STADT IM NORDEN 12.JH. BIS 1250

 

 

Flandern

Gilde und Stadt im später deutschen Dänemark

Bischofsstädte in deutschen Landen (Hildesheim / Mainz / Erfurt / Naumburg / Trier / Worms / Würzburg / Bamberg)

Die Zähringer und ihre Städte: Freiburg

Andere weltliche Stadtgründungen (Staufer, Welfen)

Bergbaustädte (Salz / Erze)

Festungsstädte

Stadtgründungen im deutsch werdenden Osten (Leipzig)

Zuzug

Stadtbild

 

Deutsche Lande: Von den Gesellschaften zur Gemeinde II

Freiheiten: Minsteriale und Zensuale

Gesellschaften: Produktion

Gesellschaften: Kapital

Der Sonderfall Köln

Stendal

Einübung in Bürgerlichkeit (zu Körper?)

Abgaben an die Stadt

Stadträte

Frankfurt / Regensburg / Nürnberg

Freiheit?

Otto von Freising und die Begrifflichkeit (in Arbeit)

Die Stadt als Wirtschaftsraum im hohen Mittelalter

Proletarisierung

 

Frankreich

England

 

 

 

 

Kein Kapitalismus ohne relativ freie Entfaltungsmöglichkeit von vielerlei Kapital und ohne die Voraussetzung dafür, die "bürgerliche" Stadt, deren Voraussetzungen wiederum im frühen Mittelalter liegen. Die Dinge sind erheblich komplizierter als dieser einfach erscheinende Satz anzudeuten scheint, aber er liefert den "politischen" Kern, zu dem ein tiefer in den Personen verankerter hinzu kommen muss.

Nach jenem Okzident, den das römische Imperium bildete, und der danach wieder auseinanderfällt, entsteht mit diesen neuartigen Städten ein neuer, ebenfalls lateinischer, der seinen Zusammenhang in den Reisen der Händler erfährt und in dem Austausch von Waren. Aus diesem Zusammenhang fällt der byzantinische und allgemeiner orthodox-christlich geprägte Osten dauerhaft heraus, der ohnehin in der Rus dem Ansturm der Mongolen erliegt und ein Stück weit asiatisch geprägt wird, mit Byzanz von allen Seiten bedroht ist und zweimal untergeht.

 

Kapitalistisch werdende Städte bedeuten für die Menschen einen neuartigen Lebensraum mit neuen Karrierechancen, für die Machthaber aber ein alternatives Einkommen zu dem, welches auf dem Land generiert wird und welches bei geringer "Überschuss"-Produktion bescheiden bleibt. Im 12. Jahrhundert werden das bischöfliche Stadtherren, flämische Grafen wie auch die Herrscherfamilien der Zähringer, Welfen und Staufer so verstehen lernen.

 

Steigerung von Produktion und Produktivität in der Landwirtschaft führen nunmehr verstärkt dazu, dass mehr Menschen nicht-agrarische Tätigkeiten ausüben können. Der Prozess der Urbanisierung nimmt mehr Fahrt auf. Die Zahl der Städte wird bis ins Spätmittelalter im Reich auf über 2000 ansteigen, von denen die meisten allerdings bei unter 5000 Einwohnern bleiben. Immerhin in etwa Dreivierteln von ihnen wird ein regelmäßiger Markt abgehalten. (Ertl, S.72)

In Flandern und Norditalien lebt um 1300 bereits jeder fünfte in Städten, um 1500 dann bereits mehr als jeder Dritte, in manchen Gegenden sogar jeder zweite. Damit wird das wirtschaftliche Leben zunehmend auf die Städte hin konzentriert.

 

Flandern

 

Eine Besonderheit der niederen Lande im frühen Mittelalter ist das Maß, in dem sie dem Meer ausgesetzt und ihm abgerungen sind. Bis ins hohe Mittelalter wird die Küstenlinie teilweise bis zu 15 Kilometern seewärts dem Meer abgewonnen. (Van Loo, S.82) Aus Inseln entsteht dabei Festland. Das Neuland wird zunächst Weideland für Schafe, das Hinterland wird abgeholzt und in Äcker verwandelt.

 

Kerne der flämischen Städte sind einmal Abteien und zum anderen gräfliche Burgen, die Burggrafen verwalten. Neben die Burgstadt tritt die davon eher unabhängige Kaufmanns- und Gewerbestadt. Im 11. Jahrhundert sind Gent und Brügge bereits mit Wehranlagen versehen. Brügge ist aber selbst um 1120 mit etwa 1000 Einwohnern noch eine relativ kleine Stadt.

Flandern insgesamt bietet aber auf dem Weg ins hohe Mittelalter die fortgeschrittenste, dichteste und urbanisierteste (Stadt)Landschaft neben Nord- und Mittelitalien, gefördert von den Grafen, die weiter städtische Siedlungen wie Calais oder Dünkirchen gründen.

 

Zwei Faktoren werden wichtig: Der um 1100 stärker einsetzende Rekurs auf die hochwertigere englische Wolle statt der von den flämischen Abteien hergestellten minderwertigen, der Ypern, Douai, Gent und Brügge zu herausragenden Zentren der europäischen Tuchproduktion macht. Zum anderen der Handelsweg von Brügge nach Köln und dann in alle Welt, der im 12. und 13. Jahrhundert systematisch ergänzt wird durch den ausgebauten Zugang Brügges zum Meer und den Seehandel.

Der Kanalbau nimmt im 12. Jahrhundert weiter zu. Durch den steigenden Wasserstand des Meeres und eine Sturmflut 1134  entsteht das Zwin, ein tief ins Land bis Damme reichender Meeresarm, und von dort bis Brügge wird nun die Reie kanalisiert, so dass Brügge einen Meereshafen erhält. Es wird zum Zentrum des Handels des Kontinents mit England. Die in Flandern zu Tuchen verarbeitete englische Wolle wird von hier als feine Tuche wieder nach England oder auch in andere europäische Gegenden exportiert. Zudem ist Brügge zunehmend zentraler Sitz der flämischen Grafen.

Ein erster Kanalring parallel zur Stadtmauer, aus dem Wallgraben hervorgegangen, ist von Kais gesäumt und dient dem Warentransport.

1180 wird Damme als Vorhafen für Brügge gegründet. Von dort wiederum führt ein Kanal nach Gent. Damme erhält Stapelrecht für Wein und Hering vor allem und wird so ein zentraler Handelsort. 1200 erhält Brügge das Recht auf einen vierwöchigen Markt.

 

Die Tuchproduktion scheint sich früh in das Verlagswesen einerseits und das Unternehmertum reiner Tuchfabrikanten aufzuteilen. Die starke Stellung dieses Produktionszweiges scheint sich dann darin auszudrücken, dass das flämische Kapital sich um 1250 von den Champagnemessen zurückziehen kann und die Händler zu Hause empfängt.

 

1213 erobert eine französische Flotte Damme, damals Hafenort für Brügge. Von dort berichtet der befehlshabende Admiral fasziniert von dem dort angetroffenen Reichtum und der Vielfalt der Waren (Spufford, S.77). Daraus ergibt sich, wie weit das französische Königreich (wie das übrige lateinische Abendland) hinter dieser Region und großen Teilen der Nordhälfte Italiens "hinterher hinkt". Immer mehr fremde Kaufleute kommen nun mit Gaststatus in die Stadt, vornehmlich nichtflämische Niederländer und dann zunehmend Engländer, die viele Privilegien erhalten. Der Anteil heimischer Großhändler nimmt ab.

 

Die Macht in Flandern ist Anfang des 12. Jahrhunderts geteilt zwischen dem Grafen, der Ritterschaft und der bürgerlichen Oberschicht der Städte. Letztere ist durch Schöffen (scabini) vertreten, die zunächst noch Amtsleute der Stadtherren sind, dann aber von der Eidgenossenschaft der Bürger (communio und deren sapientiores, prudentiores, meliores civium) eingesetzt werden, und deren Kollegium dann auch zum Beispiel in Brügge als Stadtrat fungiert. Die Abschließung der Stadt vom Land ist rechtlich in Arras 1111 erreicht, wo nun ein gräfliches Schöffengericht für die Stadt zuständig ist.

 

"Kommunen" existieren unter anderem auch in St.Omer und Arras. Ursprünge der Gemeindebildung liegen aber sicher schon im 11. Jahrhundert und kulminieren dann im Auftreten von iurati, die zum Beispiel in Tournai in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts sich zur festen Einrichtung entwickeln. (Petri in: Verhulst, S.53)

 

Im März 1127 wird der kinderlose Graf Karl der Gute ermordet. König Ludwig VI. setzt als französischer Lehnsherr des größeren Teil Flanderns Wilhelm Clito von der Normandie als neuen Grafen ein. Inzwischen hatte aber eine eidlich verbundene Gemeinschaft der bürgerlichen Oberschicht Brügges mit der anderer Städte erklärt, sie selbst wolle ihren neuen Herrn wählen und dieser habe ihren städtischen Interessen zu dienen. 1127 beschört Wilhelm Clito laut einem Bericht des Klerikers Galbert von Brügge, keine Zölle und keinen Grundzins von den Städten zu erheben. Damit ist die freie Vererbbarkeit der städtischen Immobilien hergestellt. Schließlich erlaubte er ihnen auch, vom Gewohnheitsrecht abzuweichen und eigenes Willkürrecht zu erlassen.

 

England sieht die Entscheidung für Wilhelm Clito als gegen seine Interessen gerichtet und verbietet die Wollexporte nach Flandern. Inzwischen hat dieser allerdings den Verzicht auf Zölle bereits wieder zurückgenommen, da er die Einnahmen für Zuwendungen an seine Vasallen braucht. Außerdem entzieht er den Brügger Schöffen das Gericht über Mitschuldige an der Ermordung Karls des Guten.

Ein erster Aufstand im August in Lille kann von Wilhelm noch niedergeschlagen werden, aber dann wird im September in Brügge diskutiert, ob ein eidbrüchiger Herrscher rechtmäßig sein könne.

Im Februar 1128 stellen sich in Gent die Adeligen Daniel von Dendermonde und Iwein von Aalst an die Spitze der Bewegung und fördern nun die Wahl des auch von England unterstützten elsässischen Grafen Dietrich. Es kommt zu einer Schwureinung der bürgerlichen Oberschicht (der Schöffen) von Brügge und Gent mit den beiden Adeligen. Der französische König verlangt ein Schiedsgericht, was die Flamen ablehnen mit der Begründung, es sei ihr alleiniges Recht, den Grafen zu wählen. Im Juli1228 stirbt Wilhelm Clito und Dietrich setzt sich nun durch, unterstützt von Gent, Brügge, Ypern, Douai und Lille, - in der berechtigten Hoffnung, dass dieser ihre wirtschaftlichen Interessen unterstützen und die gräfliche Macht in diesem Sinne stärken würde.

 

1127/28 bestimmt ein Statut von St.Omer, "dass alle innerhalb des Mauerrings wohnenden und die noch zuziehenden Bewohner vom Kopfzins befreit seien, was de facto die Aufhebung des Zensualenstatus als einer Form leichterer Hörigkeit bedeutete." (Führmann, S.76) Graf Dietrich der Elsässer bestätigt die Urkunde von Wilhelm Clito, aber wieweit sie umgesetzt wird, ist unklar, denn sie greift stark in die Einkünfte insbesondere der Kirche ein. Vermutlich dauert es bis Ende des 12. Jahrhunderts, bis allgemeine persönliche Freiheit der Städter vorhanden ist und zum Beispiel auch die Todfallabgabe wegfällt.

Aber inzwischen erhalten alle Städte ein Stadtrecht, "eine eigene Gerichtsverfassung und die Möglichkeit, Organe aus eigener Verwaltung aufzubauen." (Petri in: Verhulst, S.55)

 

1174 schafft Graf Philipp für Aalst die Todfallabgabe ab, und 1189 für Oudenaarde. 1190 überführt er die gräflichen Hörigen von Kortrijk (Courtrai) gemeinsam in die Zensualität, wobei die Abgaben an die Marienkirche von Tournai fallen sollen (Schulz(2), S.61). Anders als in Worms und Speyer bleiben hier aber ein jährlicher Kopfzins von zwei Pfennigen bestehen, "eine Heiratsgebühr in Höhe von sechs Pfennigen und eine Abgabe im Falle des Todes von zwölf Pfennigen", was als burgensium libertate gaudere bezeichnet wird (Schulz(2), S.125).

 

Schritt für Schritt werden die Schöffen im 12. Jahrhundert zur allgemeinen Vertretung der Bürger. Nach dem Ende der Elsässer in Flandern 1191 treten die Schöffen auch nach außen wie gegenüber England als Gemeinschaft auf, als scabini Flandriae. Das bürgerliche Selbstbewusstsein veranlasst die flämischen Grafen, nach 1200 außerhalb der Städte zu residieren.

 

Eine Besonderheit in Flandern und Nordfrankreich wird die Repräsentanz bürgerlichen Selbstbewusstseins nicht nur im immer prächtigeren Rathaus, sondern in einem möglichst hohen und mächtigen Stadtturm, dem Belfried oder beffroi, wie er um 1240 am Brügger Marktplatz entsteht, dessen Sturmglocke bei Gefahr läutet, und wo die städtischen Urkunden aufgehoben werden. Ypern baut ab 1230 eine riesige Tuchhalle.

 

In der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts kontrollieren in Gent 39 Familien die Stadt, als 13 Schöffen, 13 Ratsmitglieder und 13 ledige. Sie schließen sich zunehmend nach unten ab. In Brügge werden die Schöffen aus den Führungskreisen der lokalen Hanse ausgewählt, damals eine reine Händlervereinigung. In der zweiten Hälfte des Jahrhunderts können dann auch Leute der Mittelschichten in die Hansa und damit in die Stadtpolitik aufsteigen.

 

Die Schöffen "dominierten die städtische Politik, leiteten die Finanzverwaltung, erhoben beispielsweise in Gent Getränkesteuern, die besonders den Konsum der breiten Bevölkerung belasteten." (Fuhrmann, S.79)

 

Vor den Stadtmauern wachsen Vorstädte der kleinen Leute, die vorläufig noch nicht in die städtische Gerichtsbarkeit einbezogen sind. In Gent sind es inzwischen vor allem Weber und Tuchwalker, die immer offensiver politische Teilhaberschaft verlangen. Dort wie in Brügge werden Aufstände niedergeschlagen.

 

***Brügge***

 

Um 1150 baut Graf Balduin V. die Burg von Brügge um und aus. Das castrum mit Mauer und Graben ist zweigeteilt, wie eine Quelle von 1127 beschreibt: in einen klerikalen und einen gräflichen Teil. Der gräfliche Teil besteht aus einigen Gebäuden um einen Innenhof. Diese stammen aus der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts ebenso wie die Kastellkirche St.Donatus im geistlichen Bereich, die  von Gebäuden des Kapitels und das Gebäude des Propstes ergänzt wird. Vorher gab es im 11. Jahrhundert ein gräfliches Gebäude aus Holz.

Mit Balduin V. werden die Burgen von militärischen Festungen stärker zu Verwaltungszentren. Daraus entwickelt sich das wirtschaftliche Leben im 11. Jahrhundert westlich an Markt und Kirche in der Oudeburg und im 12. Jahrhundert weiter westlich entlang der Steenstraat. Der Handel verläuft noch vorwiegend über Land (Verhulst, S.232).

 

Der Zwin-Einschnitt ins Land entsteht irgendwann Mitte des 12. Jahrhunderts. 1180 wird Damme gegründet und ein (Reie)Kanal vom Zwin nach Brügge gebaut.

 

***Gent***

 

Um 1000 umschließt vermutlich ein Wall die Stadt, die sich im 11. Jahrhundert zu einem Zentrum des Textilgewerbes entwickelt. Es entstehen neue Stadtteile.

 

Um 1100 gewährt der Graf von Flandern der Stadt eine eigene Schöffenbank.

 

Gilde und Stadt im später deutschen Dänemark

 

In Flensburg sind Gildehaus und Gildehof ein extra gefriedeter Bereich. Der Ältermann der (Knuds)Gilde darf bis ins 13. Jahrhundert zusammen mit den würdigsten Ratsleuten Räte ein- oder absetzen; immerhin stehen die Knudsgilden unter dem besonderen Schutz des Königs.

 

Neben der religiösen Fundierung der St.Knuds-Gilden steht der Schutz und die gegenseitige Hilfe im Vordergrund. In Dänemark herrscht bis zur Einführung des Juske Love (jütischen Rechtes) zur Gänze und danach immer noch zum großen Teil Volksgerichtsbarkeit. Recht lange sind Gildebrüder zum Beispiel zur Blutrache verpflichtet, so die Familie diese fordert, eine Blutrache, die es in Dänemark noch bis ins 15. Jahrhundert gibt.

Umgekehrt müssen Gildebrüder einen der Ihren, der Totschlag begangen hat, unterstützen. Sie müssen ihm materielle Unterstützung wie auch Eideshilfe bieten. Bei Körperverletzung darf das Stadtgericht von Gildebrüdern nicht angerufen werden.In Flensburg hat der Rat noch um 1400 Schwierigkeiten, "Friedensbrecher in der Stadt dinghaft zu machen, weil deren Gildebrüder im Interesse der Wahrung ihrer Ehre ihnen zur Flucht" verhelfen. (Schütt in: Schwineköper, S.279)

Dazu kommt Hilfe bei Schiffbruch oder beim Freikauf aus heidnischer Gefangenschaft.  Wer die Gildenregeln bricht, kann als Neiding für quasi vogelfrei erklärt werden. Wer Hausfriedensbruch (Heerwerk) begeht, kann erschlagen und Haus und Habe können verbrannt werden. (s.o.)

Mit der zunehmenden Bedeutung der Stadtgemeinde verliert das alles dann an Bedeutung

 

Deutsche Bischofsstädte

 

Inzwischen sind Bischöfe mehr oder weniger wohlhabende geistliche Fürsten mit ihren Residenzen und entsprechender Hofhaltung. Ihre Aktivitäten sind mal mehr, mal weniger gebunden an die Zustimmung ebenfalls wohlhabender und in der Regel adeliger Kapitelherren. Es ist diesen im 12. Jahrhundert gelungen, den übrigen Klerus darunter von den Entscheidungsprozessen auszuschließen. Zudem können sie in Angelegenheiten, die sie alleine betreffen, nun auch alleine entscheiden.

 

***Hildesheim***

 

Kern von Hildesheim ist der Bischofsitz aus der Karolingerzeit, der um 1000 ummauert wird. Bis zur Mitte des 12. Jahrhunderts entstehen zusätzlich vier Stiftsimmunitäten.  Im 12. Jahrhundert wird unter dem bischöflichen Herren aus dem Altenmarkt ein neuer, bürgerlicher Stadtteil um St. Andreas. der 1167 als weitgehend ummauert erscheint. 1196 gründet  der Bischof mit dem Moritzstift direkt daneben auf dessen Boden die Dammstadt mit flämischen Siedlern, die wohl vornehmlich Tuchweber sind.

 

Vor 1223 werden die neuen Stadtteile zur Altstadt, als südlich davon noch planmäßiger unter der Aufsicht des Domprobstes eine Neustadt dazu kommt. Beide sind mit einer Pfarrkirche ausgestattet und beide jeweils ummauert und schließlich mit einem eigenen Rat ausgestattet, dessen Rathaus erstmals 1217 erwähnt wird. Alle drei Bürgergemeinden besitzen eigenes Recht, einen eigenen Rat, eigene Pfarrkirche und eigene Stadtmauer.

 

Um 1249 erhielt die Stadt von Bischof Heinrich I. ein Stadtrechtsprivileg (Stadtluft macht frei).

Noch im 13. Jahrhundert werden dann alle Stadtteile mit einer gemeinsamen Mauer umgeben, was ihr Zusammenwachsen fördert. Die Neustadt wird der Altstadt untergeordnet und ist politisch minder berechtigt.

Schließlich wird der Bischof aus all seinen weltlichen Positionen vertrieben.

 

Auch anderswo im Norden entstehen Städte aus der Addition mehrerer nebeneinander liegender städtischer Gebilde. Braunschweig entsteht aus einem Marktort auf dem rechten Okerufer seit dem 10. Jahrhundert, der Alten Wiek, auf der linken Seite gibt es neben Herzogsburg und Kirche ein Kaufmannsviertel, die sogenannte Altstadt um einen Markt. Nach 1150 wird mit dem Hagen eine weitere Stadt gegründet und dann noch eine "Neustadt". Bald gibt es fünf Räte für fünf Stadte, die im 13. Jahrhundert einen zusätzlichen Gesamtstadtrat bekommen.

In Hamburg schließen sich Altstadt und Neustadt 1215 zusammen und in Osnabrück erst 1306.

 

***Mainz ***

 

Das Mainz des frühen 12. Jahrhunderts beschreibt Otto von Freising folgendermaßen in seinen 'Gesta Friderici':

Diese am Rhein gelegene Stadt ist groß und stark und auf der an den Rhein grenzenden Seite dicht bevölkert, auf der anderen Seite dagegen hat sie nur wenige Einwohner und ist nur von einer starken Mauer mit vielen Türmen umgeben. Die Stadt erstreckt sich in der Länge unendlich weit, in der Breite dagegen ist sie schmaler. (...) Denn auf der an Gallien grenzenden Seite wird sie durch einen mäßig hohen Berg eingeengt, auf der anderen, nach Germanien liegenden Seite aber nur durch den Rhein. So kommt es, dass sie am Rhein mit herrlichen Kirchen und Gebäuden ausgestattet, nach dem Berg zu dagegen mit Weingärten und anderen Nutzanlagen versehen ist. (I, 13)

 

Bischofsstädte haben mit ihren Diözesen quasi Territorien vorgezeichnet, und bei Erzbistümern sind das riesige Gebiete, wie zum Beispiel in der um 1160 geschriebenen 'Vita Arnoldi' (des Erzbischofs Arnold) für Mainz deutlich wird: Denn der Mainzer Stuhl ist sowohl berühmt wegen seiner Suffraganbistümer als auch der edelste wegen seiner Fürsten und der reichste an Menschen und Gütern, sowie an Macht und Gewalt der umfangreichste. Ihm gehorchen nämlich Sachsen und Thüringen, Franken und Hessen, Schwaben, Böhmen und Mähren. (In Staufer und Italien, S.25) Edel, reich, Macht und Gewalt verweisen auf das künftige Kurfürstentum.

 

1119/22 privilegiert Bischof Adalbert die Einwohner der Stadt, wie es auch sonst im Reich geschah, mit dem Recht, nicht mehr vor ein Gericht (placitum) außerhalb der Stadt treten zu müssen, und zudem müssen sie keine Abgaben mehr außerhalb der Stadt leisten. Damit bestätigt er, dass die Stadt rechtlich vom Land getrennt ist, erste Voraussetzung für Gemeindebildung. Mitgewirkt hat eine Art Bischofsrat: Communicato ergo primorum consilio, clericorum dico, comitum, liberorum, familie et civium. (Schulz in: Schwineköper, S.314) Das sind neben der Geistlichkeit führende bischöfliche Ministeriale, die manchmal auch als burgenses auftreten, und solche, die als officiales hohe Ämter in der Stadt innehaben.

 

Hohes Gericht der Stadt bleibt das der Burggrafen als Stadtvögte. Als 1147 ein Hof an Bamberg verkauft wird, heißt es in der bischöflichen Urkunde:

Als in der Volksversammlung (in concione populi) unter Vorsitz des Richters (iudex) bürgerliche Rechtsgeschäfte (civilia iura) behandelt wurden, wie es dreimal im Jahr zu geschehen pflegt, wurde jener Vertrag dreimal öffentlich verkündet, und, ohne dass jemand Einrede erhob, durch prefectorium edictum (des Burggrafen) für die Bamberger Kirche dreimal bestätigt. (in: Falck, S.132)

 

Inzwischen hat aber wohl schon jene Entwicklung begonnen, die die mächtigen Erbvögte durch das mächtige, aber dem Erzbischof besser untergeordnete Kämmereramt ablöst. Sie kommen meist aus dem Kreis der Domherren und sind oft Pröpste wichtiger Stifte, aber es gibt auch weltliche Ministeriale unter ihnen. Sie alle vertreten den Erzbischof in Rechtsprechung und Verwaltung der Stadt. Unter ihnen sitzt der Schultheiß (scultetus) bei Gericht und ebenfalls der Walpode, der auch eine Art Polizeifunktion hat.

 

Die Minsterialen in der Stadt wie diejenigen, die auf dem Lande für den Erzbischof tätig sind, versuchen, so sie vermögender sind, ihre Ämter und Dienstlehen erblich zu machen. In der Stadt sind sie aufs engste mit den großen Kaufleuten verbunden und treiben selbst des öfteren Handel.  In Urkunden treten sie zusammen als "Dienstmann und Bürger" auf. 1116 spricht Heinrich V. von tam milites quam cives von Mainz. Der Großkaufmann Wignand ist schon kurz vor 1100 civis et serviens. (Falck, S.141)

 

Unterhalb der Ministerialen erscheinen nun "Beamte" in officia, die in der Verwaltung der Stadt assistieren, und die wohl Handwerker sind.

 

Für das Domkapitel ist inzwischen der Dekan zuständig, während der immer reicher werdende Propst wie in den anderen Stiften sich aus dessen Leitung zunehmend zurückzieht. Er ist ranghöchster geistlicher Würdenträger und an der zunehmend fürstlicheren Regierungsarbeit beteiligt, betreibt zudem die interne geistliche Gerichtsbarkeit, wenn sie nicht an einen Erzpriester aus dem Kapitel abgegeben wird.

 

Um 1150 erscheinen die cives Mogontine metropolis als Aussteller einer Urkunde. Es sind bedeutende Ministeriale. 1155 sind als Zeugen einer Zollurkunde burgenses und officiati erwähnt.

 

Wie konfliktreich Stadtgeschichte noch in der Stauferzeit sein kann, zeigt das Beispiel Mainz. 1153 sorgt Friedrich Barbarossa für die Absetzung von Erzbischof Heinrich I. und die Einsetzung seines Kanzlers, des Ministerialen Arnold von Selenhofen. Dieser wird von den einflussreichen Kräften in der Stadt abgelehnt und im Juni 1160 im Kloster St.Jakob erschlagen, wie die Vita Arnoldi berichtet. Im Juli wird Mainz darauf exkommuniziert und im Jahr drauf vom Papst gebannt. Im April 1163 hat der Kaiser Zeit, sich gegen die Rebellen zu wenden. Er nimmt der Stadt ihre Privilegien und lässt die um 900 von Bischof Hatto ausgebesserte antike Stadtmauer schleifen. Erst um 1200 sind dann Neubaumaßnahmen an den Mauern dokumentiert, die wohl auch mit dem staufisch-welfischen Konflikt zu tun haben. Sie werden durch das ganze folgende Jahrhundert unter der Aufsicht des Erzbischofs weitergehen und von der Bürgerschaft betrieben.

 

1200 werden zugleich ein staufischer und ein welfischer Erzbischof gewählt. Letzterer, der mächtige Siegfried von Eppstein, ist bis zur Ermordung von Philipp 1208 erfolglos. 1212 wechselt er auf die Seite Friedrichs II., der in Mainz gekrönt wird. Auch die Nachfolger werden im 13. Jahrhundert aus dieser Familie stammen. Daneben ist das Geschlecht derer von Bolanden mächtig, wie auch die Grafen von Katzenelnbogen und die Nassauer.

 

Die Regel im Verhältnis zwischen Bischof und Bürger ist bis tief in die Stauferzeit hinein der Konsens und nicht der Konflikt. An einem Punkt alleine schon macht das Gerold Brönnen deutlich: "Die baulichen Großprojekte wie der Wormser Dom, errichtet etwa zwischen 1125 und 1181, sind, wie durch Inschriften bezeugt wird, Gemeinschaftsleistungen der gesamten Stadt und der Region unter erheblicher Beteiligung der ministerialischen Führungsschicht, gefördert durch das staufische Königtum und bruderschaftliche Organisationen." (in 'Verwandlungen', S.100)

 

In Mainzer Urkunden taucht häufiger die Beteiligung der cives an Beschlüssen auf. 1226 schließen sie sich mit Worms, Speyer, Frankfurt, Gelnhausen und Friedberg zusammen, was Heinrich (VII.) dann verbietet. Es entsteht ein Stadtrat unter maßgebender Beteiligung von höheren und niederen Ministerialen.

 

1235 glanzvoller Reichstag des Kaisers und Erlass des Reichslandfriedens. Darauf kommen im folgenden Jahr kaiserliche Privilegien, die Bestehendes bestätigen und erweitern.

1241 geht Erzbischof Siegfried III. zur päpstlichen Partei über. Die Bürger tendieren zunächst zur staufischen Seite, gehen dann aber zur erzbischöflichen über. Wohl in Zusammenhang damit privilegiert Siegfried 1244 die Bürger in 15 Artikeln.

Der Erzbischof bleibt Herr des Stadtgerichts und der Verwaltung der Stadt samt Markt, Münze und Zoll. Er gewährt den Bürgern erneut das ius de non evocando, also des Gerichtsstandes Mainz. Kaufleute haben Zollfreiheit an Zollstellen im Erzstift. Mit 24 Personen darf die große Mehrheit des Stadtrates (consilium civitatis) frei gewählt werden. Der entscheidet über Krieg und Frieden und schließt Bündnisse. Er hat das Befestigungsrecht und sorgt in der Stadt für Ruhe und Ordnung.

 

Die cives sind dabei die "Geschlechter", also alte und reiche Familien. Diese können in Diensten des Erzbischofs Amtslehen erhalten. Sie haben das Monopol des Gewandschnitts und des Tuchhandels, damit das Recht auf die Gaden für den Tuchverkauf in der Stadt und aus ihnen setzt sich auch die Münzer-Hausgenossenschaft zusammen.

 

1273 wird der Bischof aus seinem befestigten Sitz in der Stadt ganz vertrieben.

 

 

***Erfurt***

 

742 bestätigt Papst Zacharias dem Bonifatius das Bistum Erphesfurt, welches 755 mit dem von Mainz vereinigt wird. Im 9. Jahrhundert ist Erfurt mit seiner Königspfalz bereits wichtiger Handelsplatz an der Grenze des Frankenreiches.  Ab etwa 1000 treten die Erzbischöfe von Mainz auch als weltliche Herren in der Reichstagsstadt Erfurt mit seiner Münze und seinem Marktrecht im 11. Jahrhundert auf. Sie lassen Erfurt durch Vizedoms verwalten, deren Amt ab Mitte des 13. Jahrhunderts für einige Generationen in der Familie Vitzthum erblich wird. 

 

Die Stadtumwallung von 1066 gehört zu den frühesten in deutschen Landen und beginnt damit die Zusammenfassung verschiedener Ortskerne. Inzwischen ist die Führung der Läufe des Flüsschens künstlich gestaltet. 1108 bzw. 1117 werden die Lehmanns- und dann die Krämerbrücke erwähnt. Durch Zuwanderung von Friesen, Flamen, Franken, Slawen und Juden wächst die Stadt.

 

Da sich der Mainzer Erzbischof im königlichen Streit mit dem Papst dem Gegenkönig Rudolf von Rheinfelden anschließt, bekriegt Heinrich IV. die Stadt; 1080 erobern sie seine Truppen und steckten sie in Brand. Im 11. und 12. Jahrhundert werden noch nebeneinander königliche und mainzische Münzen geprägt.

Mit dem Domhügel mit Dom und Severikirche und dem Petersberg mit Königspfalz und Peterskloster wird die Stadt von geistlichen Mächten beherrscht.

 

Neben Jena ist Erfurt eines der führenden unter den vielen Weinbauzentren Thüringens.

 

1120 taucht für Erfurter die Bezeichnung cives auf. 1165 zerstört der Thüringer Landgraf die Stadtumwallung und diese wird 1168 durch eine steinerne Mauer ersetzt.

 

1192 tauchen Bürger als Zeugen in erzbischöflichen Urkunden auf, 1203 beklagt sich der Erzbischof über die Schmälerung seiner Rechte. (Mägdefrau, S. 57)

1212 bildete sich im Zuge der Wirren des staufisch-welfischen Thronstreits ein erster, noch von Ministerialen geprägter Rat aus nobiles bzw. consiliarii. Im selben Jahr tauchen 23 burgenses als Aussteller einer Urkunde neben Vogt und Viztum auf. (s.o.)

Um 1233 gibt es Konflikte mit dem Erzbischof und die Stadt tritt dann als universitas civium auf. Die Domkanonikler und die der Severikirche unterstützen dabei den Erzbischof.

1239 gibt Kaiser Friedrich II. der Stadt einen Schutzbrief. In erneuten Konflikten mit dem Erzbischof stellt die Stadt nun ohne herrschaftliche Mitwirkung eigene Urkunden aus. Inzwischen sind Erfurter Bürger (reiche Handwerker wie Fleischer und Bäcker, Weid- und Tuchhändler und andere Fernhändler) so reich, dass sie um 1230 dem Errzbischof und 1246 dem Landgrafen Geld leihen können. In dieser Zeit sind auch erste Zünfte dokumentiert.

 

***Naumburg***

 

Als 1012  an der Kreuzung zweier Handelsstraßen die neue Burg der ekkehardinischen Markgrafen von Meißen gebaut wird, wird Naumburg (die neue Burg) erstmals erwähnt. 1021 wird von der Neugründung einer Propstei an  berichtet. 1028 geben die Ekkehardiner die Burg an den Bischof ab und sie beeinflussen den Papst dahin, seine Zustimmung zur Verlegung des Bistumsitzes von Zeitz nach Naumburg zu geben. Im selben Jahr vergibt der Kaiser das Marktrecht. Ab dem 13. Jahrhundert rasidieren die Bischöfe allerdings meist wieder in Zeitz.  

 

Die Siedlung von Handwerkern und Kaufleuten neben dem Dombezirk und nahe der Burg wird vom Bischof gefördert und wird bedeutender Messeplatz (Peter- und Paulsmesse). Aus Domstadt, Bürgerstadt um den Markt und dem "Dörfchen" der Ärmeren wächst der Ort zusammen. Seit 1144 wird Naumburg Stadt (civitas) genannt. Münze und Zoll gehören dem Bischof.

 

Das Bistum Naumburg-Zeitz belehnt seinen Besitz an die Klöster der Region. In und um Naumburg sind dies insbesondere das Kloster Pforta sowie das Moritzkloster und das Georgenkloster, deren Wirtschaften manchmal (wie auch gelegentlich anderswo) die örtlichen Bauern vertreibt.So verschwindet das Dorf Pforta, als das Zisterzienser-Kloster dort gegründet ist. Die Klöster verwalten sogenannte Vorwerke, Meierhöfe und diverse Dörfer auf dem Stadtgebiet von Naumburg.

 

Dom-Neubau im 13. Jahrhundert, als die Bedeutung der Messe steigt. Ende des 13. Jahrhunderts wird die steinerne Stadtmauer gebaut.

 

***Trier***

 

Gegen Ende des 11. Jahrhunderts entsteht mit dem nach einem späteren Besitzer so genannten Frankenturm einer der ersten Geschlechtertürme, die vor allem aus römischem Abbruchmaterial erbaut werden und damit neben Sakralbauten frühe Beispiele steinerner Gebäude sind.

 

Einzelne Ministeriale wie der Kämmerer Ludwig von der Brücke gewinnen erhebliche Macht gegenüber dem Erzbischof, die durch schwache Stadtherren noch weiter ausgebaut werden kann und kontrollieren zeitweilig die Verwaltung der Stadt. Möglicherweise in dieser Zeit kommt ein erstes Stadtsiegel auf.

 

Der Burggraf Ludwig mit seinen Ministerialen erlangt bereits in den zwanziger Jahren des 12. Jahrhunderts erhebliche Selbständigkeit. In den Gesta Alberonis heißt es: Burggraf Ludwig hatte Erzbischof Gottfried so von sich abhängig gemacht, dass er sagen konnte, er habe das palatium zu Lehen und alle bischöflichen Einkünfte müssten dorthin gebracht werden. Für den Unterhalt des Bischofs und seiner Kapläne habe er zu sorgen, und alle übrigen zum Bistum gehörigen Dinge seien ihm unterstellt. Die Aufgabe des Bischofs sei es dagegen, Messen zu lesen, Kleriker zu ordinieren und Kirchen zu weihen. Als sein Recht erklärte er, das Land zu regieren, alle Angelegenheiten im Bistum zu regeln und die Kriegsmannschaft zu befehligen. Für die Mahlzeiten des Bischofs lieferte er täglich einen Sester Wein udn zwei Sester Bier, während er selbst mit einem ansehnlichen Gefolge wie ein großer Fürst Tafel hielt. Er trat überall mit einer großen Gefolgschaft von Reitern auf und regierte auf jede Weise das ganze Land. (MGH SS8, S.250)

 

1131 kommt es nach der Bestimmung Alberos von Montreuil zum neuen Erzbischof unter Anleitung Ludwigs erst zu einem Überfall von ihn ablehnenden Ministerialen auf die Delegation, die Albero abholen soll, und dann zu einer coniuratio, die beschwört, diesen zu töten, falls er die Stadt betritt. (Anton/Haverkamp, S.242) Sie plündern die Häuser derer, die Albero unterstützen und überfallen sie auf offener Straße

In einem Kompromiss kann dann Albero außerhalb der Stadt im Palast von Pfalzel residieren, während Ludwig zunächst weiter im bischöflichen palatium in der Stadt haust.

 

Nachdem Erzbischof Albero 1138 wesentlichen Einfluss auf die Wahl Konrads III. hat, überträgt er ihm 1139 St.Maximin, was den Luxemburger Einfluss zurückdrängt. 1141 nutzt der Luxemburger Heinrich von Namur die Abwesenheit Alberos und den Tod Ludwigs von der Brücke zu einem Angriff, bei dem sich die Trierer zur Verteidigung zusammenschließen. Bis 1146 dauert der luxemburgische Verwüstungskrieg, der dann durch Vermittlung des Königs mit einem Teilerfolg des Grafen beendet wird. 1147 kann dann der aus Rom vertriebene Papst Eugen III. unter erheblicher Prachtentfaltung der Stadt einen Besitz abstatten.

 

1157/61 ist von einer communio (...) que et coniuratio dicitur von Trierer Bürgern mit Unterstützung des Stiftsvogtes die Rede, die der Erzbischof unterdrückt. 1169 tauchen Ministeriale als Schöffen in Urkunden auf, die1172 auch das Stadtsiegel führen (Anton/Haverkamp, S.254) und eine Art Stadtbehörde bilden. Hochstift und Klöster bzw. Stifte haben jeweils eigene Immunitätsbezirke und eigene Schöffen sowie eigene Ministeriale, deren einige eben auch Schöffen sind. Sie bilden wesentliche Teile der weltlichen Oberschicht in der Stadt.

 

Im letzten Jahrzehnt des 12. Jahrhunderts baut Erzbischof Johann seine Herrschaftsmittel aus. Die sich selbst ergänzenden Schöffen wählen einen vom Schultheiß zu bestätigenden Zender: "Er war für die ordnungsgemäße Bauweise der Häuser, den Zustand der Wege, die Grenzsteinsetzung, die Bewachung der stadtnahen Weinberge und andere wichtige Gemeinschaftsaufgaben der Stadtbewohner verantwortlich und durfte in diesen Fragen im sogenannten Bauding (...) auch selbst richten." (M. Pundt in: Anton/Haverkamp, S.260)

Kurz vor der Jahrhundertwende gelingt es Johann auch, die Vogteirechte an sich zu bringen und damit die Kontrolle über den Adel in seinem Einflussbereich zu verstärken. Die Hochgerichtsbarkeit geht an einen seiner Ministerialen als Schutheißen.

 

1202 erscheint in einem Vertrag von Philipp von Schwaben mit Klerikern, Ministerialen und Bürgern von Trier zum ersten Mal die universitas civium. In dieser treten die Schöffen, immer noch offiziell Organ der Machtausübung des Stadtherrn, zunehmend in eine Mittlerstellung zwischen diesem und den cives, und gewinnen dabei auch immer mehr Aufgaben wie die Beurkundung von Besitzrechtssachen.

Unter Erzbischof Theoderich von Wied (1212-42) stellen Schultheiß und Schöffen selbständig Urkunden aus, verhandeln mit anderen Städten (Metz) und vertreten Kaufmannsinteressen. Zunehmend kontrollieren nun führende Ministerialenfamilien wie die von Oeren das Kollegium.

Zudem sind viele Schöffen auch Mitglieder in der vom Erzbischof lizensierten dreißigköpfigen Wechslerhaus-Genossenschaft (Huschenozcaph vulgo dicitur), die jährlich eine feste Summe an den Erzbischof abgeben muss und sich ansonsten die Gewinne teilt. Sie stammen aus Kreisen der Ministerialität (geburt von rechter linigen heißt es 1351) und besitzen eigene Gerichtsbarkeit.

 

Diese Honoratioren der Stadt werden nun auch in Entscheidungen über die Verbesserung der Stadtbefestigung und die damit zusammenhängenden Ungelder einbezogen.

 

***Worms***

 

Der Alltag deutscher Städte im hohen Mittelalter besteht aus einem etwas labilen Interessenausgleich zwischen Kapital und Herrschaft, der meist aufgrund gemeinsamer Interessen beruht. Nicht dieser Friede füllt die Quellen, sondern meist nur der Konfliktfall, das besondere Ereignis.

 

Seit Heinrichs V. Privileg genießen die Bürger der Stadt ein hohes Maß an persönlicher Freiheit. Für 1156 lässt sich ein Privileg Kaiser Friedrichs I. ("Barbarossa") erschließen, welches eine Art Stadtgericht bestätigt, welches Recht und Ordnung in der Stadt zu wahren hat. Die vierzig iudices sollen aus zwölf bischöflichen Ministerialen und 28 Bürgern stammen. Diese "Richter" heißen in der Folge manchmal auch consiliarii oder consules. Nach und nach eignen sie sich immer mehr Funktionen an, die daraus einen Stadtrat machen, wie er dann um 1200 auch erwähnt wird.

Nach heftigen Konflikten mit dem Bischof bekommt dieser größeren Einfluss, da es nun sechs Ritter- und neun Bürgersitze im Rat gibt. Statt der wie in Mainz und anderswo am Oberrhein zweigeteilten Ministerialität taucht nach und nach nun die Teilung in milites und cives überall hier auf. (Schulz in: Schwineköper, S.316)

 

Kurz vor 1300 heißt es im Rückblick in den Wormser Annalen:

 

 Es gab nämlich in der Stadtgemeinde Worms 40 Ratsherren, die seit 100 Jahren allein und ohne Mitwirkung des Bischofs dem Rat vorstanden, Frieden geboten und die Gesetze und Verordnungen zum Nutzen der Stadt erließen, und dies gemäß den Privilegien, welche ihnen von Kaisern und Königen gewährt worden waren. Und die genannten Ratsherren haben auch, wenn einer von ihnen verstarb, einen anderen kooptiert. Die genannten Ratsherren haben auch ein großes und festes Steinhaus (...) käuflich erworben (...) Und sie begannen alsbald, dieses Haus zu verschönern und besser herzurichten. Und es wurde das schönste Haus der ganzen Welt. (...) In diesem Haus hielten sie immer ihre Ratssitzungen ab und erachteten ihren Herrn Bischof gleichsam für nichts. (in: Schneider-Ferber, S.59)

 

Laut dieser Quelle soll das zum Rathaus erkorene Haus 'Zum Zoll' 2000 Mark gekostet haben.

