DIE STADT IM 10.JH.

 

 

Italien unter Franken und sächsischen Herrschern

Adel, Macht und Herrschaft in Italien

Italienische Städte im 10. Jahrhundert (Venedig / Amalfi und der Süden /  Rom / Genua / Lucca / Pisa)

Produktivität für einen Markt und Handel nördlich der Alpen 10./11.Jh. (Handel und Gewerbe)

Erneute Entfaltung der Städte im Norden

 

 

Italien unter Franken und sächsischen Herrschern

 

Goten, Langobarden und Franken beließen auf der italienischen Halbinsel bei allen Zerstörungen, zu denen auch Byzanz und nordafrikanische (muslimische) Eroberungen und Piraterie beitrugen, dem Städtewesen mehr Kontinuität als sonst im westlichen Römerreich. Hier war es ohnehin schon länger zuhause gewesen als weiter nördlich.

Nirgendwo wird sich Kapitalismus früher als in der Nordhälfte Italiens etablieren, von Mailand und Genua bis Venedig und bis Pisa und Siena. Das ist grob betrachtet der Bereich, in dem immer einmal wieder fränkische und später ostfränkische/deutsche Oberhoheit durchgesetzt wird. In der Südhälfte teilen sich Byzanz, Sarazenen und auf langobardischem Erbe beruhende Fürstentümer die Macht, und dazu kommt dann als besondere Kraft noch das Papsttum. Diese Nord-Süd-Teilung der Halbinsel beginnt mit dem Schwundprozess des Westteils des Imperiums und setzt sich dann durch alle germanisch dominierten Eroberungen fort, von den Ostgoten über die Langobarden bis zu den Franken und Deutschen. Allesamt nimmt ihr Einfluss von Norden nach Süden erheblich ab. 

 

Genua wird zweimal zerstört, zunächst durch den Langobardenkönig Rothari und dann 935 durch normannische Piraterie, die die Stadt erobert, ausplündert, abfackelt und dann junge Frauen und Kinder in die Sklaverei verschleppt.

Anfang des 9. Jahrhunderts beginnen die Sarazenen, von Raubzügen an Italiens Küsten zur Ansiedlung überzugehen. Sie gewinnen Sardinien, Korsika, Ischia, und 902 verfügen sie über ganz Sizilien. Erst 871 greift mit Ludwig II., dem imperator Italiae, ein karolingischer Kaiser in Süditalien ein und befreit zusammen mit byzantinischem Militär das muslimische Zentrum Bari. Sein weiteres Auftreten in Süditalien stößt aber auf den Widerstand von Adelchis von Benevent, so dass es am Ende Byzanz ist, welches seine Präsenz in Süditalien wieder stabilisieren kann. 875 krönt Papst Johannes VIII. den westfränkischen König Karl den Kahlen zum Kaiser, der damit wenigstens nominell über ein italienisches Königreich verfügt. Der wiederum macht Boso von Vienne zu einer Art Statthalter für Italien. Der wird 879 dann König von Niederburgund in unmittelbarer Nachbarschaft zum Piemont, aus dem wiederum das Arelat entstehen wird.

 

Mit dem Tod Karls III. 888 fällt die italienische Königskrone zunächst an Berengar I. und 891 dann an Wido von Spoleto, den der Papst zum Kaiser macht. 894 vertreibt der ostfränkische König Arnulf diesen aus Oberitalien und erhält 896 die Kaiserkrone, die er aber gegen Widos Sohn Lambert und Berengar nicht durchsetzen kann. Als König Ludwig von Provence gegen die Ungarn zur Hilfe gerufen wird, wird auch er zum Kaiser gekrönt, kann sich dann aber gegen Berengar nicht durchsetzen.

Von den  Sarazenen wird die Westküste Süditaliens erst 915 durch eine Allianz von Papst Johannes X. mit Byzanz und dem norditalienischen Großen, Markgraf Berengar I., befreit, den der Papst in Rom im selben Jahr noch mit dem Kaisertitel belohnt, worauf er bald wieder von dort abzieht. Damit ist der frühe Aufstieg von Handelsstädten wie Amalfi und Salerno gesichert.

 

Der Welfe König Rudolf II. von Hochburgund, Sohn Rudolfs I. und einer Tochter Bosos von Vienne, lässt sich von Gegnern Berengars nach Italien rufen, 921 zum König von Italien erheben und besiegt 923 Kaiser Berengar.

Graf Hugo von Vienne gelingt es 924, sich Niederburgunds zu bemächtigen. Danach wendet er sich in Italien gegen Rudolf II. Damit erfolgreich, lässt er sich und Sohn Lothar 925 in Pavia zum König ausrufen. Rudolf von Hochburgund wird das später hinnehmen gegen Hugos Verzicht auf Niederburgund.

Hugo heiratet die römische Hochadelige Marozia, aber deren Sohn Alberich setzt die Mutter gefangen und vertreibt den Stiefvater.

937 wird er nach dem Tod Rudolfs versuchen, dessen jungem Erben Konrad Niederburgund zu entreißen,was an König Ottos I. Unterstützung für ihn scheitert. In den vierziger Jahren versucht er, Berengar II. von Ivrea zu übertfallen, der, von Hugos Sohn Lothar gewarnt, kann aber zu Otto I. entkommen und kehrt 945 mit Militär nach Italien zurück.  Hugo muss in die Provence fliehen und Lothar behält einen zumindest nominellen Ttel für Italien.

 

Aber Lothar stirbt jung und hinterlässt die ebenfalls junge und schöne Witwe Adelheid. Als Nukleus der Anti-Berengar-Fraktion nimmt dieser sie gefangen und sperrt sie am Gardasee ein. Sowohl Hroswith von Gandersheim wie Donizo von Canossa und ein weiterer Autor berichten Geschichten von ihrer abenteuerlichen Flucht bis zur Burg von Canossa.

 

Der erste Heerzug Ottos d.Gr. 951 trifft auf ein nicht nur von inneren Machtkämpfen, sondern auch von den regelmäßigen Einfällen und Raubzügen von Sarazenen und Ungarn geschädigtes Land. Adel und Landbevölkerung ziehen darum vielerorts in Burgen und befestigte Orte, was einer gewissen Verstädterung Vorschub leistet. In Kathedralstädten übernehmen die Bischöfe die Stadtherrschaft auch ohne königliche Förderung, wie sie in deutschen Landen üblich ist.

 

Dabei hat Norditalien als Besonderheit mit Pavia eine auf die Langobarden zurückgehende Hauptstadt. „Dort hatte die königliche Kammer ihren Sitz, der regelmäßige, zentral verwaltete Einkünfte zuflossen: die Einnahmen aus den Zöllen an den Alpenklausen, aus Flusszöllen, aus der Goldwäscherei in den von Alpen und Appenin herabströmenden Wasserläufen. Bestimmte Waren, die die Kaufleute Venedigs Venedigs oder Amalfis aus den Mittelmeerländern in das Regnum brachten, sollten nur dort zum Verkauf angeboten werden. Von Pavia aus organisierte der Pfalzgraf an Stelle des Königs die Rechtsprechung im Reich, dort lag das Orientierung gebende Zentrum für die im Regnum tätigen Pfalz- und Königsrichter. Dort besaßen vor allem viele der Bischöfe, Klöster und weltlichen Großen Ober- und Mittelitaliens ein Haus, das sie bei ihren Aufenthalten am Königshof aufsuchen konnten und das ihnen sozusagen institutionell eine Präsenz in der Haupstadt des Reiches sicherte.“ (Althoff/Keller, S.192)

 

Otto I. schickt von Pavia eine Gesandtschaft, die mit dem Papst Agapet II. über die Kaiserwürde verhandelt. Dort herrscht Alberich II. im weltlichen Bereich und kontrolliert das Papsttum. Er ist an keinem Kaiser über sich interessiert. Otto zieht wieder nach Norden ab, ohne Berengar II. nennenswerten Schaden zugefügt zu haben. 960 dann die Wende. Papst Johannes XII., Sohn Alberichs, war wegen seines wenig frommen Lebenswandels und durch Berengar II. von Ivrea unter Druck geraten und bietet nun Otto die Kaiserkrone an. Der wird 962 in Rom gekrönt.

Während er sich dann gegen Berengar wendet, aber dabei offenbar dem Papst in Italien zu mächtig wird, nähert sich dieser Berengars Sohn Adalbert an. Otto kehrt nach Rom zurück, verjagt Johannnes und macht Leo VIII. zum Papst. Kaum ist der Kaiser abgezogen, holt Rom Johannes zurück und Papst Leo muss flüchten. Johannes stirbt kurz darauf und wird in Rom durch Benedikt V. ersetzt. 964 kehrt Otto mit militärischer Gewalt nach Rom zurück und lässt Benedikt nach Hamburg eskortieren, um dann selbst nach Norden aufzubrechen. Seine Statthalter in Rom setzen nach dem Tod Leos Papst Johannes XIII. durch.

 

966 zieht Otto wieder mit einem Heer nach Italien, vor allem offenbar, um seinen jungen Sohn Otto (II.) zum Mitkaiser krönen und so würdig erscheinen zu lassen für eine byzantinische Prinzessin. Der byzantinische Kaiser lehnt ab, eine solche zu schicken, was der Situation in Süditalien Schärfe verleiht. Hier herrscht seit 961 Pandulf Eisenkopf als Fürst über Capua und Benevent, der sich für seine Interessen auf Apulien mit dem Kaiser verbündet.  Der Fürst fällt kurzzeitig in die Hände der Byzantiner, die nun ganz Kalabrien und Apulien kontrollieren. Otto schickt ein Heer, welches gegen die Byzantiner vorgeht. Pisa leistet Unterstützung.

