadel vormachen, was wahrer "aristokratischer" Lebensstil mit dem jeweils entsprechenden Luxus sein kann und er wird ganz zum Rentier.

 

 

Die Karrieren finden nicht nur innerhalb der Kaufmannsfamilien statt, sondern auf noch härterem Wege auch von recht weit unten nach oben. Gegen Mitte des 16. Jahrhunderts schreibt Reinmar Kock in seiner Lübecker Chronik für das späte 15. Jahrhundert:

Gott pflegt armer Leute Kinder aus Westfalen in die Ostseestädte zu jagen. Dort müssen sie lange als Jungen und und Knechte dienen, leiden und dulden. Dann können sie Gesellen, danach Gesellschafter (matscoppe) werden, dann Handel und Gut erben und schließlich auch dem Stadtregiment vorschreiben. (Kümper S.171 / 428)

 

Schon früh erlauben Handelsschiffe Seeleuten, statt ihrer Heuer einen (geringen) Anteil am Frachtraum zu erhalten. Diesen können sie im Hanseraum dann auch vermieten, kleines Kapital ansammeln und dann selbst Fracht mitzunehmen. Das macht allerdings wohl nur wenige Prozent der Gesamtfracht aus, die sich viele auch lieber auszahlen lassen. Man kann aber auch so Kleinkapitalist werden und anderen ihre Frachtraumanteile abkaufen:

"So tauchte 1473 auf dem Holk eines Kampener Schiffers in Bergen ein Koch namens Ludeke Mertens auf, der in Bergen für die nicht unbeträchtliche Summe von 90 Gulden Fisch kaufte (...). Einige Jahre später finden wir dann einen Mann gleichen Namens unter den Bergener Englandfahrern, die mit Boston handelten." (Kümper, S.179) Wenn es er war, ist er aber wohl eher eine Ausnahme.

 

 

***Der Seehafen***

 

Für den Händler ist der Produzent Ausgangs- und Endpunkt, letzterer als Massenkonsument. Sein Einkommen aus der Produktion von Waren muss dabei möglichst klein gehalten werden, zudem müssen von ihm aber möglichst teure Waren gekauft werden. Ausgleich in diesem Widerspruch zu finden leistet im Mittelalter im wesentlichen der Markt insgesamt, in dem sich die Kapitalgewinne herstellen, während heutiger sozialdemokratischer Kapitalismus dafür auch den Staat und die kooperierenden Gewerkschaften einsetzt.

 

Kapitalismus ist nicht nur von Produktion abhängig, sondern fördert diese auch indirekt. Hansische Seestädte sind ein gutes Beispiel dafür. An erster Stelle ist wohl der Schiffsbau mit seinen dazu gehörenden oder vorauslaufenden Gewerben. Schiffe halten im besten Fall nur wenige Jahrzehnte, und immer mehr von ihnen befahren die Nord- und Ostsee. An die zweite Stelle rückt wohl die Fässerproduktion durch die Böttcher. Fast alles wird - von Fisch über Salz und Getreide bis zum Silber in Fässern transportiert. Tuche sind oft schon in Ballen fertig verpackt. Wichtig sind auch die Stellmacher, die in Süddeutschland eher Wagner heißen, und die Transportkarren für Überlandwege oder wenigstens vom Seehafen zum Binnenhafen bauen. 

Die Produzenten sind auch Konsumenten, so dass ein oft beträchtlicher Teil der an Land gebrachten Waren in der Hafenstadt verbleibt. Kaufkraft haben auch die Fuhrleute, die Waren vom Seehafen zum Binnenhafen verbringen und jene, die für längere Landwege zuständig sind, und die die Gasthäuser wiederum frequentieren. Wenig Geld hingegen haben die vielfältig eingesetzten Lohnarbeiter, die zum Beispiel auch die Besatzungen für die Treträder von Hafenkränen stellen.

Für die verschiedenen Leistungen, die die Stadt den Seehandels-Kaufleuten bietet, verlangt sie Abgaben, zu denen auch Zölle gehören können. Dafür liefert die Hansestadt eine komplette und relativ standardisierte Infrastruktur, die schon bei Fahrwassertonnen, Baken und Leuchtfeuern für die sichere Einfahrt in den Hafen beginnt. Eine Vielzahl niederer und höherer "Ämter" dienen dazu, angefangen beim Zoll bis zur Wareninspektion über die Meisterzeichen, Prüfzeichen und Kennzeichnung des Herkunftsortes hinaus.

 

Was nicht in der Seestadt verkauft oder auf andere Seeschiffe geladen wird landet bei der Binnenschiffahrt oder dem Überland-Handel. Zwischen beiden wird konkurriert. Da Lüneburg aus der Straßenverbindung mit Braunschweig profitiert, bewegt es den Herzog von Brtaunschweig 1377 dazu, alle Kanäle vorsorglich zu verbieten, die damit konkurrieren könnten. (Dollinger, S.194)

Andere hingegen werden gebaut oder ausgebaut wie der Stecknitzkanal 1390-98 mit seinen Schleusen und Gebühren. Ein anderer um 1400 verbindet Pregel und Kurisches Haff und fördert den Handel Danzigs mit Litauen.

 

Die Binnenschiffahrt liegt in den Händen städtischer Vereinigungen von Fluss-Schiffern. "Mit der Entwicklung des Stapelwesens im 14. und 15. Jahrhundert entstand die Tendenz, die Flüsse in genau abgegrenzte Abschnitte einzuteilen, über die sich die Schiffergesellschaften der großen Uferstädte das Schiffahrtsmonopol aneigneten, wie z.B. die gylda nautarum von Berlin über die Spree und die Havel, die St.Jacobsbruderschaft von Hamburg über die Unterelbe." (Dollinger, S.193) Nur auf der Weichsel schuf der Ordensstaat eine übergeordnete Instanz.

 

Zum Seehafen gehören die Reeder und die Kapitäne, die nach 1350 immer häufiger verschiedene Personen sind, und sich mehrere Reeder das Schiff in "Parten" teilen, wobei das im 15. Jahrhundert dann schon einmal acht Personen mit uunterschiedlich großen Anteilen sein können. Darunter sind vor allem Kaufleute und Schiffbauer, aber manchmal sogar Handwerker. Dazu gehört zum Beispiel der ehemalige Schiffer Hermann Mesman aus Lübeck, "der sein Vermögen am Ende des 15. Jahrhunderts auf 3900 Mark in Gestalt von drei ganzen Schiffen und Parten an sechs Schiffen zwischen der Hälfte und einem Achtel schätzte." (Dollinger, S.196)

Kapitän (Schiffer) wird man, wenn man verheiratet mit Wohnsitz in der Stadt ist, eben überprüfbar ehrbar, und Anteile an dem Schif hält, welches er kommandiert. Er besorgt die Mannschaft, Macht die Frachtverträge und überwacht Laden und Löschen der Waren. Er ist selbst Kaufmann, gehört der Oberschicht an und sitzt auch in hohen Ämtern.

Die Schiffsmannschaft besteht aus 10-20 Matrosen, den Schipkindere, und dem Steuermann, wobei die Matrosen spätestens im 15. Jahrhundert eigene Bruderschaften haben.

 

***Die Hanse im 15. Jahrhundert***

 

Die Entstehung der Hanse begann mit Einzelprivilegien und dann mit Verträgen untereinander und schließlich Verträgen von mehreren Städten mit gemeinsamen Interessen. Der städtisch vermittelte Kaufmannsbund von den Niederlanden bis nach Nowgorod sorgt weitgehend dafür, dass die ökonomische Konkurrenz nicht in Gewalttätigkeit untereinander ausartet, es ist ein Friedensraum für die, die ihn dafür verwenden dürfen, einer, in dem rechtliche Regelungen die Herstellung von Machtverhältnissen "friedlich" begrenzen sollen. Das ist einzigartig für das lateinische Mittelalter und im etwa genauso großen Mittelmeerraum herrschen durchgehend ganz andere Verhältnisse.

 

Das ausgehende Mittelalter bedeutet auch den zumindest politischen Niedergang der Hanse(n). Nichthansischer Handel dringt mit Unterstützung von Fürsten und Königen immer starker in hansisch privilegierte Domänen ein und Territorial- und Nationalstaaten dulden immer weniger die (städtischen) Sonderrechte. Einschneidend ist 1384, als Philipp der Kühne Flandern, Antwerpen und Mecheln erbt. Indem die burgundischen Herzöge die Niederlande zu einem machtvollen und reichen Gebiet zusammenfassen, üben sie wesentlich mehr Macht gegenüber der Hanse aus als flämische und andere Grafen zuvor.

Die große Zeit vieler Städte ist vorbei. Noch 1438 sollen manchmal 700 Schiffe von Damme losgefahren sein. Aber Brügge kämpft schon seit einiger Zeit mit der Versandung des Zwin. Bald wird es seine Rolle als Drehscheibe für Handel und Finanzen an Antwerpen abgeben, und die Atlantikroute um Europa und nach Übersee verändert den Handelsraum zur Gänze.

 

1469, mitten in einem massiven Konflikt mit England, definiert sich die Hanse als Antwort auf eine Erklärung des englischen Kronrates folgendermaßen:

 

(...) die Hansa theutonica ist (...) ein festes Bündnis (confoederatio) von vielen Städten, Orten und Gemeinschaften zu dem Zwecke, dass die Handelsunternehmungen zu Wasser und zu Lande den erwünschten und günstigen Erfolg haben und dass ein wirksamer Schutz gegen Seeräuber und Wegelagerer geleistet werde, damit nicht durch deren Nachstellungen die Kaufleute ihrer Güter und ihrer Werte beraubt würden. Die Hansa Theutonica wird nicht von den Kaufleuten geleitet, sondern jede Stadt und jeder Ort haben ihre eigenen Herren und ihre eigene Obrigkeit, durch die sie regiert werden. Denn die Hansa Theutonica ist (...) nichts anderes als ein Bündnis von Städten, das die Städte nicht aus der Rechtshoheit der Herren, die schon früher die Regierung ausübten, herauslöst: Sie sind vielmehr diesen Herren in allen Dingen untertänig wie vorher und werden von ihnen regiert. (in: Hanse, S.162)

 

Vermutlich ist genau das neben der zunehmenden Konkurrenz der Hauptgrund für den Zerfall der Hanse, nämlich die fehlenden durchschlagenden Zwangsmittel gegen die zunehmende Bedeutung massiv unterschiedlicher Interessen der Hanseregionen. Da ist vor allem Kölns Bindung an England und die Niederlande, die Gruppe wendischer Städte unter Führung Lübecks mit ihren Sonderinteressen, Danzig, welches sich in konsequenter Verfolgung eigener Interessen zur Drehscheibe des osteuropäischen Handels nicht nur für Salz und Tuche entwickelt, und das Baltikum, welches seit dem 14. Jahrhundert versucht, die Landverbindung Lübeck-Hamburg mit dem Seeweg durch den Sund zu umgehen.

 

Im 15. Jahrhundert finden Versuche statt, mittels "Tohopesaten" Zusammenschlüssen einen engeren Verband mit Wirkung nach außen zu erreichen, die aber auf die Dauer dem Selbständigkeitsdrang der einzelnen Städte widersprechen.

 

Andererseits findet im 15. Jahrhundert im Schnitt nur noch alle zwei Jahre überhaupt ein Hansetag statt, und nur auf wenigen davon sind alle drei Drittel vertreten. Die Mehrzahl findet in Lübeck statt, und es sind in der Regel nur zehn bis zwanzig Städte vertreten. Vieles wird aber auf häufigeren und besser besuchten Tagen einzelner Drittel besprochen oder auf Regionaltagen, wo oft bei gemeinsamem Fürsten mehr Vertreter anwesend sind. Das hat auch mit Kosten und Aufwand für die einzelnen Städte zu tun. Inzwischen dominiert aber Lübeck zusammen mit den wendischen Städten und vertritt die Politik zwischendrin.

 

Ein absoluter Ausnahmefall ist die Republik freier Bauern in Dithmarschen, die sich bis ins 16. Jahrhundert erhält. Verwaltet bzw. regiert wird sie von Vertretern wohlhabender Großbauern aus Geschlechtern bzw. Kluften, die über Verwandtschaftsverbände hinausgehen. Diese Leute treiben auch Handel, insebsondere mit Livland, und ein Teil von ihnen verbindet sich eng mit Hamburg, andere mit Lübeck. Spätestens seit ihrem Sieg über ein dänisches Ritterheer 1500 bei Hemmingstedt erscheint auch ein Vertreter von ihnen auf Hansetagen, obwohl sie nie offiziell Mitglied sind (was nur Städte sein können). Erst 1559 siegen die Dänen über sie und vernichten ihr Gemeinwesen.

 

Im 15. Jahrhundert nimmt der Druck von Fürsten auf Hansestädte zu. 1430 wird das sächsische Northeim zum Austritt gezwungen, 1452 Berlin und 1479 Halle. Daneben scheiden Städte wie Breslau aus, deren Interessen durch die Hanse nicht mehr abgedeckt werden.

 

Die süddeutschen Handelshäuser sind zunächst nur in beschränktem Maße Konkurrenten, weswegen die Beziehungen eher friedlicher bleiben. Engere Beziehungen entstehen vor allem über den Hundertjährigen Krieg, in dem sich eine Nord-Südachse östlich an Frankreich vorbei verstärkt. In manchem ergänzen sich Hanse und Süddeutschland eher, da in Nürnberg und Augsburg anders als in Hansestädten eine zunehmende Konzentration auf Bergbau, Erzverarbeitung und Metallgewerbe stattfindet. In dieser Nordsüd-Verbindung vermitteln vor allem die Frankfurter Messen, wo Edelmetalle zentral verhandelt werden und Finanzgeschäfte konzentriert sind. 

Das ändert sich dann noch einmal, als süddeutsches Kapital mit dem Ende des 15. Jahrhunderts den direkten Weg über Leipzig, Prag und Breslau nach Danzig findet und von dort in den östlichen Ostseeraum. (Hanse, S.181)

 

Die von Nürnberg und dann auch von Augsburg ausgehende Nord-Südachse, die die Hanse aufbricht, wird von den Nürnberger Mulichbrüdern am besten repräsentiert. Hans und Kunz tauchen als erste in Lübeck auf, und einer von ihnen heiratet eine reiche Witwe und Tocher eines Ratsherren dort, "die ihm als Mitgift 6500 Mark Bargeld und 500 Mark in Renten einbrachte". Luxuswaren gehen nach Norden (Perlen, Gold- udn Silberwaren, kostbare Tuche, Gewürze), die unter anderem von der Großen Ravensberger Gesellschaft und Fugger aus dem Süden gebracht wurden, während Stockfisch, Hering und Bernsteinketten nach Suddeutschland wandern.

Einer der Brüder, Mathias, lebt seit 1490 ganz in Lübeck , kauft dort 15 Häuser, hat gute Beziehungen zu den Herzögen von Mecklenburg und Schleswig und zum dänischen König, "von dem er in Oldesloe ein Grundstück zu Lehen erhielt, auf dem er eine Kupfermühle erbauen ließ." In die Zirkelgesellschaft wird er aufgenommen, der Rat bleibt ihm aber verschlossen. (alles: Dollinger, S.231f)

 

Gravierender als der Weg der Mulichs in die Hanse wird der der Fugger seit den frühen 90er Jahren des 15. Jahrhunderts zuerst in Antwerpen 1494 und zwei Jahre später in Lübeck. (siehe:  weiter unten unter: Süddeutschland))

 

Das wichtigste Machtmittel der Hanse seit dem 14. Jahrhundert ist die Handelssperre (Blockade) und zum (See)Krieg kommt es eher nur Ausnahmsweise. Aber die Blockaden sind ein zweischneidiges Schwert, da sie Raum geben für Konkurrenten, die dann einspringen und bleiben. Das verhilft zum Beispiel dem Nordseehering zum Auftrieb gegenüber dem aus der Ostsee, dem Islandstockfisch gegenüber dem in Bergen verhandelten von den Lofoten, und holländischem Tuch gegenüber flämischem, welches die Hanse transportiert.

 

Ähnlich zweischneidig ist das 1426 erlassene Verbot, Schiffe aus Hanseproduktion an Ausländer zu verkaufen, was zugleich den Schiffsbau dort befördert. Der Konkurrenz nutzt auch das 1403 erlassene Winterfahrverbot, während die Pflicht zum Konvoifahren seit dem Ende des 14. Jahrhunderts den Zeitaufwand erhöht.

 

 

Alles das bisher Gesagte kann erklären, warum das 15. Jahrhundert für den Hanseraum eine wirtschaftliche Depressionsphase darstellt. Der Umsatz im Lübecker Hafen halbiert sich fast zwischen 1368 und dem Ende des 15. Jahrhunderts, der Heringshandel auf Schonen beträgt am Ende nur noch ein Fünftel und der Salzhandel nur noch die Hälfte. (Kümper, S.325) Eine etwas geringere Depression findet auch in Hamburg und zeitweilig in Köln statt.

 

Die immer weiter voranschreitende Integration der europäischen Märkte führt zu ihrer Hierarchisierung. "Der Englandhandel zum Beispiel lief in dieser Zeit (...) fast ausschließlich über Köln und Danzig. Alle englischen Tuche und andere Waren, die auch in anderen Städten des Reiches problemlos zu erwerben waren, stammten also nicht aus dem Aktivhandel mit England, sondern kamen mittelbar über Köln oder Danzig in die regionalen Märkte." (Kümper, S.326)

 

Der Konsumismus bekommt über die neuen Angebote von Zucker, Tabak, Rum und indischem Tee eine erhebliche Nachfrageerweiterung. Die Gier der politischen Mächtigen und des Kapitals wird nun durch die Erweiterung der Nachfrage durch die steigende Gier jener Konsumenten erweitert, die sie sich leisten können.

 

***Handel, Gewalt und Krieg: Das 15. Jahrhundert***

 

Während die Hanse im Verlauf des 14. Jahrhunderts zu einer Art Monopolist im Ostseehandel und teilweise auch auf der Nordsee wurde, wird ihr das jetzt zunehmend streitig gemacht. In Stralsund und den preußischen Häfen tauchen immer häufiger englische und schottische Händler auf, bieten ihre Tuche an und kaufen Getreide, Holz, Harz und slowakische Metalle. (Dollinger).

In Danzig kommt es zu einer richtiggehenden Ansiedlung, die fast wie ein Kontor verwaltet wird. Man kauft oder mietet Häuser, holt die Familien nach und verbindet sich mit Einheimischen zu Handelsgesellschaften. Jenseits davon gelingt es aber der Hanse, andere Niederlassungen zu verhindern.

 

Schlimmer ist die Konkurrenz der nördlichen Niederlande. Mit englischer Wolle und flämischen Fachkräften versorgt, blüht in Leiden, Amsterdam, Haarlem und Rotterdam eine Tuchindustrie auf, die holländische Händler auch in den Hanseraum exportieren. Ihr Schiffsbau bekommt dadurch Auftrieb und auch dadurch, dass man die englische Wolle nun selbst dort abholt. In derselben Zeit entwickelt sich die holländische Bierproduktion zu einem massiven Konkurrenten, der zunächst hanseatisches Bier aus seinen Städten verdrängt. Holländer entfalten zudem Heringsfang in der Nordsee, was mit dazu beiträgt, dass der Markt für schonischen Fisch zurückgeht. Holländer transportieren außerdem nun zunehmend Baiensalz und zugleich französischen Wein.

 

Umgekehrt verlangt die nun steigende Bevölkerung in den holländischen Städten nach mehr Getreide. Bald sieht man holländische Schiffe in den livländischen Häfen und ab spätestens 1432 setzen Holländer ihre Waren bis nach Nowgorod ab und kaufen dort ein. Selbst da, wo die Qualität ihrer Waren geringer ist, wird das mehr als kompensiert durch niedrigere Preise. Gegenwehr der Hanse scheitert daran, dass sowohl der ostelbische adelige Großgrundbesitz bis nach Polen sein Getreide möglichst günstig direkt verkaufen möchte, als auch die preußischen und livländischen Städte ihre Abhängigkeit von der Hanse, der sie angehören, brechen will.

 

Aufgebrochen wird das Hansemonopol auch von Süden her. Vorreiter sind Nürnberger Großkapitalisten, die die Achse Italien - Nordsee von Süden her mit Gewürzen, Metallwaren und Luxusgütern bedienen, und vom Norden Pelze, Bernstein und Fisch importieren. Adel und Städte zwischen Leipzig und Krakau nehmen sie gerne auf. Lübecker Gegenwehr wird mit der Einheirat in lübische Patrizierfamilien umgangen. Daneben entsteht ein westöstlicher Handelsweg von Frankfurt über Nürnberg und Leipzig bis Posen, der die hanseatischen Seewege umgeht. 