 

1184 erweitert Kaiser Friedrich I. die Freiheiten der Bürger noch um die Befreiung vom Kopfzins. Unter Otto IV. bekommen sie den Zugriff auf das Schultheißen-Amt und die Marktaufsicht. 1212 dann ein erster Rückschritt: Um sich der Unterstützung der Bischöfe zu vergewissern, erlaubt der junge Friedrich II. dem Erzbischof Lupus die Erhebung einer Heersteuer (vor allem für Italienzüge). 1220 bestätigt er die starke Position bischöflicher Stadtherren in der 'Confoederatio cum principibus ecclesiastibus'.

Im Konflikt mit seinem Vater neigt Sohn Heinrich dazu, Städte als Bündnispartner zu gewinnen und bestätigt den Wormser Bürgern ihre Rechte, während der Vater sie mit seinem 'Statutum in favorem principum' bereits ganz allgemein kassiert hat.

 

Der Bischof ist zum Hoftag nach Ravenna geladen und verlangt von der Stadt die dem Vorgänger verbürgte Heersteuer zur Finanzierung seiner standesgemäßen Reise mit Gefolge. Diese weigert sich und beschließt selbst eine Delegation nach Italien zu schicken. Es folgen Bann, Reichsacht und Interdikt über die Stadt. Die Bürger müssen den Abriss ihres Rathauses betreiben.

 

Aber Heinrich bestätigt den Bürgern erneut ihre Rechte und es kommt zum Kompromiss. 1233 in der Großen Rachtung wird festgesetzt, dass ein Rat aus neun vom Bischof, Domprompst und dem Vertreter des Cyriakusstiftes bestimmten Bürgern und sechs von diesen bestimmten milites bestehen solle. Einer der ersteren und einer der letzteren sollen Bürgermeister sein, einer vom Bischof und einer vom König bestimmt. Das Ungeld aus Nahrungsmittteln und Getränken verbleibt der Stadt. Vier Männer aus jeder Pfarrei sollen die Abgaben einziehen.

Die Vereinigung der Münzer-Hausgenossen mit ihrer Selbstverwaltung und die der Kürschner bleiben immerhin bestehen.

Schulz belegt ((2), S.149ff), wie viele der ratsfähigen Geschlechter in Worms von Ministerialen abstammen. Diese haben sich in einen ritterlichen und einen bürgerlichen Zweig gespalten, deren letzterer nun als cives auftritt (quemlibet ministerialem suam tam milites quam cives de Lawtenburg... wird es in einer Urkunde für Ladenburg von 1283 heißen). Die Ritter leben auf dem Lande und tendieren dazu, mit dem Landadel zu verschmelzen, nehmen aber "politische" Rechte in der Stadt wahr.

 

Als Heinrich in offener Rebellion gegen seinen Vater die Unterstützung von Worms sucht, weisen die Bürger ihn 1235 ab und unterstützen weiter Vater Friedrich. Schließlich richten sie sogar für viel Geld eine (Rhein)Flotte für Konrads IV. Kampf gegen die aufständischen Erzbischöfe von Mainz und Köln aus.

 

Wie reich und mächtig die Stadt am Ende ist, zeigt die Tatsache, dass sie zwischen 1254 und 1256 alleine 3500 Mark für die militärischen Unternehmungen des Rheinischen Bundes ausgibt. (Schäfer-Ferber, S.71) Als die Stadt 1273 König Rudolf von Habsburg die Treue schwört, fühlen sie sich als Freie Stadt und werden von ihm weiter privilegiert. 1293 muss der Bischof die Selbstverwaltung der Stadt weitgehend anerkennen.

 

***Würzburg***

 

 Seit der Übertragung der Herzogswürde für die Diözese 1168 liegt die geistliche und weltliche Gewalt in der Hand des Bischofs, nunmehr eines Fürstbischofs.

1202 wird einer von ihnen, Bischof Konrad von Querfurt von Hofgesinde und Würzburger Bürgern ermordet.

 

***Bamberg***

 

Das gleichnamige castrum der Babenberger fällt 906 an den König und 973 an den bayrischen Heinrich ("den Zänker"). Als Heinrich II. gründet er hier 1007 einen Bischofssitz zwecks Kolonisierung des Ostens. Er lässt eine Pfalz und daneben einen Dom mit einer großzügigen Domburg und viel Platz für die Domherren-Kurien errichten.Nach Heinrich II. kommt es zu einem Rückzug der Kaiser aus der Stadt, der die bischöfliche Macht stärkt. Was bleibt, ist vor allem seine Beherbergungspflicht.

 

Zwischen Domburg und Regnitz, am "Sand", entsteht dann schnell eine Kaufmannssiedlung. 1062 werden zum ersten Mal mercatores erwähnt. Hier finden sich auch Ministeriale.

Gegen Ende des Jahrhunderts wird die Regnitzinsel besiedelt, wo nun allein noch Platz ist. Hier konzentriert sich bald Handel und Gewerbe und dies wird am Ende der einzige ummauerte Stadtteil.

Klosterstädte

 

Städte entstehen auch weiterhin an Klöstern. Einige Besonderheiten hat die Gründung von Uelzen. Südlich von Lüneburg entsteht Ende des 10. Jahrhunderts ein Kanonissenstift, welches 1130 in ein Benediktinerkloster umgewandelt wird und dem Bischof von Verden untersteht. In dessen Nähe entsteht eine Siedlung, die den Namen Ullessen hat.

Erst im 13. Jahrhundert gibt es Dokumente, die einen Markt und eine Mühle erwähnen und Abgaben, die von den Bewohnern an den Bischof zu entrichten sind. Um 1260 kommt es dabei zu Konflikten zwischen den Bürgern und dem Abt, der sich dann mit den consulibus civitatis Ullensis, also dem Rat, über Details der Marktordnung einigt. Kurz darauf ziehen die Bürger aber auf die andere Seite des Flusses und gründen unter Aufsicht des Grafen von Schwerin Uelzen, welches dann bald bald an den Herzog von Braunschweig-Lüneburg fällt. Inzwischen ist es ganz der klösterlichen Aufsicht entzogen. (Nach Sven Rabeler in: Konsumentenstadt, S. 101f

 

Die Zähringer und ihre Städte

 

Während in der Nähe Basel und Straßburg auf römischen Städten gründen, lässt sich das im Breisgau nur ansatzweise von Breisach sagen. Ansonsten legen sich merowingische und karolingische Strukturen ganz neuartig über die Region. Dazu gehören Besitzungen der Klöster St. Gallen und Lorsch und Grafen im Auftrag der Könige. In ottonischer Zeit schiebt sich ein schwäbischer Herzog zwischen König und Grafen. Breisach erhält einen Markt und eine Münze.

 

Ab 1008 bemächtigen sich die Bischöfe von Basel des Ortes Breisach, damals Zentrum des Breisgaus, und seiner Umgebung. 1028 vergibt Kaiser Konrad II. die Bergrechte der Blei-Silber-Erze und Jagden an den Baseler Bischof. Mit der Förderung Basels verbinden die Könige ihre Perspektive eines Ausgreifens nach Burgund.

 

In etwa derselben Zeit des beginnenden 11. Jahrhunderts fangen auch die Vorgänger der Zähringer an, Einfluss im Breisgau zu gewinnen. Ihr Zentrum ist damals noch der mittlere Neckarraum mit der um 1060 erbauten Burg Limburg bei Weilheim/Teck. Erbauer ist der offenbar recht reiche Bertold I., Graf im Breisgau, in der Ortenau, im Thurgau und im Albgau. Am Fuß der Burg erbaut er eine Propstei

 

Bertold I. wird von Kaiser Heinrich III. die Herzogswürde von Schwaben versprochen, aber nach seinem Tod entscheidet sich seine Witwe Agnes, Vormund für den minderjährigen vierten Heinrich, für den Grafen Rudolf von Rheinfelden,der Agnes Tochter Mathilde erst entführt und dann geheiratet hatte, worauf sie bald starb.

Bertold bekommt bald dann quasi als Ersatz das Herzogtum Kärnten und die Markgrafschaft Verona, welche er nur wenig gegen den dortigen Adel unter seine Kontrolle bekommen kann. Beim Feldzug gegen Sachsen, an dem Rudolf von Rheinfelden und Bertold unter großen Verlusten teilnehmen, beschließen beide, sich vom Salier abzuwenden. 1077 unterstützt Bertold dann die Wahl des Gegenkönigs Rudolf.  In der Folge setzt Heinrich IV. ihn ab und verwüstet mehrmals Teile Schwabens. 1078 stirbt der erste Zähringer-Bertold auf seiner Burg.

 

Im März 1079 heiratet Bertold II. die Tochter Agnes von Gegenkönig Rudolf.

Nun setzt König Heinrich IV. mit dem Staufer Friedrich (I) einen Herzog für Schwaben ein, der gerade mit seiner minderjährigen Tochter Agnes verlobt worden ist. Dagegen erhebt die Adelsopposition dort Bertold, den Sohn Rudolfs, zum Herzog. Beide können nicht die Oberhand gewinnen.

1080 stirbt Rudolf von Rheinfelden auf dem Schlachtfeld und Sohn Bertold tritt die Nachfolge an.

1090 stirbt Bertold von Rheinfelden noch in jungen Jahren und Bertold II. erbt weitgehend dessen Besitzungen in Richtung Hochburgund, Oberrhein und Südschwarzwald. Er konzentriert sich nun auf den Breisgau und lässt die Burg Zähringen erbauen, nach der er sich bald benennt, sowie das Kloster St.Peter im Schwarzwald, welches sein Bruder 1093 weihen wird. Es wird nun zum Hauskloster der Zähringer.

 

Irgendwann vergibt der Bischof von Basel die Bergrechte im Südschwarzwald an die Zähringer, für die es eine Quelle ihres Reichtums wird.

 

Laut den Marbacher Annalen, die nach und nach zwischen etwa 1190 und 1250 entstehen, lässt Berthold (II.) um 1091 im heutigen Gebiet von Freiburg eine Burg errichten und lässt darunter ein suburbium vor allem mit Handwerkern entstehen.

Im Jahre des Herrn 1092: Die Großen Alemanniens einigten sich zur Verteidigung der heiligen Mutter Kirche einmütig darauf, zur Ausführung dieser Angelegenheit  Bertold von Zähringen, den Bruder des Konstanzer Bischofs Gebhard, zum Herzog von ganz Schwaben zu erheben, der bisher noch kein Herzogtum innehat, auch wenn er schon länger den Herzogstitel zu führen pflegte. Dieser hat im vorhergehenden Jahr auf seinem Eigengut im Breisgau die Stadt Freiburg begonnen. (in: Regnath/Widmann, S.13)

 

Das Ganze steht im Rahmen des andauernden Konflikts der Salier-Könige mit dem Papsttum und Teilen der Herren in deutschen Landen, besonders in Sachsen und Schwaben.  Die Einsetzung Bertolds bedeutete Parteinahme von großen Teilen des schwäbischen Hochadels für Urban II. Bischof Gebhard wiederum kontrolliert von Konstanz aus ein Bistum, welches den größten Teil des Herzogtums umfasst, und steht ebenfalls in Opposition zum salischen König.

Die Gründung einer Stadt ohne Genehmigung des Königs könnte als Affront zu verstehen sein, der die Schwäche des Saliers im schwäbischen Raum verdeutlicht. Sie kann aber auch vom Bischof von Basel als solcher gesehen werden, der den südlichen Breisgau weiter bis um 1200 kontrolliert.

Zwischen 1191 und 1220 findet dann eine erste Besiedelung unter der Burg statt.

 

1100 vermittelt der nunmehrige Kaiser Heinrich IV. zwischen den beiden Herzogen, dem Staufer und dem Zähringer, einen Ausgleich. Der Staufer erhält das Herzogtum Schwaben und der Zähringer das Züricher Reichslehen zusätzlich zu seiner bisherigen Verfügungsmasse und ist damit Reichsfürst. Bertolds Neffe Hermann erhält Baden-Baden und den dazugehörigen Markgrafentitel.

 

Bertold orientiert sich Richtung Burgund und verheiratet seine Tochter Agnes mit dem Grafen Wilhelm III. von Burgund.

 

1111 stirbt Bertold II. und sein ältester Sohn wird sein Nachfolger, während der jüngere Bruder Konrad unter anderem mit der Freiburger Gegend abgefunden wird.

 

Um 1120 kommt es dann unter Herzog Bertholds III. Sohn Konrad zur Gründung von Freiburg im Breisgau, der planmäßigen Verstädterung einer Gewerbesiedlung am Fuße der Adelsburg auf dem Schlossberg. „Ihr wurde im Westen eine breite Marktstraße vorgelagert mit Hofstätten von fünzig auf hundert Fuß, etwa sechzehn auf zweiunddreißig Metern, auf denen die neu zugezogenen Kaufleute ihre Häuser errichten sollten.“ (KellerBegrenzung, S.256)

 

Die Gründungsurkunde, die allerdings nur in späteren Exemplaren überliefert ist, weist die Neugründung als Marktgründung aus: Hiermit sei allen jetzt und in Zukunft kundgetan, dass ich, Konrad, im Jahr der Fleischwerdung des Herrn 1120 auf dem Gebiet meines eigenen Rechtes, und zwar in Freiburg, einen Markt (forum) gegründet habe. 1. Nachdem von überall her Kaufleute herbeigeholt wurden, habe ich beschlossen, diesen Markt aufgrund einer Schwureinung (coniuratione) ins Leben zu rufen und auszubauen. 2. Dann habe ich in dem neu ausgewiesenen Marktbereich jedem einzelnen Kaufmann (mercator) ein Grundstück zur Errichtung seines Hauses nach eigenem Recht zugewiesen. 3a. Und ich habe festgelegt, dass mir und meinen Nachkommen von jedem einzelnen Grundstück am Fest des seligen Martin ein Schilling gültiger Münze als Jahreszins zu entrichten ist. 3b. Die Grundstücke sollen jeweils hundert Fuß lang und fünfzig Fuß breit sein. 4. Ich verspreche allen, die meinen Markt aufsuchen, Frieden und freies Geleit in meinem Macht- und Herrschaftsbereich (potestas etregimen). Wenn jemand von ihnen in diesem Gebiet ausgeraubt wird und den Täter namhaft macht, werde ich die Rückgabe veranlassen oder selbst für den Schaden aufkommen. (in: Quellen Stadt, S.124f).

 

Deutlicher als anderswo wird hier, dass neue Städte oft primär aus ökonomischen Interessen entstehen und ein Bürgertum sich aus solchen Interessen von Machthabern herleiten wird. Den Bürgern wird freies Besitz- und abgabenfreies Erbrecht sowie Zollfreiheit gegeben, nur auswärtige Händler müssen dem Marktherrn die bei Marktbesuch und Handel üblichen Zölle für Geleit, Brücken- und Torpassage, Verkauf und anderes zahlen. (Freiburg, S.59) Konzediert wird außerdem die Wahl der die Hochgerichtsbarkeit ausübenden Vögte und der Pfarrer, wen auch immer sie zu diesem Amt gewählt haben, den sollen sie mit meiner Bestätigung haben. Das Pfarrwahlrecht wird allerdings später den Bürgern wieder genommen. Geurteilt werden soll nach dem gebräuchlichen und anerkannten Recht aller Kaufleute, insbesondere aber dem der Kölner.

 

Im selben Jahr "überfiel Konrad (...) das Allerheiligenkloster in Schaffhausen mit bewaffneter Mannschaft, brannte den Ort größtenteils nieder und zwang den Schaffhausener Abt mit massiver Gewalt zur bedingungslosen Übergabe. Trotz der Übergabe Schaffhausens verwüstete Konrad dann auch noch die Umgebung, nahm Gefangene und verlangte schließlich noch die Zahlung einer hohen Geldsumme." (H.Krieg in: Dendorfer/Regnat/Widmann, S.26)

Es geht um die Wirtschaftskraft des Marktortes, der später, 1150, dem Kloster Allerheiligen "von 112 Hofstätten, von 11 Bier- und Weinschenken und den Marktbänken jährlich 93 Pfund Silber an Zins und Zoll" erbringt. (Freiburg, S.62)

 

Angeworben sollen im neuen Freiburg Kaufleute werden, überhaupt konkurrieren Herren nun beim Anlocken von Handel miteinander. Im benachbarten Breisach wird 1185 der Burgberg ganz für Kaufleute reserviert werden.

Im entstehenden Freiburg gibt es zudem schon Leute der Burgsiedlung, darunter Ministeriale, die zum Teil auch für den Herrn als Handwerker oder Händler fungieren. Im Laufe der Zeit wird ein Teil von ihnen mit der Bürgerschaft innerhalb der Mauern als Gemeinde verschmelzen, andere sind direkt außerhalb angesiedelt. 1188 unterscheidet der Vater des Grafen von Freiburg seine Eigenleute noch in Dienst- und Kaufleute. Die Gesamtheit dieser Einwohner heißt denn auch burgenses.

 

1122 stirbt Bertold III. ohne Söhne bei einer Fehde im Elsass und Konrad übernimmt die Herzogswürde und den Herrschaftsbereich der Zähringer. Er zieht mit hunderten von Rittern nach St.Gallen, wo man einen neuen, ihm missliebigen Abt gewählt hat, vertreibt ihn  und setzt mit Gewalt seinen Kandidaten durch.

 

1125 wird Lothar von Supplinburg König und die Zähringer unterstützen ihn gegen die Staufer. Er vergibt an sie dafür das Rektorat über Burgund, ein für diesen Zweck erfundenen Titel. Nachdem Konrad III. mit Unterstützung des Zähringers König wird, bezeichnet er ihn einmal sogar als Herzog von Burgund. Laut Otto von Freising kommt es 1146 zu einer Fehde zwischen Zähringern und Staufern, bei der der junge Friedrich ("Barbarossa") Zürich besetzt und durch Zähringerland zieht. Darauf verheiratet Konrad von Zähringen seine Tochter Clementia 1147 mit Heinrich ("dem Löwen") und gibt ihr großes Heiratsgut (Badenweiler) mit.

 

Freiburg blüht über den Silberbergbau im Südschwarzwald und den Handel auf. 26 Jahre nach der Gründungsurkunde sind bereits Stadtmauern, eine Kirche und ein Hospital belegt.

Das Recht der Pfarrerwahl verlieren die Bürger schon 1247 wieder. Laut einer Urkunde von 1152 übt der Stadtherr nun dreimal im Jahr die Hochgerichtsbarkeit selbst aus, allerdings nicht nach eigenem Willen und gestützt auf seine Macht, sondern nach den Satzungen der Bürger. Diese wirken als Urteilsfinder, als "Umstand" im Prozess mit.

Als Vertreter des Stadtherrn taucht seit 1152 der Schultheiß auf, der zudem das Niedergericht leitet und mit den Bürgern richtet. Ihn wählen die Bürger, und sie können ihn bei Missfallen auch abwählen. (Fuhrmann, S.89, Freiburg, S.69f) Insgesamt wird offenbar, dass die Bürger der Stadt - und nunmehr nicht nur die Kaufleute - einen geschlossenen Rechtsbezirk gleichen Rechtes anstreben.  Neusiedler kann ein Herr nur binnen Jahr und Tag zurückfordern, und nur, wenn er das Zeugnis von sieben Blutsverwandten desjenigen dafür aufbieten kann.

 

"Das Haus war Symbol und Garant des Bürgerstatus. Es lag im Rechtsbereich der Stadtgemeinde, an ihm konnte sich das Stadtgericht, wollte ein Verurteilter seine Buße nicht bezahlen, notfalls schadlos halten. Das Haus beschlagnahmte der Stadtherr, wenn ein Bürger durch ein schweres Delikt seine <Huld> verloren hatte; der Delinquent musste sich die <Herrenhuld> zurückkaufen, wollte er nicht das Bürgerrecht verlieren. Wer gegen Friede und Genossenschaft verstieß, indem er etwa innerhalb der Stadt einen Totschlag beging, dessen Haus wurde niedergerissen zum Zeichen seines Ausschlusses aus der Gemeinde." (M.Blattmann in: Freiburg, 556)

"Im gesamten Stadtgebiet herrschte schon 1152 ein besonderer <Friede>; jede Gewalttat dort galt als besonders verwerflich.Verprügelten sich Bürger außerhalb der Stadt, betrug die Buße drei Schilling; taten sie es innerhalb, verloren sie die <Herrenhuld> und musten sie für mindestens sechzig Schilling zurückkaufen, wollten sie nicht ihr Haus und damit ihren Bürgerstatus verlieren. Schon das bloße Herbeiholen von Waffen während einer Auseinandersetzung provoziert den <Huldeverlust>, ebenso Schlägereien, Verletzung, Gefangennahme, Hausfriedensbruch und natürlich Totschlag innerhalb des Stadtgebietes." (M.Blattmann in: Freiburg, S.557)

 

1152 sterben hintereinander Konrad III. und Konrad von Zähringen, nachdem man sich kurz zuvor versöhnt hat.

Bei der neuen Königswahl soll "Barbarossa" Bertold IV. Burgund und die Provence versprochen haben, die aber erst einmal erobert werden müssen. 1153 bricht der Staufer auf, trifft in Colmar den Zähringer, der ihn aber bald wieder verlässt, was Friedrich wohl veranlasst, in Besancon den Feldzug abzubrechen. Bertold hatte vielleicht seine militärischen Kräfte überschätzt. 1156 heiratet der Staufer dann die Witwe Wilhelms von Burgund, was für den Zähringer die burgundische Perspektive erledigt. Dafür erhält er die Regalieninvestitur in den Bistümern Genf, Lausanne und Sitten "mit dem Recht, in Vertretung des Königs die Bischöfe mit Markt, Münze und Zoll belehnen und in jeder Hinsicht die dem König geschuldeten Leistungen erwarten zu dürfen." (Freiburg, S.123)

Um 1157 gründet Bertold Freiburg im Uechtland nach dem Vorbild des Breisgauer Freiburg.

 

Dann gibt "der Löwe" aber auf Druck Barbarossas Badenweiler mit 500 Hufen und 100 Ministerialen an die Staufer ab gegen Besitzungen im Harz und 1162 löst er die Ehe mit Clementia auf. Friedrich wiederum zieht die Rechte an Genf wieder ein und setzt dann seinen Kandidaten für das Erzbistum Mainz gegen Rudolf von Zähringen durch. Bertold IV. muss sich am Ende fügen und stirbt 1186.

 

Bertold V. orientiert sich vor allem auf Burgund, wo er zunächst einen Aufstand gegen die Zähringer-Herrschaft niederschlägt und dann Bern mit seinem gewaltigen herrschaftlichen Donjon 1191 die Stadtrechte verleiht.

Ansonsten konzentriert er sich auf die neuen Städte Freiburg/Üchtland, errichtet eine Herzogsburg in Thun, lässt einen Donjon in Moudon bauen und Schloss Burgdorf. Er baut ländliche Siedlungen wie Villingen, Offenburg oder Neuenburg/Rhein aus, die allerdings erst nach Aussterben der Zähringer 1218 vollgültige Städte werden.

 

Die Gründungsgeschichte von Freiburg/Breisgau führt relativ bald zu einer engen Zusammenarbeit zwischen (relativ) großem Kapital und den Zähringern. Kurz vor 1178 taucht zum ersten Mal in den Quellen ein Rat auf, deutlicher 1186 als die 24 Geschworenen (coniuratores).

 

Im Stadtrecht des savoyardischen Flumet von 1228 steht das, was wohl schon früher für Freiburg im Breisgau gilt. "Der Stadtherr (...) schwört auf Verlangen der Bürger mit sechs oder acht seiner vornehmen Männer, die Privilegien der Stadt zu wahren; danach leisten die Bürger gemeinsam vor dem Herrn den Schwur, ihrerseits dessen Rechte und die der Stadt zu beachten. Anschließend wählt der Stadtherr nach gemeinsamem Rat seiner Bürger aus der Gesamtheit zwölf der vornehmeren und weiseren zu Räten der Stadt. Sie üben unter dem Schultheißen die Gerichtsbarkeit aus, sind für ihr Tun aber dem Stadtherrn direkt verantwortlich; dreimal im Jahr behandelt er im Gericht auch Klagen über ihre Amtsführung." (Freiburg, S.75)

Das Bürgerrecht ist gebunden an den Erwerb eines bebauten Grundstücks im Wert von wenigstens einer Silbermark; verliert jemand sein Bürgherrecht durch Fehlverhalten, wird auch dies Haus zerstört.

Unter Bertold V. kontrollieren die nunmehrigen Freiburger consules "die Wein- und Fruchtmaße und die Gewichte bei Gold und Silber. Sie waren befugt, Satzungen für den Verkauf von Brot, Wein und Fleisch zu erlassen. Sie führten dieVerkaufslauben auf dem Markt zu." (Freiburg, S.74)

 

Prestigebau der Fürsten ist neben der Stadtmauer das Münster, wohl von Anfang an Pfarrkirche des Ortes.

 

Nach dem Tod Kaiser Heinrichs VI. verteilen Philipp von Schwaben und Bertold von Zähringen Geldgeschenke als Vorbereitung auf die Wahl. Die Erzbischofe von Trier und Köln zum Beispiel verlangen 1700 Silbermark. Am Ende zieht der Zähringer seine Kandidatur zurück, nachdem ihm der Staufer Reichsrechte in Schaffhausen und das staufische Breisach verspricht.

 

Mit dem kinderlosen Tod des Herzogs im Februar 1218 beginnt der Kampf um das Erbe. Am Ende kann ein Neffe des Herzogs, Graf Egino V. von Urach, nunmehr Egino I. von Urach und Freiburg, sich in Burg und Stadt Freiburg behaupten, wobei die Stadt ihn sofort anerkennt. Mit der Freiburger Grafschaft gewinnt der Graf auch das Münzrecht und 1221 die Bergrechte an den Silbergruben im Breisgau, die er vom Basler Bischof zu Lehen nimmt und deren Ausbeutung er kapitalkräftigen Freiburger Bürgern vergibt. Das burgundische Erbe geht an den anderen Neffen, einen Kiburger.

 

Ein ausführliches Stadtrecht wird nun nach dem Aussterben des Zähringer-Hauses für Freiburg 1218 im mit einem Stadtsiegel versehenen Stadtrodel fixiert, in dem das bisher praktizierte Recht zusammengefasst ist. Zu den Privilegien gehört die Beschränkung der Heeresfolge auf eine Tagesreise. Vor allem aber auch werden die Ratsherren, consules, privilegiert, vom Hofstättenzins befreit und "besaßen im Unterschied zu anderen Bürgern Immunität, die nur bei groben Verstößen gegen das Stadtrecht aufgehoben werden konnte. Grundsätzlich war der Rat jedoch in allen Dingen auf die Zustimmung der Gesamtgemeinde angewiesen, die bei schwerwiegenden Entscheidungen etwa im Falle eines Kriegszugs oder bei der Verleihung des Bürgerrechts, noch im 13. Jahrhundert in Form einer Bürgerversammlung zusammenkam." (M. Kälble in: Dendorfer/Regnath/Widmann, S.52)

 

Der Ursprung der Bedeutung der Vierundzwanzig liegt "in Marktpolizei und Marktgericht. Der Rodel von 1218 billigt ihnen das Recht zu, Wein- und Getreidemaße, Gold- und Silbergewichte festzusetzen sowie Vorschriften über Brot, Fleisch und anderes zu machen - ursprünglich wohl über Qualität, Normgröße, Preise. Alle Bürger oder die speziell betroffenen Handwerker mussten diese Beschlüsse gemeinsam beschwören, und wer das dann bricht - so der Rodel, der hier die Zustände der älteren Zähringerzeit wiedergibt - der verliert seine Ehre, und sein Besitz wird zu Allgemeinbesitz.

(...) Die Beschlüsse waren Willküren in des Wortes mittelalterlichem Sinn, durch gemeinsamen freien Willen der Betroffenen erkoren und durch gemeinsamen Eid bindend gemacht." (M. Blattmann in: Freiburg, S.559)

 

Jeder der 24 Räte "verfügt über eine Bank unter drei genannten Lauben der Hauptgasse: der niederen Metzig in der Nähe des heutigen Basler Hofes, der Kramlaube beim Spital und der Brotbänke beim Fischmarkt." (Freiburg, S.178) Daneben gibt es manch weitere Lauben udn Bänke, wie die Brotlauben, eine Gewandlaube, eine Kornlaube und eine Wechsellaube.

Neben den zentralen Lebensmittel-Gewerben gibt es die der Bekleidung, die Schmiede und andere. Kapitalrenditen landen schnell in Grundbesitz auf dem Lande und bei dazu gehörigen Renten.

 

Mit dem Tod des letzten Zähringers beansprucht König Friedrich II. das Reichslehen und darüber hinaus das ganze Erbe. Er nimmt rasch Zürich, Rheinfelden, Breisach und eine Anzahl andere Orte ein. Mit der Unterstützung der Bürgerschaft kann der neue Graf Freiburg behalten.

 

Ein kleiner Kreis von Bürgern bildet den Rat, in den man auf Lebenszeit kommt und in den Nachfolger auf immer denselben Familien kooptiert werden. Diese städtische Machtgruppe scheint zugleich die Nähe zum Grafenhaus zu suchen, an dessen Beratungen sie offenbar teilnehmen.

 

Der Freiburger Graf und der Rat der Stadt sind nach 1220 eher antistaufisch eingestellt, wie ihre Nachbarn in Straßburg. Dennoch entscheidet König Heinrich 1234 in Frankfurt zugunsten von Egino und gegen Hermann von Baden, was die Rechte über den Silberbergbau im Breisgau betrifft. Wenig später belehnt Heinrich Egino mit einer ganzen Anzahl von Bachläufen und angrenzenden Talgründen, in denen Gold- und Silberabbau möglich sein kann.

 

Graf und Stadt unterstützen 1246 den Gegenkönig Heinrich von Raspe, der sie dafür belohnt. Viele andere Städte der Region von Breisach bis hin nach Zürich bleiben aber staufertreu und verbünden sich miteinander. Freiburg gerät dadurch in eine gewisse Isolation, die dem Handel schadet. Graf Konrad gewinnt aber die Burg Zähringen und die Städte Villingen und Neuenburg zurück.

Nach 1245, als der Papst den Kaiser für abgesetzt erklärt, beginnt eine Absetzungswelle staufisch gesinnter Priester. 1247 wird auch ein Leutpriester Rudolf aus Freiburg seines Amtes enthoben. Eine eher prostaufisch gesinnte Gruppe in der Freiburger Bevölkerung sorgt aber dafür, dass er zunächst bleiben kann.

Seitdem (1247) wird aber die Pfarrstelle vom Grafen zunächst einem Bruder des Grafen und dann immer einem seiner nachgeborenen Söhne als Versorgung (z.B. aus den Silberbergwerken) zugeschanzt, und der wiederum muss davon einen Leutpriester bezahlen.

 

In dieser Zeit steigt die Bevölkerung ganz erheblich an, auch wenn der Rat 1247 mit der Behauptung, die Stadt sei auf fast 40 000 angewachsen, deutlich übertreibt. Es kommt zu einer Verdichtung der Bebauung innerhalb der Mauern, Häuser werden um eines auf drei Geschosse erhöht, und die Bebauung außerhalb der Mauern nimmt zu.

 

 

In den Zeugenlisten der Urkunden tauchen immer mehr neue Namen auf, die nicht den alten Ratsgeschlechtern zuzuordnen sind. Es sind Kaufleute und Gewerbetreibende wie Goldschmiede, Schneider, Gerber, Salzhändler, die erhebliches Kapital anhäufen.

Gegen diese Neureichen schließen sich die alten Geschlechter immer mehr ab. Sie beginnen in den 40er Jahren die Ritterwürde zu erwerben und sich milites et cives zu nennen. Dann beginnen sie in den niederen Landadel einzuheiraten, während umgekehrt Ritter des Umlandes anfangen, mit Hausbesitz in der Stadt das städtische Bürgerrecht zu erwerben.

 

Eine im Mai 1248 vom Schultheißen, den consules und der universitas civium ausgestellte Urkunde berichtet zunächst, im Mai des Jahres 1248 sei es zwischen den Freiburger Bürgern und dem Rat der Vierundzwanzig zu einer Zwietracht (discordia) gekommen, weil die Bürger der Ansicht gewesen seien, dass der Rat die öffentlichen Angelegenheiten nicht zu Ehre und zum Nutzen der Allgemeinheit, sondern eigenmächtig ohne Zustimmung und Ratschlag der Gemeinde geregelt habe. Deshalb sei es zu Unruhe und Spaltung (confusio et divisio) innerhalb der Bürgerschaft gekommen, was sich offensichtlich zu einem massiven Volksaufstand gegen den Rat der Vierundzwanzig entwickelt habe. (...) Dem Rat der Vierundzwanzig sollten fortan weitere 24 Ratsmitglieder zur Seite gestellt werden, ohne deren Zustimmung der ältere Rat nichts mehr beschließen durfte. Dabei sollten diese zweiten Vierundzwanzig nicht mehr einfach von den amtierenden Ratsherren auf Lebenszeit ernannt, sondern auf Zeit aus den Reihen der Bürgerschaft gewählt werden. (...) Außerdem sollte künftig einer von zwei mehrheitlich von Vertretern der jüngeren Vierundzwanzig besetzten Ausschüssen über die Höhe der Abgaben befinden und die Aufsicht über die Finanzen führen." Es solle Einmütigkeit und Eintracht herrschen, und zwar so, wie dies von der Mehrheit oder wenigstens dem gewichtigeren Teil der Bürger (sanior pars) vereinbart würde." (in: Dendorfer/Regnath/Widmann, S.54f, Freiburg, S.559)

Mit der Zeit gehen auf den neuen Rat gemeinlich unter einem Bürgermeister die Aufgaben der Polizey, der öffentlichen Ordnung (umbe die unzüht für die stat) und der städtischen Finanzen über.

 

Tatsächlich geht es bei dem Konflikt nicht um "die" Bürger, sondern um den Konflikt zwischen alten Geschlechtern und ihrem Machtmonopol und an Reichtum mit diesen gleichziehenden neuen Familien, die an der "politischen" Macht beteiligt werden wollen.

 

Solche Aufsteiger besitzen Häuser in Freiburg und Güter in bis zu 16 Orten des Breisgaus. Nach und nach gewinnt dieses neue Kapital die Oberhand in der Stadt, was es auch mit der Gründung eines Hospitals zeigt und der Tatsache, dass es nun zum Gläubiger der Grafen wird.

Vielfach ist solches neues Kapital neben altem in Gewerken zusammen-geschlossen auch Investor in Bergbau. Da die Stollen immer tiefer getrieben werden müssen, muss unter anderem mehr Geld für Entwässerung aufgebracht werden mit großen Wasserrädern in Radstuben. Die Kontrolle über den Bergbau entgleitet dabei langsam den Grafen, die die Bergwerke an die Stadt oder einzelne Kapitaleigner verpfänden.

Die Trennung von Kapital und Arbeit wird dabei auch räumlich immer größer: Die in Lohnarbeit stehenden Bergleute wohnen in eigenen Siedlungen bei den Gruben.

 

Solche geplanten Städte, von Fürsten gegründet, die Grund und Boden zur Verfügung stellten, haben von vorneherein einen anderen Charakter als die alten Bischofsstädte. Um Neubürger anzulocken, werden ihnen mehr Rechte zugestanden, die Gründung war "auf eine >verfasste< Gemeinde orientiert." (KellerBegrenzung, S.339) Die Privilegien im Gründungsakt, im Zusammenspiel von Gründer und vornehmerer Kaufmannsschaft verfasst, gelten nun von vorneherein für alle Bürger, wodurch Gemeinde von vorneherein konstituiert ist.

 

Andere weltliche Stadtgründungen

 

Hohe Adelige und Fürsten gründen schon seit unserer Schwellenzeit Märkte, aber diese haben noch keinen städtischen Charakter. Auf dem Weg dahin muss die Schutzfunktion der Marktorte verstärkt und durch rechtliche Regelungen ergänzt werden, die den friedlichen Austrag von inneren Konflikten sichern.

Zu aus sich heraus heranwachsenden Städtchen kommen besonders im 12. Jahrhundert planmäßig gegründete oder besiedelte weltlicher Großer wie der Zähringer, Welfen und Staufer, die für ihr Umfeld nicht mehr Komplexe von Grundherrschaften, sondern eine städtische Basis oder später ein städtisches Umfeld zum „Residieren“ verlangen. Neugründungen werden mit besonderen Bürgerrechten ausgestattet, so wie die Neubesiedlung ländlicher Gebiete mit Bauern diesen besondere Freiheiten zugesteht.

 

Die Gründung und Förderung von Städten im hohen Mittelalter dient zu allererst der Zunahme hochadeliger und fürstlicher Einnahmen, die aus ihnen fließen. Das gilt insbesondere dort, wo der Gründer auch unmittelbarer Herr der Stadt ist. Aber Städte erhöhen auch den Status hoher Herren und haben eine militärische Funktion als Festungen.

 

***Stauferstädte***

 

Nach dem Investiturstreit ist die Krise staufischer Herrschaft nach Friedrich I. der zweite Raum, in dem sich bürgerliche Rechte und bürgerliche Politik freier entfalten können. „Freie Städte“ entstehen mit den Bischofsstädten entlang des Rheins von Köln bis Basel, mit Augsburg und Regensburg im Südosten. Dabei sind die Staufer aus Eigeninteresse ausgesprochene Förderer des Städtewesens und bürgerlichen Wirtschaftens, nur wollen sie die Hoheit insbesondere über ihre eigenen Reichs-Städte nicht aus der Hand geben, indem sie dort den Schultheißen einsetzen und das Schöffenkolleg kontrollieren. Insgesamt entstehen in der Stauferzeit mehr neue Städte in deutschen Landen als je zuvor.

 

Eine Besonderheit insbesondere der Stauferzeit werden die sich ausbreitenden königlichen Pfalzstädte insbesondere in den staufischen Königslandschaften wie Hagenau, Gelnhausen, Kaiserslautern, Wimpfen, Eger. Zwar sind sie keine eigentlichen Residenzen, aber doch ausgedehntere Burgen, von Ministerialien besetzt, die von dort Königs- bzw. Reichsgut verwalten. Von ihnen aus halten die Könige zunehmend Hof, wobei das Gefolge in der darum entstehenden Stadt untergebracht wird. Getragen wird die Pfalz durch Einkünfte aus der Stadt und den Grundherrschaften des Umlandes.

 

Ein Musterbeispiel ist Wimpfen, wo Friedrich Barbarossa um 1170 anstelle einer Burg aus der Salierzeit die größte staufische Kaiserpfalz im deutschen Raum errichten lässt, die einen Neckarübergang kontrolliert. Daneben entsteht bald eine kleine Stadt, die bis zum Ende des Reiches freie Reichsstadt bleiben wird. Als um 1300 die Brücke zerstört wird, sinkt Wimpfen zur Ackerbürgerstadt ab und der Neckarübergang wandert zur freien Reichsstadt Heilbronn, ebenfalls eine Stauferstadt.

 

Handel und Handwerk um die kaiserlichen Pfalzen herum werden also ausdrücklich gefördert, Stadtrechte werden vergeben, Selbstverwaltung wird solange geduldet, wie sie unter königlichem Einfluss bleibt. „Die ganz zweifellos große Anziehungskraft der Neugründungen beruhte aber wohl wesentlich auf den persönlichen Freiheitsrechten ihrer Einwohner sowie darauf, dass sie sich, durchaus mit königlicher Förderung, meist rasch zu Zentren der Gewerbeproduktion und des lokalen Handels, des Warenverkehrs mit ihrem ländlichen Umfeld, zum Teil sogar zu Fernhandelsmärkten entwickelten.“ (Stürner, S.209)

 

Ein weiteres Musterbeispiel ist Hagenau. 1142 ist eine Burg auf einer Insel in der Moder belegt. Ein Freiheitsbrief Barbarossas von 1164 besagt, der Herzog habe den Ort Hagenau unter Kaiser Heinrich gegründet, also vor 1125 (in Löwenherz, S.255).  1163 stiftet Herzog Friedrich im Kastell Hagenau eine Pfarrkirche, was auf eine städtische Siedlung hinweist. Im Privleg von 1164 "soll jeder Einwohner (...) weiterhin seinem jeweiligen Herrn hinsichtlich seiner Person und seiner Immobilien verbunden bleiben, in Bezug auf seinen beweglichen Besitz aber dem >Magistrat< unterstehen" (Schulz(2), S.61) In den siebziger Jahren wird die Burg durch Friedrich Barbarossa zur Pfalz ausgebaut.  Den Bürgern werden die immer üblicheren Eigentums- und Zollfreiheiten zugestanden.

Für Heinrich VI. ist die Pfalz ebenfalls als Aufenthaltsort belegt. Für  Friedrich II. wird Hagenau mit seinem großen Forst bzw. Jagdrevier beliebtester Aufenthaltsort in deutschen Landen. Von hier aus kontrolliert der Burgvogt und seit 1214 der scultetus, also Schultheiß das staufische Haus- und Reichsgut. Aus der Bürgerschaft ausgewählt, war er zunächst nur für die Stadt zuständig gewesen. 1215 wird der aus einfachen bäuerlichen Verhältnissen stammende Wolfelin, der es bis zum cellerarius am Hagenauer Hof schafft, dort Schultheiß, um später zum Prokurator des Elsass aufzusteigen.

 

Von dort befördert er im Auftrag Friedrichs den Aufstieg Schlettstadts, wobei er Rechte, dabei vor allem die Einnahmen von Zöllner und Schultheiß, erwirbt, bis der König praktisch Stadtherr ist, was mit dem Bau einer Stadtmauer um die civitas und der Errichtung einer Münze gekrönt wird.

Ähnlich steigt unter Wolfelin Kolmar auf, indem für den König die Vogteirechte erworben werden und die entstehende Stadt mit einer Mauer umgeben wird. Schließlich können die Bürger das Stadtrecht erwerben. Im weiteren wird die Burg Kaysersberg erworben und ausgebaut, eine gleichnamige Stadt gegründet, von einem Schultheißen verwaltet.

 

Ein etwas anderes Muster stellen Annweiler und Oppenheim dar, wo die Förderung der Stadt und der Ansiedlung von Menschen unmittelbar der Unterstützung der Stauferburg dient. Die Bürger von Annweiler dürfen dafür eine eigene Münze betreiben, deren Einnahmen aber an die Burg gehen, und nach dem Privileg Friedrichs II. von 1219 dürfen Hörige, die sich fest ansiedeln, nach Jahr und Tag nicht mehr von ihren Herren zurückgefordert werden, ähnlich wie bei der Gründung von Pfullendorf, wo Neubürger niemandem außerhalb mehr Abgaben und Dienste leisten müssen, wenn sie sich zum Hausbau verpflichten und einen finanziellen Beitrag zum Bau der Stadtmauer leisten.

 

1129 taucht Duisburg als villa von Lothar III. in einem Dokument auf, welches den cives erlaubt, im Forst Steine für den Bau eigener Häuser zu brechen. Duisburg ist bereits wichtiger Handesort am Rhein. Konrad III. genehmigt 1145 den Bau von Bürgerhäusern bei der Königspfalz und am Marktplatz, damit die Besucher königlicher Hoftage dort besser untergebracht werden können.1165 schützt Friedrich I. die Bürger vor einem widerrechtlich vom Bischof von Gottfried erhobenen Zoll. Im Kern handelt es sich damit bereits um eine königsunmittelbare Stadt mit Mauer, Markt und Münze, Elementen von Selbstverwaltung und Pfarrbezirken, - bei allerdings eher geringer Bevölkerung und Schwinden der Bedeutung der Pfalz.

 

Aus einem klassischen karolingischen Pfalzort entwickelt sich eine Handelsstadt Frankfurt, keine staufische Gründung, sondern eine Stadt, die sich auch durch staufische Förderung entwickelt. Unter Kaiser Friedrich I. gewinnt sie noch einmal an Bedeutung, 1140 wird sie zum ersten Mal als oppidum bezeichnet und erhält dann eine Münze (1194 erstmals erwähnt) und die Herbstmesse. Gegen Ende des Jahrhunderts erhält die Stadt eine neue Mauer. 1240 privilegiert Friedrich II. zusätzlich die Frankfurter Herbstmesse.