 

978 zieht Otto II. auf einen Hilferuf von Papst Benedikt erneut nach Italien, wo er versucht, gegenüber Venedig und den langobardischen Fürsten direktere königlich-kaiserliche Herrschaft durchzusetzen und sowohl die Sarazenen als auch Byzanz zurückzudrängen. Nach ersten militärischen Erfolgen scheitert er gegen die ersteren und stirbt 983 in Italien.

Im Unterschied zum recht griechisch geprägten Kalabrien gelingt es Byzanz nur recht oberflächig das lateinische Apulien zu kontrollieren, an dessen Küste sich dann Anfang des 11. Jahrhunderts Städte wie Bari oder Trani immer mehr verselbständigen.

 

 

Kaum ist Otto III. tot, lässt sich Arduin von Ivrea zum langobardisch-italienischen König krönen. Er gewinnt Unterstützung auch dadurch, dass er die Reformbewegung in den Klöstern unterstützt, die dabei ist, auf die Kirche überzugreifen. Heinrich II., der sich auch in Italien ganz auf die von ihm eingesetzten Bischöfe verlässt, tritt ebenfalls auf die Seite der Reformbewegung. 1004 lässt er sich in Pavia krönen, ohne Arduin besiegen zu können. Einwohner Pavias empören sich gegen ihn und er kehrt in die deutschen Lande zurück, während die ihn unterstützenden Bischöfe den Kampf gegen Arduin fortsetzen

 

Adel, Macht und Herrschaft in Italien

 

Ohne dass das in einzelnen dokumentiert ist, muss die Produktivität der Landwirtschaft in der Nordhälfte Italiens zumindest gestiegen sein, denn die von größeren Herren abhängigen Pächter leisten ihre Abgaben im 10. Jahrhundert zunehmend in Geld und brauchen nicht mehr Knechtsdienste auf Domänen zu leisten, die als solche verschwinden, da sie ebenfalls verpachtet sind. Damit nehmen die Herren immer weniger Einfluss auf die Ausgestaltung bäuerlichen Wirtschaftens, da sie nur noch bare Münze als Endergebnis interessiert.

Die Bauern haben schon länger einen kleinen Überschuss ihrer Produkte gegen Werkzeuge, Töpferwaren oder Leder getauscht. Jetzt verkaufen sie offenbar zusehends Überschüsse auf dem Markt gegen Geld, was die karolingische Münzreform mit etwas kleineren Münzen erleichtert.

 

Der Geldbedarf größerer Herren wiederum resultiert aus dem zunehmenden Handel von Luxusgütern, die als Statussymbole eine sich immer mehr als (Krieger)Adel (milites) begreifende Oberschicht markieren. Ein weiteres Statussymbol bietet die Stiftung einer "eigenen" Kirche und ihre Innenausstattung. Wer besonders um einen "Adels"status konkurrieren möchte, bleibt oder wird stadtsässig, denn dort werden Reichtum (und Macht) sichtbarer.

 

Um 900 ist das Königreich Italien bereits weitgehend fragmentiert. Lokale und regionale Machthaber haben die produktiven Massen der Bevölkerung mediatisiert und kontrollieren sie. "Italien ist ein Netzwerk von Klientelen, Patronage-Gruppen, die entweder von Grafen oder nichtgräflichen Familien abhängig sind, die es auf kleinere Ämter absehen (sowohl weltliche wie geistliche) oder zunehmend auf die Bischofsämter." (Wickham, S.140)

Dabei setzt sich für dieses Klientelwesen weniger das fränkische beneficium durch als vielmehr der öffentlich beurkundete Pachtvertrag, ergänzt durch mündliche Vereinbarungen bis hin zu einem Treueeid. Im zunächst langobardischen, dann fränkischen Teil tendieren die Verträge zu größerer Kürze, während im ehedem byzantinischen Bereich die emphyteusis noch mit Laufzeiten über mehrere Generationen überwiegt.

 

Fragmentierung der Macht heißt auch, dass die einst vom König verliehenen weltlichen Ämter (Markgraf, Graf, Vizegraf) in den Besitz von Familien übergehen und manchmal Teil ihres Namens wird. Entsprechend wird der mit dem Amt einst verbundene Grundbesitz Privateigentum. 

 

Adel ist ein sehr deutsches Wort mit germanischen Wurzeln. Franzosen, Spanier und Italiener greifen auf Ableitungen von der lateinischen nobilitas zurück, während englischsprachig im Konzert der Historiker gerne von aristocracy die Rede ist, was ja im griechischen eigentlich die Herrschaft der aristoi, der "Besten" meinte. In der Nachantike ist meist von Mächtigen, Vornehmen oder Reichen die Rede. Im Konzept nachantiker, germanisch dominierter Reiche wird eher grob zwischen Freien und mehr oder weniger Unfreien unterschieden. Die Freien zeichnen sich vor allem durch Recht und Pflicht zum Kriegsdienst aus und durch die Teilnahme an Gerichten. 

Mit dem Rückgang der als solche gekennzeichneten Freien ist im 10./11. Jahrhundert eine Schichtung einer sich zunehmend als solche begreifenden Adelsschicht verbunden, die sich in Italien in Kapitane und Vavassoren teilen, während sie in deutschen Landen etwas anders und später sich in Adel und Ministeriale aufteilen.

 

In der Nordhälfte Italiens steigen im 10. Jahrhundert neue Familien als eine Art großgrundbesitzender Hochadel angelehnt an Könige auf. Dazu gehören die Obertenghi in den nordwestlichen Pyrenäen, die Canossa in dem Marschland des Po und die toskanischen Grafenfamilien der Guidi, der Cadolingi und der Gherardesca. Sie erleben Italien ohne starke Zentralmacht. Es gelingt ihnen, zusammenhängenderen Grundbesitz zu erlangen und sich dabei stärker zu verselbständigen als Herren ihres Gebietes.

 

Die bedeutenderen nord- und mittelitalienischen Städte des 10. Jahrhunderts sind weit überwiegend unmittelbare Erben der antik-römischen Zivilisation. Nach dem Zusammenbruch antiker Staatlichkeit werden Bischöfe als übriggebliebene spätantike institutionalisierte Macht eine Art Stadtherren, die sich diese zeitweilig, als die neuen, instabilen Reiche entstehen, mit Grafen teilen müssen. Eine langobardische Oberschicht wird von einer vorwiegend fränkischen, manchmal auch alemannisch- oder bayrischstämmigen abgelöst und zunächst in die zweite Reihe verwiesen, wobei man die Herkunft an ihrer Zugehörigkeit zu unterschiedlichem Recht und ihren Namen erkennen kann. Dieser Bruch von langobardischer Herrschaft zu der einer karolingischen Reichsaristokratie ist eine norditalienische Besonderheit. Im zehnten und elften Jahrhundert gelingt den alten langobardischen nobiles manchmal der Wiederaufstieg in diese höheren Ränge mit dem Titel eines miles, wie er sich im zehnten Jahrhundert als Inhaber von Grundherrschaft, Besitzer eines Kastells, mehr oder weniger noch Vasall des Königs, vor allem aber zunehmend des Bischofs darstellt.

 

Hagen Keller beschreibt das Besondere der norditalienischen Situation so: "Die Machtstellung der fränkischen Zuwanderer, die die Karolingerherrschaft in Italien trugen, war vor allem auf Ämter, auf Amtsgut und Amtsgewalt, auf Lehen und Leihegut gegründet, kaum dagegen auf "autogene" Herrschaftsrechte." (Oberitalien, S. 372) Anders als im Norden müssen also Eigengüter erst einmal aus dieser Machtstellung heraus erworben werden, um dann durch bischöfliche Lehen ergänzt zu werden. Daraus kann sich dabei keine fürstliche Spitzengruppe entwickeln. Und die Folge ist: " Nicht ein Königs- oder Fürstenhof mit seinen durch die Nähe zum Herrschenden bestimmten Rangordnungen prägt diese Adelsschicht, sondern die bischöfliche Lehnskurie, oft neben das Domkapitel gestellt." (s.o. S.374) Bischof, hoher Klerus und diesen beschickender Adel bilden dabei gemeinsam die städtische Führungsgruppe.

 

Die besondere Bedeutung von Städten erschließt sich in Italien auch daraus, dass mit Pavia von den Langobarden eine funktionierende Hauptstadt geerbt wird, etwas, was im Norden und Westen völlig fehlt. Bischöfe, Äbte und weltliche hohe Herren besitzen dort noch im 10. Jahrhundert Niederlassungen. Auf regionaler Ebene gelingt es dann im 10. Jahrhundert Bischofsstädten, eine ähnliche Hauptstadtfunktion einzunehmen, mit Gerichtsbarkeit der Richter, Schöffen und den Notaren sowie Einrichtungen der Verwaltung von Bischof und Graf und den städtischen Sitzen auch ländlich orientierten Adels. Schöffen und Notare bilden dabei eine städtische Oberschicht, die gelegentlich als nobiles bezeichnet wird. Schriftlichkeit ist ein weiteres spezifisches Kennzeichen dieser Leute.

 

Soweit der königliche (kaiserliche) Arm reicht, versucht er, Stadtherrschaft selbst (als bischöfliche vor allem) zu legitimieren. Der Bosone Hugo, von 926-46 "italienischer" König, macht aus den gräflichen Schöffen und Notaren königliche und seit Otto I. finden vor ihnen die placita, also Versammlungen statt.

