Entstehung von Voraussetzungen für Kapitalismus
Produktion: Das Land (Bevölkerung / Großgrundbesitz / Grundherrschaft / Abhängigkeit / Sklaverei / Siedlungen / Bauern / Extensivierung / Neuerungen)
Produktion: Das Handwerk
Konsum und Handel
Neue Handelsräume
Händler
Transport
Geld und Finanzen
Markt, Zoll
Städte: Spätzeit des Westimperiums
Städte: Niedergang / Neuanfänge
Frühe Städte im Norden
Bischofsstädte
Stadt an Kloster und Pfalz
Stadt im Italien der Karolingerzeit
Spanien
Stadtbild
Nachantike: Voraussetzungen für die Entstehung von Kapitalismus
Wenn wir davon ausgehen, dass Kapitalismus in bestimmten Regionen zwischen dem 10. und 12. Jahrhundert entstehen wird, dann ist, wie im letzten Großkapitel dargelegt, die erste Rahmenbedingung fehlende Staatlichkeit. Es gibt keine Machtzentrale mit starken Zugriffsmöglichkeiten in der Fläche, um das Wirtschaften so zu reglementieren, dass es massiv auf diese Zentrale hin orientiert ist. Kaiser, Könige und Fürsten besitzen nur relativ geringe Machtvollkommenheiten und Zugriffs-Möglichkeiten. Es fehlen richtige Steuern, ein stehendes Heer, es gibt außerhalb der Kirche wenig Verwaltung mit entsprechender Schriftlichkeit.
Etwas damit zusammen hängt das besondere Phänomen einer Kirche und einer Welt der Klöster, die eigenständige Institutionen sind, auch wenn die weltlichen Machthaber immer wieder versuchen, über sie zu verfügen. Mit den Reformen des 11. Jahrhunderts wird dann versucht werden, Kirche und "Welt" noch stärker von einander abzugrenzen.
Dazu kommt eine Religion, die ebenso komplex wie widersprüchlich ist, und von der bei den meisten Menschen im Frankenreich nur wenig ankommt. Mehr in den Gemütern der Menschen verankerte "christliche" Volksreligion wird es erst geben, wenn Kapital an Bedeutung gewinnt, und dieses wird dann auch bald beginnen, die Religion mit zu prägen.
All das wird Räume für Kapitalismus öffnen, und kurioserweise ebenso die Tatsache, dass die stark geschrumpften Städte nur noch kleine Inseln in einer landwirtschaftlich oder von Naturlandschaft geprägten Welt sind. Ansätze in Richtung Kapitalismus entstehen dann durch ein von zunehmener landwirtschaftlicher Produktion getriebenes Bevölkerungswachstum, welches langsam beginnen wird, auch die Städte wieder aufzufüllen.
Dabei nimmt Arbeitsteilung langsam zu und damit verbunden Produktion und Handel für Märkte, oft Kerne für neue Städte.
In all dem fehlen noch zwei wesentliche Aspekte: Da ist zunehmende Nachfrage der Reicheren und Mächtigeren nach (vor allem Luxus)Konsum-Gütern und die Perspektive Einzelner, vor allem über Anhäufung und Investition von Kapital in Handel und Finanzgeschäften alternative Karrieren neben den etablierten der geistlichen und weltlichen Macht zu entwickeln.
Das Land im Reich der Franken
Bevölkerung
In der späteren Kaiserzeit hatte sich das Klima verschlechtert, es gab niedrigere Temperaturen. Statt Weizen wird darum nun Roggen, Dinkel, Emmer und Hirse angebaut, von denen die letzteren nach der Ernte auch noch entspelzt werden müssen. Dabei sinkt insgesamt der Ertrag.
Gegen Ende des 3. Jahrhunderts beginnt das Schrumpfen der Bevölkerung im römischen Gallien und wohl auch anderswo im Westen des Reiches der Römer. Es wird vermutet, dass es teilweise bis ins 6. Jahrhundert anhält. Aber irgendwann wächst die Bevölkerung nach Stabilisierung der Machtverhältnisse langsam wieder und soll sich sogar innerhalb von vier Jahrhunderten verdoppeln.
Bisherige Forschung hat ergeben, dass wohl zwischen etwa 500 und 1000, wohl insbesondere nach 800 unserer Zeitrechnung, eine nicht unerhebliche Erwärmung der Luft stattfindet, die Grönland seinen grünen Namen gibt und England im 8./9.Jahrhundert mit Olivenbäumen versieht. Damit kann bis höher nach Norden Weizen wachsen und bis in größere Höhenlagen Roggen.
In einigen wenigen dichtbesiedelten Gebieten des Karolingerreiches soll am Ende eine ländliche Bevölkerung von 40 Menschen auf einen Quadratkilometer erreicht werden, zum Beispiel im Großraum um Paris. Solche Zahlen bleiben allerdings sehr vage Schätzungen. Dabei leben außerhalb des nördlichen Mittelmeerraumes wohl über 95% der Menschen als Bauern auf dem Lande.
Während der Merowingerzeit müssen große Teile des Landes neu besiedelt und zugleich von neuen Besitzverhältnissen durchzogen werden. Dabei muss auch neu entstandene (sekundäre) Naturlandschaft wieder zurückgedrängt werden, wodurch nach und nach zumindest das potentiell ertragreichere Kulturland wieder in Menschenhand gerät.
Der Verfall von Staatlichkeit und der antiken Stadt entlasten das Land und mit dem Untergang eines Teils der antiken Latifundien nimmt wohl zunächst ein freies, von Kleinfamilien gestütztes Kleinbauerntum zu, welches eine wesentliche Voraussetzung für Wachstum auf dem Lande wird. Vorantreiben werden das Wachstum aber vor allem die nachantiken Kleindomänen, deren Herren als neue ländliche Oberschicht nun vor Ort leben und ein direktes Interesse an der Bewirtschaftung des Bodens entwickeln, anders als die antiken stadtsässigen Latifundienbesitzer. Deren direkte Nachfolger, die hohen Herren von Kloster, Kirche und weltlichem Hochadel, tun hingegen oft bis weit in die hier so genannte Schwellenzeit des 10. Jahrhunderts wenig gegen die relative Ineffizienz ihrer weit verstreuten Besitzungen.
Großgrundbesitz der Merowingerzeit
Auf dem Lande verschwindet seit dem Zusammenbruch der pax romana ein Teil der villae (rusticae), der Güter vornehmen römischen Großgrundbesitzes, deren Inhaber aus Gründen der Sicherheit in die Städte fliehen. In Zeiten größerer Sicherheit kehren manche zurück.
Die alte Nobilität bleibt zum Teil bestehen und beruht weiter auf Großgrundbesitz mit dazugehörigen abhängigen Bauern und Sklaven und wird nun durch eine germanische Oberschicht ergänzt. Darunter positionieren sich eingewanderte Freie mit neuem, manchmal größerem Grundbesitz.
Die vielen und großen Fiskalgüter des Römischen Reiches hingegen werden wohl weitgehend vom neuen Königtum übernommen, woraus die Könige ihren Reichtum beziehen und ihre Gefolgschaften beschenken werden.
Kolonat, Patronat und Klientelwesen vermischen sich mit germanischen Strukturen und gehen so in die neuen Reiche ein.
In der Merowingerzeit kommt es auch zu neuem großem Grundbesitz. Dem Testament des Bischofs Bertechramnus von Le Mans von 616 lässt sich entnehmen, dass sein Besitz mehr als 300 000 Hektar Grund und Boden umfasst. Das sind 120 Güter vor allem in der Gegend von Le Mans, aber auch "in 20 civitates in Neustrien, Aquitanien, Burgund und in der Provence, von der Bretagne bis zu den Pyrenäen." (GoetzEuropa, S.183f)
Die Übernahme der römischen villa mit ihren Latifundien durch die neuen weltlichen Herren wird schon im Verlauf der Merowingerzeit ergänzt durch die adelig geprägte Bischofskirche und die von der fränkischen Oberschicht übernommenen Klöster. Im Verlauf der Nachantike bis in die Schwellenzeit hinein werden insbesondere letztere zu den wesentlichen Landbesitzern - durch sich oft fromm gebende Schenkungen und Erbschaften, die bei den Kleinbauern des öfteren auch aus der Not geboren sein werden.
Grundherrschaft der Karolingerzeit
Große Grundherrschaft wird nun immer dominanter. Der Form nach ist sie zunächst gegenüber halbfreien Bauern wie die Vasallität eine persönliche Beziehung auf Gegenseitigkeit und zum gegenseitigen
Vorteil, allerdings mit einer ausgeprägter vertikalen Machtstruktur. Tatsächlich bedeuten die Verhältnisse innerhalb der familia des Grundherrn jedoch große Vielfalt von Formen der
geringeren oder größeren Unfreiheit.
Nach und nach bildet sich mancherorts, besonders im fränkischen Kernland der Francia, die heute so genannte Villifikationsverfassung heraus, mit ihrer Trennung in den Herrenhof (villa) und die auf ihren Hufen siedelnden, vom Herrn persönlich abhängigen Bauern. Sie ist vor allem für klösterliche Grundherrschaften überliefert. Für den Adel gibt es Urbare, Güterverzeichnisse erst seit dem 13. Jahrhundert.
Zentrum der Grundherrschaft ist die villa oder curtis des Herrn, der Salhof, mit Wohngebäuden, Scheunen, Ställen und Werkstätten, Backhaus, Brauhaus bzw. Kelter, Spinn- und
Webstuben, eventuell einem Fischteich. Wo möglich kommt dazu eine Wassermühle. Dort arbeiten Sklaven und Hörige. In den Werkstätten werden vor allem die Werkzeuge hergestellt und instand
gehalten, die die Landwirtschaft braucht. Vermutlich wird dort manchmal auch für einen Markt gearbeitet. Daneben gibt es die rein weiblich besetzten Textilwerkstätten in Frauenarbeitshäusern,
geniciae.
Solche häufiger anzutreffende Frauenhäuser bieten bei großen Anwesen auch schon einmal Überschüsse für den Markt an. Die Hörigen bzw. Sklaven, die ebenfalls ganz dort arbeiten, servi non casati, hausen in einfachen Hütten, oft mit ein wenig Gartenland versehen.
Dieser Hof (lat. curtis) mit gelegentlich um die 500 ha ist mit Palisaden oder bei ganz vornehmen einer Steinmauer und Türmen umgeben und befestigt.
Zur Villa gehört die eigentliche Domäne, die bei Klöstern in den nördlicheren Gegenden riesig sein kann und viel Arbeitsdienste verlangt. Östlich vom Rhein ist sie zunächst kleiner und in Italien noch kleiner und eher fragmentiert, "mit entsprechend geringeren Arbeitsleistungen von vielleicht nur zwei bis drei Wochen im Jahr." (Wickham(3), S.534f)
Das übrige Land des Herrn wird unter den Karolingern in Mansen oder Hufen aufgeteilt, die so groß sind, dass sie eine Familie ernähren können, zwischen einem und 10 ha meist. Dort leben die Hufenbauern, die in völlig verschiedenen Verhältnissen von Freiheit oder Unfreiheit für ihre Selbstversorgung arbeiten, zudem zeitweilig Arbeitsleistungen direkt für den Herrn erbringen und dann auch noch einen Teil ihres Ernteertrages abgeben müssen.
Ziel der gesamten Grundherrschaft ist insbesondere als Villifikation eine gewisse Selbstversorgung, aber eben darüber hinaus möglichst auch Produktion für einen Markt.
Besonders mächtige Grundherren besitzen mehrere, manchmal zwanzig oder mehr solche Herrenhöfe mit Hufenland, die weit über das Reich verstreut liegen können.
Mit Karls ("des Großen") 'Capitulare de villis' von etwa 795 ist ein einzigartiges Dokument zum damaligen Großgrundbesitz erhalten. Ähnlich wie viel später beim Plan des Klosters St.Gallen handelt es sich offenbar um die Idealvorstellung eines Meierhofs mit seinem Frauenarbeitshaus, seinen darauf arbeitenden freien und unfreien Produzenten, zu denen auch Handwerker gehören. Selbstversorgung bedeutet dabei, dass die Menschen dort nicht nur sich selbst, sondern auch ihren hohen Herrn versorgen, dass man auch auf Märkten ein- und verkauft, und so nach Möglichkeit Überschüsse produziert.
Nur zufällig ist etwas vom Umfang der kirchlichen Grundherrschaften überliefert, die viele abhängige und einige freie Bauernstellen, manchmal tausende, umfassen können, ein Genitium, wo Frauen an Webstühlen arbeiten und daneben auch andere Handwerker angegeben werden.
Kirchengut darf nicht veräußert werden, die Kirche kann allerdings durch Gewalt oder Entfremdung unter der Hand Land verlieren. Aber das verhindert nicht, dass "sich um 700 bereits circa ein Drittel des gesamten bewirtschafteten Bodens im Frankenreich im Besitz der Kirche" befindet. (Ertl, S.48) Etwa ein Viertel des daraus resultierenden Reichtums geht in den Bau von Kirchen als massiven Steinbauten.
Mehr Informationen gibt es über klösterlichen Großgrundbesitz. Für einen überschaubar großen Fronhof bekommen wir zur Zeit Karls d.Gr. im Urbar, dem (unvollständig erhaltenen) Besitz- und Leistungsverzeichnis des Klosters Saint-Germain-des-Prés bei Paris mit seinen 23 Herrenhöfen um 830 und ca. 1200 Mansen (Hufen) laut dem unvollständigen Polyptichon des Abtes Irmino mit.
Neben Dienst- und Sachleistungen ist hier auch Geld zu erbringen, was bedeutet, dass die Hufenbauern Überschüsse auf dem Markt verkaufen müssen. Eine Hufe von vielleicht 14 ha kann so im besten Falle auch einen geringen (relativen) Wohlstand erwirtschaften, wenn der Herr seinem Bauern nicht zu viel abpresst. Die Dienstleistungen neben den Abgaben können sehr vielfältig sein, und schließen unter anderem auch "Weben, Spanndienste, Holzfällen, Korbmacherei, Bauarbeiten und Eisenarbeiten" ein. (Wickham(3), S.536)
Ein Walafred in diesem Urbar ist Hufenbauer sowie Meier eines Herrenhofes und besitzt zwei Hufen, wobei er für die Zweite keine Abgaben leisten muss:
Er schuldet von jeder Manse im jährlichen Wechsel einen Ochsen und im nächsten Jahr ein Schwein; 4 Pfennige als Ablösung für Holzabgaben, 2 Scheffeln Wein zur Schweinemast, ein Schaf mit Lamm. Er pflügt im Winter vier perches sowie zwei weitere perches eines anderen Drittels, und leistet zudem Frondienste, Fuhrdienste, Handarbeiten und Holzarbeiten, wie ihm befohlen wird; vier Hühner, 15 Eier. (in: Ertl, S.247)
Ähnliche Größenordnung hat 787 das Kloster Fontenelle in der Normandie (St.Wandrille) mit fast 1600 Hufen. Zur Versorgung der Mönche dienen knapp zwei Fünftel, der Rest steht dem Abt auch und vor allem für seinen Dienst am König zu. Dazu kommt:
Als Lehen ausgetan (in beneficii relaxati) sind aber 2120 ganze, 40 halbe 235 zu Handdiensten verpflichtete Mansen, die zusammen 2395 ergeben, 156 unbesetzte, die Lehnsträger selbst haben 28 Mühlen. (Kuchenbuch, S.100, Fried, S. 363 etc.)
Das Kloster selbst gibt also Lehen an eigene Vasallen aus, ist dabei selbst Vasall, über dem wiederum Vasallen stehen, die auf oberster Ebene einem Fürsten/König treu zu dienen haben. Sehr große Klöster können rund hundert Vasallen haben. Solche Vasallen als Grundherren besitzen vererbbares Allod, dann oft Gut, welches mit einem Amt oder einer Funktion verbunden sein kann, und Lehnsgut, beneficia. Aus der Verbindung von Grundherrschaft und Vasallität entfaltet sich dann sogenanntes feudales Rechtsgefüge.
Einer der ganz großen Grundherren der Karolingerzeit ist das Kloster Prüm. Von ihm abhängig sind rund 3000 Höfe, die Mönche und Vasallen zu ernähren haben, besonders konzentriert um die Tochterklöster Münstereifel, St. Goar und Altrip. Viele weitere Höfe erstrecken sich aber "von Südholland bis Oberlothringen, , von der unteren Lahn bis an die mittlere Maas" und anderswo. (Kuchenbuch, S.18).
Grundherrschaft bedeutet über den wirtschaftlichen Aspekt hinaus weitere Rechte. Die mehr oder weniger unfreie Landbevölkerung ist seit der Spätantike (als colonus) an den Boden und an
seinen Herrn gebunden, dem er abgaben- und dienstpflichtig ist. Dieser ist nicht nur Grundherr als Herr über die Menschen darauf, sondern kann auch Gerichtsherr sein, ein Recht, welches aber
nicht daran gekoppelt sein muss: Grundherr und Gerichtsherr können grundsätzlich auch verschiedene Personen sein. Vermutlich haben in der Regel die Grundherrschaften Immunität, also die
Gerichtsgewalt über die Bauern.
Die Privilegierungen des Prümer Klösters umfassen seit der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts auch Marktrechte, Zollfreiheiten und sogar Münzrechte wie in Münstereifel, alles das mit Abgaben an den Grundherrn verbunden. Der Anteil der Geldwirtschaft nimmt dabei langsam zu
Es ist grundsätzlich naheliegend, dass Grundherren versuchen, die Leistungen der von ihnen Abhängigen zu erweitern, und dass diese sich weigern, was in der Regel gerichtlich zu klären ist. Zu den ausführlichen Bestimmungen von Karl ("dem Kahlen") auf der Reichsversammlung von Pîtres 864 gehört so auch eine, laut der Herren offenbar versucht haben, neue Dienste ihrer Kolonen durchzusetzen, die als Stückdienste nicht spezifisch festgesetzt sind, aber grundsätzlich in den Zeitdiensten (z.B. zwei Wochen im Jahr oder zwei Tage in der Woche) allgemein verpflichtend sind. Die Produzenten berufen sich darauf, zu diesen spezifischen Leistungen bislang nicht verpflichtet gewesen zu sein.
Überhaupt sind die Verhältnisse zwischen dem Herrn und den Abhängigen wesentlich nach Gewohnheitsrecht und Übereinkunft geordnet. Manchmal mag das solchen Bauern schon seit dem 9. Jahrhundert zu einer gewissen Rechtssicherheit verhelfen. Immerhin vererben sie in aller Regel nun ihren Hof mit dem Land, so dass es in der Familie bleibt, und manchmal können sie zudem mit Zustimmung ihres Herrn Land verkaufen oder kaufen. Andererseits ist es für sie schwierig, ihren Rechtstatus vor Gericht zu verteidigen, wo die Entscheidungen zunehmend alleine von Herren getroffen werden.
In der ländlichen Grundherrschaft, in der die allermeisten Menschen am Ende leben, steht neben dem Bezug zum Herrn auch der zum Diener des höchsten Herrn, dem Priester. In dem fränkischen Eigenkirchen“system“ ist der Stifter und Erbauer der Kirche auch der, der den Priester bestellt. In den Anfängen war das billigerweise oft einer seiner Knechte, dessen Vorbildung und geistlicher Lebenswandel vermutlich sehr zu wünschen übrig ließen. Der große Karl fordert, die Qualität der Priester zu heben, die Erfolge treten aber, wo überhaupt, erst Jahrhunderte später ein.
Die Verbindung von Grundherrschaft und Eigenkirche tendiert dazu, priesterliche Aktivitäten und kirchliches Leben auf den Grundherrn hin zu orientieren. In den vielen kirchlichen Festivitäten
entwickelt sich aber ein eigenständiges Gemeindeleben. Dieses verbindet sich später mit gemeinsamen Verabredungen für die Landarbeit und anderes.
Wege in die Abhängigkeit
Kleinere (freie) Bauern, die bei Gregor von Tours pauperes oder miseri heißen, besitzen zwar Land, Zugtiere, Karren, sogar Sklaven, sind aber vergleichsweise ohnmächtig gegenüber größeren Herren. Der freie Kleinbauer mit seiner Subsistenzwirtschaft ist darum wie vorher und nachher immer in seiner Existenz gefährdet.
Unsere Kenntnisse der Wege freier Bauern in die Abhängigkeit bzw. Unfreiheit sind gering. Wir besitzen in einem Formelbuch das Vorbild für Texte, in denen sich Bauern einem Herrn übergeben. Darin heißt es, dass soundso seine Verpflichtungen nicht mehr zahlen kann...