 

1219 erklärt Friedrich II. für Nürnberg, dass ein jeder Bürger dieses Ortes keinen anderen Schutzherrn (advocatus) haben soll als uns und unsere Nachfolger, die Könige und Kaiser der Römer. (in Hergemöller, S.256) "Freie" Reichsstädte im eigentlichen Rechtssinn werden solche königsnahen Städte erst unter Rudolf von Habsburg, denn die Staufer tendieren dazu, zwar Privilegien zu vergeben, die die Wirtschaft von Fesseln befreien, andererseits aber die Verselbständigung der Städte durch Einsetzung königlicher Vertreter wie Vögte oder Schultheißen (wie in Nürnberg) zu verhindern. So erhält Lübeck in einer Urkunde von 1226 zwar die Reichsfreiheit, also direkte Unterstellung unter den König und Kaiser als civitas libera, eine Münze, aus der der König jährlich 60 Silbermark Abgaben gewinnt, zudem in mehreren Bestimmungen ein beachtliches Territorium, aber eben auch einen kaiserlichen Rektor.

 

Wieviel Freiheiten bzw. "Freiheit" (libertas) staufische Politik "Bürgern" einer Stadt zugesteht, unterscheidet sich schon in den staufischen bzw. königlichen Städten und dann noch einmal zu denen in anderen Händen und unterliegt dem Spiel der Macht, welches sich in deutschen Landen anders entwickelt als in England oder Frankreich.

 

*****

 

Zwischen 1220 und 1232 setzen Bischöfe und weltliche Stadtherren in deutschen Landen eine königlich-kaiserliche Gegenbewegung gegen die ihrer Ansicht nach von ihnen nicht legitimierten bürgerlichen Strukturen durch, die sich entwickelt haben. Zwar gibt es inzwischen eine anerkannte universitas civium, in der die einzelnen Gesellschaften (Genossenschaften) bürgerlicher Gruppen immer mehr zu einem Stadtbürgertum verschmelzen, nur darf sich diese nicht als commune oder coniuratio gegen den Stadtherrn wenden und die Städte dürfen sich auch nicht miteinander verschwören.

 

****Welfische Gründungen****

 

Solche fürstliche Stadtgründungen im 12. und 13. Jahrhundert dienen zum Teil der Versorgung der herrschaftlichen Burg und liefern ihr neue Einkünfte. In ihr ist Personal untergebracht und die vornehmeren Bürgerhäuser dienen auch der Unterbringung von Gästen der nun häufiger werdenden Feste, in denen höfische Lebensform zelebriert wird. Vor allem aber sollen Städte fürstliche Einnahmen vergrößern.

 

Eine solche Residenzstadt wird Braunschweig unter den Welfen. An der Westseite der Oker gibt es im 10. Jahrhundert eine Burg mit Siedlung, 1031 wird auf der anderen Flussseite, zunächst durch eine Furt verbunden, eine villa Brunesguik erwähnt. Die Brunonen, Nachfahren eines Bruno,  geben ihnen Kerne um die Burg und mit den Stiften St.Blasius und St.Cyriacus in der westlichen Altstadt, die dann Brunesvic heißt, während die östliche Siedlung nun bald Altewiek wird. Ein Markt kommt in Braunschweig hinzu und Anfang des 12. Jahrhunderts ein Kloster. Unter Lothar taucht die Burg 1134 unter dem Namen castrum Tanquarderoth (Dankwarderode) auf. Altewiek bleibt außen vor, als Heinrich ("der Löwe") nach 1150 die Altstadt mit Graben und Wall umgibt.

 

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Als Heinrich der Löwe sich zum mächtigsten Fürsten im Reich neben dem Kaiser und zunächst im Bündnis mit ihm entwickelt, lässt er sich eine mächtige Pfalz wie die Kaiserpfalz in Goslar erbauen und macht sie zu seiner wichtigsten Residenz. 1160 gründet er den Hagen, den er mit Flamen und Friesen besiedelt und entwässern lässt, die dann der Wollweberei nachgehen. Auch dieser Stadtteil wird mit Wall und Graben gesichert. 1173 folgt der Neubau von St.Blasius: Die erste richtige deutsche Residenzstadt ist entstanden. 

 

Zunächst eng mit den Welfen verbunden, die das wirtschaftliche Gedeihen des Bürgertums fördern, schwankt die städtische Oberschicht dann aus ökonomischem Interesse zwischen Welfen und Staufern, bis Otto "das Kind" die Altstadt und den handwerklich geprägtenl Hagen mit Stadtrechtsprivilegien auszeichnet, um sich der Bindung des Bürgertums an ihn zu versichern. Jetzt wird auch die Altewiek in die Ummauerung einbezogen. 1227 halten die Braunschweiger Bürger ihre Stadt zusammen mit dem Markgrafen von Brandenburg gegen den römischen König und den bayrischen Herzog, während Otto sich nach der Schlacht von Bornhöved in der Gefangenschaft Graf Heinrichs von Schwerin befindet. Neben Lüneburgern werden auch Braunschweiger Bürger dann als Geiseln für die Auslösung ihres Herrn antreten. 

Am Ende werden fünf Orte, "Weichbilder", zur Stadt Braunschweig zusammenwachsen. Den Anfang machen Altstadt, Hagen und die gerade gegründete Neustadt mit der Vereinbarung für einen gemeinsamen Rat und eine gemeinsame Kasse. Aber die Räte der fünf Weichbilder bleiben durch das spätere Mittelalter bestehen.

 

Lübeck hat eine besonders wechselhafte Vorgeschichte und ist auch keine eigentliche welfische Gründung. Eine bis ins 9. Jahrhundert zurückgehende slawische Siedlung mit Burg und Wall wird um 1100 zur Residenz eines Obodritenfürsten Heinrich und löst damit Mecklenburg ab. An diese angelehnt gibt es eine Handwerkersiedlung mit einer Münze. 1138 wird dieses Liubice von konkurrierenden Slawen zerstört. Adolf II. von Schauenburg, Vasall Heinrichs ("des Löwen"), setzt sich gewaltsam gegen die ("heidnischen") Obodriten in Ostholstein durch und entsendet dann laut Helmold von Bosau Werber bis nach Flandern und Holland, um Siedler zu gewinnen. (siehe Großkapitel 'Entfaltung')

 

Er gründet 1143 fünf Kilometer vom alten ein neues Lübeck zwischen Trave und Wakenitz, wie Helmold von Bosau in seiner Slawenchronik erklärt:

 

Danach kam Graf Adolf an einen Ort namens Bukow und fand dort den Wall einer verlassenen Burg, die Kruto, der Feind Gottes, erbaut hatte, und eine sehr große, von zwei Flüssen umrahmte Insel. An der einen Seite floss die Trave, ander anderen die Wakenitz vorbei, beide mit sumpfigem, unwegsamem Ufer.

Dort aber, wo sie landfest ist, liegt ein ziemlich schmaler Hügel, der dem Burgwall vorgelagert ist. Da nun der umsichtige Mann sah, wie passend die Lage und wie trefflich der Hafen war, begann er dort eine Stadt zu bauen und nannte sie Lübeck, weil sie von dem alten Hafen und Hauptort, den einst Fürst Heinrich angelegt hatte, nicht weit entfernt war. (Helmold, S.)

 

Für die Kaufleute aus Köln und Sachsen wird das schnell die Station auf dem Weg in die Ostsee, die Schleswig ablöst. Aus dem direkteren Westen kommt das Salz von Lüneburg und Oldesloe und aus dem Osten kommt der Hering von Rügen und Schonen.

 

Nach dem "Wendenkreuzzug" wendet sich der Obodritenfürst Niklot gegen die Stadt und die Burgbesatzung sendet laut Helmold Boten zur Stadt und zum Markte, um dort die drohende Gefahr bekanntzumachen. Aber das Stadtvolk war vor Trunkenheit weder aus den Betten noch Booten zu bringen, bis es, von feinden umzingelt, die warenbeladenen Schiffe durch hineingeworfene Feuerbrände verlor. Dort wurden an jenem Tag an dreihundert und mehr Männer erschlagen. (Helmold, S.) Die Bewunderung des geistlichen Chronisten für den fürstlichen Herren und die Verachtung für die unteradeligen Städter ist unübersehbar. 1151 schließt der Graf mit Niklot Frieden.

 

In Bardowick ist Heinrich der Löwe Herr, und da Lübeck erfolgreiche Handelskonkurrenz wird, verlangt der Welfe von seinem Lehensmann die Hälfte der Stadt, wie wiederum Helmold berichtet:

Schon seit geraumer Zeit wird uns berichtet, dass unsere Stadt Bardowick durch den Markt Lübeck zahlreiche Bürger verliert, weil die Kaufleute alle dorthin übersiedeln. Ebenso klagen die Lüneburger, dass unsere Saline zugrunde gerichtet sei wegen des Salzwerks, das ihr zu Oldesloe angelegt habt. Darum ersuchen wir euch, uns die Hälfte eurer Stadt Lübeck und des Salzwerks abzutreten, damit wir die Verödung unserer Stadt leichter ertragen können. (Helmold, S.)

 

Weil Adolf sich weigert (alles nach Helmold), lässt Heinrich den Markthandel in Lübeck verbieten und sorgt dafür, dass die dortigen Waren nach Bardowick verbracht werden. Kurz darauf 1157, nachdem ein Feuer Lübeck verwüstet, lässt der "Löwe" in der Nähe eine "Löwenstadt" (Leonis civitas) errichten, weil der Graf Lübeck nicht abtritt. Die neue Stadt kann aber nur von kleinen Schiffen erreicht werden. 1158/59 erzwingt er dann die Übergabe und lässt die abgebrannte Stadt samt Kirchen und Befestigung neu aufbauen, wohin dann 1160 der Bischofssitz von Oldenburg transferiert wird. Ein erster hölzerner Dom wird gebaut. Die Stadt wird mit erheblichen Rechten versehen und erhält Münze und Zoll. 1163 vergibt Heinrich dem Domkapitel Zehntrechte, schenkt ihm   Güter und 27 Mark vom Lübecker Zoll. (EhlersHeinrich). Ein wenig lässt sich das als eine Neugründung verstehen. Bardowick als Konkurrent lässt der Fürst zugrunde gehen.

 

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Im Zentrum der Stadt liegt der fast rechteckige Markt mit den Verkaufsbuden und dem Gewandhaus, dazu kommt die Petrikirche und die Wohngebiete von Kaufleuten und Handwerkern.

 

Nachdem es zunächst kriegerische Konflikte mit gotländischer Handelskonkurrenz gibt, schlichtet Heinrich und sorgt zudem auf Wunsch der Kaufleute für freien Handel nach Norden und Osten über die Ostsee: 1161 kommt es bereits nach Konflikten zwischen Kaufleute-Gruppen zum von Heinrich vermittelten Artlenburger Vertrag, in dem die Gotländer und die deutschen Untertanen des Löwen rechtlich gleichgestellt werden.

Es kommt zu gemeinsamen Fahrgemeinschaften.

 

1160 schon hat Heinrich das ganze Obodritengebiet unterworfen und errichtet ein Bistum in Schwerin. Niklots Sohn Pribislav versucht 1164 einen Aufstand und unterliegt. Nach seiner Unterwerfung wird er 1167 mit dem Hauptteil seines Obodritenlandes, nämlich Mecklenburg, belehnt und seine Nachkommen werden es bis zum Ende des Ersten Weltkriegs regieren.

 

Die Stadt wächst um die Marienkirche mit einem neuen Viertel. Heinrich sandte, wie Helmold berichtet, Boten in die Hauptorte und Reiche des Nordens, Dänemark, Schweden, Norwegen und Rußland, und bot ihnen Frieden, dass sie Zugang zu freiem Handel in seine Stadt Lübeck hätten. Er verbriefte dort auch eine Münze, einen Zoll und höchst ansehnliche Stadtfreiheiten. (in: Fuhrmann, S.91)

 

1180 verliert Heinrich seine Machtfülle, die Stadt bleibt ihm aber zunächst treu und unterwirft sich erst einem heranrückenden Heer des neuen Stadtherrn Friedrich II. ("Barbarossa"), der 1188 die Stadtrechte erneuert und erweitert, ihnen vor allem die Aufsicht der neuen Münze überträgt. Dann wird Graf Adolf III. von Schaumburg/Holstein 1192 wieder Stadtherr, nach 1201 werden es nacheinander die dänischen Könige Knut IV. und Waldemar I., der die fehlende Macht römischer Könige in Norddeutschland ausnutzt. 1201 wird auch ein Stadtrat mit consules belegt und 1225 ein Stadtsiegel.

 

Mit der Niederlage Waldemars I. gegen norddeutsche Fürsten (Schlacht von Bornhöved 1227) wird Lübeck unabhängiger. 1226 erreichen Boten in Borgo San Donnino zwischen Parma und Piacenza von Friedrich II. Reichsfreiheit und eine zusätzliche Erweiterung der Rechte. Dazu gehört auch folgendes Recht im Zuge der langsamen Orientierung auch auf den Handel nach Westen: Außerdem befreien Wir die genannten Lübecker Bürger, wenn sie nach England fahren, von der sehr missbräuchlichen und belastenden Abgabe, die, wie es heißt, die Leute von Köln und Tiel und deren Genossen gegen sie ausgeheckt haben, und tilgen diesen Missbrauch gänzlich, vielmehr sollen sie nach Recht und Stand leben wie die Leute von Köln und Tiel und deren Genossen. (in: Fuhrmann, S.93).

Durchsetzen kann der Kaiser solches allerdings nicht, sein Einfluss ist selbst in Norddeutschland schon sehr gering.

 

Indem Heinrich Bardowick zerstört und die Sole von Oldesloe zuschütten lässt, fördert er nachhaltig die Salzproduktion Lüneburgs. Hier gab es bereits im 9. Jahrhundert eine Siedlung bei den Salzquellen. Im 10. Jahrhundert bauen die Billunger eine Fluchtburg aus und gründen ein Benediktinerkloster. Unterhalb der Burg entsteht eine Siedlung mit Pfarrkirche. Es gibt es einen Markt und ab 1030 eine Münze. Aber erst mit der Zerstörung Bardowicks 1189 gewinnt die Stadt an Bedeutung.

 

Eine welfische Gründung im Konflikt mit dem Bistum wird München. Der Bischof von Freising besaß in Föhrung einen Markt und Münze, baute eine Brücke und erhob den Zoll darauf, der nicht zuletzt den Salzhandel aus dem Süden betraf. Als Heinrich der Löwe 1056 sein Herzogtum Bayern zurückerhält, legt er flussaufwärts in der Nähe an einer Isar-Furt einen neuen Markt mit einer neuen Brücke an. An ihr soll nun der Zoll der Handelsstraße von Salzburg nach Schwaben erhoben werden. Es geht nicht zuletzt weiter um Salz. Da er das fürstliche Geleitrecht besitzt, kann er die Kaufleute dazu bringen, über seinen Ort zu reisen. Eine Siedlung von Handwerkern und Händlern entsteht. Schließlich zerstört er die Brücke von Föhring und verbietet den Markt und die Münze dort. Bischof Otto von Freising erhebt Klage beim Kaiser. Dessen Vermittlungsversuch 1158 geht substantiell zugunsten der herzoglichen Gründung aus: Freising wird mit einem Drittel der Einkünfte aus Zoll und Münze der Neugründung abgefunden. Erst 1180, zu spät, wird das kaiserliche Urteil revidiert. Recht ist Ausdruck und Rechtfertigung von Macht.

 

Bergbaustädte (Salz und Erze)

 

***Salz***

 

Dem Norden fehlt die südliche Sonne für die Gewinnung von Meersalz. Darum muss das Salz aus der Erde gewonnen werden.

 

Eine neue Form der Salzgewinnung wird Ende des 12. Jahrhunderts unter anderem in Dürrnberg-Hallstein erfunden. Hier wird nun die Sole durch Zuführen von Süßwasser in salzhaltiges Gestein unter Tage in Laugwerken gewonnen. Zunächst wird die Lauge mittels Schöpfwerken zu Tage gebracht, im 13. Jahrhundert wird sie dann über hölzerne Rohrleitungen in tiefer gelegene Pfannhäuser geführt.

 

Beim Salz tritt wie beim Erz im 12. Jahrhundert der Übergang von der Produktion im Rahmen der Grundherrschaft und im Bereich der Siederei in freieres Pächtertum auf. In Lüneburg, Bad Reichenhall und dem Salzkammergut beispielsweise dreht sich die Wirtschaft nun zentral um das Salz und generiert erheblichen Wohlstand in bürgerlichen Kreisen und ein beträchtliches Handelsvolumen.

 

Im Zentrum der Lüneburger Salzproduktion stehen 54 Siedehütten mit je vier Siedepfannen. Über Rinnen und Kanäle werden sie mit Sole versorgt. Die Eigentümer der riesigen Pfannen, noch Anfang des 13. Jahrhunderts Adelige und Geistliche, verpachten diese für die Hälfte des Ertrages. Mit dem Schwinden der adeligen Besitzer sind in der zweiten Häfte des 14. Jahrhunderts schon die Häfte der Pfannen in bürgerlichem Besitz, aber hundert Jahre später sind wieder drei Viertel in der Hand von Prälaten. Die Leitung der ganzen Anlage ist eng mit dem Stadtrat verbunden.

 

Anfang des 13. Jahrhunderts teilen sich die Sülzbegüterten in Geistliche und Adlige auf. Zwischen den Jahren 1250 und 1320 erfolgt der zunehmende Anstieg bürgerlicher Besitzanteile, der parallel verlief zur Abnahme der adligen Sülzbegüterten. 1370 ist der bürgerliche und geistliche Pfannenbesitz annähernd gleich, wobei allerdings schon 100 Jahre später drei Viertel der Pfannen den geistlichen Sülzbegüterten gehört, die man Prälaten nannte.

Neben den Sülzbegüterten und Siedeberechtigten gibt es noch den Barmeister und den Sodmeister. Der Barmeister ist der Vorsteher der Pfannenschmiede (= Bare), in der die Pfannen gegossen werden. Er wird von den Sülfmeistern und dem Stadtrat gewählt. Der Sodmeister sorgt für die Verteilung der Sole und wird von den Sülfbegüterten und dem Stadtrat gewählt.

 

Das Salzvorkommen führt im 10./11. Jahrhundert im thüringischen Frankenhausen zu seiner Sicherung durch den befestigten Bau eines fränkischen Grafen und später zu einer Siedlung bei der Oberkirche und einer Altstadt um die Peterskirche. Im 12. Jahrhundert entsteht daraus eine Stadt mit Stadtmauer, in die der viel ältere Wohnturm (Oberburg) integriert wird, der die nur wenige hundert Meter entfernten Salzquellen sichern soll. Im 11. Jahrhundert sichert sich das Haus Weimar-Orlamünde die Herrschaft

1219 wird der Ort als oppidum erwähnt. Inzwischen gehört er zur Herrschaft der mächtigen Grafen von Beichlingen. 1292 gibt es Stadtrechte und 1340 geht der Ort in den Besitz der Grafen von Schwarzburg über.

 

 

Das massenhafte Verbrennen von Holz für die Salzsiederei führt zur Zerstörung großer Waldgebiete und zu enormer Rauchentwicklung und damit solider dauerhafter Luftverschmutzung, so zum Beispiel auch im englischen Droitwich (Worcestershire) und Nantwich (Cheshire) überliefert.

 

Salz spielt dort, wo es Vorkommen gibt, auch eine erhebliche Rolle im klösterlichen Unternehmertum. Klöster besitzen Salinen von Nordspanien bis nach Pommern, wo das Zisterzienserkloster Eldena zum Beispiel über eine eigene Saline verfügt.

 

Der städtisch kontrollierte Salzhandel wird zu einem umkämpften Machtfaktor. Mit rüden Methoden erobert sich Venedig im 12. und 13. Jahrhundert die Kontrolle über das Salz an der Adria. Hauptkonkurrenten auf der anderen Seite der Halbinsel sind die Genuesen. Für den Ostseeraum wird die Hanse über den Heringshandel dann fast zum Monopolisten werden. Die Monopole halten dabei nicht einzelne Firmen, sondern Städte, die sie selbst oder mithilfe von Fürsten und nicht zuletzt auch mit Gewalt durchsetzen.

 

 

***Erze und Kohle***

 

Schwedischer Stahl gilt seit dem 12. Jahrhundert als hervorragend (Osemund). Ganze Eisenreviere entstehen im englischen Forest of Dean, im Siegerland, der Oberpfalz in Böhmen und der Steiermark.

Silberhaltiges Bleierz wird 1170 in Freiberg in Sachsen gefunden, ebenso Silber im Erzgebirge, in den Karpaten und Siebenbürgen. In Mähren gründen deutsche Bergleute Iglau. Silber, Blei und Zink machen Iglesias auf Sardinien zur Silberstadt.

 

Der Bergbau ist Schwerstarbeit für die, die das Erz aus der Erde holen. Im 12. Jahrhundert werden Stollen und Schächte mit Schlegel und Eisen mühsam abgeteuft. Stollen sind im Südschwarzwald zum Beispiel nur knapp 80 Zentimeter hoch und kaum einen halben Meter breit. Abraumhalden davor werden zu Arbeitsflächen.

"Bergschmiede arbeiteten hier das Gezähe, die Werkzeuge der Bergleute nach, in Erzwäschen wurde das gepochte, zerstoßene Material gereinigt, Hüttenleute nahmen die ersten Probeschmelzen vor, und hier konnten auch die provisorischen Unterstände für die Bergleute gebaut werden. Noch fand der Erzabbau im Rahmen und mit Leuten der benachbarten Grundherrschaften statt, die in nächster Nähe in den alten Siedlungen bei den Klöstern oder in den Dörfern wohnten." (Freiburg, S.326)

 

Das Gebiet um Schmalkalden ist wegen seines Eisenerzes von hoher Qualität seit dem Hochmittelalter ein Zentrum der Eisen- und Stahlwarenerzeugung im Thüringer Wald. Der Name des Arzberges,  Erzberg, ist davon zum Beispiel erhalten.

Im 12. Jahrhundert entwickelt sich das den ludowingischen Markgrafen gehörende Schmalkalden bei einer Burg und den nahen Häusern der Burgmannen. Dazu kommt ein Markt samt Kirche und Rathaus und eine Stadtbefestigung, die an die Burg heranreicht. Dabei spielen Eisenerzabbau und Metallgewerbe eine große Rolle. Nach Zerstörungen 1203 im staufisch-welfischen Thronstreit entsteht eine Neustadt

1216/26 übergibt Kaiser Friedrich II. das Bergregal der Gegend an den Grafen von Henneberg. Langsam wandern Waldschmieden nicht mehr so sehr dem Holz bzw. der Holzkohle hinterher, sondern konzentrieren sich auf Bergbäche, die vor allem auch Blasebälge antreiben.

 

1227 ist der Ort Schmalkalden als Stadt bezeugt.

 

1247 sterben die Ludowinger in der männlichen Linie aus und die Stadt fällt an den Henneberger Grafen Hermann I., wodurch die Henneberger nicht nur ihre Bergbaugebiete erweitern, sondern auch Zugang nach Thüringen erhalten.

 

Die älteste bekannte Siedlung mit dem sprechenden Namen Eisenberg befand sich im Norden des heutigen Stadtgebietes. Dort erbauten die Wettinischen Markgrafen von Meißen eine Burg zur Kontrolle einer Straße, bei der eine Kaufmannssiedlung entsteht, die 1171 bereits eine Stadtbefestigung hat. 1189 wird die Stadt zerstört und dann wieder neu erbaut. 1219 wird ein Zisterzienserinnen-Kloster von Zwickau hierher verlegt und im selben Jahr heißt Eisenberg civitas. In der Stadt tauchen landgräfliche Ministeriale auf.

 

 

Kohle wird in weiten Teilen Europas noch nur als Holzkohle verbraucht. Im 13. Jahrhundert nimmt dann die Kohleproduktion in den Gegenden von Newcastle und Nottingham zu, wo sie auch früh verbraucht wird und zu erheblicher Luftverschmutzung führt. Inzwischen wird Kohle auch bereits von Newcastle nach London verschifft und führt dann bald zu jener verrußten Stadt, wie man sie noch bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts kennenlernen kann. Eine königliche Kommission stellt 1285 fest, das manche Gegend durch Heizen mit Steinkohle verunreinigt und verdorben sei und eine Gefahr für alle darstelle. (in: SchubertAlltag, S.50)

 

Früh, Ende des 12. Jahrhunderts, beginnt man auch mit dem Abbau von Kohle im Lütticher Land und im 13. Jahrhundert im Ruhrgebiet und im Hennegau.

 

 

Stadtgründung als Festung

 

Was im hohen Mittelalter Stadt wird, ist immer auch eine Festung. Das gilt auch für Bischofsstädte, in denen der Bischof zugleich Kriegsherr und Heerführer ist und von seinen Bürgern materielle Unterstützung für Hof- und Heerfahrt erwartet, wie zum Beispiel Friedrich I. Barbarossa 1156 für Augsburg festsetzt und Markgraf Otto von Meißen für die Bürger des neugegründeten Leipzig für den Fall bestimmt, dass er an einem kaiserlichen Italienzug teilnehmen muss.

 

Aber das mangelnde militärische Potential der Stadtbürger und die zunehmende Professionalisierung der Krieger führt dazu, dass immer mehr Stadtherren an die Stelle der Heerfolge eine Steuer setzen oder aber Leistungen für die Befestigung der Stadt. Seit 1179 unterstützen Erzbischof und Kaiser den Bau des riesigen, 4,6 km langen Mauerbogens, der Stadtkern und Vororte bis zum Rhein umfasst. Die 2,3 km lange Rheinlinie erhält dann im 13. Jahrhundert ebenfalls eine Mauer. Während kleinere Städte nur über den Toren Türme bauen, erhält die Kölner Stadtmauer mehr als 50 davon.

Dabei spielt vor der Zeit der Feuerwaffen und der Artillerie insbesondere die Höhe der Mauer eine entscheidende Rolle, um die Verteidiger zu schützen.

 

Zunehmend werden Städte auch anstelle von Burgen als Festungen gegründet, die die Bürger ummauern und mit Waffengewalt zu halten haben. Solche Städte, die mit allen anderen nun eine feste Ummauerung erhalten, Wehrtürme und wenige bewehrte Eingangstore, dienen nicht mehr primär als Marktorte und für Produktion und Handel, wachsen nur wenig und werden stärker unter fürstlicher Kontrolle gehalten.

 

Ein Mischgebilde wird Lippstadt, um 1168 von Bernhard, dem Herrn von Lippe mit Genehmigung durch Barbarossa gegründet, der erste Versuch, zusätzlich zu Burgen seine bescheidene "Herrschaft" durch eine Stadt zu sichern. Werner Goez schreibt dazu: "Städte waren in erster Linie Großburgen, ihre Bewohner zur Verteidigung verpflichtet. (...) Bei der Gründung Lippstadts bildeten die Armierungsarbeiten den Anfang: Ein mächtiger Wall wurde aufgeworfen, den man mit Holzpalisaden bewehrte und dann Stück um Stück durch eine Steinmauer ersetzte." (WGoez, S. 276)

Das Innere der Stadt war in gleichmäßige Rechtecke aufgeteilt, die gegen Bodenzins vergeben wurden. Als die Stadt dann durch andere Herren bedroht wird, denen die abhängigen Bauern dorthin entlaufen, übergibt ihr Herr sie an den Erzbischof von Köln, um sie als Lehen zurück zu erhalten. Sie erhält nun auch ein ausführlicheres, an Soest angelehntes Stadtrecht, welches sich laut Urkunde die Bürger erwählen.

Bernhard ernennt die Mitglieder der Ratsversammlung und die Schöffen im Einvernehmen mit den Bürgern, und die Bürger haben in ihren inneren Angelegenheiten eine umfangreiche Selbstverwaltung. Dafür steht die städtische Miliz gegen Feinde zur Verfügung. Außerdem steht in den Bestimmungen aus der Zeit um 1220, dass alle Verbrechen ohne scharfe Waffen sollen von den Ratsmannen gerichtet werden, mit der Maßgabe, dass alle daraus fließenden Eträge der Befestigung des Ortes dienen sollen (§1).

Die Stadt ist nicht nur Festung, sondern erhält auch einen Markt und Zollfreiheit, die sie überhaupt erst lebensfähig machen.

 

Die Machterweiterung, die Bernhard mit Lippstadt (der stad tor lyppe) in Westfalen erreicht, beflügelt ihn, weitere Städte zu gründen: Lemgo, Detmold und andere. Laut Keller verdreifacht sich auch auf diese Weise die Zahl der Städte in Mitteleuropa zwischen 1150 und 1200 und dann noch einmal in den nächsten fünfzig Jahren. (Begrenzung, S.437)

 

Stadtgründungen im deutsch werdenden Osten

 

Von Lübeck war schon unter den welfischen Stadtgründungen die Rede. Weiter östlich gibt es im 11. Jahrhundert befestigte Plätze slawischer Herren mit Kultort und kleinen Kaufmannsniederlassungen von Friesen, Deutschen oder Skandinaviern.

Um 1160 dann soll Stettin bereits rund 5000 Einwohner haben. "Es wurde durch eine Herzogsburg geschützt, um die herum sich wohl Adelige (primates) niedergelassen hatten, die die Stadt beherrschten und über das Zusammentreten der Versammlung des >Volkes< entschieden. Neben der Stadt und von einer Mauer umgeben waren Kaufmannsviertel entstanden, in denen die Deutschen seit den Missionsreisen Ottos von Bamberg immer zahlreicher geworden waren." (Dollinger, S.20f) Was die slawischen Machthaber nicht fördern, ist ein die Kaufleute schützendes Recht, welches erst mit deutschen Stadtrechten auch rein polnische Städte erreichen wird. Aber dann 1237 erhält die Stadt durch den Herzog von Pommern erst lübisches und dann Magdeburger Recht.

 

Landesherren im ostelbischen Raum fördern die Ansiedlung vor allem aus den Niederlanden, und setzen dafür unternehmerisch handelnde Lokatoren ein. Ziel ist zunehmende Zivilisierung, also Nutzbarmachung des Landes zur Vergrößerung des herrschaftlichen Einkommens. Schätzungen sprechen von rund 200 000 Siedlern im 12. Jahrhundert und noch einmal dieselbe Zahl bis 1250 und dann noch einmal bis 1300. Den Weg weiter nach Osten gehen dann auch Nachkommen der Siedler selbst.

 

Für 1189 ist bei der slawischen Burg Rozstoc bereits ein Markt und eine Ansiedlung von skandinavischen Kaufleuten dokumentiert. Um 1200 lassen sich hier deutsche Kaufleute nieder. 1218 ist Rostock dann eine deutsche Stadtgründung mit lübischem Recht, welches der Herzog von Mecklenburg verleiht. Er gewährt ihnen darüber hinaus Zollfreiheit in seinem Fürstentum und zehnköpfigen Rat. 1230 entsteht eine Neustadt mit Markt und Marienkirche. 1262 werden mehrere städtische Gebilde vom Fürsten vereint und erhalten 1300 eine gemeinsame Stadtmauer.

 

Kurz vor 1200 lassen sich norddeutsche Siedler in der Bucht des Mündungsbereiches der Wisemer nahe der späteren Nikolaikirche nieder, wo es schon einen Schiffsanleger gibt, es folgt die Marienstadt und die Neustadt. Wismar 1226/29 gilt als Wismars Gründungsdatum; einige Zeit später werden die Teile unter einem Rat vereinigt, dem der Fürst 1229/66 das lübische Recht verleiht. Seit 1259 ist Wismar eng mit Lübeck und Rostock und bald auch Stralsund verbunden.

 

Danzig besitzt seit der Zeit um die Jahrtausendwende eine slawische Burg mit davor siedelnder slawischer Kaufmannschaft. Ende des 12. Jahrhunderts entsteht daneben eine Siedlung deutscher Kaufleute, die um 1225/30 vom Fürsten Svantopolk zur Stadt gemacht wird. Insgesamt entstehen fünf Siedlungskerne.

 

Stralsund ist im 12. Jahrhundert ein altes slawisches Fischerdorf am Strelasund. Aus wirtschaftlichem Interesse fördern die nahen Fürsten von Rügen den Ausbau eines Handelsortes durch die Ansiedlung von Deutschen und machen es 1234 durch das lübische Stadtrecht zur Stadt. Den Kaufleuten dort gelingt es dann, die Lübecker vom Heringshandel in ihrer Region zu vertreiben. Im Konflikt des dänischen Königs mit Lübeck muss Stralsund dann Dänemark militärisch unterstützen, was 1249 zum Angriff der Lübecker auf Stralsund führt. Ansonsten aber werden Lübeck und Stralsund als führende Mächte im Wendischen Königsbund Bündnispartner.

 

Die neuen Ostseestädte sind wie Stralsund alle auf den maritimen Handel ausgerichtet. Der Grundriss von Altstadt und Neustädten ist deutlich gerastert und auf den Hafen mit seinen sechs Schiffsbrücken ausgerichtet. Es fehlen die alten Kerne im westlichen Reich, die Domburg und die Königspfalz. Siedlungskerne sind stattdessen monumentale Kirchenbauten.

Zwar sieht man solchen Städten an, dass sie einem Plan folgen, aber es gibt bis ins 14. Jahrhundert noch keine eigentlichen Bauverordnungen.

 

 

Eine Besonderheit in deutsch werdenden Landen sind die askanischen Stadtgründungen im Osten, alleine die Brüder Johann und Otto III. von Brandenburg sollen in der Mitte des 13. Jahrhunderts etwa 30 Städte gegründet haben, die als Zivilisationsinseln in einer immer noch erst deutsch werdenden, vorher westslawischen Welt fungierten, dort, wo es bislang nur die Bischofsorte Havelberg und Brandenburg/Havel gab, das 1170 eine Neustadt erhält.. Wie bei Bernhard von Lippe und anderen, allerdings in viel größerem Maßstab, dienen hier Städte nicht nur zur Besiedlung, sondern vor allem zur Verfestigung eines Herrschaftsraumes, eines Fürstentumes hier. So wie das Land professionell durch "Lokatoren" besiedelt wird, so wird auch die Besiedelung dieser Städte systematisch betrieben.

Die bekanntesten Gründungen werden Berlin und Cölln, die bald zusammenwachsen. Die Fürsten legen hier einen herrschaftlichen Hof, eine Aula an, der Ort wird Sitz eines Probstes und dort gibt es bereits eine Niederlassung der Tempelritter (Tempelhof!). Kaufleute siedeln sich an, auch Fernhändler, für die es Zollfreiheit gibt.  

In der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts gibt es bereits dort eine Kaufmanns-Siedlung mit Nikolaikirche, wo 1253 eine fürstliche Urkunde Frankfurt/Oder nach Berliner Recht begründet und den Bau einer Brücke und eines Kaufhauses durch die Bürger impliziert. Waren in geringerem Umfang und Lebensmittel in kleineren Mengen werden von Zoll befreit, so dass es vor allem die Abgaben auf die Abgaben auf die Marktstände und auf den Fernhandel sind, mit denen der Fürst hier Einnahmen erzielen kann. Letztere aber haben die Stadtgründung vor allem befördert (Sven Rabeler in: Konsumentenstadt, S. 111ff)

 

Neu sind auch die Städte im späteren Sachsen, für das man für 1300 bereits     400 000 Einwohner schätzt. Aus einem sorbischen Ort entsteht durch Errichtung einer deutschen Burg, der urbs Lipzi des Thietmar von Merseburg, eine Kaufmanns- und Handwerkersiedlung besonders von Gerbern. Standort ist die Kreuzug zweier wichtiger Handelsstraßen. Um Kirchen, die dem Bistum Merseburg unterstehen,  entwickeln sich neue Siedlungskerne. Zwischen 1156 und 1170 verleiht Markgraf Otto der Reiche von Meißen-Wettin eine Art Stadtrecht nach Hallisch-Magdeburgischem Vorbild und gibt neues Stadtgebiet in Parzellen zur Bebauung frei. Um das weite und noch teils unbebaute Stadtgebiet lässt er einen Wall und Graben anlegen. Das Marktrecht verleiht der Stadt eine Bannmeile von 27 Dörfern drumherum, denen jeglicher Markt verboten wird. Leipzig besitzt nun Zollfreiheit, kann aber in seinem Weichbild Abgaben auf Wege und Brücken erheben. Seinen fürstlichen Wald in der Nähe gibt er zur Nutzung durch die Städter frei.

Einem Vogt des Markgrafen unterstehen Burg, Stadt und Umland und ein Richter, wohl der spätere Schultheiß, betreibt die Rechtsprechung.

Die auf der Burg angesiedelte Münze profitiert bald von den Silbervorkommen bei dem entstehenden Freiberg im Erzgebirge.

 

Wirtschaftlich florierende Städte liegen im Interesse hoher Herren, zugleich betrachten sie diese aber als geopolitische Machtzentren, wollen also die Kontrolle nicht an große Kapitaleigner verlieren. Nachdem Ottos Sohn Markgraf Dietrich nach größerer Bedrängnis seine Herrschaft wieder herstellen kann, möchte er 1212 diese in der Stadt durch die Gründung eines Chorherrenstiftes der Augustiner (St.Thomas) verstärken. Für dessen Unterhalt schenkt er ihnen eine Anzahl Dörfer aus dem Umland, die in den Interessenbereich der Stadt gehörten. Zudem unterstellt er die unter großer bürgerlicher Beteiligung erbaute Nikolaikirche dem Stift und entzieht sie so dem Einfluss der Bürger. Schließlich möchte der Markgraf auch seine Burg ausbauen.

Die Konflikte nehmen zu, als diese Bürger den Bau der Thomaskirche zu verhindern suchen. Nach einem gescheiterten Mordkomplott von Ministerialen gegen den Markgrafen flüchten diese  nach Leipzig, welches ein Heer aufbietet. 1216 wird ein vorläufiger Ausgleich gefunden. Aber kurz darauf gelingt es Dietrich, mit König Friedrich II. und bewaffnetem Gefolge der Stadt einen Besuch abzustatten und die Bürger zu überwältigen. Die Anführer der Bürger werden bestraft und der Markgraf lässt in der Stadt drei castra zur Befestigung seiner Macht errichten. (Soweit die Pegauer Annalen). Nach dem Tod Dietrichs gelingt es den Bürgern 1224 immerhin, die markgräflichen Befestigungen zu schleifen.

 

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Die seit dem 6./7. Jahrhundert von Sorben besiedelte Oberlausitz gehört im 10. Jahrhundert zur Mark Meißen, wird dann polnisch, dann 1031 wieder an Meißen angegliedert, schließlich böhmisches Reichslehen mit Unterbrechungen bis 1253. 1268 gelangt es an die brandenburgischen Askanier, nach 1319 Stück für Stück wieder an Böhmen. Wie in allen Zivilisationen sind die Menschen Spielmaterial der Mächtigen.

Stadtrecht und städtische Gerichtsbarkeit kommen auch hier in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts auf. Die städtischen Ämter werden von Kaufleuten, insbesondere auch Waidhändlern und Gewandschneidern besetzt sowie von Mitgliedern des niederen Adels, soweit er in der Stadt oder ihrem Umland ansässig ist. Solcher Adel geht dann manchmal wohl im 14. Jahrhundert im Bürgertum auf. (Karl Czok in: Beiträge, S.113)

 

Schlesiens zunehmend deutsche Besiedlung erleidet durch den Mongoleneinfall nur einen kurzen Rückschlag (Zerstörung von Breslau), "bis 1400 hat man in Schlesien 120 Städte und über 1200 Dörfer mit überwiegend deutschsprachiger Bevölkerung gegründet." (Dirlmeier, S.16)

 

Zuzug vom Lande

 

Mittelalterliche Städte verdanken ihre Bevölkerung und deren Wachstum vor allem dem Zuzug vom Land her. Diese ist von seiten der städtischen Herrenschicht grundsätzlich erwünscht, enthält aber das Problem, dass den Herren auf dem Lande dabei Leute entlaufen. Also wird Recht draußen und in der Stadt berührt. In ihr wird zum Beispiel für Freiburg vom Zähringer ein Zuzugsrecht aller eingeräumt, die keine Hörigen sind, und nach Jahr und Tag erhalten sie die dort üblichen bürgerlichen Freiheiten, wobei Friedrich Barbarossa dies Recht für Augsburg auf die eingrenzt, die dort dann ein Haus besitzen.

Von außen gesehen geschieht der Zuzug rechtlich abgesichert nur dort, wo der Landbevölkerung entsprechende Freiheiten zugestanden werden, was nördlich der Alpen später als südlich davon geschieht. Ansonsten kann von Landflucht gesprochen werden, die in vielen Dokumenten beklagt wird, in denen Strafen auf Flucht a iugo servitutis, aus dem Joch der Knechtschaft formuliert werden, wie in einer Urkunde des Bischofs Dietrichs III. von Münster von 1224, der beklagt, dass nämlich ihr gehörende Leute (ei perinentes) mit schlauer List sich in andere Gegenden absetzen und, nachdem sie sich in Städten (in oppidis) eine Behausung (domicilium) besorgt haben, in die Freiheit ausbrechen (se frangant in libertatem), obwohl sie doch in Hörigkeit gehalten werden (proprietatis iure tenentur)... (Nonn, S.55).

 

Für Münster war schon vorher, um 1210, festgelegt worden: Wer im Weichbild ein Jahr lang gewohnt hat, ohne dass ihn jemand als Hörigen beansprucht hat, der soll zu den Freien gerechnet werden. Und: Die Bürger werden niemanden als ihren Bürger aufnehmen, der einem Herrn untersteht, welcher dagegen Einspruch erhebt. Und noch deutlicher: Wenn aber vor Ablauf eines Jahres und sechs Wochen sein Herr ihn ausfindig macht und ihn zu Recht der Unfreiheit überführt, soll er ohne Rückerstattung der Pfennige, die er gezahlt hat, vom Bürgerrecht ausgeschlossen werden. (Engel/Jacob, S. 35)

Bürgerrecht ist also Freiheit, in die man sich einkaufen muss, was man nur darf, wenn man weit genug weg von einem Herrn geflohen ist, schon frei ist oder aber freigelassen wurde.

 

Solche Zuzugsregelungen setzen sich auch anderswo durch. Ein frühes Beispiel in England sind die Gewohnheiten von Newcastle upon Tyne von etwa 1135, in denen eine entspechende Jahr- und Tagregelung auftaucht (Carpenter, S.44)

 

Städte wachsen im Mittelalter wohl ausschließlich über den Zuzug vom Land. Dort wächst die Bevölkerung bis in die Zeit um 1300 relativ kontinuierlich an. Was die Leute im einzelnen in die Städte treibt, ist bis tief ins späte Mittelalter wenig dokumentiert, lässt sich aber teils erschließen, teils vermuten. Mit dem Wachstum der ländlichen Bevölkerung mangelt es trotz Ausbaus der nutzbaren Flächen bis kurz nach 1300 ständig mehr Leuten an hinreichend viel Land. Sie gehen dorthin, wo sie die Chancen auf besser bezahlte Lohnarbeit zumindest eher sehen. Städte bieten zudem mehr Raum für wenigstens bescheidene Karrieren und liefern auch mehr rechtlichen Spielraum dafür. Städte bieten mehr Ernährungssicherheit, überhaupt, ist man erst einmal gut untergekommen, auch tendenziell qualitativ bessere Ernährung.