1405 wenden sich die Lübecker Krämer an ihren Rat:

Liebe Herren, Eure Bürger und Kaufleute beklagen sich allgemein über die Nürnberger, die hier offene Keller halten, dass sie allerlei Waren verkaufen, wie beispielsweise flämische in kleinen und in großen Mengen, allerlei kölnische Waren, wie Garn und Seide Waren aus Frankfurt und desgleichen solche aus Venedig, alles nach Pfennigwert. Sie verkaufen auch Perlen und Gold nach Unzen.

Liebe gnädige Herren, das verursacht Euren Bürgern und Kaufleuten großen Schaden, denn ein Nürnberger kann die Waren von zwanzig Leuten allein verkaufen, und er setzt an einem Tag mehr Ware um und verkauft mehr als Eure Bürger und Kaufleute in einem Jahr. Deshalb meinen die Kaufleute, sie sollen keine Waren in ihren Kellern verkaufen können, sie seien denn in der Stadt Nürnberg hergestellt. Deshalb, liebe Ratsleute, sorgt für Eure Bürger, wie Ihr das immer gerne tut, dass sie also von Ausländern nicht zugrunde gerichtet werden. (in: Dollinger, S.565)

 

Wo Engländer und Holländer gleiche Rechte in Hansestädten fordern wie sie Hanseaten bei ihnen besitzen, reagiert die Hanse unter Führung Lübecks mit strikter Reglementierung und Ablehnung jedes Ansatzes von Freihandel.

 

 

Der Jagellone Wladislaw II. fördert mit Privilegien für den Stapelplatz Krakau den Handel durch Polen und versperrt damit den Kaufleuten Preußens den direkten Zugang zu den Kupferminen in Ungarn. 1410 kommt es zur preußischen Niederlage bei Tannenberg und ein Aufstand aus preußischen Städten heraus wird brutal niedergeschlagen. Von nun an werden die Städte durch Kriege des Ordens mit Polen, Litauen und gegen sie selbst geschwächt.

 

Einen heftigen Konflikt gibt es mit Kastilien, dass den Einfluss hansischer Kaufleute in asturischen Hafenstädten missbilligt. 1419 lässt der kastilische König Juan II. vor Rochelle 40 Schiffe der Baienflotte aufbringen und ihre Ladung verkaufen. Bis 1443 schwelt daraufhin der Konflikt.

 

Fast einen Dauerkonflikt gibt es mit England im 15. Jahrhundert. Inzwischen müssen Hansekaufleute hier dieselben Abgaben auf Einfuhren von Wein, Salz, Hering und Holz zahlen wie alle Ausländer. 1423 lehnen sie vom Parlament beschlossene Subsidien ab, werden eingesperrt und ihr Kontor wird zunächst geschlossen.

 

Die weitere Ausdifferenzierung skandinavischer "National"staaten wie norddeutscher und osteuropäischer Territorialstaaten senkt die politisch-militärischen Möglichkeiten der Hanse. Erich von Pommern, König von Dänemark 1412-38, will seine Hoheit über Holstein mit Unterstützung des Kaisers wieder herstellen, verbündet sich mit Polen und schädigt deutsche Kaufleute. Schließlich erlässt er ein Passiergeld am Sund und dann später auch noch einen Zoll auf die Waren.

 

Die wendischen Städte erklären mit Unterstützung der sächsischen Dänemark den Krieg und sperren den Sund. 1427 unterliegt ihre Flotte dort in einer Seeschlacht. Der befehlshabende Bürgermeister von Wismar (Johann Bantzekow) und der Hamburger Ratsherr Johann Kletzeke werden zur Strafe hingerichtet, während der Lübecker Bürgermeister mit einer Gefängnisstrafe überlebt. Auch hier entsprechen norddeutsche Geflogenheiten weiter den italienischen, wo die Verantwortlichen für militärische Niederlagen ein ähnliches Schicksal ereilt.

Der Däne kann darauf einen Konvoi von Salzschiffen aus Bourgneuf, die Richtung Preußen fahren, aufbringen.

Erst 1435 kommt es zum für die Hanse günstigen Frieden, Schleswig bleibt beim Grafen von Schauenburg, unabhängig von der dänischen Krone, die Privilegien der Hansestädte werden bestätigt und die wendischen Städte vom Sundzoll befreit.

Damit ist Erich so geschwächt, dass er 1438 vom Reichsrat abgesetzt wird. Die Hanse unterstützt Christoph von Bayern, aber der und sein Nachfolger nehmen die alte dänische Expansionspolitik wieder auf und unterstützen den holländischen Seehandel.

 

Die unter der Herrschaft burgundischer Herzöge weiter erstarkenden Niederlande geraten immer wieder in Konflikte mit der Hanse, wobei für die Flamen englische Wolle eine bedeutende Rolle spielt. Holländische, insbesondere seeländische Kaufleute wollen die Behinderungen im Ostseeraum nicht hinnehmen.Der 1435 geschlossene Friede von Arras beendet den Bürgerkrieg zwischen Armagnacs und Bourguignons, und das enttäuschte England führt nun Krieg gegen Burgund. Die Flamen, die die Deutschen der Sympathien mit England verdächtigen, erschlagen 1436 in Sluis fast 8o von ihnen. Brügge und Gent erheben sich gegen ihren Herzog, das mit diesem verbündete Kontor wird nach Antwerpen verlegt. In Flandern kommt es zu einer Hungersnot, der Getreidepreis vervierfacht sich und 1438 kann die Hanse nach Brügge zurückkehren.

 

1438 geht es um die Beute aus dem Kaperkrieg gegen Dänemark, weswegen Städte der Grafschaft Holland mit Unterstützung ihres Grafen, des Herzogs Philipp, einen zunächst erfolgreichen Kaperkrieg gegen Hanseschiffe der sechs wendischen Städte, der schnell in einen offenen Konflikt mit zahlreichen Hansestädten ausartet. Auf der Reede von Brest werden zwölf hansische Salzschiffe überfallen. Allerdings hält sich ein Teil der Hanse da auch heraus.

 

1441 wird in Kopenhagen ein zehnjähriger Waffenstillstand geschlossen, dessen Bestimmungen so unklar sind, dass sie die Vermehrung niederländischer Schiffe in der Ostsee nicht mehr aufhalten. 1442 beschließt die Hanse in Stralsund, dass nur noch in Brügge gekaufte Tuche in Hansestädte eingeführt werden dürfen. 1445 wird in Lübeck der Kauf holländischer Tuche durch Hansekaufleute untersagt. Vor allem Köln hält sich heraus, weil es nicht mehr an Brügge interessiert ist.

Inzwischen bekommt der burgundische Herzog seine nördlichen Städte immer mehr unter Kontrolle und wird in immer mehr Einzelfällen Gegner der Hanse.

 

Der norwegische Vogt von Bergen erzwingt 1443 Abgaben von deutschen Handwerkern und unterstellt sie einem Gericht. 1455 stürmen die Deutschen des Kontors ein Kloster, in das sich der Vogt geflüchtet hat, setzen es in Brand, töten den Vogt, den Bischof von Bergen und sechzig andere. Danach versuchen die wendischen Städten, den Stockfischhandel von Bergen noch mehr zu monopolisieren.

 

1449 eskaliert das Verhältnis mit England, als die Engländer im Kanal eine Flotte von rund 100 Schiffen überfallen. Die Hansestädte beschlagnahmen darauf englische Güter auf ihrem Gebiet.

 

1451-57 blockiert die Hanse den Handel mit Flandern, was den Holländern vor allem zum Vorteil gereicht. Das Kontor wird 1451 nach Deventer verlegt, was vielen Hansekaufleuten nicht passt, die nach Amsterdam, Middelburg und anderen Orten ausweichen. Darauf einigt man sich auf Utrecht, aber das lässt nun der Burgunder Philipp ("der Gute") 1455 besetzen. Man einigt sich nach Verhandlungen und das Kontor kehrt nach Brügge zurück. Inzwischen beginnt Antwerpen auch für die Hanse Schritt für Schritt Brügge zu ersetzen.

 

1459 stirbt Adolf von Holstein erbenlos und der Adel von Schleswig und Holstein unterstellt sich dem dänischen König.

 

1458 kommt es zum Krieg zwischen Lübeck und England, in dem die Hansestadt alleine bleibt. Bald danach wird dem Kontor die Bewachung des bishop's gate entzogen, ein Prestigeverlust. 1567 beginnt Karl ("der Kühne") eine Bündnispolitik mit England zum Schaden der Hanse. Zwischen 1469 und 1474 führt die Krise zwischen England und den Hansestädten zum Verbot des Stalhofes.

 

1467 kommt es zum Totschlag des dänischen Statthalters Islands durch englische Kaufleute. Als die Dänen 1468 sieben englische Schiffe beschlagnahmen, unterstellt die englische Regierung das hansische Einverständnis damit, verhaftet die Hanseleute und beschlagnahmt ihre Güter im Land. Eine städtische Menge greift den Stalhof an und zerstört ihn teilweise. Da die Kölner auf guten Beziehungen zu London bestehen, scheren sie aus, werden wieder freigelassen und behalten ihre Privilegien, während der englische Kronrat die anderen Hansekaufleute zu hohen Geldstrafen verurteilt. Als die Kölner so zu einer eigenen Niederlassung in London gelangen, werden sie 1471 von der Hanse ausgeschlossen.

 

Im folgenden Kaperkrieg gegen England 1469-1474 unter Danziger Führung, in dessen Vorlauf die obige Erklärung hansischen Selbstverständnisses angesiedelt ist, ist die Hanse zum letzten Mal, wenn auch nicht mehr sehr überzeugend, kriegerisch erfolgreich. Es geht wie fast immer im späten Mittelalter um Handelsinteressen. Die Hanse sperrt die Lieferung englischer Tuche mit Hilfe von Dänemark und Polen. Der Stalhof wird verboten, die Kaufleute werden nach neun Monaten wieder freigelassen. Derweil unterstützt die Hanse mit Danziger Schiffen Edward 1471, den das Parlament im Rahmen der Rosenkriege im Herbst 1470 abgesetzt hatte, und der mit burgundischer Unterstützung zurückkehrt.

 

Mitten in diesen Wirren kommt es 1470 um die 'Peter von La Rochelle' zur einzigen, relativ kurzen kriegerischen Auseinandersetzung mit Frankreich, welches 1472 erfolgreich gegen hansische Schiffe vorgeht. Es kommt schließlich zu Friedensverhandlungen, die 1472 mit Frankreich zum Waffenstillstand führen.

 

Nachdem der englische König im Frieden von Utrecht 1474 klein beigegeben hat, die Hanseprivilegien auch speziell für London, (King's)Lynn und Boston bestätigt und eine Entschädigungssumme an die Hanse zahlen muss, kann Köln 1476 dadurch wieder aufgenommen werden. Selbst die Bewachung des Bischofstores geht wieder an das Kontor.

1474 ist der Stalhof also wieder etabliert und wird nun mit Wirtschafts- und Wohngebäuden und seiner Kapelle neu ausgebaut.

 

Der englisch-hansische Krieg verringert die Bedeutung von Brügge und des dortigen Kontors weiter. Dennoch wird offiziell an ihm festgehalten. In einem Rezess (Beschluss) zu Lübeck von 1470 heißt es:

Und niemand (...) soll in Flandern, Brabant oder Holland hergestelltes Tuch in irgendwelche Hansestädte oder deren Gebiet bringen, das nicht über über den Stapel von Brügge ging oder das nicht in Antwerpen oder Bergen op Zoom auf der Kalten Messe (...) geklauft oder feilgeboten wurde (...) Ebenso soll man alle Stapelgüter wie Wachs, Pelzwerk, Kupfer, Zinn, Schaffelle, Ziegenfelle und allerlei andere Arten von Fellen, Wolle, Tran, Osemunt (schwedisches Eisen) und Eisen jeder Art, Waidasche, Flachs, Vitriol, Butter, Leinwand und alle anderen Stapelgüter, wie sie auch heißen, ausgenommen Ventegut wie Bier, Korn, Pech, Teer, Wagenschott, Klappholz (beides Eichenholz) zum Stapel in Brügge oder zu den beiden Messen in Antwerpen oder nach Bergen zur St. Martinsmesse bringen (...) Und falls derartiges Stapelgut auf den Messen zu Antwerpen oder Bergen unverkauft bliebe, soll man es wieder auf den Stapel in Brügge bringen. (in: Dollinger, S.551)

 

Als nach dem Tod der Maria von Burgund die Brügger gegen Maximilian aufstehen, wandern noch mehr Hanseaten ab, und dann noch einmal, als die Brügger 1488 Maximilian gefangen nehmen.

 

Grundsätzlich floriert das Londoner Hansekontor nach dem Krieg wieder. Bis in die Mitte des 16. Jahrhunderts bleiben Hansekaufleute wichtigste ausländische Tuchexporteure. Englische Händler konzentrieren sich in der nächsten Zeit als Verkäufer englischer Tuche in den Niederlanden und werden so zu harten Konkurrenten der Hanse. Mit der 1505 königlich privilegierten Company of Merchant Adventurers of England macht sich England bereit zur mehrere Jahrhunderte andauernden Eroberung der Weltmeere.

 

Handel ist friedlich, soweit es seinen Interessen dient, und wird über seinen politischen Arm gewalttätig, sobald das erfolgversprechend ist, und manchmal darüber hinaus. Dabei ist es strukturelle Gewalt als Kapitalsmacht, die die Hanse meist vorzieht. Damit wird versucht, die Teilhabe der Produzenten an der städtischen Macht zu verhindern und vor allem dabei Einkünfte aus einfachem Eigentum und Arbeit möglichst zugunsten von Kapitalgewinnen zu drücken. Das geschieht dann über das Verlagssystem oder über Abnahmeverträge.

 

1466 unterstellen sich die durch die Politik des Ordens geschwächten preußischen Städte mit Ausnahme Königsbergs der polnischen Krone.

 

1462 beginnt mit der Herrschaft des sich nun Zar nennenden Iwans III. der Aufstieg des Großreiches von Moskau und seine Erweiterung bis zum Ural.

 

1494 führt den Moskowiter Iwan III. seine Expansionspolitik zur Ostsee nach der Ermordung russischer Kaufleute in Livland zur Inhaftierung der Deutschen in Nowgorod und zur Beschlagnahmung ihrer Güter. Der Russlandhandel mit dem Westen verlagert sich nach Livland (Reval, Riga, Dorpat), Finnland und Polen und wird zunehmend von Süddeutschen, Holländern und Schweden übernommen. Die Inhaftierten, Lübecker, Westfalen und Livländer, werden nach drei Jahren wieder freigelassen. Als das Kontor in Nowgorod 1514 wieder zugelassen wird, hat es seine Bedeutung verloren.

 

1509 ist Krieg der Hanse gegen Dänemark, welches mit Holland verbündet ist. 1511 wird nahe Danzig ein Teil einer holländischen Flotte versenkt und der Rest aufgebracht.

 

1512  müssen sich sechs flämische Städte und kleine Herrschaften dazu verpflichten, flämische Tuche aus spanischer Wolle seulement pour les Osterlincx zu produzieren. Mit dieser Verpflichtung sind sie den Preisvorstellungen der Kaufleute mehr oder weniger ausgeliefert, die deren Vertreter in Brügge mit den Drapiers aushandeln. (Hanse, S.121)

Während das ein eher späteres Phänomen ist, führt das Abnahmemonopol auf (Salz)Hering und Stockfisch in Bergen und auf Schonen vor allem schon früher zur Abhängigkeit der dortigen Produktion. Dafür werden Konkurrenten durch Kapitalmacht und militärische Drohgebärden, aber auch durch eine überlegene Handels-Infrastruktur vom Markt vertrieben.

Aber dann beginnen die Hamburger, Bremer und Holländer mit dem Fischfang bei Island und versorgen die deutschen Lande damit. 1514 verlangt das Kontor zu Bergen von der norwegischen Regierung vergeblich, dagegen einzuschreiten. Die Hamburger und Bremer können billiger verkaufen, denn sie verfrachten in drei Schiffen mehr Fisch als wir es in fünfen tun können, und sie brauchen in Island nicht solche hohen Kosten für Häuser und Höfe aufzubringen, wie der Kaufmann in Bergen (... in: Dollinger, S. 574)

 

Kapitalismus schafft (sich) Schutzräume, in denen er möglichst friedlich und ungestört agieren kann. In Norditalien sind das frühe Stadtstaaten, in Nordeuropa ist das die Hanse, in Süddeutschland scheitern solche kapitalgetragenen Städtebünde an der Übermacht der von Königen gedeckten Fürsten. Mit der langsamen Trennung von England und Frankreich übernehmen dort, dabei auch in Skandinavien und noch später Spanien, Nationalstaaten immer mehr die Aufgabe, Kapitalverwertung zu fördern und sich von dieser tragen zu lassen. Da das Kapital nun nur noch als Juniorpartner der herrschenden Dynasten auftreten kann, wird sich die Entwicklung des Kapitalismus bis ins 18. Jahrhundert deutlich verlangsamen, was allerdings auch damit zu tun hat, dass die Kolonisierung und Ausplünderung der übrigen Kontinente neuartige Profitmöglichkeiten erschließt.

 

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Um 1390 beanspruchen die Herzöge von Mecklenburg erst den dänischen und dann den schwedischen Thron. Um das durchzusetzen, öffnen sie die Häfen von Rostock und Wismar für privat-unternehmerische Kaperfahrer und bedienen sie mit erheblichen Privilegien. Diese betreiben darauf Überfälle zur See und sollen sogar Bergen 1393 überfallen haben. Ihre Beute verkaufen sie unbehelligt in den beiden Städten. Damit beginnt wohl die Geschichte der Viktualienbrüder, die bis Anfang des 16. Jahrhunderts anhalten wird.

 

 

Typische Kaperfahrer sind im 15. Jahrhundert zunächst die Hildesheimer Diderik Pining und Hans Pothorst. Pinings Vater verarmte offenbar und beide wandern wohl zusammen nach Hamburg, wo sie zu bekannten Kaperfahrern werden. Bis 1473 stehen sie so im Dienst der Hansestadt Hamburg. Irgendwann dann gelangen sie in dänische Dienste. Unter dem dänischen König Christian I. und wohl auf Veranlassung des portugiesischen treten sie 1473 eine von beiden Königen organisierte Entdeckerfahrt an, um eine Nordwestpassage nach Ostasien zu erkunden. Sie führt zumindest bis nach Grönland, wahrscheinlich aber nicht bis Labrador.

Nach der Rückkehr heiratet Pothorst in Hamburg eine verwitwete Ratsherrentochter, was ihm Zugang zu Patrizierkreisen verschafft. Von 1473 bis 1477 ist er Mitglied der Flandernfahrer-Gesellschaft.

Danach arbeitet Pining weiter für den dänischen König und wird nach und nach Statthalter für ganz Island, was er zunächst auch in dem folgenden dänischen Interregnum bleibt. Unter dem Thronfolger Johann I., der Dänemark, Norwegen und Schweden unter seiner Krone vereint, führen Pining und Pothorst einen Piratenkrieg gegen England. Nach dem folgenden Frieden verlieren sich die Spuren Pinings. Pothorst stirbt um 1489 wohl als ehrbarer Bürger.

 

 

Süddeutschland

 

Italienische Großunternehmen sind zunächst denen nördlich der Alpen in ihrer Entwicklung um Jahrhunderte voraus. Erst im 15. und 16. Jahrhundert schließen die in Süddeutschland auf und übertreffen dann die italienischen wie schon vorher die der Hanseaten. Dabei werden die Verträge ihrer Anteilseigner ebenfalls ,nur auf kürzere Sicht geschlossen, bei den Augsburger Meuting 1436 auf fünf Jahre, bei der Großen Ravensburger Gesellschaft immer jeweils auf sechs Jahre, in der Regel ist aber Verlängerung schon vorgesehen.

 

Gewinne solcher Gesellschaften auf investiertes Kapital liegen zwischen fünf und zehn Prozent, dort, wo wie bei den Fuggern noch Montangewerbe und Finanzgeschäfte hinzukommen, bei 15-20%.

