Einnistung von Kapital
Kapitalismus
Waren und ihre Ästhetisierung (Luxus)
Die Rolle der Klöster
Bauhandwerk
Textilproduktion
Bergbau und Metalle
Salz
Der Handwerks-Betrieb
Spezialisierung und Arbeitsteilung
Technik und Maschinen: Einstieg in Industrialisierung
Handel: Konsolidierung und Ausweitung des Raumes
Handelskapital, Markt und Nachfrage (Tiel)
Geld
Geld, Kapital, Zins und Wucher
Finanzkapital
Transportwesen
Einnistung von Kapital: Erklärung des Begriffs
Das Verständnis für das, was Kapital ausmacht, entwickelt sich praktisch über seine Handhabung, theoretisch aber in den kirchlichen Rechtfertigungsstrategien des späten Mittelalters für Zins und
Gewinn, von denen der Wucher als ungerechtfertigt unterschieden wird.
Um 1100 schreibt der Prior Gottfried von Cambrai: Geld (nummus) verkauft sich, macht sich bezahlt, häuft es sich doch von selbst (...) Geld ist die schändliche Verderbnis anständiger
Gesittung (...) Um Geld ertragen wir Mühen und werden uns Arbeiten süß. (in: Dinzelbacher, S.22) Geld wird allerdings, wie hier übersehen, durch Arbeit erst zu Kapital.
Anfang des 15. Jahrhunderts dann erkennt der recht heilige Bernardino de Siena: Geld hat nicht nur das Wesen von Geld; es hat daneben auch einen fruchtbaren Charakter, den wir gemeinhin
Kapital nennen. (in: Spufford, S.34) Kapital zeugt Kapital, und so beginnt dann die Analogisierung von Vorgängen der Natur mit denen der Ökonomie und eine "Vernatürlichung" des Kapitalismus.
Die Nester, in denen im 11. Jahrhundert der Kapitalismus ausgebrütet wird, sind vor allem die sich dafür in eine geeignete Form entwickelnden Städte, und die zwei zentralen Triebkräfte, die ihn
ins Leben rufen, sind die Nachfrage wohlhabender und weiterhin gewalttätiger Herren und das Warenangebot eines zunehmenden und sich in einigen Gegenden aus den Händen dieser Herren
emanzipierenden Handels, der an immer mehr Orten mit Kapitalbildung beginnt.
Als Einnistung in einem weiteren Sinne lässt sich damit auch das begreifen, was Karl Marx in seinem radikalen Schematismus als Geburt des Kapitalismus im Schoße des Feudalismus bezeichnet hatte,
und was man besser als in etwa zeitgleiche Entstehung neuer Machtstrukturen und zunehmendem Aufkommen von Kapital bezeichnen sollte, eben verbunden mit ersten Tendenzen hin zu einer im weitesten
Sinne bürgerlichen Stadt.
Diese Entwicklung lässt sich im 11. Jahrhundert vor allem im nordwestlichen Mittelmeerraum zwischen Venedig, Amalfi, Marseille und Barcelona feststellen, während sie im Raum nördlich der Alpen
zeitlich erheblich hinterher hinkt, und östlich des Rheins noch kaum überhaupt einsetzt.
Die zeitliche Einteilung in halbe oder ganze Jahrhunderte täuscht dabei eine Einheitlichkeit vor, die nur den Zwängen eines Textes geschuldet ist und die sich erst und nur in entfaltetem
Kapitalismus als gemeinsame Gesetzmäßigkeit des Kapitals wird darstellen lassen.
****
Das Land mit den Produzenten in sich langsam wandelnder Abhängigkeit und Untertänigkeit liefert den Reichtum der Herren, der sich auf dem zunehmend freieren Markt in Rüstungs- und Konsumgüter
transformiert. Nicht zuletzt durch Unterdrückung und Gewalt angehäufter Reichtum der Machthaber vermählt sich mit den Versuchen unteradeliger Individuen, alternative Karrieren zu denen von
privilegierten Kriegern und zugleich adeligen Rentenbeziehern zu entwickeln, möglichst ohne Gewalttätigkeit und mit zunehmend unternehmerischem Elan. Dabei sind die, welche mit Handel und
Geldgeschäften zu prosperieren beginnen, zum Teil in jenen Zwischenschichten zwischen Adel und "einfachem Volk" angesiedelt, die wir als Ministerialen bezeichnen, und im nordwestlichen
Mittelmeerraum beteiligen sich daran auch viele stattsässige Adelige.
Neben beweglicherem gibt es auch immobiles Kapital, sofern Land und Gebäude auf den Markt kommen, kapitalisiert werden, oder aber wie die Mieten von Häusern Gewinn abwerfen. Aber das ist, wenn
auch immer häufiger, ein Randphänomen eines entstehenden (Früh)Kapitalismus.
Soweit das erheblich schematisierende Grundmodell, welches erst durch die Darstellung einer vielfältig differenzierten Wirklichkeit Qualität bekommt. Für das 11. Jahrhundert lässt es sich auf den
nordwestlichen Mittelmeerraum zwischen der italienischen Halbinsel und Katalonien konzentrieren, darüber hinaus in geringerem Maße auf wenige Regionen nördlich davon: vor allem auf Bischofsstädte
am Rhein, auf Flandern und wenige Gegenden des nördlichen (zukünftigen) Frankreichs.
Kapitalbildung selbst gibt es darüber hinaus in dem ganzen Großraum, der außerhalb dieser europäischen Gebiete auch den noch islamischen Süden der iberischen Halbinsel, Teile der Nordhälfte
Afrikas, den islamischen Orient und Teile Asiens bis nach China betrifft. Die nun zunehmenden Handelsbeziehungen dahin werden die Entstehung von Kapitalismus im christlichen Europa befördern,
ohne dass sich dort dann aber daraus auch Kapitalismus entwickeln wird. Die Verhältnisse dort bieten ihm keine hinreichenden Möglichkeiten der Entfaltung.
Das alles muss weithin erschlossen werden und bestätigt sich oft erst im nachhinein. Es gibt kaum Zahlen über die Größe der über den Markt in die Kapitalbildung fließenden Reichtümer der Herren
und genauso wenig über die Kapitalmengen, die Einzelne im 11. Jahrhundert und noch darüber hinaus anhäufen. Wir erfahren nur von Einzelfällen schwerreicher Handelsherren, die insbesondere in
Italien beginnen, einen Teil des Adels an Reichtum zu überflügeln, und zwar dann, wenn sie Stiftungen und Schenkungen im kirchlichen Raum tätigen, die an die von manchen Bischöfen und höherem
Adel heranreichen, oder wenn sie in der Lombardei beginnen, selbst in großem Umfang an (von Landbevölkerung bearbeiteten) Grundbesitz zu gelangen, oder wenn man zufällig einmal von ihrem
Immobilienbesitz in Städten oder Krediten an große Herren liest.
Dabei handelt sich um einzelne Fernhändler und dann auch Finanziers vor allem, während lokale und selbst regionale Marktplätze vor allem von Bauern und Handwerkern, die ihre Waren feilbieten und
von Krämern mit höchstens äußerst geringer Kapitalbildung, eher mit bestenfalls kleinen Rücklagen ausgestattet, beschickt werden. Das, was sich da einnistet und einwurzelt, beginnt erst langsam,
zu einer bestimmenden Größe in jenem Geschehen zu werden, in welchem ihnen nach und nach ökonomische Macht zuwächst, bleibt aber am Rande jenes großen Geschehens aus kriegerischer
Gewalttätigkeit, Mord, Totschlag und Unterdrückung, über das in den Geschichtswerken über das 11. Jahrhundert seit dieser Zeit im wesentlichen berichtet wird.
Und zur Erinnerung: Dort, wo dann in den nächsten Jahrhunderten aus Kapital Kapitalismus werden wird, befinden wir uns in sich gegenüber zurückweichender Natur ausweitenden großen
Agrarlandschaften mit kleinen Städten von wenigen tausend Einwohnern und geistlichen und weltlichen Herren über Land und Leute, die miteinander um Macht und Reichtum konkurrieren und selbst über
sich Herren bis hoch zu Königen haben, die wiederum miteinander konkurrieren und dabei in ihren Herrschaftsräumen noch wenig Kontrolle ausüben. Insofern bieten sich dem Kapital große, relativ
freie Räume, die für seine Entfaltung noch weiter befreit werden, während sie sich für alle anderen im Verlauf des Mittelalters immer mehr schließen werden, bis sich an seinem Ende im deutschen
Raum zum Beispiel in den nunmehr im heutigen Sinne gebrauchten Wörtern Obrigkeit und Untertan generalisierte Unfreiheit ausdrückt, die wesentlich in den neuartigen Städten erfunden wird.
Während sich immer mehr und größeres Kapital einnistet, begründet es im 11. Jahrhundert doch noch kaum institutionalisierte "bürgerliche" Macht. Die Machtverhältnisse "verbürgerlichen" nicht,
aber sie verweltlichen ein wenig. Die neuen weltlichen Teilhaber an der Macht sind weiterhin, von wenigen Ausnahmen wie in Venedig, Amalfi und Genua abgesehen, durch die Verfügung über Ländereien
und darauf produzierende Menschen machtmäßig legitimiert.
****
Der Kapitalismus des Mittelalters entsteht aus dem Aufstieg von Kapital aus Handel und Finanzen. Die steigende Warenproduktion in Land und Stadt ist nur Grundlage dafür. Erst im voll aufgeblühten
Kapitalismus beginnen einzelne Kapitaleigner, auch in Produktion stärker zu investieren, in einer Zeit, in der auch die Spitzen des Handwerks mit Zugang zu etwas Kapital manchmal
politisch Karriere machen. Zentral für die Bewegungen des Kapitalismus wird kapitalintensive Produktion erst mit der großen Industrialisierungswelle des 18. und vor allem 19. Jahrhunderts.
Der Händler reist mit seiner Karawane oder seinem Schiff mit oder ist als Münzergenosse in/bei der Münze und dann der Wechselstube grundsätzlich vor Ort. Als Kapitaleigner neigt er nach
Möglichkeit dazu, Handarbeit, physische Arbeit gegen (möglichst wenig) Entgelt zu delegieren.
Damit beginnt er sich wesentlich vom Handwerker, der eben darum so heißt, und vom Bauern zu unterscheiden, der ja auch "von seiner Hände Arbeit" lebt. Der immer mehr Arbeit delegierende
Kapitaleigner ähnelt dem Adel insofern, als er (produktive) Handarbeit als Statusmerkmal immer mehr verachtet, unterscheidet sich aber zunächst insofern, als Adel die identitätsstiftende
Tätigkeit privilegierter Gewalttätigkeit selbst ausübt, während Kapitaleigner im Verlauf der Jahrhunderte immer mehr nur noch zu obersten Entscheidern und Aufsehern über ihre Investitionen und
deren Realisierung als Gewinn werden.
Dabei beschäftigt die "Firma" des Kapitaleigners in den ersten Jahrhunderten des zweiten Jahrtausends nur ganz wenige Lohnarbeiter direkt und auf größere Dauer. Noch für das späte Mittelalter
heißt es: "Allenfalls famuli oder knechte (Gesellen oder Kapitalführer in einer Handelsgesellschaft) und Lehrjungen werden in den Kaufmannsbüchern und anderen Quellen erwähnt
und als wichtigste Partnerin die Ehefrau des Kaufmanns (...) Die Handelsbetriebe waren somit in der Regel auf die Kernfamilie beschränkt, wobei die Tätigkeiten des Geschäftsführers, Faktors,
Buchhalters und Schreibers vom Kaufmann selbst und seiner Ehefrau verrichtet werden." (Hanse, S.101)
Mehr Lohnarbeit geht in den Transport und die Lagerhaltung, und die Tendenz geht dahin, zumindest den Transport weitgehend anderen Firmen mit ihrer wiederum beschränkten Lohnarbeit zu überlassen.
Die Trennung von Kapital und Arbeit in der jeweiligen Firma belässt den Kapitaleigner nicht untätig, sondern reduziert ihn nur auf die entscheidenden Tätigkeiten, jene allerdings, über die er
selbst verfügt und nicht ein anderer. Dabei wird auf die heute formale Trennung zwischen Arbeiter und Angestelltem verzichtet, die sich damals und vom Wortsinn her auch nicht unterscheiden.
Länger vom Kapital eingestellte (Lohn)Arbeit umfasst dabei so wenig Leute, dass der Kapitaleigner sie zunächst noch persönlich kennt und auch einstellt, in ferneren Niederlassungen kennt er dann
nur noch deren Chefs, als die er gerne Verwandte einsetzt.
Die allermeisten Menschen in der mittelalterlichen Stadt leben nicht mit der Möglichkeit, ihr Eigentum zu kapitalisieren und arbeiten darum entweder selbständig oder in Abhängigkeit.
Die Stadt, die sich im Mittelalter entwickelt, ist also wesentlich dreigeteilt. Ein winziger Teil lebt von der Vermehrung von Kapital, ein großer Teil von selbständiger Arbeit, für welche mehr
oder weniger Eigentum vonnöten ist und manchmal abhängige Arbeitskraft hinzukommt, und der Rest von abhängiger Arbeit und/oder von Almosen. Letztere Gruppe fassen wir als Proletarier zusammen,
also die Leute, die kein Eigentum haben, welches ihnen Selbständigkeit ermöglicht.
Immer aber lässt sich, und jedes Jahrhundert mehr, von Kapitalismus reden, denn dieser hängt nicht an der Zahl von selbständigen Kapitaleignern, sondern an dem Maße, in dem Kapitalverwertung die
Lebensverhältnisse und die Köpfe der Menschen bestimmt.
Kapitalismus
Begriffe sind umso beliebter, je weniger sie solche sind. Fangen wir mit der "Wirtschaft" an. Der Wirt, welcher ein Haus hat, in dem er Gäste bewirten kann, führt zunächst einen Haushalt. In der
Bedeutung von Hauswirtschaft taucht das Wort, ohnehin dem germanischen Sprachkreis vorbehalten, schon im Mittelhochdeutschen auf. Wirtschaften tut da der Herr des Hauses, mehr oder weniger in
Kooperation mit der Hausfrau, indem er Einnahmen und Ausgaben verwaltet, insbesondere, indem er Erträge bzw. Einnahmen erzeugt, als Bauer, Handwerker oder Kapitaleigner vor allem. Wer
(gerade) nicht so wirtschaften kann, ist kein Wirt, sondern ein Gast.
Dass Wirtschaft sich auf den einzelnen Haushalt bezieht, wird auch dadurch deutlich, dass die aus dem Griechischen übernommene Ökonomie dasselbe meint: Haus(Wirtschafts)-Lehre. Im weitesten Sinne
mag eine Kapitalgesellschaft bzw. eine "Firma", ein Unternehmen mit gemeinsamer Unterschrift, ebenfalls wirtschaften, im sogenannten Mittelalter oft nur auf Zeit.
In diesem Sinne gibt es keine Wirtschaft eines Ortes oder eines Landes, sondern nur die vieler Einzelner dort, nicht leicht erfassbar und kaum verallgemeinerbar. Das Wirtschaften nicht
wirtschaftlich definierter Einheiten gibt es erst in dem Maße, in dem sich Formen von Staatlichkeit durchsetzen. Diese leben von dem, was sie ihren Untertanen wegnehmen können, und darum kann man
dann davon sprechen, dass sie auch (damit) wirtschaften, ohne allerdings etwas zu produzieren oder zu verteilen: Staaten sind dabei Organisationen von Konsumenten-Rentiers, die Einnahmen und
Ausgaben verwalten. Für ihren Haushalt haben die Franzosen das Wort état entwickelt, was der Stand der Dinge ist.
Ein Wirtschafts"system" kennt das Mittelalter nicht, auch nicht zwei oder drei. Das wie die Ökonomie dem Griechischen entnommene "System" besagt nicht anders als ein aus verschiedenen Teilen
zusammengesetztes Ganzes. Als Begriff war das Wort sinnvoll in spezifischen Bereichen der Philosophie, aber da alles, angefangen von den Atomen Systeme darstellt, ist das Wort ansonsten eher
unbrauchbar.
Seine Beliebtheit hat das Wort in den letzten Jahrhunderten als Vortäuschung eines nicht vorhandenen Verstandesvorgangs, der einem menschlichen Wunsch nach Verständnis nach vernunftgemäßen
Vorgaben nachkommt: Die Vernunft sucht nach Ordnung und die Psyche wird durch deren Nichtvorhanden-Sein schnell beunruhigt.