Von seinem Stadtpalast aus kontrolliert der Bischof kirchlich und soweit möglich auch weltlich seine Diözese. Mehr als weltliche große Herren verfügt er über Eigenbesitz und Besitz der Kirche, das heißt über Land und darauf arbeitende Leute. Seine Macht ist also "politisch" und wirtschaftlich begründet, aber zugleich auch militärisch über seine milites in Stadt und Land, eine edelfreie Kriegerschicht, die er sich durch das Verleihen von Aufgaben, manchmal von befestigten Gebäuden, oft von Land und Rechten verpflichtet. Indem es ihm gelingt,  Adel der Diözese in Stadt und Land in seine Vasallität und teilweise eine Art Lehnshoheit zu bringen, bietet er sich den ottonischen Kaisern als der entscheidende Partner zur Herrschaftsausübung an.

 

Die Bedeutung von Markgrafen und Grafen ursprünglich nördlicher Herkunft nimmt im 9. Jahrhundert zunächst zu, wobei eine toskanische Markgrafschaft die größte Geschlossenheit erreicht. Es gelingt den marchiones dabei, die königlichen Ämter in ihre Abhängigkeit zu bringen. Solche vassi regis in direkter Verbindung zum König gibt es um 900 nur noch in Pavia und den übrigen übriggebliebenen Königspfalzen, nachdem die Königsgewalt in Italien zurückgeht. "Am Ausgang des 9. Jahrhunderts war die Stellung der italienischen Markgrafen der der westfränkischen Fürsten oder der ostfränkischen Herzöge durchaus vergleichbar." (KellerOberitalien, S.324) Im zehnten Jahrhundert verschwinden aber diese alten "fürstlichen" Familien der karolingischen Reichsaristokratie und es bilden sich neuartige Marken in den Händen neuer Familien aus, von denen nicht wenige langobardischen Ursprungs sind. Musterbeispiel wird das Fürstentum der Familie, die sich später nach Canossa benennt. (siehe Anh.11)

 

Mit wachsender Bedeutung treten die Bischöfe, unterstützt von Königen, neben die Markgrafen und Grafen und deren Macht geht zurück, es gelingt ihnen nicht wie weiter nördlich, Positionen wie die Stammesherzöge oder westfränkische principes einzunehmen, ihre schieren Titel erheben sie in der Lombardei bald nicht mehr über die realen Machtvollkommenheiten der übrigen alten nobiles-Familien und am Ende erheben sie sich als Teil der bischöflichen Lehnskurien auch formal nicht mehr über die allgemeine Oberschicht der Vasallen, der direkten Vasallen von Bischof und König. Das in Norditalien besonders reiche Kirchengut dient den Bischöfen dabei zum Aufbau einer großen Vasallenschaft, mit der die sich gegen die Unterordnung unter weltliche Fürsten wehren können, die ihnen drückender erscheinen muss. Zudem können ihnen inzwischen die Bischöfe auch Kastelle und gewisse Herrschaftsrechte übergeben.

 

Reformer als Vorläufer der Kirchenreform des 11. Jahrhunderts werden Bischöfen (und Äbten) in der zweiten Hälfte des zehnten Jahrhunderts dann "Verschleuderung des Kirchengutes" vorwerfen. Dabei wird nicht nur die Lehnsmannschaft und Vasallenschar vergrößert, um Anhängerschaft zu schaffen. Um für Bischofswahlen Gegenleistung zu bieten und um Verwandte zu begünstigen wird Kirchengut samt Kastellen auch als Livell, also gegen eine Art Pachtzins vergeben. Das war dann nicht einmal mehr notwendig mit einem Vasallitätsverhältnis verbunden und konnte neue hohe Herren zu Konkurrenten der herrscherlichen Macht des Bischofs machen, wenn sie Teile ihres Pachtgutes an eigene Vasallen zu Lehen ausgaben. Wenn Ottonenkaiser dann Landesfremde aus dem Norden auf Bischofs- und Abtsstühle setzen, die eine Revindikationspolitik betreiben, also verlorenes Kirchengut zurückfordern, kommt es notwendig zu Konflikten.

 

Die norditalienischen Bischöfe hatten seit der Spätantike in zunehmendem Maße über eigene Gerichtsbarkeit verfügt und können auch darüber ihre Macht ausbauen, die im 10. Jahrhundert bereits die weltlicher Herren übertrifft, unterstützt von Königen, die den Machtausbau dieser Herren zu neuartigen Fürsten anders als nördlich und westlich der Alpen so verhindern kann.

Zunehmend übernehmen dabei hochedle Laien bischöfliche Ämter wie die der Schöffen und Notare und entsenden Familienmitglieder in das Domkapitel. Ähnlich wie im ottonischen Versuch der Etablierung von Herrschaft nördlich der Alpen steigt die Bedeutung der Bischöfe als Stadtherren mit ihrer militia und ihren famuli ecclesiae. In den Diözesen sind dabei zukünftige städtische Territorien vorgezeichnet, wobei Vasallität in der Lehnskurie und Mitgliedschaft im Domkapitel Stadt und Land verzahnen. Nur selten aber versuchen machtbewusste Bischofspersönlichkeiten wie ein Landulf II. oder ein Aribert sich an Annäherungen an Alleinherrschaft.

 

Im 8. Jahrhundert beruht Macht auf Landbesitz, im 10. auf Verfügung über Land. Aufsteigende Aristokratie kann ihre gesamte Macht auf Pachtgüter aufbauen, die an mehr oder weniger abhängige Pächter-Produzenten weiter verpachtet werden. Wenn sie wie in Lucca im wesentlichen vom Bischof pachtet,  der damit weltliche Machtausbauen möchte, dann tauchen sie nun als seine vassi auf. Zentrum solcher aristokratischer Machtfülle sind vom Bischof gepachtete Taufkirchen (pievi) samt davon abhängigen Kirchen. Kirchenpacht heißt im Kern Pacht des Zehnten. (Wickham, S.142ff)

 

 

Bis weit ins 11. Jahrhundert ist das Land überwiegend in riesige Güter von Klöstern und aus der Karolingerzeit stammendem altem "Adel" aufgeteilt,der in der Toskana in der Spitze 20-40 Burgen und dazu gehöriges Land besitzen kann.

Dabei sind in der Nordhäfte Italien große Teile Sümpfe, Wälder und andere Naturlandschaft. Zu den Pflichten der abhängigen Landbevölkerung kann dann die regelmäßige Jagd auf wilde Tiere gehören, um das Kulturland zu schützen. „...a donation made by the Marchesa Willa in 978 to the Florentine monastery known as the Badia shows that one third of an estate at Signa in the Arno valley only a few miles from the city was uncultivated; at another estate in the same region, the proportion of waste was five-eighth, while at Bibbiano in the Valdelsa, near the boundaries of Florentine territory, the uncultivated part of the estate was ten times the area where grain, vines and olives were grown.“ (Hythe, S.25)

 

Ein Weg, Kulturland zu gewinnen, wird es, Leute dort anzusiedeln, denen dafür größere Freiheiten gewährt wurden. Der Aufstieg des Hauses Canossa beginnt in den unwirtschaftlichen Marschen des Po, und wendet sich dann den nur etwas weniger unwirtlichen Apeninnen  zu, wobei man darauf achtet, in geschlossenen Gebieten Herrenrechte anzusammeln. Die Markgräfin Mathilde, mit diesem Titel allerdings nicht belehnt, geht nicht zuletzt über Klostergründungen in der Poebene, ihrem Kernland, dabei voran, indem sie solche Gründungen in unkultivierte Gegenden verlegt und die Klöster damit zur Schaffung von Kulturland bringt. (Elke Goez)

 

Der aus dem 9. und 10. Jahrhundert stammende alte "Adel" (milites) zeichnet sich inzwischen sowohl durch großen Grundbesitz auf dem Land und Immobilien in der Stadt aus wie auch durch Land, welches ihm vom König/Kaiser und zunehmend vom Bischof verliehen wird. Solcher Besitz ist weithin verstreut, manchmal auch über mehrere Diözesen bzw. Grafschaften hinweg.

Hagen Keller beschreibt anhand eines Diploms Ottos d.Gr. von 969 die Dimensionen des Besitzes eines solchen Hochadeligen namens Ingo. Diesem fidelis bestätigt der Kaiser Besitz in Grafschaften von Bulgaro, Lomello, Pombia, Mailand, Ivrea, Pavia, Piacenza und Parma. Dazu gehören wenigstens 10 Herrenhöfe (curtes, meist mit einem castrum versehen, "darunter eine curtis cum castro in derr Stadt Novara selbst." (Oberitalien, S. 254). In der Urkunde wird Ingo samt Söhnen weitgehende Immunität gewährt, was Abgaben und Gerichtsbarkeit betrifft. Von anderen solchen Herren ist das Privileg erhalten, beim Kastell Jahrmarkt abzuhalten, ohne dafür selbst Abgaben zu zahlen. Wenige Jahre später taucht Ingo dann als miles des Novareser Bischofs auf, wie eine Generation später einer seiner Söhne. Vermutlich hat ihm der Bischof Land verliehen, um sich seiner Treue zu versichern.

Von solchen Kastellen aus können Adelige dann selbst Funktionen von Herrschaft ausüben und ausweiten, während sie oft zugleich mindestens ein Haus, manchmal auch mehrere und ganze Häuserkomplexe in der Stadt bzw. in mehreren Städten besitzen.