 

 Die Nürnberger verbinden dabei Fernhandel mit Waren mit unternehmerischen Investitionen in Bergbau und Metallgewinnung mit Verlagswesen, "Giralgeldschöpfung mit Bankgeschäft, Ämter- und Regalienpacht." (Isenmann, S.377)

 

Die größte und an Zahl ihrer Mitglieder auch italienische übertreffende Firma ist die Große Ravensburger Handelsgesellschaft, die von 1380/86 bis 1530 existiert. An ihr sind durch die Zeiten bis zu 121 Familien im wesentlichen aus schwäbischen Reichsstädten beteiligt, zeitweilig zudem an die hundert Gesellen . Ende des 15. Jahrhunderts sind es achtzig und fast genauso viele Gesellen. Daneben gibt es auch Leute, die ohne Einfluss auf die Firma Kapital zu Zinsen einlegen. Geleitet wird der riesige Betrieb von drei "Regierern", ein Gremium von neun "Herren" aus den Gesellschaftern beaufsichtigt das Unternehmen, errechnet den Gewinn und verteilt ihn auf die Mitglieder.

"Die Gesellschaft exportierte Leinwand und Barchent aus Oberdeutschland, Textilien aus Oberitalien und aus den Niederlanden sowie Metallwaren aus Nürnberg. Sie importierte den teuren Safran, Gewürze, Edelsteine, Perlen, Korallen, Südfrüchte, Reis, Zucker, Leder, Wolle und noch weitere Produkte ausländischer Märkte." (Isenmann, S.377)

Niederlassungen gibt es in Hamburg, in Köln, Antwerpen, Brügge und London, in Wien, Ofen, Breslau, in Italien (Mailand, Venedig, Genua), Savoyen (Genf), Frankreich (Lyon, Avignon) und Spanien (Valencia, Zaragoza).

 

Ähnliche, aber kleinere solche Firmen gibt es in allen größeren süddeutschen Städten. Das Kapital der Ravensburger beträgt um 1500 mehr als 150 000 Gulden, das der Augsburger Fugger wenig später bereits über 200 000, wozu noch Immobilien im Wert von rund 30 000 Gulden kommen.

 

Hans Fugger zieht 1367 aus dem schwäbischen Dorf Graben im Lechfeld nach Augsburg um, tritt in die dortige Weberzunft ein und heiratet die Tochter eines Zunftmeisters. Sohn Andreas betätigt sich dann bereits als Tuchhändler. 1463 treten die Fugger in die Zunft der Kaufleute ein. Sie betreiben zunächst Barchenthandel, führen Baumwolle ein und arbeiten verlegerisch.

In einer weiteren Stufe operieren sie im Anleihegeschäft, wobei sie sich Kredite nicht in Zinsen auszahlen lassen, sondern in Silber zu festen Preisen, das sie dann teurer weiterverkaufen dürfen. Auf diese Weise verkehren sie schon mit Kaiser Maximilian.

 

1491 tauchen sie in Posen auf, 1494 setzen sie sich in Antwerpen fest. Im selben Jahr verbinden sie sich mit Johann Thurzo für die slowakischen Kupferminen (Neusohl).

1496 sind sie in Lübeck, wo sie zusammen mit Lübecker Bürgern eine Bank etablieren. 1502 sind sie in Stettin und Danzig.

 

Um 1500 sind die Fugger, die die Firma in der Familie halten und durch einen Vertreter führen lassen, sind in dieser Zeit bereits bei gut 200 000 Gulden angekommen.

 

Kupfer und Silber werden das große Geschäft mit riesigen Gewinnen. Bald kontrollieren sie den Kupferhandel im Hanseraum. In Danzig verbinden sie sich "mit einem Kupfergroßhändler und Bürger der Stadt, Jakob Vetter, der ihre Interessen vor dem Rat vertrat. Dank seiner Vermittlung beim dänischen König erhielt die Firma Handelserleichterungen im Sund (1515) und in Skandinavien. Seitdem wurde viel mehr slowakisches Kupfer als vorher von Krakau nach Danzig befördert und von dort nach Antwerpen weitergeleitet, um in Portugal verkauft zu werden." (Dollinger, S. 417)

 

In Livland führen sie Silber ein und bekommen dafür Wachs. Aus Russland exportieren sie Wachs und Pelze gegen Gewürze, Silber, Tuche usw.

Christian II. von Dänemark nimmt die Fugger unter seinen Schutz und genehmigt ihnen die Errichtung einer Kupfermühle in Oldesloe, wofür sie seinen Krieg gegen Gustav Wasa unterstützen. Aber wenig später konzentrieren sie sich mehr auf die Niederlande und Spanien.

 

Hohe Herren legen ihr Vermögen bei ihnen an. 1525 verfügt die Firma über 2 Millionen Gulden. Inzwischen operieren sie im Fernhandel mit Waren, im Verlag in Textilien und Bergbau, als Direkt-Unternehmer im europäischen Bergbau bis nach Spanien und der Vermarktung der Montanprodukte. Ihr Arm reicht bis nach Westindien, also Süd- und Mittelamerika. Dazu kommen Finanzgeschäfte, die Pachten der Einkünfte aus den spanischen Ritterorden, Steuerpacht und allgemeine Bankgeschäfte.

 

In deutschen Landen fehlen oft Schulen, und angehende Geschäftsleute in Handel und Finanzen lernen oft in den Firmen und auf Reisen. Bis ans Ende des Mittelalters fehlen auch die Bücher, mit denen man Rechnen oder Fremdsprachen lernen könnte. Junge Leute beweisen, dass es auch der Schulen für das Erlernen aller wichtigen Kenntnisse und Fertigkeiten nicht bedarf, wenn man nur lernen möchte und das Talent dabei besitzt:

 

"Der Nürnberger Christoph Scheuerl empfahl 1488 in seinem >Regiment< für den jungen Hieronymus Haller, der sich nach Venedig zu gehen anschickte, während seines dortigen Lehraufenthaltes den Morgen beim Rechenmeister zu verbringen, sich während des restlichen Vormittags und am Nachmittag bei den Kaufleuten im Fondaco dei Tedeschi aufzuhalten und ständig Wissenswertes und Neues über Veränderungen bei Waren und Preisen in sein Täfelchen aufzuzeichnen. Desgleichen sollte er alles, was er in An- und Verkauf, mit Banken und Zahlungen handle, ohne sich auf sein Gedächtnis zu verlassen, sofort in sein Täfelchen notieren, in sein Kopier- und Schuldbuch schreiben oder wenigstens in sein Journal eintragen." (Isenmann, S.359)

 

Gegen Ende des 14. Jahrhunderts beginnt ganz zaghaft das Ersetzen der lateinischen durch die arabischen Ziffern, was aber bis in die früheste Neuzeit auf deutschen Ämtern und vor Gericht noch nicht anerkannt wird, nicht zuletzt wohl, weil man dort noch keine arabischen Zahlen kennt. 1518 erscheinen dann im deutschen Raum die ersten Rechenbücher von Heinrich Schreiber und Adam Riese.

 

Wichtigste schriftliche Aufzeichnungen bei Firmen sind die Bücher, in die Schulden und Kredite eingetragen werden, da der Kredit bis in die frühe Neuzeit wegen des Mangels an Bargeld (Münzen) und Edelmetallen der Vater des Geschäftes bleibt.

1390 schreibt der Nürnberger Kaufmann und Ratsherr Ulmann Stromer sein 'Püchel von mein geslecht und von abentewr'. Darin wird deutlich, welch weiten Horizont auch deutsche Kaufleute inzwischen haben müssen. Zu Genua etwa heißt es: Zu Jenw kauf man silber nach dem pfund und xii uncz macht ain pfund und ain uncz ist xxiii pfennig und ain pfennig macht vi garat (...) Item wer zu Nureberg c mark hat, der sol zu Jenw haben lxxv pfund silbers und ein wenik mer, daz macht ie ain Nurenberger mark viiii uncz (...) Wann ain zentner pfeffer zu Jenw gilt xxx pfund, ez kost ain sawm mit allen sachen uncz fur daz tor iii pfund Jenwer und sawn macht v Jenwer zentner, so kost er von Jenw uncz gen Maylan an furlon bey v pfund (... in: Fleischmann, S.84) 

 

Aktuelle Informationen erhält man zunächst über Leute der eigenen Firma, aber - später als in Italien -  wird ein Briefverkehr über städtische Boten eingeführt. In Nürnberg schwärmten monatlich "die städtischen Boten nach Frankfurt, Leipzig, Lyon, Straßburg, Salzburg, Wittenberg, Wien und Hamburg aus, denen der Rat schon 1484 eine besondere Ordnung auferlegt hatte. Ein Eilbote, der die Strecke von Venedig nach Nürnberg innerhalb von sechs Tagen zurücklegte, kostete stattliche 25 Gulden. Aber wenn es besonders schnell gehen musste, schaffte er es bereits in unglaublichen vier Tagen. Dies schlug mit stattlichen 80 Gulden zu Buche, was ungefähr dem Jahressold eines Pfarrers entsprach." (Fleischmann, S.85)

 

Transport

 

Die Zunahme von viel Raum einnehmenden Massentransportgütern wie Getreide oder Holz führt in Nord- und Ostsee dazu, dass größere Schiffe aus England als Holk übernommen werden, die die dreifache Tonnage von Koggen bewegen können. Sie haben eine neue Takelage bei manchmal bereits drei Segeln, die das Kreuzen gegen den Wind ermöglicht und nun auch Kastelle an Heck und Bug, wobei dort die Besatzung untergebracht werden kann. Daneben kommen Kraweelschiffe als Weiterentwicklung der iberischen Karavellen auf, mächtige Dreimaster mit einer Last von bis zu 800 Tonnen. Die Kraweelbauweise überlappt die Planken nicht mehr, sondern fügt sie plan aneinander, was ihnen eine glatte Oberfläche und höhere Dichtigkeit gibt. An die Stelle der Eisennägel treten Holzdübel. Die Schiffe erhalten außerdem nun zwei oder drei Masten, was ihre Geschwindigkeit und die Manövrierbarkeit erhöht. Kanonen können sicherer weiter unten angebracht werden.

Alles in allem bleiben Hanseschiffe sehr unterschiedlich groß und die verschiedenen Schiffstypen existieren sehr lange nebeneinander. Was die Menge solcher Schiffe betrifft, so gibt es den Hinweis, dass 1368 über 1800 Schiffe in Lübeck ein- uind ausgefahren sind; in Danzig sind es 1409 gut 2800. (Hanse, S.133)

 

Während im Mittelmeer der Kompass und Seekarten nun üblich werden, bleiben sie in Nord- und Ostsee eher selten. 

 

Immer häufiger fährt der Kaufmann auch im Hansehandel nicht mehr mit und gibt Aufgaben an den Schiffer ab. Im 14. Jahrhundert bildet sich dabei ein Lehrberuf aus, der vom Schiffsjungen über die Matrosen und den Steuermann bis zum Schiffer führt, dem oft nur ein Anteil am Schiff gehört, dass er sich mit Kaufleuten teilt.

 

Der Transport über schmalere Flüsse wird seit dem 12. Jahrhundert durch die immer größere Zahl von Mühlen behindert wie schon länger durch die Zölle. Dazu kommt, dass das Treideln flussaufwärts langsamer ist als der Transport auf dem Landweg. 

Schon kurz nach 1188 macht Lübeck die Stecknitz durch Staustufen mit Schleusen schiffbar und später Rostock die Warnow.  Zwischen 1390 und 1398 wird der 94 km lange Stecknitzkanal zwischen Elbe und Trave gebaut, der die Stecknitz mit der Delvenau über eine Wasserscheide hinweg verbindet, und mit dem das Salz ganz per Schiff von Lüneburg nach Lübeck transportiert werden kann. Technisch macht der Verkehr über Flüsse, Kanäle, Straßen und Wege ansonsten nur langsam Fortschritte. Immerhin können Schiffe auf den wenigen großen Flüssen (Rhein, Mass, Donau) zwischen 50 und 130 Tonnen an Waren bewegen.

 

Vierrädrige lenkbare und mehrspännige Lasten-Wagen können nun bis zu gut zwei Tonnen Fracht bewegen und schaffen zwischen 30 und 50 km pro Tag. Die Wege werden in deutschen Landen nur langsam besser, da das weiter in der Macht der Landesherren liegt, die zwar Zölle (eigentlich dafür) einnehmen, aber wenig dafür verwenden. Auch fürstliche Geleitmannschaften müssen bezahlt werden, ebenso wie Schutzbriefe.

Transportunternehmer mit durchschnittlich etwa 12 Pferden florieren zunehmend, und machen unterwegs auch an Orten Halt, die auf dieses Transportwesen eingestellt und oft auch gerade deshalb entstanden sind. Manche erledigen dabei lange Strecken wie die 580 km lange von Lübeck nach Frankfurt, ein Haupt-Warenweg in deutschen Landen, wofür etwa zweieinhalb Wochen benötigt werden. Gelegentlich wird aber die Strecke unterteilt, so dass Waren etwa auf halber Strecke verkauft und dann manchmal auch von einem anderen Unternehmen weiter transportiert werden.

 

Der Warentransport bleibt gefährlich. Der lange Arm neuartiger Ansätze von Staatlichkeit reicht selten weit über die Grenzen der Stadtmauern hinaus. Fürsten, Könige und Kaiser delegieren darum weiterhin Schutz, Geleit und Strafverfolgung an Behörden vor Ort.

Kaiser Karl IV. verleiht darum an Rat und Gemeinde der Stadt Hamburg 1359 die freie Vollmacht, Räuber jeglicher Art innerhalb Eures Territoriums aufzusuchen, festzunehmen und nach den heiligen Gesetzen zu der verwirkten Strafe zu verdammen, desgleichen ihre Hehler und Gehilfen. Alle Eure Güter und Besitzungen jeglicher Art sollen sich unseres kaiserlichen Schutzes erfreuen. (Engel/Jacob, S. 205)

 

 

Vom Speicher zum "Kaufhaus"

 

Die städtische Obrigkeit betreibt Getreidelagerung in städtischen Speichern für Notzeiten, um Hungerunruhen in Notzeiten zu vermeiden.

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Sobald Waren über See in hansischen Küstenstädten ankommen, wird der Anteil des einzelnen Kaufmanns, bei ihm zu Hause gelagert, soweit er nicht in Speichergebäude am Hafen gelangt, und soweit er nicht sofort, weil schon verkauft, weitertransportiert wird.. Dort kann er dann in Einzelfrachten zerlegt werden.

Das Dielenhaus des Hansekaufmanns hat mit der Diele den repräsentativen Hauptraum des Kaufmanns mit der Schreibkammer, dem Verkaufsbereich und grundsätzlich noch Platz für ein zusätzliches Handwerk (wie einer Brauerei). Der Wohnbereich liegt entweder im ersten Stock oder aber ist angebaut. Im Keller (so vorhanden) können Waren wie Tuche und Pelze aufbewahrt werden, Die Obergeschosse sind die wichtigsten Lagerräume, durch Lastenaufzüge mit dem Parterre verbunden. Oben ist der Schüttboden für Getreide zum Beispiel. (Hanse, S.143)

 

Das Umladen von Schiff auf Land und umgekehrt führt häufig zum Zwang zur Lagerung des Handelsgutes für drei bis sieben Tage, was dann als Stapelzwang bedeutet, dass heimische Händler in dieser Zeit davon beliebige Mengen kaufen können, bevor die Ware weitergeführt werden kann.

Aus der Notwendigkeit zum Stapel, also der Lagerung, und auch um die städtische Kontrolle über den Handel zu verbesssern entstehen im 14. Jahrhundert insbesondere an den Fluß-Handelsstädten Kaufhäuser, wie in Mainz oder Lüneburg. Deren Funktion fasst Kümper so zusammen: "Hier wurde das Stapelgut aufbewahrt, auf seine Qualität überprüft und meist auch zum Verkauf angeboten; hier konnte man Menschen, Produkte und Geschäfte im obrigkeitlichen Blick behalen." (Kümper, S.177)

 

 

„Auswärtige Kaufleute mieteten im Kaufhaus „Gaden“, Bretterverschläge als Lager und Geschäftsraum. Für sie bestand Kaufhauszwang. Die Konzentration des Warenhandels an einer Stelle erleichterte die Kontrolle durch die Stadt, die wegen des finanziellen Anteils an Abgaben, Zöllen und Gebühren die Oberaufsicht über die Handelsgeschäfte behalten wollte. Im Kaufhaus war das Geschäft von Gast zu Gast, also zwischen den fremden Kaufleuten, verboten oder doch erschwert; der fremde Händler kaufte vom einheimischen oder umgekehrt.“ (Engel/Jacob, S. 144) Die Stadt wiederum darf für die Nutzung des Kaufhauses Abgaben verlangen.

 

 

Messen

 

Im 13. Jahrhundert kommt es zu einem Konzentrationsprozess im Messegeschehen, zunehmend von der Politik gefördert. Alte Jahrmarktsorte verlieren an Gewicht, in deutschen Landen gewinnen zentrale Messen wie in Frankfurt, Nördlingen oder Donauwörth an Bedeutung. Die niederrheinischen Messen konzentrieren sich auf Köln mit seinem Stapelzwang, die vielen ostenglischen  auf London hin, wo schon im 12. Jahrhundert Kölner Kaufleute auftauchten und 1281 der Stalhof der Hanse eingerichtet wird.

Der Niedergang der Champagnemessen fördert die Konzentration der flämischen Messestandorte auf Brügge, wo sich die flämische und seit Mitte des 13. Jahrhunderts auch die deutsche Hanse niederlässt. Seit 1277 beginnt dann die Schiffahrt um die iberische Halbinsel von und nach Genua, die allerdings erst im 14. Jahrhundert langsam zunimmt.

Anfang des 14. Jahrhunderts "verlegte sich Brügge auf eine passive, die Handelsaktivitäten fremder Firmen und Kaufleute fokussierende Marktfunktion." (Fuhrmann in Dirlmeier, S.187), wobei die Geldgeschäfte in italienischer Hand sind.

 

Der Aufstieg des Messe-Standorts Antwerpen seit 1315 wird 1356 kurzfristig durch die flämische Annektion von Brabant unterbrochen. Aber ab 1380 erhält die Stadt das Monopol auf den Verkauf englischer Tuche und und steigt nun unaufhaltsam auf. Daneben entwickelt sich Bergen-op-Zoom zum Messestandort.

Um 1455 schreibt der weitgereiste Kastilier Pero Tafur seine Erinnerungen von 1339 an Antwerpen nieder. Wie ein rechter Tourist interessiert er sich vor allem für die Luxusgüter der dortigen Messe. Ich habe andere Messen gesehen, bei Genf in Savoyen, Frankfurt in Deutschland, bei Medina (del Campo) in Kastilien, aber all diese lassen sich nicht mit derjenigen in Antwerpen vergleichen. (...) Alle Arten von Bildern werden im Kloster des hl. Franziskus verkauft; in der St.Johanneskirche preist man Stoffe aus Arras an; in einem Dominikanerkloster allerhand Goldschmiedearbeiten, und so werden verschiedene Gegenstände unter den Kirchen und Klöstern verteilt und der Rest in den Straßen verkauft. Außerhalb der Stadt vor einem der Tore verläuft eine breite Straße mit großen Ställen und anderen Gebäuden auf beiden Seiten. Hier verkaufen sie Gäule, Traber und andere Pferde, das ist ein bemerkenswerter Anblick. (usw., in: Spufford, S.37)

 

Die Frankfurter Messe vermittelt innerdeutsch vor allem zwischen Nord und Süd und besonders im Metallwaren- und Tuchhandel. Darüberhinaus ist es die Mitte der Achse Antwerpen-Venedig, was vor allem Kölner und Nürnberger Kaufleute anzieht, nachdem die Kölner Messe in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts aufgegeben und durch Stapelrecht ersetzt wird. Venedig nimmt inzwischen den ersten Platz im Levantehandel ein. "Es war ein 'Muss' zumindest für die deutschen Kaufleute, in Frankfurt vertreten zu sein und an dem feingesponnenen System aus Warenhandel und Zahlungsausgleich teilzunehmen. Der Absatz der Waren war auf die Messen ausgerichtet, die Begleichung der Schulden darauf terminiert. Bedeutende Kaufleute wie Matthäus Runtinger aus Regensburg finanzierten um 1400 ihre Einkäufe auf der Frankfurter Messe zwar noch mehrheitlich mit Bargeld, (rund 67 Prozent), sie gebrauchten aber auch ausstehende Wechsel und Forderungen." (Fuhrmann in Dirlmeier, S.189) 

 

Vom Niedergang der Champagnemessen profitiert auch Chalons-sur-Saône, bis es im Gefolge des Hundertjährigen Krieges nach 1360 durch Genf abgelöst wird.