Wo das von Wunschvorstellungen geleitete utopische Konstruieren seit dem 16. Jahrhundert im politischen Denken durch Systemdenken aus Erfahrung (Hobbes) oder durch aus Spekulation abgeleitete
Pseudo-Erfahrung (Locke) ergänzt und ersetzt wird, beginnt man von politischen Systemen zu reden; gemeint sind aber tatsächlich Machtkonstruktionen, Herrschaftsverhältnisse, was man so meist
nicht sagen möchte.
Der Kapitalismus ist auch kein Wirtschaftssystem, sondern eine von den politischen Machthabern mehr oder weniger entfesselte Unordnung, die sich darüber hinaus (wie sowieso alles)
ständig ändert, auch wenn die Worte damit nie schritthalten. Dabei ist zum wiederholten Male darauf hinzuweisen, dass das Wort "Kapitalismus" eine Notlösung für einen Begriff ist, der keine
modische Ideologie, sondern die Prädominanz von Kapitalverwertung in allen Lebensbereichen meint.
Systematisieren heißt also, einer den Beschränkungen der menschlichen Verstandestätigkeit folgenden Notdurft Raum zu geben, die die Wirklichkeit in ein verbales Korsett steckt, welches zugleich
der Bereitschaft unterliegen sollte, es ständig und überall zu sprengen. Ansonsten wird die Wirklichkeit in Gedankengebäuden versteckt...
Zu Kapitalismus, so wie er hier verstanden werden soll, wird Kapitalverwertung erst da, wo sie Macht, Weltanschauung und Lebensverhältnisse der großen Mehrheit der Menschen nachhaltig verändert
und beeinflusst, und zwar so, dass das zunächst regional und am Ende weltweit irreversibel wird.
Kapitalismus als Dominanz der Kapitalbewegungen zeigt sich an den von ihnen verursachten Veränderungen in allen Lebensbereichen, wie sie das Mittelalter kennzeichnen werden. Persönliche
Abhängigkeit wird zunehmend ersetzt durch solche vom Markt, das Warenangebot verändert das Leben, erleichtert es manchmal. Frei eingegangene Arbeit "lohnt" sich langsam mehr, und mehr Menschen
stehen mehr Karrieren offen. Dabei werden arm und reich nicht mehr nur nach Geburt, sondern stärker nach eigener Leistung bestimmt, auch wenn der erhebliche
Wohlstand weniger auf der relativen Armut vieler beruht.
Die politische Macht von Teilen des großen Kapitals in den Städten bricht sich aber dann an der der Fürsten und Könige, die die ganz großen Entscheidungen mit ihrem Umfeld treffen. Aber Fürsten
und Könige werden im Verlauf des hohen und späten Mittelalters immer abhängiger von dem, was Kapital erwirtschaftet und was entsprechend Handwerk und Landwirtschaft vorantreibt. Kriege müssen
bezahlt werden und werden oft vom Kapital vorfinanziert. Umgekehrt sollen ihre Ziele zunehmend den Bewegungen des Kapitals im eigenen Land dienen. Neben den bisherigen Krieg tritt dann in den
nächsten Jahrhunderten stärker der ausgesprochene Wirtschaftskrieg.
Das Regieren, Ausüben politischer Macht, soll nicht nur Einkünfte bringen, es kostet auch zunehmend Geld, welches bald nicht mehr primär aus fürstlich-königlichen Besitzungen herrührt, sondern
aus der freieren Wirtschaft abgeschöpft wird. Fürsten und Könige in deutschen Landen werden bald ganze Ortschaften und Städte verpfänden, zudem Rechte, die der Machtausübung dienen, um an Geld
des großen Kapitals zu kommen. Regieren wird kreditfinanziert, und durch das spätere Mittelalter werden deutsche Königswahlen vom Kapital finanziert, welches nicht immer, aber oft einen
einträglichen Gegenwert bekommt. Italienische Stadtherrschaft wird vom einheimischen großen Kapital über Anleihen finanziert, die wiederum erhebliche Renditen abwerfen.
Zur Erfolgsgeschichte des Kapitalismus gehört dabei zu allererst die Beschleunigung einer Bevölkerungsvermehrung bis ins 14. Jahrhundert, wobei dichtere Bevölkerung selbst wiederum eine von
vielen Voraussetzungen für Kapitalismus ist. Mehr Menschen können überleben und Nachwuchs erzeugen und letztlich damit den Wohlstand von mehr Menschen über ihnen erarbeiten. Die Welt wird weniger
statisch, das Thema schnellerer Veränderung zieht in die überlieferten Texte ein.
Die Existenz von Kapital bedeutet also noch keinen Kapitalismus. Er schleicht sich zwischen dem zehnten und zwölften Jahrhundert im Raum des lateinischen Abendlandes ein, zunächst nur an wenigen
Orten, breitet sich aus und wird erst bemerkt und noch kaum verstanden, als es bereits keine Umkehr mehr zu geben scheint. Dabei handelt es sich um jenen großen Teil Europas, der sich immer
weniger zurecht als Erbe des römischen Reiches sieht und damit auch seiner Sprache, die in dieser Epoche als eine Art lingua franca dient, beim Aufstieg des Kapitalismus aber Schritt für Schritt
verdrängt wird.
Er wird ein ungeheures Erfolgsprogramm, ungefähr so umwälzend wie die Erfindung von Ackerbau und Viehzucht und des Handwerks. Die Natur gab zu essen und trinken, und der Kapitalismus wird als
zweite, menschengemachte Natur verstanden, so unabänderlich wie die erste und scheinbar genauso die Menschen nährend.
Die ökonomische Dominanz der Bewegungen des Kapitals in dieser Zivilisation setzt sich nur langsam, dabei aber unentwegt, durch und wird offenbar im hohen Mittelalter irreversibel, das heißt, die
Bewegungen des Kapitals haben sich inzwischen zumindest in großen Regionen soweit etabliert, dass eine Rücknahme ihrer Macht als eine für unerträglich gehaltene Katastrophe angesehen würde.
Irreversibilität heißt hier, um ein Beispiel zu geben, dass eine Rücknahme kapitalistischer Verhältnisse die Inkaufnahme eines Massensterbens bedeuten würde und die Mächtigen ihre Macht gekostet
hätte. Das ist bis heute so geblieben, nur die Dimensionen haben sich weiter drastisch und beunruhigend vergrößert: Ohne funktionierenden Kapitalismus würden die meisten der Milliarden heutigen
Menschen sehr schnell verhungern.
Darüber hinaus beeinflussen sie dort die Lebensverhältnisse der meisten Menschen, die zunehmend in die neue Warenwelt integriert werden, die sie meist dankbar aufnehmen. Kapitalismus erzeugt
einen Erwartungshorizont.
Zwar leben die meisten Menschen auf dem Lande und bewirtschaften dieses. Aber einmal produzieren sie immer stärker für einen kapitalistisch geprägten Markt, und zunehmend nicht nur Lebensmittel,
sondern auch Rohstoffe für handwerkliche und auch schon maschinelle Produktion. Und zum anderen werden sie immer stärker auch von der kapitalistischen Entwicklung beeinflusst, sowohl in ihren
Arbeits- wie überhaupt auch Lebensverhältnissen.
****
Schon der mittelalterliche Kapitalismus ist ein enormes Erfolgsprogramm: Er versetzt eine relativ statische, vorwiegend agrarische Welt in immer schnellere Bewegung, ist selbst bei allen Krisen
doch an einem erheblichen Bevölkerungswachstum beteilgt, integriert nach und nach fast alle Lebensbereiche und versorgt die meisten Menschen mit einem steigenden Niveau an Warenkonsum. Große
Regionen verstädtern und werden von Städten dominiert. Städte und das Land vernetzen sich, Regionen, ein Netzwerk letztlich kapitalgesteuerter Aktivitäten überzieht einen großen Teil Europas von
Skandinavien bis Sizilien, von Katalonien bis ins Land der Rus.
Dieser Kapitalismus ist nicht nur die Sache von Kapitalisten, sondern er ist ein Gemeinschaftsprojekt, an dem Adel, Fürsten und Könige ihren Anteil haben, aber auch "kleine" Handwerker,
Lohnarbeiter und Bauern. Dabei sieht er in vielem noch sehr anders aus als der vertrautere Kapitalismus seit dem 18./19. Jahrhundert. Die große Mehrheit der Menschen produziert weiter
Nahrungsmittel auf dem Lande und lebt unmittelbar von ihrer produktiven Arbeit wie die meisten Handwerker auf ihre Weise auch, man kann etwas vergröbert sagen, von der Hand in den Mund. Auch die
schon damals wenigen Vertreter des großen Kapitals haben Herren über sich, aber einem Teil von ihnen gelingt es in einem Teil der Städte, wenigstens dort selbst zu Herren zu werden, zu einer
neuen Obrigkeit, und schließlich wie Aristokraten zu leben.
Kapitalismus entsteht unter anderem aus der möglichst ungehinderten Verbreitung zweier ineinander fließender Bewegungen: Der Anhäufung von Kapital und zugleich seinem Einsatz zu seiner
Vermehrung. Das wird besonders von einigen Bürgern betrieben, aber im nordwestlichen Mittelmeerraum auch in begrenztem Umfang von Adeligen. Angehäuft und investiert wird Kapital vor allem in
Handels- und Finanzgeschäfte größeren Umfangs.
Dafür werden in und außerhalb Europas von Arbeitskräften Rohstoffe marktgerecht zugerichtet und vor allem Fertigprodukte für einen Markt produziert. Ein möglichst unbehindertes und besser noch
gefördertes Marktgeschehen ist dafür die Voraussetzung, was heißt, dass Warenverkehr in größerem Umfang stattfindet. Dafür muss sich der Handel zunehmend aus der Situation der schieren
Auftragsbeschaffung von Gütern lösen und sich spekulativ auf Nachfrage auf dem Markt hin orientieren. Dafür wiederum muss er sich in einer langen Entwicklung aus der engen rechtlichen Einordnung
in die Hofordnungen der Herren lösen. In dieser Situation befinden sich schon lange reisende Fernhändler, von denen es allerdings zunächst nur wenige gibt.
Produktion von Waren leisten in dieser Zeit einmal Menschen in Asien, dem Orient und Afrika im Bereich von Luxusgütern, die wie schon in der Antike über Fernhandel nach Europa gelangen (Gewürze
und andere Preziosen).
Das wichtigste,
weil häufigste Handelsgut sind aber zunächst Nahrungsmittel, und zwar über Transfer von Überschüssen vom Land in die Stadt und in Klöster. Damit bleiben Bauern und Landarbeiter die wichtigsten
Produzenten. Aber da die geringe Ausbeute ihrer Arbeit am effizientesten abgeschöpft wird, bleiben sie auch bis ins hohe Mittelalter für einen sich verallgemeinernden Markt als Individuen
marginal, bis sich dann im späten Mittelalter eine kleine bäuerliche Oberschicht entwickeln wird, die mit gehobenen Ansprüchen ebenfalls stärkeren Anteil am Markt nimmt. Andererseits sind die
Leute, die das Land bearbeiten, in unserer Zeit die ganz große Mehrheit, und in der Masse bewegen sie durchaus die Entwicklung in Kapitalismus hinein mit.
Partiell in einen Markt integriert sind die städtischen Handwerker, die immer mehr werden. Sie kaufen Lebensmittel, Rohstoffe und Halbfabrikate ein und verkaufen selbst produzierte Fertigwaren.
Mit der Verstädterung werden sie die Basis allen Marktgeschehens.
Althochdeutsch bedeutete das handwere oder handwerch noch nichts anderes als Handarbeit, deckte also ein viel weiteres Feld ab, wird dann aber im hohen und späteren,
mittelhochdeutschen Mittelalter immer mehr eingegrenzt auf das, was wir noch heute darunter verstehen. Das heißt, das, was dann in der Neuzeit unter "Arbeiter" verstanden wird, auf dem Lande wie
in der Stadt, wird dabei ausgegrenzt.
Als Unternehmer soll der Handwerksmeister hier nur eingeschränkt verstanden werden. Zwar ist das Wort, welches wohl über den französischen entre-preneur und vielleicht eine englische
Zwischenstufe im 18. Jahrhundert ins Deutsche kommt, mit der Idee eines Kapitaleigners verknüpft, der Warenproduktion betreibt, was soweit auch auf den Handwerksmeister im Mittelalter mit seinem
eigenen Betrieb verweist, aber ihm ist damals nur sehr eingeschränkt das möglich, was wir heute als unternehmerisches Handeln bezeichnen, welches sich nicht in Reproduktion erschöpft, sondern
Kapitalverwertung als Kapitalvermehrung betreibt. Wachstum in Geld rechenbarer und in der Regel toter Dinge ist das Wesen des Kapitals, während der mittelalterliche Handwerksbetrieb vor allem
sich selbst und seine Leute erhält.
Handwerk ist also zunächst einmal jede produktive Arbeit außerhalb der Landbewirtschaftung, und damit von vorneherein auch Sache der Frauen. Über die adelige Schwester des Bischofs Burchard von
Worms heißt es vor 1025 in dessen Vita:
Diese Dame (domina) war nämlich sehr begabt für Frauenarbeiten (opera mulieribus) und höchst tüchtig,, und sie hatte für die verschiedensten Textilarbeiten
angelernte Frauen (feminas doctas) um sich; in der Herstellung prächtiger Kleidung übertraf sie aber viele Frauen. (Nonn, S.71)
Wenn man den wenigen überlieferten Quellen glauben kann, dann gibt es im frühen Mittelalter eine geschlechtsspezifische Arbeitsteilung im handwerklichen Bereich, die etwas mit den Aspekten Kraft
und Nähe zu Haus, Haushalt und Kindern zu tun hat. Schmiede und überhaupt Metallbearbeiter sind Männer, textile Arbeiten liegen eher und teilweise auch noch später in weiblicher Hand. Bei der
Herausbildung der Hierarchie Meister (Betriebsinhaber) - Geselle – Lehrling finden wir weithin Männer vor. Aber damit ist nicht ausgeschlossen, dass eine Frau als Meisterin einen Betrieb leitet.
Bis ins hohe Mittelalter sind beim Handwerk Produktion und Handel oft noch auf einer ersten Stufe ganz in einer Hand, und Kapitalismus wird sich erst dort entfalten, wo der Handel immer größere
Teile handwerklicher (wie landwirtschaftlicher) Produktion vermarktet. Das geschieht früh bei Textilien und bei Eisenwaren für Werkzeuge, anderen Gerätschaften und insbesonderer solchen für
militärische Zwecke.
****
Triebkraft ist zunächst vor allem das Luxusbedürfnis einer kleinen Oberschicht, welches aber teilweise auch schon durch Handwerk vor Ort gedeckt wird. Der Luxusbegriff des Historikers ist nicht
klar definierbar, denn eine Definition kommt nicht darüber hinaus, Luxus als das nicht unmittelbar Benötigte zu benennen, - aber natürlich "benötigen" die Herrscher und kleineren Machthaber
Luxus, um ihren Status zu begründen und darzustellen. Zivilisation ist der Luxus weniger auf der Basis der Arbeit von vielen.
Der im 11. Jahrhundert deutlich zunehmende Handel bezieht nun aber immer mehr Menschen ein, zum lokalisierbaren Markt(platz) kommt ein allgemeines Marktgeschehen mit einem abstrakterenden
Marktbegriff; Europa wird zum Raum einer wachsenden Marktwirtschaft, in der nicht mehr nur einfach Güter, sondern zunehmend Waren produziert werden - Güter, die auf dem Markt zu Waren werden.
Für die meisten der immer mehr Konsumenten solcher Waren decken diese zunächst nur die allernotwendigsten Bedürfnisse ab, Ernährung und Bekleidung vor allem. Soweit würde kein Kapitalismus
entstehen, denn wir hätten es mit einer relativ statischen Welt wie in den antiken Zivilisationen zu tun. Aber tatsächlich wächst der Handel mit der Kaufkraft von immer mehr Menschen, und der
Anteil derer, die sich auf dem Markt für mehr als das schiere Notwendige eindecken, steigt, zunächst ganz langsam, an.
Kapitalismus wird sich darüber entfalten, dass das Warenangebot Nachfrage erzeugt, neue Bedürfnisse generiert, die wiederum Arbeit begründen. In einigen Gegenden Europas beginnt das schon im 11.
Jahrhundert.