 

Mit der Instrumentalisierung der Bischöfe für die Königsherrschaft durch die Sachsenkaiser ergibt sich daraus bis in den Investiturstreit selten ein Interessenkonflikt. Hoher "Adel" stellt zunächst als iudices die Richter beim Königsgericht in der Bischofsstadt, die Münzmeister (monetarii), Schultheißen (sculdassi), Notare und Schöffen (scabini), oft im 10. Jahrhundert schriftkundig, und entsendet gleichzeitig einen Teil seiner Verwandtschaft in die hohen geistlichen und monastischen Positionen wie die Domkapitel und Abtsstellen, bildet zudem als Vasallen das militärische Gefolge von Königen/Kaisern bei Italienzügen und von Bischöfen bei kriegerischen Aktionen. 

 

Während der Adel nördlich der Alpen sein Zentrum zunehmend auf dem Lande sieht, ist und bleibt eine norditalienische Besonderheit in der Nordhälfte Italiens die Stadtsässigkeit vieler Großer, die ein Stadthaus in der Bischofsstadt und zumindest ein befestigtes Gebäude auf dem Lande haben, wohin sie sich in städtischen Konflikten zurückziehen können. Nur ein Teil sieht seinen Lebensmittelpunkt vorwiegend auf dem Land und wird erst im 12./13. Jahrhundert voll in städtischen Machtstrukturen einbezogen. Deshalb ist und bleibt der Adel wesentlicher Motor der Entwicklungen in den Städten, die darum einen weniger "bürgerlichen" Charakter annehmen als später im Norden.

Das führt zu folgendem: "Gerade in der Oberschicht ist die städtische Gesellschaft so nicht nur in Familiengruppen gegliedert, die, gestützt auf ein bewaffnetes Hausgefolge und ihren Rückhalt in einzelnen Stadtteilen, Einfluss auf die städtische Politik ausüben. Sondern es bestehen in dieser Oberschicht auch vertikale Gruppierungen, die durch Vasallenbindungen und Lehnsabhängigkeiten bestimmt sind." (KellerOberitalien, S.380)

Neben der Trennung der Menschen in der Stadt in Kleriker und Laien gibt es dort auch die in milites und plebs oder populus, deren oberste Ränge von den negotiatores eingenommen werden, denen ohne Muße (otium), wörtlich genommen, den Kaufleuten vor allem. Der edelfreie Krieger bildet dabei die städtische Oberschicht. Alle zusammen werden gelegentlich als cives bezeichnet, die Bewohner der civitas.

 

Mit der Bevölkerungsvermehrung, zugleich steigender Produktivität auf dem Lande, zunehmender Geldwirtschaft und städtischer Produktion entwickelt der alte Adel seit dem späteren 9.Jahrhundert zunehmend das Vermögen, selbst Land gegen Dienste zu verleihen. Die milites als vassi spalten sich so auf in große und kleine vavassores, wobei erstere sich dann später als capitanei definieren.

Dort, wo die gräfliche Amtsgewalt schwindet, übernehmen diese alten nobiles-Familien als miles dann öffentliche Funktionen wie Gerichtsbarkeit, mit Immunität verbunden, die sie später auf dem Lande zu Bannherren machen und in der Stadt zum beratenden und kriegerischen Gefolge in der Lehnskurie der Bischöfe oder zu Königsboten im bischöflichen Gericht. Neben vom König und vom Bischof oder Abt verliehenen Kastellen erbauen sie spätestens in der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts eigene, manchmal, indem sie eigene curtes einfach nur befestigen.

Die spätere Abtrennung der Stadt vom Land im Norden und die Trennung in ländlichen Adel und städtisches Bürgertum findet hier so nicht statt. Als im 11. Jahrhundert die kommunale Bewegung einsetzt und auch wohlhabende Leute unterhalb des Adels in Ämter kommen, entwickelt sich eine etwas andere Vorstellung von Stadtbürgertum als im Norden.

 

Entstammen die großen noblen Grundherren der alten fränkischen Herrenschicht, so stammen ihre Vasallen, ihr militärisches Gefolge, wiederum vor allem aus der Gruppe jener wehrfähigen karolingischen freien Bauern, die mittels der Vasallität dem Abstieg in zunehmende Unfreiheit entkommt. Ausgestattet sind bzw. werden diese kleinen Untervasallen zunächst mit Bauerngütern mit Haus und Wingert von einem Wert von 30-50 solidi, die den Lebensunterhalt sichern und zunächst von ihnen selbst bewirtschaftet werden.

 

Daneben begeben sich einzelne nichtadelige Geschäftsleute und Rechtskundige in die Vasallität großer Herren und werden so zu Vavassoren. Andere Städter begeben sich in eine Art "klientelartiger Abhängigkeit" zum alten Adel (KellerOberitalien, S.366). Schließlich beginnen die ersten vavassores minores selbst eine Art Kleinstvasallen heranzuziehen, denen allerdings die vollwertige Integration in die militia nicht mehr gelingt. Unterhalb der grundherrlichen Oberschicht ist also seit dem späten neunten und zunehmend dann im zehnten Jahrhundert eine Mobilität im Gange, die am Ende Unsicherheit verursacht, die zu Konflikten führt und auch die Stadt ergreift. Friedensbewegung, religiöse Reformbewegungen und kommunale Bewegung verbinden sich nach und nach damit und führen dann zur Entwicklung ständischer Vorstellungen und lehnsrechtlicher Lösungen wie auch zur städtischen Gemeindebildung.

 

"Soziale" Mobilität: In seinen Praeloquia schreibt Bischof Rather von Verona um 940 modellartig: Ponamus namque ante oculos quemlibet praefecti filium, cuius avus iudex, abavus tribunus, vel scoldascio, ataavus cognascatur miles fuisse: quis illius militis pater? ariolatur, an pictor; aliptes, an auceps; cetarius, an fingulus; sartor, an fartor; mulio, an sagmio fuerit; postremo eques, an agricola; servus, an liber? (I,23)

Von hinten nach vorne gelesen, ergibt sich eine Stufenleiter sozialen Aufstiegs zum Grafen (preafectus), die für eine ferne Vergangenheit fragt, ob am Anfang ein berittener Krieger stand oder ein einfacher Bauer, ein Freier oder gar ein mehr oder weniger Unfreier. Die nächste Stufe jedenfalls sind spezifische Dienste in der curtis eines Herren, wie der des Mediziners, des Falkners oder des Schneiders. Von dort aus wird man bei ihm miles mit den Aufstiegssprossen Schultheiß (scoldascio), Tribun, Richter (iudex) und dann eben Graf. Bei ihm genügen für diese Karriere noch nur fünf Generationen. Im weiteren Verlauf wird allerdings das Grafenhand in Familien erblich.

Diese Karriereleiter vom miles aufwärts beschreibt nun Adel,der allerdings, wie man erkennen kann, keine Vorstellung eines Geblütsadels beinhaltet.

Dort, wo dann Grundbesitz und Kastelle durch Lehen des Königs und des Bischofs ergänzt sind und mit Ämtern des Richters und des Schöffen, Funktionen des Notars (und dazugehörige Schriftlichkeit) verbunden werden, kann von jenem Hochadel geredet werden, der sich langsam von den einfachen Valvassoren als Capitane abhebt. Ämter, Besitzungen , erblich werdende Lehen und Kastelle machen sie nun aus, die Summe aus Grundherrschaften und darüber hinausgehende öffentliche Funktionen.

Während diese herrschaftlich-adelige Gruppe sich nach unten abschließt, kann man im 10. Jahrhundert noch weiter vom einfachen Freien zum niederen Valvassoren aufsteigen.

 

Italienische Städte im 10. Jahrhundert

 

Eine bedeutend Stadt wie Mailand konzentriert im ummauerten Bereich Besiedlung um die Kathedrale, den Bischofspalast, die Herzogsburg und die Münze, während der kaiserliche Palast (Pfalz) außerhalb der Mauern beim wichtigen Kloster Sant'Ambrogio angesiedelt ist und an Bedeutung verliert. Der Bischofspalast mit mehreren Stockwerken, „vielen, zum Teil beheizbaren Sälen und einer Badestube“ (Pitz, S.154) und mit seinem Park ist das vielleicht monumentalste Gebäude. Zwei Märkte  bieten täglich ihre Produkte an. Der auf dem Forum besitzt 952 bereits feste Buden, die vorwiegend vom Kloster San Ambrogio verpachtet werden. Mit der Bedeutung und engen Bebauung dieses Zentrums werden dort die Hauspreise teuer und eine lohnende Kapitalanlage. Aber die unbebauten Räume innerhalb der Mauern sind auch im 10. Jahrhundert noch groß. Es ist Platz für zunehmende Prestigebauten einer kleinen reichen Oberschicht, vor allem von immer noch kleinen Kirchen. Und so haben Städte wie Pavia oder Lucca um 900 rund fünfzig Kirchengebäude in der Stadt.