... deshalb habe ich beschlossen, dafür den Stand meiner Freiheit Euch unterwürfig zu machen, derart, dass ich mich von diesem Tage an aus Eurem Dienst mich durchaus nicht begeben werd, sondern ich gelobe, auf Euren und Eurer Beamten Befehl alles zu tun, was Eure übrigen Knechte tun. (in: Franz, S.17)
Bis zur ersten Jahrtausendwende verschwinden die Höfe vieler kleiner freier Bauern und geraten unter die Machtvollkommenheiten von Herren der villae. Gemeinhin wird heute angenommen, dass das Überhandnehmen der Getreidewirtschaft gegenüber der Viehzucht seit dem 8. Jahrhundert die Unterwerfung der Bauern unter Herren weiter vorantreibt. Da der Getreide--Anbau arbeitsintensiver ist, sind Bauern immer unabkömmlicher von ihren Höfen und fallen darum für den Kriegsdienst als bewaffnete Reiter aus (Max Weber, Otto Brunner).
Die freien Bauern sind ursprünglich die Basis des fränkischen Heeres. Das ändert sich langsam, als gepanzerte und schwerer bewaffnete Reiter immer wichtiger werden. 807 bestimmt Karl ("der Große"), dass nur noch selbst Heeresfolge leisten muss, wer mindestens drei Hufen oder ein Lehen besitzt. Die anderen müssen sich miteinander verbinden, um noch einen Mann in den Krieg zu schicken.
Schon in Kapitularen Karls d.Gr. wie von 811 wird beschrieben, dass der Weg in die bäuerliche Abhängigkeit zum Beispiel mit der Vermeidung des Kriegsdienstes beginnt, oder aber der Annektierung bäuerlichen Landes durch den Herrn während des Kriegsdienstes. Dazu kommt das Argument des örtlichen Schutzes durch den Grundherrn vor Räubern und anderem Gesindel, die Hoffnung darauf, bei nicht seltenen Ernteausfällen und anderen Hungersnöten von den größeren Ressourcen des Grundherrn durchgefüttert zu werden und manches mehr.
Die Tendenz von Grundherrn, freie Bauern auch gegen deren Willen in die Abhängigkeit, Hörigkeit (das heißt: den Gehorsam) zu bringen, kann vermutet werden, für die Zeit der Karolinger ist sie dadurch belegt, dass sich sowohl Karl ("der Große") wie auch Ludwig ("der Fromme") in Kapitularien dagegen wenden. Kapitularien des Kaisers Karl von 811 ist zu entnehmen, dass es auch Druck und Gewalt gibt, mit denen Herren Bauern enteignen:
Sich wehren gegen die mächtigen Herren vor Ort und der Gegend können sich (auch freie) Bauern nur mit wohl bescheidenem Erfolg vor Gericht. Der Aufstand der Stellinge in Sachsen 841/42 ist wahrscheinlich nur möglich im Kontext der Bruderkriege im Reich und der besonderen sächsischen Situation nach der mühsamen und brutalen Unterwerfung durch "den großen" Karl. In den Xantener Annalen für 841 heißt es dazu sehr parteilich:
In demselben Jahr war durch ganz Sachsen die Macht der Knechte (potestas servorum) weit hinausgewachsen über ihre Herren und sie legten sich den Namen Stellinge bei und begingen viel Unverantwortliches (inrationabilia). Und die Edlen jenes Landes wurden von den Knechten sehr geschädigt und erniedrigt. (in: QuellenkarolReichsgeschichteII, S.345)
Es wäre wünschenswert zu wissen, wer mit servi gemeint ist und was sie wollten, aber das interessierte den frommen Autor nicht. König Ludwig macht sich 842 dorthin auf
und die übermütig aufgeblasenen Knechte der Sachsen schlug er auf eine für ihn ehrenvolle Weise und führte sie zu ihrem eigentlichen Stand (ad propriam naturam) zurück. (s.o. S.347)
Bauern können zunehmend ihre Freiheit nicht mehr selbst verteidigen und fallen damit unter den "Schutz" von kriegerischen Herren. Wer produktiv arbeitet, tut dies nun auf herrschaftlichem Grund und Boden. Freiheit im volleren Wortsinn verschwindet damit im Frankenreich für immer.
Sklaverei
Die in der ersten Hälfte der Kaiserzeit noch recht bedeutende Zahl an Sklaven nimmt danach langsam etwas ab. Ein Vorgang in diese Richtung ist die Freilassung, vor der der Unfreie sich mit einem Eid auf zukünftige Leistungen für den Herrn als seinem patronus verpflichtet: Dazu gehört ein Teil seines Besitzes und bei fehlendem Erben im Todesfall dieser insgesamt. Zudem gibt es ein gewisses Recht, bei Heirat mit jemandem, der einem anderen Patron verpflichtet ist, die Zustimmung verweigern zu können oder aber dafür Geld zu verlangen. Indem dann die Erblichkeit der Beziehung von Patron und libertus ausgeweitet wird, leidet die Vorstellung von "Freiheit" immer mehr am Herrenrecht. (Erdres, S.32)
Einen Sonderfall stellen im Römerreich seit Konstantin die Freilassungen in der Kirche, d.h. in den Kirchengebäuden dar, die auch an Sonntagen erlaubt werden und der Kirche ermöglichen, solche rechtskräftige Handlungen ähnlich wie der weltliche Arm vorzunehmen. Und hier beginnt dann die Kirche Patron dieser Bevölkerungsgruppe zu werden.
Die Kirche gehört am Ende des Westreiches zu den größeren Grund- und Sklavenbesitzern. Sie erklärt die Sklaverei zwar nicht für unchristlich, die Freilassung von Sklaven aber für grundsätzlich frommes Werk. Besonders fromm ist es, Freigelassene dem lokalen Heiligen bzw. seinem Altar zu übergeben. Wenn die Kirche Schenkungen erhält, werden die (einst) Freigelassenen samt ihren Verpflichtungen bald als Inventar mit gegeben. "Hier erscheinen die Freigelassenen bereits vollständig mit den Güterkomplexen verwachsen, die dann an die Kirche übergeben wurden." (Erdres, S.41)
Dabei verbindet sich zudem das spezifische Patronat über die Freigelassenen (liberti) mit dem Herrenrecht über andere abhängige Bauern. Dabei geht die römische Kopfsteuer für den Kolonen, deren Verantwortung auf den Grundherrn übertragen wird, zunächst wohl im Merowingerreich in die Pflicht des Grundherrn über, sie für die Krone einzutreiben, woraus sich dann im Laufe der Zeit bis ins 7. Jahrhundert die Verwandlung in den Kopfzins für den Grundherrn selbst entwickelt.
Schon für das 7./8. Jahrhundert sind Urkunden überliefert, in denen Großgrundbesitzer einzelnen Sklaven die Ehe mit Freien erlauben und deren Kindern in Einzelfällen bereits die "Freiheit" versprochen wird. Solche Befreiung kann dann mit der Übergabe eines Mansus oder eines kleineren mansellus verbunden sein. In einem Urkundenformular des Mönches Marculf von 690 heißt es dann über diese Kinder: ihnen sei an Habe zugestanden, was immer sie erarbeiten mögen, allerdings müssen sie jährlich die auf den Boden bezogenen Abgaben, wie es Brauch ist für Freie, leisten (...in: Kuchenbuch, S.92).
Siedlungen
Die Masse der Bevölkerung lebt auf dem Lande, und zwar als vicini (den noch heutigen spanischen vecinos) in villae, die man als Weiler (Gehöftgruppen einer Dorfmark) verstehen kann und vielleicht nicht als Dörfer übersetzen sollte. In karolingerzeitlichen Urkunden erkennt Staab am Beispiel von Dienheim einen Weiler aus Grundherren und von ihnen abhängigen bzw. unfreien Arbeitskräften, der bis in die Merowingerzeit zurückgehen soll. (Staab, S.263ff)
An der Mosel zum Beispiel treten im 7. Jahrhundert bereits Siedlungen in Dorfgröße auf wie Mehring mit seinen etwa 165 Siedlern und darunter 65 Freien (Anton/Haverkamp, S.55).
In Neustrien und insbesondere im Großraum um Paris geraten früh ganze Dörfer unter die Kontrolle von vor allem klösterlichen Grundherrn wie zum Beispiel von Saint-Germain-des-Prés. Um 820 ist dieser Vorgang in einem Dorf wie Palaiseau mit seinen 117 Bauernhöfen und rund 700 Einwohnern abgeschlossen. Anderswo existieren mehrere Grundherren in einem Dorf, und es gibt freie und unfreie Bauern nebeneinander. Schließlich bleiben insbesondere in Austrien vorläufig auch sich selbst verwaltende Dörfer mit überwiegend freien Bauern übrig.
Dokumentiert in den Urkunden ist vor allem der Übergang von Bauern in die Grundherrschaft, deshalb wissen wir heute sehr wenig über Dörfer mit überwiegend freien und landbesitzenden Bauern, die es aber in manchen Regionen zunächst wohl überwiegend gegeben haben muss. Sie regeln ihre Angelegenheiten und Konflikte selbst, wobei sie in Landbesitzer und Pächter, Reichere und Ärmere differenziert sind.
Solche freie Bauern müssen zwei Pflichten gegenüber der Machthierarchie genügen: Sie müssen sich an Gerichtssitzungen zumindest durch Anwesenheit beteiligen und sie sind verpflichtet, Heerdienst zu leisten.
Unter langobardischer Herrschaft bilden sich in Italien Dörfer, in denen freie Besitzbauern, freie und unfreie Pächter und Sklaven zusammen hausen. Der Anteil an Sklaven begann schon im späten West-Imperium zurückzugehen und nimmt weiter ab. Der Besitz größerer Herren wird zumindest im Norden von Herrenhöfen aus organisiert, die in durch Dienste bewirtschaftetes direktes Herrenland und die Pachthöfe geteilt sind. Im Süden und insbesondere in Sizilien fehlen solche Dienste wohl, und es gibt nur die geldwerten Abgaben der Pächter.
Bauern
Seit der Merowingerzeit haben die Produzenten einen vielfältig unterschiedlichen rechtlichen Status, der sich ganz grob in Freie (ingenui/liberi), in mehr oder weniger Halbfreie, z.B. die Lazen (lidi), und die gänzlich Unfreien (oft: servi) aufteilen lässt.
Grundsätzlich für den unfreien servus gilt, dass er nicht rechtsfähig ist, sondern rechtlich von seinem Herrn vertreten wird. Die untere Stufe der Unfreien sind die, welche keine eigene Hufe haben und die sich dadurch auszeichnen, dass sie, ob Männer oder Frauen, unverheiratet sind.
Sie arbeiten allesamt vermutlich auf der Domäne des Herren, sind wohl alle zu extremer Unterwürfigkeit gegenüber ihm verpflichtet und zudem seinen möglichen spontanen Gewaltausbrüchen ausgesetzt. (Staab, S.332ff) Wohlhabendere Herren besitzen solche Leute wegen des direkteren Zugriffes auch als Kämmerer, Kanzler, Hauskaplan, als Jäger oder Notar.
Die servi casati, ein Begriff, der aber nur selten in den Quellen auftaucht, sitzen auf einer Hufe (mansus) entweder einzeln mit Familie oder aber gleich zu mehreren, wenn die Hufe dafür groß genug ist. Fronen und Abgaben zeichnen sie ebenso aus wie das Recht des Herrn zu Körperstrafen. Ganz arme Leute besitzen kaum Pflug und Pflugvieh und müssen den Acker mit einem Grabscheit (cum suo fossorio) bearbeiten, wie es für einen Hof der Abtei Prüm heißt. (in: Franz, S.90)
Als Halbfreie kann man zum Beispiel die Lazen ansehen. Aus ihnen werden manchmal auf dem Weg ins Hochmittelalter Ministeriale, Dienstleute mit Benefizien, also milites im Sinne von Ritter. (Staab, S.354)
Unter den Halbfreien, bedingt Freien gibt es zunehmend von einer Kirche freigelassene servi, die weiter in einer Art Patronat von Kirche bzw. Kloster existieren, nicht mehr unmittelbar für ihren Patron arbeiten, aber einen (Kopf)Zins in Geld oder Wachs leisten müssen, der ihre (bedingte) Freiheit auszeichnet, dazu eine Abgabe bei Heirat und Tod, - letztere, weil sie mit ihrem bedingten Eigentum auch ihren rechtlichen Status vererben.
In die Zukunft eines etwas einheitlicheren Bauernstandes verweist die Tatsache, dass sie in Urkunden wie die anderen Abhängigen oft als mancipia
(servi und ancillae) bezeichnet werden, mit der Besonderheit der Pflicht zum Kopfzins.
Diese Leute, die erst im 10./11. Jahrhundert einen größeren Anteil der Bevölkerung in großen Teilen der damaligen deutschen Lande zu umfassen beginnen, werden von
den modernen Historikern als "Zensualen" zusammengefasst, also von ihren Kopfzins her bestimmt, der üblicherweise bis zu vier Denare umfasst.
Zunehmend häufiger bestehen sie nicht mehr nur aus freigelassenen servi, sondern aus Leuten, die sich selbst unter den Schutz, das patrocinium und die defensio bzw. mundiburdium von Kirche oder Kloster begeben. Langsam beginnen sie, sich als besondere Gruppe innerhalb der von einem Herrn Abhängigen zu verstehen.
Dazu kommt eine weitere Anzahl von Freien, die aus einem Schutzbedürfnis heraus oder weil sie sich auch andere Vorteile erhoffen, sich in denselben Status unter einen kirchlichen oder klösterlichen Patron begeben und dafür dieselben Abgaben leisten müssen.
Es gibt aber weiter noch eine größere Anzahl freier Bauern, die Land als Eigentum besitzen, wie aus den Texten Karls ("d.Gr.") deutlich wird. In der Picardie zum Beispiel werden sie bis ins hohe Mittelalter neben großen Fronhofverbänden überleben. (Robert Fossier)
Die freie Bauernschaft ist allerdings nur wenig schriftlich dokumentiert, ganz im Gegensatz zu jenen großen klösterlichen und kirchlichen, aber auch weltlichen herrschaftlichen Fronhof-Konglomeraten, für die es Urbare und Urkunden gibt.
Der freie Produzent ist als Bauer meist selbst ein (kleiner) Herr, der sich das leisten kann, weil er über Eigengut („Allod“) unterschiedlicher Größe und einige abhängige Leute, Hörige, verfügt. Er ist nicht persönlich an einen Grundherrn gebunden, aber den überpersönlichen Machtstrukturen unterworfen.
Die Freien bekommen das höchste Wergeld, uneingeschränkte Rechtsfähigkeit und Rechtsgleichheit bei unterschiedlichen Vermögensverhältnissen. Dafür müssen sie Kriegsdienst leisten, am Ding, dem Gericht teilnehmen, bestimmte öffentliche Arbeiten verrichten und gewisse Naturalabgaben in einem besonderen Verhältnis zum König leisten. Ähnlich wie Lazen können sie aber auch auf Hufen sitzen und dort Abgaben leisten. Besitzen sie wenig, werden sie von oben gelegentlich als pauper angesehen. (Staab, S.365ff / Boshof(2), S.114.)
In Italien gibt es wohl einen beträchtlichen Anteil kleiner freier Bauern, die ihr Land besitzen und sich im wesentlichen selbst versorgen. Soweit sie auf den nahen kleinen Markt kommen, versorgen sie sich dort nach Möglichkeit mit Waren. Manche kleine landbesitzende Bauern pachten dazu, und viele andere sind zur Gänze Pächter. Die Pachten dürften in Anteilen von dem bestehen, was die Bauern für sich selbst anbauen (Wickham, S.95). Bischöfen, anderen Kirchen und Klöstern gelingt es ebenso wie einzelnen weltlichen Herren, langsam immer mehr Großgrundbesitz anzuhäufen.
Der merowingische Bauernhof der Freieren mit seiner Konzentration auf Viehzucht ist klein und umfasst kaum mehr als 2-4 ha. Die dürftigen Quellen lassen vieleicht maximal vier Pferde und ebenso viele Kühe, 14 Schweine und 28 Schafe als Mittel zu (Klaus Herrmann in Bayerl, S.47). Eine wesentliche Veränderung in karolingischer Zeit bringt die Zunahme des Getreideanbaus und damit verbundene Verringerung der Viehzucht.
In Italien werden weiter Getreide, Wein und Oliven angebaut, wozu Bohnen und Obst kommen. Ergänzt wird das vielleicht durch ein Schwein, eine Kuh und ein paar Hühner, aber zu vermuten ist, dass nur die langobardischen Einwanderer etwas mehr Viehzucht betreiben sowie Hirten in den Gebirgen. Getreide ist Grundnahrungsmittel, in der Poebene eher Roggen und in der Toskana Weizen, und die Erträge traditioneller Zweifelder-Wirtschaft sind wie im fränkischen Reich sehr gering.
Die Erträge werden erst langsam auf ein durchschnittliches Verhältnis zwischen Saatgut und Ernte von 1 zu 3 ansteigen, wobei etwa ein Drittel Abgabe und ein weiteres Saatgut bedeutet. Wir befinden uns am Anfang der Zeit des Übergangs vom Hakenpflug zum Pflug mit Pflugscharen. Die strapaziöse Arbeit mit dem Hakenpflug besteht in der Qual, diesen, wenn er gezogen wird, in das Erdreich zu drücken. Dieses zu wenden gelingt manchmal mit der neuartigen Pflugschar, welche Erde nicht mehr nur anritzt, sondern umpflügt, die sich aber erst im 11./12. Jahrhundert langsam durchsetzt. Daneben gibt es Spaten, Hacke und Sichel.
In derselben Zeit entwickelt sich auch an ersten Orten die Dreifelderwirtschaft, welche ebenfalls die Produktivität erhöht, so wie man auch in diesen Jahrhunderten nach und nach an einigen Orten beginnt, das Pferd als Zugtier statt des Ochsens einzusetzen.
Der geringe Ertrag liegt auch daran, dass die Düngung im wesentlichen in dem Verteilen des Tierkotes über die Äcker besteht, und die meisten Bauern haben davon zu wenig. Immerhin gibt es wohl erste Anzeichen einzelner Grundherren, die an der Intensivierung der Produktion ihrer Güter interessiert sind.
Von den Lebensverhältnissen der Produzenten von Nahrungsmitteln ist uns wenig überliefert. Sie leben in einfachsten Holzhäusern fast ohne Inventar. Das Leben und Arbeiten der allermeisten findet von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang statt und besteht im wesentlichen aus harter produktiver Arbeit, die das (Über)Leben sichern muss, bei einer gewissen Arbeitsteilung der Geschlechter und unter Mitarbeit der Kinder. Es gilt, mühsam das eigene Überleben zu sichern, und daneben müssen die zunehmend persönlich Abhängigen Dienste und Abgaben an die Herren leisten. Elementare Selbstversorgung ist für die meisten das Gebot der Stunde, und am besten geht es denen, die dafür möglichst viele Fertigkeiten entwickeln.
Gearbeitet wird sechs Tage die Woche und aus Not wird vor allem auf dem Lande, wo nun fast alle leben, auch schon mal das Gebot der Sonntagsruhe samt Kirchenbesuch gebrochen. Feste wiederum sind an das Kirchenjahr gebunden.
Die Menschen leben regulär in Ehe und (Klein)Familie, einer Arbeits- und Versorgungsgemeinschaft vor allem. Geheiratet wird nach den jeweiligen völkischen Traditionen, wobei Unfreie der Genehmigung ihrer Herren bedürfen. Die Kirche hält sich wohl deshalb weitgehend heraus, weil das (lustvolle) Ausleben des Geschlechtstriebes Sünde ist, andererseits aber für die Laien unumgänglich. Entsaprechend gibt es für die Merowingerzeit auch die Scheidung betreffend keine kirchlichen Auflagen.
Bäuerliche Weltvorstellung teilt sich in die vor Ort erlebten Naturkräfte, denen die Nahrung abgerungen werden muss, und die weiter recht traditionell ("heidnisch") verstanden werden, und in eine im Grunde naturfeindliche, die mit der zunehmenden Christianisierung auf dem Lande vordringt.
Von der Welt um ihren engen Erfahrungsraum herum erfahren diese Menschen vielleicht sporadisch von Pilgern und reisenden Händlern. Über tradiertes "Wissen" setzt sich die Propagierung von Religion und Herrschaft durch Priester, die aber erst langsam im Verlauf der Nachantike über Pfarrkirchen überhaupt Zugang zur Landbevölkerung bekommen. Über die Geschichten, die sich Leute untereinander erzählen, wölbt sich dann ein Horizont biblischer Geschichten, soweit Priester von solchen überhaupt Kenntnis haben. Dabei wird kaum zwischen jüdischen und christlichen Sagen und Legenden unterschieden.