Waren und ihre Ästhetisierung
Wahrheit wurde ursprünglich einmal warheit geschrieben. Mancher aus der Zunft der Etymologen hält darum einen Zusammenhang mit der Ware für möglich, die in England schon länger eine
commodity ist. Letztere englische aber hat ursprünglich mit Wohlfahrt zu tun, mit welfare, dem Kommoden, Wohltuenden, und verengt sich dann auf das nützliche Produkt. Vorher
konnten die alten Engländer namentlich von der sehr germanischen ware sprechen, als dem Produkt nämlich, dem von Menschen hergestellten Gegenstand.
Mit der zunehmenden Marktwirtschaft, dem Rückgang der Hauswirtschaft, der Arbeitsteilung und mit zunehmender Kapitalisierung von immer mehr (Geld, Land, etc.) gelangen immer mehr Waren auf den
Markt, worauf sich die Bedeutung des Wortes (Ware) im Deutschen (nicht im Englischen) immer stärker verengt: Ware wird das Produkt, welches auf den Markt geworfen wird, am Ende die einzige
ware, die noch zählt.
Wie Kapital ist auch Ware Ausdruck der Verdinglichung eines Vorgangs, in dem Menschen in (wirtschaftliche) Beziehung treten: Waren stellen eine Beziehung zwischen Verkäufer und Käufer dar, ein
Gegenstand, ein Gut wird Ware im Moment des Verkaufs. Gegenständlich werden Kapital und Ware nur im Moment ihrer Zweckbestimmung, einer Absichtserklärung also. Verständlich werden sie nur als
Vorgang.
Die Ware als Vorgang hat zwei Seiten, die des Verkäufers und die des Käufers. Der erstere zielt ab auf einen Gegenwert beim Verkauf, der sich möglichst in Geld rechnen lassen muss und höher sein
soll als der, der für Produktion bzw. Erwerb der Ware nötig war, er will einen geldwerten Gewinn, während der Gewinn des Käufers in der Nutzung und dem Verbrauch der Ware besteht.
Im Konsum, deutsch: Verbrauch, findet sich jener Sinn der Ware, der für Kapitalismus elementar ist: der Verbrauch vernichtet sie über kurz oder lang. Wo er das nicht hinreichend tut, muss es die
Mode tun oder kriegerische Gewalt, zwei konstitutive Elemente jedes Kapitalismus. Dabei ist Konsumption, also Verbrauch toter Ressourcen und vor allem lebendiger Natur, auch schon der
Ausgangspunkt. Die nämlich haben Menschen mit allen Lebewesen gemeinsam, erst im Kapitalismus nimmt sie aber einen Umfang und ein Tempo an, wie es in der Geschichte unseres Planeten nie dagewesen
war: Vor 1000 sind fast alle Menschen in Europa von Produktion und Kauf von Waren fast ausgeschlossen, neun, zehn Generationen später sind sie fast alle wenigstens ein bisschen in einen großen
Warenmarkt integriert.
Ware und Konsum lassen sich in zwei Sphären aufspalten, in Waren für jenen Konsum im engeren und üblicheren Wortsinn, die „nur“ zum Verbrauch bestimmt sind, und solche, die wiederum nur für die
Produktion und Verteilung von Waren zuständig sind, und die (nicht nur) Marx Produktions- und Distributionsmittel nannte. Diese werden aber ebenfalls im Vorgang der Kapitalvermehrung
(„Verwertung“) verbraucht bzw. durch Innovation obsolet.
Das hat damit zu tun, dass die Gegenstände, die unmittelbar für die Produktion, den Transport, die Lagerung und den Verkauf von Waren eingesetzt werden, eine andere Qualität von „Gebrauchswert“
haben als die, die in einem nicht in den Prozess der Kapitalverwertung eingesetzten, privaten Konsum verbraucht werden. In der idealisierenden Politökonomie von Marx erscheint der Gegensatz von
Gebrauchswert und Tauschwert klar definierte Größen abzustecken, dem ist aber leider nicht so in der historischen Wirklichkeit.
Immerhin kann man ihm ein gutes Stück weit folgen: Kapital ist jenes Eigentum, welches zu seiner (wirtschaftlich hergestellten) Vermehrung eingesetzt wird. Im Vorgang seiner Verwertung, in dem es
erst Kapital wird, wird es investiert, wobei am Ende immer Waren an einen Kunden gelangen sollen. Diese kann der Kapitalist selbst besitzen wie zum Beispiel Geld, selbst produziert haben oder
aber aufkaufen und weiterverkaufen. Die wundersame Kapitalvermehrung geschieht zu allererst durch Arbeit, zudem durch den Einsatz von Rohstoffen, durch Kapital, welches in Produktionsmittel,
Transport und Verkauf investiert wird, zunehmend im Kapitalismus aber durch Lohnarbeit, welche das Produkt schafft, das auf den Markt kommen soll.
Für den Kapitalisten ist die einzige Funktion, die seine Ware hat, die, auf einem Markt einen Tauschwert zu haben, der lohnenswert höher ist als das eingesetzte Kapital. Der Tauschwert ist eine
vage Größe, während der Preis der Ware, in dem er sich verwirklicht (realisiert, sagt Marx, der da schon länger in England lebt), im Moment des Verkaufes von einer spekulativen zu einer
berechenbaren wird. Dieses Ziel der Kapitalvermehrung, welches überhaupt erst Eigentum zu Kapital macht, ist also abhängig von einer Kundschaft, die die Waren kauft. Dazu, sagt Marx, muss die
Ware einen Gebrauchswert haben, ein, wie man unschwer erkennen kann, etwas unglücklicher Begriff, denn er lässt sich nicht klar definieren, da dem Objektivieren ein subjektiver Faktor
entgegensteht.
Die ursprüngliche Konsumption aller tierischen Lebewesen und darum auch des Menschen besteht in der von Pflanzen und/oder Tieren bzw. wenigstens Teilen von ihnen. Ihr Gebrauchswert besteht in
ihrem Nährwert, da sie der Ernährung dienen, auf der alles Leben basiert. Das Leben der einen basiert auf dem Tod der anderen. Aber schon in vorkapitalistischen Zivilisationen stimmt das
zumindest für Teile ihrer Mitglieder so einfach nicht mehr. Während sich in traditionellen Kulturen die Ernährung zunächst tatsächlich aufgrund der Erfahrung zahlreicher Generationen auf den
Nährwert konzentriert, erhält sie später in Schichten, die mehr besitzen als sie benötigen, den Charakter eines Genussmittels, welches den Gaumenkitzel nicht mehr nur aus dem Nährwert oder auch
gar nicht mehr daraus erlangt.
In diesem Moment löst sich der Gebrauchswert von einem klar definierbaren Nutzen und wird zu einer Sache sinnlichen „Genusses“. Die sinnliche Wahrnehmung und damit auch die Weise der Ansicht,
Betrachtung des sinnlich Wahrgenommenen heißt im Altgriechischen aisthesis, und daraus hat sich im Deutschen im Zeitalter der Aufklärung (im 18. Jahrhundert) das Wort Ästhetik
entwickelt. Warenästhetik ist ein Begriff, den ich zum ersten Mal 1971 bei Haug gefunden habe, dem moralisierend braven Schüler von Sartre und Marx. Ich werde versuchen, dem Begriff jene
Sprengkraft zu geben, die beim wesentlich polit-ökonomisierenden Menschen notgedrungen fehlen muss.
Sobald eine Ware vor allem einen im Ästhetischen liegenden Nutzen hat, wie im Extremfall sogenannte Lebensmittel (fast) ohne Nährwert oder gar solche mit gesundheitsschädlichen Nebenwirkungen,
überwiegt ihr ästhetischer Wert den originären Nutzen. Der Kapitalismus operiert bei Konsumartikeln für den privaten Verbrauch, soweit er kann, mit diesem warenästhetischen Aspekt, er wäre ohne
ihn gar nicht in die Welt gekommen. Das stimmt aber eben nur ganz begrenzt für jene Waren, die Marx in das weite Feld der Produktionsmittel einreihte, und deren Produktion im Laufe der Zeit für
den Kapitalismus immer wichtiger wird.
****
Vorläufer allen Marktgeschehens ist das sexuelle Machtspiel in der Natur, Grundlage von Evolution. Es ist das Elementarium auch aller menschlichen Geschichte, die sich im Ablauf der Generationen
(der Erzeugten) entfaltet. Warencharakter erhält es am deutlichsten in der Prostitution, der Vermarktung der sexuellen Attraktivität insbesondere von Frauen, typisches Kennzeichen von
ausgebildeten Zivilisationen. Was dort offenen Warencharakter in der Konsumierung von Körpern hat, zeigt sich in den Versuchen der Huren, ihr Talent zur sexuellen Anreizung von Kunden möglichst
herauszustellen. Diese Ästhetisierung des mehr oder weniger bekleideten Leibes geht mit der Erfindung der (Kleider)Moden im frühen Kapitalismus der Städte vor allem auf die Frauen über, die sich
nicht für die männliche Notdurft prostituieren, sondern Ehe und Familie suchen und dann in ihnen weiter dazu neigen, ihre sexuelle Attraktivität (Macht) zu zeigen.
Die Ästhetisierung von Waren geht also aller Wahrscheinlichkeit nach auf die Hervorhebung menschlicher sexueller Attraktivität als dessen modische Ästhetisierung zurück, auf das originäre
Machtspiel der Natur.
Der entscheidende Schritt ist die Übertragung der Ästhetisierung des menschlichen Aussehens auf Waren. Was die Natur als den gesunden und darum mächtigen Körper erkennt, der den besten Nachwuchs
hervorbringt, wird zum Akzessoire des dauerpräsenten menschlichen Geschlechtstriebes, der sich ein gutes Stück weit von seiner Fortpflanzungsaufgabe gelöst hat: Die Ästhetisierung wird auf Waren
übertragen, die nun die (ursprünglich sexuelle) Macht des Individuums im Dekor darstellen und verstärken. Die sexuelle Geilheit wird dabei zur solchen im Warenerwerb, die nicht lebensnotwendigen
Waren werden immer stärker "sexualisiert". Im Verlauf von tausend Jahren Kapitalismus werden dabei in Wellenbewegungen die zivilisatorischen Schranken mit zunehmendem Erfolg eingerissen, vor
allem in den größeren Städten, bis am Ende das Ausleben des Geschlechtstriebes einzige sinnstiftende Sphäre bleibt, - das, bei dem wir heute in den Metropolen des Kapitalismus angekommen sind.
Solange in den ersten Jahrhunderten des Kapitalismus der sich immer mehr erweiternde Markt noch im Widerspruch zur kirchlichen Lehre steht, die den diesseitsgewandten Egoismus des einzelnen
Haushaltes als Sünde etikettiert, schwanken die Akteure des Marktes im Ausmaß der (originär sexuell fundierten) Ästhetisierung der nicht unmittelbar lebenswichtigen Waren, der einzigen, die
solcher Ästhetisierung damals bedürfen. Außerdem haben dazu nur die Zugang, die das, was jeweils Luxus ist, überhaupt konsumieren können, auch wenn sie als Leitbilder für die anzusehen sind, die
davon notwendig noch verschont sind.
Wieweit das ganze aber am Ende des sogenannten Mittelalters gediehen ist, zeigen in den rabiaten Gegenbewegungen von Wiclif über Hus und Savonarola bis zu den Wiedertäufern schlagartig die
öffentlichen Verbrennungen von Luxus-Waren, die Bilderstürmerei und manches mehr.
****
Der Grund für spezifische Warenästhetik, wie sie im Mittelalter sich ausbreitet, besteht in der erstaunlichen Bipolarität, auf der der Kapitalismus beruht, nämlich auf der von
Sparsamkeit/Knappheit und Verschwendung. Die Sparsamkeit liegt beim Kapitalisten, der erst einmal Eigentum aufspart und dann so sparsam wie möglich einsetzt, damit es sich auch tatsächlich dabei
vermehrt: Er spart es aus seinem Konsum aus, und er spart dann möglichst an den Kosten (für Rohstoffe, Arbeit, Transport usw.). Umgekehrt ist er darauf angewiesen, dass der Konsument mit dem, was
er hat und zu Markte trägt, verschwenderisch umgeht, also möglichst viel Ware(n) kauft.
Die Knappheit im Kapitaleinsatz wird noch verstärkt, wenn mehrere Kapitalisten auf dem Markt konkurrieren, wobei bei gleicher Qualität (welcher Art auch immer) der Käufer meist den niedrigeren
Preis vorzieht, weswegen in dieser Konkurrenz der Kapitalist mit der knappesten Kalkulation gewinnt. Er wird sich also beim Erwerb seiner Produktionsmittel auf jene Effizienz, jenen Nutzen
konzentrieren, der ihm tatsächlich den größtmöglichen Gewinn beschert, und sich kaum durch warenästhetische Kriterien ablenken lassen. Umgekehrt wäre die seit dem 10./11. Jahrhundert steigende
Warenflut für den privaten Konsum teilweise und immer mehr so gar nicht mehr an den Mann (und die Frau) zu bringen gewesen.
Warenästhetik dient also der Verstärkung, Anheizung des Konsums und darin der Durchsetzung der eigenen Waren in der Konkurrenz. Sie ist von einer ursprünglicheren naturgegebenen Sinnlichkeit zu
unterscheiden, obwohl Warenästhetik sich davon zunächst nicht völlig lösen kann. Am Beispiel des ursprünglichsten menschlichen Bedürfnisses, der Ernährung, lässt sich das gut erklären. Der
Geschmacksinn ist zum Zweck der Energiezufuhr eher auf süß geprägt, bitter warnt vor Giften und ähnlich Unzuträglichem, sauer wird nur begrenzt positiv wahrgenommen. Ähnlich wird potentielle
Nahrung auch durch den Geruchs- und Gesichtssinn und manchmal auch ein wenig den Tastsinn eingeordnet.
Bis zur industriellen Produktion von Lebensmitteln seit dem 19. Jahrhundert blieb es auch dabei. Seitdem haben Lebensmittel visuelle Qualitäten angezüchtet bekommen, die vom Nährwert ablenken
bzw. diesen vortäuschen können. Schon damit werden sie warenästhetisch umgeformt. Bei Halbfertig- und Fertigprodukten kann durch den Geschmack Nahrhaftigkeit vorgetäuscht oder Appetit auf
bestimmte Geschmacksviarianten anerzogen werden. Die Verpackung kann einen Nährwert vortäuschen, der durch Gewöhnung längst als „Geschmack“ dominiert. Und ein Großteil der Menschen nimmt
inzwischen als Lebensmittel deklarierte Waren zu sich, die in einigen Aspekten offensiv gesundheitsschädlich sind, was zum Beispiel durch die Gewöhnung an unmäßigen Zucker oder Salz möglich wird.
Der Beispiele wären viele.
Produktionsmittel im weiten Marxschen Sinne sind hingegen in ihrer Verbreitung vom jeweiligen Wachstumspotential des Kapitals abhängig, dessen Zweckrationalität ästhetische Komponenten eher fremd
ist.
***Luxus*** (Materialsammlung)
Andererseits gibt es auch scharfe Kritik von Kirchenmännern an der adeligen Gier nach Luxus. Um 1075 beklagt Adam von Bremen in seiner Hamburgischen Kirchengeschichte die Gier nach
ausländischen Pelzen (...), deren Duft unserer Welt das todbringende Gift der Hoffahrt eingeflößt hat (...) und wir (trachten) mit guten und bösen Mitteln nach
einem Marderkleid wie nach der höchsten Glückseligkeit. (so in: Hansen, S.115).
Die Rolle der Klöster (erste Materialsammlung)
Klöster werden von Stiftern und Schenkern mit Grundbesitz für den Lebensunterhalt ihrer Insassen ausgestattet. Dabei geht es zuerst um deren Ernährung, aber Klöster können auch in einem weiten
Sinne als Unternehmen, als Firma operieren
Salz
Eisen: Teile der Eisenproduktion in der Umgebung des Lago Maggiore und des Comer Sees in der Hand des Mailänder Klosters Sant'Ambrogio. (Haverkamp(2), S.216) Das fördert den Aufstieg der
Mailänder Eisenschmiede.
Bauhandwerk
Ein Sonderfall handwerklicher Produktion wird seit dem späteren 10. Jahrhundert zunehmend der Bau von Gebäuden. Kirchen, Paläste, Burgen; überhaupt werden vornehmere Wohnhäuser mit mehreren
Stockwerken bei großer Grundfläche nun von professionellem Handwerk gebaut. Da sie jetzt länger haltbar sein sollen als die üblichen Wohngebäude des frühen Mittelalters, werden sie zu einer ganz
besonderen (immobilen) Ware. Meist in Auftragsarbeit gebaut, bekommen ihre Erbaung und Unterhaltung Bedeutung für einen Markt einmal durch die Nachfrage nach Rohstoffen, handwerklicher und
einfacher Lohnarbeit, und ansonsten erst dort, wo sie verkauft oder vermietet werden. Aber so wie das langsam immer häufiger zur Ware werdende Land werden auch sie zu einem renditeträchtigen
immobilen Gut, welches den Risiken des übliche kapitalistisch-spekulativen Geschäftslebens weniger ausgesetzt ist.