Einen zentralen Rang hat die Messe von Genf mit starker italienischer Beteiligung als Mittlerin zwischen Nord und Süd wie schon zuvor die Champagnemessen. Bis Ende des 14. Jahrhunderts entwickelt es sich zu einem zentralen Handels- und Finanzmarkt mit starker Anwesenheit florentiner Banken und Seidentuchhändler.

 

1419 beginnt die französische Krone mit der Etablierung von zwei Messen in Lyon gegen Genf zu konkurrieren. 1462 verbietet der französische König den Transport von Waren zu den Genfer Messen und fördert im folgenden Jahr vier zeitgleiche Messen in Lyon. Händler bekommen Handelsfreiheit, Freiheit im Wechsel-Verkehr und bei Zöllen und anderen Abgaben zugesagt. Darunter leidet nicht nur Genf, sondern auch der Finanzplatz Avignon.

Es kommt zur Abwanderung der italienischen Firmen aus Genf dorthin. Unter Louis XI. (1461-83) ist Lyon das Zentrum des französischen Wirtschaftslebens und Anfang des 16. Jahrhunderts erreicht es dieselbe Bevölkerungszahl wie Florenz. Gehandelt werden dort vor allem Wolltuche aus England und den Niederlanden, Seidentuche aus Italien, Gewürze aus der Levante und andere Luxusgegenstände.

 

An zentralen Handels- bzw. Messestandorten treffen sich Makler zwischen Käufern und Verkäufern, Geber und Nehmer von Krediten, Transportunternehmer und Versicherer zunächst zu bestimmten Tageszeiten. Das findet im 14. Jahrhundert zuerst auf bestimmten Plätzen statt wie der Piazza dei Banchi in Genua, die Placa dels Canvis de la Mar in Barcelona und der Place du Change in Lyon. In Brügge herrscht der Sonderfall, dass Makler das Monopol auf die Vermittlung von Handelsabschlüssen haben, und sie treffen sich auf dem Platz, an dem eine Herberge der Maklerfamilie van der Buerse liegt. Diese wird zum Konsulat der Venezianer, und a, selben Platz liegen auch die der Florentiner, Genuesen und nahe bei der Lucchesen. Makler "trafen sich in den überdachten Säulengängen vor dem florentinischen Haus, um nicht vom Verkehr doer durch Regen gestört zu werden." (Spufford, S.38)

Schon 1322 gibt es mit der Loggia dei Mercanti in Venedig und 1392 mit der Lonja in Barcelona die ersten festen Häuser dafür mit überdachten Säulengängen. Als 1517 die Stadt Antwerpen ihr erstes Börsen-Gebäude errichtet, geschieht dies nach dem Brügger Börsenplatz mit einem quadratischen Gebäude mit einem großen Innenhof.

 

Eine Besonderheit stellt der Hanseraum dar, der einmal Messen aufgrund seines ausgefeilten Netzwerkes kaum braucht, andererseits auch nicht möchte, weil sie Einfallstor hichthansischer Kaufleute wären. Köln mit seinem Stapelrecht forciert seinen Ausbau als Messestandort nicht so weit, wie es dazu privilegiert wird, und ansonsten müssen die Messen auf Schonen geduldet werden, aber möglichst nur insoweit, als dort Hering verhandelt wird.

 

"Welt"handel und Vernetzung (in Arbeit)

 

Welthandel ist der Handel (über mehrere Stationen) über die für Europäer bekannte Welt hinweg, und es gibt ihn, wo er nicht von Machthabern gestört wird, spätestens seit der Antike. Von dieser Welt sind die beiden Amerikas, Australien und Neuseeland ausgeschlossen, der atlantische und pazifische Raum, dessen Kulturen und heimische Zivilisationen erst seit dem 15. Jahrhundert von Europa aus zerstört werden, um diese Gegenden der Welt ausplündern zu können.

Im späten Mittelalter reicht der Welthandels-Raum immerhin von China bis Portugal und von den britischen Inseln, Skandinavien und Archangelsk bis Kernarabien und den größten Teil Afrikas.

Davon zu unterscheiden ist aber der übliche Aktionsradius von Handelskapital des lateinischen Abendlandes, der im Mittelalter mit dem Mittelmeerraum das bei weitem größere Handelsvolumen hat, Selbst in seinen besten Zeiten verhandelt Lübeck höchstens halb so viel Waren wie Venedig.

 

Historiker gehen schon lange von drei großen Phasen des Warenumfangs lateinisch-abendländischer Händler aus. In der ersten, vom 10. bis etwa zum Anfang des 14. Jahrhunderts gibt es einen nur wenig unterbrochenen allgemeinen Aufschwung, danach einen massiven Abschwung bis Mitte des 15. Jahrhunderts, durch Seuchen mitverursacht und von einem enormen Bevölkerungsrückgang begleitet. Mitte des 15. Jahrhunderts setzt dann erneut ein langanhaltender Aufschwung ein: Die Städte wachsen wieder und mit ihnen der Handel.

 

Bis zur spanischen und äußerst gewalttätigen Eroberung der Kanaren im 15. Jahrhundert findet keine Kolonisierung statt, wie wir sie seitdem kennen, sondern einmal das Zusammenspiel europäischer Fernhändler mit solchen aus Asien, dem Orient und aus Afrika, was aber diese Weltgegenden noch kaum beeinflusst, und zum anderen das vor Ort erwünschte Etablieren von Handelsstationen in fremden Machtbereichen, wie sie um das Mittelmeer, das Schwarze Meer und die Nord- und Ostsee entstehen.

Soweit der Handel lateinisch-abendländischer Kapitaleigner reicht, erschließt er sich zur See wie auf dem Land immer neue Transportwege, zur See vor allem, seitdem Schiffsbau und Navigation Schiffahrt auf hoher See ermöglichen, über Land durch die Nutzung von Flüssen und die kontinuierliche Verbesserung von Wegen hin zu Straßen, den Ausbau alter Straßen, die Anlage neuer und den Brückenbau.

Auf diese Weise wird das lateinische Abendland bis ins 15. von einem immer engeren und funktionsfähigeren Netzwerk von Transport- und Reisewegen durchzogen, während die dorthin weisenden Wege von außen deutlich spärlicher vorhanden und weniger nutzerfreundlich sind. Wir sind aber noch weit entfernt von jener Parzellierung von großen Teilen Europas durch immer weniger überquerbare breite Autostraßen, die nun wiederum Brücken erfordern und Kulturräume mit ihren schwindenden natürlichen Restbeständen ebenfalls immer weiter verkleinern und parzellieren.

 

Diese immer engere Vernetzung der zunehmend kapitalistischen Welt hat als Parallele die persönliche Vernetzung über den Handel, die im Verlauf des Mittelalters diejenigen, welche Kirchen und Klöster seit dem 10. Jahrhundert bilden, bei weitem übertrifft. Großen Firmen gelingt es im Laufe dieser Zeit, Niederlassungen überall auf diesem Teil des Kontinents zu etablieren und zum Teil sogar darüber hinaus. Handelspartner stehen über hunderte oder tausend Kilometer hinweg dem Händler interessemäßig näher als der Handwerker in seiner Nachbarschaft.

"Hildebrand Veckinchusen brachte es nach Auswertung von zwei seiner elf überlieferten Handlungsbücher zwischen 1400 und 1420 zu rund 1100 Personen auf mehr als einmalige Handelskontakte. Seine Geschäftspartner saßen in dem Raum, der sich von Dorpat (Tartu) im Osten bis La Rochelle im Westen, von Reval (Tallinn) im Norden bis nach Lucca im Süden erstreckte." (Hanse, S.101)

 

Handels- und Finanzkapital lernen schnell, nicht in Herrschaftsräumen, Sprachräumen und Räumen unterschiedlicher Lebensverhältnisse zu denken, sondern in Investitionsmöglichkeiten und Kapitalrenditen. Nicht der abhängige Arbeiter, sondern der Kapitaleigner "kennt kein Vaterland", nämlich da, wo es darum geht, sein Kapital zu vermehren. Hier irrten Marx und insbesondere Lenin.

 

In seinen Anfängen seit dem 10. Jahrhundert steht Kapital zunächst ohnehin dem jeweiligen Herrn nahe, von dem es als Kunde oder Rechte Gewährender jeweils abhängt. Auch wenn sich der Groß-Handel dann von dieser Abhängigkeit befreit und auch mehr breitere Kreise bedient, so wird er doch weiter die Nähe von Fürsten und anderen Herren suchen, die er zumindest im Bereich des Luxuskonsums als Kunden braucht. Neben die Vernetzung mit der politischen Macht tritt in der Stadt und ihrem Umfeld zumindest die mit hohen Kirchen und reicheren Klöstern, ebenfalls Abnehmer von Luxuswaren. Sobald das gelingt, werden Kinder auch dort plaziert,  die als Erwachsene dann Teile solcher Einfluss schaffender Netzwerke werden.

 

So wie Könige, Fürsten und statusgleiche Adelige unter sich bleiben, so auch das statusähnliche große Kapital, welches allerdings dann zu Rentiers-Patriziat und Landadel aufschließen möchte, um es schließlich oft an Reichtum zu überholen. Die Netzwerke des größeren Kapitals trennen dieses von nicht kapitalisierter produktiver und distributiver Selbständigkeit in der Stadt so, wie der Adel sich von diesem abtrennen möchte. Solidarisch mit seiner Stadt ist großes Kapital nur soweit, wie es diese regiert und daraus Profit schlagen kann. Ansonsten ist Kapital nicht einmal lokalpatriotisch, wie es immer dort beweist, wo es seinen Standort wechselt.

 

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Der Warencharakter der "Welt" (in Arbeit)

 

Bevor etwas zur Ware werden kann, muss es Eigentum sein. Solches lässt sich schon für Steinzeitmenschen vermuten, und es nimmt in Zivilisationen deutlich zu. Frühes Eigentum ist zunächst solches an Land und allem, was dazu gehört, und solches an Produktionsmitteln. In den Jahrtausenden der Entwicklung hin zu unserer Schwellenzeit ist das Land im Raum des zukünftigen Kapitalismus zum kleinen Teil Privateigentum geworden, zum größten Teil ist es Verfügungsmasse großer Herren, denen selbst terra incognita sogenannter Wüsten, also von Naturräumen, zusteht. Mit zunehmendem Marktgeschehen nimmt nun auch die Vermarktung des Landes zu, es wird also potentiell zur Ware auf einem Immobilienmarkt, ähnlich wie die Häuser in der Stadt. Es kann dabei auch bereits kapitalisiert werden.

 

Damit wird der Zugang zu dem Land, auf dem der Mensch leben möchte, auf Erbe, Geschenk, Leihe oder Kauf reduziert. In der Stadt, in der die Entwicklung des Kapitalismus vorangetrieben wird, gilt für die Behausung dasselbe wie für den Grund und Boden: Alles ist schon vergeben und erben, kaufen oder mieten die Möglichkeit, Zugang zu bekommen. Nach dem 10. Jahrhundert wird es immer unwahrscheinlicher, dass man von Garten und Kleinvieh in der Stadt leben kann, man muss also Lebensmittel zumindest zukaufen. Zudem wird die Bekleidung immer mehr zu einer Ware. Gehört man zum großen Bevölkerungsteil der Handwerker, kommt noch der gelegentliche Kauf von Produktionsmitteln hinzu. Im späten Mittelalter haben diese Kaufakte auf dem Waren-Markt bereits massiv zugenommen und damit der Geldbedarf der Menschen. In geringerem Umfang gilt das alles auch für die Menschen auf dem Lande, die bäuerlichen Produzenten.

 

Die städtische Welt ist also durch und durch von Warenbeziehungen geprägt, wobei ein großer Teil der Bevölkerung noch grundsätzlich selbständig wirtschaftet: Als Handwerker, Krämer, Fischer usw., der allerdings der städtischen Obrigkeit, deren Geldbedarf und seinen Machtvollkommenheiten bereits unterworfen ist.

Wenn man diese Sphäre von Selbständigkeit als Raum einer gewissen Privatheit im ursprünglichen Wortsinn bezeichnet, so gilt das noch mehr für den Raum der Familie, in dem der pater familias noch in einem Maße relativ frei schalten und walten kann, wie es heute in Europa undenkbar wäre. Voraussetzung dafür ist die Aufteilung der Frauen in Jungfrauen, Ehefrauen (bzw. Witwen) und Huren. Mit dieser Aufteilung erhält der Körper der letzteren Warencharakter, damit der der ersteren davon bis auf die modische Andeutung eines solchen als individuelles Machtmoment davon verschont bleibt.

 

Für Bauern und Handwerker gilt zweifellos Direktvermarktung als der wirtschaftliche Königsweg. Der Bauer reist auf den Markt, der Handwerker lässt seinen Laden an seiner Werkstatt herunter, lädt in diese ein oder hat einen Stand oder eine Bude auf dem Marktplatz. Hier ist die unmittelbare Verbindung vom Produzenten zum Konsumenten noch gegeben. Die Zukunft gehört aber den Waren, die durch die Hände mehrerer Produzenten, Händler und Transporteure gehen, so dass weder die verbrauchte Arbeit noch das investierte Kapital mehr erkennbar sind. Hier ist der prospektive Konsument nur noch mit einem Gegenstand und dem Endverkäufer konfrontiert, so wie in der uninformierten Betrachtung auch Kapital als Gegenstand samt Eigentümer dasteht und nicht als Vorgang. Das ist eine ganz wesentliche Voraussetzung für den sich bis heute immer mehr entfaltenden Konsumismus, zu dessen wesentlichen Voraussetzung auch die Unkenntnis "wirtschaftlicher" Zusammenhänge beim Massenkonsumenten gehört.

 

Welcher Warenkonsum führt Kapitalismus in seine frühe Blüte? Soweit ich bisher sehen kann, ist der Luxuskonsum weltlicher und geistlicher Herren nur der Ausgangspunkt, hätte aber so wenig gereicht wie der Massenkonsum an Lebensmitteln, Bekleidung, Wachs und Wein größerer Klöster. Es kann nur der Konsum in den in deutschen Landen vergleichsweise kleinen Städten zwischen 1000 und 20 000 Einwohnern sein, der das Wachstum des Gesamtkapitals bis ins 14. Jahrhundert und dann wieder ab dem 16. hervorbringt. Wenn drei in Riga für Brügge beladene Schiffe 1405 "neben Wachs und Leinen zusammen 450 000 Pelze geladen" haben (Hanse, S.149), dann gehen sie zwar von dort zum Teil quer durch Europa, sind aber auch nur ein Teil des Pelzhandels aus dem Nordosten und darum nicht alleine für eine sehr kleine Gruppe von Luxuskonsumenten bestimmt. Dabei sind es die bis ins späte Mittelalter zunehmenden Freiheiten von Produktion und Handel, das Zusammenspiel verschiedenster Privilegien, welches jenes Wachstum hervorbringt, welches als steigender "Wohlstand" wahrgenommen wird, einem allerdings immer wieder durch Krisen mehr oder weniger unterbrochenen.

 

Der öffentliche Raum entwickelt sich also zu einem fast uneingeschränkter Käuflichkeit, und wie sehr er das ist, offenbaren die Predigten der Bettelmönche auf dem Markt, Zentrum der Käuflichkeit, bis auf ihm oder in seiner Nähe im späten Mittelalter das Kaufhaus aufkommt. Inzwischen hat sich die Religion der Christen in genau dieselbe Richtung entwickelt: Man gibt der Kirche, dem Kloster, den Armen und erkauft sich so das Himmelreich und erspart sich so die Höllenqualen. Das entwickelt sich bis zum Kauf von Wechseln, Ablassbriefen, die man nach dem Tod quasi an der Himmelspforte einreichen kann, um höchsten Kredit zu erlangen.

 

Wenn spätestens im 12. Jahrhundert Klagen darüber beginnen, dass die Menschen (zumindest in der Stadt) käuflich seien so wie alles, was auf den Märkten feilgeboten wird, so lässt sich das am besten bei den hohen Herren geistlichen wie weltlichen Standes erkennen, die nicht nur in mehr oder weniger feudalrechtlichen Strukturen agieren, sondern vor allem in kapitalistischen, die sie ungeniert nutzen. Privilegien, also das, was sie als Recht gelten lassen, werden immer häufiger und immer teurer verkauft und machen bei römischen Königen und deutschen Fürsten einen immer größeren Teil ihrer Einkünfte aus, ebenso wie beispielsweise auch beim Papsttum und der Kirche.

Der Käuflichkeit von Recht entspricht die von Ämtern und Status. Nicht nur in das städtische Bürgerrecht muss man sich einkaufen, sobald es existiert, sondern auch gelegentlich in den Fürstentitel. Selbst das Erringen des Königtums muss zunächst durch geldwerte Versprechungen an die Fürsten und dann auch durch immer höhere Bestechungssummen erkauft werden.

 

Nun ist die Korruptheit der Herrenmenschen (zu denen sich bei uns inzwischen die Frauen gleich korrupt eingereiht haben) wohl ein Kennzeichen aller Zivilisationen. Aber ihr Maß steigt unter kapitalistischen Bedingungen immer weiter an. Das betrifft dann auch die Karriere in der Verwaltung der Städte, die im wesentlichen dem eigenen wirtschaftlichen Fortkommen und dem von Kollegen dient, wobei nur extrem rabiate Formen von Korruption überhaupt bekannt und dann allerdings harsch geahndet werden. Sich als bürgerlicher Machthaber erwischen zu lassen, gilt als den Interessen der Kollegen diametral widersprechend. Darin sind die Mächtigen in der Stadt von ihren hochadeligen und fürstlichen Kollegen deutlich unterschieden. Man muss dabei sehen, dass politische Machtausübung auf solcher Ebene nicht wie heute hoch und weit über dem Einkommen der Masse der Bevölkerung alimentiert wurde, sondern "ehrenamtlich" war und seine finanziellen Interessen anderweitig einlösen musste.

 

Käuflich ist also nicht nur die Hure und der Lohnarbeiter, der sich auf einem Markt oder am Rande des Dorfes als Tagelöhner oder für saisonale Erntearbeiten oder große Bauprojekte feilbietet und dessen Arbeit bzw. schiere Arbeitskraft so Warencharakter erhält, Käuflichkeit wird vielmehr in der Praxis zur Selbstverständlichkeit für so ziemlich alles einschließlich der Menschen.

Damit verschwindet nicht nur die Macht der (christlichen) Religion im Alltag, die quasi auf enge Räume eingeschränkt wird und nur dort entsprechend demonstrativ zelebriert wird, sondern es verschwinden in der Stadt zumindest auch die Reste kultureller Relikte, die zu Folklore und Esoterik verkommen.

 

Wenn jemals in der Geschichte der Menschheit von einer Revolution die Rede sein könnte, dann wäre es diese Umwertung aller Werte, die mit der Entstehung des Kapitalismus beginnt und seitdem zu unentwegten Kriegen zwischen tatsächlich und nur noch nominell religiös bestimmten Machtbereichen führt, wie noch heute zwischen den islamischen Terrordiktaturen und den nur noch von politischen Ersatzreligionen bestimmten "Demokratien" als schieren Agenturen von Kapitalverwertung. Aber zwischen Scylla und Charybdis findet sich auch heute kaum jemand, der sich solchen Extremen entziehen möchte oder auch nur kann.

 

Der neue Mensch des Kapitalismus entsteht nicht wesentlich durch Gewalt in eine solche Richtung, auch nicht wesentlich durch Propaganda, sondern durch die Optionen, die seiner ihm innewohnenden und durch Kapitalismus entfesselten Gier entspringen, einer natürlichen Regung, die durch den immer orientierungsloser werdenden Geschlechtstrieb noch angeheizt wird. Die Faszination eines sich immer mehr ausweitenden und immer innovativeren Warenangebots wirkt wie eine Erlösung aus seiner psychisch krisenhaften Existenz, als Betäubungsmittel und sinnstiftendes Lebensziel. Daran ändert auch nichts, dass die Masse der Menschen im kapitalistischen Mittelalter nur bescheidenen Zugang zu dieser wundersamen Warenwelt hat, der Blick ist fast immer nach oben gerichtet, auf die wohlhabenderen und mächtigeren Zeitgenossen, die meist als bewundernswürdige Leitbilder wirken, wie auch heute noch. Mehr Warenkonsum als Perspektive bestimmt das Leben, wo immer möglich.

 

Die Ausweitung des Warenangebotes: Konsum (in Arbeit)

 

Nichts macht den Warencharakter von damaliger "Welt" den Menschen deutlicher und einladender als das im Vergleich zu früher enorm und immer schneller auch qualitativ sich ausweitende Warenangebot.