Die Christianisierung auf dem Lande wird von größeren weltlichen wie geistlichen Grundherren betrieben, die auf ihrem Grund kleine Holzkirchlein bauen und dort eigene Hörige ohne sonderliche religiöse Ausbildung als Geistliche einsetzen. Über diese können insbesondere weltliche Herren nach Belieben verfügen, sie auch als Dienstboten einsetzen, wie überliefert ist und im 9. Jahrhundert von der Kirche lauter beklagt wird.
Eine erste Christianisierungswelle schuf weit voneinander entfernte Taufkirchen, und die Taufe ist zunächst ein religiös wenig verstandener Unterwerfungsakt unter die Mächtigen. Erst langsam entstehen leichter zu erreichende Pfarrkirchen, die das Land überziehen und neben der Taufe auch Messe und Beerdigung anbieten. Hier ist nun auch der Zehnte auf alle Einkünfte abzuliefern.
Die Pflicht zur regelmäßigen Teilnahme an der sonn- und feiertäglichen (lateinischen) Messe, im 9. Jahrhundert durchgesetzt, ist wesentlich ein Mittel zur Disziplinierung der Menschen vor Ort. In der Predigt wird von ihnen dann Unterwerfung und Gehorsam verlangt .
Während Juden mehr oder weniger in rechtlicher Sonderstellung ein Dasein in der lateinischen Christenheit erlaubt wird, kann ein Nichtjude jetzt nur noch im Rahmen einer Pfarrei überhaupt existieren ("Pfarrzwang"). Und ohne die Hilfe des Priesters ist es nicht einfach nur unmöglich, dereinst "durch die Pforten des Paradieses" zu schreiten, sondern man landet, wie einem ständig vorgehalten wird, in jenen ewig währenden Folterkellern, die Hölle heißen.
Wieviel und was für ein Christentum den Menschen abverlangt wird, wird in einem Brieftext des Erzbischofs von Lyon an den Bischof von Langres um 853 deutlich:
Auf dass die Plebs ruhig in ihren Pfarreien und den Kirchen, zu denen sie gehört, lebe, wo sie die heilige Taufe empfängt, wo sie Körper und Blut des Herrn empfängt, wo sie die Gewohnheit pflegt, die Feierlichkeiten der Messe anzuhören, wo sie vom Priester die Strafen für ihre Verbrechen/Sünden empfängt, den Besuch bei Krankheit, wo man außerdem von ihnen die Zehnten und die ersten Früchte abverlangt. (in Audebert/Treffort, S.84, m.Ü.) Zu ergänzen wäre noch die Beteiligung des Priesters beim Tod des Menschen.
Welt darüber hinaus erleben Freie als Krieger bei oft weit ausgreifenden Kriegszügen, bei denen sie Herrscher bis nach Thüringen, Friesland oder Alemannien bringen. Wir erfahren kaum, was sie dann daheim von ihren grausigen Heldentaten erzählen. In den stark geschrumpften Städten erfährt man vermutlich mehr von solcher "großen, weiten, Welt", aber auch davon wissen wir heute kaum etwas.
Eingebunden ist die Situation des Bauerntums wie überall seit der Bronzezeit in die Entwicklung der Kriegsführung. Das fränkische Heer ist zunächst im wesentlichen ein Heer freier Bauern. Dabei besteht das merowingische Heer wohl überwiegend aus Fußtruppen, von dem die kleine berittene Oberschicht nicht einmal in den Waffen sehr abweicht. Man steigt wahrscheinlich vom Pferd, wenn es zum Kampf kommt und mischt sich mit Gregors multitudo rustica. (Fleckenstein, S.33)
Die Bevölkerung im Pagus, ländlichem Gebiet, ist auf den Schutz des Herren in der Villa angewiesen und auf den bischöflichen und gräflichen Schutz. Der König ist in der Regel weit weg. Villen können Königsgut sein, Kirche oder Kloster gehören, königlichen Amtsträgern oder anderen Grundherren.
Die Bevölkerung des Vicus ist für ihren Schutz manchmal auch auf die mehr oder weniger befestigte Stadt bezogen. Zum vicus wird ein Weiler im übrigen durch die Errichtung einer Kirche, einer Pfarrkirche, die bei Gregor ecclesia heißt (Weidemann 2, S.97)
Die Menschen ernähren sich nördlich des Mittelmeerraums in den neuen Reichen vor allem von Viehzucht, Gartenbau und Waldbewirtschaftung, bis dann in der späten Nachantike der von Historikern so genannte Vorgang der "Vergetreidung" einsetzt, in dem nach Dinkel nun Roggen und Weizen einen Teil des Fleisches ersetzen und die Bedeutung des Ackerbaus für die Herstellung von Getreidebrei und Brot zunimmt. Hungersnöte werden regelmäßig durch Naturkatastrophen oder marodierendes Militär hervorgerufen.
Getrunken wird Wasser und Met, der dann oft selbst gebrautem Bier weicht, und in manchen Gegenden weiter auch Wein.
Was wir erahnen können ist, dass die meisten Menschen damals zumindest auf dem Lande viel mehr Individuen sind und als solche wahrgenommen werden, als das heute im von Massenmedien gesteuerten Konsumismus der Fall ist. Sie sind in ihrem Alltag viel mehr allein und sich selbst und ihrer unmittelbaren Nachbarschaft überlassen.
Zwar werden sie nach und nach kirchlicher Propaganda ausgesetzt, aber was sie damit jenseits anfangs seltener öffentlicher Rituale anfangen, bleibt ihnen weitgehend selbst überlassen und interessiert die Herren nicht.
Ähnlich sich selbst überlassen sind sie auch in ihrer Arbeit, deren wesentliche Regulierung bei den abhängig Beschäftigten in gelegentlichen Diensten und Abgaben besteht, Jenseits davon organisieren sie ihre (mühevolle) Arbeit wohl eigenständig.
Extensivierung
Insbesondere die sächsischen, hessischen und thüringischen Gebiete bestehen bis in die Karolingerzeit zu nicht geringem Teil aus Waldland, Sümpfen und ähnlichem. Technische Intensivierung entwickelt sich sehr langsam, dafür beginnt schon zwischen dem 7. und 9. Jahrhundert jene Extensivierung vor allem durch Rodung, in der einzelne große Waldgebiete, Heide und anderes "Ödland" auf Reste in einer immer agrarischer geprägten Landschaft reduziert werden - und mit ihnen immer mehr Tierarten. In einer ersten Phase werden seit dem Ende des 3. Jahrhunderts verloren gegangene Nutzflächen zurückgewonnen, aber schon in der Karolingerzeit nimmt wohl auch Rodung nie zuvor intensiver genutzter Waldflächen durch Klöster und weltliche Herren zu. Vermutlich wird sie in Gallien nach dem 11. Jahrhundert nie mehr aus landwirtschaftlichen Gründen in diesem Umfang betrieben werden.
Praktisch gibt es wohl zwei Wege zu dieser Gewinnung neuer Nutzflächen. Entweder lassen Latifundienbesitzer oder Großbauern Sklaven diese Arbeit verrichten, oder aber sie beauftragen Kolonen oder freie Bauern damit und sichern ihnen dafür einen Anteil, wohl oft die Hälfte, als ihr Besitztum zu. Weniger "legaler" Raubbau an Wäldern und Feuchtwiesen wird wohl aus Eigeninitiative kleiner freier Bauern hervorgehen.
Neuerungen
Vermutlich setzt das durch Einführung technischer Neuerungen hervorgerufene Wachstum in der Landbewirtschaftung schon in der Karolingerzeit punktuell ein. Der Ackerbau ist zunächst extensive und knochenharte Zweifelderwirtschaft aus bewirtschafteter Fläche und Brache, wobei Ochsen Hakenpflüge ziehen, die in die Erde gedrückt werden müssen und manchmal vorne auch Räder besitzen (die carrucae). Erste hölzerne Beetpflüge, die die Schollen umwenden und das Pflügen in nur einer Richtung und nicht mehr Querpflügen ermöglichen, kommen wohl lokal seit dem 7. Jahrhundert an wenigen Orten Mitteleuropas auf, bleiben aber lange noch sehr selten.
Die einzige, aber enorm wichtige Maschine der Nachantike stellt die Mühle dar, die es als Wassermühle schon im antik-römischen Kaiserreich gab. Besonders in der Karolingerzeit nimmt die Zahl der Wassermühlen zu, früher Maschinen-Einsatz, welcher der Hausfrau das Getreidemahlen per Hand abnimmt, welches aber wohl vorläufig noch die Regel ist. Die Prümer Grundherrschaft hat kurz vor 900 rund 50 Mühlen, das Kloster St.Germain-dés-Prés bei Paris in 12 seiner 23 Domänen insgesamt 57 Mühlen. (Goetz, S.120) Es gibt sie manchmal auch dort, wo es keinen bedeutenden Großgrundbesitz gibt (Bois, S.141).
Ziel sowohl der großen wie der kleinbäuerlichen Betriebe ist eine relativ große Autarkie, also Selbstversorgung. Ausgenommen ist bei den freien Kleinbauern der Mühlenbetrieb, aber vielfach wird hier das Mehl noch im Haushalt selbst gemahlen. Zudem sind Schmiede und Töpfer wohl regulär ausgegliedert. Dafür werden Textilien sowohl auf dem großen Gutshof wie bei den Kleinbauern selbst hergestellt, und zwar oft aus Leinwand, die am stehenden Gewichtswebstuhl gewebt wird, oft in einfachen Gruben-Webhäusern, wie Morrissey für Alemannien beschreibt:
"Die Kettfäden hängen hier senkrecht herunter und sind an ihrem Ende mit Webgewichten beschwert, um die zum Weben nötige Spannung zu erhalten. Der Schussfaden wird manuell eingebracht und mit einem Webschwert nach oben angeschlagen. (...) Das kühlfeuchte Raumklima in den Grubenhäusern sorgte dafür, dass das Leingarn nicht austrocknete und nicht so schnell riss. Vermutlich hatte fast jeder größere Hof eine solche Webhütte, denn Stoffe dürften in Heimarbeit - vorwiegend in der kalten Jahreszeit - hergestellt worden sein." (MorrisseyC, S.72/74)
Produktion: Handwerk
Spätestens im vierten Jahrhundert beginnt der Rückgang von Bevölkerung, Produktion und Warenverkehr im weströmischen Reich. Er hält je nach Gegend möglicherweise bis ins 7./8. Jahrhundert an. Für ein Quantifizieren fehlen allerdings die Daten.
Die Kunst (ars) des "Handwerks" wird erst viel später im Mittelhochdeutschen von den übrigen artes mechanicae getrennt, zu denen auch die agricultura gehört und die von den freien Künsten getrennt sind.
Unter den Handwerkern, die manchmal Produkte auf dem Markt verkaufen, gibt es die vielen mehr oder weniger Unfreien, die auf Herrenhöfen arbeiten, dann persönlich Unfreie, aber in ihrem Gewerbe Freie, die auch auf eigene Rechnung arbeiten und verkaufen können, und eine wohl kleine Minderheit persönlich freier und wirtschaftlich unabhängiger Leute. Genaueres ist nicht bekannt.
Baugewerbe mit Stein findet in der Merowingerzeit nur selten noch Arbeit und muss vermutlich über größere Entfernungen von Ort zu Ort ziehen. Bauhandwerker und herausragende Goldschmiede werden auch von weither herbeigerufen.
Aus den steigenden Einnahmen aus der Landwirtschaft, den Märkten, aus Münzen und Zöllen leisten sich in der Karolingerzeit reiche und mächtige Herren größere Palastbauten samt deren Einrichtungen. Inspiriert von der Begegnung mit dem antiken und nachantiken Italien geht Karl ("der Große") voran. Er beginnt mit einem neuen großen Palast in Paderborn 777, ab etwa 780 entsteht die mit Bädern gesegnete große Pfalz zu Aachen mit Königshalle, Pfalzkapelle, einem Wohnturm, einer Garnison und Gerichtssälen samt einer Thermenanlage nach antikem Vorbild. Derweil beginnen auch Bischöfe und Äbte mit eigenen Palastbauten und Klöster werden prächtiger ausgebaut. Mehr zentrale Kirchen werden wieder aus Stein gebaut. Bedrohte Städte versuchen, Befestigungen zu reparieren oder neu zu errichten.
So entstehen in der sogenannten "karolingischen Renaissance" vor allem zwischen Seine und Rhein 27 neue Kathedralen, 417 Klöster und 100 Königspfalzen (Heitz in: Hodges, S.66) Seit dem 9. Jahrhundert lässt sich zunehmendes Bauhandwerk in Stein und Holz an Baustellen nieder, die Jahre oder Jahrzehnte überdauern. Solche Baustellen brauchen viel Geld, auch wenn viel Arbeit als Dienst am Grundherrn verrichtet wird.
Töpfermanufakturen entstehen in der späten Merowingerzeit neu, aber nun auf dem Lande wie im Nordosten der Eifel, wobei neben Schüsseln und Bechern die Vorratsbehältnisse eine große Rolle spielen. Hier scheint es in einigen Gegenden wieder eine gewisse Massenproduktion zu geben. Dazu kommt die viel seltenere Herstellung gläserner Waren.
Eisen- und Bleiabbau wird mit wohl kurzer Unterbrechung ein wenig weitergeführt. Motor der wirtschaftlichen Entwicklung werden auch die Waffen- und Rüstungsproduktion aus Eisen, die den erneuten Aufstieg des Schmiedehandwerks befördern, wobei auch das Metallgewerbe erst einmal sich oft auf dem Lande befindet.
In den Städten mit einer gewissen Kontinuität bleibt ein Rest bald in die Grundherrschaft eingegliedertes Handwerk bestehen, und insbesondere ganz im Norden entstehen bald auch kleine Handelsorte, an denen sich dann wohl auch freies Handwerk ansiedelt. Aber über all das weiß man sehr wenig.
Insgesamt ist das Handwerk auch unter den Karolingern in die auch die Stadtansätze umfassenden Grundherrschaften eingegliedert und zum guten Teil weiter auf dem Lande angesiedelt. Weberinnen in etwa im Status von Sklaven stellen mit Spinnen und Weben die Tuche auf den Frauenhäusern des Gutshofes her, die mit Woll- und Flachsabgaben der Herrenhöfe der weiteren Umgebung beliefert werden. Vermutlich dient ein Teil der Produktion dem Handel. Nur in Nordgallien gibt es noch städtische Zentren für die Erzeugung hochwertiger Stoffe.
In die familia eingeordnete Handwerker werden von hohen Herren für deren Luxusbedürfnisse gefördert. Sie werden zum Beispiel zur Ausbildung in der Goldschmiedekunst zu Meistern anderer Herren geschickt.
Grundherrschaften kontrollieren mit den Vorkommen auf ihrem Land einen großen Teil der gewerblichen Rohstoffe. Ein für jeden notwendiger Rohstoff ist das Salz, dessen Gewinnung aus dem Meer oder aus Steinsalz ebenfalls von Grundherren betrieben wird.
Merowingische Herrscher fördern mit ihren geringen Möglichkeiten ihre Städte, in denen sie sich auch vorrangig aufhalten. In einer weithin agrarisch geprägten Welt sind sie Stützpunkte königlicher wie bischöflicher Macht. In einigen sitzen eigene Handwerker, Hoflieferanten, zu denen auch Händler gehören. Soweit möglich gewinnen sie hier auch Abgaben zum Beispiel aus Zöllen.
Die langobardischen Herrscher erkennen schnell die Bedeutung der Städte und setzen hier ihre Herzöge und Gastalden ein. Sie fördern den Handel und regulieren das Handwerk, wobei sie offenbar die antiken Körperschaften, soweit noch vorhanden, unterstützen. Für einzelne handwerkliche Leistungen werden Preise fixiert und einige Handwerke sind laut den seltenen Quellen in ministeria organisiert. Gefördert werden sehr bald Goldschmiede und Schmiede.
Konsum und Handel
Die allermeisten Menschen, die Nahrungsproduzenten, konsumieren kaum mehr als ihre eigenen Erzeugnisse. Wenn dann über ihre Abgaben hinaus schon mal ein kleiner Überschuss bleibt, der auf einem nahen Markt verkauft werden kann, geht der für notwendige Gerätschaften drauf, soweit sie sie nicht selbst herstellen können. Handwerker in der Grundherrschaft haben wohl oft eigene Landwirtschaft, oder sie müssen Nahrungsmittel für ihren Konsum zukaufen.
Größere Grundherren versorgen sich auch unter den Karolingern mit den Lebensmitteln aus ihrem Land, haben aber von diesem auch die Möglichkeit, Einkünfte zu erzielen, mit denen sie anders als fast alle anderen Konsumgüter eintauschen bzw. einkaufen können, was für sie wohl vor allem hörige Händler erledigen, die auch Transporteure sind.
Der Handel geht zunächst massiv zurück, aber im nun fränkischen Gallien gibt es weiterhin etwas regionalen Handel. Es werden weiter einzelne Kaufleute (negotiatores) erwähnt. Solche mercatores bzw. negotiatores sind Leute, die Waren einkaufen, um sie zu verkaufen. Ziel ist der Gewinn. Aber auch Ladenbesitzer heißen manchmal so. (ClaudeHandel, S.169)
Mit Sklaven wird ein schwunghafter Handel betrieben, wobei es eine Anzahl zentrale Sklavenmärkte wie in Prag oder Mainz gibt. Langobarden verkaufen laut Gregor d.Gr. Massen versklavter und gefesselter Römer ins Frankenreich. (ClaudeHandel, S.95f) Auf dem Sklavenmarkt von Marseille tauchen ebenfalls italienische Händler auf, maurische Sklaven werden nach Gallien verkauft. In der Provence kann man junge Angelsachsen kaufen.
Das Christentum verurteilt zwar den (gewinnbringenden) Handel, aber Kirche und Kloster haben zugleich daran teil. Tatsächlich nutzt der wohlhabendere Klerus die Dienste der Händler und beteiligt sich manchmal am Handel. (ClaudeHandel, S.203)
Manche Kaufleute der Merowingerzeit scheinen sehr selbständig zu operieren und über ein Netzwerk von Informanten zu verfügen. Bezahlt wird in der Regel mit Geld.
Neben den in die familia des Grundherren eingereihten Händlern in dessen unmittelbaren Diensten, die allerdings wohl auch nebenbei eigene Geschäfte betreiben, gibt es auch reisende Fernhändler, die mehr Freiheit(en) genießen. Unter ihnen sind viele Friesen, so dass der Volksbegriff oft als Synonym für (freier) Händler auftaucht. Neben ihnen treten besonders für den Fernhandel in südliche Richtung und über das Mittelmeer hinweg Juden und Syrer auf. Es mag bezeichnend sein, dass Händler in den fränkischen Volksrechten (leges) nicht auftauchen. (Siems in: Jankuhn/Ebel, S.125) Sie haben wohl ihr eigenes Gewohnheitsrecht ausgebildet.
Der Fernhandel im Merowingerreich nimmt dann langsam wieder zu und verlagert sich vom Mittelmeer weg stärker nach Norden. Selbst im nördlichen Gallien zwischen Boulogne und dem Rhein- und Maasland dürften Handel und Handwerk, auch Fernhandel nicht völlig abgebrochen sein und erleben im siebten Jahrhundert einen gewissen Aufschwung. In diesem wird Maastricht gegründet und entwickelt sich auch zu einem gewerblichen Zentrum mit Metallarbeiten, Keramik und Glassproduktion. Friesen beherrschen den Nordseehandel wie Skandinavier den der Ostsee. Zudem reisen friesische Händler auch den Rhein bis Straßburg hinauf und verkaufen dort unter anderem ihre Wolltuche. In dieser Zeit entstehen auf beiden Seiten des Ärmelkanals Handelsorte, an denen sich Gewerbe ansiedelt.
Im fränkischen Binnenhandel werden nun unter anderem Wein, Öl, Wachs, Salz und Getreide sowie Tuche aus Friesland, Leder, Papyrus, Keramik und Schmuck gehandelt. (GoetzEuropa, S.201) Überhaupt ist auch der Krieg für den Handel wichtig, wozu der Handel mit Waffen gehört. Im Krieg zieht ein ganzer Tross von Händlern (und Huren) mit den Heeren mit, was so selbstverständlich ist, dass es nur selten erwähnt wird.
Vor allem weltliche Herren demonstrieren ihren Rang nach außen weiter mit möglichst viel Luxus an Kleidern, Schmuck, Nahrungsmitteln, Gebäuden und Pferden. Dasselbe betrifft auch Bischöfe und ihre Höfe bzw. Paläste, die zudem ihre Kathedral-Kirche vor allem innen auch mit Gold, Silber und Edelsteinen sowie feinen Tuchen und Malereien ausschmücken. Ähnliches gilt für Äbte.