Von Bischöfen, Äbten und (seltener) weltlichen Herren betriebene große Bauprojekte mit ihrer über Jahre stattfindenden Massierung von Handwerk und vor allem einfacher Lohnarbeit stimulieren den
Markt seit dem 10. Jahrhundert mit der Nachfrage nach Lebensmitteln und Bekleidung für die dort Arbeitenden.
Wenn Frank Hirschmann von Großbauten als "Konjunkturprogrammen" spricht, verwechselt er natürlich ein Stück weit Ursache und Wirkung. Aber wenn in Lüttich um 1000 ein doppelchoriger Dom mit zwei
Querschiffen gebaut wird, zudem der Bischofspalast ebenso wie Kreuzgang, die Häuser der Kanoniker und die Wirtschaftsgebäude renoviert werden und mehrere neue Stifte entstehen, die bald auf
insgesamt sieben anwachsen, dann fördert das im Ergebnis natürlich die Stadtbildung.
Ihren dynastisch verstandenen Machtanspruch demonstrieren die salischen Könige/Kaiser mit dem um 1025 angefangenen und in den achtziger Jahren vollendeten Bau des Doms zu Speyer, einer
Art Gegenstück zum Bamberger Dom. Um die für den Bau benötigte Menge von Stein und Holz nach Speyer zu bringen, wird sogar ein Kanal vom Pfälzerwald zum Rhein gebaut. Mit dem Dombau
wächst dann Speyer zur Stadt heran.
Die Größe von Kirchen und Palästen demonstriert Macht und Reichtum und hat wenig mit christlicher Frömmigkeit zu tun. Sichtbares Machtgehabe hilft aber denen, die für die Mächtigen
arbeiten, sich mit ihnen ein wenig zu identifizieren.
Mehr noch tut die Erweiterung der Stadtmauer aus dem 9. Jahrhundert für die Marktsiedlung. Diese beherbergt in der Zeit um 1000 längst Handwerk und Handel, sogar Fernhandel aus deutschen Landen
bis nach London, obwohl ein Großteil der Mittel für die Bauten immer noch vom Lande her kommt.
Eher als "Konjunkturprogramm" ansprechbar, also als Wirtschaftsförderung, ist die Anlage eines neuen Maasarms, der eine Insel entstehen lässt, die offenbar planmäßig besiedelt, in Pfarreien
geteilt und mit einem zweiten Marktplatz versehen wird. Am neuen Flussarm werden Mühlen angesiedelt.
Der bischöfliche Bauherr erkennt also schon um die erste Jahrtausendwende, dass seine Macht samt seinen Einnahmen zunehmend von der auch baulichen Entwicklung seiner Stadt abhängen. Andere,
Domherren und weltliche große Eigentümer schließen sich dann an.
Bischof Meinwerk von Paderborn und sein Zeitgenosse Bischof Burchard von Worms siedeln offenbar Anfang des 11. Jahrhunderts bewusst Bauhandwerker in ihren Städten an.
Verdun entwickelt sich um drei Pole herum. Da sind die Kathedrale samt Baptisterium im ehemaligen römischen Siedlungskern mit einem zugehörigen Makrt samt Handwerk und Kaufleuten auf einer
Maasinsel, da ist das Kloster St.Vanne mit einem Hospital und drei Kirchen sowie vier Mühlen an der Maas und ein Pauluskloster mit Hospital und zwei Mühlen.
Der Bischof selbst lässt nun ein Mauruskloster erbauen, unterstützt aber ansonsten vor allem die Bauten anderer hoher Geistlicher, wie des Magdalenen-Stiftes durch einen Archidiakon, eines
weiteren durch einen Domkanoniker und des Neubaus der Abteikirche von St.Vanne durch dessen Abt, der zudem Weinberge, vier neue Mühlen und Brauhäuser erbaut.
Die bischöfliche Unterstützung für diese Initiativen besteht darin, dass er Zölle und andere Einnahmequellen verleiht, so dass seine eigenen städtischen Einnahmen erheblich zurückgehen
(Hirschmann in: Konsumentenstadt, S.69f. Weitere Bischofsstädte siehe Großkapitel 'Städte 3')
Bauwirtschaft im sakralen Bereich wird dadurch gefördert, dass es im Verlauf des Frühmittelalters zu einer zunehmenden Ästhetisierung des eigentlichen Kirchengebäudes über alle Funktionalität
hinaus kommt, aus der ein erster nachantiker „Stil“ hervorgehen wird, die sogenannte Romanik.
In seinen 'Fünf Bücher der Geschichte' schreibt der burgundische Mönch Rudolf (Rodolfus) Glaber für die Mitte des 11. Jahrhunderts:
Fast im ganzen Erdkreis erneuerte man die Gotteshäuser. Obwohl die meisten gut und schön gebaut waren und es gar nicht erforderlich gewesen wäre, versuchte doch
jede christliche Gemeinschaft, die anderen dadurch zu übertreffen, dass sie ein noch schöneres besaß. Es war gleichsam so, als würde die Welt selbst, nachdem sie, sich schüttelnd, das Alter
abgeworfen hatte, allerorten ein hell leuchtendes Kleid aus Kirchen anlegen. Damals bauten die Gläubigen fast alle Kirchen der Bischofssitze prachtvoll aus und ebenso viele andere Klöster und
auch die kleineren Kirchen in den Dörfern. (III,4)
Neu, hell, leuchtend, prachtvoll, alles als lateinische Wörter, lässt sich schwer anschaulich machen. Es handelt sich um Kirchen aus Naturstein, Holz und Lehm. Der Verdacht liegt allerdings nahe,
dass schöner und prachtvoller vor allem größer und technisch perfekter (zum Beispiel mit geraderen Mauern und elaborierterem Gewölbe) meint. Ausbauen heißt dabei vor allem Vergrößern und
Neubauten haben ebenfalls größer zu sein. Solange es (bis ins 18. Jahrhundert) "Stile" geben wird, werden sie auch etwas mit technischer Innovation zu tun haben.
Am Ende kann Weinfurter zusammenfassen: "Nur wenig Karolingisches hat die Mitte des 11. Jahrhunderts überlebt." (Geschichte, S.58)
Beim Kirchenneubau des Klosters von St.Trond bei Lüttich, der nur deshalb stattfindet, damit das Gebäude größer und prächtiger wird, werden die Säulen „wegen der Schönheit des Steins in der
Gegend von Worms beschafft und zu Schiff nach Köln transportiert. Eine jubelnde Menschenmenge habe sie – gewissermaßen um die Wette und ohne jede Hilfe von Zugtieren, selbst die Maas ohne Brücke
überquerend -von dort bis zum Kloster gezogen: über Aachen und Maastricht eine Strecke von mindestens hundertdreißig Kilometern.“ (KellerBegrenzung, S.65)
Das, was in der Neuzeit als "Kunst" bezeichnet wird, ziert bis ins hohe Mittelalter die Macht der Wenigen, und zwar sowohl die der geistlichen wie der weltlichen Großen. Nur sie können sich
steinerne Architektur, Bildhauerkunst, Malerei und Goldschmiedearbeiten leisten. Dort, wo der Kapitalismus die Städte zu prägen beginnt, wie in Venedig, Amalfi oder Pisa, beginnen Kapitaleigner,
sich daran zu beteiligen und schließlich dabei eine Führungsrolle zu übernehmen.
Textilproduktion
Nach der Landwirtschaft und neben der Metallproduktion wird die Textilwirtschaft, die auf Schafswolle, Hanf (Leinen), Seide und Leder bzw. Pelzen beruht, zum großen Antriebsmotor für die
Entstehung von Kapitalismus, vielleicht zum größten.
Sie befriedigt zunächst stark Luxusbedürfnisse einer adeligen und dann auch einer bürgerlichen Oberschicht, bevor schließlich mehr Massenproduktion daneben tritt. Die zweite frühe kapitalistische
Städtelandschaft nach der italienischen entsteht in Flandern durch eine Verknüpfung günstiger Umstände mit Brügge, Gent, Ypern und mindestens fünfzig anderen dicht nebeneinander liegenden
Städten. Hier wie dann auch an der Scheldemündung, der mittleren Maas, im Rheintal von Straßburg bis Köln ist der städtische Kapitalismus in Territorien eingebettet, die von hochadeligen Herren
kontrolliert werden, Bischöfen, Grafen, Herzögen, die den Kapitalismus ökonomisch fördern, seine ökonomische Macht aber für sich instrumentalisieren wollen.
1043 geht es in einem Brief von Abt Siegfried von Gorze an Abt Poppo von Stablo um die kanonische Unkorrektheit der Ehe von Agnes von Poitou mit dem König. „Daneben gab der Abt auch seiner Sorge
Ausdruck, dass in diesen Zeiten allerorten und gerade auch am Königshof eine neuartige Prunksucht ausgebrochen sei, dass man sich in Kleidung, Haartracht, Rüstung und Reiterei nun herausputze und
sich dabei am Vorbild der Bewohner des Westfrankenreiches (Francisci) orientiere.“ (WeinfurterGeschichte, S.88)
Drei Dinge kommen zusammen: Die größeren Geldmittel der Herren, das zunehmende Raffinement im Körperschmuck und die zunehmende Sensibilität von Kreisen des Klerus auf dem Weg in die
Kirchenreform.
Was in obiger Klage über "Prunksucht" deutlich wird, wird sich in deutschen Landen in der Salier- und Stauferzeit weiter verstärken. Der Adel und insbesondere die Fürsten unter ihnen stellen
ihren Status zur Schau, indem sie sich schmücken, und der Schmuck muss zwei Kriterien erfüllen, und zwar teuer, also kostbar, und kunstvoll, also technisch auf dem neuesten Stand sein. Da die
Geistlichkeit solches in ihren Kirchen, und Kirchenfürsten in ihren Palästen ebenfalls betreiben, sind Mahnungen eher selten und zudem wirkungslos.
Die Moden, die sich entwickeln, und die wir im großen Maßstab später als "Stile" zu erfassen suchen, lassen sich an den immer schneller werdenden Veränderungen in der Bekleidung und der
Haartracht deutlich wahrnehmen, wobei sich in deutschen Landen Einflüsse aus dem Westen und Süden erkennen lassen.
Die Verlagerung der Tuchproduktion vom Land in die Städte, das heißt aus den ländlichen Grundherrschaften heraus macht aus der hörigen Weberin einen selbständig arbeitenden Handwerker. Damit
setzt sich stärker eine Trennung der Produktion von Rohstoffen und Fertigprodukten durch. Dabei kommen die Rohstoffe für die Herstellung von Textilien aus der Landwirtschaft oder zumindest vom
Lande: Schafwolle, Flachs, später Baumwolle im Süden und Farbstoffe von Pflanzen, die extra dafür angebaut werden.
Parallel dazu entwickelt sich die Bearbeitung von Tierhäuten durch Gerber, Lederer und Kürschner.
Erste nicht mehr mit menschlicher Energie betriebene Gerätschaften, sondern mit Wasserkraft betriebene Maschinen werden die Mühlen. Zunächst zum Mahlen von Getreide verwendet, gelingt es im 11.
Jahrhundert, sie an einige Orten für früheste "industrielle", also maschinenbetriebene Produktion einzusetzen. Das beginnt in unserer Zeit mit den Walkmühlen für die Textilproduktion, die aber
zunächst noch wenig verbreitet sind.
Eine frühe Textil-Landschaft entwickelt sich in Flandern. Schon bevor die Römer kamen, gab es dort eine Tuchproduktion, deren Transport im frühen Mittelalter friesische Händler über die Flüsse
besorgten. Nach und nach konzentrieren sich die Weber in den entstehenden Städten, wo sie die Rohstoffe finden und auf Walker und Färber treffen.
Bereits um das Jahr 1000 führte die Nachfrage zur Einfuhr englischer Wolle. Da diese besser war als die flämische, verbreiten sich flämische Tuche über ganz Europa. Die technischen Verbesserungen
sorgen nicht nur für bessere Qualität, sondern auch für höhere Produktivität, wie sie Pitz beschreibt:
„Die Weberei aber veränderte sich tiefgreifend, als man den alten Webstuhl, dessen senkrecht hängende Kettfäden man mit Tongewichten beschwerte, durch einen Webstuhl mit horizontalem Rahmen
ersetzte, dessen Kettfäden an beiden Enden über Walzen liefen und mit Fußhebeln so gegeneinander versetzt werden konnten, dass der Weber das Schiffchen mühelos und rasch hindurchführen konnte.
Dieses Gerät, das zum ersten Mal im Talmud-Kommentar des nordfranzösischen Rabbi Salomon Izhag Rashi (1040-1105) erwähnt wird, nahm mehr Raum ein und erforderte eine gewisse Investition von
Geldmitteln, die es zur Verwendung im bäuerlichen Nebenverdienst ungeeignet machte. Auch trug es dazu bei, die Weberei, die vorher hauptsächlich Frauenarbeit gewesen war, zur Beschäftigung für
spezialisierte männliche Arbeitskräfte zu machen. Vor allem aber konnte man damit feinere und längere Tuche herstellen als je zuvor (…) Für diese Tuche und ihre kunstvolle Fertigung lohnte es
sich nun auch, als Rohstoff statt der einheimischen die feinere englische Wolle zu verwenden, obwohl dies höhere Kosten verursachte.“ (Pitz, S. 231)
Mit der Entwicklung des neuen Webrahmens übernehmen Männer die Weberei, während die Vorarbeiten wie Wollkämmen, wie Kunkel-Spinnen als auch Fadenproduktion von Frauen gemacht werden. Nach dem
Weben wird das Rohtuch dann gewalkt, geschlagen, erneut gewalkt und manchmal gefärbt, bevor der Stoff in den Handel kommt. Verschiedene Materialien und verschiedene Arbeitsschritte führen dabei
zu immer größerer Spezialisierung.
Diese Tuche sind Luxus für eine kleine Minderheit, die sie sich leisten kann. Sie tauchen dann später auf den Champagnemessen genauso wie auf der von Nowgorod auf, und nicht zuletzt auch in den
italienischen Seehandelsstätten. Mit ihnen werden Städte wie Gent, Brügge, Lille und Arras reich. Pirenne spricht vom Scheldebecken als einer ersten „industriellen Gegend“ (S.41) Bezeichnend
dafür, also für diese räumliche Spezialisierung, ist der Verzicht auf den eigenen Transport, den bald die Frühformen der Hanse und italienische Firmen übernehmen werden.
Industrie gehört so jenen Worten, die lange in einer Sphäre der Unklarheit bleiben. Aus dem Lateinischen, von wo es als beharrlicher Fließ im 18. Jahrhundert über
das Französische und Englische dann erst spät ins Deutsche gelangte, wird es dann als Großgewerbe verstanden und mit dem Fabriksystem vor allem identifiziert.
Grundsätzlich ist aber in fast allen Städten damals Tuchproduktion verbreitet, wie in Huy, wo der Bischof von Lüttich als Stadtherr 1066 ausdrücklich die Entstehung eines städtischen
Rechtsbezirks fördert, der indirekt auch die Handelsbeziehungen bis England, Schweden und Nordrussland unterstützt.
In der zweiten Städtelandschaft, in der sich Kapitalismus einnistet, Norditalien und Toskana, werden im 11. Jahrhundert einfache Wollstoffe für den lokalen und regionalen Verbrauch produziert,
die auf italienischer Wollproduktion beruhen.
Wanderherden zwischen Appeninenhängen und den südwestlichen Maremmen liefern Wolle wenn auch eher einfacher Qualität, was die Ausgangsbasis für Tuchproduktion in den meisten größeren Städten
liefert. Safran von San Gimignano und Arezzo, Färberwaid von Borgo San Sepolcro und Arezzo und von letzterer Stadt zudem Krapp geben den Tuchen Farben, und die können mit Alaun von Piombino
fixiert werden. Damit kann den besseren Tuchen aus Flandern kaum Konkurrenz gemacht werden, aber auch sie sind ein Handelsgut. Und ganz langsam werden die Tuche in Florenz, Mailand, Verona und
wenigen anderen Städten besser, um so in den Nahen Orient und den Mittelmeerraum verkauft werden zu können.