Das Angebot durch den Handel nimmt zu, weil es mehr Menschen, die produzieren und kaufen gibt, die dabei mehr Geld haben, wobei größere Marktplätze für sie immer näher rücken. Die Vernetzung der Welt gibt Händlern immer mehr Kenntnisse über die Nachfrage vor Ort, und dies ist im wesentlichen städtische Nachfrage, denn das Konsumniveau des bäuerlichen Landes, der meisten Menschen nimmt nur ganz, ganz langsam zu und bleibt für dne einzelnen Haushalt gering. Die Integration der bäuerlichen Produzenten geschieht nicht wesentlich durch den Konsum, sondern durch die kapitalgetriebenen Strukturveränderungen.

 

Bleiben wir in den besser dokumentierten Städten. Die Ernährungsbasis geht von angereichertem Getreidebrei auf Brot über, und das Angebot diversifiziert sich mit spezialisierten Bäckern. So häufig wie sie sind Metzger/Fleischer dokumentiert, was einen deutlichen Anstieg des Fleischkonsums zeigt. Rindfleisch kommt auch aus immer ferneren Gegenden. Auf den Märkten tauchen immer mehr Obst und Gemüse aus dem Umland auf. Wer nicht selbst Bier braut, kauft es vor Ort, in manchen Regionen hat Wein den Vorrang. Beide werden im späten Mittelalter auch aus fernen Gegenden geliefert, und wer es sich leisten kann, achtet nun auf qualitative Unterschiede und kauft nicht das billigste. Nach und nach werden einige wenige Luxuswaren wie Pfeffer für viele erschwinglich.Durch den massenhaften Fernhandel von Fisch in konservierter Form wird er zum einen erschwinglicher, zum anderen gibt es ein vielfältigeres Angebot, auch wenn Hering und Stockfisch nördlichd er Alpen dominieren mögen.

 

Das Preisniveau schwankt stark und jede Generation erlebt neben Kriegszeiten auch solche anderer Formen von Teuerungen und Not, von reduziertem Angebot.  Die Ernährung ist Frauensache wie die Mitarbeit im Betrieb. Die Handwerkersfrau geht also einkaufen, so wie die Magd feinerer Leute, und in der Ernährung wird auf breiter Ebene weibliches Konsumverhalten eingeübt, das bei der Masse der Städter vor allem von Sparsamkeit gekennzeichnet sein dürfte, aber auch von Faszination über das langsam zunehmende Angebot verschiedener Waren.  

 

Anders ist es mit dem Konsum von Bekleidung,  allerdings wohl auch mehr in Frauenhand, auch wenn männliches Interesse, in sexueller wie statusmäßiger Hinsicht, im Tragen der Kleidung seine Wichtigkeit hat. Dabei gibt es für die meisten Leute eine Basisbekleidung, die sowohl vor dem Wetter schützen wie den jeweils gängigen Geboten der Körperscham dienen soll.

Aber schon in Art und Qualität der Tuche gibt es immer größere Unterschiede, die sowohl den Bekleidungszweck wie die Eitelkeit und den Machtprotz betreffen und sich nach dem Geldbeutel und ein wenig auch nach spätmittelalterlichen Bekleidungsverordnungen richten. Alleine für Hildebrand Veckinchusen ist für Anfang des 15. Jahrhunderts dokumentiert, dass er 16 Arten von Tuchen aus 36 Herstellungsorten gehandelt hat, so wie 31 verschiedene Sorten von Pelzwaren. Natürlich ist ein Großteil der Waren für den Geldbeutel der meisten Städter eher unzugänglich, aber die Verordnungen lassen erschließen, dass viele ihren Geldbeutel vor allem für solche Zurschaustellung der eigenen Person gelegentlich überstrapazieren. 

Anders als Lebensmittel werden hier wie bei Produktionsmitteln eher selten Einkäufe getätigt, dafür sind die Waren dann lange am Menschen zur Schau gestellt und der Einkauf dürfte so frühes Hochamt eines aufkommenden Konsumismus sein, also von Konsumverhalten jenseits jeder naturgegebenen Notwendigkeit. Dazu gehört, dass fast generell die Leitbilder für eigenes Konsumverhalten die Reichen und Mächtigen sind, gegen die sich wenig eigener "Geschmack" entwickelt. Auf diese Weise kommt es zur Konkurrenz um die Zurschaustellung des Körpers selbst - einmal durch an entscheidenden Stellen enganliegende, sexualisierte Bekleidung und zum anderen durch immer neue Anläufe zur (im Vergleich zu heute minimalen) Entblößung.

Für die meisten Städter ist der Einkauf von Tuchen bzw. Kleidung beim Schneider ein seltenes Ereignis, da die Stoffe lange halten müssen. Die sich für edler haltenden Kreise haben Tuchreserven im Haus und lassen sie schon im Hochmittelalter von Mitgliedern des Haushaltes zu Kleidung verarbeiten.

Wo man keine Holzschuhe trägt, sondern solche aus Leder, müssen sie öfter ersetzt werden.

 

Der aufkommende Konsumismus als vierter Motor der Kapitalbewegungen auf der Konsumseite ist für die meisten noch weniger alltägliche Praxis als vielmehr vor allem eine zunehmende Erwartungshaltung. (Erster Motor waren Luxusbedürfnisse hoher Herren gewesen, zweiter daneben ihr Geldbedarf, dritter die massenhafte Befriedigung von Grundbedürfnissen). Aber er gewinnt an Bedeutung. Im späten Mittelalter ist der Spaziergang zu den Marktplätzen, den heruntergelassenen Läden der Krämer und Handwerker und das Gespräch mit ihnen bereits als frühe Form dessen möglich, was im Englischen heute als window-shopping bezeichnet wird. Auch wenn das selten dokumentiert ist, dürfte es einen Aspekt der Faszination der Städte für die Landbewohner ausmachen und deren mehr oder weniger "legalen" Zuzug befördert haben. Man muss sich nur einmal vorstellen, was damals das regelmäßige Beäugen und Beschnuppern von zehn und mehr Gewürzen bei Spezereien-Krämern für Gefühle auslösen kann, oder das von ultramarinen konservierten Früchten wie Feigen, Datteln, Rosinen, Mandeln.

 

Konsum ist naturgegebene Lebensnotwendigkeit, Konsumismus ist auch ganz wesentlich Kompensation für die Mühen und Leiden des Alltags, zunehmend Ergänzung religiöser Sinnstiftung bis zu dessen Verdrängung. Da der Händler das weiß, ergänzt er den Nachfrage-orientierten Kapitaleinsatz durch den des sich erweiternden Angebots. Man muss sich nur das Faszinosum der bis dato eher unbekannten orientalischen Teppiche nach den ersten Kreuzzügen vorstellen, oder das für weitere Kreise sichtbare der ersten gläsernen (Butzenscheiben)Fenster und das immer neuer Gewürze, Pelze und immer geschmeidigerer Lederarten. Das Risiko, immer neue Waren aus fernen Ländern versuchtsweise anzubieten, ist nie ausgeschlossen, aber meist geringer als das von Raubüberfällen oder Schiffsbrüchen.

 

Auf der Angebotsseite liefern jeweils Schiffe, Schiffskonvois und Karawanen über Land meist nicht eine Ware, sondern eine große Vielzahl von ihnen. Großes Handelskapital lässt zunehmend auch die Beiladung kleinerer Kapitaleigner und gelegentlich sogar von solchen zu, die nur ihre geringen Ersparnisse als Nebenverdienst einmal kapitalisieren wollen. Dabei können schon auf das einzelne größere Kapital oder das einer Gesellschaft verschiedenste Waren transportiert werden, die man gerade vor Ort einkaufen kann bzw. schon bestellt hat. Zu den Neuigkeiten, die dabei mittransportiert werden, gehören nicht selten neuartige Waren oder wenigstens die Nachricht von ihnen.

 

Vom Konsumismus praktisch völlig ausgenommen ist das Warenangebot an Werkzeugen und Rohstoffen für deren Einsatz. Werkzeuge sind meist teuer und müssen lange halten, und eben auch für die Arbeit taugen. Rohstoffe zur Werkzeugproduktion und für den Transport zum Beispiel, wie das Holz für den Küfer, oder anders das Eisen für Drähte, Waffen und Rüstung werden nach intrinsischer Qualität ausgesucht und müssen ständig nachgekauft werden. Ein wichtiger Teil hoch- und spätmittelalterlicher Produktion fällt zumindest in der  Masse damit aus so verstandenem Konsumismus heraus.

 

***Rohstoff, Halbfabrikat, Fertigprodukt***

 

Wenn gerade vom Übergang von einfachem Warenkonsum hin zu "Konsumismus" zumindest als Erwartungshaltung gesprochen wurde, so betrifft dieser überhaupt nur einen Teil der gehandelten Waren, denn nicht nur Werkzeuge und allgemein das, was Marx als "Produktionsmittel" führt, ist davon ausgeschlossen, sondern es sind auch reine Rohstoffe und Halbfabrikate, die einen großen Teil des regionalen und überregionalen Handels ausmachen.

Der Handel hat also drei Arten von Endabnehmern: Den Massenkonsumenten von Nahrungsmitteln und Bekleidung, den gewerblichen Produzenten, der Rohstoffe und Werkzeuge ge- und verbraucht und im weitestens Sinne auch Konsument ist, und den adeligen und fürstlichen Konsumenten, der viel verbraucht und im Verlauf des Mittelalters immer mehr seinen Status durch Verschwendung vorzeigt. Darüber hinaus gilt das Verschenken von wertvollen Gütern (Waren) ebenfalls als Status und Macht fördernd. Diese Herren (und Damen) sind also die frühesten Modelle für massiven Konsumismus, wobei dieser weniger kompensatorisch wirkt als dann bei den Imitierern unter ihnen.

 

Tatsächlich profitiert der Handel nicht nur von der Produktion, wobei er dafür sorgt, dass diese weniger profitabel bleibt, sondern er "kurbelt" diese auch an, indem er ihr immer mehr und immer verschiedenere Rohstoffe und Halbfabrikate zuführt. Der Getreidehandel, nun wieder wie in der Antike oft auch aus größerer Ferne, befördert das sehr spezielle Handwerk des (Getreide)Müllers, eines oft sehr unselbständigen Handwerkers oder besser Betreibers einer Großmaschine, und den Bäcker, der den früher fast allgegenwärtigen Getreidebrei durch Brote ablöst. Der Viehhandel von Ochsen und Schafen, durch Viehtrieb aus immer ferneren Regionen bedient die Metzger, und erst bei ihnen kommen immer mehr städtische Konsumenten mit dem Fleisch als Konsumware in Berührung.

 

Dasselbe gilt zum Beispiel auch für alle Metallwaren, die vom Erz über das jeweilige Rohmetall durch viele spezialisierte Arbeitsgänge zum Handwerker kommen, der erst die Ware für den Konsumenten herstellt. Diese wiederum ist oft Produktionsmittel, zum Beispiel in der Küche der Hausfrau oder Dienstmagd, als Nadel beim Schneider und als Hacke beim Bauern.

 

Der Markt kennt also viele Stationen, bis es zum Konsumgut kommt. Seitdem die flämische Tuchpoduktion im hohen Mittelalter zu englischer Wolle übergeht, werden in ihrer Region nur noch die Färbemittel Krapp und Wau hergestellt, neben der Wolle kommen auch die wichtigen Chemikalien Waidasche, Pottasche, Weinstein, Alaun aus der Ferne. Sie wiederum sind nicht Rohstoffe, sondern bereits in Produktionsprozessen aus Rohstoffen hergestellte Produkte. Dasselbe betrifft die aus Pflanzen und Tieren hergestellten Färbemittel Waid, Cochenille (aus Insekten), Safran, Kermes (aus Beeren und Läusen), Brasil (aus Holz). Sie alle kommen in Spanien, Italien, Anatolien, dem vorderen Orient vor oder aus Gebieten zwischen der Eifel und Novgorod und werden dort zu Produkten veredelt, die wiederum und vor allem in die Tuchproduktion mit ihren immer spezialisierteren Zwischenschritten eingehen.

 

Dass der Hersteller des Endproduktes in der Regel so wie schon noch mehr die Produzenten von Halbfabrikaten den kleineren Teil vom großen Kuchen des Profites abbekommen, liegt nicht nur am meist fehlenden Kapitaleinsatz, der erst ansehnliche Gewinne bringt, sondern auch daran, dass es viele sind, die sich in die meist geringe Kaufkraft der meisten Konsumenten teilen müssen. Viele sind sie auch deshalb, weil sie schon alleine technisch keine Massenproduktion hinbekommen, sondern jeweils nur kleine Mengen (an Schuhen, Broten oder vom Schneider verfertigte Kleidung) herstellen können. Kapitalgewinne sind nur etwas für die ganz wenigen, die Kapital besitzen. Eigentum an Produktionsmitteln und eigener Arbeitskraft reichen dafür nicht, und wer Mühlen, Schmelzöfen usw. besitzt oder pachten kann, verfügt eben schon über Kapital wie jene Töpfereien, die überregional den Handel beliefern können, oder Verleger, die über die Schritte handwerklicher Produktion verfügen.

 

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Textilien: Kapitalkonzentration und Massenproduktion

 

An Moden orientiertes Konsumverhalten charakterisiert schon den Adel des hohen Mittelalters, insbesondere als in der Zeit des gotischen Stils die modischen Veränderungen sich beschleunigen. Die städtischen Bürger ziehen so schnell mit, wie sie können, was insbesondere die Kleidermoden angeht, was das Tuch- und Schneidergewerbe massiv fördert, auch dadurch, dass man nun nach Möglichkeit mehr Kleidungsstücke zum Wechseln besitzt, insbesondere bei leinener Unterbekleidung, Bettwäsche und Tischwäsche. Am Ende des Mittelalters gibt es auch für kleinere Geldbeutel modische Waren kleiner Größe, die in England die haberdasher von den mercer ablösen. Hauben, Hüte, Börsen, Haarnadeln und Schnallen gehören dazu, die in einer Art Massen- und Serienproduktion bei verminderter Qualität zum gesteigerten Konsumverhalten einladen. Dazu kommen Strumpfhalter und -bänder, Busenbänder und -tücher, Seidentücher usw

 

Der Bedarf von Textilien nimmt also im 14. Jahrhundert weiter zu, und zusätzlich zu Bauern und Bürgern steigt nun vor allem auch die Schafhaltung der klösterlichen Grundherrschaften zwecks Wollproduktion an. Dafür werden nun auch deren Eigenwirtschaften auf Kosten der Bauern erweitert.

 

Kapitalisierung in England führt zu Tuchmagnaten, die in Schafherden investieren und das Verlagssystem verlassen, um den ganzen Produktionsprozess unter ihre direkte Kontrolle zu bringen. Dafür kaufen sie Walkmühlen, Häuser, in denen das Spinnen stattfindet und Färbereien, das alles möglichst nahe beieinander, wobei sie die ganze Arbeitskraft fast "unter ein Dach" bekommen.

 

Mitte des 15. Jahrhunderts besitzen in Yorkshire nur noch die Hälfte der Weber ihren eigenen Webstuhl. Einzelne Unternehmer-Magnaten besitzen dann gleich mehrere Walkmühlen. Ein Thomas Paycocke ist 1518 so reich, dass er nebenbei in seinem Testament jedem einzelnen Scherer, Kämmer, Kardierer, Spinner, Weber und Walker 12 Pennies vermachen kann. (Dyer, S.326) Wenn ein solcher Unternehmer bei seinem Wohnhaus dann Spinnhäuser, Walkmühle, Färberhäuser und sonstige Handwerker in der Nähe versammelt, hat er fast schon eine Fabrik zusammen.

 

Ein Gutteil der Produktion der nunmehr schnell aufsteigenden englischen Tuchproduktion bedient nun größere Menschenmassen, und wo wie in Flandern vornehmlich hochwertige Stoffe hergestellt wurden, bricht nun englische billige Exportware für die Massen der Unterschicht ein.

 

Die Kapitalkonzentration in der Stadt und das Verlagssystem greifen im Textilbereich auf das Land über und verwandeln es teilweise in Gewerbegebiete. Im östlichen Mitteldeutschland entstehen reine Weberdörfer. Das Bergische Land mit seinem Wasserreichtum liefert für die Kölner Produktion von Textilien und Lederwaren Walkmühlen, Lohnmühlen, Färbereien und Bleichen. In einem sehr weiten Wortsinn lässt sich von der partiellen Industrialisierung ganzer ländlicher Regionen reden.

 

Ausgekämmte lange Wolle dient auch der Garnherstellung, wobei Garn im 14. Jahrhundert mancherorts als Handelsware auftaucht.

 

In großen Städten differenzieren sich im Exportgewerbe arme und reiche Handwerksbetriebe heraus. In Köln gehen reichere Weberbetriebe dazu über, wie Verleger über arme Betriebe zu verfügen. "In Straßburg gingen aus dem Kreis reicher Handwerker die Tucher hervor, die Spinner und Weber für sich arbeiten ließen und nur noch die Produktion leiteten und kontrollierten."(Isenmann, S.356)

Seit etwa 1440 entstehen in Görlitz in der Tuchproduktion "Meistereien" in den Händen von reichen Meistern und Kaufleuten, die schon an Manufakturen gemahnen (Karl Czok in: Beiträge 2, S.107). Es sind Betriebe, "in denen abhängige Meister, gelernte und ungelernte Hilfskräfte Tuch im kompletten Fertigungsprozess herstellen." (Isenmann, S.356)

 

Mit dem steigenden Bedarf an Textilien nimmt auch der an Färbemitteln zu. In Thüringien wächst so im weiteren Umland der Städte in Mittelthüringen auf schweren Böden der Anbau an Waid.

Bei günstigen Verhältnissen können vier Ernten von der Waidpflanze erzielt werden.

Die Blätter werden abgeerntet und in von Pferden angetriebenen Waidmühlen mit riesigen Mahlsteinen zu einem Brei zerquetscht. Dann werden sie, oft von Frauen und Kindern, zu rund zehn Zentimeter großen Kugeln geformt und getrocknet, um schließlich von den Waidbauern auf die städtischen Märkte gebracht und auf den städtischen Waidhöfen und Waidböden der Waidjunker weiterverarbeitet zu werden.Waidknechte zerkleinern die Kugeln dann, begießen sie mit Wasser und Urin und lassen das Produkt so gären. Nach rund einem halben Jahr ist das Färbemittel als Waidasche dann fertig und wird

in Fässer gestampft und auf größtenteils ferne Märkte transportiert. (...) Färber machen dann aus dem Waidpulver mit Pottasche und anderen Beigaben Mittel zum Blaufärben, manchmal auch zum Schwarz- und Grünfärben. (Mägdefrau, S.174 / S.256))

 

Erfurt setzt bei den Bauern in seinem Umland durch, dass sie weder schon vor der Ernte noch bei der Waidmühle ihr Waid verkaufen dürfen. Sie müssen es vielmehr in Ballen in die Stadt fahren und dort vermarkten, wobei ihnen auch Tauschhandel verboten ist. 1351 wird dann sogar der Marktplatz in der Stadt im 'Zuchtbrief' vorgeschrieben: Es ensal auch niemant anderswho weydt kauffen den uff dem Marckt, dem Waidmarkt des Angers nämlich, einem zwei Monate andauernden Wochenmarkt. Auf diese Weise kann die Stadt auch die Abgabe des Waidgeldes kontrollieren. (in: Mägdefrau, S.149)

Das betrifft aber nicht nur Waid, wie der 'Zuchtbrief' im weiteren fordert, daz nymand getreidich, hopphin, och weit vor der stat kaufin sal. (in: Mägdefrau, S.159f)

 

Vor allem Kaufleute kaufen die Ballen in der Stadt auf und lassen sie von wohl lohnarbeitenden Waidmeistern und Waidknechten zu den Färbemitteln verarbeiten. Im 15. Jahrhundert gelingt es einer kleinen Gruppe von reichen Waidjunkern, das für sich zu monopolisieren, was sie spätestens jetzt zu den reichsten und mächtigsten Bürgern der Stadt macht.

 

Um Speyer, im Elsass und in Thüringen wird Krapp wegen seiner Alizarin-haltigen Wurzeln zum Rotfärben angebaut, zudem auch in der Provence und anderswo.

 

Baumwolle stammt ursprünglich aus Indien und erstes großes Anbaugebiet wird dann Syrien, bis im 15. Jahrhundert Ägypten an Bedeutung gewinnt. Daneben wird es schon in islamischer Zeit im Fruchtwechsel auf Sizilien angebaut. Später gelangt es auf kalabrische und apulische Plantagen.