Was nicht irgendwo in der eigenen Grundherrschaft hergestellt wird, muss auf einem Markt erworben werden. Dieser beruht zunächst darauf, dass Grundherrschaften gelegentlich und wohl zunehmend größere Überschüsse für den Verkauf auf Wochen- und bald auch Jahrmärkten erzielen. Zwar ist weiterhin möglichst breite Selbstversorgung erstes Ziel, aber es ist anzunehmen, dass für Luxus vor allem auch Handelsware produziert wird: Getreide, Wein, Salz, Leinen, Holz, Steine, und manchmal sogar Metallwaren. Luxuswaren wie Seide, Gewürze, Elfenbein werden im Fernhandel importiert, der weiter aufwendig bleibt.
Wichtige Abnehmer sind neben den Herrschern und reichen Bischöfen die großen Klöster wie Saint Denis oder Corbie, die selbst eigene Händler beschäftigen. Bei Saint Denis in der Nähe von Paris entsteht daraus Mitte des siebten Jahrhunderts der große Jahrmarkt, eine Frühform der Messe, von König Dagobert I. gegründet, in dem bald neben Syrern und Juden auch Westfranken, Friesen und Angelsachsen (z.B. 709) als Händler auftreten. Sie verkaufen dort vor allem Wein und Textilien.
Bis Ende des 6. Jahrhunderts floriert ein gewisser Adriahandel zwischen Venedig und Otranto, der mit den langobardischen Eroberungen dann deutlich abnimmt.
Aber archäologische Untersuchungen deuten darauf hin, dass "um 600 die wirtschaftliche Kraft der Küstenregionen des zentralen und westlichen Mittelmeers weithin erschöpft" ist (Hodges, S.43, m.Ü.) Dasselbe gilt dann im 7. Jahrhundert auch für Byzanz jenseits seiner Hauptstadt. Die schnelle arabische Expansion trifft damit wohl auf bereits geschwächte Regionen.
Unter den Langobarden ist der lokale Handel in den Händen einheimischer Kaufleute, während der Fernhandel wohl zum großen Teil von Byzantinern kontrolliert wird. Kaufleute beliefern vor allem Könige, Bischöfe und Äbte. Handel zahlt Zölle und die Märkte liefern (kaum dokumentierte) Abgaben. Seit Urzeiten ist neben Sklaven Salz elementares Handelsgut. Es muss von den Lagunen der Adria, der Küste südlich von Pisa und von der Tibermündung überall hin geliefert werden. Für das 8. Jahrhundert ist Salzhandel von Commacchio an der Mündung des Po für seine Ebene dokumentiert.
Ähnlich wie in Gallien bis nördlich nach Paris tauchen auch in Italien neben einheimischen syrische und jüdische Kaufleute auf, Syrer laut Prokop in Neapel und Juden laut Gregor ("dem Großen") in Palermo.
Im Mittelmeerraum der Merowingerzeit gibt es noch gelegentlichen Schiffsverkehr zwischen Rom und Sizilien, zwischen Italien und Karthago, Marseille, Nizza. Um 700 verschwindet der Handel mit Afrika. Der Schiffsverkehr zwischen Gallien und Italien nimmt gegen Ende des 7. Jahrhunderts erheblich ab
Es setzt kaum größerer Handel über die Alpen ein. (ClaudeHandel, S.136f)
Schiffsverkehr zwischen Spanien und Italien ist selten und verschwindet um 600 zunächst fast ganz, zwischen Gallien und Nordafrika ist er selten und verschwindet um 700, zwischen Gallien und Spanien ist er vielleicht etwas häufiger, es gibt möglicherweise mehrere Schiffe pro Jahr. Leder wird bald aus dem nun islamischen Spanien (Cordouan) importiert.
Einzelne Fahrten zwischen Gallien bzw. Italien und Konstantinopel finden als Küstenfahrt mit Zwischenstationen statt. Seltene Seidenstoffe für hohe Würdenträger kommen aus Byzanz, ebenfalls aus dem Osten seltene Luxusstoffe mit Purpur und aus Baumwolle.
Im Mittelmeer bleibt als Haupthandelsroute noch die von Rom um Süditalien und durch die Ägäis nach Konstantinopel/Byzanz. Überhaupt bleibt Rom zentraler Umschlagplatz für Waren. Selten sind Schiffe zwischen Italien und Alexandria dokumentiert, aber es muss sie beim Reichtum Ägyptens häufiger gegeben haben. Andere fahren in Karthago los.
Umgeschlagen werden die über die See transportierten Waren in Häfen. In der Regel sind das die noch existierenden der Antike, von denen einige aber in der Nachantike versanden. Verkauft werden die Waren an den Anlegestellen, nur für Rom werden sie in Porto auf kleinere Schiffe verladen. Was nicht gleich verkauft wird, muss in Häfen gelagert werden.
Gegen Ende des westlich-antiken Imperiums nimmt der Anteil syrischer (levantinischer) Händler in Italien und Südspanien zu, auch in Südgallien, wo sie ebenfalls ansässig werden (Salvian). Es scheinen Armutsflüchtlinge aus ihrer Heimat zu sein. (ClaudeHandel, S.171) Sie sind aber nur zum Teil Fernhändler, und verschwinden im 7./8. Jahrhundert, inzwischen wohl integriert, aus den Quellen. Vor allem in Rom scheint es viele griechische Händler zu geben. Bis tief ins 9. Jahrhundert sind zudem griechische Händler von Byzanz aus unterwegs.
Die religiöse und sich quasi-ethnisch abschließende Gruppe der Juden ist seit der Antike im Mittelmeerraum aktiv. Sie sind in Quellen für Spanien und Gallien zunächst vor allem als Käufer an Anlegestellen erwähnt. Es gibt unter ihnen aber auch einzelne Fernhändler, zum Beispiel in Neapel. Aufgrund ihrer starken Unduldsamkeit integrieren sich nur wenige von ihnen.
Im lateinischen Mittelmeerraum sind Hinweise auf christliche heimische Kaufleute, die Mittelmeerhandel betreiben, eher selten. (ClaudeHandel, S.190) Das Frankenreich besitzt kaum Schiffe, im Unterschied zu Italien (Neapel, Sizilien)
Die antiken Reeder verschwinden, und in vielen Fällen sind Eigner eines einzelnen Schiffes auch Fernhändler, die mit ihrem Schiff reisen. Bei teuren Luxuswaren werden wohl mehrere Kaufleute ein Schiff bzw. Frachtraum gemeinsam mieten, wenn diese nicht zusätzlich zu Massenware transportiert werden.
Fernhändler nehmen schriftkundige Lohnarbeiter als Gehilfen mit. Wie die Händler an nötige Marktinformationen (Nachfrage, Preise etc.) gelangen, ist unklar. Bezahlt wird in Goldmünzen und Waren. Bewohner der venezianischen Lagune verwenden offenbar auch Salz als Zahlungsmittel.
Wenig Kapital braucht man, wenn man Auftragshandel betreibt. Östliche Händler dagegen scheinen manchmal erhebliche Kapitalien besessen zu haben (ClaudeHandel, S.219) Manche westliche See-Fernhändler beginnen ihren Handel mit einem Kredit. Es gibt aber kaum professionelle Finanziers, nicht selten sind Kreditgeber im Osten Bischöfe, die manchmal auch selbst Handel treiben.
Massenwaren wie Getreide oder Öl werden von lateinischen Potentaten wie den Päpsten und Bischöfen mit ihren Einnahmen aus der produktiv arbeitenden Bevölkerung zur Versorgung städtischer Massen eingekauft. Ohne diese Versorgung kann es in Rom oder Konstantinopel zu Hunger-Unruhen kommen. Sie werden aber auch häufiger auf einem freien Markt verhandelt.
Getreide kommt aus Sizilien und im 6. Jahrhundert aus Italien. Es wird rein kommerziell exportiert, wenn Mangelsituationen irgendwo bekannt werden, was informationstechnisch aber oft schwierig ist.
Öl und Oliven aus Spanien oder Nordafrika gehen seit dem 6./7. Jahrhundert über Marseille nach Gallien. Italienisches Öl geht nach Byzanz, unter den Langobarden kommt es auch von dort. Teures Papyrus aus Ägypten gelangt in größerer Menge bis ins späte 7. Jahrhundert an Klöster. Es wird dann in den nächsten Jahrhunderten langsam durch Pergament abgelöst
Wein ist ebenfalls Massengut in Amphoren, was den Transport verteuert wie den von Öl. Im 7. Jahrhundert wird dann auf Fässer umgestiegen. Salz aus der venezianischen Lagune wird vor allem über den Po in Norditalien verkauft.
Ansonsten handelt es sich ohnehin fast nur um Luxusgüter für wenige Reiche und Mächtige. Importe von Garum (Fischsauce) und ähnlichem Liquamen werden zum Beispiel im 7.Jh. an reiche Klöster wie Corbie verkauft, welches sich auch mit Datteln, Pfeffer und Kümmel eindeckt, bzw. vom König damit beschenkt wird, so wie mit anderen exotischen Gewürzen aus dem Raum des Indischen Ozeans.
Neue Handelsräume
Mit der endgültigen Eroberung und Zivilisierung germanischer Räume vor allem nordöstlich des Rheins entstehen an Domburgen, Pfalzen und Klöstern zu Handwerkersiedlungen auch solche von Händlern, die zunehmend privilegiert werden.
Im westslawischen Raum entstehen nach der slawischen Besiedlung Herrschaften, die in Burgen hausen, an die sich Siedlungen anschließen, die bis über 1000 Häuser umfassen können (wie Lublin im 8. Jahrhundert). Diese im 9. Jahrhundert mit einem Wall umgebenen Orte besitzen Handwerker und Händler.
Jüdische Händler des nördlichen Schwarzmeerraumes vermitteln zentralasiatische Seidenstoffe über Kiew bis nach Mainz. (Haussig in: Jankuhn/Ebel, S.27). Dabei hilft
der Übertritt der Chasaren zum Judentum um 800, der möglicherweise aus merkantilen Gründen geschieht. Sie spielen eine erhebliche Rolle im Sklavenhandel des 9. Jahrhunderts. In Haithabu liegt
auch ein chasarischer Kaufmann begraben.
Mit dem Islam und seiner Ausdehnung von Spanien bis nach Mesopotamien und bald dann darüber hinaus nach Osten entsteht ein viel größerer Wirtschaftsraum als der immer kleinere oströmische mit seinen schrumpfenden Ablegern in Italien und dem fränkischen mit seinen bescheidenen Ausläufern nach England und in den Nordosten.
Ein weiteres bedeutendes Reich, viel älter als das fränkische und viel dauerhafter, ist längst mit dem chinesischen Kaiserreich entstanden, wo es viele Male größere Städte gibt als das abbasidische Samarra oder Konstantinopel. 792 öffnet sich der Hafen des chinesischen Kanton für arabische Händler, die dorthin Glas exportieren und Seide und anderes mitbringen. (Hodges, S.36) Einzelne fränkische Händler sollen selbst bis nach Indien gelangt sein. (ClaudeHandel, S.84f)
In der Karolingerzeit gewinnt überhaupt islamischer Handel an Bedeutung, der allerdings vorwiegend innerislamisch stattfindet, und in dem Juden ebenfalls eine Rolle
spielen. Schon Mohammed betrieb Handel und der erste Kalif ebenso. Es gibt Formen von Handelsgesellschaften, die auch Fernhandel betreiben. Vergleichbares zu Kaufmannsgilden kann aber nicht
entstehen, da sie die Willkür islamischer Herrscher einschränken würden, die sich auch gelegentlich gerne aus der Kasse von Kaufleuten bedienen möchten.
Nach etwa 820, so wird vermutet, nimmt der Handel in der Nordsee etwas ab, und langsam erscheinen mehr italienische Münzen nördlich der Alpen. 849 "berichtet Abt Lupus von Ferrières, dass die ärmlicher gewordene westfränkische Währung in Italien nicht mehr akzeptiert werde, nur noch Italica moneta argento." (Coupland in: Hodges, S. 1990, m.Ü.)
Mehr Handel über die Alpen kommt Ende des 8. Jahrhunderts auf, als der Po in größerem Umfang Handelsweg wird. Im 8./9. Jahrhundert gelangen so zum Beispiel exotische Gewürze über Venedig, Po, Alpen und Rhein nach Mainz, von dort auch, wohl noch seltener, nach England. Das wird im 10. Jahrhundert dann häufiger werden.
Händler
Zum Wiederaufschwung des Handels nördlich des Mittelmeerraumes in der zweiten Hälfte des 8. und durch das 9. Jahrhundert tragen im 8. Jahrhundert die Friesen bei. Friesen beherrschen den Nordseehandel wie Skandinavier den der Ostsee. Zudem reisen friesische Händler auch den Rhein bis Straßburg hinauf. Friesen haben aber außerhalb ihres Kern-Siedlungsgebietes kein Monopol auf Handelsaktivitäten.Innerhalb des Frankenreiches handeln fränkische Händler mit Getreide, Wein, Eisen und Salz vor allem. Salz, selten vor Ort vorhanden, ist ein überall begehrtes Gut. Es kommt in deutschen Landen aus Reichenhall, Hallein, Schwäbisch-Hall und Lüneburg.
Neben den Friesen, die sich im fränkischen Reich schon vor der endgültigen Eroberung und fränkischer Zivilisierung nach und nach zu integrieren beginnen, sind, wie schon angedeutet, Juden von Grundherrschaft freiere Händler auch aufgrund ihrer ebenfalls andersartigen Religion. Da Christen damals offiziell nicht am äußerst lukrativen Sklavenhandel teilnehmen können, den Juden ihre Religion nicht verbietet, werden sie als Händler geradezu gefördert. Wichtige Sklavenmärkte der Karolingerzeit sind offenbar Verdun und Mainz, zwei damals besonders mächtige Bischofsstädte. Es gibt ihn allerdings vielerorts.
Die orientalischen ("syrischen") und griechischen Händler, die zuvor die gallorömischen ersetzt hatten, verschwinden aus den Quellen der Nordhälfte Franziens mit der Orientierung des dortigen Handels nach Norden. Selbst die Messe von St.Denis ist nun auf den Handel mit Orten wie Rouen, Amiens und Quentovic ausgerichtet. Die Bedeutung von Gent an der Schelde und Mastricht mit Zoll und Münze steigt, wie die der Maasorte Dinant, Huy und Namen (Namur).
Der Übergang vom Händler als Teil der herrschaftlichen familia mit Beauftragung durch den Herrn über den, der nebenbei auch auf eigene Rechnung Handel treibt, zum ganz selbständigen Händler ist im Einzelfall kaum nachvollziehbar. Ein Zwischenschritt ist der Einkauf am Zielort nach Verkauf vorgegebener Waren, wobei Händler wohl zusätzlich auf eigene Rechnung einkaufen. Wenn der Herr vom Händler beispielsweise eine bestimmte Menge Salz erwartet, kann dieser auf eigene Rechnung und für eigenen Handel zukaufen.
Mancher freie Händler war vermutlich ein wohlhabender Handwerker, der von der eigenen Handarbeit, die er selbst auf den Markt bringt, dazu übergeht, Rohstoffe und Produkte anderer auf dem Markt zu verkaufen. Im frühen Mittelalter gelangen solche Leute zuerst in Italien zu Reichtum. Anderen gelingt es, durch Handel außerhalb der dem Herrn zustehenden Zeit wohlhabend zu werden. Handel ist also für Unfreie ein guter Weg zu einem Wohlstand, der dann auch in die Freiheit führen kann.
In den Annalen von St.Bertin werden immer wieder Kaufleute erwähnt, allerdings ohne dass wir Näheres über sie erfahren. Immerhin lesen wir im Kapitular von Herstal (Capitulare Haristalense) von 779 vom Verbot des sich Verschwörens in (Kaufmanns)Gilden (geldae). Solche gildonia oder confratria bzw. coniurationes mit ihren convenientiae (Übereinkünften) tauchen auch im weiteren 9. Jahrhundert im fränkischen Raum auf und werden immer wieder von den Königen verboten, die hierarchische statt genossenschaftliche Formen durchsetzen wollen.
Im 8. und 9. Jahrhundert taucht auch im deutschen Raum zunft in verschiedenen Versionen als Vereinigung von Personen auf. Solche Gilden enthalten Männer wie Frauen, die sich unter einem Eid vereinigen. Ein besonderer Dorn im Auge der Kirche sind dabei die Mähler (comessationes), die mit Völlerei, Obszönitäten, Streitereien und Schlimmerem verbunden sein sollen.
Es gibt für die Frühzeit dieser sich entfaltenden Handelswelt kaum Texte über einzelne der wagemutigen Fernhändler. Eine Ausnahme ist der Kaufmann Ottar aus der nördlichen Fjordlandschaft Norwegens. Er war mehrmals mit einer Schiffsladung Tierhäute und Rentiergeweihe in See gestochen, und hatte Handelsplätze in Südnorwegen, Dänemark und England besucht. (Kümper, S.36) Dem englischen König Alfred ("dem Großen") beschreibt er sich und seine Reisen 890. (siehe Anhang 10b)
Transport
Römerstraßen der Merowingerzeit werden im Auftrag von Königen und Grundherren von abhängigen Bauern als Dienstpflicht mehr oder weniger gepflegt. Das Straßenwesen dient neben dem Handel auch den Botendiensten und den Heerzügen. Die zwei Rheinbrücken bei Köln und Mainz werden offenbar immer wieder repariert. Im zentraleuropäischen Binnenland sind die wichtigsten Handelswege besonders für Massenwaren bis durch die Karolingerzeit Flüsse, vor allem Rhein (mit Main und Mosel), Maas, Schelde und Seine, etwas auch die Loire.
Über Rhône und Saône gibt es eine Nord-Südverbindung mit dem Mittelmeerhafen Marseille, über den (wohl nur sporadisch) arabische und byzantinische Luxusgüter wie Gewürze und Textilien gehandelt werden. Geliefert werden dorthin u.a. Holz, Waffen und Sklaven. Die Rhone und Marseille verlieren aber spätestens im 8. Jahrhundert erst einmal an Bedeutung.
Antike Flusshäfen werden, auch als Zollstellen, weiter benutzt und gepflegt, brauchen jetzt aber nur kleineren Schiffen zum Anlanden zu dienen. (Staab, S.108 für den Mittelrhein)
Seefahrt im Mittelmeer ist nur von April/Mai bis Oktober möglich, ansonsten wegen der Stürme zu gefährlich. Im Winter gibt es eher seltene Küstenfahrten. Bei Flauten oder widrigen Winden leiden die Mannschaften Durst und Hunger. Manchmal muss dann die Ladung über Bord geworfen werden. In Stürmen auch in der Schiffahrts-Saison gehen Schiffe wohl nicht selten unter.
Schiffsbau benötigt lange Bretter und große Balken, Eisen, Pech und Leinen und natürlich Schiffszimmerleute. Das bedeutet also für sich wieder Nachfrage auf dem Markt. Seit dem 7. Jahrhundert wird eine Skelettbauweise mit Lateinsegel eingeführt. Beiboote sind notwendig, wo kein entsprechender Hafen vorhanden ist.
Handels-Schiffe, allgemein navis, sind Segelschiffe, teilweise auch zusätzlich mit Ruderern. Sie sind seit dem 5.Jahrhundert deutlich kleiner als zuvor, vielleicht auch wegen des geringeren Handelsvolumens. Das betrifft selbst Venedig bis ins 11. Jahrhundert, und sie bleiben nur in Byzanz größer. Solche kleinere Schiffe fahren seit dem 5. Jahrhundert zur Sicherheit tendenziell eher Küstenstrecken.
Die Orientierung gelingt über Landmarken und nachts über die Sterne. Unter günstigen Bedingungen sind Tagesleistungen von um die 100 km möglich, meist aber eher weniger. Die Strecke Ravenna-Konstantinopel braucht bis zu 3 Monate, Agrigent-Karthago im besten Fall 3 Tage.
Die Transportkosten für Getreide werden auf 10-15% des Warenwertes geschätzt, sie sind aber je nach Gewicht und Volumen unterschiedlich, und sie sind für Luxuswaren am geringsten.
Geld und Finanzen
Es gibt weiter Münzstätten im Frankenreich, insgesamt lassen sich rund 700 bis 800 vor allem für Goldmünzen nachweisen, von denen viele aber nur kurzlebig sind. Goldmünzen werden unter der Aufsicht von Vertretern der Oberschicht (Monetaren) geschlagen. Es gibt zunächst genug Münzen in Gold, weniger in Silber und zunehmend seltener in Kupfer.