Zu vermuten ist daneben, dass auch das größere Amüsierangebot der Städte eine Rolle spielt, von den Festivitäten über mehr Gastronomie bis vielleicht auch zu den Bordellen, und in größeren Städten beginnt wohl auch schon der Reiz der Anonymität mit dem Abschütteln eines Teils der Kontrolle durch die Umgebung um sich zu greifen. Wer es zu etwas Geld bringt, kann sich zudem dem Faszinosum eines örtlichen Marktes in unmittelbarer Nähe hingeben, dem Reiz der Auswahl oder wenigstens des Anschauens von Waren.

 

Stadtbild

 

Bis auf Kirchen, Pfalzen und manchmal Klöster werden städtische Bauten durch das hohe Mittelalter aus Holz konstruiert. Es sind im 12. Jahrhundert bereits auf Steinfundamenten sitzende Ständerbauten, die manchmal, wie für Lübeck ermittelt, bis zu sechs Metern hoch sein können, was mehrere Etagen ermöglicht.

Der Boden des Parterres besteht oft einfach aus gestampftem Lehm, manchmal sind wohl auch Bretter darüber gelegt.

Solche Häuser sind einfach konstruiert und können zunächst bei Ortswechsel abgebaut und mitgenommen werden, weswegen sie im Unterschied zum Boden manchmal bis ins 13. Jahrhundert hinein nicht als immobiles Eigentum gezählt werden. Allerdings überdauern sie in der Regel maximal ein, zwei Generationen, weswegen von ihnen auch nichts bis heute überlebt hat.

 

Mit der Verbesserung der Holzbauweise werden Häuser in den Städten nun von spezialisierten Handwerkern gebaut. In einigen Orten wie Freiburg nehmen die Steinbauten schon im 12. Jahrhundert zu, für die teilweise bereits vorherige Holzkonstruktionen abgerissen werden. In anderen werden sie wie in Schwäbisch-Gemünd schon nach einer Weile von verbesserten Fachwerkhäusern wieder abgelöst.

 

Links ist das "Romaische Haus" in Müstereifel abgebildet. Das 1167 für einen Stiftsherrn am Stift Chrysanthus und Daria errichteteWohngebäude ist der seltene Fall eines zumindest auf einer Seite einigermaßen erhaltenen Wohngebäudes des sogenannten "Hohen Mittelalters".  Tatsächlich können sich so etwas weiter nur wenige Reiche und Vornehme leisten. Ansonsten handelt es sich in deutschen und französischen wie englischen Landen weiter um einfache Holzgebäude, oft mit nur einem dunklen Raum, einem offenen Herd, Tischplatte und Stühlen/Bänken und dem Schlafplatz auf dem Strohsack.

 

In einigen Städten bauen die Vornehmen und Reichen sich steinerne Wohntürme wie in Italien, wie es der Runtingerturm vom Anfang des 13. Jahrhunderts in Regensburg ist. Die Grundfläche misst 7,8x8,8m, also rund 44m² in jedem der sechs Stockwerke bei einer Höhe von 21 Metern. Andere Türme in Regensburg erreichen bis zu 37 Metern. 1260 wird nebenan zur Straße hin ein Anbau mit derselben Grundfläche errichtet. Damit wird es nun möglich, einen repräsentativen Saal wie auf einer Adelsburg einzurichten. Andere Städte wie Freiburg/Breisgau besitzen Adelshöfe nur außerhalb der Stadt.

 

Bei einer fürstlichen Gründung wie Freiburg im Breisgau werden erst Straßen durch aufgeschütteten und dann festgestampften Kies angelegt, die Marktstraße als große Hauptstraße und davon abgehende kleinere Straßen. Entlang der Straßen gibt es relativ gleich große Parzellen mit allerdings verschieden großen Gebäuden, die pro Etage nur einen Raum umfassen und Fenster an den Giebelseiten. Hinten im Hof kann man Kühe, Schweine und Hühner halten.

 

Der erhebliche Bevölkerungsanstieg bis ins 14. Jahrhundert führt schon im 12. in manchen Städten zu einer deutlichen baulichen Verdichtung der Straßenzüge. Noch in diesem Jahrhundert kommt es zum Beispiel in Freiburg/Breisgau zum Aufstocken eines dritten Geschosses und in der ersten Hälfte des 13. zur Anfügung eines neuen Stadtteils, dort der Neuburg. In dieser Zeit werden auch die Stadttore mit immer repräsentativeren Tortürmen versehen.

 

Gemeinhin wird die Wasserversorgung in Stadt und Dorf durch Brunnen gesichert, in Freiburg geht das nicht, weil der Grundwasserspiegel zu niedrig liegt, weswegen dort Brauchwasser durch die Straßen geleitet wird. Trinkwasserleitungen führen zu öffentlichen Brunnen.

Der Müll wird in unserer Zeit -so weit bekannt - noch überhaupt nicht reguliert, flüssige Abfälle gelangen in Sinkgruben wie die Abort-Fäkalien. Diese werden manchmal einfach durch neue ersetzt oder wie in Freiburg/Breisgau gelegentlich aus der Stadt herausgefahren.

 

 

Deutsche Lande: Von den Gesellschaften zur Gemeinde

 

Neben Bürger und Stadt kommt als dritter dazugehöriger Begriff der von der Gemeinde oder Gemeine. Einflüsse aus Norditalien insbesondere werden für deren Entwicklung gelegentlich vermutet, sind aber kaum zu belegen. Eher ist es wohl so, dass ein ähnlicher Stand der Entwicklung frühen Kapitalismus ähnliche Machtstrukturen hervorbringt. Allerdings führt die Kenntnis (nord)italienischer Verhältnisse bei den Staufer-Herrschern zu einem neuen Verständnis der deutschen Verhältnisse.

In der Gemeinde wachsen die Bürger einer Stadt zu einer juristischen Person zusammen, also jener rechtlichen Abstraktion, wie sie im 'corpus iuris civilis' des Justinian tradiert worden war. Einen Vorläufer hatte diese Vorstellung seit dem 11. Jahrhundert in den Kapiteln von Klöstern und Stiften, in denen Kanoniker oder Mönche versammelt waren. Ausgehend von dem regelmäßig verlesenen Kapitel eines heiligen Textes wurde daraus der Versammlungsraum und dann die rechtliche Fiktion einer Körperschaft, die die dort Versammelten als rechtsfähige Gemeinschaft bilden.

 

Fremdkörper in solchen Gemeinden bleiben die adeligen Höfe, die wie in Regensburg später zum Teil zu Klöstern werden, und eben die Klöster und Stifte.  "An weiteren rechtlichen Sonderbezirken befanden sich etwa in Regensburg Ende des 11. Jahrhunderts fünf Höfe auswärtiger Bischöfe, sieben Höfe auswärtiger Klöster..." (Isenmann, S.43). Die Gemeinde umfasst so kein geschlossenes Stadtgebiet.

 

In derselben Zeit beginnt das Wiederaufleben des Studiums des römischen Rechtes (in Bologna vor allem) und die Systematisierung eines Kirchenrechtes (in Paris z.B.).Dabei gilt für die Kirche seit Anbeginn jede coniuratio, also Verschwörung, als unerlaubt und ins Reich des Bösen gehörig, - und das bis gegen Ende des 12. Jahrhunderts zumindest, während Mitte des 13. Jahrhunderts dann Rechtfertigungen von Gilden/Zünften auftauchen, soweit sie von den Stadtherren genehmigt und freiwillig sind. (Sydow in: Schwineköper, 113ff).

 

Es kommt zur Wiederentdeckung des römischen Begriffs der universitas, mit dem Personengruppen bezeichnet werden, die rechtlich wie eine (juristische) Person auftreten konnten bzw. sollten, und darum von einem dafür Bevollmächtigten vertreten werden können.

 

Bis heute uns vertraut, wenn auch nur noch als relativ sinnentleertes Wort, ist die universitas von Lehrenden und Lernenden, wie sie sich zum ersten Mal aus mehreren hohen Schulen in Paris bildete. 1174 taucht in einer Kölner Urkunde zum ersten Mal der Ausdruck pro universis civibus, für die Leute, die die Meister der Kölner Kirchspiele vertreten, auf, 1180 dann der von der universitas civium. (Groten, S.129)

Ausgeschlossen von diesem Konzept waren die Geistlichen, die Juden, zunehmend der sich weiter an fürstliche Herrschaft bindende Teil der Ministerialität, und eine breite, oft besitzlose Schicht. Das waren Gesellen und Lehrlinge, das immer größer werdende Gesinde, die Armen und all die, die keinem ehrbaren „Beruf“ nachgingen. Der Bürger war soweit in seinem Selbstverständnis nach oben und unten klar abgegrenzt.

 

In der thüringischen Reichsstadt Nordhausen taucht etwas später 1253 als Keimzelle der Gemeinde die universitas burgensium auf. Bürger sind dabei zugleich die cives, und das sind vor allem Kaufleute bzw. Händler. (Mägdefrau, S.199) Wo anderswo wie in Erfurt cives diese und zudem ein kleines Bürgertum bezeichnen, dann teilt sie eine Urkunde wie die Kaiser Friedrichs II. von 1242 für diese Stadt in maiores et minores, wie diese schon früher in Reichsitalien auftauchen. In der Regel wird diese Aufteilung aber nicht (klar) definiert.

Eine andere Unterscheidung für dieselbe Stadt trennt zwischen cives et homines Erphordenses, also zwischen Bürgern und unterbürgerlichen (unfreieren) Leuten. (Mägdefrau, S.201)

 

Die Gemeindebildung des 12. und 13. Jahrhunderts verläuft sehr komplex und örtlich wie zeitlich sehr unterschiedlich. In Bremen entwickelt sich keine Bürger- sondern eine „Einwohnergemeinde“ (Schulz(2), S.42-49). Vom Ratsgericht ausgenommen sind bis in die zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts die Ministerialen, alle Knechte und Mägde aller geistlichen und weltlichen Herren bis zu den Ministerialen. Die Zuständigkeit des Rates wiederum konzentriert sich auf „Allmendeangelegenheiten und Regelungen des Marktverkehrs.“ (Schulz(2), S.49)

 

Einen wesentlichen Faktor auf dem Weg zur Gemeindebildung benennt Groten so: „Das rasante Bevölkerungswachstum veränderte die städtische Gesellschaft grundlegend. Ab einem gewissen Punkt waren die hergebrachten Organisationsformen überfordert. Die bischöfliche familia stellte nicht mehr die Mehrzahl der Bevölkerung, und auch die Verbände von Hörigen und Zinspflichtigen anderer städtischer und auswärtiger Kirchen traten kaum noch als Ordnungsfaktoren in Erscheinung. … Das bedeutete, dass kirchliche Institute als Ordnungsmächte an Bedeutung verloren.“ (S.77)

 

Zwei Gruppen werden konstitutiv für Gemeindebildung: Einmal die sich genossenschaftlich organisierende Handwerkerschaft und die sich ebenso organisierenden Kaufleute bzw. Händler. In die Marktsiedlung integrieren sich die zunächst von der Ortsherrschaft abgetrennten Kaufleute und erhalten in der Marktsiedlung freien, marktnahen Bodenbesitz und sind durch Gewohnheit, Herkunft und/oder Privileg, vor allem durch das ius emendi et vendendi (Zwischenhandel am Markt) und das des eundi et redeundi (Reiserecht) sowie durch Zollprivilegien "aus dem personenrechtlichen Kreis der Unfreiheit und seinen Rechtsfolgen ausgenommen." Ende des 11., Anfang des 12. Jahrhunderts werden "die Privilegsrechte der Kaufleute auf die ganze Stadtbürgerschaft ausgedehnt. (...) Die Kaufleute geben offenbar ihre ständischen und bodenrechtlichen Vorrechte zugunsten der Stadtbürgerschaft auf, beanspruchen jedoch, innerhalb dieser, Zugehörigkeit zur neuen Oberschicht." (Dilcher in: Schwineköper, S.96ff)

 

Die Gemeindebildung basiert räumlich auf der ummauerten Stadt, die zugleich Gerichtsbezirk wird, der die Einwohner/Bürger vor auswärtiger Gerichtsbarkeit schützt. Sie wird dann auch Rechtsbezirk eines gemeinsamen Stadtrechts, welches den meisten Einwohnern jenseits von Adel, Klerus und Mönchen freie Tätigkeit in Gewerbe und Geschäft ermöglicht, wobei tendenziell die Abgaben an die alten Herren abnehmen, aber zunehmend durch solche an die Bürgergemeinde ergänzt werden. Eine Obrigkeit (oberkeit) wird dabei durch eine andere ergänzt, oder gar in einzelnen Fällen fast ersetzt.

Darüber hinaus ist die eher horizontal-genossenschaftliche Gemeinde schon in ihrem Entstehungsprozess kein Freiwilligen-Verband, sondern eine neue und intensivere Form der Zwangsgemeinschaft, die den Zugriff auf den Einzelnen bzw. die Haushalte effizienter gestaltet als das in der Nachantike möglich war.

 

Die Entstehungsgeschichte des Kapitalismus ist auch die der Emanzipation von Handwerk und Handel aus dem rechtlichen Rahmen der Herren über großen Grundbesitz. Dies geschieht beim Handel, insbesondere dem Fernhandel zugleich schneller und in größerem Umfang, nicht zuletzt deshalb, weil er in Teilen immer schon freier war. Teile des Handwerks bleiben als vorrangige Lieferanten für die adelige und dann auch fürstliche Herrenschicht dieser rechtlich und inhaltlich stärker verbunden.

Je mehr aber der Handel sich in die Stadt integriert und an ihrer Gemeindebildung beteiligt, desto stärker wird auch die Neigung des Handwerks, selbst beteiligt zu werden. Damit ändert sich dann auch der Charakter genossenschaftlicher Vereinigungen: Handel und Finanzen bilden nun Vereine aus, die ihre Privilegien und ihre Macht in der Stadt sichern sollen, während sich parallel dazu die Handwerke einmal in immer spezialisiertere Zünfte unterschiedlicher Macht aufspalten, und zum anderen analog zu den Vereinen des größeren Kapitals politisiert werden, um Teilhabe an der städtischen Macht zu erringen.

 

Eines aber gilt es zu betonen: Die Entstehung von Kapitalismus und die Gemeindebildung hängen zusammen und sind ein Spezifikum abendländischer Geschichte.

 

Freiheiten: Zensuale und Ministeriale

 

Die Befreiung der frühmittelalterlichen persönlichen Untertänigkeit in die andersartige der Stadt ist ein Vorgang, der einmal in die Zensualität und teilweise langsam aus ihren Belastungen dann heraus führt, und bei den Ministerialen sich teilt in den der zunehmenden Selbstverwaltung in ihren Ämtern bei zunehmender Geschäftstätigkeit und auf dem Lande in das langsame Aufgehen im ritterlichen Landadel. Diese Vorgänge laufen an verschiedenen Orten unterschiedlich ab und zu verschiedenen Zeiten.

 

Dise unterste Schicht der Knechte und Mägde reiht sich in Worms im 12. Jahrhundert zunehmend in die Zuständigkeit der Stadt ein, soweit sie aus dem unmittelbaren Dienst beim Herrn austritt und ein davon unabhängiges Gewerbe betreibt. Damit verschwindet das Geburtsprinzip und wird ersetzt durch die tatächliche Tätigkeit, die die Untertanen neu einordnet. Das wiederum bedeutet die langsame Geburt einer bürgerlichen Gemeinde mit ihrem eigenen Recht und ihren eigenen Pflichten und Abgaben. Rechtlich findet die Überführung aus der Knechtschaft in die Zensualität statt, und zwar neben Gebieten von Nordost-Franzien vor allem in den damaligen deutschen Landen.

 

Die Wege in die Zensualität sind vielfältig. Handwerker und schiere Arbeitskräfte kaufen sich selbst frei vom Herrn zum Zwecke, sich in die Zinsabhängigkeit von einer Kirche und insbesondere eines Klosters zu begeben. Allein dem Regensburger Kloster St.Emmeran sind zwischen 975 und 1200 fünfhundert Hörige zu Zensualenrecht übergeben worden (Schulz(2), S.75). Mancipia, also Hörige, werden von Bürgern freigelassen, nachdem sie ihnen ihr Eigentum überlassen haben. Bürger kaufen ihre hörige Ehefrau und die Kinder frei. Hörige werden an ein Kloster tradiert und zahlen ihrem bisherigen Herrn bis zu dessen Tod einen Kopfzins als Altersversorgung. Hörige werden an Kirche und Kloster verschenkt und dabei von der Hörigkeit in die Zensualität übergeben. Bischöfe verschenken wie Burchard von Worms große Güter an Klöster, deren Hörige dabei in die Zensualität aufsteigen und ab omni servitude liberi sind (Schulz(2), S.87). Enorme Gelder müssen so insgesamt geflossen sein, wobei größere Summen für den Freikauf in der Regel einen geringeren "Kopfzins" nach sich ziehen. Es ist offensichtlich, dass zunehmendes Produzieren für einen Markt mehr Geld in die Hände der Leute fließen lässt, und dass es zugleich günstiger wird, Gratisdienste durch Schutzbefohlene mit Geld abzulösen und sich stattdessen Arbeit zu kaufen.

 

Freie begeben sich besonders im 12. Jahrhundert in den Zensualenstand, um zum Beispiel in den Schutz eines Klosters zu gelangen. In der Mehrzahl geht es um Frauen, insbesondere Witwen, In Mainz tritt "die Witwe Willerad, eine freie Friesin, die mit einem in Mainz-Kastel ansässigen Freien verheiratet gewesen war, mit ihrer Tochter in die Zensualität ausdrücklich mit der Begründung ein, dass sie vor den Verwandten ihres verstorbenen Mannes, die sie gewaltsam um ihr Erbe bringen wollten, Schutz gesucht habe" (Schulz(2), S.78).

 

Zinspflichtige erhalten so eine weitgehende Mobilität und freie Entfaltungsmöglichkeiten auch im gewerblichen Bereich bei jährlichem Kopfzins von mehreren Pfennigen (Denaren), dem census oder tributum, dazu Heiratsgebühr und Todfallabgabe,  wodurch sie in einen geistlichen Verband locker eingegliedert bleiben (Schulz(2), S.53). Die Todfallabgabe beinhaltet oft weiter beim Tod des Mannes das Besthaupt, nämlich sein bestes Stück Vieh, bei der Frau das Bestkleid, ihr wertvollstes Kleidungsstück. Die Heiratsgebühr wird für die übliche Zustimmung des Herrn zur Heirat bezahlt, eine zusätzliche ist zu entrichten, wenn der Herr eine Heirat außerhalb seiner familia duldet, um sich dann zugleich oft einen großen Anteil am zukünftigen Erbe zu sichern, damit es nicht seine familia verlässt.

Wird der jährliche Zins in Wachs für die Kerzen des Heiligen der Kirche entrichtet, spricht man von Wachszinsigen, Cerozensualen. Stärkster Eingriff in persönliche Freiheit ist die extrem hohe Gebühr bei Heirat außerhalb der familia des Herrn, zugleich deutlichstes Zeichen der Zugehörigkeit zu dieser. Größte neue Freiheit ist der Wegfall von Herren/Frondiensten, wodurch der Zensuale "über seine eigene Arbeitskraft und zugleich über das Produkt seiner Arbeit frei verfügen" kann (Schulz(2), S.70). Kapitalismus wäre ohne das starke Anwachsen der Zensualität im 11./12. Jahrhundert nicht möglich gewesen, die die Menschen zum etwas freieren Agenten in einer Marktwirtschaft macht.

 

Die Wormser Zensualen erringen weitere Elemente bürgerlicher Freiheit, und zwar zwischen einem Privileg Kaiser Heinrichs V. von 1114 und einem für 1184 durch Friedrich I. („Barbarossa“). Ihre Verpflichtungen werden zunehmend eingeschränkt. Schon der fünfte Heinrich dekretiert die freie Eheschließung bei freiem Erbrecht. Das bleibt aber zunächst auf Worms beschränkt. Dort ist dann aber nach Kaiser Friedrich I. nur noch der Kopfzins als Belastung übrig. Mit der Befreiung davon wird dann der entscheidende Schritt getan werden.

 

Die Entwicklung "bürgerlicher" Freiheiten, also von Rechten, die sporadisch im 11. Jahrhundert einsetzt, wird im 12. Jahrhundert bestätigt und erweitert. Erst 1182 wird in Speyer und 1184 in Worms durch Kaiser Friedrich I. ("Barbarossa") endgültig die Todfallabgabe beseitigt. Den Wormsern erlässt er zugleich mit dem Kopfzins die letze persönliche Verpflichtung gegenüber einem Herrn. Dieses Privileg gilt für die ganze Einwohnerschaft, was für Speyer heißt: Omnes qui in civitate Spirensi modo habitanti vel deinceps habitare voluerint ... (in Schulz(2), S.103)Dabei ist zu bedenken, dass der Kopfzins das letzte Merkmal der "Freiheit" der Zensualen ist und erst verschwindet, als er durch breitere bürgerliche Freiheit ersetzt wird.

 

Aber die Entwicklung verläuft je nach Ort und Zeit sehr unterschiedlich und mancherorts bleiben solche Verpflichtungen weiter bestehen, zum Teil bis in die Neuzeit hinein. Bürgerliche Freiheit als Ablösung von persönlichen Verpflichtungen gegenüber einem Herrn, geschieht von Ort zu Ort verschieden und zu verschiedenen Zeiten und gelegentlich gar nicht.

1186 privilegiert der erste Friedrich alle Einwohner von Bremen „nach Jahr und Tag“ als „frei“, sofern sie nicht weiterhin zu den Kirchen gehören. Diese bleiben unfrei, auch wenn sie zugleich der Gemeinde angehören.

 

An die Stelle des Kopfzinses tritt in der Gründungsurkunde für Freiburg 1120 der Jahreszins (von einem Schilling) auf das Grundstück. Damit wird der Weg von der grundherrlichen Abgabe zur bürgerlichen Besteuerung beschritten.

Hundert Jahre später (1219) setzt Friedrich II. als königlicher Stadtherr für Nürnberg fest: Wenn der Reichsherr von ihnen die Steuer (steuram) erhebt, brauchen sie die Zahlung nicht einzeln pro Person, sondern dann können sie diese gemeinsam, je nach ihrem Vermögen (pro posse suo) entrichten. (in Hergemöller, S.258). Damit wird die Stadtgemeinde zu einer abgeschlossenen fiskalischen Körperschaft.

 

1120/35 dekretiert der Mainzer Erzbischof Adalbert seine Stadt zum Gerichtsstandort für alle seine Städter. Damit wird sie hier zum Gerichtsbezirk und nach außen abgegrenzt. Viele andere Städte folgen darin, und dabei werden immer mehr Bereiche niederer Gerichtsbarkeit in bürgerliche Hand gegeben.

 

Knut Schulz fasst zusammen, dass der Grundsatz, Stadtluft mache frei, sich neben der in dieser Hinsicht privilegierten Ostsiedlung vor allem auf die Machtbereiche der Zähringer, Staufer und Welfen konzentriert (Schulz(2), S.67). Am Niederrhein und überhaupt im Nordwesten hingegen basieren Stadtgründungen und Stadtrechtsverleihungen auf nur abgeschwächter Zensualität, während diese andernorts bereits verschwindet. Abgeschwächt ist die Größe der Todfallabgabe und verzichtet wird auf das Verbot der Heirat außerhalb der grundherrlichen familia. Während sich in Hamm, Münster und Lippstadt um 1215 noch der Satz von der freimachenden Stadtluft findet, wird dieser im weiteren 13. Jahrhundert bereits abgelehnt und die Landflucht Höriger in die Stadt immer mehr erschwert. Allein das Stift Xanten verfügt 1430 noch über ungefähr 4000 Wachszinsler, während die Zensualität in Bayern bereits weithin verschwunden ist.

In Oberschwaben bleibt die Zensualität mit ihren Abgaben bis in die Neuzeit bestehen und wird teilweise sogar wieder verschärft. Nachdem die Appenzeller sich den Wegfall der Todfallabgabe 1566 erkaufen, gelingt das im Rorschacher Vertrag mit dem Abt von St.Gallen seinen Leuten, das ebenfalls zu tun (Schulz(2), S.66). Aber das liegt an dem mächtigen Einfluss der nahen Eidgenossenschaft.

 

Besonders wichtig für die Entstehung einer Stadtgemeinde ist die Auslösung des immobilen Eigentums innerhalb der Stadtmauern aus der unmittelbaren Verfügung des Herrn, in der sie einmal stand. Der Weg in das freie Eigentum geschieht über das Erbrecht, welches der Ablösung der Verpflichtungen aus der Zensualität vorausgeht.

1180 bestätigt Friedrich Barbarossa den Wetzlarern, dass ein jeder von ihnen von seiner Hofstätte alljährlich 4 Pfennige dem Herrn, von dem er sie hat, als Zins zahlt, und dass er sie ohne alle weiteren Forderung ungestört innehaben soll. Nach ihrem Tode jedoch sollen ihre Söhne oder nächsten Erben oder diejenigen, denen sie es vielleicht vermachen wollen, 12. Pfennige entrichten, und von da an sollen sie, wie es zuvor angeordnet ist, jährlich 4 Pfennige zahlen. Wenn aber jemand bei Lebzeiten seine Hofstätte verkaufen will, soll sie der Käufer zu demselben Recht wie ein Erbe erhalten. (Engel/Jacob, S.29)

Der bürgerliche Eigentumsbegriff entsteht so aus Gewohnheiten, die sich als für beide Seiten günstige einschleichen, und wird dann festgeschrieben, wobei allerdings Obrigkeit bis heute immer wieder Wege findet, um ihn geschickt auszuhöhlen.

 

Freiheit wird letztlich wirtschaftlich definiert, auch wenn sie sich rechtlich äußert. Sie beinhaltet das Besitz- und Erbrecht und die Möglichkeit, sich ein Gewerbe zu suchen. Das betrifft auch die vom Bischof belehnten Ministerialen, die ihren Militärdienst nun durch Geld, nämlich durch einen von ihnen bezahlten Ersatzmann ablösen können. Als Kaufleute (mercatores), Besitzer eines Lehnsgutes und als berittene Krieger können sie sich nun entweder stärker ihren Geschäften zuwenden und Bürger werden, manchmal die einzigen, die so genannt werden, oder aber eine ländliche Krieger- und Gutsherrenkarriere einschlagen.

 

Der Ministeriale ist wörtlich ein Dienstmann, und zwar ein solcher, der gehobene und keine Knechtsdienste leistet, zum Beispiel die eines villicus, also eines Meiers. Knut Schulz sieht die Wormser Fiskalinen des frühen Mittelalters als ein Mittelding zwischen Zensualen und Ministerialen an: Sie brauchen nur gehobene Hofdienste zu leisten und können diese, wenn sie dazu nicht gebraucht werden, durch einen Zins ablösen. Fiskalinen hißene sie, weil sie ein Geschenk des königlichen Fiskus an den Wormser Bischof waren. Dazu erwähnt er eine Wachszinsige aus Mainz-Kastel; sie soll samt Nachkommen sine omni servitutis iugo, ubicumque velint, liberi permaneant ac in condicione et iure illorum, qui fisgelini vocant, semper maneant. (Schulz(2), S.98) Für das zwölfte Jahrhundert wird es dann üblicher, einige Hörige ins Zensualenrecht, einige und immer mehr davon aber gleich in den Ministerialenstatus zu tradieren.

 

Neben einigen freien Fernkaufleuten werden Ministeriale bzw. Nachfahren von ihnen vor allem dann das städtische Meliorat bilden und später das Patriziat, denn "durch ihre militärische Qualifikation, die Wahrnehmung der Gericntsbarkeit, die Regelung des Markt- und Warenverkehrs sowie eine vielfältige Beteiligung am städtischen Wirtschaftsleben waren sie auf Grund ihrer Herkunft und der von ihnen ausgeübten Funktionen diejenige Gruppe in der Stadt, die in erster Linie befähigt war, selbständig die Geschicke der Stadt in die Hand zu nehmen und sich auch gegenüber dem Stadtherrn durchzusetzen." (Schulz(2), S.130)

 

In Trier hatte der Burggraf Ludwig mit seinen Ministerialen bereits in den zwanziger Jahren des 12. Jahrhunderts erhebliche Selbständigkeit erlangt.  Bis um 1170 setzt sich dann mittels mehrerer coniurationes die Ministerialität soweit durch, dass sie ein Schöffenkolleg als Stadtbehörde weitgehend besetzt. (siehe weiter unten).

 

Der zunächst bis ins 13. Jahrhundert bestehenden rechtlichen Unfreiheit steht die große wirtschaftliche Unabhängigkeit gegenüber. Städtische Ministeriale entwickeln großen Landbesitz, zudem werden sie oft die größten Grund- und Hausbesitzer in der Stadt. Ministeriale süddeutscher Städte sind oft die bedeutendsten Handelsherren dort, sie sind im Münzgeschäft wie im Silberbergbau tätig, wobei sie immer stärker aus dem Einfluss ihrer städtischen Herren heraustreten.

Die Begriffe cives und burgenses werden in Mainz im 12. Jahrhundert im wesentlichen für Ministeriale verwendet. Diese teilen sich in einer Urkunde von 1155 auf in vornehme Ministerialengeschlechter, die burgenses, und die officiati. Diese Offizialen bilden zusammen mit anderen bürgerlichen Ministerialen den 1144 vom Erzbischof anerkannten Stadtrat und besetzen die höchsten städtischen Ämter (Schulz).

Ähnlich wie schon Generationen früher in Trier kommt es auch in Mainz 1158-60 zu einer großen Machtprobe zwischen cives unter der Führung der Ministerialen und dem Erzbischof Arnold von Seelenhofen, der von der Stadt stipendiae militie

für seine Teilnahme am zweiten Feldzug Barbarossas nach Italien verlangt. 1163 verurteilt der Kaiser dann die Stadt dafür zur Zerstörung der Stadtmauer und der Aberkennung ihrer Rechte. Aber die Ministerialität ist schon wenige Jahre später wieder in ihrer alten Machtstellung.

 

Das Recht der Bürger am Eigentum an Grund und Boden lockt Leute in neugegründete Städte. Aber auch in den schon älteren wird die Koppelung dienstlicher Verpflichtungen an den Boden durch einen Grundzins abgelöst. Das liegt besonders im Interesse der Kaufleute, die dadurch uneingeschränkte Mobilität erlangen. Nach und nach setzt sich in immer mehr Städten durch, dass Grund und Boden in der Stadt frei vererbt und veräußert werden können. In derselben Zeit wird in der Stadt das Heiraten von Genehmigungen und Abgaben befreit.

 

Indem das entstehende Bürgertum erweiterte Möglichkeiten erhält, in einer gewissen Selbständigkeit Geld zu verdienen, wird immer deutlicher, dass die Herren in der Situation von Rentiers durch geldliche Abgaben einfacher zu Reichtum gelangen können aus durch Dienste aus grundherrlicher Abhängigkeit. Indem immer mehr Geld zwischen die Menschen tritt, treten zugleich die auf Grund und Boden beruhenden persönlichen Beziehungen zwischen Herr und Knecht zurück.

 

Die Dynamik der Entwicklung, welche die abendländische bürgerliche Stadtgemeinde als Sonderfall der Geschichte hervorbringt, beruht also auf der Dynamik der handwerklichen Gewerbe, des Handels über den städtischen Markt und der Geschäftstätigkeit stadtsässiger Ministerialer und vermutlich weniger freier Fernkaufleute. Indem das Wachstum von all diesem und dabei auch der Einwohnerschaft vom Stadtherrn als einkommensfördernd erkannt wird, kommt es zur Kapitalisierung des Wirtschaftens einer Oberschicht von "Geschlechtern"und zur Kommerzialisierung der gesamten Stadt. Dabei entsteht eine Interdependenz zwischen Wirtschaft und Recht, bei der die Ökonomie einen gewissen Vorlauf hat.

 

Gesellschaften: Produktion (Handwerk)

 

Das sich zunehmend auf einen städtischen Markt orientierende Handwerk über grundherrliche Bedürfnisse hinaus setzt vor allem ein Wachstum städtischer Bevölkerung als nachfragender Konsumenten voraus. Erst wo es eine größere Zahl von Handwerkern mit eigenen Betrieben und Produktionsmitteln gibt, beginnen sie sich in der Stadt zusammenzuschließen. Die Anfänge liegen im Dunkeln, einmal wegen mangelnder Schriftlichkeit im Handwerk, zum anderen, weil erst später die Stadtherren und höheren Herrschaften darauf reagieren, indem sie solche Zusammenschlüsse rechtlich bestätigen. Das geschieht bereits hier und da im 11. Jahrhundert in West- und Ostfranzien.

Es bilden sich Interessengemeinschaften der Schuster, der Fischer und nach und nach immer mehr anderer. Diese sind einmal fraternitates, Bruderschaften, und zum anderen societates, gewerbliche bzw. „genossenschaftliche“ Vertretungen, wie Schulz (S. 41ff) meint sie trennen zu können.

 

Der Begriff Genossen hat vielfältige Bedeutung und ist das Gegenstück zum Begriff Herrschaft. Im frühen Recht der Stadt Freiburg/Breisgau ist zum Beispiel festgelegt, das Eheleute für einander genoz sind. Später im 12. Jahrhundert heißt es: Jeder Bürger dieser Stadt ist hinsichtlich des Eigentums dem anderen ein Genosse, und wenn er vielleicht Grundbesitz erwerben will, braucht er für seinen Besitz in keiner Form das Vogteirecht zu zahlen. (in Hergemöller, S.155). Genossen sind also gleichberechtigte Partner und noch im 13. Jahrhundert zeichnen sie sich durch Ebenbürtigkeit aus (siehe auch Anhang 20).

 

Die Bezeichnungen für Zusammenschlüsse von Handwerkern und Händlern variieren je nach deutscher Gegend. Im westlichen Norddeutschen heißt es oft Gilde, was wohl ursprünglich Gelage bedeutete, oder Amt, am Niederrhein Gaffel (ursprünglich wohl: Abgabe), östlich davon Innung, allerdings erst seit dem 12. Jahrhundert und nur auf Handwerk bezogen. Im Südwestdeutschen gibt es Zunft, Einung und erst Ende des 12. Jahrhunderts Zeche,  östlich davon genauso spät Zeche und Handwerk. (Schmidt-Wiegand in: Schwineköper, S.34) Früh taucht Zeche erst einmal im 12. Jahrhundert in den Klosterleuten auf, di ir zeche hânt, also ihre Regel, und in einer fraternitas der civium Salzburgensium que zecha vulgo dicitur. (s.o. S.49) Dabei gibt es bei regionalen Unterschieden auch gewisse Unterschiede in der Sache.

 

Zunächst handelt es sich um Vereinigungen, die kultische Zwecke mit denen gegenseitiger Unterstützung verbinden und sie beruhen auf Freiwilligkeit. Ein spätes Echo auf den Übergang von der noch stark religiös definierten Brüderschaft zur Zunft bezeichnet zuerst ein Dokument für die Baseler Kürschner von 1226, in dem von der confraternitas eorum, … quod in vulgari dicitur zhunft die Rede ist (Engel/Jacob, S. 255). Diese heißt aber im selben Text auch opificium, officium, magisterium und opus.

Schon 1197 geißt es für die Magdeburger Schildmacher und Sattler: Nec aliquis numero eorum vel societati in faciendo ipso opere accedat nisi prius eorum communione quod vulgo inninge dicitur aquisita. (In: Schwineköper, S.67)

 

Falls das Wort Zunft von „ziemen“ kommt, ist darin von vorneherein die Verregelung und nicht nur die Interessenvertretung einer Handswerksbranche gemeint. 1247 taucht dann in Basel wieder zumpft auf.

 

In der Baseler bischöflichen Urkunde für die Kürschner von 1226. Darin ist ein gewisses Maß an Gerichtsbarkeit mit der Verhängung von Strafen bzw. Bußen enthalten. Diese gehen an die mit der Zunft direkt verbundene Marienbruderschaft am Baseler Münster und zu einem Drittel an die Stadt. Der Bischof setzt den Zunftmeister ein und bestimmt einen Ministerialen für die Oberaufsicht. 1248 gibt es für die Metzger und 1248/49 für die Bauhandwerker entsprechende Zunftbriefe, wobei sie nun Strafgelder ausdrücklich für den Umtrunk verwenden können. 1260 schließlich dürfen die nun zugelassenen Schneider ihren Zunftmeister selbst wählen. Vor 1270 wird den Lebensmittelhändlern zusätzlich das Recht auf gegenseitige Hilfe zugestanden, wobei auch andere (Achtburger) der Bruderschaft beitreten dürfen.

 

Zünftig ist bis heute etwas, was sich ziemt, also ordentlich gemacht ist und bald dann auch auf Übereinkunft beruht. Indem in einigen deutschen Gebieten stattdessen das Wort Innung, also Einung benutzt wurde, wird letzteres deutlich. Dort, wo die Zunft als amt (officium) erwähnt wird, wird zudem belegt, dass sie ein officium ist, also von einer drübergesetzten Macht, eben dem Herrn der Stadt, verliehen, privilegiert wurde. Mit der Privilegierung der Wormser Fischhändler 1107 durch den Bischof wird aus ihrer Arbeit selbst schon ein officium.

 

Das Wort Gilde bezeichnet wohl ursprünglich ein zeremonielles Trinkgelage, in dem Menschen sich miteinander verbinden, und wird darum sowohl für Vereinigungen von Handwerkern wie von Kaufleuten verwandt. Umgekehrt ist es wohl mit der Bezeichnung Zeche für Zunft, wobei dies Wort ursprünglich eher Versammlung, Vereinigung meinte, um dann dadurch, das solche gemeinsamen Trinkgelage zum zünftigen Alltag gehörten, gegen Ende des Mittelalters auch dieses selbst zu bezeichnen, weswegen man noch heutzutage sagen kann, dass jemand die Zeche bezahlen muss.

 

Zunächst sind Handwerkervereinigungen also kultischen Bruderschaften eines bestimmten Gewerbes, und sie bleiben auf jeden Fall weiter vor allem im deutschen Raum Kultgemeinschaften, an einer Kirche angesiedelt, in der sie einen Altar oft für den speziellen Zunftheiligen unterhalten, für den sie Kerzen spenden und an dem sie an festen Terminen Messen feiern. Zudem nehmen sie geschlossen an Prozessionen teil. Dadurch werden sie zu Feldern einer Verbürgerlichung von Christentum, die sich dann in den von ihnen nachgefragten Künsten wie auch in der Literatur besonders des Spätmittelalters äußert.

 

Sobald Stadtherren und Fürsten in der Ambivalenz von Interessenvertretung und Ordnungsstiftung solcher Einungen im Gewerbe und auf dem Markt die Chancen für sich erkennen, privilegieren sie diese unter Einbindung in das von ihnen gewünschte grundherrliche Ordnungsgefüge. 1106 bestätigt der Bischof von Worms 23 Fischhändlern ihr ausschließliches Recht auf dieses Gewerbe und die Vererbbarkeit dieses Rechtes auf den Sohn, und, so keiner vorhanden ist, die Kooptation eines weiteren Mitgliedes.

 

Handwerkervereinigungen vertreten also Interessen des Stadtherrn, der sie damit beauftragt. Zugleich sind sie aber auch Interessenvertretung der Handwerker selbst.

Indem Stadtherren dann noch bürgerliche Instanzen in der Stadt anerkennen, die auch über den Vereinigungen von Handwerkern stehen und zum Beispiel das Marktgeschehen insgesamt ordnen, werden diese immer mehr in ein obrigkeitliches System eingeordnet werden.

 

Straßburg um 1130 kennt solche bürgerlichen Instanzen noch nicht, die Menschen sind ganz in den Rahmen bischöflichen Rechtes eingegliedert. Die vertikale Gliederung in Herrn und Unterta wird vom vicedominus, dem urbis praefectus und dem urbani iuris villicus vertreten.

Aber dem tritt bereits eine gewisse horizontale Gliederung in Vereinigungen einzelner produktiver Branchen entgegen: Das vom Bischof besetzte Amt (officium) des Burggrafen bestellt die Meister fast aller Ämter (officia) in der Stadt (…), nämlich die der Sattler, Kürschner, Handschuhmacher, Schuster, Schmiede, Müller, Küfer, Becherer, Schwertfeger, Obsthänder und der Schankwirte. ( Hergemöller, S.170) Dann wird im einzelnen aufgeführt, welche Dienste sie dem Bischof zu leisten haben. Deren Vereinigungen dienen also nicht nur ihren Interessen, sondern auch denen des Stadtherrn an Rechtlichkeit, Ordnung und Friedfertigkeit, mit anderen Worten an Unterwerfung und Gehorsam. Horizontal heißt aber nicht, dass man annehmen könnte, sie seien nicht unterschiedlich wohlhabend und einflussreich. Bürger besitzen manchmal bereits erheblichen Grundbesitz, den sie auch verkaufen dürfen.

 

Eine mögliche Entstehung handwerklicher Vereinigungen kann so durch die stadtherrliche Verwaltung von Branchen in officia gelegen haben, die durch kultische und rituelle Elemente wie das gemeinsame Essen und Trinken zusammenwachsen und ein Eigenleben gewinnen.

 

Um dieselbe Zeit (1128) bestätigt Bischof Embricho von Würzburg den Schuhmachern seiner Stadt ihre althergebrachten Rechte:

Alle christgläubigen Menschen, sowohl die gegenwärtigen als auch die zukünftigen, sollen wissen, dass die Schuster unserer Stadt vor uns getreten sind, um uns ihre Rechte, die ihnen von unseren Vorgängern schon vor langer Zeit gegeben und zuerkannt worden sind, darzulegen und sich darüber zu beklagen, dass diese durch die Habgier einiger Richter abgeändert worden sind (…) Außerdem hat, wer die Mitgliedschaft in ihrem consortium erlangen wollte, ihnen 30 Schillinge gezahlt, und von diesen standen dem persönlichen Kämmerer des Bischofs 4 Schillinge zu, den beiden Schultheißen 3; die übrigen 23 Schillinge haben die Schuster eingenommen, um davon jedes Jahr 44 Pfund Wachs für die Kerzenbeleuchtung der Krypta und dem Kirchenpersonal 8 Pfennige zu geben; und wenn sie dies alles gezahlt hatten, sollten sie von niemandem mit ungerechten Forderungen behelligt werden. (Engel/Jacob, S. 279)

 

Offenbar gab es schon im 11. Jahrhundert oder jedenfalls Anfang des 12. eine Art Zusammenschluss der Würzburger Schuhmacher-Meister, deren innere Angelegenheiten sie selbst regelten.  Ein Meister, der dazugehören wollte, musste sich mit einer Einmalzahlung von 360 Pfennig (30 Schillinge) einkaufen (Zensualen bezahlten üblicherweise einen Jahreszins von 2 Pfennigen und lagen damit sozusagen über der Armutsgrenze). Die Summe war also von erheblichem Umfang und musste wohl erst einmal angespart werden.

Zudem bildeten die höchstens zwanzig Mitglieder des consortium eine Gebetsbruderschaft., die am Stift Neumünster angesiedelt ist, wo Kerzenwachs für die Krypta und Geld für den Priester ihres Altares abzuliefern ist. (Groten, S.105f/ Schulz, S. 42) Das stellte sie wohl in irgendeiner Form unter den Schutz der Stiftsherren, und das magische Moment des kirchenchristlichen Mittelpunktes schuf dann eine originäre Bindekraft untereinander. In Not geratene Mitglieder werden aus einer Gemeinschaftskasse unterstützt.