 

Als zwischen etwa 1360 und 1430 mit politischer Förderung und Kapitaleinsatz mitteleuropäische Barchentproduktion die norditalienische überflügelt, entwickelt sich diese gleich im Verlagswesen. Überhaupt breitet sich in der zweiten Blütezeit des Kapitalismus zwischen 1350 und etwa 1500 das Verlagssystem wie eine Krake über Gewerbezweige und ganze Gewerbelandschaften aus.

 

Barchent ist ein Textilgewebe aus leinenen Kettfäden und Schussfäden aus Baumwolle. Es ist billiger als Wolltücher und durch Struktur wie Färbemöglichkeiten gefälliger für die neuen und immer wichtiger werdenden Modegewohnheiten.  "Der Barchent mit seinen kräftigen Farben war schon deswegen >in einer modisch bewussten, farb- und sinnenfreudigen Welt< beliebt, zumal er im Winter wärmte, im Sommer den Schweiß aufsaugte." (Fuhrmann, S.199).

In der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts kaufen Händler aus Ulm, Augsburg und Nürnberg in Norditalien (Venedig vor allem wohl) Baumwolle ein, die nun im oberschwäbischen Leinengebiet ebenfalls zu Barchent verarbeitet wird. Innerhalb von einer Generation erobert Barchent das oberschwäbische Leinwandrevier mit Ulm, Augsburg, Memmingen und anderen Städten und wird dort zum größten Gewerbezweig.

Zwischen 1363 und 83 entsteht so ein großes Barchentrevier nordöstlich des Bodensees, welches sich von Basel über Augsburg, Ulm und Nördlingen ausdehnt. Dann nimmt auch in Thüringen zum Beispiel in Mühlahusen die Baumwollverarbeitung zu.

Binnen fünfzig Jahren wird man nördlich der Alpen von italienischen Einfuhren unabhängig und läuft innerhalb einiger Jahrzehnte der Lombardei den Rang ab. Ausfuhren gehen "bis nach Spanien und Portugal, in den Hanseraum und nach Polen" (Schulz, S.169).

 

Das Barchent ist kapitalintensiv und exportorientiert, wird nach Qualitätsmarken standardisiert und schon aus diesen Gründen verlegerisch überformt. In einer zweiten Welle in den ersten Jahrzehnten des 15. Jahrhunderts wird seine Produktion in Süddeutschland und Ungarn durch das Zusammenspiel von Landesherren, städtischer Obrigkeit und kaufmännischen Verlegern gefördert (Stromer). König Sigismund von Ungarn privilegiert 1411 in Kaschau Barchent, der Burggraf von Nürnberg fördert seine Produktion ab 1414 in Kulmbach zusammen mit der Firma Imhoff.

 

Im Runtingerbuch listet der Regensburger Kaufmann Mathäus Runtinger (1350-1407) Verlagsverträge mit sieben Barchentwebern auf, deren erster so lautet: Es kaufte der alte Eyselein von mir am Mittwoch vor dem St.Laurentiustag 3 Zentner Baumwolle, je 1 Zentner für 11 Barchente weniger ¼, insgesamt 32 ¼ Barchente. Diese Barchente soll er mir bis Weihnachten liefern. Mir gab der alte Eyselein 33 Barchente am Weihnachtsabend. Ich bleibe dem Eyselein ¾ eines Barchents schuldig. (Engel/Jacb, S. 273).

 

Zumindest die Rohstofflieferung und der Handel mit dem Fertigprodukt liegen in der Hand größerer Kapitalien. Dazu gehört Massenproduktion nach einheitlichen und dem Markt bekannten Qualitätsstandarten. Die Ware wird immer weniger nur auf Messen verkauft, sondern direkt in den Städten, wo die Kunden sitzen.

 

 

Textilproduktion in größerem Maßstab verbreitet sich überall in deutschen Landen. Hochwertiges Leinen kommt aus Brabant und Flandern, vieles aber auch aus Oberschwaben, insbesondere bis ins 15. Jahrhundert aus Konstanz, wo dann im 15. Jahrhundert St. Gallen führender wird, zudem aus dem Vogtland und der Lausitz. Die ländliche Leinenproduktion von Sachsen über die Lausitz bis Schlesien wird ab dem 15. Jahrhundert durch Investitionen Nürnberger und Augsburger Unternehmer erheblich kapitalisiert. Dadurch, dass diese Firmen zugleich dort auch in den Bergbau einsteigen, wächst hier ein weiterer Wirtschaftsraum von europäischem Rang heran. 

 

Leinenreviere verbleiben insbesondere in Nordostdeutschland, in Sachsen zum Beispiel, wo einfache Leintücher hergestellt werden, dann nach Süddeutschland geschickt werden, um dort veredelt zu werden. Auch da tritt Kapital dazwischen.

 

 

Bis ins 14. Jahrhundert ist Köln ein Ort erheblicher Leinenproduktion, im 15. zudem auch eine Metropole der Herstellung von Barchent. Aber in dieser Zeit gewinnt vor allem die Seidenproduktion immer mehr an Gewicht. Seit 1373 ist ein Seidenamt belegt, die Gemeinde fördert inzwischen den Ankauf von Rohseide. Im Verlauf der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts verdoppelt sich der Ankauf des Rohstoffes und die Seidenproduktion übertrifft nun in Köln die der anderen Textilien. Als Besonderheit ist die Rolle der Frauen in der Produktion zu vermerken, die weibliche Zünfte der Garnmacherinnen und der Hauptseidmacherinnen sowie der Goldspinnerinnen wiedergeben (Schulz, S.173). Die Ehemänner dieser Frauen übernehmen den Ankauf des Rohstoffs und den Verkauf der Fertigprodukte.

Zentrum der europäischen Seidenproduktion wird Venedig mit seinen Brokatseiden und rund 3 000 Seidenwebern im 15. Jahrhundert. Die Verbreitung der Seidenzwirnmühle nördlich der Alpen wird durch Zunftbeschlüsse gestoppt, um die Arbeitsplätze der Spinnerinnen zu erhalten (1412 in Köln). Am Ende des 15. Jahrhundert setzt sich dann das Spinnrad mit Fußantrieb und Flügelspindel langsam durch.

 

Stärker noch als in der Mitte werden im Norden Italiens, insbesondere der Lombardei Segmente der Produktion wie die Spinnerei aus Kostengründen auf das Land verlagert. Dasselbe geschieht im 15. Jahrhundert auch in England und anderswo. Aus solchen Kostengründen verlagert man die komplette Produktion von Billigstoffen, also Massenware, immer mehr aufs Land. In Flandern wandert schon im 14. Jahrhundert fast die gesamte Tuchproduktion aus der Stadt. In Analogie zu Bergbau und Metallproduktion kann man nun von Städten und ihren Kapital dominierten Tuchrevieren sprechen.

 

Während die Manufakturen der frühen Neuzeit zum großen Teil fürstlich subventionierte Luxusproduktion betreiben (Gobelins, Porzellan etc.), sind die größeren und kapitalkräftigeren Produktions-Firmen des späten Mittelalters vorwiegend auf Massenproduktion mittlerer und unterer Qualität aus. Das verlangt natürlich Massenkonsum an Gebrauchswaren und entsprechend kaufkräftige Massen, wie sie im 15. Jahrhundert üblich werden. Der Kapitalismus führt unübersehbar zu steigendem Wohlstand breiterer Schichten bis ins Handwerk und dem wohlhabenderen Teil der Bauernschaft.

 

Mit der steigenden Zahl der Textilien und der steigenden Kaufkraft von mehr Menschen nimmt auch das Schneiderhandwerk zu, welches dann fertige Kleidungsstücke produziert, so wie die Mantler und Hutmacher. Zünftig werden Schneider, wo überhaupt, erst im Verlauf des 14. Jahrhunderts.

 

 

Eine wichtige Ware sind auch Felle, die zu Pelzen und Leder verarbeitet werden. Die Tiere werden noch nicht gezüchtet, sondern von russischen und baltischen Fallenstellern erlegt. Sie sind ein zentrales Handelsgut hansischer Händler von Nowgorod aus, wo es um 1386 allein rund 160 hansische Pelzhändler gegeben haben soll. Die unbehandelten Felle werden in Fässern nach Westen transportiert, wo Brügge zentraler Umschlagplatz  ist. Einzelne Firmen handeln so mit Zehntausenden von Fellen im Jahr. Im 14. Jahrhundert kann eine Schiffsladung schon einmal um die 100 000 Felle enthalten haben. (Spufford).

 

Pelze stellen die Kürschner her. Für die Lederproduktion sind dann die Rotgerber zuständig, die das Leder mit Eichenlohe bearbeiten, die es zunächst rot färben, und die Weißgerber, die mit Alaun weißes und meist feineres Leder herstellen.

Danach nehmen unter anderen Lederschneider bzw. Riemenschneider sowie Sattler die Arbeit auf.

 

 

***Ein Beispiel: Aufblühender Kapitalismus in Thüringen***

 

Die Produktion und der Handel mit Tuchen schafft Kapital und dieses wiederum verändert Stadt und Land. Das geschieht in komplexen Interdepenzen.

Das Land verändert sich, sobald es nicht mehr nur Nahrung für Subsistenz, direkten Handel und die Abgaben an die Herren liefert, sondern zunehmend Rohstoffe für städtische Tuch-Produktion. Das sind Wolle aus Schafzucht, Flachs und Hanf und besonders in Kerngebieten Thüringens Färberwaid.

Darauf reagieren auch Klöster wie das der Zisterzienser von Pforte, welches mit großen Schafherden soviel Wolle erzielt, dass es die in Thüringen und bis nach Zwickau an die Städte verkaufen kann. Das Benediktinerinnenkloster weitet seine Schafzucht aus und erhält zudem aus bäuerlichen Abgaben Flachs und Hanf. Die Ausweitung grundherrlicher Schafzucht wiederum verringert die Weidegründe bäuerlicher Schafzüchter und vertreibt sie daraus.

 

Im kleineren Hildburghausen mit zeitweise über fünfzig Tuchmacher-Meistern und einer Walkmühle, die 1482 der Obermeister der Wollweber erwirbt, hält die Stadt auf einem städtischen Gut, dem Ratshof, über hundert Schafe im 15. Jahrhundert und 300 um 1555. (Mägdefrau, S.265)

 

In - insbesondere geistlichen - Grundherrschaften fallen Hanf und Flachs an, aus denen Garn produziert wird, welches Erfurter Händler dann für die Leinenproduktion bis nach Köln verhandeln.

 

Überall wo das profitabel ist, wird dem Land die Weiterverarbeitung der Rohstoffe wie beim Waid entzogen und in die Stadt verlagert, Andererseits werden billiger herstellbare Halbfabrikate wie manchmal durch Spinnen und seltener Weben aufs Land verlagert, In jedem Fall wird die Entwicklung von den Eigentümern des Kapitals und ihren politischen Vertretern in den Städten bestimmt, soweit sie sich gegen Landadel und fürstliche Landesherren durchsetzen können.

 

In der Stadt konzentriert sich das Kapital, also jenes per se zur Vermehrung bestimmte Gut, in den Händen einer privilegierten kleinen Gruppe. Mit ihrer Nachfrage nach Wolle oder Waid zum Beispiel setzen sie bei zunehmend marktorientierten Bauern und herrschaftlichen Gütern deren Produktion durch. Zugleich verschwindet damit fast zur Gänze die an der Person haftende bäuerliche Abgabe zugunsten der sich auf die Produkte beziehenden. Indem ein Teil des Gewinns in Land und Landbewirtschaftung umgelenkt wird, wird auch durch Lohnarbeit direkt in die primäre Produktion investiert. Damit konkurriert das Kapital nun mit Adel und Fürsten um Grund und Boden. Andererseits müssen sich diese kapitalgetragenden kleinen Oberschichtgruppen dann gegen vom Handwerk getragene kleinbürgerliche Schichten behaupten, die eher die Leidtragenden in diesen oft kriegerischen Konflikten zwischen Landadel bzw. Fürsten auf der einen Seite und der Stadt auf der anderen Seite sind. Vielleicht auch deswegen bemüht sich die kleine reichere Oberschicht von Erfurt nicht um Unabhängigkeit vom Erzbistum Mainz.

 

In Erfurt, der größten Stadt Thüringens, wird Waidproduktion, Waidhandel und Tuchhandel in denselben Händen konzentriert, was die Kapitalkonzentration fördert. Waidhändler verkaufen Waid, welches bis nach Flandern und Spanien gelangt. Wichtige zentrale Waidmärkte, von denen aus weiterverkauft wird, sind Köln, obwohl dort im Umland auch viel Waid angebaut wird, die Messestadt Frankfurt, die Messe- und Weberstadt Friedberg/Taunus, Nürnberg, wo zwar die Mehrzahl des Gewerbes dem Metallbereich angehört, aber etwa ein Viertel den Textilien, Nördlingen, welches ein großes süddeutsches Textilgebiet versorgt. Über Bremen und Hamburg gelangt es nach Amsterdam und verteilt sich dann auf niederländische Weberstädte.

 

Der Kapitalbedarf im Waidhandel ist hoch, und obwohl Erfurter Kapitaleigner den Fürsten und höherem Adel in erheblichem Maße Geld leihen können, finden sie für den Handel zu Handelsgesellschaften zusammen. Insbesondere die lange Spanne zwischen Waidernte und Verkauf den den Endverbraucher bedeutet einen stattlichen Kapitalbedarf. Solche Gesellschaften verteilen den Gewinn noch im 15. Jahrhundert ganz altmodisch auf die Köpfe und nicht das eingezahlte Kapital. Dabei ist es Erfurter Bürgern verboten, Gesellschaften mit Auswärtigen zu bilden.

 

Händler begleiten noch die aus mehrspännigen Wagen bestehenden Wagenkolonnen zusammen mit Handelsdienern und Knechten. Im Verlauf des 15. Jahrhunderts kommt es dann häufiger vor, dass Handelsdiener die Reise alleine anführen.

 

Die Tuchhändler führen 1441 zum Beispiel Tuche aus Gent, Ypern, Brabant, Brüssel, Amsterdam, London und Aachen ein. (Mägdefrau, S.260) Eingekauft wird ein wenig noch in Köln, welches immer noch aus England importiert, mehr aber auf der Frankfurter Messe.

 

Im 15. Jahrhundert gelangen immer mehr Waidmühlen, von denen es in Langensalza beispielsweise sechs gibt, in die Hände dieses Kapitals.

 

Teile der Gewinne werden immer häufiger in Land im Umland der Städte angelegt. Erfurter Kapitaleigner besitzen so auch Weinberge und Hopfengärten.

 

Früher Kapitalismus bedeutet bereits zunehmend Lohnarbeit. In Thüringen werden Lohnarbeiter für die Waidherstellung in den Städten und Saisonarbeiter in den Dörfern eingestellt, die zum Teil bereits aus Franken und der Niederlausitz kommen. (Mägdefrau, S.271)

 

Neben Wolle kauft Erfurter Kapital seit den Anfängen des 14. Jahrhunderts auch Baumwolle ein und beginnt dann bald mit der Barchentproduktion.

 

Im Handwerk verstärkt sich der Abstand zwischen reichen und armen Meistern. Den Wollwebern zum Beispiel in Mühlhausen wird zunehmend der Marktzugang genommen, der auf Tuchhändler übergeht, die die Wollweber in das Verlagssystem zwängen.

 

 

Bergbau und Metalle

 

Zwischen unserer Schwellenzeit und dem 16. Jahrhundert nimmt die Bedeutung von Metallen immer mehr zu, die von Silber und Gold für die rapide Zunahme von in Umlauf befindlichen Münzen und für Luxusgegenstände von Kirche und weltlicher Macht, und die der übrigen Metalle für Kriege und Krieger, aber eben auch für alltägliche Gebrauchsgegenstände.

Das Bergregal gehört von jeher zu dem Besitz der Könige und ist in deutschen Landen im sogenannten späten Mittelalter längst weitgehend an Fürsten verliehen, die es wieder unterverleihen können. Besonders begütert in dieser Richtung sind die böhmischen Przemysliden und ihre Luxemburger Nachfolger.

 

Von der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts sind frühe Bergrechte erhalten, wie das Dieselmuoter Bergweistum des Landgrafen im Breisgau von 1372. Dort heißt es, dass der Graf und sein Vogt bei Konflikten eine Gerichtsversammlung einleiten. Bei Steitsachen unter Bergleuten urteilen Schöffen, Schiedsleute bei solchen zwischen Anteilseignern (Fronern) oder zwischen ihnen und dem Grafen.

Eine frühe Bergordnung aus derselben Region, die des Landrichters Johann von Üsenberg von 1370 regelt "dem gegenüber die Arbeiten selbst, im Bergwerk und in den Schmelzhütten, sowie den Handel mit Erz, und wie Bezahlungen und Strafen auszusehen hatten." Dann geht es um die Sicherheit der Bergleute, die Entwässerungsstollen, um die vogtliche Kontrolle der Schmerzhütten und Erzmühlen, um Schichten von acht Stunden. Die Arbeiter müssen drei Tage, nachdem der Froner einem das Geld ausgezahlt hat, muss es bei den Bergarbeitern und Tagelöhnern ankommen. (Alles Heiko Steuer in: Dendorfer/ Regnath / Widmann, S.104ff)

 

 

 Zudem entstehen im 15. Jahrhundert auch neue Metallgewerbe-Landschaften im Bergischen Land, im Sauer- und Siegerland,  die in den folgenden Jahrhunderten Kontinuität beweisen.

 

Der Bergbau wird dadurch kapitalintensiver, dass mit dem tieferen Eindringen in die Erde dort mit dem eindringenden Wasser gerungen werden muss. In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts werden in Mitteleuropa alte Bergwerke durch neue Wasserhebemaschinen und Saugpumpen reaktiviert.Das geht nur unter größerem Kapitaleinsatz, und so gehen sie in die Hände von Kapitalgesellschaften über.

 

Von den Krisen und Kontraktionen des 14. Jahrhunderts wird auch der Bergbau betroffen. Aber es halten sich die Eisenreviere im Forest of Dean, im Siegerland, der Oberpfalz, in Böhmen, der Steiermark und auf Elba.

 

Neben allgemeine Krisen treten jene, die mit der abnehmenden Ausbeute von Erzminen zusammenhängen. Für Fürsten und Könige wird es darum wichtiger, nach neuen Vorkommen zu suchen. Daneben betreiben Leute wie der böhmische König und römische Kaiser Karl IV. den Erwerb ganzer Regionen, um seine Einkünfte aus der Erzproduktion zu steigern. Der Erwerb von Niederschlesien bringt so königliche Silberadern in Silberberg und Frankenstein, Goldvorkommen in Reichenstein und Eisenerz in Eisenbrod. Im sich später Oberpfalz nennenden Gebiet Richtung Nürnberg kommt Silber in Mies, Eisenerz in Auerbach und im Raum Sulzbach-Rosenberg-Amberg dazu. Im Erzgebirge Richtung Thüringen werden dann noch Eisen-, Kupfer- und Goldminen entdeckt.

 

Im Erzgebirge werden neue Silbervorkommen entdeckt, und daraus entwickelt sich eine Art Silverrush. Schneeberg entsteht ab 1470, St.Annaberg zwanzig Jahre später und nochmal eine Generation später Marienberg. Im Harz kommen Zellerfeld und Clausthal dazu. Ähnliche Vorkommen finden sich dann auch in der heutigen Slowakei und im Tiroler Inntal. Mit riesigen Kehrrädern von bis zu zwölf Metern Höhe wird es möglich, bis zu 300 Meter tief in die Erde vorzustoßen. Immer mehr kaufmännisches Kapital fließt in die Erzgewinnung, wobei es auch zu neuen Techniken in der Herauslösung aus dem Gestein kommt.

 

Große Firmen von Handels- und Finanzkapital gründen solche des Bergbaus und der Verhüttung oder kaufen sich in sie so wie überhaupt in Sparten der Warenproduktion ein. Umgekehrt gelangen Familien wie die Fugger zum Beispiel vom Weben über den Textilhandel, Finanzgeschäfte bis in das Bergbaugeschäft.

 

Die Kapitalkonzentration im englischen Zinnbergbau nimmt erheblich zu: "Im frühen 14. Jh. wuchsen die königlichen Zinn- und Silberbergwerke im englischen Beer Alston zu 'Großbetrieben' mit 700 Lohnarbeitern empor.  Bei einem Zinnmagnaten standen 1357 in sechs Bergwerken Cornwalls 300 Menschen in Lohn und Brot. Die exportorientierte englische Zinnproduktion konnte vom Beginn des 14. Jhs. bis zu den 1430er Jahren von 680 000 auf 1,4 Millionen Pfund jährlich gesteigert werden." (Dirlmeier, S.34)

 

 

Kapitalintensiver wird die Eisenproduktion durch die immer kunstvolleren Hochöfen. (Siehe Großkapitel Stadt 7, Nürnberg) Im fünfzehnten Jahrhundert steigt dann die Bedeutung des schwedischen Osmund-Eisens mit der Übernahme neuer Verhüttungstechniken an, um im 16. Jahrhundert in Nordeuropa vorherrschend zu werden.