Nachdem das Gold zunehmend in den wirtschaftlich stärkeren byzantinischen Raum abgeflossen ist oder als Schatz gehortet wird, führen die Merowinger im 7. Jahrhundert eine neue Silberwährung ein, auch weil im lateinischen Abendland die Goldvorkommen fehlen und der Handel eher überschaubar bleibt
Insgesamt tendieren aber Münzen durch die Nachantike und das Mittelalter dazu, knapp zu bleiben, da sie auf Edelmetall basieren, an das man erst einmal kommen muss.
Im Mittelmeerraum gilt weiterhin die nun von den Byzantinern durchgesetzte Goldwährung.
Der etwas einheitlichere Wirtschaftsraum des großen Frankenreiches wird dann von Karl ("den Großen") auch durch den Silberdenar mit erhöhtem Gewicht hergestellt, den die Angelsachsen übernehmen und der volkssprachlich im Osten zum "Pfennig" wird. Er wird zur Leitwährung, die für Jahrhunderte das europäische Geldwesen prägen wird, während in Byzanz der Goldsolidus weiter besteht.
Indem die Karolinger ein königliches Münzmonopol für etwa 70 Münzstätten des Reiches durchzusetzen versuchen, beabsichtigen sie eine gewisse Währungssicherheit herzustellen.
Aber selbst beim Denar ist der Wert zu hoch für den alltäglichen Gebrauch. „Im Alltag herrschte der Tauschhandel.“ (Groten, S. 34) Tributzahlungen in Kriegszügen unterworfener Völker werden oft in Vieh bezahlt, wie zeitweilig laut Fredegar die Sachsen an die Merowinger jährlich 500 Kühe abgeben müssen.
Überhaupt ist Münzgeld östlich des Rheins in der ganzen Karolingerzeit selten.
Dennoch nimmt wahrscheinlich spätestens unter dem "großen" Karl der Geldumlauf wieder etwas zu. Die Ausweitung der Geldwirtschaft führt dann unter Kaiser Ludwig zu besserer Kontrolle über das Zollwesen und den Erhalt von Straßen sowie zu Münzprivilegien.
Während Grund und Boden, selbst Ernteerträge und die handwerkliche Produktion soweit nachzuvollziehen sind, dass daraus Abgaben errechnet werden können, lässt sich das Geld des Kaufmannes zumindest zu einem guten Teil vor solchen Nachforschungen verstecken. Ludwig der Fromme ist möglicherweise der erste, der darauf kommt, durch Münzverrufung dabei Abgaben wenigstens indirekt zu erreichen: Dabei werden alle Pfennigmünzen für ungültig erklärt und durch neue ersetzt. Wer immer sie bei den Münzstätten umtauschen möchte, muss den „Schlagschatz“ bezahlen, eine willkürlich erhobene Gebühr für die Münzprägung, was Könige für viele Jahrhunderte weiter nutzen werden.
Markt und Zoll
Es gibt unter den Merowingern weiter Märkte. Zölle und andere Abgaben werden eingenommen. Zölle an Häfen, Flüssen, Brücken und Straßen fließen in den Königsschatz (Scholz, S.216).
Für die fränkischen Könige wird der Handel nicht nur aus ihrem Konsumenteninteresse und zur Förderung der Macht getreuer Vasallen wichtig, sondern auch dadurch, dass sie in etwa 10 Prozent als Zoll abschöpfen. Dokumentiert ist der vor allem für die Ostgrenzen zum Slawenland. Wie wichtig Handel für Könige und Große ist, zeigt der auch daher rührende Sonderstatus der Juden als einzigen akzeptierten Nichtchristen im Reich.
Insgesamt kann man feststellen, dass unter den Karolingern die Bedeutung des Handels zunimmt und das auch so wahrgenommen wird. Er wird vom karolingischen König und von den Großen unter ihm mit Abgaben-Erleichterungen und Schutzerklärungen privilegiert, und zwar für den Aufenthalt am Markt und die Wege dorthin und wieder von dort weg.
Unter Markt verstand man zunächst einen Markttag, der zu bestimmtem Datum an bestimmtem Ort stattfand, und zwar vor allem auf dem Lande und in der Nähe der Orte der Nahrungsmittelproduktion. In dem Maße, indem solche Märkte wichtiger werden, werden sie mit einer Abgabe belegt, zugleich aber weiter privilegiert.
Wenig überliefert, aber sicherlich vorhanden, sind Fronhöfe, an denen Produkte einer Villifikation verkauft werden. An lokalen kleineren Märkten sind auch freie Bauern und darüber hinaus alle, die - wenn auch wenige - Waren zum Überleben brauchen. Dazu gehört insbesondere Salz, selten vor Ort vorhanden, ein überall begehrtes Gut. Es kommt für die deutschen Lande vor allem aus Reichenhall, Hallein, Schwäbisch-Hall und Lüneburg.
Der Handel läuft vorwiegend über Wochenmärkte und über wenige zentrale Jahresmärkte. Zentralere Märkte sind der Ort, an dem Grundherren ihre Überschüsse verkaufen und dafür Luxusgüter nicht zuletzt aus Fernhandel einkaufen. Sie liegen "in den Mauern ehemaliger Römerstädte, an Königspfalzen und Bischofssitzen, nicht selten auch vor den Pforten bedeutender Klöster und Stifter." (H.K.Schulze in: Flink/Janssen, S.15)
Jahrmärkte, die Messen, vor allem noch an großen Klöstern angesiedelt, vermarkten im Unterschied zu häufigeren Märkten zunächst vor allem Luxusgüter für die Oberschicht.
Bis in die Zeit der Karolinger wird das alte Recht der urbanen Kerne der civitates tradiert, weiter Märkte abzuhalten. Andererseits wird es ein grundherrliches Recht, überall landwirtschaftliche Märkte abzuhalten. Im Laufe der Zeit entwickelt sich bei zunehmender Marktdichte die Vorstellung, dass die Könige das Recht der Konzessionierung solcher Märkte hätten, da vor ihren Gerichten geklagt wird, wenn die Konkurrenz solcher Orte und Tage überhand nimmt. (Pitz, S. 132)
Geistlichen Herren wird von den fränkischen Königen zunehmend ein Marktrecht verliehen. Ziel mächtigerer Herren wird es nun, den eigenen Markt vom Zoll zu befreien, ihn insofern immun zu machen. Dann genießen sie zum Beispiel das Recht auf Standgebühren, ohne dafür Abgaben zahlen zu müssen, und indirekt auf die Transit-Zölle eines aufstrebenden Handels.
Einen Schritt weiter sind wir mit den Vorschriften Karls des Kahlen von 864 über die Marktaufsicht der Bischöfe und Grafen im Edikt von Pîtres (Edictum Pistense). Die betreffen die Märkte und ihre Besucher, die Kontrolle von Maß und Gewicht, Geldwesen und Preisbestimmung, Warenprüfung und Beaufsichtigung der Handwerker. (Pitz, S. 134 / Bleiber) Dabei wird zwischen alten Marktorten, wohl den civitates (und vici) und neueren aus der Zeit seines Vaters unterschieden, der an eine villa gebundene, grundherrschaftliche Märkte genehmigte. (Irsigler in: Flink/Janssen, S.53).
Markt-Wirtschaft wird so etwas bedeutender unter der strengen Aufsicht und aus den Interessen von Herrschern und Machthabern heraus, welches sich hier mit dem von Handel und Handwerk trifft. Etwa um 900 ist das königliche Marktregal im ostfränkischen Reich voll ausgebildet. Dies wird an den bedeutenderen Grundherrn vergeben. Grundsätzlich gilt: „Die Ordnung des Marktes ist herrschaftlich.“ (Ennen, S.66) Marktordnungen entstehen andererseits und zugleich aus Bräuchen, die dann rechtlich tradiert werden.
Die Stadt der Nachantike
Steigende Nahrungsproduktion, zunehmende Bevölkerung, langsame Zunahme von Handwerk und Handel in der Karolingerzeit sind verbunden mit recht dezentralen und lockeren Formen von Königs-Herrschaft. Ganz langsam entwickeln sich in der Spätzeit der Nachantike neue Handelsorte an Nord- und Ostsee und an einigen Stellen in Italien. Daneben beginnen sich manche alte civitates als Bistumszentren in ersten Ansätzen in kleine Städte neuen Typs zu verwandeln, mit recht viel Selbständigkeit und Eigendynamik, aber auch zunehmend von Herrschern gefördert.
Sobald diese neuartigen Städte als Herrschaftssitze von Bischöfen und Grafen mehr Handwerk und Handel in sich versammeln, werden die Voraussetzungen geschaffen, mit denen sie dann seit dem 10. Jahrhundert, zuerst in der Nordhälfte Italiens und an der Mittelmeerküste Galliens, zu Brutstätten von Kapitalbildung werden können. Zwar ist die Welt insbesondere nördlich der Alpen noch weitgehend agrarisch geprägt und enthält noch wenig vernutzte Naturräume, aber unter den relativ wenigen Menschen in den Städten wird dann das entstehen, was hier als mittelalterlicher Früh-Kapitalismus bezeichnet wird, auch wenn die erste Bewegung in diese Richtung vom Land ausgeht.
Städte in der Spätzeit des Westimperiums
Städte sind sehr verschieden und durch die Geschichte nicht klar definierbar. Hier sollen es Siedlungsorte mit tendenziell größerer Bevölkerung als Dörfer sein und sich von diesen auch darin unterscheiden, dass sie zum größeren Teil Handwerk und Handel beherbergen. Im Frankenreich sind das sowohl verfallende und dann langsam neu beginnende alte Römerstädte sowie auch komplette Neugründungen.
Gegen Ende des römischen Westreiches sind Städte, mögen sie auch als urbs, colonia, municipium, civitas oder oppidum bezeichnet werden, allesamt rechtlich gleichgestellte civitates mit einem städtischen Kern und weitem Umland. Daneben gibt es das castrum als Militärlager mit angeschlossener Siedlung und den vicus als kleinen Ort, der in eine civitas eingeordnet ist.
Das urbane Zentrum der römischen civitas, wörtlich in etwa "Bürgerschaft", basiert vor allem auf dem Reichtum, den Großgrundbesitz einbringt. Gewerbe und Handel spielen eine untergeordnete Rolle und manchmal werden diese civitates deshalb heute als Konsumentenstädte zusammengefasst. Öffentliche Bauten wie Forum, dazu gehöriges Verwaltungsgebäude (Basilika), Theater sowie andere Amüsierarenen, Tempel, Bäder, und Wasserleitungen machen eine solche Stadt aus. All das beginnt gelegentlich schon seit dem 3. Jahrhundert zurückzugehen.
Eine abgeschlossene Grundbesitzerschicht von dreißig bis hundert der reichsten Familien verwaltet die Stadt in der curia und betreibt ihren Erhalt und Ausbau. Oft haben diese Leute zunächst relativ freie Hand, den Frieden, also die Unterordnung der Masse der Bevölkerung aufrechtzuerhalten, mit der Auflage, Steuern (zunächst rund zehn Prozent der Ernte) abzuführen, die vor allem dem Unterhalt der großen Heere dienen.
Unter dem Druck der militärisch-fiskalischen Bedürfnisse der Kaiser und ihres riesigen Reiches wird die Selbstverwaltung immer mehr eingeschränkt und viele "römische" Großgrundbesitzer ziehen sich in Gallien und Hispanien bereits in der Spätzeit des Imperiums auf ihre Landgüter zurück, wo sie sich ihrer städtischen Aufgaben entledigen, nach relativer Selbstversorgung streben und von Steuervorteilen profitieren. Sie versorgen sich dabei nicht nur mit Lebensmitteln, sondern auch mit dem, was ihre eigenen Handwerker produzieren. Dieser Vorgang betrifft allerdings Italien und überhaupt den nördlichen Mittelmeerraum weniger als das übrige Reich (Hythe, S.13), weswegen wir dort im Mittelalter weiterhin städtische Wohnsitze des Adels vorfinden werden. Das wird denn auch einen der Unterschiede zwischen dem Norden und Süden des westfränkischen Galliens ausmachen.
Die produktiven Landbewohner wiederum stellen sich unter den Schutz der größeren, um der Belastung zu entkommen, und werden von ihnen abhängig. Damit diese colones nicht ganz der kaiserlichen Kontrolle entkommen, werden sie an die Scholle gebunden. Die Civitates werden nun den comites unterstellt, und als dann die Franken die Macht übernehmen, werden diese zu einer Art königlicher Amtsträger. (Becher, Chlodwig, S.240f)
Ein Wesenszug der spätkaiserlichen Civitates wird es zudem, dass die aus vornehmen Kreisen stammenden Bischöfe der entstehenden Staatskirche ihren Amtssitz schon früh in deren städtischem Kern nehmen und dank kaiserlicher Privilegien sowie ihres Ansehens als Versorger der städtischen Armen und damit Friedensstifter immer mehr auch einzelne herrschaftliche Funktionen übernehmen und in ihnen die (weltliche) Kurie ablösen.
In vielen einzelnen Provinzen reduziert sich Urbanität in der Spätzeit des Kaiserreiches zunehmend auf eine Art Hauptstadt einer Großregion, in manchen wie südlich der Donau und in Pannonien verlieren Städte völlig jede Bedeutung. Die römische Zivilisation ist im Westen schon im Niedergang begriffen, als germanisch dominierte Völkerschaften sie übernehmen.
Niedergang
In den Bürgerkriegen und den Überfällen und Wanderbewegungen germanischer, asiatischer und dann slawischer, nordafrikanischer und orientalischer Völkerschaften finden massive Zerstörungen an den Städten statt. Sie werden darum ummauert und erhalten "Burgcharakter" (Schott), und so werden die einwandernden Germanen sie kennenlernen und später auch in ihren Volkssprachen benennen. Gregor von Tours erwähnt dann gegen Ende des sechsten Jahrhunderts etwa dreißig mauerbewehrte Städte. (Textstellen in: Verhulst, S.92) Er berichtet auch vom König, der die Aufrechterhaltung solcher Mauern befiehlt (Gregor, Historien VI, 41), die in der Nordhälfte Galliens zwischen 6 und etwa 25 ha umfassen und einen Umfang von 1000-2000m haben.
Die städtischen Kurien verschwinden in Gallien nun ganz. Im Italien geschieht das erst später nach und nach unter langobardischer Herrschaft.
Die civitas ist kein einheitlicher „staatlicher“ bzw. „politischer“ Raum mehr, ihre territoriale Einheit bleibt nur noch als Diözese gewahrt, Bereich der Zuständigkeit des Bischofs. Als civitas wird bald oft nur noch der städtische Restkern wahrgenommen, vor allem der Dombezirk. In diesem Bereich im Besitz der Kirche herrscht Befreiung von Steuern und Abgaben, aber auch solche von der weltlichen Gerichtsbarkeit, sogenannte Immunität. (Groten, S.31f)
Franken, Alemannen und Angelsachsen übersetzen oft civitas mit Formen des Wortes Burg, was nichts anderes als einen befestigten Ort meint. Umgekehrt werden dann auch im frühen Mittelalter befestigte, im späteren Sinne wenig städtische Orte in lateinischen Texten als civitas bezeichnet, wodurch das Wort vorübergehend eine erhebliche Bedeutungserweiterung erlebt. Das ändert sich erst auf dem Weg ins hohe Mittelalter, als das Wort Burg im Deutschen nach und nach seine engere Bedeutung bekommt, von der sich volkssprachlich stat und noch viel später Stadt ablöst.
Mit den Germanenstürmen der späten Kaiserzeit kommt es zu massiven Plünderungen und Zerstörungen, und im Laufe der Zeit werden Gebäude immer weniger repariert. Die abnehmende Bevölkerung lässt Wohnquartiere veröden und die Finanzierung der öffentlichen Gebäude und ihres Unterhaltes nimmt mit dem zurückgehenden Engagement der Oberschicht rapide ab. Gewerbe und Handel gehen entsprechend zurück.
Zu den Zerstörungen kommt so der allgemeine Verfall. Die Bauten rund ums Forum, die Tempel, auch die Insulae (Mietwohnungs-Blöcke) werden zu Ruinen. Die Bauten des Amüsiergewerbes, Theater, Amphitheater, Zirkus, dazu die Bäder, denen es nun an Wasser und Heizung mangelt, werden zweckentfremdet oder als Steinbruch benutzt. Ähnliches geschieht mit den antiken Bauten in Italien.
Manche gallisch-germanische Städte wie Xanten oder Bordeaux verschwinden ganz oder wie Straßburg fast völlig. Es überleben eher Bischofsstädte wie Trier, Mainz, Köln, Reims oder Paris
In Mittel- und Süditalien halten sich Rom und Neapel in immer kleinerem Umfang. Latium ist inzwischen fast städtelos. Ähnlich ergeht es der Küste bis hoch nach Genua. Am verheerendsten wirkt wohl überall der lange Krieg Justinians gegen die Ostgoten. Musterbeispiel einer Neugründung wird dann das castrum Amalfi, wohl als eine Art Fluchtburg vor den Langobarden. In der Südhälfte der Halbinsel verschwinden etwa die Hälfte der Städte und damit auch viele Bischofssitze. Der allmähliche Niedergang der einstigen Millionenstadt Rom ist besonders eklatant; die Einwohnerschaft sinkt von vielleicht noch 400 000 im 5. auf etwa 5000 bis 20 000 im 7. Jahrhundert. Kleinere neue Kirchen mit ihren Mosaiken verweisen auf byzantinische Einflüsse. Die innerstädtischen Straßen verfallen. Die Qualität der Münzen nimmt immer mehr ab.
Insgesamt aber überleben in der Nordhälfte Italiens mehr als drei Viertel aller Städte als Ortschaften, insbesondere die mit einem Bischofssitz wie insbesondere Bologna, Mailand, Pisa und Lucca. Die Langobarden-Hauptstadt Pavia hält sich, in der als Verwaltungszentrum die Abgaben zusammenfließen und literate Bildung weiterlebt. Auch Ravenna überlebt als Verwaltungs-Stadt mit seinen finanzstarken Bischöfen vorläufig weiter und bis zum Ende des 6. Jahrhundert wird auch sein Hafen von Classe weiter ausgebaut..
Im Raum der Po-Mündung fliehen die Menschen in die Lagune, woraus später Venedig hervorgehen wird. 523 beschreibt Cassiodor in idealisierter Form hier ein intaktes Gemeinwesen:
Die Bevölkerung im Westreich geht seit dem späteren Kaiserreich massiv zurück. Das eklatanteste Beispiel ist die Stadt Rom (urbs Roma). Alle Orte im merowingischen Frankenreich sind noch wesentlich kleiner. Innerhalb des einst römischen Mauerrings, der nach Möglichkeit weiter aufrecht erhalten wird, entstehen, soweit es darin überhaupt noch Besiedlung gibt, weite unbebaute Flächen.
Die starke Verringerung des Fernhandels, des Handels überhaupt und der Bevölkerung der Städte hängen eng zusammen. Auch da, wo Städte nicht massiv zerstört werden, können die antiken Zusammenballungen von Menschen nicht mehr hinreichend versorgt werden, da eine zunächst immer weniger Überschüsse produzierende Landwirtschaft sie nicht mehr ernährt, und sie nicht mehr aus der Ferne versorgt werden können.
Die Nahrungsmittelproduktion geht allerdings nicht nur mit dem Bevölkerungsschwund zurück, sondern auch aufgrund sinkender Produktivität. Manches an antiker technischer Innovation schwindet, nicht etwa, weil es ganz vergessen wird, sondern weil es niemand mehr gibt, der den technischen Standard aufrechterhalten kann.
Schätzungen sprechen davon, dass die Bevölkerung auf dem Boden des späteren Karolingerreiches zwischen 500 und 700 "um ein Drittel oder mehr" geschrumpft sein könnte (Manfred Vasold in: Römer und Barbaren, S.196ff). Aber das beruht wohl sicher nicht nur auf kriegerischer Gewalt, sondern auch auf Seuchen wie der Pest, auf Hungersnöten und überhaupt sporadischer Unterernährung.
Die Kontinuität der Einheit von befestigter Stadt und Pagus (marca) mit Villa und Vicus wird ein bestimmendes Moment der Übergangszeit zwischen Antike und sogenanntem Mittelalter, einer Kontinuität, die keine klaren Abgrenzungen erlaubt. Einen Gegensatz zwischen Stadt und Land, was Bevölkerung und Machtverhältnisse angeht, wird es erst seit dem eigentlichen Mittelalter geben, als der sich entfaltende Kapitalismus langsam die Oberhand gewinnt und sich auch daran macht, das Land massiv zu verändern. (Heers, Moyen Age, Kap. 4 etc) Der vornehme Franke hat eventuell ein Stadthaus, aber er lebt vor allem auf seinem Grundbesitz auf dem Lande.