Über China, den Nahen Osten und Byzanz gelangt die Seidenproduktion ins lateinische Europa. zunächst wohl nach der Residenzstadt Salerno. In dieser Zeit, also um 1050, zählt man in dem noch
byzantinischen Kalabrien bereits 24 000 Maulbeerbäume, ein kostbares Gut. (Mitterauer, S.191) Von Salerno sind Anfänge der Seidenproduktion damals wohl schon nach Lucca gelangt.
Bergbau und Metalle
Wo es nicht Könige sind, sind es vor allem mächtige und reiche Klöster, die eben nicht nur von Agrarprodukten und handwerklichen Erzeugnissen einer von ihnen unterdrückten Bevölkerung Reichtümer
und Macht aufbauen, sondern auch vermittels des Bergbaus. Dazu kaufen sie erzreiche Gebiete, die zum Teil viele hundert Kilometer von ihrem Zentrum entfernt sind. St. Denis bei Paris besorgt sich
so erzhaltige Gebiete im Breisgau, ähnlich wie Lorsch und St. Gallen (usw.). An Klöstern angesiedelte Waffen- und Alltagsgüter-Produktion deckt so ihren Rohstoffbedarf.
Ähnliche Bedeutung hat der Bergbau für Stadtherren. Der Basler Bischof schafft es so, im Zuge der Burgundpolitik deutscher Könige/ Kaiser die Kontrolle über den ganzen Breisgauer Bergbau, die
Silberproduktion und die Münze im Breisgau zu erlangen. Indem er zugleich den Wildbann dort erhält, kann er die Ausplünderung der Erde mit jener rabiaten Nutzung des Holzes der Wälder als
Brennstoff verbinden, die aus Erzen erst Metalle macht.
Die Pisaner eignen sich mit Elba dessen Eisenerz an, und verpachten die Minen an reiche städtische Kaufleute. Bergarbeiter und Schmiede kommen zum Teil aus der Lombardei. Im Winter wird das
Eisen abgebaut und verhüttet, im Sommer wird das Eisen in der Stadt zu Werkzeugen und Waffen verarbeitet oder weiterverkauft. (Mitterauer(2), S.222)
Die Erzgewinnung, bislang siedlungsnah und durch Schürfen an der Oberfläche durch Bauern betrieben, gerät im 10./11. Jahrhundert stärker in den Blickpunkt der Adelsherrschaften, die Leute
losschicken, um ortsfernere Vorkommen zu suchen. Schächte werden dann bald auch in die Erde getrieben, es wird mit Förderkörben oder einfachen Grubenkarren gearbeitet. Werden Stollen tiefer in
die Erde getrieben, muss Wasser abgeführt werden, was erst gegen Ende des 12. Jahrhunderts durch Ablaufstollen gelingen wird.
Die Bereitschaft, die harte und elende Arbeit des Erzabbaus zu betreiben, verweist auf die Not in den Reihen der ländliche Produzenten, die solchen zusätzlichen Erwerb erstrebenswert macht.
Tatsächlich wird die erste Industrialisierung, die nun langsam einsetzt, auf dem Rücken eines breiten ländlichen Proletariats betrieben, welches mit seiner zunehmend erfolgreichen Vermehrung
seine eigene Verarmung betreibt.
Seit der Antike wird das Eisenerz in Rennöfen bei Temperaturen von 1200 bis 1400 Grad mit Hilfe von Holzkohle herausgeschmolzen.Was sich dabei langsam ändert ist die Höhe der Öfen und die
gesteigerte Temperatur durch mechanisch betriebene Blasebälge, welche dem Feuer Sauerstoff zuführen.
Südlich von der Tuchindustrie, an der mittleren Maas, entsteht aus eigenen Rohstoffvorkommen eine Kupfer- und Messingindustrie mit Zentren in Namur, Dinant und Lüttich. Dinant hatte schon in der
Karolingerzeit einen Übergang über die Maas, der den Niederrhein, die Nord-Champagne und Ostflandern miteinander verband. Über den Fluss ist die Stadt mit der Nordsee verbunden. Der Herr, der
Graf von Namur, sorgt dafür, dass die seinen Reichtum fördernden, zunächst noch unfreien Leute eine Art Rechtsgleichheit in der Stadt erhalten und Schutz vor rechtlichen Ansprüchen von Herren von
außerhalb.
Aufgrund der Nachfrage für Landwirtschaft und Krieg müssen bald Rohstoffe aus der Ferne eingekauft werden, so wie die Produkte in immer größere Ferne geliefert werden.
Ende des 11. Jahrhunderts beginnt auch in diesem Bereich das Maschinen-Zeitalter mit Eisenhämmern und Schleifmühlen. Im Rheinland und in Oberitalien entstehen weitere Städtelandschaften
eisenverarbeitenden Gewerbes, die sich vor allem wie insbesondere Mailand als Waffenproduzenten hervortun.
Waffen liefern nicht nur Mailand und Brescia (in gehobener Qualität), sondern auch die tuszischen Produzenten bei Pescia und von Pistoia, die erst deutlich später von denen in Florenz überrundet
werden. Das Eisenerz nicht nur von Elba gelangt über den Arno und das Elsatal in die bewaldeten Hügel, wo es mit Wasserkraft und Holzfeuer prozessiert wird. Kapitaleigner stellen Subunternehmer
ein, die das Erz der Verarbeitung in Unternehmungen (Mühlen, Hütten und Schmelzöfen) zuführen, und davon einen Großteil an das größere Kapital zurückgeben und den Rest selbst vermarkten.
Erze gibt es nicht nur auf diesen Inseln, sondern auch im toskanischen Binnenland, insbesondere in den danach benannten colline metallifere südlich von Volterra. Zusätzlich gibt es dort
Quecksilber und Schwefel.
Die Problematik des Begriffes Gebrauchswert, der der idealisierenden Gedankenwelt von Marx entstammte, die er so offensiv zu verleugnen suchte, zeigt sich noch in einem anderen Bereich, in dem
auch die Begriffe Konsumwaren und Waren als Produktionsmittel unklar werden, nämlich in der Rüstungsindustrie, die neben der Bekleidungsindustrie den frühen Kapitalismus dominierte.
In dieser Zeit teilt sich die Rüstung auf in die ritterlich-höfische und die des in Lohnarbeit stehenden Kriegers, zunächst meist ein Infanterist.
In der Prunkrüstung des zunächst noch zu Pferde kämpfenden Adeligen wird das, was als lederne und metallene Schutzbekleidung und hölzerne mit Metall versetzte und dann ganz metallene Waffe den
Krieger ausmachte, zu einer seinem ursprünglichen Zweck entzogenen Ware, aber eine auf dem Markt immer wichtiger werdende. Sie ist soweit ästhetisiert, dass sie für den originären Gebrauch kaum
noch tauglich ist. Im Gegensatz dazu werden Rüstung und Waffen des nur noch für Geld kämpfenden Söldners bzw. Soldaten, nunmehr die Masse der Krieger, zunehmend auf Effizienz ausgelegt, denn er
soll möglichst effizient verletzen und töten und zerstören.
Waffen sind Gebrauchs- und Verbrauchsartikel, wenn sie kriegerisch eingesetzt werden, und entstammen natürlich Warenproduktion. Sie werden aber zweckrational-effizient kaum warenästhetisch
aufgewertet, da ihre Käufer sie nicht danach bewerten. Prunkrüstungen und Prunkwaffen, zunehmend vom Adel nachgefragt, unterliegen hingegen in hohem Maße ästhetischen Kriterien. In ihnen
konkurriert der Adel anders als der Krieger auf dem Schlachtfeld und ihr Gebrauch unterliegt ästhetischen Kriterien.
Dass der Krieg der Vater aller Dinge sei (polemos patér), ein Heraklit in der Antike nachgesagter Satz, meint im heraklitischen Sinne, soweit man das noch nachvollziehen kann, dass der
Streit, der Konflikt und nicht irgendeine Harmonie die Welt konstituiere. Aber der Krieg im engeren Wortsinn (polemos ist ein fast so schwierig ins Deutsche übersetzbares Wort wie das
altarabische dschihad) ist mit den despotischen Zivilisationen und bis heute zum Normalfall geworden wie die dazwischen liegenden Friedenszeiten, und er ist so einer der Antriebe für die
Entstehung des Kapitalismus geworden, und dies vor allem durch die steigende Nachfrage nach ausgeklügelteren Produkten der Metallindustrie.
Bekanntlich war der Krieg und seine Professionalisierung das Mittel zur immer größeren Ausweitung des Imperium Romanum (des militärischen Befehlsbereiches Roms) gewesen. Die Nachfolgereiche unter
Führung germanischer Völkerschaften entstanden durch kriegerische Einwanderung und Eroberung und etablierten einen Adel, der eine Kriegerschicht war, die mit großem Grundbesitz entschädigt wurde.
Der Kampf mit Waffen war sein erstes „Geschäft“, und Beute und Landbesitz der „Lohn“, Rüstungs- und Waffenproduktion also elementare frühe „handwerkliche“ Warenproduktion und erster Ort der
Innovation.
In der frühmittelalterlichen Kriegergesellschaft war natürlich zunächst der Gebrauch und damit der Gebrauchswert der Waffen für den Kampf Voraussetzung für den Besitz von Waffen für die
Zurschaustellung von Status als Prächtigkeit. Wenn Notker in seiner Vita Karoli beschreibt, wie Ludwig der Deutsche die Vorzüge eines Schwertes daran erklärt, dass er eines immer weiter biegt,
ohne dass es zerbricht, es damit als flexibile et rigida für tauglich hält, während ein anderes zerbricht, macht er seinen kriegerischen Gebrauchswert deutlich, der mehr bedeute als Gold
und Silber. (I, 29)
Massenproduktion eines solchen Gebrauchsgegenstandes war also etwas ganz anderes als Luxushandel, der Status und Luxus förderte. Aber in beiden Fällen waren im damaligen Latein artifices
die Produzenten, sofern es sich nicht um Nahrungsmittel handelte.
Das Salz
Ohne Salz kein Leben von Tier und Mensch. Letztere verbrauchen im Jahr maximal 2 kg (wohl inklusive Konservierung bei Borgolte 15 kg), Kühe über 30 und Pferde an die 18 kg. Darüber hinaus ist
Salz zum Konservieren von Lebensmitteln von erheblicher Bedeutung. Fisch und Gemüse werden eingesalzen und ebenso nicht direkt verbrauchtes Fleisch. Ungesalzenes Brot schmeckt europäischen Gaumen
nicht.
Salz ist also ein enorm wichtiges Handelsgut und die Verfügung darüber bedeutet Macht und Reichtum. "Nach Brot und Wein behauptete es sich respektabel auf dem dritten Platz." (Spufford, S.223)
Meersalz wird an vielen Stellen durch Verdunsten in Salinen und dem manchmal darauf folgenden Sieden gewonnen, wofür im wesentlichen Massen an Holz und manchmal auch Torf verwendet werden. In
Salzgärten wie bei Bourgneuf kann es dank hinreichender Sonnenwärme auch einfach durch Verdunsten gewonnen werden. Die Salzgärten von Chioggia machen noch im 10. Jahrhundert einen Großteil des
Wohlstandes Venedigs aus.
Rom, noch bevölkerungsreichste Stadt des lateinischen Abendlandes, kann sich relativ lange mit Meersalz aus der Tibermündung versorgen, bei Ostia und Porto. Die künstlich angelegten Salinen sind
in pedica und fila, also in kleine und kleinste Einheiten, aufgeteilt. Besitzer sind fast ausschließlich etwa 25 Kirchen und Klöster, mehrheitlich innerhalb der Stadtmauern.
Diese verpachten sie für viel Geld an reiche und mächtige Große, aber auch zum Teil an Priester, Handwerker und andere Geschäftsleute, die sie entweder unterverpachten oder direkt
Saisonarbeitskräfte einstellen, die zeitweilig in Hütten untergebracht sind. Die salinarii haben ihre eigene scola bzw. ars, die von einem Prioren geleitet wird.
Salzsole aus Quellen gibt es zum Beispiel in Lüneburg, wo bereits 956 eine Saline in einer Urkunde Ottos I. erwähnt wird.
Steinsalz wird ausgewaschen, ausgeschwemmt und dann ebenfalls gesotten. Wie in der Eisenindustrie kommt es auch hier zu enormem Energieverbrauch mit den entsprechenden Schäden in der Landschaft
und der Luft. Steinsalz aus Salzburg/Hallein wird schon seit der frühesten Antike gefördert und macht dann im frühen Mittelalter bereits den Reichtum des dortigen Bischofs aus.
Bis die Salzgewinnung in norddeutschen Salinen ergiebiger wird, wird an der Nordseeküste Salz auch gewonnen, indem Torf gestochen und verbrannt wird, um dann aus der Asche das Salz auszulaugen
und einzudampfen (Salztorfabbau, DMeier, S.210f.) In den Niederlanden wird der Prozess bis zur Asche an der Küste durchgeführt, worauf Kapitaleigner die Siederei dann in Städten des Hinterlandes
betreiben lassen.
Aber erst Mitte des 13. Jahrhunderts nimmt die Salzgewinnung durch Bergbau zu. Bis in das späte Mittelalter wird dabei ein enormer Raubbau insbesondere an Wald betrieben werden, dessen Holz
bereits im 11. Jahrhundert in England wie auf dem Kontinents in Massen zur Salzproduktion transportiert wird. Die Not der Armen und die Gier der Reichen verbinden sich in Schüben von
Industrialisierung und Kapitalbildung.
Der Handwerks-Betrieb
Handwerk und Landwirtschaft schaffen Produkte für Handel, der treibende Kraft für Kapitalisierung wird. Auf der produktiven Ebene handelt es sich noch für die nächsten Jahrhunderte zum
allergrößten Teil um Kleinbetriebe, vom Familienoberhaupt geleitet, als Familienbetrieb geführt und das unter der ergänzenden Mitarbeit der Ehefrauen und meist auch der Kinder.
Das Handwerk zeichnet sich durch die Beschränktheit seiner Möglichkeiten aus, denn qua Definition unterscheidet es sich von Großbetrieben, die über investives Kapital in größerem Umfang verfügen.
Dabei sind allerdings die Grenzen fließend und auch die Bezeichnung ist etwas unklar, gelten doch in unserer heutigen Benennung Meister, Geselle und Lehrling, also der Klein-Unternehmer und die
im Haushalt versorgten Arbeitskräfte als Handwerker. Insofern fließen die Begriffe zum Beispiel bei Großbaustellen wie denen für Kathedralen, Burgen oder Stadtummauerungen ineinander, wenn eine
begrenzte Zahl eigentlicher Handwerker und vor allem auch minderqualifiziertere Lohnarbeit eingesetzt werden. Aber das organisierte Handwerk, das Recht, es (selbständig) auszuüben wie auch seine
eher geringe politische Teilhabe im Laufe der Zeit sind im wesentlichen auf die Meister beschränkt.
Während die sich im späten Mittelalter herausbildenden Gruppen der Gesellen und Lehrlinge abhängige Arbeit leisten, ist der Meister als Besitzer seines Betriebes ansatzweise Kleinkapitalist und
manchmal in sehr eingeschränktem Maße Unternehmer. Im Unterschied zum ländlichen (bäuerlichen) Produzenten partizipiert er dabei ständig am Markt als Käufer und Verkäufer. Damit wird das
in der Regel niedrige Niveau seiner Kaufkraft kompensiert. Es entwickelt sich wie auf dem Lande eine Schichtung nach geldwertem Einkommen, die Handwerker ebenfalls proletarisieren kann, aber sie
auch eher selten in jenen relativen Reichtum führt, in dem dann in Einzelfällen Kapital unternehmerisch eingesetzt wird.
Die Arbeitszeit wird in der Landwirtschaft grundsätzlich vom Klima und der Jahreszeit bestimmt, kennt dort aber keinen freien Tag, wo es Vieh zu versorgen gibt. Die Arbeitszeit in der Stadt ist
noch stärker als auf dem Land von der Dauer des Tageslichtes bestimmt, ist im Sommer also erheblich länger als im Winter. Es gibt keinen "Urlaub", dafür aber mehr Feiertage als heute. Man hat
versucht auszurechnen, dass die eher wenigen Lohnarbeiter dieser Zeit im Jahresdurchschnittlich täglich etwa zwei Stunden mehr als den heutigen Achtstundentag tätig sind.