Für ihre Zulassung müssen sie dem Bischof Kerzenwachs und Geld liefern und dazu einen Pelzmantel, dem Stadtkämmerer Geld und den beiden Stadtschultheißen zwei paar Stiefel zu Weihnachten, ein hoher Preis insgesamt. (Groten, S.105f)

Wenn man dem Bischof hier glauben kann, dann baten sie ihn darum, von weiteren Ansprüchen seiner Amtsleute verschont zu werden, die diese vermutlich in die eigene Tasche stecken wollten.

 

1149 trennen sich in Köln die Weber von Bettbezügen von denen von Kopftüchern und geben bekannt, dass sie eine fraternitas der Bettbezugweber in frommer Hoffnung auf das ewige Leben gegründet und sie im Bürgerhaus, das im Judenviertel liegt, vom Vogt Richolf, vom Grafen Hermann, von den Richtern und Schöffen und auch mit dem Beifall des gesamten Stadtvolkes bestätigt erhalten haben, und zwar in der Form, dass alle mit der Bettbezugweberei Befassten, die im Stadtgebiet leben, gleich ob sie am Ort geboren oder zugezogen sind, sich dieser Zunft, gemäß dem von den obengenannten Mitgliedern festgesetzten Recht, freiwillig unterwerfen sollen. Diejenigen aber, die dem durch irgendeine Abweichung zuwiderhandeln und sich freiwillig nicht unterstellen wollen, sollen, durch strengen Richterspruch gebändigt, unter materiellen Verlusten schließlich gezwungen werden, sich ihm zu unterstellen und ihm zu folgen. Außerdem soll dem künftigen wie dem gegenwärtigen Geschlecht nicht unbekannt bleiben, dass die genannten Zunftbrüder aus der gemeinsamen Kasse der Zunft im Rahmen ihrer Möglichkeiten den Kopftuchwebern einen Zuschuss gegeben und den Stand auf dem Marktplatz, wo Kopftücher verkauft werden, durch eine Aufschüttung von Steinchen und Holz trockengelegt haben, und darum soll er beiden ohne Widerspruch und missgünstiges Gerede gemeinsam gehören. (Engel/Jacob, S. 280)

 

Was war geschehen? Vier einflussreiche und mächtige Meister jener Leinenweberei, die sich auf Bettbezüge spezialisiert hatten, sahen ihre spezifischen Interessen in einer eigenen Vereinigung besser aufgehoben als in der bisherigen, in der sie mit Kopftuchwebern zusammen waren. Sie schufen sich eine eigene Satzung und konnten bei den Vertretern der geistlichen und weltlichen Stadtherrschaft und ebenso bei der aufkommenden Vertretung der Bürgerschaft durchsetzen, dass diese anerkannt wurde. In ihrer Satzung legten sie auch fest, dass ihre sämtlichen Fachkollegen unter massiver Strafandrohung gezwungen werden, ihrer neuen Brüderschaft beizutreten.

 

Offenbar war es in dieser Stadt wesentlich lukrativer geworden, Bettbezüge herzustellen und zu verkaufen, weswegen diese Weber die anderen nun unterstützen können. Das machen sie aber deshalb, weil sie ihren Stand auf dem Markt, nachdem womöglich alle Plätze vergeben sind, behalten wollen. Vermutlich handelt es sich um jenen Markt, der durch Aufschüttung von Rheinufergebiet entstanden war, und die Idee der Hersteller von Bettbezügen ist nun, den bisherigen gemeinsamen Standort durch Aufschüttung zu erweitern und ihn dann gemeinsam-getrennt zusammen mit den nun abgedrängten Kopftuchherstellern zu benutzen. Diese werden darauf aufmerksam gemacht, dass ihr nun geringer Einfluss bei den Mächtigen der Stadt ihnen nichts anderes mehr erlaubt, als zuzustimmen, da sie andernfalls wohl nicht geringen Ärger bekämen.

 

Im Unterschied zum Würzburger Dokument von 1128 ist hier von einer gemeinsamen Kasse die Rede, die nicht mehr nur Abgaben an die Obrigkeit dient, sondern auch solchen Ellenbogen-Operationen gegen anders spezialisierte Gewerbe, gegen Fachkollegen, und vermutlich auch bestimmt ist für milde Gaben und Dotationen, mit denen sie ihre Interessen durchsetzen können, und die vermutlich nicht unter dem Signum „Bestechungen“ firmierten.

 

Wichtig ist, dass diese Schwurgemeinschaften, Zünfte, Gilden, Innungen, Zechen usw. einen kultisch-religiösen, einen gesellig-genossenschaftlichen und einen ökonomisch-politischen Aspekt enthalten. Dabei sind religiöse Bruderschaft und einzelnes Handwerk deckungsgleicher als üblicherweise in Italien, was eine Unterscheidung schwieriger macht. Die Kultgemeinschaft ist auf eine Kirche und einen Heiligen bezogen und gipfelt wo möglich in einem eigenen Altar dort, gemeinschaftlichen Messfeiern und damit zusammenhängenden Festen (convivium). Als Solidargemeinschaft helfen sie in Not geratenen Mitgliedern, beerdigen Genossen gemeinschaftlich usw. Ihr ökonomisches Interesse äußert sich in der Aufsicht über ihr Gewerbe und den Markt, später der Regulierung der Lehrlingsausbildung und des Status der Gesellen. Die Kontrolle darüber werden sie erlangen, sobald sie die Ausübung des Handwerkes an die Zunftmitgliedschaft koppeln und die Aufnahme in die Zunft an das Können, Eigentum und die jeweiligen Zunftregeln.

 

Die Verbindung von ökonomischen, genossenschaftlichen und religiösen Aspekten ist wichtig: Der religiöse Mittelpunkt legitimiert diese Vereinigungen, gibt ihnen Zusammenhalt über ein konfliktfreies Miteinander jenseits ökonomischer und politischer Meinungsunterschiede und fixiert sie als Teil städtischer Feiertags-Lebensformen, wie sie zum Beispiel in Prozessionen und Festivitäten sichtbar werden. Die handwerklichen Werte Fleiß, Pünktlichkeit, Ehrlichkeit in der Qualität und Quantität des Produktes, Ehrbarkeit als Verbindlichkeit von Ehe und Familie, die die Firma ausmachen, halten so Einzug in die städtische Religion und durchwirken sie zwischen dem 12. und 14. Jahrhundert mehr noch als die Wertvorstellungen des Handels und großen Kapitals. Das städtische Christentum wird bürgerlich werden, mehr noch als in Italien, wo das große Kapital früher und stärker in aristokratische Vorstellungswelten hineinwächst und Adel auch stärker am Kapital beteiligt ist.

 

Soweit werden solche Zusammenschlüsse von Stadtherrn gefördert, die es ihnen überlassen, ihre inneren Angelegenheiten zu regeln. Man darf dazu nicht vergessen, dass nicht der Handel, sondern das Handwerk den Kern der Bürgerschaft ausmachen: Städte sind wie Dörfer meist vor allem Produktionsorte.

 

Karl Marx sprach davon, dass der Kapitalismus im Schoße des Feudalismus entstanden sei. Jedenfalls wird seine Entstehung von den vorkapitalistischen Mächten durchgehend gefördert. Er entsteht, was das Handwerk als Voraussetzung betrifft, jedenfalls auch im Schoße der Kirche, denn seine Vereinigungen beginnen mit einem kultisch-rituellen christlichen Kern, angegliedert an die Pfarrkirche, Stiftskirche oder bald auch die Kathedrale.

 

Handwerk ist damals kleines, überschaubares Kapital mit geringen unternehmerischen Spielräumen. Aber diese werden, wie man sieht, „politisch“ genutzt. Zusammenschlüsse entstehen im Zusammenspiel mit weltlichen und geistlichen Stadtherren, der Kirche und den kapitalkräftigeren Händlern und Finanziers, und was Handel, Geldgeschäft und Handwerk dann als bürgerliche Freiheit herausarbeiten, ist alleine den Interessen ihrer Gewerbe geschuldet und ist neue, „modernere“ Unfreiheit darüber hinaus. Die ökonomisch-politische Gewalt, die die Bettbezüge-Weber gegenüber jenen ausüben, die Kopftücher herstellen, wird dabei ergänzt durch die, mit der sie gegenüber jenen Kollegen des selben spezialisierten Gewerbes auftreten, die sie unter ihre Kontrolle bringen. Nichts ist dabei deutlicher als das Wortspiel, welches Freiwilligkeit und Unterwerfung in ein und demselben Vorgang unterbringt. Die Kollegen, schreiben sie hier auf, die sich nicht freiwillig unterwerfen, werden mit Hilfe der städtischen Polizeigewalt und Rechtssprechung unterworfen werden. Dies ist ein ganz frühes Beispiel für das, was bis in die die Gegenwart den bürgerlichen Freiheitsbegriff ausmachen wird und Kern jener Staatlichkeit geworden ist, die sich heute in totalitärer Form Demokratie nennt.

Aber im 12. Jahrhundert ist man von der aktuellen Allgegenwart des modernen (totalitären) Staates noch weit entfernt. Es gelingt Handel und Handwerk, sich aus der stadtherrlichen Gewalt ein Stück weit zu befreien, meist im Einvernehmen mit derselben, ohne aber auf die Dauer, von wenigen Ausnahmen abgesehen, dabei dem Dialog mit der übergeordneten Macht ganz zu entgehen, oder wie, in der Nordhälfte Italiens, nicht den Signorien der neuen Herren zu verfallen.

 

Wenn solche Handwerker-Gesellschaften hier ausführlich als Muster von Gemeinschaftsbildung in den Städten beschrieben werden, so werden sie in den entstehenden Stadtgemeinden andererseits zunächst nicht im Geringsten an der Macht beteiligt, die bürgerliche Oberschicht betrachtet vielmehr wie der Adel produktive Arbeit überwiegend als verachtenswert und minderwertigen Menschen zuzuordnen.

 

Um 1200 haben größere deutsche Städte mit vielleicht 3000 Einwohnern bereits eine diversifizierte Handwerkerschaft mit zahlreichen spezialisierten Handwerken, die sich zu ihrer Interessenvertretung zusammengeschlossen haben, und daneben eine Vielzahl spezialisierter Krämer. Es gibt den täglichen Markt mit seinen Buden und Ständen und den Jahrmarkt für den Groß- und Fernhandel mit seinen Festen und seinem Treiben.

 

In der Vielfalt   unterschiedlicher Privilegien und interner Regulierungen lassen sich bald einige Gemeinsamkeiten erkennen. Zünftig (wie es bald heißen wird) konnte zunächst einmal nur ein Meister werden, manchmal auch eine Meisterin. Er muss meist einen mehr oder weniger hohen Besitz vorweisen und zudem ein Eintrittsgeld bezahlen, welches sich oft daran orientiert, wieviele Meisterbetriebe eines Gewerbes man in der Stadt haben will. Ob ein Zunftzwang ausgeübt wird, hängt im Mittelalter an örtlichen Gegebenheiten und an historischen Konjunkturen. So gilt für Magdeburger Hersteller von Schilden und Sätteln schon gegen Ende des 12. Jahrhunderts die Beitrittspflicht zu ihren Zünften, die im Verlauf des Mittelalters immer häufiger wird.

 

Eine Hoheit über das Handwerkswesen übten zunächst die Stadtherren aus, und Zünfte oder ähnlich heißen die Zusammenschlüsse der Handwerker erst im späteren Hochmittelalter oder gar erst im Spätmittelalter, als sie stärker aus der Hand der Stadtherren in die der entstehenden Stadtgemeinden übergehen. 1180 vergibt, ein frühes Beispiel, die mächtige und reiche Kölner Richerzeche bereits ein Privileg für die Kölner Drechslerzunft. Im Gefolge der späten Stauferzeit wird das immer mehr Aufgabe von Landesherren, die das dann delegieren. Für Berlin und Frankfurt/Oder galt etwa Folgendes zum Stadtrecht : "Danach ordnete der Rat die gesamte gewerbliche Tätigkeit, er hatte die Aufsicht über Maß und Gewicht, über die in 'Innungen' zusammengeschlossenen Handwerker, über die Qualität der von ihnen hergestellten Produkte und bestimmte die Art und Weise des Verkaufs auf den Marktständen und in den Läden." (Schich, in Schulz, S.45)

 

Noch 1226 setzt der Baseler Bischof in der Gründungsurkunde einer Kürschnerzunft fest, dass er aus dem Kreis der Meister einen Zunftmeister einsetzt und zudem jedes Jahr einen Ministerialen zur Beaufsichigung der Zunft aussucht.

1248/49 sind in Erfurt Wollweber, Schmiede, Schuhmacher, Bäcker, Fleischer und andere bereits in Zünften dokumentiert. Sie haben ihre innunge vom Mainzer Erzbischof erhalten und die frühesten, die der Weber, Schuhmacher, Lederschneider und Hutmacher, erhalten die Bestätigung für ihre jährlich gewählten Vorsteher mit der "Übertragung von Stab und Heiligen" durch den erzbischöflichen Schultheißen gegen Leistung von Abgaben. Bei den Schmieden ist dafür der erzbischöfliche Provisor zuständig.(Mägdefrau, S.121)

 

Nach dem Sieg 1263 über den bischöflichen Stadtherrn bei Hausbergen wird für die meisten Straßbürger Zünfte folgendes festgesetzt:

daz in, swer bischof ist,einen burcgraven geben sol, swenne daz burcgravenambaht lidig würt. Unde sol der burcgrave sin ein gotzhusdienstman. Der burcgrave sol in öch geben von ieclicheme antwerke, der er pfliget, einen meister, der daz antwerk kan. Der ensöl öch nut anders rihten nuwen daz daz antwerg angat. Diz sint aber die antwerk: rintsuter unde kurdewener, zimberlute, kueffer, oleylute, swertfeger, mulner, smide, schilter unde satteler. (in: Schwineköper, S.333)

Dass die Zünfte noch erheblichen Restriktionen unterliegen, dürfte an der Macht der Oberschicht liegen, die diese im Verein mit dem Bischof unterstützen.

 

Nach und nach setzt sich für die Zünfte seit der späten Stauferzeit die freie Wahl ihres Zunftmeisters und anderen Beauftragten und die Regelung ihrer inneren Angelegenheiten durch, über die sie auch eine gewisse Gerichtsbarkeit besitzen, samt ihrer kultischen Betätigungen. Im Fall von Krankheit oder plötzlicher Not hilft man sich gegenseitig, meist mit Krediten, aus. Die Beerdigung eines Mitgliedes wird gemeinsame Verpflichtung. Die Ausbildung von Lehrlingen und Beschäftigung von Gesellen wird ebenfalls mehr und mehr gemeinsam geregelt, ebenso wie die Aufsicht über die Bewaffnung der Mitglieder und der Anteil an der Stadtverteidigung.

Ein Zunftzwang wie bei den Baseler Kürchnern und ein Verkaufsmonopol für das eigene Gewerbe in der Stadt müssen mit dem jeweiligen Herren und/bzw. dem Rat der Stadt abgestimmt sein.

 

Zünfte entstehen nach und nach unter etwas unterschiedlichen Rahmenbedingungen im ganzen lateinischen Abendland. Um 1130 gibt es beispielsweise in London und anderen englischen Städten bereits Weberzünfte.

 

 

Gesellschaften: Kapital (Handel und Finanzen)

 

Wie das Land so erbt auch die mittelalterliche Stadt aus der Antike die enorme Ungleichheit der Menschen in Besitz und Lebensstandard und genauso an Rechten, Macht und Einfluss. Da sind die rechtlichen und wirtschaftlichen Unterschiede von Stadtherr, Klerus, Kloster, Stift, Adel, Ministerialität, Kapital, Handwerk und städtischer Unterschicht. Solche Ungleichheit ist eine von vielen Vorausetzungen für Kapitalismus und der wird sie dann erheblich vertiefen und verändern.

 

Eine städtische Oberschicht entwickelt sich früh aus den großen Grundherren, die teils in ihren steinernen Geschlechtertürmen in der Stadt, teils auf dem Land residieren. Zu ihnen stößt eine Schicht wohlhabender "Juristen". Zusammen sind sie die boni homines, maiores oder meliores. In dem Maße, in dem sie sich in Richtung auf einen hochmittelalterlichen Adel entwickeln, verlassen sie in deutschen Landen die Städte und konzentrieren ihren Lebensmittelpunkt auf das Land.

Eine neue städtische Oberschicht entsteht unterhalb des Stadtherrn und neben dem hohen Klerus und den Klöstern. Es sind dies die zunächst rechtlich unfreien Dienstleute der Herren, soweit sie vorrangig in der Stadt ansässig sind, und die oft zunächst ebenfalls oft unfreien wohlhabenderen Kaufleute und Finanzfachleute. Ihr Aufstieg wird meist von den Herren gefördert.

 

In den Bischofsstädten entwickeln sich die Ministerialen, zunächst rechtlich noch unfreie Dienstleute des Stadtherrn, zu einer Führungsgruppe, da sie die Exekutive der stadtherrlichen Machtausübung als Schultheißen, Schöffen, Zöllner, Münzmeister und Burggrafen ausüben und zugleich die Elite des städtischen Militärs darstellen. Als solche sind sie geeignet, ein frühes städtisches Rittertum zu bilden.

Beim langsamen Übergang stadtherrlicher Funktionen in gemeindliche Ämter liegt es nahe, dass sie diese weiter übernehmen. Dabei besitzen sie immer mehr freies Eigentum und beteiligen sich gelegentlich an kaufmännischer Geschäftstätigkeit, was sie zum guten Teil in die Nähe der aufstrebenden bürgerlichen Oberschicht bringt.

 

Ziemlich weit oben in der Rangordnung stehen die Münzerhausgenossenschaften, welche die Aufsicht über die Geldherstellung allerdings oft einem Münzmeister mit seinen Knechten überlassen und vor allem das Monopol des Geldwechsels und Edelmetallhandels innehaben. Sie können wie in Trier zunächst nur 6 Mitglieder haben, oder wie in Köln 59, dort allerdings erst Ende des 13. Jahrhunderts. In Trier ist das consortium civitatis Treverensis, quod Huschenozcaph vulgo vocatur, seit 1236 auf 30 Mitglieder beschränkt, die sich selbst ergänzen dürfen und über eine eigene Gerichtsbarkeit verfügen, da sie alle aus Ministerialenfamilien stammen (1351: geburt von rechter linigen). Wie eng sie mit der Gemeindebildung verknüpft sind, demonstriert die Tatsache, dass sie 1289 ein Münzhaus erbauen lassen, welches zugleich als Rathaus dient. In Straßburg ist das Münzhaus zugleich der Versammlungsort der hohen Geschlechter. Andererseits gewinnen die Münzerhausgenossen wenig durch die Gemeindebildung, sind sie doch eh schon hoch privilegiert und gehören zur städtischen Oberschicht.

 

Das "Haus" leitet sich möglicherweise vom bischöflichen Haus ab, weswegen es auch andere Hausgenossenschaften gibt wie die der Kürschner (pellifices/wiltwerker), die zu den wenigen Handwerkern gehören, die über die enge Verbindung mit dem stadtherrlichen Kunden in die Elite aufsteigen und in Worms zum Beispiel neben die Münzer gestellt werden (Schulz(2), S.235). Diese in Trier schon um 1215 camerarii genannten Handwerker der bischöflichen Kammer sind nicht zufällig die ersten, die in Basel 1226 ein Zunftprivileg erhalten.

 

Neben die internen Vereinbarungen von Handwerkern treten in den Städten solche von Händlern. Da ist die vom Wormser Bischof geordnete Vereinigung der Fischhändler von etwa 1106, in der die Mitgliedschaft vererbt wird und beim Fehlen eines Erben ein urbanorum communi consilio die Stelle vergibt. Dazu kommen Privilegierungen solcher Gruppen durch die jeweiligen Herren, wie eine solche vor 1060 bereits für Würzburger Kaufleute bestanden haben muss. (Leng, S.42). Um 1170 vergibt der englische König Heinrich II. ein Privileg für die Kölner Kaufleute in London, welches auf eine Art Zusammenschluss von diesen schließen lässt.

Ein Monopol des Detailverkaufs hochwertiger Tuche gewinnen in dieser Zeit die Gilden der Gewandschneider oft aus ministerialen Familien. Ein frühes Beispiel ist das 1183 erlassene erzbischöfliche Privileg von Magdeburg, wo dieser erklärt, dass er: umme der eren und nutzbarcheit willen unszer stadt unsern wandkremern in der sulven unser stadt wonhaftich disze macht und gewalt gegeven (...) dat neyn inwoner edder frombder sick ore kopmanschatz willen schall bruken edder gewandt tho schnyden sick schall underwinden, id ensie denne, dat he orer innige sie togefuget und van ohn de macht und fulborth hebbe eyn sodan to donde. (in: Schwineköper, S.406)

Nach den Gewandschneidern tauchen auch noch mit maiores magistri als Vorstehern die Krämer, Kürschner, Schumacher und Leineweber  auf.

 

 

In Köln gibt es bald eine Bruderschaft der Waidhändler und in Lüneburg monopolisieren die zusammengeschlossenen Sülfmeister den Salzhandel. Insgesamt bedarf aber die kleine reiche Oberschicht der (bald) alten Geschlechter keiner Gilden, denn sie finden sich im Stadtregiment ohnehin zusammen, und grenzen sich später gegen Konkurrenz durch Stuben, Tanzvereinigungen und ähnliches ab.

 

Köln ist ein Ausnahmefall in der hochmittelalterlichen Stadtgeschichte der deutschen Lande, auf den extra eingegangen werden soll. Typischer sind die Verhältnisse in Mainz und Trier, wo in der Regel Ministeriale die Geschäfte des geistlichen Stadtherrn führen. In Trier kommt es deshalb 1161 zu einer communio oder coniuratio der cives, die gewisse neue Gewohnheiten und ungebührliche Rechte einer Einung schaffen (in: Groten, S.103). 11 Jahre später haben sie dann erste Erfolge. Schritt für Schritt sind es dann in kaufmännische und finanzielle Geschäfte verwickelte Minsteriale mit Lehnsgut auf dem Lande, die das Regiment in der Stadt unter der Aufsicht des Stadtherrn übernehmen. Fast so wie in Venedig, wo Großkaufleute die Stadt zu ihrer Stadt machen, übernehmen auch sie die Kontrolle. Dabei gilt der Bürgerbegriff bis ins 13. und manchmal bis ins 14. Jahrhundert nur für sie. In Freiburg/Breisgau 1293 besteht der Rat aus Rittern, mercatores, also Kaufleuten und darum Bürgern und aus Handwerkern, und noch 1334 ist der Straßburger Rat aus Rittern, Bürgern und Handwerkern zusammengesetzt. In Basel sind es die Achtbürger, die die aus der Ministerialität entstammende Oberschicht repräsentieren und in das Ministerium zumindest symbolisch aufgenommen werden müssen, neben den ritterlichen Vertretern aus der entsprechenden Stubengesellschaft (Schulz(2), S.228f).

 

Ansatzweise deutet sich schon vor dem späten Mittelalter ein Gegensatz zwischen jenen städtischen miles, Ministerialen an, die "verbürgerlichen", und jenen, die als ritterliche Geschlechter in der Stadt Karriere machen werden. Auch die bürgerlichen Ministerialen haben (Dienst)Lehen auf dem Lande, im Unterschied zu nichtministerialen Bürgern, beziehen aber ihr Einkommen vorwiegend aus der Stadt. Die ritterlichen Ministerialen machen vor allem Finanzgeschäfte und leben von Grund- und Hauseigentum, verfügen aber über immer mehr Besitzungen und Rechte auf dem Lande. Manchmal verheiraten sie sich mit reichen Bürgerstöchtern, eher aber mit Landadeligen, bemühen sich um einen adeligen Lebensstil und haben einen zweiten Wohnsitz mit einer Burg auf dem Lande.

Zwischen der ritterlichen und der bürgerlich-ministerialen Oberschicht in der Stadt wird es denn auch im späten Mittelalter zunehmend zu Konflikten kommen. In der Schlacht von Hausbergen 1263 sind es die ritterlichen Geschlechter unter dem Bischof, die gegen die Bürger unter den ebenfalls der Ministerialität entstammenden Ratsgeschlechtern kämpfen - und dabei verlieren.

 

Deutlicher zunächst noch werden Unterschiede zwischen "Bürgern", burgenses und cives, und unterbürgerlichen, unehrlichen Menschen einerseits, und die einer Schichtung des Bürgertums nach Eigentum und Einkommen und nach Rechten. Dabei drückt sich die Verachtung der Höhergestellten für körperliche bzw. produktive Arbeit darin aus, dass Amtspersonen, Händler/Kaufleute und Finanziers angesehener sind als das Handwerk und durch ihre materielle Ausstattung auch eine Art bürgerliche Oberschicht bilden, jene, die vor allem in den Dokumenten als cives bzw. burgenses angesprochen werden.

 

Im erzbischöflichen Privileg für Magdeburg von 1188 ist von einem conventus civium die Rede, den die stulti (Dummen, Bedenkenlosen) nicht durch ungezügelte Rede stören oder sich gar dem Willen der Besseren (meliores) widersetzen dürfen. Der Stadtherr bestimmt, dass die Anmaßung solcher Leute in jeder Hinsicht zu zügeln ist, das heißt, dass jemand, der sich zu solcher Anmaßung erdreistet, von den Bürgern (a civibus) mit solcher Härte bestraft werden soll, dass sich kein anderer es ihm gleichzutun wagt. (in Hergemöller, S.230. Auch: Engel/Jacob, S. 48)

 

Der Sonderfall Köln

 

Dank Handel und Handwerk ist Köln längst die größte Stadt der deutschen Lande. Besonders enge Handelsbeziehungen gibt es über London nach England. Seit etwa 1130 leben viele Engländer in Köln, können dort Grundeigentum und Bürgerrecht erwerben und in Kölner Familien einheiraten. (EhlersHeinrich, S.324)

Nach und nach können die flämischen Kaufleute vom Rheinhandel verdrängt werden. Enge Handelsbeziehungen gibt es auch zu den westfälischen Städten und bis an die Elbe. Über Regensburg nimmt man am Donauhandel teil und über Augsburg am Venedighandel. "Das rohstoffreiche Sauerland wurde über Soest und Dortmund, deren Exportgewerbe das von dort kommende Metall und Glas verarbeitete, an den Nord- und Ostseehandel angebunden, das Harzkupfer gelangte über Goslar zu den Exportgewerben nach Braunschweig, in die westfälischen Städte und nach Köln." (Hanse, S.11)

 

Herr Kölns ist sein Erzbischof, ein mächtiger Mann im römisch/deutschen Reich. Er verfügt im 12. Jahrhundert über das Hochgericht und und die ihm verliehenen Regalienrechte an Markt, Zoll und Münze. Das Hochgericht eignet sich zur direkten Machtausübung, die von Kämmerer, Zöllner und Münzerhausgenossen verwalteten Regalien vor allem als Einnahmequelle.

 

Mächtige Erzbischöfe sind Rainald von Dassel und Philipp von Heinsberg, die ihr Fürstentum nach Westen ausdehnen. Dies geschieht im Bündnis mit Kaiser Friedrich I., den sie tatkräftig unterstützen. Als ihr Konkurrent Heinrich ("der Löwe") 1174 nicht mit Friedrich nach Italien zieht, verschuldet sich Erzbischof Philipp für eben diesen Kriegszug erheblich, muss von Kölner Bürgern 1000 Mark aufnehmen, von einem Gerard 600 und von einem Zöllner 60 Mark. Die Perspektive ist auf Westfalen gerichtet. Philipp kauft Güter und Burgen als Eigentum, bindet Adelige dort an seinen Lehnshof und soll ein Heer von rund 4000 Männern aufstellen können. Im Bündnis mit Ulrich von Halberstadt wird dann 1178 Heinrich ("der Löwe") angegriffen. 1180 gewinnt er dann mit der Gelnhäuser Urkunde Westfalen: Seine obigen Schulden können nun neben anderen wieder eingelöst werden.

 

Dem Hochgericht stehen ein Burggraf und ein Stadtvogt (advocatus) vor, die oft nicht anwesend sind und sich durch Männer der städtischen Oberschicht vertreten lassen. Schon im späten 11. Jahrhundert existiert in Köln ein Schöffenkollegium des bischöflichen Hochgerichts, welches 1103 bereits 12 Mitglieder umfasst und um 1150 etwa 25. Der Erzbischof rekrutiert diese Leute vor allem oder vielleicht auch zur Gänze aus dem Kreis seiner Ministerialen, dabei im wesentlichen eben aus Geschäftsleuten. Darunter befinden sich auch solche, die zugleich Ministeriale der Klöster St.Pantaleon und St.Martin sind.

Im 12. Jahrhundert wird das Schöffenkolleg unter dem Vorsitz von Burggraf und Vogt auch zu einer Art Stadtbehörde über den in Pfarreien gewählten Amtsleuten der Stadtviertel (von Historikern manchmal als Sondergemeinden bezeichnet), was sich vielleicht 1155 darin ausdrückt, dass sie als senatus bezeichnet werden. 1149 verleiht dieses Gremium und nicht der Erzbischof den Decklakenwebern das Recht, eine Bruderschaft zu bilden. Man tagt in domo civium und führt das Stadtsiegel.

1138/39 tauchen "Schöffenbrüder" (1149: senatorum fratres) auf, ein kooptierter Kreis von Anwärtern auf das Schöffenamt. Irgendwann in dieser Zeit ersetzen Schöffen verstorbene Mitglieder selbständig und lösen sich so schrittweise etwas aus der direkten Unterordnung unter den Herrn. Durch Dienst als Schöffenmeister wird man in der zweiten Hälfte des zwölften Jahrhunderts von von einem "unverdienten" zu einem "verdienten" Schöffen bei den officiales scabinorum, denen nun das Recht der Schöffenwahl zusteht.

 

Eine übergreifende Bruderschaft der kleinen bürgerlichen Oberschicht bildet in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts die allerdings erst 1180 dokumentierte Kölner Richerzeche (Genossenschaft der Reichen),"Kollegium der gewesenen Bürgermeister der Gesamtstadt", wobei einer der beiden immer ein Schöffe ist. (Jakobs in: Schwineköer, S.291) 

Sie setzen sich aus den Schöffen des Hochgerichts, Ministerialen des Bischofs und anderer Kölner Kirchen und einigen weiteren reichen Kaufleuten zusammen, das heißt aus Leuten, die Reichtum bei solcher Herkunft über mehrere Generationen besitzen. Sie haben meist Verkaufsstände, sind Geldverleiher und besitzen zahlreiche Häuser und reichlich Grund und Boden,

Diese Vereinigung von bald über hundert Mitgliedern ist mit einem eigenen Versammlungshaus, erst dem domus divitum (1135/59) und dann dem Bürgerhaus (domus burgensium) und späteren Rathaus, und einem eigenen Siegel ausgestattet. Die Geschäfte führen bald jährlich gewählte Amtsträger, Offiziale. Von ihnen, den Verdienten, werden aus dem Kreis "unverdienter" Mitglieder zwei jährlich wechselnde Bürgermeister gewählt, ein Schöffe und ein anderer, die danach zum Kreis der Verdienten gehören. Ihren besonders großen Reichtum müssen sie nach der Wahl durch Geschenke und ein aufwendiges Bruderschaftsmahl belegen. Die Schöffenbürgermeister bewahren das Stadtsiegel, welches vieleicht erst zusammen mit der Richerzeche aufkommt. Im Bürgerhaus werden zwei offenbar festangestellte Schreiber beschäftigt.

 

Die Richerzeche übernimmt Bereiche der Zunft- und Gewerbeaufsicht, kontrolliert Markt und Handel und urteilt in diesen Bereichen über Verstöße.

 

Die beiden "bürgerlichen" Richter-Vertreter und die Schöffen sind im 12. Jahrhundert dominant in der Richerzeche (Groten2, S.6) und vertreten im 12. Jahrhundert kommunale Belange wie die Marktaufsicht. Die Zeche löst darin das Schöffenkollegium ab. Sie ist es auch, die ein Stadtbuch führt. Nach und nach setzen sie ihren Anspruch durch, auf ihren Versammlungen in ihrem Haus Interessenvertreter der bürgerlichen Gesamtgemeinde zu sein, die dadurch überhaupt erst entstehen kann. Für 1159 ist zum ersten Mal eine im Versammlungshaus beschlossene "Willkür" überliefert, also eine aus der Willkür der Versammelten entsprungene Rechtsetzung, die natürlich nur für die Bürger gilt. In den 1180er Jahren legitimiert die Zeche ex communi sonsilio et consensu officialium de richirzegcheide eine Drechslerzunft (Schulz(2), S.201).

 

Die gesamte Führungsgruppe, die sowohl als Schöffen wie als Zechenmitglieder auftritt, besteht aus Ministerialen. Es handelt sich aber nicht um eine abgeschlossene Gruppe, denn Neureiche können grundsätzlich hinzukommen. Wenn in den Kölner Urkunden cives bzw. burgenses auftreten, handelt es sich um Ministeriale, die Knut Schulz in seinen Untersuchungen als "bürgerlich" einordnet. Sie sind auch deshalb die wirtschaftliche Führungsgruppe, weil sie Vorrechte genießen, die ihre Geschäftstätigkeit erleichtern, und diese wiederum es ihnen ermöglicht, sich stärker aus der direkten Unterordnung unter den Stadtherrn zu lösen. Da sie Jahrhunderte vor den nichtminsterialen Bürgern das Recht der Lehnsfähigkeit haben, können sie ihren Reichttum auch auf Grund und Boden aufbauen und diesen wiederum zur Absicherung ihrer Geschäfte einsetzen.

Zu diesen "bürgerlichen Ministerialen" gehören an hervorragender Stelle die Münzerhausgenossen mit einem frühen Monopol auf Geldgeschäfte, auf die noch näher einzugehen sein wird. (siehe weiter oben)

 

Als Gesamtgemeinde treten die Kölner in der Gerichtsgemeinde des Hochgerichts und in der Gemeindeversammlung vor dem Bürgerhaus auf. In der Rathauslaube nimmt der Rat dabei die Zustimmung der Bürger für seine Vorschläge entgegen. Bürgerversammlungen über die Zeche hinaus, also des vulgus, die etwas später dann Morgensprache heißen, scheinen im 12. Jahrhundert noch mittels Applaus zu Entscheidungen beizutragen.

 

Näher an solchen Entscheidungen sind Bürger vielleicht in den Pfarreien bzw. Stadtteilen. Denn neben den zentralen Institutionen von Münzern, Schöffen und Riecherzeche, die bis ins 13. Jahrhundert die einzigen gesamtstädtischen Institutionen in Köln unterhalb des Stadtherrn sind, und wohl älter als diese, tauchen in Köln die sieben Kirchspiele (Pfarreibezirke) auf, die sich ein hohes Maß an Selbständigkeit erhalten.Dazu kommen die Burschaften Niederich und Airsbach (Oversburg), die ebenso wie die drei an den Stiften St.Severin und St.Gereon und dem Kloster St.Pantaleon angelehnten Orte eigene Schöffen haben.

In den Geburhäusern (domus civium) der Kirchspiele wird die niedere Gerichtsbarkeit durch gewählte Vertreter vor allem über Immobilien-Angelegenheiten abgehalten und es werden eigene Statuten beschlossen. Hier wird das Bürgerrecht verliehen, der Bürgereid geleistet und werden Bürgerlisten sowie die Schreinskarten für Immobilien- und Pfandgeschäfte geführt. Die Amtleute der Kirchspiele treiben die auf dem Boden lastenden direkten Steuern ein und organisieren die Verteidigung eines ihnen zugewiesenen Mauerabschnitts.

 

Irgendwann Anfang des 12. Jahrhunderts treten fratres als Schöffenbrüder auf, die sich selbst ergänzen. Aus ihren Reihen kommt der Schöffenmeister, der, weiterhin Schöffe, in die Reihen der verdienten Schöffenamtleute eintritt. (Jakobs in: Schwineköper, S.290f)

 

Anwärter sind auch bei Amtleuten die fratres. Zwei Meister (magistri civium) aus ihren Reihen stehen für ein Jahr über dem Kirchspiel, um dann in die Bruderschaft der Amtleute, Offizialen (officiati) einzutreten. Beherrscht werden die Kirchspiele wohl von ihren führenden Geschlechtern, und so tauchen Schöffen und Mitglieder der Richerzeche unter ihren Amtleuten auf. Aber insgesamt werden sie von einer breiteren bürgerlichen Oberschicht kontrolliert. "In den Parochien nahmen Personen am öffentlichen Leben teil, die auf gesamtstädtischer Ebene nicht mitzureden hatten." (Groten2, S.9)

 

 

Bis ins 14. Jahrhundert nennen die Kölner ihre Zünfte fraternitas und erst seitdem Amt. Als erste urkundlich (1149) belegt zeigen sich Bettziechenweber als von Untervogt, Untergraf, zwölf Schöffen, neunzehn meliores und dem vulgus bestätigt.  In  der Urkunde gilt bereits Zunftzwang. 1179-82 folgt die Genehmigung der Bruderschaft der Drechsler durch die Riecherzeche, in der u.a. das Eintrittsgeld festgelegt ist und durchscheint, dass auch Frauen Mitglieder sind. 1125 folgen die Filzhutmacher, 1230 die Wollenweber und 1247 die Gewandschneider.

Daneben steht die fraternitas mercatorum gilde, die mit etwa der Hälfte der Bürgerschaft von St. Martin identisch ist, die spätestens mit der Ausgliederung der Gewandschneider wohl verschwindet.

Schließlich gibt es eine Laien-Bruderschaft (laycos fratres) an der Abtei (Groß)St.Martin, von denen der Erzbischof als nostros burgenses redet. Diese gewinnen dann Laien-Einfluss auf das zugehörige Spital.

 

 

1157 erklärt die englische Krone, sie wolle die Kölner Kaufleute wie die eigenen (sicut homines meos) behandeln, sofern sie ihre Zölle ordentlich bezahlen. Erwähnt wird auch ein Gebäude von ihnen in London. Um 1170 erhalten die Kölner Kaufleute in London ein Handelsprivileg und können die Guildhall erwerben, aus der später der hansische Stalhof hervorgeht.

 

Bei Th. Zotz heißt es, das Kölner Bürgertum des späten 12. Jahrhunderts, Stauferzeit, „ist, wenn man auf zwei oder mehr Generationen innerhalb einer Familie blickt, durch die Verbindung von kaufmännischer beziehungsweise geldgeschäftlicher Tätigkeit, Mitgliedschaft in der Richerzeche, Bekleidung stadtherrlicher Ämter wie des Schöffen- oder Zöllneramtes, Zugehörigkeit zur Ministerialität des Domstifts und nicht zuletzt durch >Militia<, Ritterschaft oder Ritterwürde, gekennzeichnet.“

 

Sonja Zöller hat sich ausgiebig mit der Familie Unmaze beschäftigt, deren Mitglied Gerhard, nachdem er ein großes Erbe antritt, wohl Fernhandel vor allem mit England betreibt, was ihn wie andere Kölner dazu bringt, die Wahl Ottos IV. zu betreiben. Im frommen Text vom 'Guten Gerhard' des Rudolf von Ems von etwa 1230 wird ihm auch eine Russlandfahrt zugeschrieben, überhaupt tritt hier nun ein Kaufmann als literarischer Held mit dem Versprechen von kurzewîle auf. (siehe Kirche 3)

 

Gerhard Unmaze verleiht zudem in erheblichem Umfang Geld, wobei er als Sicherheit Immobilien verlangt, die im Falle der Nichtrückzahlung an ihn fallen. Zwischen Dom und Bischofspalast kauft er Häuser, in der Nähe Verkaufshallen und Backhäuser. Er ist in der Bürgervertretung, seit 1169 einer der beiden obersten bischöflichen Zöllner (Zollpächter) und 1174 bekommt er für 600 Markt für einige Jahre den Kölner Stadtzoll als Pfand und kann wohl als bischöflicher Ministerialer gelten. Gewinne aus Geschäften gehen fast alle in Immobilien. Das zeigt, dass schon frühe Groß-Kapitalisten manchmal eine Neigung in Richtung Rentiersdasein haben.

 

Wie es die Familiengeschichte will, bricht das Geschäftsgebaren mit Gerhards Tod 1197 ab. Seine Stieftochter Richmud und ihr Mann, der Sohn von Gerhards Bruder, erben, sie wird schon in jungen Jahren Witwe, als ihr Mann nicht vom dritten Kreuzzug zurückkommt, und setzt ihr großes Vermögen in die Gründung des Augustinerinnenklosters St. Maria zum Weiher ein, in das sie mit ihren vier Töchtern auch eintritt, ohne allerdings selbst Nonne zu werden.

 

1180 genehmigt Kaiser Friedrich I. einen kurz zuvor ohne Einwilligung des Erzbischofs beschlossenen Mauerbau, der das Stadtgebiet in etwa in den sechzig Jahren Bauzeit mit zwölf Torburgen und 52 Türmen auf einer Länge von über 7 km verdoppeln wird. Kaiser, Erzbischof Philipp von Heinsberg und Bürger treten in dem Text gleichberechtigt auf. Als Entschädigung für seinen Machtverlust zahlen die Letzteren an Philipp 2000 Mark Silber.

 

Im Thronstreit zwischen Welfen und Staufern lehnt der Kölner Erzbischof Adolf von Altena einen staufischen Kandidaten ab, und das gute Verhältnis zu Richard ("Löwenherz") lässt ihn auf den Welfen Otto verfallen. Dabei erweist sich die Kölner bürgerliche Oberschicht bereits als politisch selbständig und in diesem Zusammenhang wohl auch ihre wirtschaftlichen Interessen vertretend. Eine Mehrheit entscheidet sich für den mit England verbündeten Otto IV., ist doch der Englandhandel für sie wichtig, während eine Minderheit für Neutralität eintritt. Der stauferfreundliche Burchard von Ursberg berichtet in seiner Chronik: Und dann berieten sich die Kölner und Straßburger mit ihren Bischöfen und einigen anderen Ungerechten, verübten eine Untat und sandten ihre Boten, nämlich Graf Albrecht von Dagsburg und den Grafen von Leinigen nach England, damit sie von dort Otto herbeiriefen und herbeiführten, weil er hochmütig und dumm, aber von starken Kräften und großer Statur zu sein schien; außerdem erhofften sie die Hilfe des Königs Richard von England, weil er dessen Onkel war. Diesen wählten sie dann bei Köln zum König. (in: Fuhrmann, S.68)

 

Zum Dank gesteht ihnen Otto zu, "zur Bezahlung des Befestigungsbaus für drei Jahre einen Mahl- und Braupfennig von jedem Malter Getreide einzuziehen; es handelte sich um einen Vorläufer der später verbreitet erhobenen indirekten Steuern." (Fuhrmann, S.68)

 

Die prowelfischen und prostaufischen Parteien in Köln bestehen weiter. Ottos Herrschaftsausübung führt zu einer Distanzierung des Erzbischofs, der 1204 Kontakt zu Philipp von Schwaben aufnimmt. Januar 1205 krönt Adolf Philipp in Aachen, wofür er im Juni vom Papst Innozenz III. gebannt und abgesetzt wird. Im Juli wird Bruno von Sayn von der Welfenpartei zum Erzbischof gewählt, woraufhin Dompropst Engelbert von Berg und verschiedene Domherren protestieren und die Stadt verlassen. Die Mehrheit der Bevölkerung hält ebenfalls zu Adolf, ein Schisma entsteht und wird erst durch Ottos IV. Anerkennung von Bruno beendet.

 

Im August 1206 wird Bruno von Philipp von Schwaben nach der Schlacht bei Wassenberg mit der Niederlage für Otto IV. für ein Jahr gefangen genommen. Beide waren auf die Burg Wassenberg geflohen, von der Otto dann entkommen kann.