Östlich des Rheins und nördlich der Donau fehlen ohnehin Städte, aber auch sonst setzen sich fast überall in zunehmender Naturlandschaft agrarische Strukturen durch, am wenigstens noch an den Küsten Italiens und Südgalliens. Selbst das Handwerk zieht sich weiter aufs Land zurück und geht dann in die großen Grundherrschaften ein. Was zudem immer mehr abnimmt, ist ein Markt, auf dem sich Stadt und Land austauschen könnten, womit auch das Geld deutlich an Bedeutung verliert, auch wenn es nicht ganz verschwindet.
Neuanfänge
Man kann wohl bis ins 10. Jahrhundert in wirtschaftlicher Hinsicht von einem gewissen Fortleben der antiken civitas reden. Die antike Stadt mit ihrer Integration des Großgrundbesitzes diente primär dem Konsum und manchmal besonders militärischen Bedürfnissen, während die mittelalterliche sich auf eine Dominanz gewerblicher und immer weniger landwirtschaftlicher Produktion hin bewegt. Sie wird zu einer Stadt der Händler und Handwerker werden.
Im Norden des fränkischen Galliens überlebt kaum eine Stadt als solche, nicht einmal in Flandern mit seiner später so reichen Städtelandschaft. Eine Ausnahme scheint Tournai zu sein, in dem sich innerhalb der römischen Mauern ein Dombezirk mit geschlossener Besiedlung hält. Kontinuität stellt hier auch die Kalksteinproduktion seit der Römerzeit dar und die Funktion als frühmerowingische Residenz sowie eine merowingische Münzstätte. (Petri in: Verhulst, S.7f)
Anderswo werden in der (späteren?) Merowingerzeit Städte wie Arras in geringer Entfernung zur alten Civitas neu entstehen.
Römische vici (und dann manchmal castella) wie Gent, Brügge und Antwerpen werden später, insbesondere nach den Überflutungen zwischen 300 und 700, zu neuem Leben erwachen. (Verhulst S.111f) Für das Huy der Merowingerzeit heißt es: "Hier brachten Ausgrabungen im Batta-Viertel an der Maas Keramiköfen, Werkstätten für Knochenbearbeitung und Schmelzhütten für Edelschmiedwerk ans Licht, deren Kontinuität mit römischen Anlagen gleicher Art kaum zu bezweifeln ist." (Verhulst, S.368) Aber jenseits davon gibt es fast nur örtliche Kontinuität.
Am linken Schelde-Ufer bei Ganda, dem späteren Gent, existiert ein antiker vicus, mit Eisenschmelzhütten, der um 400 fränkisch wird. Im 5./6. Jahrhundert existiert hier bloß noch bäuerliche Besidlung. Vor 640 werden erst das spätere St. Bavo (Ganda) an der Mündung der Leie in die Schelde innerhalb eines castrum und dann St.Peter (Blandinium) gestiftet und damit die wohl wesentlich gewaltsame Christianisierung gefördert. In dieser merowingischen Zeit residiert hier zeitweilig ein comes für den pagus (Verhulst, S.287).
Antwerpen beginnt ähnlich wie Gent als römischer vicus und ist im 7. Jahrhundert merowingische Siedlung im Römerkastell. "Sankt" Amandus, Stifter von St.Bavo, stiftet hier in einem castrum eine Kirche, Vorläufer der Michaels-Abtei. Sie existiert wie in Gent deutlich entfernt von der zunächst heidnischen Bevölkerung.
Frühe Städte im Norden
Kerne römischer Städte überleben in die Karolingerzeit und erleben dann im 9. Jahrhundert Ansätze einer Wiederbelebung. Aber schon vorher entstehen im zunächst wenig zivilisierten Nord- und Ostseeraum von der Kanalküste bis zum heutigen Schweden saisonale Umschlagplätze von Waren, die sich in der Karolingerzeit bei Förderung durch Könige und regionale Große manchmal zu veritablen Städten entwickeln. Ihnen fehlt der herrschaftliche Kern, zunächst auch eine Befestigung, und sie erhalten manchmal erst relativ spät eine Kirche.
Im frühen siebten Jahrhundert entsteht im späteren Ipswich (Suffolk) an der Mündung eines Flusses in die Nordsee ein saisonal genutzter Handelsort, über den Geschirr und andere (Luxus)Güter aus dem nördlichen Merowingerreich nach East Anglia gelangen, und dann zum Beispiel in das nahe Fürstengrab von Sutton Hoo.
Dürftige Überreste lassen darauf schließen, dass es solche saisonalen "Märkte" auch an den Küsten des Ärmelkanals und der südlichen Nordseeküste gibt. Es ist die Zeit des Niedergangs an den Mittelmeerküsten und der großen arabischen Eroberungswelle. Vermutlich schützen lokale bzw. regionale Machthaber hier einen persönlich freien Fernhandel, um an ihre Luxusgüter zu gelangen.
Vielleicht erst gegen Ende des achten Jahrhunderts verwandelt sich Ipswich in eine feste Siedlung mit einem Straßennetz und zusätzlichen Vierteln für Handwerker. Aber schon gegen Ende des siebten Jahrhunderts entstehen solche stadtähnlichen Orte von Quentovic an der östlichen Kanalküste und Dorestad an dem Zusammenfluss von Rhein und Lek über englische Siedlungen wie Hamvic (Southampton), Lundenvic/Lundenburg (London) und Eoforvic/Jorvik (York) bis nach Ribe und Birka. Um 770 kommt Haithabu/Hedenby dazu.
Solche Emporien, wie Historiker sie manchmal nennen, sind als Gründungen freier Händler und Handwerker rein wirtschaftlich motiviert, wobei der Handwerkeranteil teils sehr hoch ist, und es fehlt ihnen zunächst das christliche Zentrum, ja, sie sind oft ausgesprochen "heidnisch". Zudem fehlen auch palastartige Gebäude und eine entsprechende Elite, dabei fördern hohe Fürsten die Orte, und die Kirche investiert hier.
Mit Handwerkern und Händlern, die aus verschiedenen Gegenden mit wirtschaftlichen Absichten herkommen, wird das auf Verwandtschaft beruhende Siedlungssystem durchbrochen, und mit der Einrichtung selbständiger und gemeinschaftlicher Werkstätten das kirchliche Modell einer aus Geistlichen, Kriegern und Bauern bestehenden Weltordnung. (Hodges, S.86)
Ein von vorstädtischen Siedlungen an Kanalküste und Nordsee betriebener Handel von der englischen Küste bis nach Nordgallien und den Rhein hinauf und bis nach Skandinavien nimmt zu. Fundstücke weisen für das ostscchwedische Birka auf ausgedehnte Handelsnetze und vielleicht lange Reisen hin. Objekte aus der Frühzeit Birkas zeigen Kontakte mit den Herrschaftsgebieten der Araber wie etwa ein Ring mit eingravierten Kufi-Schriftzeichen, und mit dem Khaganat der Chasaren, später auch zum Rheinland und Gebieten in West- und Südeuropa.
Haithabu an der Schle hat im 9. Jahrhundert um die 1000 Einwohnern und Handelsbeziehungen nach Skandinavien, in den slawischen Raum und das Rheinland. Tuche, Getreide, Wein, Keramik, Schmuck und Waffen des Südwestens werden gegen Pelze, Wachs, Honig und Sklaven aus dem Osten gehandelt. Handwerk verarbeitet Holz, Bernstein, Geweihe, es gibt Textil- und Glasproduktion, "Eisenverhüttung, Feinmetallverarbeitung, Bronzeguss und Goldschmiede..." (Fuhrmann, S.28). Es wird Spelzgerste und etwas Roggen angebaut, an Vieh werden Schweine zum Verzehr und Rinder vor allem als Zugtiere gehalten. Häuser haben eigenen Backofen und Brunnen.
Adam von Bremen jedenfalls berichtet vom 11. Jahrhundert aus, dass von Haithabu ständig Schiffe ins Slawenland, nach Schweden, ins Samland und bis nach Griechenland gefahren seien. (Kümper, S.39)
Laut Hodges ähneln erst im zehnten bzw. elften Jahrhundert die aus den Römerstädten hervorgehenden historischen Zentren den nördlichen Emporien der Karolingerzeit "mit ihrem erheblichen Reichtum". (Hodges, S.124) Der Vergleich ist allerdings nicht unproblematisch.
Während seiner Blütezeit zwischen etwa 775 und 825 hat Dorestad wohl 2.500 bis 3.000 Einwohner auf rund drei Quadratkilometern, damit um 800 eine bedeutend größere Fläche als Mainz.
Mit dem Niedergang der nördlichen Emporien in der ersten Hälfte des neunten Jahrhunderts beginnen die brutalen Raubzüge von Nordmannen/Wikingern, die immer häufiger werden, bis sie sich dann in der zweiten Hälfte im Winter an Küstenorten von Nordsee, Ärmelkanal und Atlantik festsetzen, um im Frühjahr neue Überfälle zu beginnen.
Nach etwa 825 (Hodges) bekommen Emporien-Orte im Hinterland zunehmend Konkurrenz durch vici und portus an Flussläufen wie der Maas, manchmal auf oder bei römisch-antiken Resten. Um 800 entstehen Emden und Deventer.
Zu den neuen Orten gehört auch Huy, welches zunächst ein Zentrum der Keramikproduktion wird. Vielleicht bis Anfang des 9. Jahrhunderts hat Brügge wohl (wieder) einen Hafen. Irgendwann Mitte des 9. Jahrhunderts baut Graf Balduin I. hier eine Festung (castrum), zu der bald ein vicus samt Kirche gehört. Gegen Ende des Jahrhunderts gibt es hier eine Münze, was den vicus wohl als Handelsort charakterisiert. Der Ort liegt zudem an der gräflich geförderten Strecke Gent-Brügge-Torhout-Ypern.
Um 800 wird Einhard in Ganda (Gent) Abt beider Klöster St.Bavo und St.Peter. Um 825 wird der Ort, in dem die cella des Bavo lag, neben der St.Bavo-Abtei, als vicus bzw. portus bzw. als befestigtes castrum Gandavum erwähnt. Diesen vernichten die Normannen 851, aber die Abtei wird wieder aufgebaut. 879 dann lassen sich die Normannen auch über den Winter in der Abtei nieder, und der vicus ist nun verlassen. Darauf entwickelt sich gegen Ende des 9. Jahrhunderts nördlich ein neuer vicus, der dann auch Kaufmannssiedlung (portus) mit Umwallung wird.
Um 650 errichtet der heilige Amandus in einem castrum beim späteren Antwerpen eine Kirche, aus der dann das Kloster St.Michael werden wird. Anfang des 9. Jahrhunderts heißt der Ort civitas. 836 brennen die Normannen alles nieder. In der zweiten Hälfte des neunten Jahrhunderts entsteht weiter nördlich ein vicus.
Utrecht war ein Römerkastell (Traiectum = Furt), welches gegen 200 ummauert wurde, und an das ein vicus angeschlossen war. Möglicherweise ist hier damals
ein Arm des Rheins entlang geflossen.
Um 270 wird es von Franken zerstört und wohl erst im 7. Jahrhundert wieder neu besiedelt und dann von den Friesen besetzt. Um 700 scheitert zunächst eine Bistumsgründung. Der Ort bekommt den Namen Ultra Traiectum/ Uut Trecht. Es entstehen im Kastell erste kleine Kirchen. Im 9. Jahrhundert flieht der Bischof vor Friesen und Normannen nach Deventer. 936 verleiht Otto I. das Marktrecht und in dem Maße, in dem Dorestad an Bedeutung verliert, steigt dann die Utrechts.
Nach etwa 800 sinkt langsam die Bedeutung der englischen Fernhandelsplätze wie Hamwic mit seinen rund 40ha und wenigstens 2000-3000 Einwohnern, welches im 9. Jahrhundert durch die Anfänge von Southampton ersetzt wird, und von Eoforwic, welches unter dänischer Herschaft durch das nahe Jorvik (York) ersetzt wird. Neue Orte entstehen über Handwerker-Ansiedlungen mit stärkerem regionalem Handel (Hodges).
Das gilt auch für das bis ins frühe 9. Jahrhundert florierende Lundenvic mit seinen wohl knapp 60 ha Fläche auf dem Gebiet des heutigen Londoner Westend und seiner bedeutenden Münze, welches auf Initiative von Alfred durch Lyndonia/Lundenburg ersetzt wird. London wird sich aber dann nur langsam entwickeln und Winchester an Bedeutung erst einmal nachstehen.
Um 880 soll es immerhin allein in Alfreds Wessex zehn Städte mit regional orientierten Märkten geben. Nach Wessex und dem dänischen Osten fließen erhebliche Mengen karolingischer Münzen, was einen nicht unerheblichen Handel zwischen Kanalküste und Rheinmündung hin nach England vermuten lässt.
Einstige Römerstädte weiter südlich: Bischofsstädte
Dass die Städte des römischen Westreiches nicht völlig mit ihm verschwinden, mag viele, auch lokal und regional verwurzelte Gründe haben, aber einige generelle scheinen doch heraus zu ragen.
So regieren auch die Merowinger noch wesentlich von Städten (civitates) aus, in denen sie "Paläste" haben, so wie es dort auch Kirchen gibt, im relativ großen Reims im siebten Jahrhundert sogar gleich fünf, während Klöster außerhalb am Rande entstehen. In einigen Fällen scheinen sie zunächst sogar zu versuchen, einen Rest von antikem Unterhaltungsprogramm für die Bevölkerung aufrecht zu erhalten.
Der wichtigste Grund aber ist, dass die Kirche, eine städtische Institution und von Städtern betrieben, als Haupterbe der Antike überlebt. Spätestens mit dem Konzil von Serdika 343 war festgelegt worden, dass Bischofssitze nur an Orten größerer Bevölkerungsdichte eingerichtet werden sollen, und dieser Beschluss wird im nächsten halben Jahrtausend noch bekräftigt werden.
Bischöfe und ihre Geistlichkeit sind seit dem vierten Jahrhundert von Steuern und Dienstpflichten befreit, was ihre Stellung attraktiver macht, und ihr Amt wird zu einer Alternative zum weltlichen cursus honorum, dem üblichen Karriereweg durch die Ämter. Zunehmend übernehmen sie gerne die Zivilgerichtsbarkeit für ihre Herde, aus der dann im Laufe der nachrömischen Zeit der Bischof zum zentralen Gerichtsherr in seiner Stadt werden wird.
Autorität haben sie im verfallenden Westreich auch mit ihrer aus der Pflicht zur caritas entwickelten Fürsorge für die Armen. An die Stelle des römischen Durchfütterns des Proletariats tritt die nicht unbeträchtliche kirchliche Armenfürsorge, die als Ordnungsfaktor auch Machtfaktor ist. In Fällen von häufiger auftretenden Hungersnöten wird arme Bevölkerung durch angekauftes oder gehortetes Getreide von Bischöfen ernährt, denn die meisten Menschen haben keine Geldreserven, ja, verfügen, wenn überhaupt, nur nach besonders guten Ernten kurzfristig über Geld, welches sofort abgegeben bzw. ausgegeben wird.
Dazu bietet der Bischöf (militärischen) Schutz für die Bevölkerung. In der Übergangszeit hin zur fränkischen Herrschaft sind gallorömische Bischöfe oft bereits große Landbesitzer und verfügen zumindest teilweise auch über Truppen. (Scholz, S.24) Als Städte dann verwüstet werden, zum Teil Reste der Oberschicht fliehen, Handwerk und Handel manchmal völlig zum Erliegen kommen, gibt es entweder eine Kontinuität der bischöflichen Institution oder aber die Wiedererrichtung von Bistümern nach einiger Zeit. Antike Kirchen großer Städte (civitates) werden teilweise beibehalten oder zunächst notdürftig renoviert.
Bischöfe wiederum verlangen im Laufe der Zeit als Herren über größere Ländereien nach der nahen Arbeitskraft von Handwerk und Handel und bald auch von Finanziers. Ein minimales, halbwegs städtisches Leben zieht wieder ein.
Unter den Merowingern übernehmen bald Grafen die Aufsicht über die Stadt. In dem Maße, in dem (Grund)Besitz, Reichtum und Immunitäten (Befreiungen) der Bischöfe zunehmen, die allerdings mehr oder weniger von den Königen eingesetzt werden, übernehmen sie immer mehr Funktionen eines Stadtherrn und treten nun das Erbe der Kurialen und dann manchmal auch der Grafen an, wobei sie allerdings die Macht zunächst mehr oder weniger mit dem comes (civitatis) teilen müssen, was zu Konflikten führt. (Gregor, Historien IV,39)
Im 7. Jahrhundert gelingt es Bischöfen bei nachlassender gräflicher Macht vor allem in der Mitte und im Süden Galliens immer mehr zum Stadtherrn aufzusteigen. Um 700 werden solche hohe geistliche Machthaber von Regionalherren und dann seit Karl Martell auch den Königen ihrer relativen Selbständigkeit beraubt. Weltliche Funktionen der Bischöfe übernehmen nun unter den Karolingern comites. In der Grafschaftsordnung Karls ("des Großen") müssen Bischöfe sich diese zunehmend wie die Aufsicht über Markt, Münze, Zoll und Einkünfte in unterschiedlicher Weise mit den in den Städten residierenden Grafen teilen, die weltliche bischöfliche Herrschaftsrechte übernehmen.
Rom ist längst praktisch in den Händen ihrer besonders herausgehobenen Bischöfe, die allerdings mit dem Patrimonium Petri noch über hunderte von Landgütern verfügen, aus denen Nahrungsmittel und Geld fließen, bis viele von ihnen, in Sizilien und Süditalien gelegen, im 8. Jahrhundert von Byzanz annektiert werden.
Kern zunächst geringer Neubesiedlung wird dann einerseits die Kathedralkirche, die auch insofern Kontinuität verspricht, als zunächst weiter romanische Oberschicht-Familien den Bischof stellen.
Zum Dombezirk mit Kathedrale, Bischofspalast, Wohnhäusern der Domherren und Wirtschaftshöfen kommt ein kleiner Bereich in der Regel unfreier Handwerker in Holzhäusern, die die Geistlichkeit versorgen, wobei es sich bei solcher der Kathedrale sowie der Stiftskirchen um Adelige handelt, deren Nachfrage sowohl das lokale Gewerbe wie den Fernhandel für Luxuswaren fördert.
Was verschwindet ist ein geschlossenes Stadtbild von imperial-römischen Ausmaßen. Zwischen besiedelten Flecken gibt es wie in Trier Ruinen-Landschaften und zum Teil offenes Land für Gärten, sogar für Viehweiden oder gar neues Naturland. Daneben bilden befestigte Palastbauten und Burgen (castra) mächtiger weltlicher Herren sowie bald auch oft außerhalb liegende Klosterbezirke Siedlungskerne, die wiederum Händler und Handwerker anziehen.
Man hat versucht zu schätzen, dass Stadtkerne im Gallien des 7. Jahrhunderts wieder etwa 1000-2000 Einwohner haben, Reims vielleicht sogar 5000. (nach Vercauteren in: Verhulst, S.94)
Bischof sein heißt also je nach wirtschaftlicher Potenz Macht zu haben. Diese auszuüben wird normalerweise an eine Art klerikale Administration und an weltliche Beamte (Vögte als militärische Vollstreckungsbeamte der weltlichen Gewalt) delegiert. Die Verwaltung durch den Domklerus beinhaltet sowohl die des Kirchengutes wie auch die vieler geistlicher Aufgaben.
Der cives-Begriff wird aber immer unklarer, undeutlicher. Ein Bürgertum im römischen oder mittelalterlichen Sinne gibt es nicht, dafür eine Handvoll weltlicher Großer, deren Macht wie die der Kirche und der Klöster auf Grundbesitz beruht, und eine zunehmende Schar abhängiger Produzenten und Dienstboten..
Eine Bevölkerungsgruppe in der Stadt sind die Kleriker, eine weitere sind weltliche Freie mit Immobilienbesitz, wohl der antiken Oberschicht der Stadt entsprungen. Handwerker werden in der Regel als unfrei angesehen. (Fern)Händler scheinen laut den Quellen oft Syrer (d.h. Orientalen), Griechen oder Juden zu sein. Um 600 tauchen zum Beispiel in Paris Syrer und Juden als Händler auf, ebenso in Orléans. Oft scheinen sie Gewürzhändler zu sein (Vercauteren in: Verhulst, S.98f).
Kirche spiegelt auch durch die Karolingerzeit die weltlichen Machtstrukturen und sorgt dafür, dass sie mit Härte durchgesetzt werden. Von Ausnahmen abgesehen entstammen Bischöfe und Domherren, das Kapitel, einer sich aristokratisch gebenden kleinen Oberschicht und verstehen sich auch so. Im Extremfall nehmen sie nicht nur das Fehderecht, sondern sogar die Rachepflicht als Haupt einer Sippe sehr ernst und treten manchmal auch bewaffnet auf.