Ganz anders als heute ist es im Handwerk wie in der Landwirtschaft üblich, ins Alter hinein so lange zu arbeiten, wie die Kräfte reichen. Frauen sind meist in ihren speziellen Bereichen an der
Arbeit beteiligt, und Kinder und Jugendliche müssen zumindest mithelfen. Damit herrschen die Verhältnisse, die heute auf Niedriglohnländer abgeschoben sind.
Reich wird man grundsätzlich nicht als Handwerker, sondern erst als Händler im großen Stil, werden also höchstens solche Handwerker, die am Vertrieb ihrer Waren in größerem Umfang beteiligt sind.
Kapitalismus im Sinne von Karl Marx, wo ein Kapitalist von den in Einzelschritten zerlegten Arbeitsvorgängen getrennt ist, gibt es noch kaum. Eine Trennung findet zunächst überhaupt nur und auch
weiterhin als die von Herr und Knecht auf dem Lande statt. Der Kapitaleigner als Handwerker arbeitet selbst in seinem Betrieb, und der Händler zieht mit seiner Ware persönlich umher.
Entsprechend können beide bis ins 11. Jahrhundert in der Regel weder lesen noch schreiben, da die Schrift als Vermittlungsebene zwischen ihm und für ihn Arbeitende und zu Käufern noch nicht nötig
ist.
Spezialisierung und Arbeitsteilung
Je kleiner ein Ort und je weniger Handwerker, desto weniger sind die aufgrund der beschränkten Nachfrage imstande und geneigt, sich zu spezialisieren.
Spezialisierung im Handwerk ist horizontale wie vertikale Arbeitsteilung. Vertikal meint hier, dass mehrere Arbeitsschritte hintereinander von spezialisierten Arbeitenden vollzogen werden, was im
einzelnen Handwerksbetrieb unüblich ist, weswegen unterschiedliche Betriebe diese Schritte hintereinander vollziehen. Das bekannteste Beispiel ist die Wolltuchproduktion, die sich erst auf drei,
vier, dann auf zehn, zwanzig und bis zu sechsundzwanzig beschriebene verschiedene Arbeitsschritte und dann auch Betriebe verteilt - vom Spinnen über das Weben bis zum Färben.
Aber selbst dort gibt es inzwischen zugleich horizontale Arbeitsteilung, von der im Prinzip gleichzeitigen Herstellung von Bettdecken bis zu Tuchen für Oberbekleidung, also am Endprodukt
orientiert. Bei der Lederverarbeitung beispielweise herrscht solche horizontale, am Endprodukt orientierte Arbeitsteilung überhaupt vor, auch wenn die Gerber zumindest diesen vorgelagert ist: Da
gibt es Schuster, Gürtler, Sattler, Handschuhmacher, Taschner und andere. Ebenfalls davon getrennt sind jene Kürschner, die für eine kleine Schicht von Wohlhabenden produzieren.
Spezialisierung kann Einschränkung der Bandbreite an Rohstoffen bedeuten, eine Erleichterung im Einkauf, weswegen die Gold- und Silberschmiede schon immer vom übrigen Schmiedehandwerk getrennt
waren. Es bedeutet zudem Konzentration auf weniger Arbeitsschritte, die sorgfältiger und verfeinerter durchgeführt werden können. Vor allem ist es aber Anzeichen für einen sich ausweitenden Markt
- es gibt entsprechend mehr Käufer von Waren, also mehr Leute, die mit hinreichend viel Geld in das Marktgeschehen eingreifen. Der Marktanteil der Leute, die zu den wenigen Wohlhabenden gehören,
ist dabei viel größer als ihre Zahl, dennoch steigt der Anteil an Waren für die Mehrzahl der Städter, die immerhin im Vergleich zum Gros der Landbevölkerung sich selbst als wohlhabend betrachten
können.
Der Spezialisierung voraus oder mit ihr einhergehen konnte auch das, was man in heutigem Deutsch als Professionalisierung bezeichnen könnte. Als Beispiel kann das Bauen dienen: Bauern bauten sich
ihre Behausungen oft bis ins zwanzigste Jahrhundert selbst, oft mit der Hilfe von Nachbarn und Verwandten. Der Bischof ließ sich im frühen Mittelalter seine Kirche oder seinen Palast von den
Abhängigen aus der Grundherrschaft bauen. Mit steigenden technischen und ästhetischen Ansprüchen werden aber dann zum Beispiel mehr Steinmetze eingesetzt, die Quader so zurechthauen, dass das
Sichtmauerwerk, wie es im 12. Jahrhundert häufiger wird, des Mörtels entbehren kann. Steinmetze, die von Baustelle zu Baustelle und durch die Lande ziehen, werden dabei zu einem spezialisierten
Beruf. Dort, wo es solche Steine nicht gibt, beginnt sich im selben Jahrhundert der Ziegelbau durchzusetzen, in dem sich ein Maurerhandwerk professionalisiert. Und dort, wo immer kunstvolleres
Fachwerk auf die Mauern aufgesetzt wird, entsteht ein spezialisiertes Zimmermanns-Handwerk.
Spezialistentum entwickelte sich beim Schreiben, im Kloster und am Königshof. Dabei handelte es sich um Kleriker und Mönche, bei denen man nicht immer im engeren Sinne von Professionalisierung
reden kann. Aber, und vielleicht zuerst in Italien, entsteht mit den Notaren, die Urkunden auch für Bürger aufsetzen, daraus ein Beruf, wenn auch kein Handwerk, eine ars mechanica, sondern
einer, der auf der Unterrichtung in den artes des trivium beruht und zunächst noch dem Adel vorbehalten ist.
Hier wie im Beruf des Lehrers, der im hohen Mittelalter in den Städten häufiger wird, entsteht Profession in jenem Wortsinn, der sich dann im Begriff des Professors niederschlagen wird. Lehrer
sind dann einmal Geistliche und Mönche, die von den Abgaben ihrer Schüler ihren Lebensunterhalt bestreiten, oder aber vornehmlich Notare, die im Nebenberuf sich ein Zubrot mit Unterricht
erwerben, bis dann städtischen Schulen mit hauptberuflichen Lehrern aufkommen, die ein geregeltes Salär erhalten.
Technik und Maschinen: Einstieg in Industrialisierung
Das griechische Wort Technik (techne) bedeutet so etwas wie Kunst, Kunstfertigkeit oder Handwerk und wird von den Römern durch ars ersetzt und im deutschen Mittelalter
durch Kunst: Die Versorgung einer spätmittelalterlichen Stadt mit Wasser wird etwa durch Wasserkunst geleistet.
Viele grundlegende (Produktions)Techniken für Antike und Nachantike stammen bereits aus der Jungsteinzeit wie die Töpferei und die Textilproduktion. Andere werden aus der Antike bis ins
Mittelalter tradiert. Das Neue des kapitalistischen Mittelalters wird die beschleunigte Innovation, mit der Europa den Rest der Welt technisch überholt und dann in der Kombination von Kapital,
Waffentechnik und besonderer Brutalität erobert, um dessen Kulturen und Zivilisationen zu verwerten und zu zerstören.
Diese Verbindung von entstehendem Kapitalismus und beschleunigter Innovation wird zu untersuchen sein. Es wird nicht einfach Nachfrage, sondern ganz wesentlich der Spielraum von Kapital sein, der
die Beschleunigung der Veränderung in Gang setzt und dabei zur Nachfrage das Angebot setzt und in der Konkurrenz auf dem Markt durchsetzt. Die Erfindung oder später protowissenschaftliche
Forschung selbst kann dabei manchmal den Rückhalt des Kapitals noch entbehren, aber sie findet, um öffentlich zu werden, diesen immer recht schnell.
Die Entwicklung von Technik und Kapitalismus ist ganz eng miteinander verbunden, aber technische Fortschritte hingen zunächst an adeligem Reichtum. Die Verfeinerung der Goldschmiedekunst oder der
Elfenbeinschnitzerei im frühen Mittelalter bedurfte vor jedem Kapitalismus adelig-geistlicher Nachfrage vor allem oder der herrscherlichen Bereitschaft, Geschenke zu machen und mit dem Gold und
den funkelnden Edelsteinen zu protzen.
Ähnlich ist die Ausbreitung der Wassermühle, der wichtigsten Maschine seit dem frühen Mittelalter, zunächst in hohem Maße eine Sache der grundherrschaftlichen Klöster.
Kapitalismus und technische Innovation sind eng verbunden. Dabei ist es nicht wichtig, ob Spieltrieb oder Freude am Erfinden oder andererseits ein wie auch immer geartetes Bedürfnis die Neuerung
hervorbringen, wobei letzteres im früheren Mittelalter eher unwahrscheinlich ist, wesentlich wird beim Gewerbe die Möglichkeit der Nutzung. In der Regel dürfte bis zum Ausgang des Mittelalters
nicht Nachfrage die Innovation hervorbringen, sondern umgekehrt die Innovation, so sie erst einmal da ist, Nachfrage und im Konsumbereich ein (eingebildetes) Bedürfnis herauslocken.
Längst sind Wassermühlen auch in und vor allem um Städte herum angekommen. Für den Winter 1073/74 konstatiert Lampert von Hersfeld in seinen Annalen Brotmangel, denn weil die Flüsse
zugefroren waren, standen die Mühlen überall still, und konnten das Getreide, welches man noch fand, nicht mahlen. Bevölkerung und Heere waren also so groß geworden, dass sie längst auf
Wassermühlen zur Brotherstellung angewiesen waren. Mit eigener Kraft mahlen reichte nicht mehr.
Neben dem Kapital zur Errichtung der Mühle muss bis ins hohe Mittelalter eine einigermaßen durchgehende Wasserführung des Fließgewässers vorhanden sein, dazu muss ein adquater Zuweg eingerichtet
werden. Die Mühlen sind zuerst unterschlächtig, das heißt, das Wasser fließt unten gegen das Mühlrad und bewegt dieses. Oberschlächtige Mühlen bedürfen eher eines künstlich hergestellten
Gefälles. Daneben gibt es horizontale Mühlräder und seit dem 10. Jahrhundert solche, die auf Schiffe montiert werden wie in Köln.
Mit insbesondere der Nutzung der Wasserkraft und der Umwandlung der Drehbewegung der Mühlen durch die Nockenwelle, die eine rotierende in eine lineare Bewegung überführt, also mit der ersten
Maschine, beginnt seit dem Ende des 11. Jahrhundert eine erste Industrialisierung der Wirtschaft, die dann durch die nächsten Jahrhunderte mit immer neuen Innovationen anhält. Die Erinnerung
daran ist in England dadurch erhalten geblieben, dass Fabriken bis in die Gegenwart Mühlen heißen, mills eben. Hier gibt es 1086 laut domesday book in 9250 Gutsbetrieben bereits
6082 Mühlen, von denen manche schon Jahrhunderte vorher eingerichtet worden waren. In etwa dieser Zeit sind im heutigen Département Aube (Frankreich) 14 Mühlen belegt. Im 12. Jahrhundert werden
es 60 sein und im 13. Jahrhundert 200. (Ertl, S.73)
Was mit Mühlen nun an handwerklicher Arbeit oder einfacher Lohnarbeit ersetzt werden kann, wird ersetzt, und das Leben und Arbeiten von immer mehr Menschen hängt dann direkt und meist indirekt
zunehmend auch von dem Betrieb der Mühlen ab, aber sie liefern nicht wie neuzeitliche Manufakturen Endprodukte ab, sondern solche für weitere Verarbeitung, wie das Mehl für den Bäcker und Eisen
für den Hufschmied. Durch das Mittelalter sind so alles in allem Mühlen für die Ausweitung und Spezialisierung der Handwerkerschaft eher nützlich, während Fabriken im 19./20. Jahrhundert das
produktive Handwerk ruinieren werden.
Mühlen sind teuer und bedürfen zur Errichtung und Unterhaltung größerer Geldmengen. Sie sind darum zunächst oft herrschaftliche Einrichtungen und unterliegen dem Bann. Dabei dienen sie allerdings
nicht unmittelbar der Kapitalisierung von Reichtum, werden die Einnahmen aus ihrer Nutzung doch als Renten zum nicht geringen Teil in Konsum und immobiler Vermögenserweiterung umgesetzt. Das
grundherrliche Monopol der Bannmühle wird Teil einer sich allgemein durchsetzenden Banngewalt, die auch den öffentlichen Backofen, die Öl- oder Weinpresse und so manches andere neben den Abgaben
und Diensten an den Grundherrn betrifft.
Was Mühlen aber noch weit erheblicher beeinflussen, ist das Textil- und Eisengewerbe, dort wo sie dafür dann auch eingesetzt werden. Das beginnt im Textilbereich mit einer ersten dokumentierten
Walkmühle in der Toskana 983 am Serchio. Es folgen weitere im 11. Jahrhundert in Westfranzien, 1086/87 ist eine für Saint-Wandrille in der Normandie belegt, und im 12. Jahrhundert in England (ab
1185) und Flandern. Bis dahin wurde mit den Füßen oder durch Schlagen Tierhaar oder Gewebe daraus verfilzt. Mühlenbetriebene Walkhämmer schaffen das im drei- bis vierfachen Tempo, indem sie
Hämmer auf die Tuche in einer Walklauge fallen lassen und ersetzen so bis zu vierzig Fußwalker. In derselben Zeit werden auch frühe Mühlen zum Brechen von Hanf und Flachs erwähnt wie beim Kloster
Admont. Aber es sind noch Einzelfälle wie mit Wasserkraft betriebene Gerbereien.
Noch seltener sind im 11. Jahrhundert Schleifmühlen, die metallene Geräte und Waffen schärfen. Laut Gilomen soll zudem bereits 1073 in Nordspanien eine Mühle das Gebläse eines Schmelzofens
betrieben haben (S.71), ein molinum fornacinum. Im Domesday Book werden für 1086 "Mühlen genannt, die Eisen abzuliefern hatten." (Borgolte, S.324) Für 1135 wird eine erste Schmiedemühle
in Frankreich erwähnt.
Keller erwähnt: „Der Vorratsverwalter des Klosters St.Trond hatte um 1100 jährlich dreißig bis vierzig Mönche einzukleiden mit Pelzmantel, kapuzenversehenem Überwurf, Kutte, Hose, zwei Hemden,
acht paar Strümpfen, einem paar Stiefel und einem paar hoher Schuhe, vier paar weiterer Schuhe samt dem nötigen Schuhfett; dazu kam die Kleidung für über dreißig Diener des Konvents. All das
kaufte er auf dem Markt, und die Mittel dazu musste er wenigstens zur Hälfte aus dem Verkauf der Naturalabgaben von bestimmten Höfen aufbringen.“ (Begrenzung, S.261)
Dies ist ein Sonderfall, denn zumindest ein Teil der einzukaufenden Waren sind standardisierte Mönchskleidung, und zudem verlangt wohl auch die Menge Übereinkünfte zwischen Kloster und Handel und
Produktion. Markt meint hier denn vor allem auch durch Geld vermittelten Ein- und Verkauf. Insofern gibt es „Marktwirtschaft“ auch jenseits eines Ortes, der als Marktplatz definiert ist.
Aber zunehmend wird auch für einen „Markt“ produziert, auf den die Waren ohne Vorbestellung gelangen. Wenn verschiedene Handwerke in vertikaler Arbeitsteilung Tuche produzieren, sind mindestens
die vorgeschalteten Produktionsvorgänge ohne Bezug zum Markt, und selbst das fertige Tuch wird zunehmend nicht mehr durch den Endproduzenten an den Kunden gebracht. Wenn nicht mehr für bestimmte
Konsumenten produziert wird und der Händler zwischen Produktion und Konsum tritt, verändert sich der Charakter der Arbeit, sie verliert ein gutes Stück weit ihren unmittelbaren sozialen Bezug.
Zwischen dem 10. und 12. Jahrhundert ist von Angebot und Nachfrage her nur eine Minderheit der Bevölkerung des lateinischen Abendlandes mehr als ausnahmsweise in einen Markt integriert. Für
Bauern heißt das, zu Erntezeiten Überschüsse an Nahrungsmitteln und gewerblichen Rohstoffen zu vermarkten, um davon einmal die zunehmend geldlichen Abgaben an ihre Herren zu bezahlen und,
seltener, auf Märkten gewerbliche Produkte zu erwerben. Eine entstehende ländliche Unterschicht (etwa ein Viertel bis gut die Hälfte der Bevölkerung) ist davon aber wohl weitgehend ausgeschlossen
in dieser Zeit.