 

Vor den kleinen ummauerten Städten entstehen auch in Italien immer mehr Vorstädte (borgi). „Die Wohnhäuser waren meist kleine, ebenerdige Buden aus Holz mit Dächern aus Schindeln oder Stroh, doch gab es auch Häuser mit einem oder gar zwei Obergeschossen und Häuser aus Ziegelstein und mit Ziegeldach.“ (Pitz, S.154)

 

904 überträgt Berengar I. für Bergamo die Pflicht zum Mauerbau an Bischof und Bürger: Wir befehlen, dass wegen der drohenden Not infolge des Einfalls der Ungarn die Stadt Bergamo wiederhergestellt wird, wo immer es der Bischof und die Bürger für erforderlich halten. Die Türme, die Mauern und die Tore der Stadt, die durch den Einsatz und die Fürsorge des Bischofs, der Bürger und der Flüchtlinge entstehen werden, sollen für immer der Herrschaft des Bischofs und seiner Nachfolger anvertraut bleiben und für ihre Verteidigung zur Verfügung stehen. (In Staufer und Italien, S.212) Herr der Stadt ist hier der Bischof, aber er ist auf die Arbeit, das Geld und die Beratung der Bürger angewiesen.

 

Eine der vielleicht heute am besten erhaltenen Neugründungen des 10. Jahrhunderts beginnt mit dem Bau einer Turmburg durch den Bischof von Volterra, vor der eine Marktsiedelung entsteht und eine Pfarrkirche, die San Gimignano geweiht ist, die der kleinen Stadt ihren Namen gibt. Zwischen Burg und Markt führt eine Brücke über einen Graben. Ende des Jahrhunderts wird diese Siedlung von einer langen Mauer umfasst. Eine Fernstraße führte über zwei Tore durch die Stadt.

 

****Venedig****

 

Wir wissen heute sehr wenig vom Venedig des 10. Jahrhunderts. Nominell immer noch Teil des oströmischen Reiches, ist es vorläufig wesentlich dorthin orientiert.

Während es im 10. Jahrhundert zu einer Handelsmacht zwischen dem lateinischen und griechischen Abendland aufsteigt, finden Versuche statt, das Amt des Dux in eine Art Erbmonarchie zu verwandeln, was nach gewaltätigen Auseinandersetzungen aber am Ende immer wieder scheitert. An den ursprünglichen Charakter des byzantinischen Amtes erinnert die Tatsache, dass der Dux in einer Burg residiert, die allerdings 976 abbrennt und dann durch ein palastartiges Gebäude ersetzt wird, welches bis ins 15. Jahrhundert immer wieder umgebaut und neu dekoriert werden wird.

 

Bis zu seinem Tod versucht Kaiser Otto II., Venedig unter imperiale Kontrolle zu bekommen. Anfang 981 ordnet er eine erste Handelsblockade an, die Venedig allerdings noch kaum beeinträchtigt. Eine zweite im Juli 983 fügt der Stadt dann erhebliche Schäden zu.

 

In mehreren Kriegen bringt Venedig die bedeutende Handelsstadt Comacchio unter seine Kontrolle und damit den Po von seiner Mündung her, durch die nun wohl fast nur noch venezianische Schiffe passieren dürfen. Schiffe aus Amalfi/Ravello können sich nicht mehr weiter nördlich als bis Ravenna bewegen.

 

Eine Art Volksaufstand, der zum Tod des Dogen Pietro IV. Candiano führt, fackelt auch den Dogenpalast und die Markuskirche ab, was zu einem Neubau nach dem Vorbild der Apostelkirche von Konstantinopel führt.

 

Gegen Ende des 10. Jahrhunderts erobert das Königreich Kroatien die gesamte dalmatinische Küste, von wo aus Piraten in nunmehr bedrohlicher Weise die venezianische Schiffahrt bedrohen. Piero II. Orseolo (Petrus/Pietro), selbst Sohn eines Dogen und mit der Tochter eines Dogen verheiratet, wird 991 Doge. Seit 992 (Goldene Bulle von Basilios II.) gibt es zunehmende Zollbefreiungen und andere Privilegien für venezianische Kaufleute im Reich von Byzanz. In den nächsten Jahrzehnten entstehen venezianische Niederlassungen in allen wichtigen Handelsstädten, besonders an den Küsten. Als Otto III. 996 nach Italien kommt, kommt es zur Freundschaft mit dem Dogen, der dafür erhebliche Privilegien für den Bereich des Kaiserreiches erhält.

 

Er setzt durch, dass nunmehr keine Zahlungen mehr an die Kroaten gezahlt werden sollen. 1000 kann eine venezianische Flotte mit neuartigen Galeeren unter Piero II. Orseolo darauf nach Grado und Pola die dalmatinische Küste von Spalato (Split) über Ragusa (Dubrovnik) bis Zara erobern, wo in der Folge venezianische Kolonial-Städte entstehen werden. Der Doge wird zum dux dalmaticae ausgerufen und Istrien liefert nun Getreide und Wein sowie Holz für den Schiffsbau. Allerdings ist die Macht Venedigs über die östliche Adriaküste immer nur auf einzelne Punkte beschränkt und wenig dauerhaft solide. Der reale Machtbereich von Byzanz endet aber nun mit Korfu am Eingang zur Adria.

 

Derselbe Doge beginnt dann auch mit einem Neubau von San Marco, der allerdings erst 1075 geweiht wird.

 

Schon als italienische Konkurrenten sich noch blutige Seegefechte mit muslimischen Flotten liefern, knüpfen Venezianer immer intensivere Handelsbeziehungen mit dem vorderen Orient an, mit Ägypten und Syrien. Dalmatinische (christliche) Sklavinnen und andere Sklaven werden genauso dorthin verkauft wie Holz und Eisen für die Waffenproduktion. Auch Papst und Kaiser können nicht verhindern, dass sie den Feind der Christenheit beliefern, das Kapitalinteresse übertrifft längst alle christlichen Normen. (Pirenne, S. 20f) Zurück kommen Gewürze und feine Textilien.

Das alles macht verständlich, dass Venedig zunächst an den Kreuzzügen weniger interessiert ist als Pisa und Genua.

 

Die eine Seite des venezianischen Handels ist der Orient, die andere der Norden und der italienische Westen. An den Pflichtgeschenken an den königlichen Kämmerer zu Pavia lässt sich (in den 'Honorantiae' ablesen, welche Luxuswaren "Ein Pfund Pfeffer, Zimt, die aromatische Galanga-Wurzel, Ingwer; ein Kamm aus Elfenbein, ein Spiegel, und Schmink-Utensilien für seine Frau." (Wickham, S.90)

 

***Amalfi und der Süden***

 

Südlich der Toskana und jenseits des islamischen Machtbereichs leben viele Binnen-„Städte“ von der Landwirtschaft und entwickeln so wenig wie die in Byzanz (Griechenland) ein diese tragendes neuartiges Bürgertum. Das ändert sich in Süditalien erst mit dem Aufstieg eines spezifischen Städtewesens unter der Herrschaft der Normannen.

Ein Sonderfall ist Rom, Papststadt, zudem eine Stadt des Adels und des Klerus. Einerseits drängen Päpste auf Abwehrkampf gegen den immer noch vordrängenden Islam, andererseits sind sie samt der römischen Oberschicht durchaus auch erpicht auf islamische Luxuswaren.

Nicht zuletzt ist Rom aber auch eine Stadt der Pilger, die einen zunehmenden Anteil zum Einkommen der Menschen beitragen.

 

In Byzanz wird die antik-römische Tradition von Städten ohne bürgerliche Mittelschicht fortgeführt. Handel und Städte hatten in Ostrom besser überlebt. Die Millionen-Stadt Byzanz ist alleine schon auf Lebensmittel-Einfuhren angewiesen. Von dort wiederum werden Gewürze, feine Tuche und andere Luxusgüter ausgeführt. Der Handel mit den byzantinischen Enklaven in Italien, unter anderem Neapel, Gaeta, Amalfi, Salerno, Bari und Venedig wird auch in schweren Zeiten aufrechterhalten, wenn auch die „politischen“ Bindungen schwächer wurden.

Wie erkennbar, ist der byzantinische Einfluss auf Küstenzonen beschränkt, Byzanz ist noch Seemacht, während die Langobarden das Binnenland beherrschen und Sizilien unter islamischer Herrschaft steht. Immerhin gelingt es Byzanz, die "Araber" 871 aus Bari und 879 aus Tarent zu vertreiben, und 883 schaffen sie es, weitere Teile Apuliens und nun auch Kalabriens in ihre Gewalt zu bringen. Islamische Machthaber werden aber im 10. Jahrhundert wieder in Süditalien vordringen können. 982 unterliegt ihnen Kaiser Otto II. bei Crotone.

 

Ein Gewerbezweig, nämlich die Produktion von Seidenstoffen, verbreitet sich schon im 9. Jahrhundert von Byzanz nach dem byzantinischen Kalabrien und von dort nach Salerno. Dort gibt es seit etwa 870 eine Niederlassung toskanischer Kaufleute, über die wohl irgendwann im 10. Jahrhundert Seidenproduktion nach Lucca gelangt.

 

Alles in allem lässt sich wohl sagen, dass Kapitalismus seine frühesten Wurzeln neben Gaeta, Amalfi und Salerno in jenen byzantinischen Enklaven Italiens hat, wo der (ost)kaiserliche Einfluss abnimmt, aber noch vorhanden ist. Dabei ist der Süden Italiens bis ins 11. Jahrhundert hinein dem Norden - ob nun unter byzantinischer, langobardischer oder muslimischer Herrschaft - an Wohlstand und wirtschaftlicher Entwicklung weit überlegen. Das Testament des Ypatius (Konsuls) von Gaeta, Docibilius I., von 906 dokumentiert ähnliche Reichtümer wie das etwa zeitgleiche des Partecipazio in Venedig: Ländereien, Vieh, Geld in Gold- und Silbermünzen, Seidenstoffe, Juwelen und mehr (Wickham, S.150).