Sie sind große Grundherren, auch wenn der Besitz offiziell dem Patron bzw. Gott gehört. Wie auch weltliche hohe Herren unterhalten sie einen eigenen Hof und eigene Vasallen. Familien der grundbesitzenden Oberschicht geben nachgeborene Söhne gelegentlich in Domschulen, wo der Klerikernachwuchs herangebildet wird, so wie andere wie auch Töchter im selben kindlichen Alter in Klöster abgegeben werden. Damit ist den Söhnen nach Ausbildung eine höhere Klerikerlaufbahn offen, die über Protektion des Königs und von Fürsten dann stattfinden kann. Dabei können mächtige Familien Bistümer auch schon mal über Generationen besetzen.
Entgegen dem eigentlich kirchlich geforderten Wahlrecht durch Klerus und Volk besetzt Karl die Bistümer mit seinen Vertrauten, manchmal auch Verwandten. Diese Investitur geschieht bis ins 9. Jahrhundert noch vor der Weihe.
Dem Dienst am König (servitium regis) verpflichtet, müssen sie schließlich mit ihren Vasallen persönlich oder durch den Vogt vertreten in seine Kriege ziehen, ihn beherbergen und an seinem Hof erscheinen. Zusammen mit den Grafen stellen sie die Königsboten (missi).
Sie sind weiter Herrscher in ihrem Kirchenbezirk über den Klerus und über alle Laien, soweit es kirchliche Belange betrifft, und dann ganz weltlich auch über die erheblichen Besitzungen, über die sie für ihr Bistum verfügen. Die liegen nicht nur im Bereich ihres kirchlichen Regiments, sondern können über das ganze Reich und darüber hinaus verstreut sein, praktischerweise aber hauptsächlich nicht allzu weit entfernt. Dazu kommt der persönliche Besitz, den der Bischof mitbringen und grundsätzlich auch behalten kann.
Mit dem Amtscharakter kirchlicher Würdenträger einher geht auch eine Verrechtlichung, die, aus der römischen Antike hergeleitet, wenigstens theoretisch immer präsent ist, während weltliche Macht auf personale Beziehungen rekurriert und im 9./10. Jahrhundert zunächst einen Tiefpunkt erreicht, was römisches oder heutiges Rechtsverständnis angeht.
Schließlich kennt Bischofskirche auch eine auf alledem fußende Vorstellung von Verwaltung, deren solider Kern in der Verwaltung der Kirche, der kirchlichen Betreuung der Laienschar und der kirchlichen Einnahmen fußt.
Bischöfe herrschen als geistliche Herren über das Umland, welches die Diözese bildet, und als weltliche Herren zumindest soweit über die Stadt, wie ihr „rechtlich“ definierter Immunitätsbezirk reicht, und wie sie mit königlichen Privilegien, den Regalien ausgestattet werden. Darüber hinaus herrschen sie ganz weltlich wie die weltliche Oberschicht über die bischöflichen Grundherrschaften und über jenen Privatbesitz, den sie in ihr Amt mitbringen.
Größter Eigentümer in Bischofsstädten ist der Bischof und sind daneben einzelne Kirchen. Klösterlicher Besitz ist hier eher gering, es gibt daneben noch den der Grafen, des Fiskus, und "private" weltliche (freie) Eigentümer.
Könige fördern nun stärker Städte und städtisches Wirtschaften. Sie geben Verordnungen für sie heraus. Schon 744 veranlasst der Hausmeier Pippin der Jüngere, dass Bischöfe in ihren civitates ständige (Wochen)Märkte und korrekte Maße einrichten sollen. Bischöfe erhalten neben Marktrecht das für Münze und Zölle und zudem Schenkungen, die ihre Grundherrschaft erweitern
Oft wird am städtischen Handels-Ort eine Münze eingerichtet. Er wird damit ein wenig zum Finanzplatz. Das Recht zur Prägung der Münze erhöht das Einkommen des Stadtherren. Dabei gilt die Münze nur für den Ort der Prägung, fremde Münzen müssen also eingetauscht werden, was dazu führt, dass Münzer zugleich auch zu Geldwechslern werden und zu Teilen einer städtischen Oberschicht wie am Gericht beteiligte Schöffen, beides Gruppen im Dienste des Herren.
Macht und Zuständigkeiten der Bischöfe nehmen im 9. Jahrhundert zu.
Bischöflicher Besitz mit den darauf Lebenden und Arbeitenden ist weiter zunehmend immun, das heißt, er untersteht nur bischöflicher, durch Vögte ausgeübter Gerichtsbarkeit. Die Vögte werden dann im 10./11. Jahrhundert oft von hochadeligen Familien gestellt werden, die gelegentlich mit der Macht der Bischöfe konkurrieren. Kleriker sind hingegen die Pröpste (prepositi), die spätestens im 9. Jahrhundert den weltlichen Vögten assistieren. Daneben entsteht eine engere Immunität direkt um den Dombereich. Das Befestigungsrecht bleibt aber erst einmal beim König bzw. Grafen.
Darüber hinaus wird der Bischofskirche Abgabenfreiheit zugesichert, denn die Erträge aus ihrem Besitz gestehen wir der Armenkasse und auch dem Unterhalt der Wachslichter der vorgenannten Kirche zu, womit vornehm umschrieben ist, dass die Kirche eigentlich kein Betrieb sein sollte, der der Besitzmehrung dient. Das Ganze soll dann auch finanzieren, dass diese Kirche für das ewige Seelenheil des Königs/Kaisers, seiner Gattin und Familie fleißig betet. (in Hergemöller, S.62f)
Indem Münze und Zoll zum Markt dazu kommen, entsteht ein abgesonderter Wirtschaftsraum, aus dem ein herrschaftlicher Rechtsraum werden wird.
Unter den Karolingern werden die gräflichen Gerichte als Schöffengerichte aus herausgehobenen Einwohnern, die neben den übrigen Großen in der Stadt ein dezidiertes Vorschlagsrecht für die Zusammensetzung haben, zu einer Art Vorläufer für Gemeindeorgane.
Im karolingisch beherrschten Germanien, insbesondere im erst von Karl ("dem Großen") eroberten Sachsen, entstehen im 9. Jahrhundert neue stadtähnliche Siedlungen. Außer höchstens der Kirche gibt es dort nur Holzbauten, adelige Herrensitze haben eventuell bereits ein Steinfundament.
Noch unter Karl werden Bremen und Münster als Bischofssitze gegründet. In Paderborn wird zunächst eine Kaiserpfalz und dann ein Dom gebaut. Handwerker, Händler und Minsteriale siedeln sich an, ein Markt entsteht und die Bischöfe erhalten das Recht, einen Markt abzuhalten, Münzen zu schlagen und die Zölle einzunehmen
Münster erhält den Status einer civitas (Stadt), als es zum Bistum wird. Stadtrechte gibt es jedoch erst einige Jahrhunderte später. Um die Eingliederung Sachsens in den Machtbereich des fränkischen Herrschers zu fördern, wird 795 Köln zu Erzbistum ernannt, welches u.a: Bremen, Münster und Osnabrück unterstellt bekommt. Dadurch wird Hildebold, der am Hof zu Aachen eng mit dem König/Kaiser zusammenarbeitet, aufgewertet. Der Kölner Dom wird vergrößert. Das Marktviertel am Rheinufer gewinnt an Bedeutung.
Weiter östlich wird Erfurt schon 742 Bischofssitz. Als Bonifatius Erzbischof von Mainz wird, gliedert er das Bistum Erfurt an Mainz an. Magdeburg ist seit 805 als Handelsplatz "mit fränkischem Kastell, Königsgut, einem Grafensitz und gewiss auch einer Kirche" (Schieffer in: Ottonische Neuanfänge S.31) dokumentiert. Bischofssitz wird es erst unter Otto I. werden.
Daneben gibt es andere Städte in den ehemaligen Regna, die nun "fränkisch" sind. Mit der Machtübernahme der Karolinger gewinnt Regensburg weiter an Bedeutung. Diese Stadt brennt aber dann 891 ab und wird neu aufgebaut. Ein Markt ist als Ort des Handels mit den Slawen, vor allem auch solcher mit Sklaven, erst für 934 belegt.
Einen Siedlungsansatz gibt es in Würzburg wenigstens seit dem 6. Jahrhundert. Wohl 741 richtet Bonifatius in Würzburg einen Bischofssitz ein. Unter Ludwig dem Frommen erhalten die Bischöfe Markt-, Münz- und Zollrecht. Es gibt Kaufleute, vor allem aber Handwerker und Weinbergarbeiter, die Hintersassen des Bischofs und des Domklerus sind. Im 9. Jahrhundert wird eine bedeutende Domschule erwähnt.
Wichtigste Bischofsstädte in den zukünftigen deutschen Landen bleiben neben Köln Trier und Mainz. Trier ist früh mit den Vorfahren der Karolinger verbunden.
Unter Pippin dem Jüngeren wird es zu einer zentralen Münzstätte im Frankenreich. In der ersten Hälfte des 8. Jahrhunderts gelingt die Ausweitung bischöflicher Macht auf Dietkirchen (Lahn) und an die Nahe. Andererseits setzt Karl ("der Große") für die weltlichen Rechte (Münze, Zoll und Steuern) nun einen Grafen (comes) ein, womit der Bischofsherrschaft vorläufig ein Ende gesetzt ist. (Kaiser(3), S.62f) 882 fällt die Stadt den Normannen zum Opfer.
Um 746 lässt sich Bonifatius Mainz als neues Erzbistum für Germanien zuweisen, wo er aber auf den in Ostfranzien für ihn nun starken Adelswiderstand stößt und nach wenigen Jahren zurücktritt. Zugleich geht die Erzbischofswürde nach Metz an den mächtigen Bischof Chrodegang. Um 760 setzt dann aber der ostorientierte "große" Karl durch, dass es doch wieder statt Metz Erzbistum wird. Lul und den folgenden Bischöfen gelingt es, die von Bonifatius gegründeten hessischen und thüringischen Bistümer sowie zahlreiche süddeutsche in die Erzdiözese einzubeziehen. Damit wird Mainz bis 1802 größte Kirchenprovinz in Europa. Am Mittelrhein wird alleine Mainz Münzstätte. Es wird im 9. Jahrhundert wichtiger Umschlagplatz für Getreide, Wein und Sklaven und daneben für Luxusgüter, friesische Tuche wie exotische Gewürze.
Eine Sonderentwicklung im Westen wird ab 843 deutlicher. Die Macht der Duces, Markgrafen und Grafen nimmt zu. Dafür kommt es zum engen Bündnis von Bischöfen und König. Bischöfe als Vasallen werden nun vom König aus der Hofkapelle eingesetzt und bei Treue privilegiert. Fast überall bestätigt Karl ("der Kahle") die von Vater Ludwig vergebenen Immunitätsprivilegien, wobei er die vom Hochstift und den anderen Stiften und den Klöstern weiter trennt wie auch innere und weitere Immunitäten. Einzelnen mächtigeren Bischöfen wird das Münzrecht verliehen und ihnen werden Zölle oder Anteile daran übertragen - und damit auch Anteile an gräflichen Einkünften. Die Macht der Bischöfe misst sich nun an der aufkommenden Macht weltlicher Fürsten.
Paris hat schon in der Merowingerzeit eine Art Hauptstadt-Charakter. Im 7. Jahrhundert wird es von Grafen regiert. Die Stadt verliert unter den stärker östlich orientierten Karolingern im Vergleich zu Metz enorm an Bedeutung. Der Hauptstadtcharakter wird seit dem "großen" Karl am ehesten durch Aachen ersetzt. Während nun Stadt und Bischof an Bedeutung verlieren, wird St. Denis in der Nähe immer bedeutender. Seit 845 wird die Stadt mehrmals von Normannen überfallen, geplündert und gebrandschatzt. Die Bevölkerung unter dem Robertiner Graf Odo und Bischof Gauzlin hält hinter den spätantiken Mauern der Seine-Insel dann 885-86 einer Belagerung stand. Der Bischof ist Erzkanzler von König Odo. Die Stadt wird weiter von den Robertinern kontrolliert, und Odos Bruder Robert wird hier Graf.
Die Römerstadt Tours teilt sich unter den Merowinger in eine Kathedralstadt und eine Stadt um die Martinsbasilika. Zwischen Abteisiedlung und Kathedralsiedlung entsteht St.Julien, wo sich ebenfalls ein burgus mit Händlern und Handwerkern entwickelt. Um 600 besitzt Tours dann bereits fünf Klöster.
Unter Karl Martell wird auch hier die Macht zwischen Bischof und Graf geteilt und die Bischöfe werden auf die Rolle von karolingertreuen Immunitätsherren beschränkt.
St. Martin und Marmoutier gelangen unter karolingische Regie. St. Martin erhält unter Pippin Zollprivilegien, die Abteisiedlung enthält eine Münze, und hier siedeln sich Tuch- und Weinhändler an. Die Stadt wird mehrmals von Normannen überfallen, die römische Stadtmauer wird 869 unter Robert ("dem Tapferen") besser befestigt. Anfang des 10. Jahrhunderts wird auch die Martinsabtei mit ihrem burgus von einer Mauer umgeben.
Poitiers ist eine der bedeutendsten und größten Römerstädte Galliens. Es entwickelt sich eine Stadtherrschaft des Bischofs in Zusammenarbeit mit einer kleinen
Oberschicht-Gruppe. Um 700 kommt es zum Machtverlust der Bischöfe durch Unterordnung unter die aquitanischen Herzöge und ihren Grafen. 766 erobert Pippin die Stadt. Die merowingische
Königspfalz wird als Grafensitz auch die der Karolinger. Um 840 beginnt das Grafenamt eines Ramnulf, welches bis 1204 in
seiner Familie bleiben wird. Er beginnt auch mit der Ernennung der Bischöfe von Poitiers und als Herzog derer von Saintes.
863/65 wird die Stadt von den Normannen geplündert, verbrannt und dann neu errichtet.
Autun, das bedeutende römische Augustodunum, erlebt den üblichen Niedergang.
Unter Karl ("Martell") wird das Hochstift massiv um die Versorgung der Grafen gemindert, die auch Saint-Symphorien und Saint-Martin und geistlichen Besitz im castrum mit seinem Dom erhalten (Kaiser(3), S.378). Im neunten Jahrhundert versuchen die Könige, die Position des Bischofs gegen den Grafen unter anderem durch Restitutionen wieder zu stärken, was dann unter den Burgunderherzögen auch gelingt. Eine bürgerliche Siedlung entsteht aber vorläufig nicht.
Bordeaux, das antike Burdigala, wird bis etwa 685 von starken Bischöfen regiert, die sich danach ihre Macht mit Grafen teilen müssen. Diese haben die Abwehr der Basken zu übernehmen. Nach 675 tauchen für über hundert Jahre keine Bischöfe mehr auf. Danach übernehmen fränkische Grafen wieder die Basken-Abwehr. 732 verwüstet Abd ar-Rahman während seines Feldzugs die Stadt. Für 814 ist wieder ein Dom erwähnt, und der Ort funktioniert wieder als Bischofsstadt. 848 wird die Stadt massiv von Normannen zerstört. Der Bischof flüchtet. Vorübergehend nimmt der Baske Sancho-Sanchez Bordeaux unter seinen Schutz, bevor um 863 dort mit seinem angeheirateten Verwandten wieder ein fränkischer Graf hier residiert und dann bald die Gascogne wieder angeschlossen wird. Grafen kontrollieren auch weiterhin die Stadt, die sich langsam nach den Zerstörungen wieder erholt.
Städte an Klostern und Pfalzen
In einigen Fällen können auch Klöster Kerne für die Entstehung neuer Städte.
Besonders in Westfranzien entstehen Städte neu an großen Klöstern wie St. Martial in Limoges, Sint Vaast (Vedast) in Arras, St. Front in Perigueux. Äbte wohldotierter Klöster sind oft so mächtige Herren wie Bischöfe und weltliche Magnaten. Nachantike Klöster (wie auch Domkirchen) werden fast eine Stadt im Kleinen: Sie vereinen die religiöse Einrichtung, "einen landwirtschaftlichen Großbetrieb mit eigenem Absatzsystem und weiterverarbeitendem Handwerk, ein Kreditinstitut, eine Immobilienbörse, ein Sozialamt und eine Versorgungseinrichtung für unterschiedlichste Personen", fungieren "als Gericht, Wehrbehörde und Rüstungsbetrieb und als Finanzamt", modern ausgedrückt (Esders, S.75). All das wird durch Immunitätsverleihungen gefördert.
Bei Klöstern lassen sich Händler nieder, das Handwerk konzentriert sich manchmal dort aus ländlicher Grundherrschaft heraus. Die Abtei Elnone (St.Amand) in Tournai lässt auf ihren Gütern von Arbeiterinnen Textilien aus Leinen herstellen. (Petri in: Verhulst, S.7) Die zur familia von Sint Vaast gehörenden und darum von Zollfreiheit begünstigten Kaufleute verkaufen zum Beispiel Gold und Sklaven.
800 erhält der Abt von Corvey für die weiter entfernte Siedlung Horhusen (Niedermarsberg) an einer Furt das Markt- und Münzrecht und für Mons Eresburg (Obermarsberg) das Zollrecht.
Nahe Amiens heißt es 822, dass das bedeutende Kloster Corbie sich auf 300 Mönche und 150 Hilfskräfte als reguläre Kostgänger beschränken solle. Das alleine ist schon Grundlage für eine städtische Entwicklung. (Petri in: Verhulst, S.40f)
Ein gutes Beispiel ist das Prümer Tochterkloster Münstereifel. Als 844 die Knochen der Heiligen Chrysanthus und Daria dorthin überführt werden, setzt bald eine Wallfahrt dorthin ein, die wirtschaftlich bedeutend genug ist für die Anlage eines Marktes, einer Münze und einer Zollstätte, von deren Einnahmen zwei Drittel an das Kloster fallen sollen (in: Hergemöller, S.68f).
908 erlaubt Ludwig IV. ("das Kind") dem Bischof von Eichstätt für den Ort beim Kloster
einen öffentlichen Handelsmarkt sowie eine Münze (zu) errichten und einen Zoll erheben zu dürfen, so wie es bei den übrigen Handelsorten (mercationum locis) Brauch ist, sowie einige Befestigungen in seinem Bistum gegen den Ansturm der Heiden ausbauen zu dürfen. Zusammenfassend heißt das, eine Stadt zu errichten (urbem construere), wobei die Einkünfte aus ihr dem Kloster zufließen sollen. Zudem verfügt der Bischof nun alleine über die Nutzung der Wälder.
Ähnlich entstehen in Flandern im 9. und 10. Jahrhundert Städte aus Vorstädten an Burgen der Bischöfe und an Klöstern und an befestigten Plätzen der nun erstmals für dort erwähnten Grafen. Sie werden Zentren der langsam einsetzenden unmittelbaren Entstehungsgeschichte von Kapitalismus werden, zusammen mit norditalienischen Städten.
Einen festen Kern der sich neu entwickelnden Städte bildet neben dem Dom oder an seiner Stelle die Pfalz, wie sie König Pippin in Aachen errichten lässt, und die durch einen prachtvollen Neubau von König Karl ersetzt wird, zu dem auch die Marienkirche gehört und ein neues Bad, in dem der Kaiser mit seinem Hof die Thermalquellen nutzen kann. Hohe Geistlichkeit und weltliche Große bauen dort ihre kleinen "Höfe", Bedienstete kommen dazu, Handwerker und ein Markt mit Händlern, darunter Juden. Darüber hinaus gibt es Gebäude für die Lagerung von Nahrungsmitteln und große Stallungen und drumherum Landwirtschaft.
Größere Pfalzen werden auch an anderen Orten errichtet, die da herum wachsen, wie Ingelheim, Nimwegen und Paderborn. Allerdings bieten Pfalzorte nicht immer die Gewähr dafür, dass dort auch dauerhaft eine städtische Siedlung entsteht, wie Tribur/Trebur und Grone beispielsweise belegen.
Aber die Pfalz von franconovurd wird zum Musterbeispiel dafür, wie ein königliches palatium sich aufmacht, im hohen Mittelalter dann zu einer der wichtigsten Städte im "römischen" Reich zu werden. Schon lange vor der Römerzeit besiedelt, entwickelte sich in der Spätantike auf einem Hügel an einer Mainfurt eine Art römischer Vorposten. Den nehmen dann die Franken in Besitz und errichten spätestens im 8. Jahrhundert die Königspfalz von Franconofurd mit großem königlichem Landbesitz und königlichem Forst
Gelegen an einem Handelsweg mit einer Furt durch den Main, ist der Fluss selbst noch wichtiger für den Transport von Getreide aus östlicheren Gebieten nach Mainz. Hier liegt ein großer karolingischer Fiskalbezirk.