Im lateinischen Abendland nimmt zwar der Fernhandel zu, aber der größte Teil der Waren wird weiterhin und wohl noch viele Jahrhunderte lang auf lokalen Märkten umgesetzt, aber diese nehmen
immerhin schnell zu. Zwischen 1086 und 1300 verdreifacht sich zum Beispiel die Zahl der Märkte fast.
Städter sind viel stärker in einen Markt integriert. Die meisten, insbesondere Händler, müssen Nahrungsmittel einkaufen oder zumindest zukaufen, und zwar von Händlern der Grundherren oder von
Bauern. Handwerker kaufen zudem Rohstoffe und verkaufen Fertigprodukte. Dienstboten der Herren, die als Ministeriale in die Ritterschaft aufsteigen, haben Bedarf für einen sich hebenden
Lebensstil, der aus Abgaben der Produzenten direkt oder indirekt finanziert wird. Und die hohen Herren, die als sich immer deutlicher abhebender Adel Luxusbedürfnisse entfalten, finanzieren diese
ebenfalls aus den Renten ihres gewalttätigen Kriegerdaseins, die sich als Einkünfte aus Grundherrschaft ergeben.
Status und gradus erweisen sich zwar grundsätzlich an Titeln und Bezeichnungen, aber sie müssen sichtbar sein, was herausgehobene Ministeriale und wohlhabendere unter den aufsteigenden
Bürgern schnell begreifen und nachahmen. Das deutsche Wort êre wird in einer stehenden Wendung mit guot verbunden, und zwar nicht nur im 'Armen Heinrich' des Hartmann von der
Aue, und zur Ehre passt auch der Ruhm (prîs) und zum honor die Prächtigkeit.
Gehobener Status äußert sich dabei in dem Maße dessen, was da gerade als Luxus angesehen wird.
Im Kern entsteht der Kapitalismus nicht nur über den Reichtum der Herren und das vor allem daraus resultierende frühe und relativ freie Handels- und Finanzkapital, sondern durch die Förderung von
beidem durch die Ausweitung der allgemeinen Warenwirtschaft und entsprechend des Marktes. Im Geld gerät die Ware in Gleichungen, die sinnvoll erst durch die Rechtsgleichheit der Akteure dort
werden: Nur so wird die um den Markt angeordnete und von der Außenwelt abgeschlossene Stadt zu jenem Hort an Gemeinsamkeiten, aus denen Kapitalismus als ihr Kern und wesentlicher Ordnungsfaktor
hervorgeht.
Laut Hagen Keller erreicht Mailand diesen Zustand bereits im Verlauf des 11. Jahrhunderts: "Nicht mehr der Hof des Königs und seine Umgebung bilden den vielleicht wichtigsten Zielpunkt des
Fernhandels, die auf ihn orientierten oder sogar von ihm abhängigen Kaufleute und Handwerker treten zurück; bestimmend werden vielmehr die Bedürfnisse und die Kaufkraft "der Stadt", ihrer
Einwohnerschaft und ihrer "Gäste". Bevölkerungszahl, Fruchtbarkeit des UMl, andes, die Nähe zu den Stätten der Metallgewinnung am Alpenrand und andere Faktorendieser Art verschaffen Mailand
ebenso Vorteile gegenüber den Konkurrentinnen wie beispielsweise Kaufkraft, Lebensstil und Luxusbedürfnis des überaus zahleichen Klerus, was uns in den Chroniken des 11. Jahrhunderts sehr
anschaulich geschildert wird, sowie der großen Vasallität des Erzstifts." (Keller in: Frühgeschichte, S.88f)
Eine sich ausweitende, durch Handel vermittelte Marktwirtschaft ist zwar noch kein Kapitalismus, aber ein notwendiges Element. Zu einem solchen wird sie erst, wo die Bedürfnisse des Kapitals,
sein Vermehrungsdrang, das übrige Geschehen zu dominieren beginnen. Das geschieht dann zwischen dem 11. und 13. Jahrhundert in immer größeren Teilen Europas.
Alperts Kaufmannsgilde von Tiel
Tiel übernimmt spätestens im 10. Jahrhundert die Rolle von Dorestad als Handelsplatz (vicus/portus) mit England übernommen. Vielleicht neben der Kaufmanns-Siedlung gibt es seit
Mitte des 10. Jahrhunderts an einem Kloster eine civitas Tiala und zudem einen bedeutenden curtis imperialis mit Gehöften und einem Reichszoll. Herr ist seit 850 der Bischof von
Utrecht, der Tiel aber wenig Schutz bieten kann. Der kaiserliche Hof ist um die Jhartausendwende an das Marienstift Aachen übergegangen. Der Ort wird dementsprechend noch Anfang des 11.
Jahrhunderts sowohl von Normannen verwüstet wie von Holländern ("Friesen") bedroht, die 1018 ein Heer König Heinrichs II. besiegen. (Alles nach Oexle in: Jankuhn/Ebel, S.176ff)
Der nicht weit entfernt beheimatete Mönch Alpert von Metz beschreibt um 1020 in seinem Text 'De diversitate temporum', welches er Bischof Burchard von Worms widmet, unter anderem die Kaufleute
von Tiel, deren Vereinigung (instituta) und Verhalten (mores) er abstoßend findet. Er beschreibt sie als jenseits der Zivilisation des klerikalen Raumes angesiedelt, in
einem Raum eigener Rechtsvorstellungen.
Einerseits stellt er diese in den Kontext fehlenden Königsschutzes und erklärt damit implizit ihre, wie sie Historiker heute nennen, Gilde als Selbstschutz. Andererseits erklärt er damit ebenso
implizit auch ihr Anderssein gegenüber (Kauf)Leuten in Bischofsstädten, die einen Stadtherrn als Schutzherr haben.
Diese Leute treffen Entscheidungen nach ihrer voluntas, also nach ihrer Willkür, wie das damals heißt, und nicht nach Gesetzen. Damit erfüllen sie den Charakter einer Kaufmannsgilde, wie
sie bald auch in Valenciennes und St.Omer auftaucht. Daraus erklärt sich für ihn, dass sie zahlreiche Verbrechen (scelera) begehen. Dazu gehören Meineide, denn sie ersetzen Gottesurteile
und andere gesetzliche Verfahren durch Eidesleistungen, deren schlimmste es ist, eine Schwurgemeinschaft zu bilden, wovon Alpert allerdings nicht explizit redet.
Dann haben sie eine eigene Vorstellung von der Ehe, bei der offenbar nur die Frau berechtigt ist, bei Ehebruch ihren Mann (vor einem bischöflichen Buß-Gericht) zu verklagen. Immerhin kann man
wohl erschließen, dass Frauen an alledem beteiligt sind. (Oexle in: Jankuhn/Ebel, S.186) Schließlich ergeben die Kaufleute sich seiner Ansicht nach regelmäßig dem Suff. Diese Säufer laut Alpert
legen Geld nicht nur zum Investieren zusammen, sondern auch "damit sie zu bestimmten Zeiten des Jahres Gelage veranstalten konnten. Die höchsten Festtage feierten sie förmlich im Rausch.“
(Groten, S.47f)
Schon früh am Morgen geben sie sich ihren Trinkgelagen hin, und wer dort mit erhobener Stimme Zoten (turpes sermones), erzählt, um die anderen zum Lachen zu
bringen, und wer das ungebildete und unwissende Volk (indocile vulgus) zum Trinken animiert, der erntet großes Lob bei ihnen. (...) Bei dieser Gelegenheit bringen sie zusammen Geld auf,
teilen es und geben es den Einzelnen, um damit Gewinne zu machen (ad lucra) und daraus bestreiten sie zu bestimmten Zeiten im Jahr gewisse Trinkgelage und feiern so an höheren Festen
gewissermaßen der Trunkenheit einen Gottesdienst. (in: Jankuhn/Ebel, S.179f) Vermutlich soll die Beschreibung von Alkoholismus einfach nur moralisch steigern, was tatsächlich als die
gelegentlichen rituellen Trinkgelage einer Gilde stattfindet.
Geld (derzeit in Arbeit)
**************
Geld
Während die Masse der Menschen nach der weströmischen Antike zunächst immer weniger Zugang zu Geld hat, verfügen die hohen Herren weiter darüber in größeren Mengen. Zwischen dem 10. und 12.
Jahrhundert nimmt dann das in Umlauf befindliche Geld zwischen England und Sizilien und von der Elbe bis nach Galizien immer schneller zu und gelangt zunehmend auch wieder in die Hände von
Kleinbauern und städtischer Unterschicht. Das entspricht den Interessen der Mächtigen, die im 11. Jahrhundert bereits mit größeren Geldmengen in ihren Kassen rechnen. Damit wird nicht nur
zunehmender Luxus im Lebensmittelbereich, in der Rüstung und Kleidung, schließlich auch in der Ausstattung von Gebäuden bezahlt, sondern auch Hoftage, Heerzüge, überhaupt kriegerische
Unternehmungen verschlingen immer mehr Geld.
Zwar entsprechen in der bald im Süden aufkommenden feudalen Theorie dem Verleihen von Land, Rechten und Ämtern nichtmonetäre Gegenleistungen, tatsächlich werden die aber durch Geschenke und
Bezahlung zunehmend gefördert und begleitet. Dabei nimmt auch das Schuldenmachen und der Geldverleih immer mehr Raum ein. Aber Finanzkapital spielt in den Machtstrukturen außerhalb des
nordwestlichen Mittelmeerraumes noch eine untergeordnete Rolle .
Dennoch: Wir können nur vage ahnen, welche enormen Geldmengen zum Beispiel die Eroberung Englands 1066-70/74 durch Herzog Wilhelm von der Normandie gekostet haben muss und wie er sie
vorfinanziert hat. Jedenfalls besteht wohl ein nicht geringer Teil seines Heeres aus Söldnern, die während der langen Wartezeit an der normannischen Küste bezahlt und durchgefüttert werden
müssen. Das restliche Heer dürfte durch Landgier fördernde herzogliche Versprechungen bewegt worden sein, die wiederum erweist sich aber bei Übernahme der angelsächsischen Güter als Geldgier: Ein
Teil der Landräuber taucht nur selten auf seinen neuen Gütern auf und ist im wesentlichen an den Renten in Geld interessiert (Carpenter, S. 78)
Wie wichtig Geld inzwischen ist, belegt der erste Kreuzzug, für den enorme Summen bewegt und aufgebracht und riesige Kredite aufgenommen werden, wie zum Beispiel die 6666 Pfund, die der
Normannenherzog Robert von seinem Bruder Wilhelm dafür erhält, und die dieser durch ein außerordentliches geld seiner Untertanen relativ schnell zusammen bekommt. Überhaupt dienen die
frisch ausgebildeten feudalen Machtstrukturen in England zunehmend dem Zusammenraffen von Geld. Wilhelm Rufus braucht es deshalb, weil er damit Soldaten anheuert und sich mit dem Geld seine
Haustruppe aus Rittern "from all over Europe" zusammenstellt (Carpenter, S.133).
Das was Moralisten später einmal Korruption nennen werden, ist spätestens seit dem 11. Jahrhundert in Italien gang und gebe, und wird im 12. Jahrhundert das ganze lateinische Abendland
überrollen. Gemeint ist die Käuflichkeit von Ämtern, Titeln, Einfluss und Verträgen. Päpste (auch die frömmeren) kaufen sich Unterstützung bei den Parteiungen im zerstrittenen Rom, wer
Privilegien und Einfluss will, reist in die Hauptstadt der westlichen Christenheit, geht zu den dortigen Geldleihern und kauft sich Beschlüsse der Kurie. Der große päpstliche Landbesitz ist
verpachtet, aber die Päpste verfügen über große Mengen an Gold und Silber.
Hildebrand/Gregor gewinnt Rückhalt in Rom auch über Geldgeschenke. Das taucht im Absetzungsbrief Heinrichs IV. so auf:
Durch List, was das Mönchsgelübde verabscheut, bist du zu Geld gekommen, durch Geld zu Gunst, durch Gunst zum Schwert, durch das Schwert zum Sitz des
Friedens.. (in: Althoff(6), S.137)
Geld ist hier bereits unübersehbar die Basis der Karriere hin zur Macht.
1084 verteilt Heinrich IV. in Rom pecunia und kann seinen Papst durchsetzen.
Roger von Sizilien kauft sich 1134 mit 240 Unzen Gold jährlich die Unterstützung der Pierleoni. Welche Rolle Korruption von da an im päpstlichen Rom durch die Jahrhunderte spielen wird, ist
bekannt.
**************
Die Ausweitung eines nicht mehr wesentlich örtlich bestimmten, sondern allgemeinen Marktes bedarf einer Zunahme des Geldes. Diese findet auch statt, hält aber oft nicht Schritt mit der Nachfrage.
Der Aufstieg des Handels lässt sich also an der steigenden Bedeutung des Geldwesens ablesen, welches nach der Antike allerdings nie ganz zum Erliegen kam.
Zwei monetäre Entwicklungen zeichnen den Weg in die Entfaltung des Kapitalismus aus: Die enorme Vermehrung des Geldes und dann am Ende seine Mehrstufigkeit. Bis in die Stauferzeit hinein gilt im
Kaiserreich das silberne Pfenniggeld Karls d. Gr., der Denar. Schilling und Pfund bzw. Mark sind reine Rechnungseinheiten, wobei die Mark im 11. Jahrhundert das Pfund ablöst. Die Antike kannte
hingegen bereits Gold, - Silber- und Bronzemünzen. Die islamische Welt kennt die Trennung in Silber- und Goldmünzen wie das oströmische Reich, welches zudem noch Kupfermünzen hat.
Die Geldvermehrung geschieht nicht nur durch eine Intensivierung der Geldwirtschaft, sondern auch ihre Ausdehnung. Die zunehmende Bedeutung lässt sich an der Münzreform des großen Karl ablesen,
aber mit dem Zerfall des Karolingerreiches kommt es zu einem großen Durcheinander im Bereich des Geldwesens, den zu ordnen dann der Macht italienischer Städte und mächtiger Herrscher zukommt.
Um 900 gilt für Geldwirtschaft noch die Rheingrenze, um 1000 ist sie bis an die Elbe vorgedrungen. Ab etwa dieser Zeit beginnen die ostmitteleuropäischen und die skandinavischen Länder mit der
Münzprägung. Noch im 11. Jahrhundert scheinen aberdort englische und Münzen des Kaiserreiches vorzuherrschen.
Der Geldwert soll dem Wert des Edelmetalls der Münze entsprechen, weswegen Edelmetall in Barrenform grundsätzlich nach Gewicht auch gemünztes Geld ersetzen kann. Aber Geldentwertung gibt es schon
bei den Denaren: Zum einen werden sie immer leichter und zum anderen sinkt ihr Silbergehalt. Beteiligt daran sind die vor allem geistlichen principes, an die die römischen Könige das
Münzrecht im 10. und 11. Jahrhundert vergeben, also Bischöfe, Äbte, aber auch Herzöge und einige Grafen.
Zunächst in Westfranzien erreicht der Geldbedarf einen neuen Anschub mit dem ersten Kreuzzug. Der erhebliche Geldbedarf für den einzelnen Krieger soll laut Urban II. durch Verpachtung des
Grundbesitzes und Kredit auf künftige Einnahmen beschafft werden. Viele miles beschaffen sich Anleihen bei jenen Klöstern, die über viel Geld verfügen. Der Herzog der Normandie
verpfändet sein Herzogtum an den englischen König, um standesgemäß ins "Heilige Land" zu gelangen.
England besitzt schon im 10. Jahrhundert landesweites königliches Geld nach karolingischem Muster aus rund 70 Münzen, meist in burhs angesiedelt. Im Umlauf sind Silberpfennige, die auch schon mal
von Nutzern zerteilt werden, ist ein Penny doch bereits der Tageslohn eines Landarbeiters. Es wird alle sechs Jahre, seit 1035 alle drei Jahre eingezogen und durch neues ersetzt. Wie
dort dann die Geldmenge zunimmt, lässt sich an folgenden Zahlen ablesen: 37 500 Pfund in Münzen sind um 1100 in Umlauf, 1320 werden es mehr als eine Million sein (Dyer, S.101)
Bis ins 11. Jahrhundert hinein gibt es in Spanien nur islamisches Münzgeld. Mitte des 11. Jahrhunderts beginnt sporadische Münzprägung in der Grafschaft Barcelona, die dann 1086 durch eine Münze
von Jaca verstetigt wird, die Münzen aus Silber und Kupfer im Verhältnis 3 zu 2 herstellt. Etwa in dieser Zeit beginnt auch die kastilische Münzproduktion, die sich erst an solcher der
islamischen Nachbarn orientiert und dann später an der von Aragón.