 

Auch das kleine Amalfi gehört zunächst zum Herrschaftsbereich von Byzanz und hier gehen Macht und Kapital bereits früh zusammen. Ursprung ist ein byzantinisches castrum, welches dem griechischen Dukat Neapel untersteht. Schon 596 wird durch einen Brief Papst Gregors ("des Großen") der Ort als Bistum bezeichnet, als civitas also. Bis ins 8. Jahrhundert regieren hier Bischöfe.

 

810 besiegt eine in Amalfi gebaute Flotte von zwanzig Dromonen eine muslimische Flotte. Ein Militär"adel" wird zugleich Grundbesitzer und Händler. 839 macht er sich mit der Wahl eines comes durch den Adel von Amalfi und Atrani von Neapel unabhängig. Diese findet in einer kleinen Kirche in Atrani statt, wo sich auch die Honoratioren versammeln. Der erste Comes ist offenbar Sohn des Vorstehers einer amalfitanischen Niederlassung in Antiochia (Morrissey, S.61). Bald wird er einem bzw. zwei Präfekten unterstellt.

 

Die kleine Stadt ist Vorort eines Raumes kleiner Städtchen am Gebirgshang direkt nördlich von Salerno, am engsten verbunden mit Atrani direkt nebenan. Der ganze Raum ist zunächst als Republik und dann als "Herzogtum" (Dukat wie Venedig) miteinander verbunden und wird von außen als Einheit betrachtet, während die Orte untereinander gelegentlich deutlich uneins sind.

 

Amalfi schafft sich kein Territorium, welches grundherrschaftliche Züge in die städtischen Machtstrukturen eingebracht hätte.Im Zuge allgemeiner "Vergetreidung" der Landwirtschaft fehlt es hier am Gebirgshang an Anbauflächen für Getreide. Stark von Kirchen, Klöstern und weltlichen Herren kontrolliertes Land wird an Pachtbauern vergeben, die wohl wenigstens zum Teil auch Eigentum besitzen.

Die Stadt am Hang eines Gebirges, welches auf über tausend Meter ansteigt, hat kein agrarisches Hinterland und entwickelt kaum Exportgewerbe. Zu bieten hat sie vor allem das Holz der Berghänge und reiche Kastanienwälder, deren Früchte exportiert werden. Dringend von außen benötigt die Region Getreide, aus dem hier relativ früh neben Brot Pasta hergestellt wird, dafür gibt es reichlich Wasserkraft für Getreidemühlen. Zudem braucht (Groß)Amalfi Salz, welches aus der Ferne kommen muss. Das Salz ist auch für einen weiteren Gewerbezweig vonnöten, die Fischerei.

Die Stadt muss also das meiste einkaufen, auch das meiste von dem, was sie dann verkaufen möchte. Zudem ist der Hafen klein, und so tut sie dies überwiegend von anderen Hafen wie Salerno und bald auch Neapel aus. Derart angewiesen auf Handel, verzichtet sie offenbar auf kriegerische Aktionen und wird entsprechend auch nicht von muslimischen Flotten angegriffen.

 

Ähnlich wie in Venedig werden Handelsfahrten als commenda organisiert, in der ein Gesellschafter das Kapital gibt und einer mit dem Schiff die Reise unternimmt. Vielleicht schon Ende des 10. Jahrhunderts entwickelt sich darüber hinaus die colonna, in der Schiff und Ladung in 24 Teile geteilt werden, wodurch der Kapitaleinsatz des Einzelnen sich erheblich verringert und viel mehr Menschen so am Handel teilnehmen können.

Ähnlich breit gestreut und damit verbunden ist der Kapitaleinsatz in die zahlreichen Mühlen, die dem Mahlen von importiertem Getreide für den Export in die Nähe dienen. Mühlen oder Mühlenanteile werden von Gesellschaften meist für kurze Zeit gepachtet, manchmal nur für einen Monat. Dabei ist der Anteil weiblicher Gesellschafter auffällig hoch.

Überhaupt tauchen in Amalfi im Unterschied zu Norditalien überdurchschnittlich viele Frauen als Unternehmerinnen auf, die auch über erheblichen Besitz und Kapital verfügen können. Vielleicht auch deshalb rekurrieren Amalfitaner gerne auf langobardisches, also germanisches Recht, wiewohl sie in der Zone byzantinischen, also römischen Rechtes liegen. 

 

Einerseits stark nach Salerno und seinem größeren Hafen orientiert, gerät die Republik Amalfi doch immer wieder in Konflikte mit der langobardischen Herzogsresidenz und gelegentlich auch auf der anderen Seite mit Neapel. Seit dem Ende des 8. Jahrhunderts gerät die Republik dann immer mehr in die Hände einer Dynastie. 954 regiert mit Mastalo II. offiziell ein Dux mit Richtern und Beamten. Er hat weitgehende Befugnisse, zu denen auch die Münzprägung gehört. Dazu gibt es eine ausgeprägte Finanzverwaltung und recht viel Schriftlichkeit.

 

Im Fernhandel geht Amalfi wohl Venedig um einiges voraus.Wichtiges Handelsgut von Kaufleuten beider Städte sind auch Sklaven, die in den Orient exportiert werden, wo die Männer als Militärsklaven oder Eunuchen verwendet werden (meist schon im Christenland kastriert), und die Mädchen im Harem und anderweitig im Haushalt Verwendung finden.

Mindestens so wichtig ist das Holz, welches in der Levante und auf Sizilien mit der Abholzung der Wälder Mangelware geworden ist und in Nordafrika ohnehin fehlt. Islamische Herrscher und Händler brauchen es dringend für den Schiffsbau.

 

Im 10. Jahrhundert ist diese Kleinstadt der Händler ökonomisch eine Macht. Nach der Machtergreifung der Fatimiden in Tunesien 909 fahren amalfitanische Schiffe immer häufiger Kairouan, Tunis und Mahdia an.

942 gelangen sie mit vielen Waren in einer größeren Gruppe vielleicht als erste christliche nichtspanische Kaufleute bis nach Córdoba, wo sie ihre Satinstoffe und ihren kostbaren Purpur erst dem Kalifen zum Auswählen vorlegen müssen, bevor sie den Rest auf den Markt der reichen Oberschicht bringen können.

 

Die Stadt hat Niederlassungen von Gaeta bis Salerno, auf Sizilien einmal in Palermo, woher es Getreide bezieht und wohin es Luxuswaren aus Süditalien, Byzanz und der Levante liefert, zum anderen in Messina, wichtigste Handelsstadt Siziliens, wo sie einen funduq verfügen, die ruga amalphitanorum. Die Dimensionen werden vielleicht daran deutlich, dass das kleine Amalfi mit Palermo auf eine Stadt von vielleicht 100 000 Einwohnern trifft.

 

Möglicherweise im Bündnis mit Amalfi nehmen die Fatimiden ab 969 Ägypten ein. In Kairo (Fustat), welches die Quellen oft als "Babylon" bezeichnen, soll die amalfitanische Niederlassung, die neben dem Stadtteil der Juden liegt, 996, wie es heißt, 160 Mitglieder umfasst haben. (Mitterauer, S.133) Hier wie in Alexandria und anderswo verwalten die Amaliftaner ihren fondaco selbst. Die Fatimiden erlauben zudem Amalfi, zu Hause den Tari zu prägen, eine Legierung aus Kupfer, Silber und Gold, und der verbreitet sich über ganz Süditalien. Für kleineren Warentausch gibt es einen solidus amalphitanus (Morissey, S.107).

 

Das Jahr 996 taucht für Kairo/Babylon deshalb in arabischen Quellen auf, weil es zu einem Brand im Hafen kommt, der den Amalfitanern zur Last gelegt wird. Eine christliche Quelle berichtet: Das Volk verdächtigt die Rúm Malafita -  Kaufleute, die sich dort mit ihren Waren befinden - das Feuer gelegt zu haben. Die Leute und eine aus Maghrebinern bestehende Truppe griffen an und töteten hundertsechzig, und nachher verwüsteten sie die Häuser in Manak, einem Viertel des Alten Kairo (...) und bemächtigten sich deren Reichtümer. (in: Morissey, S.113) Ihnen sollein Schaden von 90 000 Dinar entstanden sein, "was rund 400kg gemünztem Gold entspricht." (Gilomen, S. 85) Der Kalif entschädigt sie dann.

 

Bald gibt es auch Handelsposten in Mahdia und Tunis. Für ihre Waren erhalten die Händler dort Gold, welches aus dem alten Mali über Timbuktu nach Nordafrika gelangt. Wichtige Produkte, welche sie zurückbringen, sind Honig, Wachs, Olivenöl und Wolle.

Auf der anderen Seite hat Amalfi laut Liutprand von Cremona bereits 944 ein eigenes Handelsquartier in Konstantinopel noch vor dem der Venezianer. 969 beschreibt Liutprand auch das Vielvölkerheer des Nikephoros Phokas: Doch wie auch immer sein Heer wahrscheinlich aussah - wer alle anderen überragt, sind Venezianer und Amalfitaner. (Relatio de legatione Constantinopel)

 

Neben Wolltuchen interessiert der Handel für syrische Baumwolle, für Rohrzucker und Rohseide aus islamischen Reichen.