Philipp bewirkt ein Einschwenken auf Adolf von Altena. April 1207 kann Philipp in Köln einziehen. und vergibt ein Privileg nur für die Kölner Bürger (Groten2, S.30). Mit der Genehmigung des Mauerbaus gibt er den Bürgern das Befestigungsrecht (s.o.).

 

1208 sind beide Erzbischöfe in Rom. Nach der Ermordung Philipps im Juni dieses Jahres kann Bruno zurück nach Köln, stirbt aber noch im November. Nachfolger Dietrich (I.) von Hengebach wird 1212 vom päpstlichen Legaten abgesetzt und Adolf von Altena provisorisch eingesetzt, was ein neues Schisma bedeutet.

 

Nach der Schlacht von Bouvines wird Friedrich II. 1215 in Aachen gekrönt. Kanpp zwei Wochen später kann er in Köln Hof halten. Im Februar 1216 kann der prostaufische Domprobst Engelbert von Berg mit Unterstützung Adolfs zum Erzbischof gewählt werden. Im selben Jahr 1216 gibt es einen ersten Versuch, vermutlich getragen von Offizialen der Kirchspiele, einen Rat als Gegengewicht gegen die Schöffen und vielleicht überhaupt das Meliorat zu bilden, wie allerdings nur die Intitulatio einer Urkunde zeigt: Iudex consules scabini civisque universi Colonienses. (Groten2, S.58).

Diesen Rat verbietet allerdings Engelbert von Berg schnell wieder.

 

Inzwischen ist die Trennung der Bevölkerung in Freie (die meisten) und Unfreie (Zensualen und Ministeriale) offenbar obsolet geworden. Die Ministerialen werden miles, Teil der Ritterschaft, wo sie nicht in der freien bürgerlichen Oberschicht aufgehen. Aus der breiten Gruppe der Freien hatte sich längst ein Meliorat herausgebildet, wie es Historiker seit einiger Zeit gerne nennen, und wie es sich in der Richerzeche darstellt. 1216 wird ein Teil dieser alten bürgerlichen Geschlechter, wohl vor allem die alten Schöffenfamilien, in einer Urkunde Friedrichs II. als nobiles burgenses Colonienses bezeichnet. Diese scheinen eine adelige Lebensform anzustreben, besitzen entsprechende Wappen und betreiben laut Roger von Wendover Turniere. (Soweit alles Groten2, S.79ff). Von den nun ritterlichen einstigen Ministerialen unterscheidet sie ihr nichtkriegerischer (kapitalistischer) Charakter, nicht aber die übrige Lebensform.

 

Die Kirchspiele mit ihren Amtsleuten, die wohl vorwiegend der kleinen Oberschicht der Kapitaleigner angehören und sich nun nach ihrem Dienst wie die Herren der Richerzeche dominus titulieren lassen, schaffen es in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts zunehmend, Einfluss auf die Pfarrerwahl zu gewinnen. Laut Groten (2, S.99) kann man vermuten, dass sie mit zunehmendem Machtbewusstsein den Rat als ihr eigenes politisches Instrument gegen die noblen Großbürger einsetzen, den Partnern von Stadtherr und Königen.

 

Nachdem Erzbischof Engelbert (I.) den Rat beseitigt hat, müssen ihm die Bruderschaften 4000 Mark Buße zahlen. Bürgerliche Selbstverwaltung gibt es nun nur noch im vom Stadtherrn gesteckten Rahmen. Nach Fehden mit Walram von Limburg über das Bergsche Erbe (nach dem Kreuzzugstod von Engelberts Bruder) ist er 1220 federführend bei der sogenannten Confoederatio für die geistlichen Fürsten. Derweil versucht er sein Territorium auszubauen, was ihm die Feindschaft des dortigen Adels einträgt. Laut Caesarius von Heisterbach verbünden sich die Kölner Bürger mit Walram von Limburg. Vielleicht auf dessen Veranlassung wird der Erzbischof 1225 von einer Schar unter dem Grafen von Isenberg ermordet.

Nachfolger Heinrich von Müllenark führt die strenge Politik gegen die Bürgerschaft weiter fort. die als subiecti, Untertanen, bezeichnet werden. Immerhin erlaubt er den Münzerhausgenossen Gerichtbarkeit untereinander über in ihrem Amt begangene Vergehen und fördert mit dem Wollenamt das Handwerk.

1232 heißt es dann im Statutum Friedrichs II.: revocamus in irritum et cessamus in omni civitate vel oppido Alamannie comunia, consilia, magistros civium seu rectores vel alios quoslibet officiales (etc).

 

 

Die Tochter Blithildis eines Gottschalk Overstolz heiratet den Ritter Werner von der Schuren, der ihren Familiennamen übernimmt. Nachdem er in das Schöffen- Kollegium aufgestiegen ist, baut er etwa 1230 zusammen mit seiner Frau dies Haus.

 

Während es inzwischen (nach 1229?) wohl wieder eine Art Rat mit beschränkten Befugnissen gibt, sind die Schöffen weiter das Zentrum der "bürgerlichen" Macht in der Stadt. Dieses Gremium schließt sich weiter ab und kooptiert vorwiegend Verwandte. Neue Familien wie die Oversolz steigen wohl nur durch Bestechung noch auf. "Die im Jahre 1259 von Konrad von Hochstaden abgesetzten Schöffen rekrutierten sich nur noch aus acht Geschlechtern." (Groten2, S.133) Ihre Familien überschneiden sich mit denen der Richerzeche, in der der Nicht-Schöffe als Bürgermeister in das Machtzentrum aufsteigen kann.

 

Der Rat dieser Zeit ist offenbar ein Organ der Amtleute der Kirchspiele, und aufgrund seiner geringen Befugnisse beteiligen sich wohl Schöffen und Bürgermeister nicht an ihm.

 

Neben dem Konflikt um große Politik, die Machtfrage im Reich, bilden sich Parteiungen in innerstädtischen Machtkonflikten heraus. Da sind die nach einem Oberhaupt genannten Weisen aus der Mühlengasse, die schon länger hohe Ämter innehaben, und die um Einfluss konkurrierenden Aufsteiger um die Overstolzfamilie. Ein Totschlag 1237 führt ähnlich wie eine ähnliche Geschichte in Florenz zur Gründungslegende des Parteienstreites.

 

Daneben gewinnen die Zünfte (Ämter, Bruderschaften) an Bedeutung, insbesondere das mitgliederstärkste Wollenamt, ohne aber in die oberste Machtelite eindringen zu können. Das Wollenamt "besaß ein gemeinsames Haus, hatte eigene Vorsteher und Kontrolleure (custodes), die über die Qualität des Tuches wachten. Der Zunftvorstand hatte Disziplinargewalt über die Genossen und konnte Bußen verhängen." (Groten2, S.175) In der ebenfalls bedeutenden Bruderschaft der Gewandschneider sind Handwerker und Kaufleute vereint, darunter auch Mitglieder der mächtigsten Geschlechter.

Drechsler, Bettziechenweber und Schleierweber sind schon aus dem 12. Jahrhundert überliefert, nun kommen Filzhutmacher und Goldschmiede dazu, - den Zufällen der dokumentarischen Überlieferung geschuldet. Goldschmiede und Kürschner sind wohl die reichsten Handwerker, denen es sogar gelingt, ins Meliorat einzuheiraten.

 

Zu diesen Parteiungen mit gelegentlich Gewaltausbrüchen kommt der eskalierende Konflikt mit dem Stadtherrn, nunmehr Konrad von Hochstaden. Der orientiert sich mit einem Teil der Großbürger 1239 hin zur päpstlichen Seite, während die Mehrzahl der Geschlechter zunächst auf der kaiserlichen verharrt. Herbst 1247 überschüttet Gegenkönig Wilhelm von Holland die Stadt mit Privilegien, zu denen sogar gehört, dass er die Stadt nur noch ohne Heer, nur noch mit einer Leibwache betreten wolle.

Stadtherr Konrads Macht über sein dichteres Territorium wächst und er wendet sich ab 1249 rabiater gegen die Großbürger. Die schließen Verträge auf Gegenseitigkeit mit den Grafen von Berg und Jülich und demonstrieren damit das Recht auf eine eigene "Außenpolitik". Konrad von Hochstaden greift die Stadt vergebens mit Schiffen an.

 

Im "Kleinen Schied" von 1252 wird dann ein Ausgleich gesucht. Im ersten Schiedsverfahren dieser Art nördlich der Alpen stehen sich Stadt und Erzbischof mehr oder weniger gleichberechtigt gegenüber, wobei Albertus Magnus maßgeblich beteiligt ist. Eine Urkunde Konrads erwähnt nun wieder Konsuln. Der Erzbischof scheint den Rat als Instrument gegen die mächtigen bürgerlichen Geschlechter aufwerten zu wollen 1255 tritt die Stadt mit diesem Stadtrat dem Rheinischen Städtebund bei. Der Rat wird nun wohl wieder stärker mit Meliorat durchsetzt.

1258 hat sich ein Stadtrat durchgesetzt, ein Jahr später kann er zusammen mit Erzbischof und Gesamtgemeinde die Schöffen entmachten. Rat und Bruderschaften sind nun an der Wahl der Schöffen beteiligt, die vom Geldhandel und der Münze ausgeschlossen werden. In den folgenden Jahrzehnten wird die Partei der Overstolzen immer mehr an Gewicht gewinnen.

 

Stendal

 

Vermutlich um 1160 gründet Albrecht ("der Bär") den Markt Stendal, gibt der villa ein forum mit dem Privileg der Zollfreiheit in seinem Herrschaftsbereich. Immobiler Besitz wird unter Erbzinsrecht gewährt. Es herrscht Magdeburger Stadtrecht. (Alles so wie auch das weitere: Schulze in: Schwindekörper, S.377ff)

Die Stadt entwickelt sich schon im 12. Jahrhundert zu einer der wichtigsten in Brandenburg. Eine Stadtmauer wird gebaut. 1188 wird das Nikolaistift gegründet und es gibt ein Kaufhaus. 1196 wird Stendal civitas genannt. Irgendwann in dieser Zeit dürften die beiden Gilden entstanden sein.

1215 gibt es eine Ratsverfassung. Handwerkerzünfte werden vom Rat genehmigt. 1227 erschient ein Gerberhaus.

 

In einer Abschrift im Gildebuch von 1328 ist ein Gildeprivileg der Markgrafen von Brandenburg für die Stendaler Gewandschneidergilde erhalten. Darin ist die Trennung von den Tuchmachern enthalten: Wer neben Tuchhandel noch im eigenen Haus Tuch herstellt, muss entweder die Produktion aufgeben oder austreten. Nur Mitglieder dürfen in Stendal Tuche verkaufen. Kinder von Mitgliedern werden gegen Zahlung von Geld an die Mitglieder und weiterem an den Gildemeister bei gutem Leumund aufgenommen. Sonstige Stendaler Bürger müssen bei Aufnahme das Vierfache zahlen. Unsummen werden Handwerkern auferlegt, die zudem ihr Handwerk aufgeben müssen, eine Bedingung, die kaum zu erfüllen ist. Höher als bei Stadtbürgern sind Beitrittsgebühren für Stadtfremde. Beim Jahrmarkt dürfen allerdings auch fremde Händler Tuche verkaufen.

 

Dreimal im Jahr ist Gildeversammlung (morghensprake), wo Beschlüsse mit Zweidrittel-Mehrheiten gefasst werden und das übliche Trinkgelage stattfindet. Jährlich werden ein Gildemeister und vier "Schaffer" gewählt.

Zwar werden mercatores und pannicidae (Tuchschneider) oft synonym verwendet, aber wer sich Gewandschneider nennt, kann auch anderweitigen Handel zusätzlich betreiben, und vermutlich waren auch gänzlich andere Händler in der Gilde (gulda) Mitglied. Ab 1266 tauchen auch Geistliche auf und viel später auch Adelige.

 

Personen aus der Gilde, dem Ratskollegium und dem Schöffenkolleg sind oft dieselben. Nach 1250 stammen fast alle Ratsherren und Schöffen aus der Gilde. Insgesamt beherrschen vor allem rund zwanzig Ratsgeschlechter die Stadt, und zwar solche, die auch ausgesprochen alte Gildegeschlechter sind.

 

Neben der Gewandschneider-Gilde gibt es offenbar auch eine der seefahrenden Händler, vielleicht derjenigen, die selbst mit ihren Waren auf Schiffen mitfahren; eine Art Fahrtgenossen-Hanse. Sie werden vermutlich um 1270 bei den Gewandschneidern eingegliedert.

 

 

Einübung in Bürgerlichkeit (zu Körper bzw. weiter unten?)(in Arbeit)

 

Bürger grenzen sich nach draußen von den Bauern auf dem Lande und den Fürsten ab, innen vom Klerus, vom Stadtherrn und seinen Ministerialen, soweit diese nicht selbst verbürgerlichen, und von einer unterbürgerlichen Bevölkerungsgruppe. Bürgerlich werden dabei neue Rechtsvorstellungen, die sich an Bedürfnissen des städtischen und allgemeinen Marktes sowie denen möglichst ungestörter handwerklicher Produktion orientieren. Dazu gehört das verrechtlichte Durchsetzen von Regeln, die den Frieden jenseits herrschaftlicher Gerichtsbarkeit sichern. Damit sollen möglichst adelige Vorstellungen von Konfliktlösung durch Fehde, Zweikampf zurückgedrängt werden.

 

Hier spielen genossenschaftliche Einrichtungen eine wichtige Rolle, und vielleicht steht an erster Stelle das bruderschaftliche und dann auch zünftige convivium, in dem sich geziemendes Verhalten eingeübt wird. Dabei werden Beschimpfungen und Drohungen mit Waffen mit Bußen belegt. Im gemeinsamen Vertrinken der Buße wird der Übeltäter gleich wieder in die Gemeinschaft aufgenommen.

Gemeinschaft wird auch in gemeinschaftlichen Beerdigungen und dem Totengedenken hergestellt wie in der geschlossenen Teilnahme an Prozessionen. Dazu gehört aber auch die gegenseitige Hilfe, die besonders die Witwe und ihre Kinder einschließt.

 

Ein weiteres, noch näher zu untersuchendes Element stellt der gemeinsame Tanz dar. Dabei sei daran erinnert, dass Tanz nichts mit den modischen Paartänzen des 19./20. Jahrhunderts zu tun hat oder gar den Körperzuckungen heutiger euphorisierender Rausch-"Tänze". Bürgerliches Tanzen setzt sich, soweit die Quellen hergeben, von bäuerlichem Hüpfen und Springen ab und betont, wie auch adeliger Tanz, gemessenes Schreiten in festen Formen, also eine hochdomestizierte Form von Erotik. Dabei wird sich spätestens zwischen dem 14. und 16. Jahrhundert der Tanz eines sich auch sonst von der Masse des Bürgertums absetzenden sogenannten Patriziats lösen, der sich vermutlich wie andere Aspekte des Lebensstils am Adel orientiert.

 

 

Aufgaben und Rechte der Bürger

 

Aufgaben der Bürger: Wenn die Städte wachsen, werden Pfarreien, Städtteile oder Berufsvereinigungen für Bau und Erhalt von Mauerabschnitten zuständig und ebenso für die Verteidigung der Mauern. Insgesamt wird der Mauerbau bis ins späte Mittelalter zur wichtigsten und kostspieligsten Gemeinschaftsaufgabe in der Stadt. Er grenzt die Stadt nach außen ab, auch wenn sie sich später als Gemeinde eine gewisse Kontrolle über das Umland zulegt. Ausgegrenzt sind oft Mühlen, die Richtstätten, Leprosenhäuser, Bleichwiesen, Steinbrüche und Lehmgruben. Vor das Umland wird dann noch einmal ein Ring aus Hecken und Gräben als eine Art Vorverteidigung angelegt. Eine solche Landwehr kann im Spätmittelalter am Beispiel Rothenburg o.d.T. etwa 62 km lang und mit neun Türmen bestückt sein (Schott, S.99)

 

In Zivilisationen tritt das Recht an die Stelle der tradierten Vorstellungen von Kulturen vom Frieden als Normalzustand. Recht wird wesentlich zum Recht der Mächtigen und Frieden bedeutet zuallererst möglichst ungestörte Machtausübung. Für die entstehenden neuen Städte heißt das zunächst, dass oberster Hüter des Friedens der König ist, darunter das entstehende Fürstentum und darunter wiederum, falls davon verschieden, der Stadtherr.

 

Städte werden immer deutlicher Bereiche eines Sonderfriedens, der sie vom Land und dem Landfrieden abhebt. Entsprechend sind Recht und Gericht je nach Stadt und Herrschaft verschieden.

 

Um 1130 legt der Bischof und Stadtherr von Straßburg in einer Urkunde fest, was für seine Stadt zu gelten hat. In §1 und 2 heißt es ganz grundlegend:

Ad formam aliarum civitatum in eo honore condita est Argentina, ut omnis homo tam extraneus quam indigena pacem in ea omni tempore et ab omnibus habeat. (Nach dem Vorbild anderer Städte ist Straßburg mit der Auszeichnung gegründet worden, dass jeder Mensch in der Stadt, fremd oder einheimisch, für alle Zeit und in jeder Hinsicht Frieden habe.)  Und weiter: Wenn jemand außerhalb der Stadt etwas verbrochen hat und aus Furcht wegen seiner Schuld in die Stadt flüchtet, soll er dort sicher sein. Keiner lege gewaltsam Hand an ihn, gleichwohl soll er willig und bereit sein, vor Gericht zu erscheinen.

Die Stadt ist hier ein abgeschlossener Rechtsbezirk, in dem Frieden und also Schutz oberstes Gebot sind. Selbsthilfe, das alte Recht des Adels, ist dem Bürger verboten. Wer dennoch zur Fehde greifen will, um zu seinem Recht zu kommen, wird in Zukunft seine bürgerlichen Rechte aufgeben und die Stadt verlassen müssen.

§5: Alle Beamten dieser Stadt unterstehen der Gewalt des Bischofs, so dass entweder er selbst oder die, die er ernannt hat, sie einsetzen sollen. Die Höheren sollen die Niederen einsetzen, soweit sie ihm unterstellt sind. §6: Keinem darf der Bischof ein öffentliches Amt anvertrauen, der nicht zur familia seiner Kirche gehört. §7: Vier Beamtete aber, in deren Händen die Leitung der Stadt liegt, setzt der Bischof mit eigener Hand ein, und zwar den Schultheißen, den Burggrafen, den Zöllner und den Münzmeister.

Der Vogt, vom Bischof eingesetzt, hat für diesen das Gewaltmonopol wahrzunehmen. Der ebenfalls vom Bischof eingesetzte Schultheiß übt auch über zwei von ihm eingesetzte Richter alle Gerichtsbarkeit aus außer der, die seine Dienstleute und die Mitglieder seiner familia betrifft. Das Gericht findet öffentlich, nämlich auf dem Marktplatz statt. Er setzt auch den Wächter des bischöflichen Kerkers ein. Bestraft wird mit dem Strick am Galgen, mit Enthauptungen, an Haut und Haar, an der Hand (mit Handabschlagen), durch Ausreißen der Augen, mit Abschneiden der Hoden und Geldstrafen.

Gerichtsabgaben und Geldstrafen fallen an den Gerichtsherrn und bleiben auch eine wichtige Einnahmequelle der Herren, nachdem die Gerichtsbarkeit stufenweise an die Bürger übergeht.

Das vom Bischof besetzte Amt des Burggrafen bestellt die Meister fast aller Ämter (officia) in der Stadt (…), nämlich die der Sattler, Kürschner, Handschuhmacher, Schuster, Schmiede, Müller, Küfer, Becherer, Schwertfeger, Obsthänder und der Schankwirte und übt über sie die Gerichtsgewalt aus. Deren Vereinigungen dienen nicht einfach ihren eigenen Interessen, sondern vor allem auch denen des Stadtherrn. Jeder einzelne der Bürger (burgenses) soll fünfmal im Jahr Herrendienst leisten, mit einigen Ausnahmen, die extra aufgeführt werden.

Dritter vom Bischof eingesetzter Beamter ist der Zöllner, der keine Zölle von Mitgliedern der bischöflichen familia erhebt, über die städtischen Maße wacht und über den guten Zustand der Brücken. Letzter solcher Beamter ist der Münzmeister, in dessen Amt man sich teuer einkaufen muss. Oft stellt die Münze nicht nur Geld her, sondern wechselt es auch und ist ein vergleichsweise hohes Amt.

 Nach der Beschreibung der Ämter folgt die der Pflichten der burgenses. Sie alle müssen alljährlich fünfmal eine bestimmte Anzahl von Tagen für den Herrn arbeiten, mit Ausnahme bestimmter Handwerker, die eine bestimmte Anzahl von Leistungen bzw. Erzeugnissen an den Herrn abliefern müssen, zusätzliche Dienste müssen Müller und Fischer bieten. 24 Kaufleute müssen Botendienste für den bischöflichen Herrn leisten. (In: Hergemöller, S.160ff,  außerdem: Engel/Jakob, S.21ff, Schulz, S. 37f)

Bürger sind also in die Herrschaft des Bischofs eingegliedert, der an jenes Recht und jene Ordnung gebunden ist, die er selbst bestimmt, die aber die Bürger aus Eigeninteresse fördern. Wenn man nicht zur familia des Bischofs gehört, dann vermutlich derzeit noch zu einer anderen. Aber auch dann gehört man zur bischöflich kontrollierten Rechtsgemeinschaft der Stadt. Was geschehen wird , ist die Emanzipation aus solcher familia und die Partizipation an der Regelung aller die Bürger betreffenden Angelegenheiten.

In der ersten Hälfte des 12. Jahrhundert regiert der Bischof die Stadt also noch fast uneingeschränkt über seine ministri, den Vogt, den Schultheiß, über Münzmeister, Burggraf und Zöllner.

 

Die Entwicklung der bürgerlichen Stadt ist überall im Reich ähnlich, aber den jeweiligen Umständen entsprechend eben auch ein Stück weit verschieden. Straßburg entwickelt sich dabei zwischen 1147 und 1263 kontinuierlicher (Kammerer), mit weniger Brüchen und Eckdaten auch aufgrund der Fruchtbarkeit seines Umlandes.

 

Kaiser Friedrich I. regelt die urbana iustitia 1156 in einer Urkunde für Augsburg, die wohl bestehendes Recht vertieft. Danach wird die Hochgerichtsbarkeit vom bischöflichen Vogt des Hochstiftes ausgeübt, der an drei festgesetzten Tagen und zudem, wenn etwas anliegt, nach Augsburg kommt. Für zivile Angelegenheiten ist der bischöfliche Burggraf zuständig, der unter anderem auch die Qualität von Brot und Bier beaufsichtigt, den Grundnahrungsmitteln also.

Zusammen mit großbürgerlich-ministerialen Schöffen führt er ein Siegel für etwaige Urkunden, welches auf das bischöfliche und dann das davon getrennte des Domkapitels zurückgeht. Erst für 1234 ist dann auch ein Siegel (sigillum) civium Augustensium überliefert, in dem sich die "Bürger" von Augsburg als selbständige Rechtsgemeinschaft erweisen.

 

Der geschworene Friede einer Bürgergemeinschaft ergänzt zunächst den von der Herrschaft vorgegebenen und löst ihn dann ganz allmählich ab. Politische Bürger aber sind bald nur wenige Kapitaleigner in der Stadt und "Gemeinschaft" meint eine vertikale Struktur mit scharfer Über- und Unterordnung. Diese ministerialisch-großbürgerliche Oberschicht bilden die bald Münzerhausgenossen genannten Münzer und Geldwechsler und die erst am Gericht beteilgten und dann später dieses manchmal ganz übernehmenden Schöffen. Für 1180 ist ein Wormser Gericht belegt, an dem neben Geistlichen 12 Ministeriale und 28 burgenses wirken. (Fuhrmann, S.87)

 

Rechtshändel zwischen Städtern und Auswärtigen fallen, wie eine Urkunde von Erbischof Wichmann 1188 für sein Magdeburg festlegt, zwar noch unter die Rechtsprechung von Burggraf oder Schultheiß, aber innerstädtische Rechtshändel in beschränktem Umfang unter die Entscheidungen von Schöffen (scabini) als Vertretern der städtischen Oberschicht.

 

1235 beschreiben die Schöffen von Halle ihr Recht den Leuten des niederschlesischen Neumarkt. Danach richtet der Burggraf noch dreimal im Jahr über Notzucht (für die, so erwiesen, die Todesstrafe gilt), den Hausfriedensbruch und den Raubüberfall, während der Schultheiß der Bürger vierzehntägig die übrigen Straftaten abhandelt.

 

Lübeck wird 1181 königliche Stadt, das was später Reichsstadt heißen wird. Das Gericht wird nach einer Quelle für 1243 vom kaiserlichen Vogt geleitet, dem aber zwei Bürger wohl schon seit längerem zur Seite stehen. 1247 dürfen die Organe der städtischen Oberschicht diesen bereits selbst benennen und für 1262 ist bereits belegt, dass die Stadt die Vogtei verpachtet (für 70 Mark).

 

Was dann nördlich der Alpen nicht gelingen wird, ist die Eingliederung geistlicher Räume in einen bürgerlich-weltlichen. Wer zum Domkapitel oder zu anderen geistlichen Immunitäten gehört, bleibt samt seiner Dienerschaft aus der Gerichtsbarkeit der bürgerlichen Marktsiedlung herausgenommen.

 

Ein weites Feld werden die Regelungen bezüglich der Kriminalität. Das beginnt beim Hausfriedensbruch als gewaltsames Betreten eines Grundstückes, wogegen sich der Hausherr nach eigenem Ermessen wehren darf, wie es im 13. Jahrhundert für Freiburg/Breisgau heißt, eines von vielen Rechten, die Demokratien ihren Untertanen verwehren werden. Geregelt werden für diese Stadt auch Messerstechereien, Verletzungen in Trinkstuben, wo offenbar gelegentlich mehr getrunken wird, als dem klaren Verstand guttut, Haareausreißen, was offenbar öfter vorkommt, ebenso wie Tatbestände der Beleidigung. Wiederholte Beleidigungen können zum Ausschluss aus der Stadt führen. Wie sehr auf den Frieden der Stadt und den Schutz der Bürger geachtet wird, zeigt folgender Paragraph aus Friedrich Barbarossas Stadtrecht für Hagenau von 1164: Die nichtsnutzige Frau, die eine rechtschaffene und ehrenwerte Frau übel mit Schimpfworten behandelt, wird, auch wenn sie nur einmal glaubhaft überführt ist, nach der besagten Weise ohne jede Einspruchsmöglichkeit aus der Stadtgemeinschaft (extra civitatis collegium) ausgesondert. (in Hergemöller, S.214)

Immer wieder wird in den Bestimmungen darauf geachtet, dass die Strafe der Tat entspricht: Mord entspricht die Todesstrafe, dauerhafte Schädigung von Körpergliedern mit Handabhacken, andere blutige Verletzungen mit hohen Geldstrafen.

 

 

***Abgaben an die Stadt***

 

Neben die Abgaben an den Stadtherren treten mehr und mehr die an die bürgerliche Obrigkeit. Dazu gehört die Gebühr für das Bürgerrecht, in Halle drei Schillinge 1235, die Gebühren für den Eintritt in die Innung, die bei den Hallenser Bäckern zu zwei Dritteln an die Stadt gehen, und um die selbe Zeit noch die Sachabgaben der Innungen an Stadtherrn, Vogt und Schöffen.

 

Daneben gibt es weiterhin die Gerichtsgebühren, schon lange Einnahmequelle derer, die das Richteramt innehaben. 1259 gehen davon zwei Drittel an Schöffen, Rat und Bürger., wie der Kölner Erzbischof bestimmt.

 

Stadträte

 

Der Weg in die politische Gemeindebildung vollzieht sich nördlich der Alpen nach und nach in Vorformen im 12. Jahrhundert und offenbar oft weithin im Einvernehmen mit den Stadtherren. Noch weit entfernt von (groß)bürgerlicher Repräsentanz ist die Verpflichtung von 24 Leuten aus dem genere mercatorum, also aus Kaufmannsgeschlechtern, durch den Bischof von Straßburg, für ihn Gesandtschaften (legaciones) in seiner Diözese durchzuführen. Dafür erhalten sie auf seinen Festlichkeiten, wenn er seine Leute zu sich lädt, bei dem Festmahl ehrenvolle Sitze ihm gegenüber (in: Hergemöller S.178). Spitzen des Bürgertums kooperieren so als Honoratioren mit dem Stadtherrn.

Der Mainzer Erzbischof spricht in seiner Urkunde von 1135 vom Rat der Vornehmen (primorum consilio), den er einholt, und spezifiziert: ich meine den der Kleriker, Grafen, Freien, der Stiftsangehörigen und der Bürger (civium) (in: Hergemöller, S.186).

 

In der Gründungsurkunde für Freiburg 1120 tauchen 24 Marktgeschworene (conjuratores fori) auf, die mit Interna der entstehenden Bürgergemeinde befasst werden. Dazu wählen "die Bürger" jährlich einen Schultheiß, den Büttel und den Gemeindehirten (§6 im Privileg Herzog Bertholds). Ein weiteres wichtiges Amt hat der Waagemeister inne. 1152 wird der Markt als Stadt anerkannt und erhält ein herzogliches Gericht mit Rechtsprechung nach den Satzungen der Bürger. Unter Berthold V. (1186-1218) tauchen dann 24 Ratsmannen (consules) in den Urkunden auf, die zum Beispiel über die Maße für Wein und Getreide und die Gewichte für Gold und Silber verfügen und Bestimmungen über Wein,Brot und Fleisch und anderes, was ihnen für das Wohl der Stadtgemeinde (universitati civitatis) nützlich erscheint, erlassen können (in: Hergemöller, S.160)

 

Ein magistratus und eine coniuratio civitatis, also Schwurgemeinschaft der Bürger erscheint 1164 in Hagenau mit noch eingeschränkten Befugnissen.

 

Um 1200 finden sich in den Quellen aus deutschen Landen die ersten Erwähnungen von Stadträten, und zwar in Bischofsstädten am Rhein, wie irgendwann zwischen 1184 und 1202 für Worms, 1196 für Utrecht, 1198 für Speyer und um diese Zeit auch für Lübeck, wo 1201 consules auftauchen. Es folgen Erfurt ab 1212 und Soest 1213 (mit consules civitatis). In Utrecht werden frühe 1196 consules erwähnt, aber dann erst 1230 wieder.

 

In Worms wandelt sich ein Friedensgerichtsgremium von vierzig 1198 dokumentierten iudices in eine Art Rat (Groten2, S.75). Er besteht aus 12 Ministerialen und 28 Bürgern (cives).

 

Für Speyer erlaubt Philipp von Schwaben der Stadt, ut libertatem habeat XII ex civibus suis eligendi, die 1124 consiliarii und 1237 consules heißen. (Groten2, S.72). In Mainz wandelt sich ein Amtleutegremium nach und nach in einen Rat. In Mainzischen Erfurt sind es 1212 burgenses, die eine Urkunde mit ausstellen, 1217 werden diese ausdrücklich als consiliarii bezeichnet, allerdings taucht erst 1238 consilium auf und und erst 1243 consules.

 

Zwischen etwa 1190 und 1225 taucht in Basel ein Rat auf, wird vom König erst privilegiert, was er später wieder zurücknimmt, bis der Bischof dann einen Rat nach eigenen Vorstellungen zulässt. Ähnlich ergeht es in dieser Zeit einem Rat in Konstanz.

 

Um 1200 tritt in Straßburg ein bürgerlicher Rat von zwölf consiliarii neben dem Bischof auf, wohl nach dem Vorbild des 1198 erwähnten Rates von Speyer. Er besiegelt zusammen mit Ministerialen und adeligen Domherren einen Vertrag mit Graf Rudolf von Habsburg: Sigillum burgensium Argentinensis civitatis. (Kammerer in Hartmann (Hrsg), S.74).

1205 unterstellt Philipp von Schwaben die Stadt „unter seinen Schutz“. 1214 schränkt Friedrich II. das ein, da er ein consilium verbietet,  nisi de consensu et bona voluntate ipsius episcopi et eius concessione, was er 1219 wohl etwas zurücknimmt. Für 1214 ist eine Bürgersatzung überliefert: die burgere von Strazburg die witzigsten, und die ehrsamesten, als zerehte minne, der reht vertikeite, mit bescheidenlichen sinnen sint uber ein komen, mit dez bischoves willen und rate, dez Vogetesund aller der hohesten... (Kammerer in Hartmann (Hrsg), S.75) Ein Rat aus 12 Bürgern mit zwei Bürgermeistern wird erwähnt, daneben zwölf Schöffen, die eine allgemeine Gerichtsbarkeit ausüben. Neben der Rechtsprechung und Polizeigewalt gehen die Außenbeziehungen an die bürgerliche Oberschicht. Der Neubau des Münsters gerät mehr und mehr unter bürgerliche Regie.

 

Seit 1216 formiert sich der Rat in Köln aus einer Protestbewegung der Amtleutebruderschaften der Pfarreien gegen das Regiment der stadtadeligen Schöffen, wird mit Hilfe Friedrichs II. beseitigt, ist aber dann 1229 wieder vorhanden (Dirlmeier).

 

Etwa in dieser Zeit löst die Bezeichnung consules die bisherigen consiliarii ab. Die Nutzung eines verallgemeinernden Wortes "Rat" bleibt allerdings zunächst problematisch, da er zunächst nur in lateinischen Formen auftaucht.

 

Innerhalb von rund 50 Jahren werden nun Räte in deutlich über 100 deutschen Städten eingerichtet, die sich damit als politische Gemeinde konstituieren.

Gebildet werden sie von bürgerlicher Kaufmanns-Oberschicht und Ministerialen.

 

Heinrich der Löwe bestimmt für Lübeck: Wählt man jemanden in den Rat, der soll zwei Jahre darin sitzen, im dritten soll er frei sein, man kann ihn aber bitten, den Rat zu besuchen. Wir bestimmen auch, dass in den Rat nur komme, wer ehelich, von freier Geburt und niemandes Eigentum sei, auch darf er bei keinem Herr irgendein Amt bekleiden. Er soll von gutem Rufe sein, und auch seine Mutter muss frei und niemandes Eigen gewesen sein. Er darf keines Geistlichen oder Pfaffen Sohn sein und soll liegendes Eigentum innerhalb der Mauern haben, er darf zu seinem Eide nicht gezwungen sein und seine Nahrung nicht mit Handwerk erworben haben. (Engel/Jacob, S. 41) Damit entspricht der Herrscher den Wünschen des gehobenen Handelskapitals der Stadt, auch indem er bürgerliche Ehrbarkeitsvorstellungen hineinflicht.

 

Oft lässt sich die Zustimmung des jeweiligen Stadtherrn dazu erkennen, dass Vertreter der unteradeligen Oberschicht nun eben nicht mehr als Amtleute des Herrn, sondern der Bürger auftreten, um die vielfältiger werdenden Aufgaben in der Verwaltung der Stadt zu übernehmen und zu verteilen. 

 

In der Gründungsurkunde von Hamm (Marca) erhalten ein Rat (consilium), der Bürgermeister (proconsul) und der zusammen mit dem Bürgermeister vom Grafen von Altena und Mark ausgesuchte Richter (iudex) erhebliche Befugnisse zugesprochen, nachdem die Bürger (opidales) sich für das Lippstädter Recht entschieden hatten (Hergemöller, S.242ff). Nachdem der Edelherr Bernhard II. zur Lippe  Lippstadt gegründet hat, gewährt er den Bürgern 1220 umfassende Rechte, über die offenbar gemeinsam consules und iudices zu wachen haben (Hergemöller, S.262ff). Beide Urkunden beziehen sich auf das Soester Stadtrecht mit seinen magistri burgensium, dem consilium und der Schwurgemeinschaft von totum commune civitatis, welches dann auf rund 60 weitere Städte angewandt werden wird (Hergemöller, S.19)

 

Aus den consiliarii, also den Ratgebern des Bischofs, dessen Amtsleuten noch untergeordnet, werden so Ratsherren (consules), die zunächst in der Regel ein Jahr im Rat sitzen, was eine breite Beteiligung der bürgerlichen Oberschicht im Laufe der Jahre ermöglichen soll, und die sich durch Kooptation ergänzen, was sie unter anderem auch dem Einfluss des Stadtherrn entziehen soll.

Dabei bleibt der kaiserliche Zugriff, mit dem der Kaiser seine Bischofskandidaten durchsetzen kann. Entsprechend hält dann Heinrich VI. auch kurz hintereinander für Bischof und Stadt kostspielige Hoftage in Worms ab, wo sie praktisch die Stadtherrschaft besitzen (Bönnen). Ähnliches gilt für Speyer. Das mag aber mit dazu beitragen, dass beide Städte nicht das Format von Mainz unter seinen mächtigen Bischöfen gewinnen.

 

Natürlich möchten Stadtherren die neuen Selbstverwaltungskollegien wo möglich unter ihrem Einfluss halten. In Neuss hatte sich bereits längst ein Ratsmännerkollegium aus consules gebildet, als der Erzbischof von Köln 1259 noch von officiati redet, qui amptman vulgariter appellantur, (in Hergemöller, S.286) und so den Eindruck erweckt, als ob sie ihm noch unterstehen.

 

Um 1250 dürften also bereits rund hundert deutsche Städte eine solche konsularische Verfassung besessen haben, in Städten der Landesfürsten, aber vor allem in den rheinischen Bischofsstädten und im Norden, dort insbesondere im welfischen Machtraum, während der Süden überwiegend in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts nachzieht. Das liegt daran, dass die fränkischen, elsässischen und schwäbischen Reichsstädte der Staufer ein strafferes Reichsregiment haben (Isenmann). Dabei ist auffällig, in welchem Tempo, in wenigen Jahrzehnten zwischen 1251 und 1290 dort die Ratsverfassung dann einsetzt, also im sogenannten (großen) Interregnum vor allem und in der Zeit des Königtums Rudolfs von Habsburg.

 

Noch vor 1250 gelingt es einer Anzahl von Städten mit Räten, beim Vorsitz im Rat den Beauftragten des Stadtherrn durch einen vom Rat gewählten Bürgermeister zu ersetzen.

 

Das Bündnis zwischen herrscherlicher, stadtherrlicher und bürgerlich-städtischer Obrigkeit richtet sich nicht zuletzt auch gegen die große Masse der städtischen Bevölkerung, die bis ins 14. Jahrhundert ständig zunimmt, nicht zuletzt durch Zuzug von außen. Und so verfügt das schon damit erwähnte Magdeburger Stadtrecht von 1188 den Ausschluss der meisten vom Rederecht in der Bürgerversammlung.

Die politische Macht in den Städten gewinnt eine Gruppe bedeutender Kapitaleigner, die Gemeindebildung ist so keine Sache aller Bürger oder gar der Einwohnerschaft. Diese sich zunehmend aristokratisch aufführende sehr kleine Minderheit der Bürger passt auf, dass sie politisch unter ihresgleichen bleibt. Dazu werden entweder komplizierte Wahlvorgänge inszeniert, die die meisten Leute effektiv ausschließen, oder aber es wird bald einfach zur Kooptation übergegangen. Dabei ist dies nicht einfach nur eine Herrschaft der Reichsten, sondern der sich als älteste und am meisten aristokratisch fühlenden Geschlechter. "Selbst in einer kleinen Stadt wie Rinteln stammen acht der zehn Ratsherren 1252 aus adeligen Burgmannengeschlechtern." (Dirlmeier, S.73) Die Oberschicht teilte sich so in ratsfähiges Meliorat oder Patriziat und eine davon ausgeschlossene Gruppe von Reichen.

 

In der Stadt leben die Leute enger beieinander als bislang auf dem Lande, sie lassen sich von der Obrigkeit leichter kontrollieren und sie geraten immer mehr und detaillierter unter ihre Kontrolle. Über hundert Jahre nach dem Magdeburger Dokument (1188) wird für Wismar von den politisch Mächtigen noch viel allgemeiner festgelegt: Niemand darf bösartig sprechen über Fürsten, Herren, Jungfrauen und andere ehrliche Leute, geistliche und weltliche, bei einer Buße von zehn Mark Silber. (Engel/Jacob, S. 65)

 

Viele Faktoren spielen in den Anfängen des Übergangs des Stadtregiments von den alten Herren zu den neuen eine Rolle. Vertreter des großen Kapitals sind standesgemäßere Gesprächspartner für den herkömmlichen Stadtherrn, als Handels- und Finanzkapital haben sie einen weiteren Horizont als die produzierende Bevölkerung und sie sind eher aus ihrem Geschäft abkömmlich als Handwerker. Darüber hinaus vertritt diese kleine Oberschicht mit ihren wirtschaftlichen Interessen die Stadt als Institution und es gibt keine Vorstellung einer die Bevölkerung widerspiegelnden Repräsentanz.

 

Der (Haupt)Markt wird zum Ort des Rathauses, nachdem zunächst Ratsgeschäfte behelfsmäßig in Kirchen oder anderen vornehmen Gebäuden abgehalten wurden. Ratshäuser sind Mehrzeckgebäude wie das nach 1232 errichtete Dortmunder Exemplar. "Im Untergeschoss (...) befand sich ein Weinkeller, das Erdgeschoss enthielt Gerichtslaube und Tuchhalle, das erste Obergeschoss Gerichts- und Ratssaal und darüber lag ein Festsaal." (Isenmann, S. 55)

 

Wirtschaft und Politik sind im Rathaus so verknüpft wie im Kaufhaus. Das Thorner Rathaus im Deutschordensland, dessen Bau als Kaufhaus 1259 beginnt, beherbergt "eine Tuchhalle, Verkaufsstände für Handwerker und kleine Gewerbetreibende, die Ratswaage, Brotbänke und die Gerichtslaube." (Isenmann, S.56) Im Obergeschoss befindet sich dann die städtische Verwaltung.

 

Die bürgerliche Gemeinde (Kommune) entsteht so zum einen aus ihren Aufgaben, in denen sie sich immer mehr vom direkten Einfluss des Stadtherrn löst, zum anderen aus einer Vielfalt gemeinsamer Rechte, die von Stadt zu Stadt zwar ähnlich, aber nicht identisch sind. Zeichenhaft deutlich als Rechtsgemeinschaft wird sie mit der Erstellung eigener Siegel, mit denen sie eigene Urkunden "besiegelt". 1195 taucht für Würzburg (Wirciburg) ein solches auf, neben denen von Köln, Mainz und Trier (Leng, S.47). Abgebildet ist darauf noch die Bischofskirche.

 

Mit dem Weg in die politische Gemeinde beginnt diese auch, selbständiger Beziehungen zu anderen zu knüpfen. 1208  kommt es zu einem Zollverttrag zwischen den cives von Worms und Speyer: Verhandelt werden gegenseitig gleich hohe Zölle für den Handel über Land und auf dem Rhein. Mit der nachlassenden staufischen Kontrolle über deutsche Lande gewinnt die städtische Friedenserhaltung an Bedeutung: Im November 1226 verbietet Heinrich (VII.)  im Interesse seines Vaters, der gerade besonders fürstlicher Unterstützung bedarf, auf einem Hoftag zu Würzburg einen Bund der Städte Mainz, Bingen, Worms, Speyer, Frankfurt, Gelnhausen und Friedberg gegen den Erzbischof von Mainz. Dem Erzbischof wird nach Fürstenspruch zugestanden, dass das königliche Oppenheim nebenan keine Ministeriale, Bürger und andere Leute mehr aus Mainz aufnehmen und die schon dorthin gekommenen wieder zurückgeschickt werden.bildet sich ein Städtebund am Mittelrhein. 1227 werden alte Bündnisse zwischen Straßburg und Speyer erwähnt. 1230 begünstigt Heinrich dann wiederum ein Bündnis der Bürger von Lüttich und anderer Städte an der Maas gegen den Bischof, welches er ein Jahr später auf Druck seines Vaters verbieten muss.