 

Erfunden wird auch das Saiger-Verfahren, zuerst in einer Nürnberger Hütte 1419 angewandt. Dies Verfahren erlaubt ein besseres Differenzieren zwischen einzelnen Metallen beim Ausschmelzen der Erze, zum Beispiel das Aussaigen von Silber aus Rohkupfer mittels Einsatz von Blei. Vorteil ist zum Beispiel bei Kupferhütten, dass das so nun dazu gewonnene Silber frei der Vermarktung der Unternehmer zur Verfügung steht.

 

Das Saigerverfahren verbreitet sich dann. Ab 1472 schließen sich "mehrere Grafen von Mansfeld und von Henneberg mit technischen und kaufmännischen Unternehmern in Gesellschaften zum Betrieb von Saigerhütten" im Mansfelder Land und überhaupt im Thüringer Wald zusammen. (Schubert, S.11) Ende des 15. Jahrhunderts wird Jakob Fugger damit in Schwaz (Tirol) erhebliche Summen einnehmen.

 

Neben der Eisenindustrie investiert Nürnberger Kapital, zum Teil in Kooperation mit Kapital aus anderen Teilen Mitteleuropas in den Abbau von Silber, Gold, Kupfer und Blei und die Herstellung von Halbfabrikaten daraus, und zwar zwischen Thüringen, Sachsen, Böhmen und Tirol. "Man trat durch den Erwerb von Kuxen, die teilweise stark gestückelte fungible Wertpapiere darstellen, in Gewerke ein, legte in Einzelfällen Hütten an, pachtete Gruben, bot schwachen Gewerken Verlag und versuchte, mit den Regalherren möglichst langfristige und monopolistische Lieferverträge abzuschließen. Diese sogenannten >Käufe< mit Vorauszahlung der kontrahierten Lieferung bedeuteten ein fundiertes Anleihesystem der öffentlichen Gewalten." (Isenmann, S.352)

Darüber hinaus wird die Nürnberger Hochfinanz in Ungarn, dem Karpatenraum mit seinen Vorkommen an Edel- und Buntmetallen investiv aktiv, überhaupt in ganz Südosteuropa, zusammen mit anderen süddeutschen Firmen.

 

 

Ähnliches wie für Nürnberg lässt sich von Köln sagen. Kölner und Aachener Unternehmer gewinnen die Kontrolle über die Eisen- und Bleigewinnung in der Nordeifel. Kölner Kaufleute gewinnen Einfluss "auf siegerländische und nassauische Eisenproduktionsstätten, auf die Stahlreviere von Brekkerfeld, Attendorn und Rademvorwald. Durch Monopolverträge sicherte sich Köln 1463 die gesamte Produktion der dortigen Stahlschmiedegilden." (Isenmann, S. 355)

 

 

Wenn in der Produktion von Metall- und Tongefäßen das Personal über zwei bis drei Leute hinausgeht, wird bereits die Größe eines üblichen mittelalterlichen Handwerksbetriebes überschritten. Bei einem Betrieb, der im späten Mittelalter Gerätschaften und Gefäße aus Zinn herstellt, und der zwischen zehn und zwanzig Leute beschäftigt, nähern wir uns fabrikmäßigen Verhältnissen, wie auch dort, wo Mühlen verschiedene metallverarbeitende Produktionslinien gleichzeitig bedienen. Dazu gehört, dass Mühlen Ende des 15. Jahrhunderts gleichzeitig Schmiedehämmer und Blasebälge bedienen und so Gußeisen herstellen können.

 

Solche Betriebsgrößen und Mühlanlagen verlangen mehr als das minimale Kapital, mit dem Handwerksbetriebe normal ausgestattet sind. Hier konzentriert sich Kapital nicht mehr nur in Finanz- und Handelsunternehmen, sondern in der Produktion selbst, und es ist nicht mehr vor allem Adel, der hier investiert, sondern eben zunehmend Bürgertum. So schließen sich 1417 in Rostock Kaufleute zu einer Firma zusammen, die 14 Mühlen aufkauft und durch einen Mühlenmeister bewirtschaften lässt. (Isenmann, S.356)

 

 

Der Aufstieg des Nürnberger Metallgewerbes hängt an der Vernetzung der Stadt mit dem Oberpfälzer Bergbaugebiet. Dabei investiert Nürnberger Kapital nicht so sehr in den Erzabbau, sondern in die Weiterverarbeitung mit den Zentren Amberg, Sulzbach und Auerbach.

Man erzeugt mit wassergetriebenen Blasebälgen Roheisen; dies wird durch Hämmern von Schlackenresten befreit, "und nach erneuter Erhitzung zu Schienen von etwa 5 kg ausgeschmiedet". Dabei fällt "auf der Herdsohle das besonders reine Deicheleisen an, das überwiegend zu Blechen gehämmert" wird. Seit der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts haben dann wohl in der Oberpfalz allein gut hundert Schienhämmer gearbeitet. (Schulz, S.178)

Ein Großteil des Eisens wird dann von Nürnberg aus entweder exportiert oder aber vor allem weiterverarbeitet.

 

Erfindungen werden breiter angewandt und neue kommen hinzu, wobei sich Nürnberg hervortut: 1370 soll das Nürnberger Drahtziehergewerbe bereits siebzehn Betriebe umfasst haben. Dort wird um 1390 der mechanische Drahtzug erfunden,

Zwischen 1399 und 1415 entwickeln Spezialisten und einige Kapitalgeber die erste Drahtziehmühle, wobei Draht mittels eines Pleuelstangen-Systems maschinell hergestellt werden kann, und in den folgenden Jahren kommen zehn weitere dazu. "Dabei gelang es, die Kraft der Wassermühle so umzusetzen, dass mit Hilfe einer halbautomatischen Zange ein regelmäßiger, kräftiger Zug auf den zu verdünnenden Draht ausgeübt wurde , der durch eine enge Bohrung des Zieheisens geführt und dabei gestreckt wurde. Die Kraftübertragung erfolgte über eine vom Mühlrad getriebene "gekröpfte Welle" oder Pleuelstange, von der eine Zange bewegt wurde, die unter Last von einem übergleitenden Ring geschlossen wurde und sich bei Entlastung wieder öffnete. Der Drahtzieher musste im Wesentlichen nur für das jeweilige Ansetzen der Zange am Draht vor dem erneuten Zug sorgen. Dazu saß er auf einer Schaukel, um die Bewegung der Zange mitvollziehen zu können." (Schulz, S.182) Ende des 15. Jahrhunderts wird dann auch dieser Vorgang automatisiert.

Die Bedeutung dieser Maschine schlägt sich in der Bandbreite der Produkte nieder: "Nadeln, Heflteln (Sicherheitsnadeln), Nägel, Ketten, Musikinstrumenten-Saiten, Drahtsiebe, Drahtkratzen für die Tuchbereitung (Appretur) und Stahlringe für Kettenhemden. Weiterhin sind Nieten, Federnm, Häkchen, Ösen und Kettchen sowie verschiedene Zierelemente zu nennen." (Schulz, S.184). Auch solche Produkte werden über ganz Europa verkauft und im 16. Jahrhundert dann auch nach Afrika und Amerika.

 

Erfunden wird in Nürnberg wohl auch das Verzinnen von Blechen. Um neben Wasserkraft auch Energie aus Holz vorzuhalten, beginnt der Unternehmer Peter Stromer um 1400 mit Forstwirtschaft.

 

Ein weiterer bedeutender Bereich der Nürnberger Wirtschaft wird seit der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts die Produktion von Schusswaffen, insbesondere von Handfeuerwaffen. Im 15. Jahrhundert werden sie dann zu Hunderten an Städte und Fürsten verkauft. In der zweiten Hälfte werden dann Hinterlader als Kammerbüchsen entwickelt, und am Ende des Jahrhunderts dann das selbstzündende Radschloss. Büchsenschmiede erreichen so Reichtum und Ansehen.

 

Bedeutung erlangt Nürnberg auch mit der Musikinstrumenten-Herstellung, in der neben den leisen Geigen und Lauten vor allem metallene Instrumente herausragen, deren Musik für öffentliche Prachtentfaltung wie auch im Krieg eine herausragende Rolle spielt. Dafür haben vor allem Posaunen und Trompeten große Bedeutung, daneben Zinken, Bombarden und Flöten. 

 

 

Das Gebiet um Maastricht, Lüttich, Aachen und Dinant erhält im 14. Jahrhundert Kupfer aus dem Harz und Zinn aus Cornwall und wird zudem eine Buntmetall-Exportregion. Als der Burgunder Philipp ("der Gute") 1466 Dinant vollständig zerstört, kommt allerdings dort die Produktion zum Erliegen. In dieser Zeit gewinnt aber dafür die Messingschlägerei in Nürnberg neues Renommée so wie besonders im 15. Jahrhundert die Kupferschlägerei von Köln.

Kupfer und Zinn werden aber auch an die Levante ausgeführt.

 

Auch im produzierenden Metallgewerbe nehmen Kapitalkonzentration und Firmengröße zu. Für 1457 ist von Thomas Dountons Londoner Zinnwerkstatt überliefert, dass er 18 Lehrlinge und Lohnarbeiter beschäftigt. (Dyer, S.320)

 

Das metallverarbeitende Handwerk gerät auch in Nürnberg immer mehr in Abhängigkeit von den kapitalintensiv hergestellten Rohstoffen und Halbfabrikaten. Andererseits vermehrt es sich dabei erheblich. Die zwischen Nürnberg und Oberpfalz hergestellten Halbfabrikate wie Stangen, Schienen, Draht und Blech werden eben von Nürnberger Handwerkern zu Fertigprodukten verarbeitet."Die Zahl der Nürnberger Handwerksmeister in der Eisenverarbeitung stieg von 409 im Jahrzehnt 1361-1370 auf 1335 am Ende des 15. Jahrhunderts." Gilomen, S.118). Dabei wird im Metallgewerbe nicht wie im Textilgewerbe nach Einzelschritten in Handwerksbetriebe zerlegt, sondern horizontal in verschiedene Produkte. Dabei setzt sich immer mehr Spezialisierung durch, die um 1500 knapp siebzig Sparten erreicht. Dadurch bleibt der handwerkliche Kleinbetrieb bei aller Abhängigkeit vom Kapital bestehen (Isenmann).

Um 1450 sind rund 45% aller Handwerksmeister Nürnbergs in der Metallverarbeitung tätig, zwei Drittel davon in der Eisenverarbeitung. Insbesondere bei den Messerern (die das Endprodukt zusammensetzen und den Verkauf leisten) stellt sich unterschiedliche Kapitalbildung ein, so dass einzelne Handwerker zu Verlegern aufsteigen. "Die großen Meister und Verleger beschäftigten zusätzlich selbständig tätige Stückwerker, die gegen Akkordlohn (Stückpreis) arbeiteten, und verpflichteten Klingenschmiede und Schleifer über die Vergabe von Krediten und Vorschüssen." (Schulz, S.181) 

 

 

Einen neuen Aufschwung nimmt die Waffenproduktion mit der Erfindung des Schießpulvers und der Artillerie. Worms besitzt bereits im 13. Jahrhundert ein Zeughaus. In Nürnberg und Straßburg, den großen Reichsstädten, werden nun auch in Geschützgießereien Kanonen hergestellt. Aber die Nürnberger Massenware bleiben leichte Brustharnische für Fußsoldaten, für die es im 14. Jahrhundert schon mal Aufträge für mehrere tausend gibt. Überhaupt holt nun die deutsche Rüstungsproduktion auf, während die französische und englische weiter zurückbleibt.

 

Eine massive Zunahme verzeichnet im 15. Jahrhundert der englische Kohlebergbau, in den auch Bischöfe wie der von Durham investieren, und wo das einzelne Bergwerk nun von um die 12 Arbeitern betrieben wird. Oft von Pferden betriebene Pumpen entsorgen dabei das Wasser. Um 1510 schickt Newcastle bereits jährlich um die 40 000 Tonnen Kohle überall hin, insbesondere aber auf dem Seeweg nach London. Kohle ist zu schwer, um es längere Strecken über Land zu ziehen, aber es kann mit Schiffen rentabel transportiert werden.

Ein zweites Kohlerevier steigt mit dem Maasraum um Lüttich langsam auf. Allein die Lütticher Minenbetreiber bilden schon im 14. Jahrhundert eine Zunft, die um die 2000 Mitglieder hat. Außerhalb des Nordwestens Europas bleibt Steinkohle aber vorläufig unbekannt.

 

 

Mehr Kapital bedeutet auch mehr Risiken. "1408 faillierte z.B. die Firma des Kaspar Vetter, dessen Geschlecht zu den reichsten Familien Rothenburgs und Donauwörths gehörte, bankrott gingen die Nürnberger Gesellschaften Stromer-Ortlieb und Kamerer-Seiler. Im folgenden Jahrzehnt verschwanden weitere Nürnberger Familien - die Kreß, Pirckheimer und Mandel - aus dem Handel in Venedig und Lübeck, den sie über Jahrzehnte bestimmt hatten." (Fuhrmann in Dirlheimer, S.184)

 

 

Lebensmittel

 

Die im 14. Jahrhundert massiv sinkende Bevölkerung führt bei manchen Handelsgütern nur zu kurzfristigen Einbrüchen und Firmenkrisen, aber die Mengen der Massengüter im Nahrungsmittelbereich nehmen natürlich bis ins 15. Jahrhundert erheblich ab. So geht beispielsweise der Getreideanbau in Osteuropa, der den Westen versorgt hatte, deutlich zurück.

Andererseits ist bis ins 15. Jahrhundert zumindest Getreide die wichtigste feste Nahrung, weswegen man viel davon braucht, vermutet wird ein Kilo pro Tag. Nur ein kleiner Teil davon wird zu Brot gebacken, das meiste wird geschrotet, in Wasser aufgeweicht und dann entweder so oder gekocht als Brei gelöffelt.

 

Fleisch hat weiter einen deutlich geringeren Stellenwert als Getreide, und nur ein geringer Teil geht als Frischfleisch direkt über die Theke/Bank, da es kaum Möglichkeiten zur Kühlung gibt und nach zwei Tagen alles verkauft sein muss. Abder der größere Teil des Fleisches wird ohnehin zu Würsten, Sülzen und Pasteten verarbeitet, und gesalzen, gekocht und geräuchert.

 

Andererseits bleibt eine Schicht, die weiter Luxusgüter nachfragt. Dazu gehören die süßeren Südweine aus Portugal und Südspanien, der Portwein und der Sherry, die sich vor allem in England zunehmender Beliebtheit bei den Wohlhabenden erfreuen, sowie auch im übrigen Westeuropa der Malvasier, erst von der Peloponnes und in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts dann aus Madeira.

 

In Norddeutschland bis nach Holland, Brabant und Flandern nimmt das zunehmend hochkapitalisierte Brauen von gehopftem Bier zu, und Städte wie Hamburg, Gouda oder Leuwen werden zu veritablen Brauereistädten für Exportbier. 

Mit der Zunahme des Bierkonsums im Norden wächst dann der Anbau von Gerste, und es beginnen sich ganze Hopfenlandschaften zu bilden, die ihn massenhaft bis nach England exportieren.

Mit Hopfen gebrautes Bier schmeckt nicht nur anders, sondern bedeutet erheblich erhöhte Haltbarkeit. Damit kann Bier auch für fernere Märkte produziert und dorthin transportiert werden. Es wird zum Massenprodukt selbst für Handel über Regionen hinweg.

 

Kapitalkonzentration führt in einzelnen Branchen zur Firmenkonzentration. Nicht nur die Zahl der Töpfereien geht zurück und die übriggebliebenen haben entsprechend höheren Ausstoß. In Rostock investieren Kaufleute nicht nur in Werften, sondern auch in Brauereien. Die dazu berechtigten Brauherren stellen Braumeister, Brauknechte und zudem Gehilfen in Lohnarbeit ein.

Neben anderen thüringischen Städten gewinnt auch Nordhausen eine Art Bierbann, der im Umkreis der Bannmeile(n) Produktion, Einfuhr und Verkauf fremden Bieres verbietet. Im Falle Nordhausens wird das durch ein Privileg Kaiser Karls IV. bewirkt.

 

Bei den Brauern in Oxford führt das von einer Zahl von über 250 im Jahre 1311 zu ungefähr 24 im frühen 16. Jahrhundert. Ein wesentlicher Grund ist die Nutzung des Hopfens für die Bierproduktion, wobei niederländisches Bier das englische Ale zurückdrängt.  Und da die neuartigen Braukessel über 20 Pfund kosten, wird das Brauen großer Mengen nun zur Sache kapitalkräftiger Unternehmer, auch wenn das Ale nicht ganz vom Markt verschwindet.

 

Ähnlich gewichtig wie das venezianische Salz ist das Baiensalz von Bourgneuf, welches Nordfrankreich, die Niederlande, England und zum Teil auch Skandinavien versorgt. In deutschen Landen bleiben Lüneburg, Hallein und Halle an der Saale führend, bis schließlich Hall in Tirol dazukommt.

Die Bedeutung des Lüneburger Salzes für die Handelsstadt Lübeck schlägt sich in dem über fünfzig Jahre des 14. Jahrhunderts erbauten Kanal von der Elbe bis zur Trave nieder, der über 50 Kilometer lang wird und zahlreiche Schleusen braucht. Aber Salz ist die Grundlage des riesigen Lübecker Handels: Es geht nach Bergen, von wo gesalzener Kabeljau und Stockfisch zurückgehen, die neunzig Prozent des dortigen Handels ausmachen, besonders aber nach Schonen, wo es die Heringsfischer benötigen. Der Salzhering geht dann auf Hanseschiffen vor allem nach den englischen Häfen Boston und (King's) Lynn. "Im Jahr 1494 wurden etwa 60 000 Fässer, also rund 7600 Tonnen, Salzhering produziert." (Spufford, S.226)

Von großer Bedeutung ist auch die Salzproduktion von Salins in der Franche-Comté. 1329 werden hier von der größten der drei Firmen, der Grande Saunerie,  72 000 Mauleselladungen von je 99 Kilogramm produziert. Mitte des 15. Jahrhunderts, als es mehr Aufzeichnungen gibt, ist die Produktion bereits auf die Hälfte gesunken. An Arbeitskräften steht diese Grande Saunerei immer noch mit rund 600 Arbeitern nur hinter dem Arsenal von Venedig zurück. Alle drei Firmen zusammen erwirtschaften einen Gewinn, der den Einnahmen Philipps ("des Guten") aus dem Herzogtum Burgund und der Grafschaft zusammen entspricht.

 

Bienenhonig ist überall lokal zu haben, aber Bienenwachs für den massenhaften Verbrauch für hochwertige Kerzen ist ein wichtiges Handelsgut der Hanse, Es kommt aus den großen osteuropäischen Wäldern und wird zwischen Nowgorod und dem preußischen Ordensland gehandelt und geht dann per Schiff bis nach Brügge und England. "Gegen Ende des 15. Jhs. wurden über London jährlich rund 100  Tonnen Bienenwachs eingeführt, während in Lynn und Boston etwas mehr direkt aus Lübeck angelandet wurde." (Spufford, S.229)

 

Papier und Druck

 

Mit der Papiermühle beginnt die deutliche Verbilligung des Materials. Nördlich der Alpen taucht sie 1338 in Troyes auf.

1390 richtet der große Teile Europas umgreifende Firmenkomplex von Ulman Stromer in Nürnberg durch Umbau die wohl erste deutsche Papiermühle ein. Man versucht, die Technik geheimzuhalten, was aber nicht lange gelingt. Kurz darauf ist der erste "Papierer" in Rothenburg/Tauber an der Arbeit. In der beginnenden Neuzeit wird Nürnberg dann auch zu einem Zentrum des Buchdrucks.

 

Um 1500 werden es dann in deutschen Landen rund fünfzig Papiermühlen sein. Dabei bleibt ein erheblicher Kapitalaufwand Voraussetzung, der sich aber offensichtlich wegen des großen Ausstoßes schnell rentiert.

Papier wird dabei allerdings auch nicht ansatzweise so billig wie in der heutigen Fabrikproduktion, aber es wird ein immer bedeutenderes Handelsgut.