Die Münzproduktion im Almohadenreich ist wesentlich fortgeschrittener und differenzierter. Es gibt die silbernen Dirhems und dann auch den Dinar zu 4 Gramm, aber es existieren auch geteilte
Einheiten bis hinunter zu etwa einem halben Gramm, was zeigt, das Geldwirtschaft und Markt viel verbreiteter sind als bei den christlichen Nachbarn.
Geld, Kapital, Zins und Wucher
Die Reformbewegung in der Kirche fällt zusammen mit der frühen Einnistung von Kapital in den Städten. Dass ausgerechnet eine lateinisch-"christliche“ Welt in ihrem Schoß den Kapitalismus gebären
wird, wirkt dabei abstrus, wenn man Christentum mit den Evangelien, der Apostelgeschichte und Paulus verbindet. Aber zwischen dem Extrem der Weltflucht und Naturverneinung auf der einen Seite,
und der ganz und gar unevangelischen gewalttätigen Besitzgier einer wenig christlichen Kriegerschar auf der anderen Seite findet er offenbar seinen idealen Platz. Der Kapitalismus wird in einer
radikal widersprüchlichen Welt entstehen, in der der Grundwiderspruch aus der immer neuen Versöhnung von Christentum und Gier nach Macht und Geld, der Eintracht des eigentlich Unversöhnlichen,
und zwar als immer radikalere Ent-Evangelisierung aufgelöst wird.
Das frühere Mittelalter, der Weg in die erste Blüte des Kapitalismus, hat noch kaum ein Wort für Kapital und schon gar keinen Begriff davon; was wahrgenommen wird ist die immer wichtigere Rolle
des Geldes, dessen umlaufende Menge dabei zunimmt. Grund und Boden samt darauf lebenden und arbeitenden und von Herren abhängige Menschen werden verkauft oder verpfändet. Produkte werden häufiger
verkauft. Überhaupt fast alles kann nun zur Ware zu werden. Friedrich I. Barbarossa kauft das schwäbische Welfenerbe von Welf VI. Die enorme Lösegelderpressung von der englischen Krone finanziert
die Eroberung Siziliens durch Heinrich VI. Menschen verkaufen ihre Arbeitskraft an andere, manchmal nur gegen Kost und Logis, denn ohne Geld muss man in den Städten sonst betteln.
Ablass von Sündenstrafen wird käuflicher. In den Dekretalien des Bischofs Burchard von Worms wird um 1020 bereits festgelegt, das der Reiche ein siebenwöchiges Fasten mit 20 solidi ablösen kann,
der Arme mit 3. (decretum XIX, 22)
Überhaupt: Immer mehr wird käuflich. Wir gelangen in eine immer weiter sich verallgemeinernde Warenwelt, die allerdings Mensch, Natur und Landschaft regional in unterschiedlichem Maße erfasst.
Das evangelische Christentum verordnet neben der Besitzlosigkeit, die allerdings nur ganz wenige freiwillig praktizieren, auch noch die Nächstenliebe, die unter der Bedingung von Besitzlosigkeit
ursprünglich natürlich nicht materiell gemeint sein konnte, wenn man von dem Kuriosum absieht, dass, wer Jesus folgt, seinen Besitz den Armen schenken soll, wodurch man sie wiederum vom Apostolat
abhält. Die Kirche hatte daraus in ihren Anfängen, als sie von der heiligen Besitzlosigkeit bereits absah, das Verbot des Zinses unter Christen abgeleitet, was der Islam übernehmen wird: Wer
bedürftig ist, dem ist zu geben in Form eines Geschenkes, und wer einer Summe Geldes bedürftig ist, dem darf nicht mehr abverlangt werden als höchstens dessen Rückgabe nach einiger Zeit.
Soweit das Ideal, und seine extrem seltene Praxis wird nun bald als Heiligkeit gefeiert. Das Ideal nicht gewinnorientierten Wirtschaftens findet sich nur in der Selbstversorgung, und die Praxis
wird in der autarken Grundherrschaft gesehen. Aber wie beim Armutsideal wird auch das der Autarkie in der Praxis fast nie zur Gänze eingehalten. Anders hätte es im ersten christlichen Jahrtausend
kaum so viele Märkte und Händler geben können.
Was eine Stadt zusammenhält, ist der Umgang mit gemünztem Geld, welches von der Schatzbildung manchmal zur Kapitalbildung führt, von der Reservierung eines Teils dieses Geldes für die
Investition, für die Erwirtschaftung eines Gewinns. Dieser aber als Differenz zwischen eingesetztem und erwirtschafteten Kapital wird von Kirche und wohl manchmal auch von grundbesitzender
Oberschicht mit Misstrauen, Verachtung und Diffamierung betrachtet, andererseits aber parallel dazu aus Eigennutz auch zunehmend gefördert.
Das gilt besonders auch für reine Finanzgeschäfte, das Wechseln von Geld (unterschiedlicher und an verschiedenen Orten geltender Münzen) mit einem pekuniären Vorteil für den Geldwechsler, und
ganz besonders für das Vergeben von Krediten mit einem darauf liegenden Zins. Hier wird allem Anschein nach kein Arbeitseinsatz des Kapitaleigners mehr vergolten, sondern nur noch die
Risikobereitschaft des Kreditgebers, die im Kern als verwerfliche Gier gilt.
Letztlich akzeptiert die Kirche die zunehmende Käuflichkeit, an der sie teilhat, verlangt dabei allerdings weiter einen "gerechten Preis", also einen, den sie rechtfertigen kann.
Reichtum darf sich von vorneherein durch Spenden an Kirche und Kloster rechtfertigen und durch Almosen für die Armen. Der Zins wird dann aber weiter manchmal als gerechtfertigter geduldet, wenn
er von einem Wucherzins unterschieden wird, wobei die Unterscheidung sich bald schon scholastisch geübter Argumentationen bedient.
Verbunden mit der zweckrationalen Praxis eines Wirtschaftens auf einem Markt und für ihn schwindet der unvernünftige Kern der evangelischen Botschaft ganz aus dem Zentrum ihres Augenmerks, der
nun von evangelisch orientierten Abweichlern betont wird. So wie Kirche die Sünde des ausgelebten Geschlechtstriebes von Anfang an duldet und im 12. Jahrhundert zunehmend die Heiligkeit der Ehe
betont, so wird auch jene Gier nach Besitz und Macht geduldet, und mit ihr im Laufe der Zeit auch der Kapitalismus.
Im 9./10. Jahrhundert beginnt man, die kirchliche Lehre vom Verbot des Wuchers zu systematisieren. Im 11. Jahrhundert reagiert die (Papst)Kirche mit ihrem geschärften Selbstbewusstsein auch
schärfer auf die sich verbreitende Geldwirtschaft und den sich einnistenden Ansatz für Kapitalismus. Zins- und Wucherverbote samt abwertenden Äußerungen zum Handel werden "zusammengetragen und
unverändert eingeschärft." (Gilomen, S. 94)
Wie wenig das Wucherverbot durchgesetzt wird, zeigt das Beispiel der Zinssatzung. Bei ihr "stellte der Gläubiger einem Schuldner einen Geldbetrag zur Verfügung und erhielt dafür von diesem
fruchttragende Güter, also z.B. Getreideäcker, Rebberge oder auch eine Mühle zu Pfandbesitz. Solange der Kredit nicht zurückbezahlt wurde, strich der Gläubiger die Erträge der Pfandgüter als
Verzinsung ein." (Gilomen in: Heinzle, S.199)
Als Vorläufer des späteren Rentenkaufs, bei dem es um ein als Kauf kaschiertes Darlehen geht, welches in Geld festverzinst zurückgezahlt werden muss, ist ein solches Geschäft insbesondere bei den
Klöstern beliebt, und Kreuzfahrer werden häufig Besitzungen derart verpfänden, um an Geld für ihre militärische Unternehmung zu kommen. Gilomen fasst eine der erbaulichen Geschichtchen des
Ordericus Vitalis in seiner 'Historia ecclesiastica' so zusammen:
"Im Jahre 1091 sei ein Priester aus Saint-Aubin bei Bonneval auf dem nächtlichen Weg zu einem Kranken einer Gruppe verdammter Seelen begegnet, darunter einem
gewissen Guilelmus de Glotis. Dieser habe als Grund seiner Verdammung dne Wucher genannt. Er habe nämlich einem Bedürftigen Geld geliehen und von diesem als Pfand eine Mühle erhalten. Da der
Schuldner seine Schuld nie habe zurückzahlen können, habe er die Mühle behalten. Obwohl er aus dem Pfand nach und nach viel mehr Erträge bezogen habe, als die ursprüngliche Schuld betrug, sei die
Mühle an seine Erben gekommen. Er bat nun darum, der Priester möge darum besorgt sein, dass seine Erben die Mühle umgehend zurückerstatteten, damit sein Los im Jenseits gemildert werde. (in:
Heinzle, S.198)
In dieser erfundenen exemplarischen Geschichte des frommen Erzählers wandert also das Kapital (die Mühle) als Pfand von einer Hand in die andere und bringt Rendite, während das Geld als Kapital
verliehen wird und offenbar verbraucht worden ist, ohne entsprechende Rendite zu erzielen, was der Not dessen entspricht, der des Geldes bedürftig war.
1151 werden die Zisterzienser für ihre Klöster diese Praxis verbieten und 1163 wird ihnen Papst Alexander III insoweit folgen, als er verlangt, dass das Pfand zurückzugeben ist, sobald die
Erträge aus ihm zusammengenommen seinen Wert übersteigen. In der Konstruktion des Rentenkaufes wird dann erreicht, dass die unwiderrufliche Eigentumsübertragung gegen Zinsen legitimiert wird, da
sie kein Darlehen mehr darstellt.
****
Es sei darauf hingewiesen, dass es an einer Stelle eine Übereinstimmung zwischen geistlicher und adeliger Kritik bürgerlicher Welten gibt: Bei der Kritik des "Wuchers", also des Zinses auf den
Kredit. So schreibt Freidank in seiner 'Bescheidenheit', die drei gottgegebenen Lebensformen des gebûre, ritter und pfaffen würden durch eine vierte, Geschöpf des Teufels gequält, den
wuocher, die Kaufleute und vor allem die Kreditgeber also.
Finanzkapital
Dort, wo sich die Ansätze feudaler Strukturen herausbilden, entsteht auch Kapitalismus, und das heißt auch, die Herren brauchen immer mehr Geld.
Größere Herren sind durch das Geschäft des Münzens und das, welches bei der Geldausgabe bzw. dem Umtausch gemacht wird, wenigstens im Norden an der Entstehung des Kapitalismus direkt finanziell
beteiligt. Geldwechsler profitieren von der Vielzahl von Münzen in Europa und darüber hinaus. Zentrales Finanzgeschäft aber wird die Gabe von Krediten.
Gewinn machen aus Kreditgaben, also aus dem Nehmen von Zinsen, gilt zunächst als Sünde. In Norditalien wird das schon im 11. Jahrhundert nicht mehr so eng gesehen, und man nennt solche
Finanzkapitalisten dann auch allgemein Lombarden. Sie werden seitdem gern gesehene Gäste von Bischöfen und hohen weltlichen Herren im Norden. Ansonsten sind dort die großen Finanziers vor allem
Juden, die dafür ins Land geholt und von den Herren geschützt werden, hindert sie doch die eigene Religion nicht an ungehemmter persönlicher Bereicherung.
Ein Sonderfall in deutschen Landen ist das bewusste Ansiedeln (colligere, herbeiholen) von Juden, wie es Bischof Rüdiger Hutzmann von Speyer betreibt, der um 1084 extra Land am Rande
seiner urbs für sie erwirbt und mit einer Mauer umgibt, die sie selbst verteidigen sollen. Für das freie Recht, Gold und Silber zu wechseln sowie alles zu kaufen und verkaufen, was
ihnen beliebt, zahlen sie ihm eine jährliche Abgabe. Das wirtschaftliche Interesse des Bischofs verbirgt sich dabei hinter dem Ausdruck, die Ehre der Stadt tausendfach zu erweitern.
(in Hergemöller, S.108)
1090 privilegiert Heinrich IV. die Juden von Mainz und Speyer und bestimmt, dass in Zukunft niemand, der unter unserer königlichen Macht mit irgendeiner
Amtswürde oder Machtbefugnis ausgestattet ist, kein Geringer und kein Großer, kein Freier und kein Sklave, sich unterstehen soll, diese durch irgendwelche falsche Anklagen zu beunruhigen oder
anzugreifen. Auch soll niemand es wagen, ihnen irgend etwas von ihrem rechtmäßig vererbten Besitz an Höfen, Häusern, Gärten, Weinbergen, Feldern, Sklaven und sonstigen beweglichen und
unbeweglichen Gütern wegzunehmen. Wenn aber irgend jemand ihnen entgegen diesem Edikt irgendeine Gewalttätigkeit zufügt, so soll er gehalten sein, an die Schatzkammer unseres Palastes oder an die
Kämmerei des Bischofs ein Pfund Gold zu zahlen und die Sache, die er ihnen weggenommen hat, doppelt zu erstatten. (in: Fuhrmann, S.228)
Seinen Kreditbedarf deckt Wilhelm der Eroberer dadurch, dass er Juden aus Rouen nach London bringt und damit die erste jüdische Gemeinde in England schafft. Dank ihrer religiös gebotenen
natürlichen Vermehrung und durch Zuwanderung gibt es ein knappes Jahrhundert später (1159) bereits in neun Städten jüdische Niederlassungen und um 1190 in etwa siebzehn bei einer Gesamtzahl von
vielleicht 5000 (Carpenter. Das königliche Interesse an jüdischem Finanzkapital ist überall in Europa vorläufig so stark, dass Herrscher noch darauf achten, dass ihre Kredite auch zurückgezahlt
werden, insbesondere da sich Juden gut mit einer Art Schutzgeld besteuern lassen.
Nicht alle Juden betreiben großes Finanzgeschäft, aber als wichtigste Kreditgeber häufen viele doch erhebliche Kapitalien an, die sie zum Teil bald in veritablen Schatzkammern anlegen. Geduldet
und geschützt werden sie, weil die hohen geistlichen und weltlichen Herren beginnen, sich in ihrer Machtgier zu verschulden und selbst ihre kleinen und großen Kriege nur unter immer größerem
Geldeinsatz führen können. Schließlich ist das frühfeudale und zugleich frühkapitalistische Zeitalter zugleich auch das frühe ritterliche, und der wesentliche Charakterzug eines Ritters ist seine
Geldgier, aus dem alle seine übrigen "ritterlichen" Normen abzuleiten sind.
Juden aber haben für die christlichen Herrschaften mehrere Vorteile: Wegen ihrer nicht korrekten Religion kann man sie mit erheblichen regulären und irregulären Abgaben auch wieder ausplündern,
man kann als großer Herr kleinen Herren einen Gefallen erweisen, indem man ihm Schulden bei Juden erlässt, man kann Juden gelegentlich (seit dem Ende des 11. Jahrhunderts) einfach totschlagen, um
seine Schulden loszuwerden, und ab dem Beginn des späteren Mittelalters man man sie auch einfach aus dem Land verjagen und wird so seine Schulden los. Damit aber beginnt dann die große Zeit der
nord-und mittelitalienischen Bankiers und der Tresore der Tempelritter. Letztere allerdings kann man dann aber solcher Verfolgung aussetzen, dass dadurch ebenfalls die Schulden getilgt werden und
zudem das Kapital in die Hände der christlichen Machthaber kommt. Erstere wiederum ziehen unter anderem dann den kürzeren, wenn auf Kriegsbeute ausgesetzte Kredite bei verlorenen Schlachten mit
verloren gehen. Aber im angehenden Spätmittelalter gibt es dann soviele Banken, dass man problemlos nach der Pleite sich der nächsten willigen bedient.
Im frühen Mittelalter sind es aber oft auch Klöster und Kirchen selbst, die über reiche Schätze an Edelmetallen und Münzen verfügen und gewinnbringend einsetzen können. Um das mit der kirchlichen
Lehre zu vereinbaren, wird mit dem Trick gearbeitet, genutzten Grund und Boden als Pfand zu nehmen und die Erträge bis zur Rückgabe der Schuld einzustecken.
Spätestens am Ende des 11. Jahrhunderts kann man feststellen, dass nicht christliche, feudale oder ritterliche Werte Zukunft haben, sondern ausschließlich jene allgemeine Gier nach Geld, die das
weitere Mittelalter bestimmen wird.