 

Vom ersten bis zum zweiten Friedrich lavieren die Stauferkönige zwischen der Tatsache, dass sie von der Macht der Fürsten abhängig sind, die die Städte unter ihrer Kontrolle halten wollen, und der Tatsache, dass diese eine immer wichtigere Einnahmequelle sind. In seinem Privileg an die geistlichen Fürsten verbietet Friedrich II. 1232 in jeder Stadt und jedem Marktort Deutschlands (Alemannie) die Gemeindevertretungen, Gemeinderäte, Bürgermeister, Schulzen oder sonstige Amtsleute, die von der Gesamtheit der Bürger ohne Zustimmung der Erzbischöfe oder Bischöfe eingesetzt werden - ganz gleich mit welchem Namen sie bei der Verschiedenheit der Orte bedacht sind. Außerdem widerrufen und beseitigen Wir jedwede Handwerksbruderschaften oder Zünfte, ganz gleich mit welchem Namen sie gemeinhin bedacht werden. (in: Fuhrmann, S.95)

 

1254 kommt es nach dem Tod Konrads IV. zum von Mainz und Worms ausgehenden Rheinischen Bund, laut Hermann von Niederaltaich pax more Lombardicarum civitatum, also nach dem Vorbild der lombardischen Städtebünde (in 'Verwandlungen', S.106). Auch Kleinstädte wie Bingen und Oppenheim treten bei, bis 1255 gehören Städte von Bremen bis Zürich, von Aachen bis Regensburg dazu, und zudem auch adelige Herren. Das Bündnis scheitert an Uneinigkeit bei der Doppelwahl 1257 von Alfons von Kastilien und Richard von Cornwall.

 

Frankfurt

 

Die Staufer haben die wohlhabende Wetterau stets gefördert. Dabei vollzieht sich insbesondere der Aufstieg ihres Vorortes Frankfurt. 1140 wird Frankfurt als Marktort (oppidum) bezeichnet. Um 1180 wird eine neue Stadtmauer (die "Staufenmauer") gebaut, denn die Bevölkerung steigt an. Ab 1194 ist eine Münze dokumentiert. Nach und nach wird der Handelskonkurrent Mainz überflügelt.  1240 stellt der Kaiser die (Herbst)Messe dort unter seinen besonderen Schutz, um von dem zunehmenden Fernhandel der Stadt zu profitieren.Im ersten allgemeinen deutschen Steuerverzeichnis von 1241 rangiert die Stadt an erster Stelle vor Basel und Straßburg. (Kaufhold(1))

1245 wird Frankfurt dann Reichsstadt und Obergericht für das "Reichsgebiet" der Wetterau. Der Aufstieg städtischer Selbstverwaltung wird 1257 mit der vollständigen Ersetzung des Vogtes durch den Bürgermeister und seine Beisitzer abgeschlossen.

 

Regensburg

 

Musterbeispiel für eine kapitalistisch-bürgerliche Stadt, der es gelingt, sich für einige Zeit in gewissem Maße übergeordneten Mächten zu entziehen, wird Regensburg. Das beruht auch darauf, dass es zu einem Zentrum des Fernhandels wird, wobei vor allem die Beziehung zu Venedig bedeutsam ist, wo Regensburger lange den Vorsitz in der Handelsniederlassung der Deutschen (Fondaco dei Tedeschi) innehaben. Damit sind sie auch an den Orienthandel angeschlossen, während sie zugleich die Ostwest-Achse zwischen Frankreich und dem Reich der Rus bedienen. Um die Kontrolle der Stadt ringen mit den Bürgern der König (Kaiser), die bayrischen Herzöge und der Bischof, wobei der König sich Anfang des 12. Jahrhunderts stärker aus der Stadt zurückzieht und die Stellung des Bischofs gegenüber dem Herzog stärker wird.

Um 1200 teilen sich Bischof und Herzog die wichtigsten Einnahmen, nämlich aus der Münze, dem großen Zoll und dem Pfundzoll (Ambronn in: Angerer, S.57)

 

Von den "Bürgern" ist bekannt, dass sie immerhin seit dem 11. Jahrhundert ihre eigenen civilia iura besitzen. Nicht zur Bürgerschaft gehören die bischöflichen Ministerialen, dafür aber die Zensualen von St.Emmeran, Handwerker und Händler.

 

Die cives ratisponenses, die immer häufiger auch als burgenses auftauchen, sind nicht nur Großkaufleute, sondern auch Kramer und Handwerker, wobei Textilproduktion hoher Qualität herausragt, die bis England exportiert wird. Auch die Champagnemessen werden stark frequentiert. (Fischer in: Angerer, S.148)

 

Das große Kapital verbindet sich aber mit der Produktion nicht so wie in Augsburg und anderswo, was viel später seine Schwäche ausmachen wird.. Organisiert ist es wohl in einer Hanse der Fernkaufleute, und 1184 wird erstmals ein Hansgraf erwähnt, der die Bürger auf auswärtigen Märkten und vor auswärtigen Gerichten vertritt. Er wird zunächst vom Burggrafen eingesetzt.

Überhaupt prägt Transithandel die Stadt vor allem: Kaufleute liefern beispielsweise in Südtirol erworbene Weine, zudem Tuche, Gewürze und Seide nach Böhmen und bringen von dort vornehmlich Edelmetall in Form von Barrensilber zurück. Darüber hinaus wird Breslau bald besucht. Zu ihrem Handelsnetz gehört auch schon früh Venedig.

 

1126-32 tritt nach längerer Zeit mal wieder ein eher frömmerer und zudem ein nichtadeliger Bischof auf, der auch nun wieder vor Ort gewählt wird. Er fördert Reformen, Klöster sowie die Einführung der vita communis. Aber sein Nachfolger Heinrich I. (1132-55) ist wieder Machtpolitiker und muss mit Herzog Heinrich dem Stolzen um die Macht in der Stadt kämpfen und bleibt stauferfreundlich.

 

Ein erster dokumentierter Meilenstein bürgerlichen Selbstbewusstseins wird der Bau einer steinernen Brücke über die Donau zwischen 1135 und 1146 mit fünfzehn Pfeilern, sechzehn Bögen und einer Länge von über 300 Metern. Mit drei Tortürmen bewehrt wird sie für Jahrhunderte zwischen Ulm und Wien der einzige feste Donauübergang bleiben und so sehr viel Fernhandel auf die Stadt konzentrieren.

Auf Bitten der Bürgerschaft stellt Barbarossa 1182 für sie ein Privileg aus, in dem er die Freiheit für die steinerne Brücke bestätigt. Niemandem steht es zu,von einem, der diese Brücke überquert, irgendetwas zu fordern, abgesehen davon, wenn jemand freiwillig etwas zur Erhaltung oder Reparatur dieser Brücke spenden möchte. Ein „gewählter“ Brückenmeister ist verantwortlich. (Im ersten Band des Regensburger Urkundenbuches)

 

Nach der Absetzung Heinrichs ("des Löwen") 1180 versucht Kaiser Friedrich I. mit dem Erlöschen des Burggrafenamtes der Pabonen 1185 königliche Stadtherrschaft durchzusetzen. Die Aufgaben eines Burggrafen übt nun ein staufischer Ministerialer aus. 1183 ist der König in der Stadt und bestätigt den Juden ihre Rechte insbesondere am Handel mit Gold, Silber und anderen Metallen, darüber hinaus den Bürgern die oben erwähnte Abgabenfreiheit für ihre Brücke.

1180 werden die Wittelsbacher in Bayern eingesetzt, die vergeblich versuchen, Machtpositionen in ihrer Hauptstadt zu erringen. Ab 1185 sind Konflikte zwischen Bischof und Herzog um die Stadtherrschaft dokumentiert. Barbarossa nutzt sie offenbar, um 1188 die Domvogtei königlich zu besetzen, worauf er Regensburg civitas sua nennt. Aber nach seinem Tod wird die königliche Macht in der Stadt wie in ganz Bayern geschwächt. Mit der Doppelwahl von 1198 kann der Herzog seinen Einfluss auf die Stadt stärken. Um 1200 beansprucht er die Stadtherrschaft mit dem Gericht über die Juden, dem Friedgericht, der Verfügung über das Schultheißenamt, das Bräuamt, Zölle auf Salz, Eisen, Korn und anderes, woran der Bischof aber wohl Anteile hat. (Ambronn in: Angerer, S.60) 1203 kommt es zu einem kriegerischen Machtkampf zwischen Herzog und Bischof, der auf große Teile Bayerns übergreift, und von Bischof Konrad IV. in einem Frieden relativ erfolgreich beendet wird. Man einigt sich unter König Philipp von Schwaben auf eine gemeinsam genutzte Stadtsteuer und die Teilung anderer Rechte. Konrad ist inzwischen Kanzler des Königs.

 

Aber schon 1207 bestätigt das später so genannte „Philippinum“ Stadtrecht und allgemeine städtische Steuer und gewährt der universitas civium das Besetzen des Amtes des Hansgrafen und bestätigt zudem dessen breitgefächerte Aufgaben, die ihn zunehmend zu einem Instrument der Bürger machen. Dazu kommen weitere, dem Handel förderliche Privilegien. Inzwischen ist von civilia instituta und consensus urbanorum die Rede, was die burgenses auf dem Stadtsiegel dokumentieren (sigillum civium). Damit versucht der Staufer an frühere Versuche der Etablierung einer königlichen Stadt anzuknüpfen.

 

Gelegentlich wird von einer Regensburger Hanse geredet, „in der sich die Kölner, Aachener und Ulmer Kaufleute der Führung und Marktaufsicht des Regensburger Hansagrafen unterwerfen mussten“ (Irsigler in Hartmann (Hrsg), S.93). Der Tuchhandel aus dem Nordwesten kam in Köln zusammen, wurden dort sortiert und verpackt und ging dann über den ascensum in Reno nach Regensburg, und von dort nach Osten, Südosten und Süden.

 

Mit der Ermordung Philipps bricht der Konkurrenzkampf zwischen Bischof und prowelfischem Herzog wieder auf. Das ändert sich mit der Wahl Friedrichs II.

 Als die gerade mit dem Herzog verbündeten Bürger sich ein Rathaus bauen, lässt der Bischof dies 1213 abreißen. Seine Macht steigt zuungunsten des Herzogs und er wird praktisch Stadtherr, was ihm der König 1219 bestätigt. Auch die 1220 vereinbarte (später so genannte) 'Confoederatio cum principibus ecclesiasticis' soll die „fürstliche“ Bischofsmacht stärken. Damit werden nicht nur die städtischen Verselbständigungsversuche zurückgedrängt, sondern auch den territorialen Bestrebungen der Staufer nach geschlossenen königlichen Städtelandschaften wie im Elsass oder der Wetterau gebremst (Schulz in Hartmann (Hrsg), S. 48ff)

 

Aber im Konflikt um die nächste Bischofswahl 1226 mischen die Bürger verbündet mit Teilen des Domkapitels bereits in Gegnerschaft zu den bischöflichen milites (Ministerialen) erfolgreich mit und schreiben an den Papst, der ihnen mit einem Schreiben an die rectoribus et universis civibus ratisponensibus 1227 antwortet. (Kolmer in Hartmann(Hrsg), S.32f)

Je stärker die bischöfliche Stadtherrschaft wird, desto intensiver auch die bürgerliche Opposition. Mit Bischof Siegfrieds Wahl wird dann auch die volle Stadtherrschaft des Bischofs enden, nachdem er - nun auch Hofkanzler des Königs - den wirtschaftlichen Interessen insbesondere des Handels entgegenkommt, während er einen Rat verhindert.

Immer deutlicher tritt eine kleine Elitegruppe bischöflicher Ministerialer hervor (de Cappella, da Porta usw.)

 

1229 taucht eine erste von der universitas civium ausgestellte Urkunde auf.

 

1230 verbietet Friedrich II. wohl in Übereinstimmung mit dem Bischof  die Steuererhebung an die Bürger durch den Herzog. Sie steht nun nur noch dem Bischof zu. Er gewährt Eigentumsgarantie, Gewerbesicherheit, freies Erbrecht, und ohne so etwas wie richterlichen Beschluss wird die Unverletzbarkeit des Hauses garantiert. Dazu kommen das Recht der "Bürger", selbst für sich Steuern einzuziehen, die Stadt zu befestigen und Freiheit für Unfreie, die zehn Jahre in der Stadt gelebt haben. Dabei wird der Einfluss der Regensburger Klöster wegen ihrer zahlreichen Hörigen berücksichtigt. Bürgerliche Schöffen sollen am herzoglichen Gericht mitwirken.

Damit ist der Herzog fast aus der Stadt getrieben. Dabei stärkt Friedrich auch die Position des Bischofs und sucht nach einem Ausgleich Stadtherr-Bürgerschaft.

 

1231 ist Heinrich (VII.) gezwungen, mit dem 'Statutum in favorem principum' seine städtefreundliche Politik zu beenden, und das wird ein Jahr später von Friedrich II. in Ravenna bestätigt. Offenbar hatte die hohe Geistlichkeit sich überall durch die zunehmende Ausweitung und Verselbständigung bürgerlicher Selbstverwaltung bedroht gefühlt.

1233 taucht ein notarius universitatis civium auf.

 

Die Konflikte zwischen Papst und Friedrich II. werden von den sich entfaltenden Bürgergemeinden genutzt.1237/38 löst sich der Herzog vom Kaiser, während der Bischof mit seiner Bürgerschaftunter Druck seiner Ministerialen prostaufisch bleibt.

 

Während de iure die bischöfliche Stadtherrschaft immer noch einigermaßen gesichert ist, taucht  1242 eine bürgerlich-städtische Kanzlei mit einem eigenen Notar auf (Kolmer s.o. S.35) und zudem ein eigenes Siegel. Ein rein bürgerliches Gericht wird erwähnt. 1243 ist von einem magister civitatis (Bürgermeister) die Rede, einem vom Bischof bestellten Ministerialen, und der Plan eines domus civium wird formuliert. 1244 wird dann solch ein Rathaus erwähnt.

 

1245 setzt das Konzil von Lyon Friedrich II. ab und exkommuniziert ihn. Damit sieht sich auch der Regensburger Bischof Siegfried, immerhin der Reichskanzler, gezwungen, gegen ihn Stellung zu beziehen. Darauf stürzt die Bürgerschaft im Bündnis mit den bischöflichen Ministerialen die bischöflcihe Stadtherrschaft und erklärt sich dabei deutlich zugunsten des Staufers, der nun wieder nicht anders kann, um die Bürger auf seiner Seite zu halten, als seine vorherigen bürgerliche Rechte einengenden Bestimmungen zurückzunehmen.

 

Er entzieht dem Bischof, der nun auf die Seite des Papstes gewechselt ist, im Noember 1245 de facto die Stadtherrschaft, indem er den Bürgern Selbstverwaltung mit einem Rat, einem gewählten Bürgermeister und freie Besetzung aller Ämter erlaubt (… ut liceat vobis ammodo comunia consilia … statuere et magistratos seu rectores civium vel quoslibet officiales alios libere ordinare). Das neue Rathaus am Rand des wichtigsten Marktplatzes dokumentiert als palastartiger Bau die Macht der Bürger in der Stadt.

Darauf verlässt Bischof Siegfried die Stadt und verhängt das Interdikt über sie, was weitgehend ignoriert wird. Er stirbt kurz darauf und sein Nachfolger kann sich bis 1253 nicht in der Stadt halten.

Zunächst scheinen sich die Bürger über ihre neue Verfasstheit uneinig zu sein (Ambronn in: Angerer, S.66f). Erst im September 1251 konstituiert sich ein bürgerlicher Stadtrat. Es kommt zur Reduzierung der Amtszeit des Bürgermeisters auf ein Jahr, wobei die hohen Ämter in der Hand einer ministerialen Oberschicht sind. Kurz darauf geht die gesamte Gerichtsbarkeit an die Bürger.

 

Der Bischof regiert jetzt nur noch das Hochstift, und das Kloster St. Emmeran und zwei Damenstifte genießen weiter Immunität. Damit ist Regensburg Freie Stadt in der Hand des bürgerlichen großen Kapitals, und selbst weithin dem Einfluss der folgenden Könige entzogen. Es braucht ihm nicht zu huldigen, kann von ihm nicht verpfändet werden und zahlt keine Steuern an ihn. 1256 tritt Regensburg dem Rheinischen Städtebund freier Städte bei.

 

Für die bayrischen Herzöge bedeutet das, dass sie, was Residenz und „Hauptstadt“ angeht, zunächst nach Landshut und später nach München umziehen. Für den Bischof bedeutet es, dass er seine Residenz wie in Köln (Bonn,Brühl), Mainz (Eltville, Aschaffenburg), Straßburg (Zabern,Ruffach) und anderswo nun außerhalb der Stadt errichtet.

 

Nürnberg

 

Nürnberg gewinnt deutlich später als das auf die Römerzeit zurückgehende Regensburg an Bedeutung.

1105 gerät die Stadt in die Auseinandersetzung zwischen Kaiser Heinrich IV. und seinem Sohn und wird als kaisertreue Stadt zerstört. Zum Schutz der Stadt ernennt Heinrich einen Burggrafen. 1130 nimmt Nürnberg Partei für die Staufer und wird von Lothar II. zerstört. Die Stadt wird von ihm an Heinrich von Bayern vergeben und 1138 von Konrad III. wiedererobert. Langsam entsteht nun die planvoll angelegte Lorenzer Altstadt. Zur Wasserversorgung wuird der Goldbach aus dem Reichswald umgeleitet und durch die heutige Karolinenstraße geführt. Auch die Sebalder Siedlung erhielt wohl bereits zu dieser Zeit ihre erste Stadtbefestigung.

 

Unter Friedrich ("Barbarossa") wird die Stadt vom Geleitgeld und Marktzoll befreit und auch ansonsten gefördert. Gegen Ende seiner Herrschaft gelangt das eisenerzreiche Gebiet der heutigen Oberpfalz zum Nürnberger Reichsgut und wird bald zur Grundlage für das aufblühende Schmiede- und Gusshandwerk der Stadt.

 

Münzprägung ist seit der Mitte des 12. Jahrhunderts belegt. Der eine Burgherr als Reichsschultheiss ist ab 11173/74 Vogtherr über die Stadt. Ende des 12. Jahrhunderts gibt es mit der Sebalduskirche eine eigene Pfarrei, die dem Bamberger Bischof untersteht, und Mitte des 13. Jahrhunderts wird St. Lorenz zur Pfarrkirche unter der Aufsicht von Eichstätt. Seit 1224 gibt es auch ein Franziskanerkloster.

 

Neben dem Reichsschultheißen für die Stadt residiert der Burggraf auf seiner Burg, der die immer prächtigere Kaiserpfalz zu schützen hat. Um 1190 geht das Amt an den schwäbischen Friedrich I. von Zollern, der einen Teil seiner Befugnisse dabei an die Stadt verliert. Die Zollern beginnen bald mit dem Ausbau der Kontrolle über das Umland.

 

1219 bestimmt der König in einem vermutlich für viel Geld erkauften 'Großen Freiheitsbrief' seinen als den einzigen Vogt in der Stadt, die mit einer gemeinsamen eigenen Steuerveranlagung (in communi) nun organisatorisch zusammenwächst und zur Förderung von Handel und Wandel vom gerichtlichen Zweikampf befreit wird. Die Marktrechte werden dabei erheblich ausgeweitet, dazu kommen Münzrecht und das Recht, auf den Messen von Nördlingen und Donauwörth mit dem eigenen Nürnberger Geld zahlen zu dürfen. Zollfreiheiten werden zwischen Regensburg und Passau und für Worms und Speyer gewährt. Nürnberg wird zur "freien Reichsstadt".

Die Stadt handelt nun mit immer mehr Städten (am Ende sind es etwa 90) wechselseitige Zollbefreiungen aus, die durch Geleitbriefe flankiert werden. Es beginnen immer ausgedehntere Handelsbeziehungen nach Böhmen

Die Gemeindebildung gewinnt 1245 Konturen mit einer Urkunde an die universitas civium, die bereits ein eigenes Siegel führt. 1256 beginnt der Bau einer Stadtmauer, die allerdings erst um 1330 beide Stadtteile umfasst. Mitte des 13. Jahrhunderts sind zwei bürgerliche Machtblöcke zu erkennen. Die scabini (Schöffen) unter dem Schultheißen betreiben das Gericht und die consules (Räte) verwalten die Stadt. Das sogenannte Interregnum fördert die Ratsbildung.

 

Ein Kaufmannsheftchen der Holzschuher für 1304 bis 1307, die mit Textilien wie zum Beispiel flämischem Tuch Handel treiben, zeigt eine Familie, die zunächst im weiteren Umfeld der Stadt großflächig Waren verkauft, und dann nach Mittel- und Westeuropa ausgreift, um nach 1350 sogar nach Ost- und Südosteuropa vorzudringen. (Fleischmann, S.82)

 

Freiheit?

 

Es sollte noch darauf eingegangen werden, dass die bislang fortschrittsgläubige Gegenwart sich bei der Betrachtung der neuen mittelalterlichen Städte gerne auf den Satz, Stadtluft mache frei nach Jahr und Tag, stützt. Gemeint ist die Befreiung aus der Abhängigkeit vom Grundherrn, Hörigkeit, für den, der vom Land in die Stadt zieht und sich dort bewährt hat. Und mit dem Blick von oben nach unten schreibt Otto von Freising Mitte des 12. Jahrhunderts über die bürgerliche Oberschicht in Norditalien: Denn sie lieben die Freiheit so sehr (...).

Diese Freiheit im Singular taucht als Verallgemeinerung einzelner Freiheiten 1066 in dem Privilegienkatalog des Bischofs von Huy für seine burgenses in der libertas ecclesie und der libertas ville auf, und sie setzt sich aus 10 Pflichten und Rechten zusammen. (in Hergemöller, s.o.) Dieser verallgemeinerte Freiheitsbegriff wird nie abstrakt, er bleibt immer konkret wie in der libertas illius iuris von Magdeburg, die deren Erzbischof auch Jüterbog verleiht. Es ist also eine Freiheit aus Freiheiten, die Rechte und zunehmend auch Pflichten sind wie die Freiheit von Zoll und zugleich die Pflicht zum Einhalten von Qualitätsstandarden bei Waren. Ausdrücklich geht es dabei wie in dieser Urkunde um die Wohlfahrt des Stadtherrn und insoweit um die wirtschaftliche Wohlfahrt seiner Untertanen, und dem sind alle Freiheitsvorstellungen ein- und untergeordnet.

 

1288 erklärt der Graf von Berg, dass er die villa Duseldorp, ihre Güter und Bewohner schlicht und einfach in die Freiheit (libertas) entlässt. Das aber bedeutet nichts anderes als die Befreiung von willkürlichen zusätzlichen Belastungen, Schöffenwahl, Zollfreiheit und das Recht, Märkte wöchentlich und jährlich abzuhalten. Freiheit ist also die Befreiung von bestimmten konkreten Pflichten und Lasten.

 

Der abstrakte Freiheitsbegriff, wie er in der Neuzeit von Literaten gefordert und von Machthabern dann dekretiert wird, geht umgekehrt vor: Er besteht in einer hypothetischen allgemeinen und in philosophischer Unklarheit formulierten Freiheit, die alle "freiwillig" in einem hypothetischen (Gesellschafts)Vertrag aufgeben, um dann einzelne Freiheiten als Rechte zugewiesen zu bekommen. (Vgl. B..., John Locke). Es handelt sich um Theorie als Betrugsmanöver zur rechtfertigung eines zunehmend totalitäreren Staates.

Die "bürgerlichen" Freiheiten des Mittelalters haben stattdessen ihren Ursprung in der realen Evolution des Kapitalismus und fördern diesen handfest. Sie sind keine Gnadenakte eines Staates, sondern aus Interesse geborene Rechtsakte vieler potenter Herren. Im Kern stehen das Eigentum mit seiner Vererbbarkeit und "die freie Verfügbarkeit über die eigene Arbeitsleistung im Zusammenhang mit der auf Rentabilität ausgerichteten Arbeitsorganisation (...Dirlmeier, S.68).

 

Das Ergebnis ist die Verselbständigung der Kapitalbewegungen und darunter begrenzter die der auf Eigentum beruhenden Produktion. Komplementär wird das sichtbar in der Befreiung von immer mehr Arbeit von ihrer direkten persönlichen Abhängigkeit von Herren, von ihrer Bindung an Grund und Boden. Auf dem Lande wird so eine Minderheit nach und nach zu Proletariat, der Landarbeiterschaft, und in der Stadt bildet es im Verlauf des Mittelalters die Mehrheit. Seine wirtschaftliche Unselbständigkeit aber ist massive Unfreiheit gegenüber dem sich verallgemeinernden Markt und in dem Sinne viel drückender, da Widerstand schnell ins Leere eines nicht vorhandenen persönlichen Gegners läuft. Alle Phantasien von Befreiung gehen entweder topisch zurück in konstruierte Vergangenheiten oder utopisch nach vorne in totalitäre Konstruktionen. Gerne werden dann neuzeitlich beide Konstruktionen auch miteinander vermischt.

 

Formale "Gleichheit vor Gericht und Stadtrecht" (Isenmann) wird zwar hergestellt, aber keine Rechtsgleichheit, denn die Freiheit des Eigentums schließt zum Beispiel oft alle die vom Bürgerrecht aus, die kaum welches besitzen und darum abhängig beschäftigt sind. Und selbst das Bürgerrecht gewährt noch keine Partizipation an der Macht in der Stadt, die zunächst den Ministerialien und zusammen mit diesen dann den Eignern unternehmerisch tauglichen Kapitals zugestanden wird. Wenn in späteren Jahrhunderten Teile des Handwerks Beteiligung an der Macht bekommen, dann nur über wohlhabende Anführer, die sich gegenüber ihrer Klientel schnell verselbständigen.

 

Der Blick von unten nach oben sieht etwas anders aus als der des Freisinger Bischofs, denn die rechtliche und durchaus drückende Unfreiheit gegenüber dem Grundherrn wird in der Stadt nun Schritt für Schritt durch eine ganz andere ersetzt: Einmal durch die der verrechtlichten Unterwerfung unter den Stadtherrn und die neue unter "bürgerliche" Obrigkeit, die entsteht, zum anderen durch die horizontalen Bindungen, die unausweichlich sind, um in der Stadt wirtschaftlich zu reüssieren.

Was auf dem Land mit dem Flurzwang beispielsweise geschieht und dem Regelungszwang, der sich für die neuen Dorfgemeinschaften daraus ergibt, bieten sehr ausführlich für Handwerk und Geschäft die Bruderschaften, Zünfte, Gilden, die mehr als nur das Wirtschaften regeln. "Auch wenn der städtische Handwerker in eigener Verantwortung und auf eigene Rechnung produzierte, wurde seine Tätigkeit fest in eine Organisation eingebunden, die ihn weit über den Beruf hinaus in eine Lebensgemeinschaft stellte, der er sich nicht entziehen konnte." (KellerBegrenzung, S. 269)

Dazu kam bald das enge Zusammenleben Haus an Haus im Viertel und der Pfarrei, in der die Kirche, nun sehr nahegerückt, ihre strenge Aufsicht führte. Die heute rasch schwindende soziale Kontrolle, durch die Maßgaben politischer Korrektheit abgelöst, und die notwendig war, um in den größeren Menschenzusammenballungen gemeinsam leben zu können, bedeutete damals enormen Druck und starke Einschränkung von dem, was man später unter "Freiheit" verstehen wird.

Es entsteht ein zunehmender Regelungsbedarf, eine der Wurzeln für die Ausweitung von Kompetenzen einer städtischen Obrigkeit. Für Hagenau bestimmt Friedrich Barbarossa 1164, dass die Schultheißen eine Oberaufsicht über die Bäcker, die Preis und Gewicht von Brot beaufsichtigt. Und: Wir gebieten den Metzgern, ausschließlich gesundes und frisches Fleisch zu verkaufen, wenn sie aber grindiges oder sonstwie verschmutztes Fleisch verkaufen und sie deswegen von den Geschworenen der Stadt (a coniuratis civitatis) überführt werden, sollen sie von der Gemeinschaft der anderen aus der Gemarkung dieses Ortes (ville) entfernt werden. (in Hergemöller, S.216)

 

Vertikaler Zwang zeigt sich in der Unterordnung politisch formulierter städtischer Interessen unter die wirtschaftlichen der Oberschichten, am deutlichsten seitdem in Flandern. Nach der Ermordung des Grafen Karls des Guten 1127 versucht König Ludwig VI., das Verfahren gegen die Attentäter mit dem Recht des Lehnsherrn in die Hand zu bekommen und versucht zudem, aus außenpolitischen Gründen Wilhelm Clito als Nachfolger durchzudrücken. Die Kaufmannsinteressen in Lille, Gent und Brügge stehen dagegen, wo die enge Beziehung zu England Vorrang hat. Im Aufstand verbündet sich der Handel mit dem Adel und den Spitzen des Handwerks. Solche wirtschaftlichen Oberschicht-Interessen begründen dann Formen von Patriotismus, in denen das "Volk" mitgezogen wird.

 

Otto von Freising und die Begrifflichkeit (in Arbeit)

 

Zurück in die Mitte des 12. Jahrhunderts und zu jener vielzitierten Passage in Bischof Ottos von Freising 'Gesta Friderici', wie sie in der Regel überschrieben werden, über die norditalienische Freiheit (libertas) seiner Zeit (Otto von Freising, S.309f). Es geht um die "politischen" Strukturen in Städten wie Mailand, wie sie ein hochadeliger und zugleich recht belesener Geistlicher der Zeit Barbarossas beschreibt, und damit zugleich um die Anfänge des Politisierens in deutschen Landen (und anderswo). Was dabei deutlich wird, ist, dass politische Texte von Anfang an dazu neigen, die Dinge zu verunklaren, indem sie einmal Begriffe völlig ungeklärt in den Raum stellen und dabei implizit ermöglichen, dass sie mit emotionalen Qualitäten aufgefüllt werden können, zum anderen moralische Vorstellungen und handfeste Wirklichkeit geschickt miteinander vermischt werden.

Es handelt sich um italienische Verhältnisse, aber sie werden sich in mancher Hinsicht bald auch in deutschen Landen einstellen, und die lateinischen Vokabeln, mit denen sie wahrgenommen werden, werden dieselben sein.

 

Der Text beginnt mit einem Lob der Italiener, die bei der Einrichtung ihrer civitas der sollertia Romanorum folgen, also der klugen Einsicht der (antiken) Römer, und endet mit der Behauptung, dass sie den Gesetzen, von denen sie behaupten, ihnen zu folgen, tatsächlich aber nicht gehorchen (legibus non obsequi), weshalb der princeps, also der Kaiser, sie mit militärischer Gewalt unterwerfen muss. Er muss das tun, da er nicht immer anwesend sein kann, und sie seine Abwesenheit unbotmäßig ausnutzen.

 

Eigentlich müsste es am Anfang heißen, "sie lieben ihre Freiheit so sehr, dass sie sogar die Unterwerfung unter den Kaiser ablehnen", was dem widersprechen würde, dass es sich bei dem ganzen von Otto intendierten Buch um einen Propagandatext für seinen bewunderten Verwandten Kaiser Friedrich I. (Barbarossa) handelt. Stattdessen heißt es: Denique libertatem tantopere affectant, ut potestatis insolentiam fugiendo consulum potius quam imperantium regantur arbitrio. Da das arbitrium die Willkür des Mächtigen bezeichnet, seine eigenmächtige Entscheidung, heißt hier die Freiheit, die ihnen so am Herzen liegt (affectare) die Unterwerfung unter (die Willkür der eigenen) Konsuln und nicht unter (die von) Herrscher(n). Und der Unterschied ist im folgenden unter anderem, dass Konsuln gewählt werden (eligere), Herrscher aber eben nicht, und Konsuln auch nur auf ein Jahr.

 

Bis hierher ist Freiheit von dem, was bei Otto imperare heisst, herrschen im Sinne von befehlen, unterschieden und scheint positiv bewertet, da aus der poltischen Klugheit der Römer herrührend. Das wird noch verstärkt durch die Verhinderung (reprimere) von superbia, Hochmut im neuhochdeutschen Sinne, Arroganz könnte man auch sagen, indem alle drei ordines, Kapitäne, Valvassoren und Plebs passives Wahlrecht haben, und die libido dominandi, also Lust am Herrschen, wird durch die Begrenzung des Konsulats auf ein Jahr gedämpft. 

 

Bis hierhin ist Herrschaft also schlecht, da sie implizit insolentia potestatis, also übermäßige, maßlose Macht, superbia und libido dominandi bedeutet. Das darf aber nicht sein, deshalb nun die Kehrtwende: Die civitates sind auf Bistumsebene angewachsen, indem die diocesanos und die nobiles gezwungen wurden (compellere), sich zu unterwerfen (in comprimere enthalten). Die die Freiheit so lieben sind also an der Unfreiheit der anderen interessiert. Und darum werden die opifices contemptibilium mechanicarum artium, die verachtenswerten Handarbeiter, zum Kriegshandwerk zugelassen, jene, die andere Völker (wie auch die Deutschen) tamquam pestem, wie die Pest herabwürdigen.

 

Jetzt wird der Satzteil auch verständlicher, quod, cum, legibus se vivere glorientur, legibus non obsecuntur. Sie rühmen sich, ihren eigenen Gesetzen zu gehorchen, aber sie befolgen nicht die vom Kaiser über sie gesetzten. Und darum ist der Kaiser (Herrscher) gezwungen (compellatur), sie mit militärischer Gewalt niederzuwerfen.

 

Ist das Loblied auf die Freiheit am Anfang jetzt eine geschickte rhetorische Figur, um demjenigen, der es als Argument benutzen wollte, dann den Boden zu entziehen, und um so klarer den Machtanspruch des Kaisers zu begründen? Freiheit ist dann also scheinbar gut, aber eben nur dem ersten Anschein nach?

Oder lässt Otto zwei begründete Positionen nebeneinander bestehen? Wohl kaum, wenn man der Reihenfolge seiner Feststellungen folgt.

Andererseits steht direkt hintereinander die Verächtlichkeit der Leute, die an der Freiheit partizipieren, und das zweifelsfrei für Otto positive Moment, dass italienische Städte alle anderen an Macht und Reichtum übertreffen. Ihre Art der Freiheitsliebe bringt das zustande. Und dann aber: Das alles wäre in Italien nicht geschehen, wenn die Kaiser öfter da gewesen wären. Dazu gehört, dass für Otto rechte kaiserliche Macht gottgewollter oberster Ordnungsfaktor auf Erden ist. Schließlich proprium principem mitem suscipere oportet, es gehört sich, den mild-sanften ("gnädigen") eigenen (!) Fürsten zu ertragen (!).

 

Man spürt, dass hier zwei Dinge zusammenkommen: Rhetorisches Geschick bei prokaiserlicher Propaganda und Irritation über das Nebeneinander von Charme der "Freiheit" und Ordnung schaffendem Gehorsam, dem am Ende der Sieg zu gehören hat. 

Dazu gehört die Unklarheit der Verhältnisse: Da ist der ordo ("Stand") plebis, der unter denen von Kapitänen und Valvassoren angesiedelt ist, und zu dem die verächtlichen Handwerker gehören, und da sind mehrmals die cives, die ebenfalls nicht definiert werden, aber wohl alle die Stadt irgendwie tragenden Leute umfassen, und endlich taucht am Ende dieses Abschnittes der populus mit seiner unbesonnen verwegenen Haltung (temeritas) auf, seiner Aufsässigkeit eben, die zugleich Freiheitsliebe ist. Plebs, cives und populus sind sicher keine Synonyme, aber aus der Sicht von oben ist ihnen wohl gemein, dass sie die gottgewollter Herrschaft zu Unterwerfende meinen.

Genauso unklar bleibt das Gesetz (lex), welches einmal das der Stadt samt ihrem comitatus (contado) ist, von den cives legitimiert, andererseits aber das herkömmliche und gottgegebene des Kaisers ist.

 

Ich denke, hier kommen viele Dinge zusammen. Da ist der kritische, anintellektualisierte Geist, wie er in der Betrachtung von Abaelard und Gilbert von Porrée im selben Buch vorsichtig in Erscheinung tritt und da ist der Verwandte und Bewunderer des Kaisers, selbst weit über der Plebs bzw. den cives stehend. Da ist aber noch etwas ganz anderes: Das neue Denken, welches sich seit hundert Jahren entwickelt hat, versucht gedanklich (und nicht mehr religiös fundiert) zu ordnen und trifft dabei auf eine Welt in Bewegung, die komplexer wird und sich dem neuartigen ordnenden Denken entzieht, - was aber nicht sein darf. Das ordnende Denken braucht Koordinaten oder wenigstens Pole, und die zwei Pole Stadt und Reich, civitas und imperium, passen nicht in dasselbe Koordinatensystem, sie sind nicht mehr mit denselben (ehedem religiös fundierten) Kriterien einzuordnen. So scheitert der Versuch einer wirklich logischen Struktur des Textes, die gewaltsam durch eine Reihenfolge ersetzt wird, die hierarchisch aufsteigt bis zum (gottgewollten) Herrscher, obwohl der Text ganz ohne Gott politisiert.

 

 

Die Stadt als Wirtschaftsraum im hohen Mittelalter

 

Zur Brutstätte des frühen Kapitalismus werden Städte nicht als religiöse Zentren, als Hauptstädte von Herrschaften oder Verwaltungszentren, auch wenn diese Voraussetzungen bieten, sondern primär als wirtschaftliche Einheiten. Dabei ist unwichtig, ob solche Orte einen Stadtherrn behalten, das Kapital die Stadt in eigener Regie politisch führt oder aber sehr oft beide miteinander kooperieren, wichtig ist nur, dass sie primär seinen Interessen dient. Dass es dazu kommt, verdankt sich Entwicklungen im frühen und hohen Mittelalter, die diese Zeit vor allem auszeichnen. An der Oberfläche ist die typische abendländische Stadt des Mittelalters dann die eines sich selbst organisierenden neuartigen Bürgertums im Sinne von Max Weber, substantiell aber Zentrum von jenen sich verselbständigenden Verwertungsprozessen, aus denen Kapital besteht.

 

Zentrum dieses Wirtschaftsraumes ist zunächst der Markt und der Handel, dazu gehören aber bald auch die produzierenden Gewerbe. Wie beide Bereiche gewichtet sind, liegt oft am Standort. An Meeren und großen Flüssen wie an großen Handelsstraßen dominiert oft der Handel, während andernorts Tuchproduktion oder Metallgewerbe vorherrschen und eher selten sogar der Bergbau. Immer aber gibt es Bäcker und Metzger, meist auch Schuster und später Schneider.

 

Zunächst einmal sind Städte Wirtschaftsraum nach innen, innerhalb ihrer Mauern. Dann expandieren sie im hohen und späten Mittelalter nach außen, einmal über die steigende Ein- und Ausfuhr von Waren, die für Städte oder städtische Firmen zu Niederlassungen führt, die den städtischen Wirtschaftsraum europaweit und bis in den vorderen Orient und Nordafrika ausdehnen. Zum anderen, indem sich Städte in ihrem Umland Einflusssphären sichern, die sich bis zu städtischen Territorien intensivieren können, die manchmal, besonders in der Nordhälfte Italiens, zu regelrechten Stadtstaaten heranwachsen können.

 

Städte sind zunächst einmal in vielerlei Hinsicht Inseln in einer Agrarlandschaft. In ihnen beliefern zunächst Gewerbe und Handel die adelige Herrenschicht mit Waren, werden dabei aber selbst zunehmend mit Nahrungsmitteln und Rohstoffen auch von außerhalb ausgestattet. Je nach Kaufkraft entsteht dadurch eine allgemeine  Nachfrage der Einwohner in der Stadt, die immer gewichtiger wird und nach und nach in der Summe die der Herren übertrifft.

In den Gründungsprivilegien für Freiburg/Breisgau sind die Einnahmen des Zöllners für Waren, die durch die Tore der Stadt gehen, aufgelistet. Hinaus gehen danach zum Beispiel Pferde, Wein und Brot. Hinein kommen ebenfalls Pferde, dazu Esel, Ochsen und Ziegen, Heu und Stroh, zudem Schweine und Eier, Wein, Gemüse, Honig, Nüsse und Salz, dazu Pfeffer, Kümmel, Weihrauch und Lorbeer. An Rohstoffen passieren Blei, Eisen, Kupfer und Wolle die Tore. Zollfrei bleiben allerdings die Mönche, Kleriker und Ministerialien des Stadtherrn (dominus). (in Hergemöller, S.130)

Nicht aufgeführt ist hier das Grundnahrungsmittel fast aller, nämlich Getreide, welches als Brot unterschiedlicher Qualität und als Getreidemus bei den Ärmeren das Standard-Lebensmittel ist. Butter leisten sich eher die Wohlhabenderen, und nur außerhalb der Fastenzeit, während in Südeuropa Olivenöl etwas gängiger ist.  Dazu gehören die klassischen mitteleuropäischen Gemüsesorten, und wer sich Süßes leisten kann, gewinnt es aus Hönig. Fleisch ist ebenfalls vor allem etwas für die Wohlhabenderen.

 

Für die Herren der Stadt wird diese dabei auch zu einer immer wichtigeren Einnahmequelle, weswegen sie Produktion und Handel fördern, was sich als Zugestehen von immer mehr Rechten, also Freiheiten bzw. Privilegien darstellt.

Die bürgerliche Stadt mit ihren frühkapitalistischen Elementen ist also ein im Kern gemeinsames Produkt des Zusammengehens von adeliger Herrenschicht, Kapital und Arbeit. Als neuartiger Rechtsraum wird sie von dem entstehenden und in der Entstehung bereits geschichteten Bürgertum nachgefragt und dann von den Herren geschaffen.

 

Ein Musterbeispiel für den immer homogeneren Raum der bürgerlichen Stadt als verrechtlichter Wirtschaftsraum ist die Vergabe des Stapelrechtes an die Bürgergemeinde. Da werden die Wirtschaftsinteressen der Stadt gegen die von Händlern anderer Städte gesetzt, die beim Passieren der Stadt dazu gezwungen werden, ihre Waren mehrere, meist drei Tage dort abzulegen, was eine Art Vorkaufsrecht herstellt.

 

In ihren wichtigsten Aspekten sind Städte als damals noch insuläre Gebilde aber zur Gänze vom Lande abhängig: Die bedürfen zumindest der Versorgung mit Nahrungsmittel und Rohstoffen vom Lande, aber auch des Nachschubes an Menschen, denn bis in die Neuzeit hinein kann aufgrund ungesunder Lebensverhältnisse die Einwohnerschaft nicht aus sich heraus erhalten oder gar gesteigert werden, das Land versorgt vielmehr die Stadt immer neu mit Menschen.

Im Mittelalter hängt die Versorgung der Stadt mit Nahrungsmitteln an den Transportmöglichkeiten. Leicht Verderbliches wie Gemüse und Obst kommt aus dem direkten Umfeld, soweit es nicht in der Stadt selbst erzeugt wird. Auch Milch und Butter kommen aus der Nähe. Wegen des großen Transport-Aufwandes bei erheblichem Verbrauch in den nördlicheren Zonen darf auch der Brennholzbedarf nicht aus allzu großen Entfernungen gedeckt werden. Weiter entfernt dürfen die Äcker der Getreideproduktion liegen, insbesondere, wenn dieses auf Flüssen oder über das Meer transportiert werden kann. Dasselbe betrifft die Produktion von Bauholz und von Fleisch und überhaupt von weniger verderblichen Produkten der Viehzucht. Soweit das Idealmodell, das Thünen entworfen hat, welches aber so nur selten Wirklichkeit wurde (Schott, S.65ff)

 

 

Die Versorgung mit Holz und Getreide sind für den Vorgang der Verstädterung im europäischen Mittelalter elementar, und beide führen zur großflächtigen Verwandlung von Naturland in kultivierte Flächen. Ohne Bauholz gäbe es keine mittelalterlichen Städte, denn die meisten Wohnhäuser sind im wesentlichen aus Holz und deshalb aus dem hohen Mittelalter heute auch nicht mehr erhalten. Aber selbst die wenigen Gebäude aus Stein haben einen stattlichen Holzbedarf für das Dach und seine häufige Bedeckung mit Holzschindeln. Schließlich wird auch sehr viel Bauholz für den immer häufiger werdenden Brückenbau verwendet.