 

Kommerzielle Buchproduktion beginnt im 13. Jahrhundert in Städten mit Universitäten, großen Residenzen und in Handelszentren. Bis tief ins 14. Jahrhundert beherrschen gut zwanzig Familien das Buchgeschäft in Paris vom Ankauf von Pergament und Papier über die Beschäftigung von Schreibern und Bebilderern bis zu Buchbindern und dem Verkauf. Verkauft wird alles, was gewünscht wird.

 

Zu der Papierproduktion kommt dann der Druck mit beweglichen Lettern. 1453/54 druckt Gutenberg die 42-zeilige Bibel.im nächsten Jahrzehnt tauchen Druckerpressen in Rom, Mailand, Florenz und Neapel auf, und ein Jahrzehnt später in Paris, Lyon, Brügge und Valencia. 1473 werden die ersten Musiknoten gedruckt.(Tuchman, S.525)

In Köln lernt der englische Tuchhändler William Caxton den Buchdruck kennen und bringt dann 1473/74 eine Druckpresse nach Brügge mit., wo er eine französische und eine englische Trojageschichte druckt. 1476 richtet er eine Druckerei in Westminster ein, wo er 1484 Malorys Morte d'Arthur druckt. Drucker sind dann auch die Verkäufer der Bücher.

 

Druckereien im ausgehenden 15. Jahrhundert bleiben meist noch eher kleine Betriebe, aber wie Koberger in Nürnberg gibt es erste, die an mehreren Orten eine größere Zahl von Gesellen beschäftigen. In der Regel produzieren solche oft an Universitäten ausgebildete Leute, nicht selten Kleriker, die Bücher nicht nur, sondern verkaufen sie auch.

 

Nachdem der Druck Bücher zunächst nur eingeschränkt verbilligt, werden sie dann erheblich preisgünstiger durch Massenproduktion. Das wird im 16. Jahrhundert dazu führen, dass wohlhabendere bürgerlich-protestantische Kreise im 16. Jahrhundert zumindest ein Buch im Haushalt haben werden, eine Bibel nämlich. Das Lesen wird dann auch durch verbesserte Lesebrillen für die einfacher werden, die sie benötigen.

 

Zwischen 1473  und 1513 veröffentlicht der Nürnberg Drucker, Verleger und Buchhändler Anton Koberger bereits mehr als 200 Werke. "Auf dem Höhepunkt seiner Geschäftstätigkeit betrieb er 24 Pressen und beschäftigte über 100 Arbeitskräfte: Setzer, Korrekturleser, Drucker, Illuminatoren und Buchbinder. Er besaß sogar eigene Papiermühlen." (Spufford, S.211)

 

"Kunst": Malerei

 

Der zunehmende Wohlstand führt dazu, dass in Flandern oder in der Toskana immer mehr Malerwerkstätten aus dem Boden schießen, deren Meister im Norden in Lukasgilden zünftig zusammengeschlossen sind oder aber im Süden anderen Zünften angehören. Was später romantisierend unter einem neuen Kunstbegriff zusammengefasst wird, wird so zu einem nicht unerheblichen Gewerbezweig, den nur Reichere nachfragen, der aber immer umsatzstärker wird.

 

Dasselbe gilt für die Produktion von Wandteppichen, die vor allem in Paris, dann in Arras und dann in den einst deutschen Niederlanden floriert. Reich bebildert, versuchen sie mit ihren technischen Möglichkeiten den "Realismus" der Ölmalerei nachzuvollziehen, wobei sie dieselben propagandistischen Ziele wie diese verfolgen, und oft großformatige kriegerische Heldentaten der Vergangenheit feiern. Ähnlich wie die Maler sind die großen Werkstätten in ihren flämischen Zentren in Zünften zusammengeschlossen.

Solche Wandteppiche sind oft noch wesentlich teurer als große Gemälde und ohnehin viel größer. Dafür geben Könige und Fürsten für sie auch viel mehr Geld aus als für Ölmalerei. König Jean II. von Franreich soll zwischen 1350 und 1364 mindestens 235 Tapisserien gekauft haben, Herzog Ludwig von Anjou hat mit 25 Jahren bereits 76 solche erworben und wird dann in einer Pariser Werkstatt unter anderem noch die riesigen, alleine sechs Meter hohen Apokalypse-Teppiche erwerben. Italienische Fürsten und polnische Könige tun es ihnen nach.

 

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Im 15. Jahrhundert gelingt es nach Italien und Burgund vor allem auch in wohlhabenderen deutschen Städten einzelnen Kunsthandwerkern, zu einem gewissen Wohlstand, ja Reichtum bis hin zu Unternehmertum zu gelangen. Da ist Tilman Riemenschneider in Mainfranken und da sind Adam Kraft und Veit Stoß in Nürnberg zum Beispiel. Herausragendes Beispiel ist im Süden wohl Albrecht Dürer.

Sein gleichnamiger Vater kommt 1455 als Goldschmied in Nürnberg an und bedient bald die Reichen und Mächtigen mit herausragenden Kunstwerken. Der Sohn bricht mit 15 Jahren seine Goldschmiedelehre ab und wird Lehrling bei dem renommierten Maler Michael Wohlgemuth. 1490 geht Dürer auf Wanderschaft nach Straßburg, Colmar, Basel und vielleicht auch in die Niederlande. Später wird nocheine Reise nach Venedig und eine Italienreise hinzukommen und 1520/21 eine ausführliche Niederlandreise, immer zu Studienzwecken. Um 1503 hat er seine eigene Werkstatt in Nürnberg, in der spätere Berühmtheiten wie Hans Baldung Grien mitarbeiten. 1509 ist er so wohlhabend, dass er sich für mehr als 500 Gulden ein großes vierstöckiges Haus leisten kann. 1515 bewilligt ihm Kaiser Maximilian I. eine (lebenslange) Leibrente von 100 Gulden. Neben Holzschnitt und Zeichnung und der Malerei ist er Kunsttheoretiker und Mathematiker und mit Größen des deutschen Humanismus auf vertrautem Fuß.

 

Zünftiges Handwerk in deutschen Landen

 

Die Menge und Diversifizierung des Handwerks in einer bedeutenderen deutschen Stadt im 14. Jahrhundert sieht am Beispiel Erfurts laut Werner Mägdefrau für die an den Erzbischof Abgaben leisteten Handwerke so aus:

Vor den Graden stehen 60 Schuhbänke, das Lederhaus mit 36 Bänken, ein Brothaus, die alten Fleischbänke sowie eine Anzahl von Leinwandgaden... "auf dem Wenigemarkt fanden sich nicht weniger als über 50 Bänke oder Stände für die Erfurter Schuhmacher, ein Lederhaus, ein Brothaus, 90 Gewandschnitt., Kürschner- und Schneidergaden, die eine gassenartige Doppelreihe von Verkaufsständen bildeten, 80 bis 90 Fleischbänke, und auf der Langebrücke waren über 20 Fleischbänke als feste Verkaufsstände vorhanden." (S.159)

In Nordhausen gibt es in dieser Zeit an Meistern 80 Schuhmacher und 40 Gerber, 40 Bäcker und 40 Wollweber, 44 Gewandschneider in ihren Kammern im Rathaus und etwas früher 54 Fleischer/Knochenhauser. (S.160f)

 

Im 14./15. Jahrhundert prägen nicht nur Kirchen und immer repräsentativere Steinbauten vornehmer Geschlechter und Kapitaleigner das Stadtbild, sondern auch die Zunfthäuser, nach deren Gewerbe oft die Straßen benannt werden. Hier wird bei Speis und (vor allem auch) Trank beraten und gefeiert. Daneben sind die Zünfte in den jeweils von ihnen bevorzugten Kirchen mit Altären und Kapellen präsent. 

Das Selbstbewusstsein des Handwerks spiegelt sich auch in einem steigenden Bildungsniveau, welches neben Lesen und Schreiben und den gewerblichen Fachkenntnissen zu einem weiteren Horizont führt. Dazu kommt mit dem Meistersang ein volkstümlich-künstlerisches Feld. Der wird in eigenen Singschulen erlernt, wo Strophenform, Melodie und andere Regeln vorgegeben werden. Danach sind Meistersinger in eigenen Bruderschaften vereint. Selbständiger Gesang wird dann über Literaturkenntnisse und andere Anregungen erworben.

Daneben ist das Handwerk führend in der Fastnacht in den Umzügen, beim Mummenschanz, bei Tänzen und bei den Fastnachtspielen vertreten, die allerdings gerne und insbesondere nach der Reformation von der Obrigkeit eingeschränkt oder verboten werden.

 

Das Regulieren und Verrechtlichen nimmt wie überall auch im Handwerk zu. 1313 wird es verpflichtend für die Schmiede von Stettin, ein Meisterstück anzufertigen, 1360 gilt das auch für die Goldschmiede von Riga und 1370 für die Schuster von Lübeck; aber die Regel wird so etwas erst viel später. Regionaltage im hansischen Raum erlassen schon 1321 eine Ordnung für die Böttchergesellen, "die für sie einen Höchstlohn festsetzte, ihnen Schwarzarbeit verbot und sie hinderte, ihre Meister zu verlassen, um zu den Schonischen Messen zu fahren." (Dollinger, S.177)

 

Zeichenhaft für Regulierung steht die der Tageszeit, welche seit der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts Turmuhren leisten, die zunächst die Stunde schlagen und dann im 15. Jahrhundert immer verbreiteter auf einem Zifferblatt mit Zeiger die (fast) genaue Zeit anzeigen. Damit beginnen für die Lohnarbeit erste Auseinandersetzungen über Arbeits- und Pausenzeiten.

 

Die Zünfte pendeln zwischen der Funktion, Interessenvertretung ihres Gewerbes zu sein, und der, durch ihre Unterordnung unter Rat und politisches Großkapital als Instrument der Kontrolle durch die Obrigkeit zu funktionieren. Ein florierendes Handwerk ist dabei im Kern durchaus im Interesse der politisch wie wirtschaftlich Mächtigen, ganz anders als im 19. und 20. Jahrhundert, als diese das produktive Handwerk zur Gänze untergehen lassen.

 

Es gibt also Gemeinsamkeiten im Interesse. Politisch kann es zum Beispiel aus Gründen des inneren Friedens manchmal sinnvoll erscheinen, Innovationen zu vermeiden. 1412/13 verbietet so der Kölner Rat die Einfuhr von Seidenzwirnmühlen durch den süddeutschen Kaufmann Walter Kesinger (Dirlmeier, S.36), um nicht zu viele Arbeitsplätze zu gefährden. Genausogut kann aber eine vom Patriziat streng regierte und Handwerkervereinigungen massiv unterdrückende Stadt wie Nürnberg Innovationen zum Beispiel im Metallbereich fördern.

 

Rat und Zünfte sind sich zunehmend einig in der Einschränkung der Konkurrenz, die den kleinen Handwerksbetrieb schützt. Dies geschieht durch massive Begrenzung der Betriebsgröße, des Großgeräts wie der Webstühle, durch Absatzquoten, Verteilung der Aufträge durch die Zunft, kollektiven Messebesuch oder das Verhandeln nicht selbst produzierter Waren wie das Verbot von Werbung (Isenmann, S.344). Zudem kann die Menge und der Preis beim Rohstoffkauf reguliert werden, die Lohnkosten und Marktpreise können limitiert werden und, was ganz zentral ist, die Qualität wird kontrolliert.

 

Die Einschränkung der Konkurrenz betrifft den Zuzug neuer Handwerker, aber oft auch den wirtschaftlichen Ausschluss von Handwerkern im Umland. In einer Chronik von 1411 heißt es, dass ...kein Bürger hier zu Augsburg, weder reich noch arm, weder Kaufleute noch andere Bürger, mit einem Weber, der auf dem Lande innerhalb von drei Meilen rings um die Stadt ansässig ist, irgendwelche Zusammenarbeit oder Geschäfte unterhalten soll. (Engel/Jacob, S. 314) 1470 verfügt der Kurfürst von Sachsen, dass auf eine Meile Weges um Chemnitz herum kein Handwerker wohnen und dort sein Handwerk betreiben soll und dass kein Dorfgastwirt selbst brauen oder fremdes Bier, es sei denn Chemnitzer Bier, das ganze Jahr über aussschenken soll. (Engel/Jacob, S. 315) So kann im Zusammenspiel von Fürst und städtischer Obrigkeit das Gewerbe und der Einzug von Abgaben besser kontrolliert werden.

 

In der Wirklichkeit gibt es aber einen massiven Widerspruch zwischen dem Schutz des (kleinen) Handwerksbetriebes, wie ihn Zünfte und Räte formulieren, und seiner Gefährung durch Abhängigwerden einmal vom Handelskapital und zum anderen von reich gewordenem Handwerk selbst.

 

1439 fordert jemand in der 'Reformatio Sigismundi', dass man die Zünfte ganz abschaffen solle, da sie den Interessen der Allgemeinheit (der Konsumenten vor allem) zuwiderliefen.

Das Handwerk wurde dazu erdacht, dass jedermann sein tägliches Brot damit gewinnen kann. Wenn niemand den anderen bei seinem Handwerk stört, dann leidet die Welt keine Notdurft und jeder findet sein Auskommen. (in: Ertl, S.10)

In Leipzig besitzen die städtischen Fleischer ein Monopol. Die Universität verlangt 1470 einen freien Markt für Fleisch,

denn je mehr auf den Markt gebracht wird, desto preisgünstiger ist es, und die fremden Fleischer legen ihr Geld wieder bei der Stadt an. (...) es ist besser, Sechstausend werden wohl versorgt, als dass sechs, acht, zehn, die nun das Handwerk mit Bewilligung des Rats ausüben, sich stark bereicherten bei gleichzeitigem Nachteil aller anderen. (in: Ertl, S.14)

Dass Produzenten /Anbieter und Konsumenten (manchmal diametral) unterschiedliche Interessen auf dem Markt haben, ist nicht neu und besonders dort Konfliktmaterial, wo das Geld eher knapp ist. Dass der Leipziger Protektionismus zudem die Gefahr verschlechterter Qualität enthält, wird in diesem Text ebenfalls erwähnt.

 

 

Innerhalb der Städte wird hingegen auf bürgerlichen Wunsch die Konkurrenz der Klöster, der Laienorden der Teriarier und die der Beginen beschränkt, indem letzteren zum Beispiel die Anzahl der Webstühle vorgeschrieben wird. Bei etwa 106 Beginenhäusern im Köln des 15. Jahrhunderts und etwa 1.500 Beginen spielt deren Wirtschaftskraft durchaus eine Rolle.

 

Die vielen Regulierungen sollen das Handwerk schützen, aber sie schützen zumindest Teile davon auch weiterhin nicht vor Armut. In einer Augsburger Chronik von 1397 heißt es: … denn es waren sehr viele arme, zu Grunde gerichtete Weber in der Stadt, und man meinte, die Weber hätten gern in der Stadt Mord gestiftet, um ihre Geldschulden loszuwerden. (Engel/Jacob, S. 297)

 

 

Unter den Zünften gibt es früh eine Hierarchisierung in reichere und ärmere, oft in Gruppen oberer und minderer Zünfte und zunftlosen Gewerbes geteilt. Dabei gibt es im späteren Mittelalter in den reicheren und mächtigeren Zünften wiederum einzelne reichere Meister, die mit einem Bein schon Kaufleute sind und damit kapitalistisch orientiert. In Erfurt sind das zum Beispiel Lederschneider, Schmiede und Wollweber.

Damit schließen sie auf zu den Handwerker-Verlegern in Flandern, was sich in deutschen Städten in dem Kompetenzgerangel zwischen Webern und zu Kaufleuten aufsteigenden Gewandschneidern zeigt. Im thüringischen Nordhausen ist das Innungshaus der Gewandschneider zugleich das Rathaus. Im thüringischen Mühlhausen setzt der Rat 1411 durch, dass die Weber abgesehen von den Jahrmärkten der Stadt ihre Tuche an die dortigen Gewandschneider verkaufen müssen. 

 

In Erfurt kann man beobachten, wie Produktion und Handel von Färberwaid in die Hände der Waidjunker gerät, die die Produktion mittels Lohnarbeit veranstalten und in Handelsgesellschaften das Fertigprodukt vermarkten. Sie übertreffen dabei noch die Kapitalisierung von Mühlen- und Brauereigewerbe.

 

Andererseits besteht eine Tendenz, minder angesehene Arbeit nach unten auszugliedern. Die Schuster nicht nur in Erfurt gliedern die Flickschuster aus, Bäcker ohne eigenen Backofen, die Öfen anderer Bäcker anmieten müssen, in Erfurt die Nachbäcker, sind weniger privilegiert.

Nachdem die Färberei aus der Gesellenarbeit der Wollweberei ausgegliedert ist, wird sie den niederen Zünften zugeordnet, wiewohl sie aufgrund ihres höheren Kapitaleinsatzes in Florenz zum Beispiel zu den wohlhabenderen Handwerkern des Textilgewerbes gehören.

 

 

****Gesellen****

 

Gesellen sind einem Meister zugeordnete Arbeitskräfte, die auf dem Weg in die (sogenannte) Neuzeit zunehmend weniger Kost und Logis und stärker ersatzweise einen kleinen Lohn erhalten. Ihre Bindung an Meister, ihre fachspezifische Ausbildung samt Kenntnissen und Fertigkeiten unterscheiden sie von einem beliebig einsetzbaren Industrieproletariat. Das stärkt ihr Selbstbewusstsein, andererseits stehen sie außerhalb der politischen Verfasstheit der Städte, an der bestenfalls Meister partizipieren.

 

Seit der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts bilden sie analog zu den Zünften eigene Gesellenvereinigungen aus, um ihre Interessen zu vertreten. Voreiter sind Schuhmacher, Schneider, Schmiede und Bäcker. Man organisiert Treffen, hilft wandernden Gesellen-Kollegen, gute Meister zu finden, boykottiert unehrliche Meister, richtet eigene Trinkstuben ein. Mit gemeinsamer Kasse werden Plätze in Spitälern erworben und Herbergen für wandernde Gesellen eingerichtet. 

Boykott schlechter Meister und punktuelle, eher seltene Streiks führen zur Verfolgung der Gesellenvereine durch die Zünfte und die städtische Obrigkeit.

In der Konsequenz entwickeln sich Gesellenvereine oft zu (religiös eingefassten) Bruderschaften. Schulz beschreibt für um 1500, wie die Bruderschaft der Colmarer Bäckergesellen über die Stiftungen großer und sehr teurer Prozessionskerzen (in einem Fall 124 Gulden) mit den Badergesellen um den prominenten Ehrenplatz bei der Fronleichnamsprozession konkurrieren (Schulz, S.252f)

 

Die Wanderung als Teil des Gesellendaseins setzt sich im 15. Jahrhundert immer mehr durch, verpflichtend wird es allerdings erst im Verlauf des 16. Die meisten Wanderungen betreffen den deutschen Sprachraum, der auch dadurch stärker (wenn auch nicht politisch) zusammenwächst. Nicht wenige schaffen es aber auch bis London, nach Norwegen, in französische Städte, insbesondere auch nach Rom. Im 16. Jahrhundert mit seinem zunehmenden Nationalismus, seiner Fremdenfeindlichkeit und der zunehmenden konfessionellen Bigotterie schwindet dieser europäische Radius.

 

****Krämer****

 

Einen Sonderfall stellen in den Städten die Krämer dar, die von der Größe her oft in etwa einem Handwerksbetrieb entsprechen und wie dieser, allerdings meist erst später, dem Zunftzwang unterliegen. Im Unterschied zum Handwerker verkaufen sie aber nicht Selbstproduziertes, sondern ein gemischtes Angebot an Waren (nur) aus anderen Orten. Dabei unterliegen sie eigentlich im Unterschied zum Großhandel dem Marktzwang, aber sie tendieren auch dazu, von zuhause aus zu verkaufen. Vor der Übermacht des Großhandels werden sie dadurch geschützt, dass diesem wiederum der Kleinhandel untersagt ist.

 

Um Konflikte unter ihnen zu vermeiden, werden auch sie reguliert. Nachdem die steinerne Version der Erfurter Krämerbrücke erbaut ist, dürfen sie ab 1325 nur noch dort verkaufen.

 

Der Mangel an umlaufender Münze tendiert dazu, dass Krämer auf Kredit einkaufen und auch wieder verkaufen. Dabei können dann in der Spätzeit der zweiten Blüte des mittelalterlichen Kapitalismus erhebliche Umsätze erreicht werden, was manchmal dazu führt, dass sie Zutritt zu der politischen Macht in der Stadt gewinnen.