Um 977 schreibt Ibn Hauqal: Das Territorium Kalabriens grenzt an jenes der Langobarden, mit der Hauptstadt Salerno. Dann gibt es Amalfi, die reichste Stadt im Langobardenreich, die edelste, die glanzvollste aufgrund ihrer Voraussetzungen (...) und die opulenteste. Amalfis Territorium grenzt an Neapel. Das ist eine feine Stadt, aber weniger wichtig als Amalfi. Der Wohlstand Neapels kommt hauptsächlich von Leinen und Tuch. (so in: Morrissey, S.40) Der Bericht zeugt wohl von Hörensagen, gehört doch Amalfi wie Neapel zum byzantinischen Einflussbereich, aus dem es sich löst, und war nie langobardisch.

 

In der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts erheben die Päpste Neapel, Amalfi und Salerno (983) zu Erzbistümern (neben Capua und Benevent). Damit sollen sie dem römisch-katholischen Einflussbereich einverleibt und dem byzantinischen entzogen werden.

In dieser Zeit entsteht der Erweiterungsbau der amalfitanischen Kathedrale, die am Ende dann sechs Schiffe umfassen wird. Eins davon geht im 13. Jahrhundert durch den Chiostro-Anbau wieder verloren. Mehrere Generationen vor Pisa zeigt ein aufsteigendes Großbürgertum zusammen mit adeligen Kapitaleignern, dass es Verantwortung für den Zentralbau der Gemeinde übernimmt.

 

 

Das Hinterland süditalienischer Städte ist dort, wo es Tiefebenen wie insbesondere Apulien gibt, änhlich stark fragmentiert wie in Norditalien. In den gebirgigen Regionen mit ihrer Viehzucht hingegen haben sich insbesondere mächtige Klöster riesige geschlossene Territorien angeeignet. Das Land wird von kleinen Pächtern bewirtschaftet, die immer weniger, soweit überhaupt, Dienste leisten müssen und im wesentlichen Pachten zahlen.

 

***Rom***

 

Rom kontrolliert mit dem territorium Sancti Petri als Erbe des byzantinischen Dukats ein riesiges Gebiet von Orvieto bis Terracina. Dieses ist in einem breiten Gürtel um die Stadt sehr dünn besiedelt und das weiter entfernte Gebiet besitzt mit Tivoli nur eine bedeutende Stadt und daneben kleinere Bischofsstädte.

In einem breiten Gürtel von 20-30 Kilometern zieht sich der später so genannte Agro Romano um Rom. Das Land ist praktisch vollständig in der Hand römischer Kirchen und Klöster, die es vorläufig an eine sich aristokratisch gebende städtische Oberschicht verpachten, die es wiederum an Produzenten unterverpachten, Freie Bauern in Eigentum gibt es wohl kaum welche. Direkt um die Stadt sind Weinberge angesiedelt, dahinter erstecken sich dann in offener Landschaft Getreidefelder, hauptsächlich Weizen.

 

Um dieses fast menschenleere Land zieht sich ein mehrfach größerer Gürtel, der stärker besiedelt ist und im 10. Jahrhundert durch Mauern befestigte Dörfer und kleinere Städte enthält und dazu zunehmend herrschaftlich geprägte Burgen. Die Gliederung in solche Burgen erfolgt im wesentlichen zwischen 930 und der Mitte des 11. Jahrhunderts und erfolgt auf von römischen Kirchen und Klöstern gepachtetem Land.

 

Abgetrennt von der eigentlichen Stadt ist die Leo-Vorstadt mit St. Peter, wo auch der Kaiser seine Pfalz hat und wo die Pilger hingelotst werden. Die Kaiser, an Verbindung zum Papst interessiert,und der Papst an dessen Schutz, sind soweit abgetrennt vom eigentlichen Stadtgeschehen.

 

Die Herren der Stadt, die einzigen, über die wir überhaupt Auskünfte haben, sind neben dem Papst jene Familien, die die obersten Richter stellen, den Stadtpräfekten, die hohen Priester der mächtigeren Kirchen. Sie bilden das Umfeld der Päpste und jener Familie, die als mächtigste die Zügel in der Stadt meist in der Hand hält. Diese kleine mächtige Gruppe mit großem langfristig gepachtetem Agrarland gibt sich an Titulierungen zu erkennen wie dem des consul et dux. (Wickham(2), S.182) Sie besetzen die hohen weltlichen Ämter in der päpstlichen Hierarchie und zudem das des Stadtpräfekten, der mit Kriminaljustiz und überhaupt der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung machtvolle Funktionen hat.

 

Wesentliches innerstädtisches Machtinstrument ist die Justiz, das, was die Mächtigen als die Herstellung von Frieden und Gerechtigkeit bezeichnen, also die Aufrechterhaltung der von ihnen bestimmten Ordnung. Spätestens mit den Franken war die Vorstellung in dem von ihnen beeinflussten Teil Italiens eingezogen, dass Justiz Sache einer öffentlichen Versammlung sei, inzwischen die einer solchen prominenter Stadtbewohner.

In Rom ist der Herr eines solchen placitum der Stadtherr oder sein Vertreter, meist der Stadtpräfekt. Befasst sind außerdem die Pfalzrichter, dazu kommen dativi iudices, dazu Vertreter der nobiles, wie sie später heißen werden. Überliefert sind nur Fälle, in denen Besitz oder Verfügung über Land verhandelt werden und an denen die Kirche beteiligt ist. Sie finden im Haus des Vorsitzenden statt oder im Lateran oder in St. Peter.

 

Nach dem Sieg über die Sarazenen am Garigliano 915 wird das Leben unter Papst Sergius III. hier sicherer. In Rom und um Rom herum gehört die Masse des Landes weiter der Kirche bzw. den Kirchen. Schon 906 wird Theophilakt von Tusculum als glorisossimus dux, magister militum und vestatarius bezeichnet, und vermutlich ist er der wesentliche Papstmacher von da an. Offenbar wird er auch mal als Konsul, mal als Senator benannt. Er hält die Zügel der Macht in der Stadt in der Hand, dabei von Anfang an mit dem Markgrafen Alberich von Spoleto verbündet, dem maßgeblicher Einfluss auf die Ernennung von Papst Sergius zugeschrieben wird. Einfluss nimmt auch Theophilakts Frau Theodora, schon mal als senatrix bezeichnet.

915 gelingt dem Theophilakt ein breites Bündnis zur erfolgreichen Sarazenenabwehr.

Marozia (Maria), Tochter des Grafen von Tusculum, dieses mächtigen Amtsträgers des Lateran, die um 907 ein "Verhältnis" mit Papst Sergius gehabt haben soll, aus dem der spätere Papst Johannes XI. hervorgegangen sein könnte, heiratet entweder oder lebt im Konkubinat mit dem Dux Alberich von Spoleto, woraus mehrere Kinder, darunter ein Alberich, hervorgehen.

 

Nach dem Tod der Eltern Marozias und ihres Mannes wendet sich 914 Papst Johannes X. gegen die Macht dieses Hochadels. Er verbündet sich dafür mit Hugo von der Provence, dem er den Kaisertitel, Macht in der Sabina und Spoleto verspricht. 926 heiratet sie den Markgrafen Guido/Wido von Tuscien. Bis 927 gelingt es beiden, Hugo von Rom fernzuhalten, den Markgrafen von Spoleto niederzuringen und Papst Johannes im Kerker sterben zu lassen.

Mit dem Titel senatrix Romanorum herrscht Marozia nun alleine in der Stadt. 931 macht sie ihren eigenen Sohn zum Papst Johannes XI. Nach dem Tod Guido/Widos bietet sie ihrem alten Feind Hugo die Ehe an, was Sohn Alberich als Gefährdung seines Erbes begreift. Ende 932 rebelliert er und sperrt die Mutter, Guido und Halbbruder Johannes in der Engelsburg ein.

 

Von 932 bis 54 herrscht Alberich als 'Senator aller Römer' und bald auch als 'Fürst', princeps atque omnium Romanorum senator. Er hält die drei Päpste in der Zeit seiner Machtausübung in Abhängigkeit von sich ebenso wie die wichtigsten Klöster. 951 verhindert er, dass König Otto I. zur Kaiserkrönung nach Rom gerufen wird. 954 verpflichtet er den römischen Adel darauf, seinen Sohn Octavian zum Princeps und nächsten Papst zu machen, den bei der Wahl 956 höchstens achtzehnjährige Johannes XII., der bis 964 amtiert. Totam vitam suam in adulterio et vanitate duxit, heißt es im Liber Pontificalis. 961/62 fühlt er sich von Berengar von Ivrea bedroht und ruft Otto I. zur Hilfe. Es folgt die Kaiserkrönung mit ihren Folgen.

 

Als sich der Papst mit Berengars Sohn Adalbert verbündet, zieht Otto 963 wieder nach Rom. Johannes wird in einer Art Schauprozess aller möglicher Verbrechen angeklagt und verurteilt. Nach Ottos Abzug kehrt der geflohene Papst zurück und bestraft Anhänger Ottos brutal. Der kaiserliche Papst Leo wird abgesetzt. 964 wählen die Anhänger des Johannes nach seinem Tod Benedikt V. zum Papst. Diesen setzt Otto nach seiner Rückkehr ab und Leo wieder ein - der aber schon 965 stirbt. Mit den Interventionen aus deutschen Landen hebt eine neue Phase der Instabilität für die Stadt an: "Not one of the eleven popes across these years lived out their reign without being either deposed or at least temporarily exiled." (Wickham(2), S.25)

 

In all dieser Zeit bleibt aber der Einfluss einer reichen und mächtigen Oberschicht weithin bestehen, die oft consules et duces heißen (Wickham(2), S.24). Darüber hinaus bleibt die Bedeutung der sieben Palast-Richter bestehen und es kommt zur Wiedereinführung des Amtes des Stadtpräfekten. Mit ihren über Generationen als Emphyteuse geschlossenen Pachtverträgen nimmt die Macht dieser Führungsgruppe eher noch zu. Auf solchen Verträgen beruht auch die Macht der Alberich-Familie. Tatsächlich ist diese Zeit wohl eine der stabileren in der Geschichte der Stadt.