Vom Holz als Rohstoff hängt auch ein Großteil der städtischen Handwerke ab. Eiche brauchen die Wagner, Buchsbaum die Drechsler, viele Holzarten die Tischler und Schreiner. Dazu kommt der große Bedarf der Küfer, denn in Fässern werden zahlreiche Waren transportiert und aufbewahrt. In Hafenstädten werden große Mengen für den Schiffsbau verwendet. Gerber verwenden die Baumrinde von Eichen für ihre Lohe und die Herstellung von Teer bedingt einen hohen Brennstoffbedarf. Überhaupt ist Brennholz massenhaft erforderlich für Kochen, Heizen, die Produktion von Salz und Teer.

Dort, wo es stadtnahen Wald gibt, sammelt man Beeren, Pilze und Kräuter, hält Bienen für den wichtigen Honig als einzigen Süßstoff des Mittelalters und jagt, wenn das auch für die meisten Städter inzwischen illegal geworden ist. Der Laubwald dient zudem als Viehweide auch des städtischen Viehs.

 

Otto von Freising schreibt Mitte des 12. Jahrhunderts über den Freisinger Berg: Er war um zu jener Zeit noch ganz von Wäldern umgeben (silvis circumseptus) und soll gewissermaßen ein Hochsitz der Jäger gewesen sein. Von diesen Wäldern finden sich heute in den Mooren in der Ebene Spuren, nämlich alte Baumstümpfe, und noch jetzt (usque hodie) gibt es dort eine Menge Hirsche und Geißen. Auf der Nordseite aber ist noch heute (adhuc) ein ausgedehnter Wald (silva non mediocris) übriggeblieben, im Volksmund Forst genannt (forestus), der der Stadt durch das Bau- und Brennholz von großen Nutzen (plurimum utilis) ist. (Otto, Chronica S.412) Wie man sehen kann ist die Erinnerung an einst weithin bewaldete deutsche Lande damals noch vorhanden, gepaart mit der Vorstellung von der Nützlichkeit erhaltener Waldgebiete.

 

Die durch die Erweiterung von Ackerbau und Viehzucht bereits im hohen Mittelalter massiv schrumpfenden Waldflächen sind Herrenland, viele Städte erhalten allerdings Nutzungsrechte an Stadt- oder Ratswald, wie er dann heißt. Für Hagenau beispielsweise ist das Nutzungsrecht im Forst in der Urkunde von Frtiedrich Barbarossa von 1164 beschrieben: Die Bürger dürfen daraus ihren Eigenbedarf an Bau- und Brennholz decken und ihr Vieh unter Aufsicht eines Hirten dort weiden lassen.

 

In solchen stadtnahen Wäldern wird der Stamm oft in Mannshöhe erst gefällt, worauf die Baumstümpfe Schößlinge dünnere und gebogene Schößlinge austreiben, die wiederum genutzt werden. Dadurch verschwinden viele Buchenwälder, die das nicht vertragen (Schott, S.70).

 

Wichtigste Voraussetzung für jede Siedlung und insbesondere für Städte ist das Vorhandensein von genug Wasser. Wo mehr Menschen zusammen leben, sind Fließgewässer durch Verunreinigung oder durch Trübheit unbrauchbar. Es reicht dann nur noch für das unabdingbare Löschwasser. Also legt man Brunnen an, die entweder Regenwasser oder Grundwasser sammeln, was aber durch dessen Verschmutzung im Stadtbereich wiederum gefährlich wird, und die als Ziehbrunnen diesen, mit Holz oder - wo dafür Geld da ist - mit Stein ausgekleidet. Solche Brunnen sind mehr oder weniger undicht, müssen aber unterhalten werden, was Nachbarschaften zu Brunnengemeinschaften zusammen fügt. Basel wird um 1400 40 öffentliche Brunnen haben, aber auch schon 22 private. Nürnberg kommt ein halbes Jahrhundert später auf 99. (SchubertAlltag, S.153)

 

Früheste Wasserleitungen von außerhalb bauen Klöster. Schon im 12. Jahrhundert treiben die Salzburger Abtei St.Peter und das Domstift den Almkanal für die Trinkwasserversorgung durch den Berg.

 

Die Wasserverschmutzung wird schon früh ein Thema, das unter anderen auf Färber und Gerber, aber überhaupt auf viele Handwerke zurückzuführen ist. Selbst der Bergbau ist beteiligt:

"Die in mehreren Armen Goslar durchfließende Gose war durch den Rammelsberger Bergbau bereits um 1200 so sehr belastet, dass die Bürger einen Kanal oberhalb des Rammelsberges gruben, um sauberes Wasser der Gose in ihre Stadt zu leiten." (SchubertAlltag, S.149)

 

Etwa so wichtig wie mit Holz und Wasser ist die Versorgung der Städte mit Getreide, dem mittelalterlichen Grundnahrungsmittel, welches zu Brot, Brei oder Bier verarbeitet wird und dabei rund zwei Drittel des menschlichen Kalorienbedarfs deckt. Das direkte Umland über eine Tagesreise oder 30 km hinaus kann die Getreideversorgung nur herstellen, wenn Wasserwege zur Verfügung stehen, da der Landtransport ansonsten mehr mehr Kalorienverbrauch beim Zugvieh bedeutet als Kalorien transportiert werden. In den Grafschaften rund um London werden so rund drei Viertel der Anbaufläche für Getreide verbraucht. Auch Köln kann sich von seinem fruchtbaren Umland selbst versorgen, während Nürnberg mit schlechteren Böden dafür größere Entfernungen in Kauf nehmen muss.

Zweites Grundnahrungsmittel ist das Fleisch. Im hohen Mittelalter besitzen noch nicht wenige Stadtbewohner Vieh, welches gelegentlich auch von städtischen Viehhirten auf Weiden außerhalb der Mauern geführt wird. Die Bürger dürfen am Schlachttag im Herbst selbst schlachten, und zwar dann auch extra dafür gekauftes Vieh. Städtische Behörden beginnen, das Aufkaufen von Vieh auswärts mit Krediten zu unterstützen. Je größer die Stadt, desto eher wird auch Vieh aus entfernteren Regionen auf Viehmärkte der Städte getrieben, um dort verkauft zu werden.

 

Die wichtigsten Gewerbe einer Stadt, nicht unbedingt für die Bewegungen des Kapitals, aber für den Erhalt der Städte überhaupt, haben mit der Ernährung zu tun. Das sind zunächst einmal die Händler für Getreide, Obst und Gemüse, für Milchprodukte, Honig, Geflügel und Salz. Christopher Dyer zählt für Winchester um 1300 acht Müller für das Mahlen von Getreide und Malz auf, zwölf Bäcker, sechzig Brauer, elf Metzger und sieben Fischhändler. Mit ihren Familien hängen so alleine rund 500 Leute an der Herstelluing und dem Verkauf von Nahrungsmitteln.

Kapitalisiert ist bereits auch der gewerbliche Fischfang, wie der von Heringen bei Yarmouth mit der Investition in ein kleines Schiff (von bis zu 30 Pfund um 1300), in die sich manchmal mehrere Kapitaleigner teilen, und in eine Mannschaft von vielleicht fünf eher gering bezahlten Leuten. Dazu kommen dann manchmal noch geringer bezahlte Räuchererin ihren Räucherkammern und Lohnarbeit, die sie einsalzt und für den Markt verpackt.

 

Zweiter wichtiger Gewerbezweig ist die Tuchproduktion, oft nicht die hochwertiger Tuche für den Fernhandel, sondern der von Tuchen für den alltäglichen Gebrauch der überwiegend ärmeren städtischen Bevölkerung vor Ort, oft ungefärbt oder aber in grauen und rostbraunen Farben.. Eine Art kleine Elite dabei bilden die Weber, die als erste in Zünften oder in England in Gilden organisiert sind, während die Masse der Leute mit Spinnen (oft auf dem Lande), mit Kämmen, Kardieren und ähnlichem bei niedrigerem Einkommen beschäftigt sind.

 

Webstühle und die Wannen und Bottiche der Färber verlangen in Ankauf und Reparatur bereits so etwas wie ein gewisses Kapital, Gerber viel Platz für langgestreckte Gruben, mit Bauholz ausgebaut und brauchen ständig Kapital für die Rohhäute und für Eichenrinde, aus der die Gerberlohe hergestellt wird. Das gilt ebenso für Eisenschmieden, Schmelzöfen für Zinn, spezielle Öfen für Blei. Gewerbe, die daraus Metallgefäße herstellen, benötigen bereits mehr als zwei, drei Arbeitskräfte wie in einem üblichen Handwerksbetrieb (Dyer, S.204)

 

Richtig reich wird man durch massenhafte Vermietung und Verpachtung, aber vor allem durch Handel und Finanzen. Händler von Qualitätswolle zum Beispiel können um die 20% Nettogewinn machen, noch größere Gewinne gibt es bei hochadeligen, insbesondere fürstlichen und königlichen Höfen, wenn sie mit Luxuswaren beliefert werden, von Gewürzhändlern, Kaufleuten die Seide und Brokattuche bieten oder Goldschmiede mit ihrem Zierrat. Kaufleute bilden denn auch die bürgerliche Oberschicht, die die zunehmende Selbstverwaltung in den Städten betreibt.

Reichtum gibt es auch beim obligaten Geldwechseln, bei Krediten an Händler und Magnaten (siehe Kap. Macht und Kapital...)

 

Die Stadt wird primär ein Warenproduzent, aber als solcher wird sie in zunehmendem Maße auch zum Abfallproduzent. Der Bischof von Straßburg bestimmt irgendwann nach 1129 bereits: Niemand soll Unrat oder Kot vor sein Haus werfen, sofern er diesen nicht sofort beseitigen wil (in Hergemöller, S.177). Damit ist noch kaum das gemeint, was heute in der BRD "Wertstoffe" heißt, denn diese werden nach Möglichkeit wiederverwendet, sondern die Fäkalien von Mensch und Tier und in geringem Umfang Abfälle aus Haushalt und Gewerbe. Was hingegen wiederverwendet werden kann, wird entweder geflickt und weiterverwendet, oder aber Wertstoffe wie Metalle werden eingeschmolzen. Die Wegwerfwelt als Müllwelt ist eine des 20. Jahrhunderts, denn vorher sind Rohstoffe Wertsachen, da die menschliche Arbeit, die sie zu Produkten veredelt, vergleichsweise billig ist, Rohstoffe aber eher teuer sind.

 

Zur Kontrolle der städtischen Versorgung mit Nahrung, Rohstoffen und Halbfabrikaten machen die größeren Städte nicht nur in Italien, sondern auch in der Südhälfte der der deutschen Lande ihr Umland zu ihrem Einflussgebiet. So erreichen viele die Durchsetzung eines Marktbannes in einer Entfernung von einer Meile (7,4 km) oder von zweien, große und mächtige Städte wie Augsburg von bis zu 10 Meilen. Orte in diesem Raum dürfen keine eigenen Märkte einrichten und abhalten und werden so von den Städten abhängig.

Ein nächster Schritt ist der Ankauf von Land durch städtische Bürger zur eigenen Versorgung oder als Kapitalanlage, und dann auch, um sich einer adeligen Lebensweise anzunähern (siege Großkapitel 'Die Stadt im Norden'). Schließlich kommt dann dazu die Verleihung des Bürgerrechtes an Umlandbewohner, die so zu "Pfahlbürgern" werden. Schließlich wird dann vor allem im späten Mittelalter von der Stadt als Gemeinde Land aufgekauft und mit der Gerichtshoheit verbunden. Solches Land sichert dann direkter die Nahrungsmittel-Versorgung der Stadt in ihren Mauern. Zudem gibt es eine direktere Verbindung zum Nachschub an Menschen von außen, ohne den mittelalterliche Städte nicht überleben konnten.

Bürgerliches Wirtschaften auf dem Lande verändert dieses im Umland der Städte, wird markt- und gewinnorientierter, innovativer eben.

 

Proletarisierung in der Stadt

 

Reich und arm definieren sich immer in Beziehung zueinander und Reichtum ist ohne Armut nicht möglich, beide sind aufeinander bezogen. Hier soll es aber um jenen Besitz gehen, der wirtschaftliche Selbständigkeit ermöglicht, im engeren Sinne um Kapital, und demgegenüber um jene Besitzlosigkeit, die wirtschaftliche Abhängigkeit als Unselbständigkeit bedeutet. Letzere sollen hier als Proletariat bezeichnet werden, ein durchaus problematischer Begriff, der aus lateinischen Ursprüngen im 19. Jahrhundert vor allem in England gebildet wird und das damalige Industrieproletariat meint, welches dann Marx für seine Geschichtsdeutung missbraucht.

Proles sind die lateinischen Nachkommen, und Proletarier sind dann die Leute, die jenseits ihrer Kinder nichts besitzen, was ihnen wirtschaftliche Selbständigkeit ermöglicht.

 

 

Ein frühes Proletariat als besitzarmes Massenphänomen lässt sich schon in frühen Zivilisationen teils vermuten, teils erkennen. Es gehört zum Wesen antiker Großstädte und nicht nur der Millionenstadt Rom. Es schwindet in den Nachfolgeherrschaften in dem Maße, indem die landbewirtschaftende und handwerkende Bevölkerung in durch Rechtsvorstellungen abgestützte persönliche Abhängigkeiten von Herren gerät. Da die Realität von Eigentum bis dann hinein in feudale Strukturen etwas verschwimmt, fällt es vor allem auf dem Lande schwer, Proletariat als jene Leute zu definieren, die sich nicht von ihrem Eigentum ernähren können.

Aber in den wenigen Texten bis tief ins 11. Jahrhundert hinein taucht immer wieder ein offenbar sich herrenlos gerierender städtischer oder ländlicher „Pöbel“ auf, der dort erwähnt wird, wo er die herrschende Ordnung stört. Mit ihm nicht identisch, aber sich wohl überlappend gibt es eine städtische wie auch ländliche Armut, der sich Kirche und Kloster annehmen, wie immer wieder erwähnt wird.

 

Proletariat soll hier wie in der Antike die Menschen bezeichnen, die eher herrenlos und zugleich ohne Besitz bzw. Kapital sind, das sie hinreichend ernähren könnte. Sie sind also auf Almosen und/oder Lohnarbeit angewiesen. Ohne im Einzelnen allzu ausführlich durch Quellen darüber informiert zu sein, kann man doch annehmen, dass jene Ansätze zu bürgerlichen Freiheiten, die Bauern und Städter von persönlichen Dienstleistungen lösen und die Beziehungen zwischen Menschen auf einen Markt mit seiner Geldwirtschaft orientieren, die Ursache für ein breiteres solches Proletariat darstellen.

 

Proletarisierung zwischen dem 10. und 13. Jahrhundert hat natürlich zunächst einmal in hohem Maße mit der erheblichen Bevölkerungsvermehrung zu tun und der Endlichkeit des Vorrates an nutzbarem Land.

 

Einleitend sei zum Schluss noch festgestellt, dass Proletarisierung ein Vorgang ist, der auch mit Kapitalkonzentration zu tun haben kann: Je mehr einzusetzendes Kapital nötig ist, um eine zur Investition anreizende hinreichende Rendite zu erzielen, desto weniger Menschen werden in der Lage sein, eine selbständige, auf Kapital gegründete Existenz zu führen. Damit ist auch deutlich, dass Proletariat nicht nur absolute, sondern auch relative Armut umfasst, also auch die Existenzen, die sich durch Lohnarbeit ein annehmliches Leben verschaffen können. Wer also zum Beispiel bei einem mittelalterlichen Fürsten oder Großkapitalisten angestellt ist, kann es durch abhängige Arbeit sogar zu erheblichem Wohlstand bringen und sich am Ende sogar selbstständig machen.

 

In diesem Sinne findet bis heute im Kapitalismus eine stetige Entwicklung der Proletarisierung statt, die in den Ländern großen Wohlstandes inzwischen fast alle erfasst, nachdem kleine Selbständigkeit immer vollständiger vom Markt gefegt wird. Damit lässt sich denn auch sagen, dass die allumfassende Untertänigkeit in den modernen Demokratien mit allumfassender Unselbständigkeit im ökonomischen Bereich korrelliert. Unter den derzeitigen Bedingungen eines alles durchsetzenden Konsumismus und der fast kompletten Kommmerzialisierung des Alltags verliert das Wort allerdings dann seine ursprüngliche Bedeutung: Wer nicht einmal mehr Kinder hat, sondern nur noch Geld aus Unselbständigkeit und für den Konsum, ist letztlich nicht einmal mehr Prolet, sondern nur noch schiere Funktion als Agent von Kapital.

 

Bürger sind seit der Entstehung des Wortes nichtadelige Leute, die wirtschaftliche Selbständigkeit vorweisen können, also vor allem Händler, Finanziers und Handwerker. Zusammen mit jenen Vertretern freier Berufe, die ebenfalls für bürgerlich gehalten wurden, machen sie beim Übergang vom hohen zum späten Mittelalter nur knapp die Hälfte der städtischen Bevölkerung aus. Unter dieser später immer öfter zur Minderheit werdenden Gruppe sind die politischen Rechte sehr unterschiedlich verteilt. Die aktive Teilhabe an der politischen Macht liegt bei nur wenigen unter ihnen, im wesentlichen ist sie, soweit überhaupt, beim größeren Handels- und Finanzkapital angesiedelt.

 

Gut die Hälfte der städtischen Bevölkerung kann sich (bei durchweg geschätzten und erschlossenen Zahlen) durch das Mittelalter von dem, was sie besitzt, nicht ernähren. Dazu gehört zunächst einmal die große Masse derer, die vom Land und die Stadt ziehen und als Haushaltshilfen und Gelegenheitsarbeiter anfangen.

 

Unselbständig sind die für Lohn abhängig Arbeitenden in Handel und Finanzen, das sind im Handwerk die Gesellen und Lehrlinge, und soweit werden sie zum großen Teil noch wenigstens für ehrbar gehalten. Das sind dann auch die Dienstboten, insbesondere die „Mägde“, die immerhin noch festangestellt sind, und von denen aus den Kopfsteuerlisten des englischen 14. Jahrhunderts feststellbar wird, dass es sich um 20-30% der städtischen Bevölkerung handelt. Sie wohnen oft im Haus ihrer "Herrschaften".

Dann kommt dazu die zunehmende Gruppe derjenigen, die wöchentlich oder täglich um Lohnarbeit nachsuchen müssen und sich manchmal morgens an festen Plätzen in der Stadt aufhalten, von wo sie für Arbeiten gedungen werden. Dann gibt es da Wasserträger, Müllabführer, die auftauchen, sobald Müllhalden außerhalb der Städte entstehen. Beim Bauen kommen auf einen gelernten Handwerker wenigstens zwei ungelernte Arbeiter.

Ganz wichtig sind auch die Lastenträger und dann auch die Leute, die an Häfen oder auf Baustellen Treträder bwegen

Ganz unten sind die, die um Almosen nachzusuchen gezwungen sind und die Prostituierten, oft Arbeitskräfte eines Lizenzinhabers. Daneben gibt es jene Festangestellten, deren Berufe für unehrlich gelten, wie der des Henkers, die zwar ihren Mann ernähren, aber ihm keine bürgerliche Stellung geben.

 

Festangestellte Unterschicht (Gesellen, Dienstpersonal, Lohnarbeit) wurde gemeinhin auch unter dem Wort Knechte zusammengefasst. Für das 15. Jahrhundert wird angenommen, dass diese Gruppe ein Viertel aller „Erwerbstätigen“ umfasst. Dabei wird geschätzt, dass es etwa so viele Gesellen wie Meister gibt.

 

Der Sonderstatus der Gesellen (wie der Lehrknechte) bestand darin, dass sie in den Meisterhaushalt integriert sind. Deshalb verbieten die meisten Zünfte ihnen auch die Ehe. In manchen Branchen gibt es allerdings die Möglichkeit, nach einer Weile die Familie des Meisters ohne Meisterschaft zu verlassen und sich selbständig zu machen. Das ideale Ziel ist allerdings der Meistertitel und die Möglichkeit, einen selbständigen Betrieb aufzumachen. Die Hürden dafür werden aber im Verlauf des späten Mittelalters von Zünften und Räten immer höher gesetzt, so dass es immer mehr lebenslange Gesellen gibt.

 

Schließlich muss man das Geld für ein immer aufwendigeres Meisterstück aufbringen, ein kostpieliges Zunftessen ausrichten, eigene Rüstung vorweisen, schließlich auch eigenes Vermögen. Wo sollte das aber herkommen, wenn es nicht ererbt wurde?

 

Gesellen (bis gegen Ende des Mittelalters "Knechte") leisten zünftige Lohnarbeit, wie auch Leute, die im Tuchgewerbe oder auf dem Bau arbeiten. Nichtzünftige Lohnarbeit wird erst, seitdem es städtische Steuerlisten gibt, haushaltsweise erfasst, denn im Unterschied zu der im Haushalt eines Meisters eingebundenen Arbeitskraft sind Tagelöhner und Facharbeiter in der Regel verheiratet, besitzen also einen eigenen Haushalt und wohnen in ausgesprochen ärmeren Vierteln. Sie rekrutieren sich nicht zuletzt aus dem Zuzug von Menschen aus dem Umland, die weiter in die Städte strömen und oft mehrere Generationen brauchen, um aufzusteigen, - falls überhaupt.

 

 

Städte in Frankreich

 

In den 1120er Jahren beginnt der französische König mit der Befreiung der Bürger von Abgaben.

 

1111, als Ludwig VI. in Melun abwesend isrt, erobert der mächtige hohe Adelige Robert von Beaumont, Graf von Meulan, von seinen Besitzungen am rechten Seineufer aus die zentrale Seineinsel und plündert die königliche Pfalz. Er wird von den Insel-Städtern dann aber wieder vetrieben. In der Folge wird die Île de la Cité und insbesondere die Pfalz zur Festung ausgebaut, letztere wird mit einem kaum einnehmbaren Donjon versehen, der dann bald auch den königlichen Schatz aufnimmt.

Im selben Jahr sind die alten hölzernen Römerbrücken dem Feuer zum Opfer gefallen und werden nun in Stein wieder aufgebaut. Die Enden der Brücken werden mit Turmburgen (châtelets) gesichert. Im grand châtelet hat der Prévot des Königs seinen Sitz.

 

Wie Suger von St.Denis in seiner 'Vita Ludovicis' beschreibt, bleibt es aber bis in die Anfänge des 12. Jahrhunderts gefährlich, auf dem Land- oder Flussweg Paris zu verlassen. Burgherren als Raubritter überfallen Kaufleute und verbringen deren Waren auf ihre festen Plätze. Das ist auch eine Reaktion auf die steigende Königsmacht, deren oberstes Ziel es andererseits ist, seine Einkünfte durch Schutz des Handels als königlichem Frieden zu steigern. Dafür muss der König nach und nach die Burgen der Île de France erobern.

 

Seit spätestens Robert II. beginnt der Ausbau einer kirchlichen Infrastruktur in Paris. Unter Ludwig VII. kommen zur schon bestehenden Palastkapelle noch zwei weitere dazu.

 

Mit Henri I. und seiner Gründung von St.Martin des Champs beginnt die dokumentierte Urbanisierung ländlicher Gebiete mit ihren Sümpfen. Ludwig VI. führt das fort mit der Gründung eines neuen Marktes an der Straße nach St.Denis. In einem Dokument seines Sohnes Ludwig VII. heißt es dazu von terra, que est in Capeaus, in quo pater meus stabilivit novum forum, ubi habent locum venditores mercium et pars cambiatorum. (in: Sohn, S.113) Merx ist die Ware und der cambiator ist der Geldwechsler. Der alte Markt liegt weiter in der Nähe des Seinehafens, also wesentlich zentraler. Daneben entstehen Straßen spezialisierter Handwerke mit ihren Märkten wie dem Fischmarkt und dem Fleischmarkt, letzterer bei St-Jacques de la Boucherie.

 

Als Finanzplatz steigt Paris erst in dem Maße auf, in dem die Champagnemessen an Bedeutung verlieren. Im Zuge dieser Entwicklung siedeln sich dann ilalienische Kaufleute und Bankiers an, die sogenannten Lombarden, die vor allem nahe bei den "Hallen" sich in einem eigenen kleinen Viertel niederlassen. Nach und nach werden sie dann Finanziers und Bankiers der Krone.

 

Jenseits von Markt und Messe sollen die Geldwechsler aber laut königlicher Anordnung um 1140 auf der großen steinernen Brücke in der Nähe seines Palastes ihre Buden haben. Im 13. Jahrhundert werden sie sich die Brücke dann mit den Goldschmieden teilen.

 

Die französischen Könige ebenso wie einige deutsche Fürsten, insbesondere Heinrich ("der Löwe"), betreiben also schon früh bewusste Wirtschaftsförderung als wesentlichen Teil ihrer Herrschaftsausübung. Um 1170 privilegiert die Kaufleute der Pariser Hanse (Parisiensis aque mercator) mit dem Monopol des Transportes zwischen Mantes und Paris. 1192 wird Philipp II. bestimmen, dass nur ehrenwerte Pariser den auf der Seine transportierten Wein abladen dürfen. Immerhin müssen alle Schiffe je nach Ladung (Getreide, Wein, Heu, Holz usw.) an den König nicht unbedeutende Abgaben zahlen.

 

 

Schon im Verlauf des 12. Jahrhunderts lässt die Reisetätigkeit der französischen Könige nach und sie halten sich immer öfter und länger in Paris auf. Die traditionellen Hofämter als Ehrenämter entwickeln sich zu festen Behörden als Herrschaftsinstrumente weiter. Sie sind entweder im palatium, der Residenz auf der Seine-Insel oder in deren Nähe angesiedelt und erhöhen die Nachfrage insbesondere nach Luxusgütern.

Die Hauptstadt wird mittels eines praepositus (prévot) direkt durch den König regiert. Der Prévot übt für den König dessen Verwaltungs, - Richter, - und Polizeifunktionen aus.

 

Mit den längeren Aufenthalten in der Stadt wächst auch die Bedeutung des Bischofs als Partner des Königs. Einige dieser Bischöfe sind nun Koryphäen aktueller Gelehrsamkeit wie Petrus Lombardus aus Norditalien, der seit 1145 an der Kathedralschule unterrichtet, erst Archidiakon und dann 1159-60 Bischof wird.

Der Bischof hat im Dombezirk seinen eigenen domus episcopi, und das rund fünfzig Herren umfassende Domkapitel besitzt dort für die meisten Angehörigen eigene Häuser. Zur Kathedrale kommt die Taufkapelle, eine Kirche für die Kleriker und ein Hospiz. 

Ab 1163 wird ein der Gottesmutter Maria geweihter Neubau im gotischen Stil begonnen, der ähnlich wie der alte Bau zur Merowingerzeit die übrigen Kirchen im Reich an Größe und Zierrat übertreffen soll. Parallel dazu werden auch der Bischofspalast und das Hospiz (Hôtel de Dieu) neugebaut. Zwar ist das Bistum Sens untergeordnet, aber die repräsentativen Neubauten sollen die Partnerschaft mit dem auf der anderen Seite der Insel residierenden König ausdrücken.

 

Für Paris wachsen mit der neuen Stadtmauer unter Philipp II. August, die auf das linke Seineufer übergreift, ville, cité und université zusammen und das große Paris des späten Mittelalters deutet sich bereits an. Die so geschützte Stadtfläche beträgt nun mehr als 250 Hektar. (Sohn, S.91) Gegen normannische oder englische Angriffe wird an der Seine eine weitere Festung erbaut, die später Louvre heißen wird.

 

 

Der König übt weiter über seine prévots die direkte Stadtherrschaft aus. Den Neuen Markt fördert er 1181, indem er die Messe Sancti Lazari dorthin verlegt, was er sich jährliche 300 Pariser Pfund an das Leprosorium als Ausgleich kosten lässt. 1183 fördert er den Bau von duas magnas domos, quas vulgas halas vocat, eingeschossige ummauerte Markthallen, die späteren les halles. Sie werden dann zweistöckig, enthalten 128 Laden, die noch unterteilt werden können. An drei Tagen der Woche müssen die Pariser Kaufleute ihre Läden schließen und dürfen ihre Waren nur noch auf dem Markt des Königs feilbieten.

 

Wohl auch durch den Dreck und Gestank auf den Straßen verärgert, verlangt Philipp II. vom Provost und den Bürgern, quod omnes vici et vie totius civitatis Parisii duris et fortibus lapidibus sternerentur. (in: Sohn, S.115) Gepflastert werden sollen aber wohl zunächst nur die Hauptstraßen in der Nähe seines Palastes.

 

Das linke Ufer, außerhalb der bischöflichen Gerichtsbarkeit, ist bis tief ins 12. Jahrhundert nur locker besiedelt von vielleicht 1000 Menschen insgesamt. Hier wachsen Saint Germain und der Bourg von Sainte Geneviève nicht zuletzt durch den Zuwachs von Scholaren an, denen dann offenbar noch die Prostitution folgt, die bei Jakob von Vitry (Historia occidentalis) erwähnen wird.

 

Im 12. Jahrhundert wird das linke Seineufer und der Dombezirk der Insel immer mehr von Schulen geprägt, deren Studenten von kirchlicher Gerichtsbarkeit kontrolliert werden und deren Lehrende ihre licentia docendi vom Kanzler des Domkapitels erhalten. Als die Schulen sich dann größtenteils zur Universität zusammenschließen, nimmt der prägende Charakter des hohen Schulwesens auf die Stadt noch weiter zu. "Gegen Ende der Herrschaft Philipps II. mögen einige tausend Studenten in Paris gelebt haben." (Sohn, S.170) Das bedeutet Bauten, Zimmervermietungen, Tavernen und für den, der es sich leisten kann, Prostitution.

Aber auch ansonsten wird die Universität zum Wirtschaftsfaktor. Pergamenthersteller, Schreiber, Kopisten, Buchbinder und Buchhändler entfalten florierende Gewerbe.

 

Unter dem heiligen Ludwig schließlich ist Paris eine durch und durch königliche Stadt, in der die Krone durch Étienne de Boileau mit dem 'Livre des métiers' die Satzungen und Bräuche der Kaufleute so festschreibt, dass der Prévôté von Paris im Châtelet die Kontrolle über deren Arbeit und Geschäfte möglich ist. Immerhin werden die Zünfte mit Privilegien versehen, zunächst 1162 die Fleischerzunft.

Die großen Kaufleute, mercatores aquae, haben ihren eigenen prévot des marchands, wie er in späterem Französisch heißen wird. Ihm zur Seite stehen Schöffen. Eine Selbstverwaltung des großen Kapitals werden sie nicht erreichen.

 

****

 

Laon:

1128 befreit Ludwig VI. nach längeren Auseinandersetzungen die Bürger in einer Freiheits-Carta von der Todfallabgabe. Es bleibt nur der Kopfzins und die bischöfliche Gerichtsbarkeit über die Bürger.

 

Kleine ritterliche miles mit Landbesitz um die Stadt sind in derselben Familie anzutreffen wie cives ohne militärische Funktion (Saint-Denis in Hartmann (Hrsg), S. 111ff). Cives als Elite des späteren 12. Jahrhunderts besitzen ein großes steinernes Stadthaus auf großem Grundstück und viel Grundbesitz außerhalb im ganzen Laonnais. Sie sind über die Nähe zum Bischof und zum Adel aufgestiegen und betreiben neben der Rendite aus dem Land (Wein, Getreide) und von städtischen Immobilien Handel. Gemeinsame Firmen der cives, milites und Kanoniker bauen und bewirtschaften Mühlen als Renditeobjekt. Einzelne große Kapitalisten spekulieren mit Land und kaufen von der Pleite bedrohte Güter zum Beispiel von Rittern auf.

 

Der Markt von Laon dient dem Handel mit der im Laonnais von den cives abgeschöpften landwirtschaftlichen Produktion. Teile des Kapitals gehen auch direkt in die Finanzwirtschaft (Darlehen, Kredite). Spekulanten leihen sich Häuser von Abteien in der Stadt gegen Zins und vermieten sie teurer. Es gibt relativ wenig Handwerk, und nur Luxusproduzenten reichen in die Schicht der cives hinein.

Ab 1240 kommt es zum Niedergang der Stadt durch Erbteilung des Grundbesitzes, Niedergang des Handels und der Bedeutung der Stadt für den König.

 

 

Im weiteren 12. Jahrhundert dann entwickeln wenige französische Städte wie Tournai und Soissons große Selbständigkeit, während die meisten in der Nordhälfte Freibriefe erhalten, die ihnen durch die Fürsten Rechte gewähren, die der wirtschaftlichen Entwicklung durch Freiheiten dienen, sie aber weiter in den feudalen Machtstrukturen halten und vermeiden, dass es zu aufsässiger Kommunebildung kommt. Vorbild werden die 'Einrichtungen für Rouen', die bei einzelnen Selbstverwaltungsrechten die Regierung durch herzogliche Beamte festlegen. In der Krondomäne werden Städte weiter durch königliche Vögte (später: prévôts) regiert, Paris bekommt nur mit den marchands de l'eau eine Vereinigung mit eigener Handelsgerichtsbarkeit zugestanden.

 

Nach 1128/1137 beginnt die langsame Aufhebung der Todfallabgabe, aber Bischöfe und Kathedralkapitel bekämpfen die Gemeindebildung durch das Jahrhundert. 1180 erklärt Philippe II. ("Auguste") die Einwohner der Stadt Orléans und fast der ganzen Diözese für frei vom iugum servitutis, dem Joch der Knechtschaft (Schulz(2), S.59). Bis 1250 haben sich dann ganze Gemeinden freigekauft, die allerdings dann weiter jährliche Zahlungen leisten müssen.

 

Zünfte werden vom König und den Fürsten privilegiert, 1162 die wichtigen Fleischer von Paris durch Ludwig VII., 1181 Maurer, Zimmerleute, Fischhändler, Fleischer und Holzhändler von Toulouse durch Graf Raimund V.

Mit der Befreiung der Bürger von grundherrlichen Belastungen nimmt aber auch der königliche Druck auf die Städte zu, die im 13. Jahrhundert dann zunehmend königlichen Prévôts unterstellt werden. Bürgerliche Freiheiten werden nicht durch politische wenigstens für die städtische Oberschicht ergänzt.  

 

Die Städte wachsen im 12. Jahrhundert wie überall, und dominieren mit ihren Privilegien das Land drumherum. Die Handwerke diversifizieren sich, das Textilgewerbe steigt auf und die Zünfte gewinnen an Bedeutung. Die Macht gerät in die Hände einer neuen Oberschicht, in der Stadtadel und Handelsherren miteinander verschmelzen.

 

Mit den fabliaux, dem Roman de renart und mit Ruteboeuf  entsteht in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts eine neuartige satirische Literatur, die entweder vom bürgerlichen Standpunkt aus über Klerus und Bauern herzieht und auf jeden Fall eine neue Art des Moralisierens in die Welt setzt.

 

England

 

Im 12. Jahrhundert setzt sich bei steigendem Wohlstand in den größeren Städten zunehmende Privilegierung durch die Könige durch, die zum Beispiel Zollfreiheit im Königreich bedeutet oder die Befreiung der Bürger von anderem als dem städtischen Gericht. Solche Privilegiensammlungen, municipal charters, schaffen chartered boroughs. Während seiner Regierung von 1154 bis 1189 verleiht zum Beispiel Henry II fast 50 solcher charters.

Wichtigstes städtisches Recht wird dabei besonders gegen Ende des Jahrhunderts die eigenständige Eintreibung der regulären Abgabe an den König, die farm, und dann damit verbunden das Recht der Wahl der Leute, in Northampton provosts, die dafür zuständig sind. Im Verlauf des 13. Jahrhunderts wird die Zahl solcher Städte auf 49 steigen (Carpenter, S.392). Mit diesem Recht wird die Aufgabe der Sheriffs, die die Königsmacht über die Stadt vertreten, deutlich eingeschränkt.

 

Gemeindebildung ist dabei mit dem Begriff commune oder gild merchant verbunden, der eine reiche städtische Oberschicht meint, die auch der Adressat der königlichen charters ist, und der im wesentlichen das Handwerk ausschließt. Diese Gilde-Kaufleute mit Zoll- und Abgabenprivilegien schließen auswärtige Konkurrenz für den größten Teil des Jahres aus. Andererseits kann offenbar jeder mit einem gewissen Einkommen Mitglied werden, so dass sie im Laufe der Zeit als eine gewisse Gemeindevertretung auftreten können und sich so um Mauern, Straßen und Brücken kümmern. In der morganspreche werden die Regeln beschlossen und verkündet. (Fryde in: Schwineköper, S.220f)

 

In London ist für 1130 eine Gilde der Weber dokumentiert, nach der Jahrhundertmitte eine der Bäcker, vermutlich auch der Sattler und Fischhändler. 1141 formiert sich die Stadt als Kommune.

Schon früher gibt es wie in Canterbury eine cnihtengild wohlhabender Landbesitzer im Zusammenhang mit einer Kirche und religiösen Handlungen. (Fryde in: Schwineköper, S.219) Für 1130 sind Handwerker-Vereinigungen auch in Oxford und Winchester belegt.

Mit der Zunahme von auch nicht königlich approbierten Gilden, die als Vertreter der Bürger immer größere rechtliche Freiräume in den Städten suchen, beginnt königliche Gegenwehr. 1179 lässt Henry II. eine Untersuchung darüber anstellen, die alleine in London 18 illegale Gilden entdeckt, die die Einkünfte der Krone einschränken.

 

Mitte des 13. Jahrhunderts brechen dann wie in Oxford Konflikte zwischen geringeren burgesses und den burgess magnates aus, gefördert durch die Krise des Königtums mit ihren Unruhen.

 

London oder genauer Westminster wird im Verlauf des 12. Jahrhunderts zur aufstrebenden Königsstadt, ja Residenzstadt. In den 70er Jahren des 12. Jahrhunderts wandern der Staatsschatz und das Amt des Exchequers hierher und in den 90er Jahren trennt sich hier der Court of the common bench vom Exchequer und wird der oberste (königliche) Gerichtshof. 1245 beginnt der Bau der neuen, gotischen Westminster Abbey als Königskirche und königliche Grablege.

Seitdem London zunehmend Hauptstadtfunktion hat, siedeln sich hier große Herren an oder lassen Dependancen bauen, um so Einfluss auf das Geschehen bei Hof zu bekommen.

Zwischen 1172 und 1202 entsteht auf eine Länge 276 Metern die London Bridge mit ihren 19 Bögen.

 

London wird von königlichen sheriffs verwaltet. Während Richard ("Löwenherz") zum Kreuzzug aufbricht, ist ab 1189 der Normanne Wilhelm Longchamps, Bischof von Ely, zugleich Kanzler in England mit Residenz im Tower, den er zu einer mächtigen Zwingburg ausbaut. Zur Opposition um Bruder John scharen sich die Londoner, die 1191 in zwei großen Versammlungen in St. Paul und vor dem Tower ihre kommunalen Ansprüche formuliert. "Die Kommune setzte Longchamps ab, dem sie vorwarf, die englische Nation beleidigt zu haben und der englischen Sprache nicht mächtig zu sein." (Borgolte, S.114)

In der Folge bildet sich eine communa Lundoniarum, die dann einen mayor aus dem Großbürgertum einsetzt. Wie schon Guibert de Nogent für Laon, so schimpft jetzt auch Richard von Devizes, Mönch in Winchester: Communia est tumor plebis, timor regni, tepor sacerdotii, also ein Krebsgeschwür, ein Schrecken und Ausdruck der Verachtung (Chronicon de rebus gestis Ricardi Primi) .

 

Wie auf dem Kontinent entwickelt sich ein bürgerlicher Verwaltungsapparat mit Urkundenwesen. Zusammen mit anderen Honorationen bilden die aldermen (wohl die Schöffen) die Gruppe der „Barone“, Magnaten, die den proceres Westfranciens entsprechen, und die Macht in der Stadt unter dem König ausüben.

Die Stadt pendelt zwischen Empörung über die Belastungen, die ihnen die Könige für ihre Kriege auf dem Kontinent auferlegen, besonders nach dem Verlust der Normandie, und bürgerlichen Bekundungen begeisterter Untertänigkeit. Zunächst gewinnen die "Bürger" unter Henry I das Recht, ihren Sheriff zu wählen, dann 1215 dürfen die barons unter ihnen auch wieder ihren mayor wählen.

Die Stadt ist seit über hundert Jahren in 24 wards aufgeteilt, und deren führende Bürger wählen einen Alderman auf Lebenszeit aus ihren Reihen, der sie leitet und richterliche Funktionen hat. So ein Alderman ist Fitz Thedmar, dessen Großvater aus Köln kam. Er besitzt eine große Halle, Läden, Häuser, Renten aus Grundbesitz und eine eigene wharf.  Mit seiner Schwester verheiratet ist der Bürgermeister John de Gisors, ein führender Weinhändler.

 

Mit London in den Händen der Opposition, muss König John nachgeben. Als 1215 25 Barone gewählt werden, die die Bestimmungen der (Magna) Carta durchsetzen sollen, ist einer davon der Mayor von London.1253 erklärt der König den Bürgermeister zum Vertreter der Gesamtbürgerschaft der Gemeinde und verringert so den Einfluss der Barone. (Keene in Hartmann (Hrsg), S.153) Im folgenden großen Aufstand des geringeren Bürgertums gegen das Regiment der Aldermen gelingt es vor allem den fishmongers und den cordwainers (die feines Leder aus Cordoba verarbeiten), in die oberen Ränge aufzusteigen, und am Ende des 13. Jahrhunderts werden solche Fisch-Großhändler selbst zu Aldermen.

 

In der zweitwichtigsten englischen Stadt, York, ist der König ebenfalls Oberhaupt und teilt sich ansonsten die Macht mit dem Bischof. Handwerk (insbesondere Tuchproduktion) und Seehandel machen den Reichtum der Bürger aus, die etwa gleichzeitig mit großen deutschen Städten ihr eigenes Stadtsiegel führen (1207), Bürgermeister wählen (1213), die städtischen Ämter besetzen und die Strafgerichtsbarkeit über die Bürger ausüben.

Für Ipswich ist für 1200 ein Stadtrat dikumentiert und für Northampton für 1215.

 

Städte sind im hohen Mittelalter die Summe der ökonomischen Interessen ihrer Oberschicht. Je stärker deren Einfluss auf das Stadtregiment wird, desto deutlicher wird das. 1247/48 lässt Bristol einen Kanal bauen, der es zum zweitwichtigsten Hafen Englands macht. Klar, dass dabei auch etwas für die Mittelschichten und die Lohnarbeit abfällt. Lokalpatriotismus sorgt zugleich dafür, dass die Konkurrenz unter den Städten blüht, so wie die internationale Konkurrenz, die auch Städte gelegentlich bereitwillig Kriege unterstützen lässt.

 

In der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts gründet der schottische König David I. nach englischem Vorbild Märkte und Städte, um den Handel zu fördern. Viele der Neusiedler kommen dabei aus dichtbesiedelten Regionen Kontinentaleuropas wie aus Flandern.