794 bekommt dieser Ort durch eine große Synode unter dem Vorsitz von Karl ("d.Gr.") erheblichen Anschub, als Große aus Italien, West- und Ostfranken und Nordspanien hier zusammenkommen. Daran nimmt auch Paulinus von Aquileja teil: in loco celebri, qui dicitur Franconofurd.
Der Ort muss bereits eine Kirche und Häuser haben. Dazu kommen Wirtschaftsgebäude und damit verbundene Arbeitskräfte. Karls Sohn Ludwig der Fromme wird dann die Pfalz vergrößern, die eine Generation später von Ludwig ("dem Deutschen") noch ein Salvatorstift erhält.
Ob eine Pfalz Zukunft als Kern einer bedeutenderen Stadt hat, ist damals aber noch nicht abzusehen. Die viel prächtigere Ingelheimer Pfalz der Karolinger, aus Stein gebaut wie die von Aachen und Nimwegen (Einhard), mit ihrem Königssaal von 14 x 30 m, hat in ihrer Nähe dörfliche Ansiedlungen, von denen eine viel später sogar ummauert wird, aber in der Nähe von Mainz wird daraus keine Stadt, sondern eine Reichsburg mit reichem ländlichem Siedlungsgebiet.
Stadt im Italien der Karolingerzeit
Unter Karl ("dem Großen") lösen die fränkischen Machteliten die langobardischen mit der Eroberung Nord- und Mittelitaliens und der Übernahme der langobardischen Krone ab. Das Land wird in Grafschaften aufgeteilt. Im 9. Jahrhundert nimmt die Bedeutung von Markgrafen und Grafen ursprünglich nördlicher Herkunft zunächst zu, wobei eine toskanische Markgrafschaft die größte Geschlossenheit erreicht.
Es gelingt den marchiones dabei, die königlichen Ämter in ihre Abhängigkeit zu bringen. Solche vassi regis in direkter Verbindung zum König gibt es um 900 nur noch in Pavia und den anderen übrig gebliebenen Königspfalzen, nachdem die Königsgewalt in Italien zurückgeht. "Am Ausgang des 9. Jahrhunderts war die Stellung der italienischen Markgrafen der der westfränkischen Fürsten oder der ostfränkischen Herzöge durchaus vergleichbar." (KellerOberitalien, S.324)
Kontinuität erweist sich darin, dass die romanischen Mehrheiten weiter nach römischem Recht leben.Sie resultiert aber auch daraus, das römische Vorstellungen von Stadt (welche auch sonst!) weiter existieren. Zudem bleibt bis Ende der Karolingerzeit von manchen Städten wie z.B. Verona mehr an antiken Gebäuden als große Ruinen bestehen.
Der 'Versus di Verona' vom Ende des 8. oder Anfang des 9. Jahrhunderts sieht Kontinuität zudem gerade in den Baulichkeiten wie dem Mauerring, dem Amphitheater und dem Forum mit den Tempeln. Für die Karolinger wird die alte Römerstadt Verona wichtig, günstig erreichbar aus dem Norden und mit einer Königspfalz ausgestattet.
Es ist immerhin die Stadt, in der sich Pippin als Unterkönig von Italien 799 mit seinem Hof niederlässt, und die nun anfängt, sich von ihrem ruinösen Zustand zu erholen.
Anfang des 9. Jahrhunderts beginnen die Sarazenen, von Raubzügen an Italiens Küsten zur Ansiedlung überzugehen. Sie gewinnen Sardinien, Korsika, Ischia, und 902 verfügen sie über ganz Sizilien. In Süditalien ist Byzanz Vormacht.
Örtliche Große in Tuscien beginnen bald, sich hier auf Hügeln Befestigungen zu bauen, nennen sich Grafen und verlangen Abgaben von den Bauern. In Siena baut der Bischof seine Herrschaft aus. 911 weiht er eine neue Bischofskirche an der Stelle aller späteren ein.
Im 8./9. Jahrhundert dürfte die Bedeutung italienischer Städte und des Handels mitsamt ihrer Münzen stärker zunehmen als die der nördlich der Alpen, - mit Ausnahme der Emporien ganz im Norden. In Italien wird der Kapitalismus denn auch früher Wurzeln schlagen.
Die zwischen dem Vertreter des Königs und dem (Erz)Bischof geteilte Macht bleibt in Mailand bestehen, aber ganz langsam neigt sich das größere Gewicht manchen Bischöfen zu. Das asemblatorio, der Ort der allgemeinen Versammlung, befindet sich im 9. Jahrhundert bereits auf dem Platz vor der Kathedrale.
Im sich kontinuierlich weiter entwickelnden Lucca ist die Kathedrale längst größter Landbesitzer. In das übrige Land im von der Stadt beherrschten Umland teilen sich andere Kirchen und etwa zwanzig große weltliche Landbesitzer, von denen ein Teil in der Stadt wohnt. Wohlhabenderes Handwerk erwirbt selbst kleineren Grundbesitz. Grund und Boden bestimmen den Status der Menschen. (Wickham, S.85f)
Eine gewisse Dominanz schafft der Handel vielleicht in wenigen Küstenstädten, und vielleicht schließt er ganz langsam in Mailand, Cremona und natürlich Venedig zu den landbesitzenden Großen auf. 852 ist ein erster Zusammenstoß zwischen Cremonenser Händlern und ihrem Bischof über die Hafenzölle bekannt.
Ziel des Handels ist aber Geld, mit dem Land gekauft werden kann, denn nicht Handel, sondern Grund und Boden bedeutet Status.
Für das Handwerk sind magistri dokumentiert, was eine gewisse Organisation andeutet. "Schon im 8. und 9. Jahrhundert gibt es Belege für einen weiten Bereich von Handwerken: Bearbeiter von Gold, Silber, Kupfer und Eisen; Hersteller von Leder, Tuchen, Seife; Erbauer von Häusern und Schiffen. Es gab sogar Salzproduktion, Suchen mit Pfannen nach Gold und Silberabbau." (in meinem Deutsch: Wickham, S.89)
Im Süden steigt neben der Stadt Benevent ab etwa 780 Salerno als zweite Residenz der Duces von Benevent auf. Um 840 löst sich Amalfi von napolitanischer Kontrolle.
Zwei Sonderfälle: Venedig und Rom
Ein Sonderfall ist Venedig. Während die Langobarden das Binnenland beherrschen, behält Byzanz ein Gebiet aus Häfen und Inseln, welches als Exarchat von Ravenna bezeichnet wird. Im Raum Venedig amtet ein Unterbeamter des Exarchen, ein dux, ein Militärführer also. In der Volkssprache wird daraus viel später der Doge.
Venedig gehört so zu den italienischen Restgebieten unter byzantinischer Herrschaft, gehört aber zugleich weiter dem römisch-lateinischen Christentum an. Ein Patriarchat lässt sich auf der Insel Grado nieder, und nach längerer Friedenszeit unter den Langobarden kehrt ein zweites nach Aquileia zurück.
Unter Kaiser Leo III. ist in Venedig die Wahl eines dux Ursus überliefert. Vorübergehend kommt es wohl wieder zu direkter Herrschaft der Kaiser, aber 742 wird ein Sohn des Ursus erneut zum Dogen gewählt, wie es heißt von einer Volksversammlung. Der macht Malamocco auf dem Lido zu seinem Herrschaftszentrum. Venedig gerät immer mehr aus dem Blickwinkel von Byzanz.
Im Gegensatz zu allen anderen bedeutenden italienischen Städten ist Venedig keine alte Bischofsstadt, sondern gehört zu Grado. Aquileia begründet dagegen schon gegen Ende des 8. Jahrhunderts seinen kirchlichen Machtanspruch mit der Legende, der Evangelist Markus sei dorthin gereist, um einen ersten Patriarchen einzusetzen. Danach dann habe es ihn nach Alexandria gezogen, um dort ebenfalls ein Patriarchat einzurichten.
Da Venedig fast ausschließlich vom Seehandel abhängt, "verbürgerlicht" die Stadt früher als andere: Ohne Festland gibt es keine Grundherrschaft und später keine feudalen Strukturen. Die soziale Schichtung beruht also wesentlich auf Eigentum und Kapital. Die Bevölkerung setzt sich zunehmend aus Kapitalisten und für diese Arbeitende zusammen. Hodges vergleicht den Ort mit den Emporien im hohen Norden, als es nun Marseille an Bedeutung zu übertreffen beginnt. (S. 122)
In dieser Zeit fängt Venedig auch an, die nördliche Adria unter seine Kontrolle zu bringen und zur Seemacht aufzusteigen. Im Verlauf des 9. Jahrhunderts wird es Marseille als wichtigsten Umschlaghafen zwischen Mittelmeer und Zentral-Europa ablösen. Damit beginnt es in den Fokus fränkischen Interesses zu geraten, zum ersten Mal in den 780ern. Dabei entwickelt sich die Stadt unter den duces/Dogen relativ unabhängig von den byzantinischen Oberherren.
Schon mit der Kaiserkrönung Karls 800 gerät Venedig dann ganz in das Spannungsfeld zwischen den beiden Kaisern, welches es zu nutzen sucht.
809/10 versucht Pippin auf einem Heerzug von Chioggia aus, Venedig anzugreifen, worauf das Zentrum nun nach Rialto (rivo alto) mitten in der Lagune verlegt wird. Vermutlich errichtet schon der (offiziell byzantinische) dux Agnello Partecipazzo in diesen Jahren seinen Amtssitz dorthin, wo heute der Dogenpalast steht. Venedig regelt seine Außenbeziehungen wohl inzwischen zunehmend selbst.
Unter der führenden Partecipazio-Familie verteilt sich im 9. Jahrhundert die Macht wohl auf mehrere sich adelig gebende Handelshäuser. Dux Johannes (Partecipazio) ist, obwohl auch Grundbesitzer auf dem Festland, laut seinem Testament kurz vor seinem Tod noch mit 1200 Pfund solidi Investor in Seehandel.
Die Siedlungskerne Venedigs bestehen noch aus eher kleinen Holzhäusern mit kleinen Flächen für den Anbau von Gemüse, Wein und die Haltung einiger Schweine und Kühe.
Ohne Festland entwickelt sich kein Großgrundbesitz, sondern eine Oberschicht aus Händlern und mit ihnen frühe Geldwirtschaft. Sobald sich muslimische Herrscher an den Südküsten des Mittelmeers festgesetzt haben, beginnen Venezianer mit ihnen Handel zu betreiben, gegen die Wünsche der Päpste und von Byzanz.
827 lässt der aquilegische Patriarch Maxentius auf einer Synode zu Mantua verkünden, Grado sei nur eine ganz normale Pfarrei unter seiner Herrschaft. Das veranlasst die Venezianer zu einem Gegenschritt. Unter seinem wohlhabenden Dogen Guistiniano werden 828 die Reliquien (der mutmaßliche Leichnam) des "heiligen" Markus mit anderen Handelswaren aus Alexandria herausgeschmuggelt, um der Stadt Prestige zu verleihen. Mit dem Bau der Markuskirche wird Venedig dann auch zur Pilgerstadt.
Das Wahlamt des Dogen wird nicht erblich, aber dafür wie das päpstliche auf Lebenszeit verliehen, und ist im 9. und 10. Jahrhundert vor allem in den Händen weniger reicher Familien.
840 werden der Stadt im Pactum Lotharii die bisherigen Privilegien bestätigt, ohne dass Byzanz noch Erwähnung findet.
Seit dem 8. Jahrhundert dringen kroatische Siedler auf die dalmatinische Küste vor, wo sie Piratennester einrichten, von denen aus sie einen Kleinkrieg gegen venezianische Schiffe führen und Tribute für deren Sicherheit erpressen. Das wird bis ins 10. Jahrhundert so weitergehen.
Die Venezianer beginnen mit einem Flottenbau-Programm. Zu Bündnissen mit lateinischen Kaisern kommen im 9. Jahrhundert solche mit Byzanz und mit muslimischen Herrschern hinzu. Die Handelsinteressen der städtischen Oberschicht lassen die Stadtoberen immer aggressiver werden.
883/89 wird Comacchio an der Po-Mündung erobert und niedergebrannt, womit Venedig die Kontrolle über den regionalen Salzhandel bekommt, und in den nächsten Jahrzehnten erlangt die Stadt die Hegemonie über Istrien. Der Frachtverkehr von Norditalien nach Konstantinopel gerät immer mehr in ihre Hand.
Ein weiterer Sonderfall ist Rom. Der römische Bischof als größter Landbesitzer wächst in die Rolle des Stadtherrn hinein. Als solcher übernimmt er nun auch die Versorgung der sich verringernden Bevölkerung mit Getreide. Schon im 7. Jahrhundert, immer noch unter byzantinischer Hoheit, ist die Kirche auch im weiten Umland mit ihrer ausgeprägten Verwaltung fast monopolartiger Grundbesitzer. Die Päpste vergeben ihr Land an die Kirchen der Stadt. Ein sich neu formierender Krieger"adel" beginnt, Grund und Boden im Umland der Stadt zu pachten. Damit kann die Kirche bzw. können die Kirchen der Stadt ihren Besitz in etwa halten, zugleich gewinnen sie eine sie schützende militärische Klientel. (Wickham(2), S.21f)
Wo es im weiten Umland nicht stadtrömischer kirchlicher Besitz ist, gehört das Land zum Großgrundbesitz von Klöstern wie Farfa und Subiaco oder zu Bischöfen wie denen von Sutri und Tivoli.
Eine kleine Gruppe mächtiger Familien regiert die Stadt zusammen mit dem Papst, ausgehend von hohen juristischen und Verwaltungs-Ämtern wie dem des Primicerius und des Arcarius oder dem des magister militum. Daneben besetzen sie die geistlichen Spitzenämter der nahen Bistümer oder der Titularkirchen und der Diakonien. Daraus wird sich später das Kardinalskollegium entwickeln.
Bis ins spätere 8. Jahrhundert ist Rom aber noch keine richtige Stadt, sondern "Ansammlung von Elite-Zentren mit tausenden von Einwohnern, die nur ein schieres Minimum an Produktion und Versorgung benötigten." (Hodges, S.121, m.Ü.)
Ein erneuter Aufstieg der gering bevölkerten Ruinenstadt Rom beginnt mit der langsamen Orientierung in Richtung Franzien. Aus der aufs Mittelmeer orientierten Stadt wird nun eine, die sich nach Norden, also lateinisch-europäisch auszurichten beginnt. Gold und Silber fließt jetzt in die Stadt, die zusammen mit antiken Spolien zu erneuter Ausschmückung der Kirchen führt. Um die Stadt herum blühen Landgüter auf und neue Kirchen entstehen.
Dieser Aufstieg wird unter Papst Hadrian I. deutlich und führt unter Paschalis I . (817-24) zum Bau neuer Monumentalkirchen wie SS Quattro Coronati.
Das Amt des Papstes bedeutet die Macht, eine eigene Klientel mit Land und lukrativen Ämtern zu bereichern und wird entsprechend umkämpft. Im 9. Jahrhundert wird das immer deutlicher. Immerhin ist Rom nun mit gut 20 000 Einwohnern eine der wenigen großen und reichen Städte des lateinischen Abendlandes.
Die wechselvolle Geschichte der Stadt und ihrer gelegentlich wenig friedfertigen Päpste (21 im 9. Jahrhundert) wird von den Kaisern wenig beeinflusst, die wohl auch wenig von den stadtrömischen Parteienkämpfen mitbekommen und verstehen.
Spanien
Unter den Visigoten sind zumindest Teile der iberischen Städte einem gewissen Verfall preisgegeben, was am wenigsten wohl Toledo, Mérida und Zaragoza betrifft und sehr deutlich nach der Eroberung von Cartagena wird. Am stärksten gehen die Römerstädte an den Rändern im Norden und Nordosten zugrunde.
Außerhalb dieser Randgebiete werden manche von ihnen dann in der Zeit islamischer Herrschaft nach 711 mit ihrer eher städtischen Zivilisation in neuem Gewand wieder aufblühen, dabei aber nicht jene Strukturen ansteuern, die Kapitalismus entwickeln helfen, weswegen die christliche Rückeroberung Neuanfänge mit sich bringen wird. Immerhin dürften um 900 in Cordoba an die 100 000 Einwohner gelebt haben, als in den Frankenreichen größere Städte ein paar tausend besitzen, dazu 40 000 in Toledo und vielleicht 25 000 in Granada. Handwerk und Handel florieren weit mehr als in der christlichen Welt, aber die Verbindung von Despotie und Islam erlaubt es nicht, Voraussetzungen für ein Bürgertum zu bilden.
Stadtbild der Bischofsstädte
Kern der Städte ist ist die Kathedrale mit dem Bischofspalast und den Gebäuden der Domherren, alles als Domimmunität immer burgartiger ummauert. In Gallien und Italien werden im 6./7. Jahrhundert wieder Kirchen gestiftet und gebaut, sind aber vergleichsweise klein, wenn auch innen langsam wieder reicher ausgeschmückt.
Es gibt weiterhin in Einzelfällen Bauten aus Stein, aber bald nur noch für einen kleinen Kreis von Reichen und Mächtigen und für bedeutendere Kirchen, von denen allein Reims am Ende der Merowingerzeit über zwanzig haben soll. Glockentürme und Querschiffe sind Erfindungen dieser Zeit. Für dieses Gewerbe sind wohl umher wandernde Handwerker zuständig.
Neue Wohngebäude werden im wesentlichen recht vergänglich aus Holz und Lehm (Fachwerk) und manchmal, eher selten, auf steinernem Fundament gebaut. Sie haben Abstand zum Nachbarn, der mit Gärten ausgefüllt wird. Heizung wird zunehmend durch möglichst warme Kleidung ersetzt.
Die Städte verwandeln dabei meist völlig ihr Gesicht. Manche römische Stadtmauern halten weiter. Die vorhandenen Straßen werden zunächst noch notdürftig geflickt, verfallen aber eher. Wasserversorgung und Abwassersystem der Römerzeit verschwinden, weil sich niemand mehr darum kümmert, zudem sind die Kosten nicht mehr auf antikem Niveau zu finanzieren, und damit verfällt die Technik des Aquäduktbaus. Auf den Hausgrundstücken wird Gartenbau betrieben und oft Kleinvieh gehalten; Kot und Unrat werden in Latrinengruben in der Nähe der Behausungen „entsorgt“. Als Heizung dienen offene Herdstellen.
Die Friedhöfe bleiben zunächst in römischer Tradition außerhalb der Städte. Während Romanen keine Grabbeigaben dazu legten, werden vornehmeren ("christlichen") Franken zum Beispiel zunächst weiter und bis weit ins 7. Jahrhundert Waffen, Schmuck und Wegzehrung für das Jenseits mitgegeben, zudem Amulette, die Unheil abwehren sollen (Dietmar/Trier, S.70 z.B.). Nur besonders mächtigen Herren gelingt es, ein Grab in den Kirchen zu erlangen, am besten in der Nähe der Heiligen, deren Gräber oder Reliquien sich dort befinden.
Die außerhalb der Städte in ihren befestigten Villen residierenden Grundherren hatten schon seit der späten Kaiserzeit teilweise das Handwerk für ihren Bedarf auf ihren Besitz auf dem Land mitgenommen. In den arg geschrumpften Stadtresten bleibt dennoch entweder ein wenig Luxusproduktion für die dünne Oberschicht oder sie kehrt wieder dorthin zurück. Bis tief ins siebte Jahrhundert bleibt tradiertes Handwerk, insbesondere exzellentes Kunsthandwerk von Spezialisten (Glas, Emaille, Keramik, Elfenbeinschnitzerei, Goldschmiedekunst), manchmal aus der Haus- und Gutswirtschaft ausgegliedert, auch in den Städten. Es handelt sich dabei um Produktion von Luxuswaren für reichere Grundherren, die sie mit dem bezahlen, was sie sich von der Produktion (vor allem) ihrer Bauern aneignen.
Solche Luxusproduktion wird zwar keine spezifische Voraussetzung für den späteren Weg in Kapitalismus, es gibt sie auch in Zivilisationen, die davor stehen bleiben, aber sie bedeutet einen gewissen Fortbestand von Handwerk zumindest.
Das „städtische“ Gewerbe deckt nun für Jahrhunderte fast nur noch den lokalen Bedarf. Für Köln werden zum Beispiel Metall-, Glas- und Knochenbearbeitung (Kämme) nachgewiesen (Dietmar/Trier, S.107ff). So gibt es in Mitteleuropa „nirgendwo Städte (...), deren Wirtschaftsleben von einem über den örtlichen oder regionalen Bedarf hinaus produzierenden Exportgewerbe beherrscht" wird.“ (Pitz, S.80)