 

Wenig ist von der wirtschaftlichen Entwicklung der Zeit überliefert. Eine kleine sich aristokratisch gebende Laiengruppe beliefert den Markt mit Lebensmitteln aus ihrem Pachtland, das den Päpsten, Kirchen und Klöstern gehört. Das Handwerk versorgt wohl vor allem die Stadt und das Umland. "Um 950 investiert ein römischer Aristokrat in die Entwicklung eines Blocks von Stadtbehausungen, wobei er ein bislang offenes Gelände mit zerkleinerten Steinen pflastert und dazwischen mit Flusskiedeln belegte Straßen anlegt. Dort lässt er Häuser bauen und Erde für Gärten anliefern." (Wickham(2), S.154) Alles spricht dafür, dass er dort Mieten kassieren möchte.

 

In der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts nimmt im weiteren Umland die Dorfbildung durch incastellamento zu. 966 verpachtet der Abt von Subiaco zum Beispiel ein Landgut an zwei Adelige, in welchem ein Platz ist, in dem auf eigene Kosten ein Kastell gebaut werden soll, welches mit einer Tuffmauer zu umschließen ist, und wo Menschen versammelt werden sollen.  Das Kloster San Vicenzo verpachtet ein großes Gebiet an eine Gruppe von knapp zwanzig Familien: sie müssen wo sie wollen innerhalb dieses Gebietes ein Kastell und darin Häuser, Höfe und Gärten bauen und dort leben. (alles in: Wickham, S.164f). Der Erfolg solcher Besiedlung hängt natürlich an der Steigerung der Bevölkerung, am wirtschaftlichen Wachstum und an der Attraktivität des Ortes.

Diese Fragmentierung in befestigte Orte hat mit dem Schwinden königlicher und überhaupt zentraler öffentlicher Macht zu tun. Die Immunitäten nehmen zu: San Vicenzo erhält von Kaiser Otto I. bereits 962 die volle Gerichtsbarkeit über seine Pächter.

Es wird deutlich, dass militärische Abwehr nicht wie in Norditalien die der Ungarn vor allem die Hauptrolle spielt. Die Sarazenengefahr ist inzwischen im Latium weitgehend, wenn auch noch nicht völlig gebannt.

 

In Rom herrscht bei Abwesenheit des Kaisers weiter die Familie des Alberich (oder später der „Crescentier“), für die 965 Johannes XIII. Papst wird. „Die Schwerpunkte ihres innerstädtischen Besitzes massierten sich an der südliche Via Lata (im Bereich des heutigen Corso), bei der Apostel-Basilika und um die Via Recta. Ein Zweig der Familie beherrschte die Engelsburg und ließ dort ein Kastell errichten. Außerhalb der Stadt erstreckten sich die umfänglichen Liegenschaften der Familie in Latium und der Grafschaft Terracina im Süden. Ein weiterer Familienzweig kontrollierte weite Teile der Sabina mit Palästrina und Cerveteri.“(Goez, S.82)

Gegen so viel Adelsmacht kommen Kaiser nur mit militärischer Gewalt und eigener Präsenz an. Als Gegengewicht setzt Otto III., ohne die Befugnis dafür zu haben, seinen Verwandten Brun ein und macht ihn zum Papst Gregor V. Der krönt Otto dafür 996 zum Kaiser. Kaum ist der wieder im Norden, verjagt Crescentius den Papst und setzt dafür Johannes XVI. ein. Der Kaiser kehrt zurück, lässt Crescentius enthaupten und den Papst verstümmeln. Otto III. herrscht nun stärker von Rom aus, ohne verhindern zu können, dass er am Ende von dort verjagt wird und dann 1002 außerhalb stirbt. Der Sohn des Enthaupteten, Johannes von Crescentius, herrscht darauf unangefochten als patricius urbis.

 

Eine Handvoll mächtige Familien beherrscht immer noch die Stadt und inzwischen Teile von Latium mit ihren Burgen, wo sie ein Stück weit verselbständigte Herrschaft ausüben. In der Stadt herrschen so die Vorläufer der Tuskulanen-Dynastie, darunter vier mächtige Familien (darunter am Ende die sogenannten Crescentier), dann bis zu zehn Familien von illustres,  Pfalzrichtern und comites in Teilen von Latium, und wiederum darunter "larger mass of less prominent but still aristocratic families called nobiles viri and suchlike in texts" (Wickham(2), S.198)

Der Reichtum der kleinen noblen Oberschicht beruht auf wenigstens zehn, zwölf Burgen mit dazugehörigem Land und ebenso vielen unbefestigten Länderein; Gregorio von Tuskulum soll um 980 etwa 100 Quadratkilometer zusammenhängendes Land zur Verfügung gestanden haben. (s.o. S.208)

 

***Genua***

 

Der Ort Genua hat wenig Platz an der Küste und erlangt wenig Bedeutung in der Römerzeit. Es mangelt an landwirtschaftlicher Produktionsfläche in der Umgebung. 537 bis ungefähr 642 gehört die eher kleine Stadt zum Reich von Byzanz und fällt dann in die Hände der Langobarden. Noch unter den Karolingern ist er wenig mehr als ein kleines Fischerdorf.

Von Fraxinetum aus in der Provence führen islamische Plünderungen bis nach Ligurien und in die westliche Poebene. 934/35 wird Genua so wohl vollständig zerstört und entvölkert. Erst 972 wird Fraxinetum mit byzantinischer Flottenhilfe erobert.

Im Unterschied zu Pisa fehlt es Genua an Hinterland und an Erzen. Dafür führt aber der Weg über den Giovi-Pass in die Poebene nicht einmal auf halbe Höhe wie der über den La Cisa-Pass von der Toskana nach Norden.

 

Mitte des 10. Jahrhunderts wird eine Mark Ligurien von der Markgrafschaft Tuscien abgetrennt, aber Genua kann sich schnell davon verselbständigen. Ein königliches Privileg von 958 ist bereits an die fideles et habitatores in civitate Januensi gerichtet, also Adel und Einwohner, nicht an den Markgrafen oder den Bischof. (Mitterauer, S.89) Stadtadel hat die Führung inne. Die Könige Berengar und Adalbert bestätigen die Bräuche und Besitztümer wie Weinberge, Weiden,  Fischrechte und Sklaven (servis et ancillis utriusque sexus).

 

Irgendwie gelingt es Genua in der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts, zu einer nicht mehr unbedeutenden Stadt aufzusteigen, vermutlich nicht zuletzt durch Piraterie und Raubzüge gegen muslimische Schiffe.

 

****Lucca****

 

Lucca gerät früh unter langobardische Herrschaft und wird zum Zentrum eines Herzogtums. Über den La-Cisa-Pass ist es mit der Hauptstadt Pavia verbunden und über den Arno mit dem Hafen von Pisa, nur rund zwanzig Kilometer entfernt. Unter den Franken wird die Stadt Sitz eines Grafen, der in der Regel von nördlich der Alpen entstammt. Im 9. Jahrhundert bis 933 nimmt eine bayrische Familie diesen Platz ein und erringt die Markgrafschaft über das Gebiet der nördlichen heutigen Toskana.  Graf Bonifatius II aus einem bayrischen Adelshaus erobert Korsika und soll der Stadt Bonifacio den Namen gegeben haben. Um 900 erreicht sie den Höhepunkt ihrer Macht. In einem Schreiben der Markgräfin Bertha an den Kalifen von Bagdad von 906 wird eine lange Liste von Geschenken an den orientalischen Groß-Potentaten aufgeführt, die belegt, dass zu Lande und über See Fernhandel betrieben wird und die Stadt wohl auch schon Luxusprodukte herstellt: "50 Schwerter, 50 Schilde, 50 Lanzen fränkischer Art, 20 golddurchwebte Gewänder, 20 slawische Eunuchen, 20 slawische Sklavinnen, >schön und graziös<, (...) ein Zelt aus Seide, 20 besonders exquisit gefärbte Wollgewänder, die nach Tageszeiten die Farben wechseln" (usw., Mitterauer, S.25)

 

931 wird die bayrische Dynastie von der des provenzalischen Königs Hugo abgelöst. Unter ihr steigen sowohl etwas Florenz und insbesondere Pisa etwas auf.

Ganz langsam beginnt die Verselbständigkeit der Stadt wie auch anderer in der Toskana. 1004 ist sie soweit gediehen, dass Lucca und Pisa aus eigener Entscheidung gegeneinander Krieg führen, ein Konflikt, der noch lange fortdauern wird.

Inzwischen verliert der Bischof, im 9. Jahrhundert noch Besitzer riesiger Ländereien, zunehmend den Zugriff darauf, da das Land weitgehend ebenso wie die Zehnten verpachtet ist und sich die Pächter immer mehr wie Eigentümer aufführen.

 

****Pisa****

 

Pisa kann zunächst im 7. Jahrhundert seine Selbstständigkeit gegenüber den Langobarden behaupten und bleibt Seemacht mit einer Dromonen-Flotte schneller Schiffe byzantinischen Typs. Um 620/40 kann Byzanz aber seinen Einfluss von Elba und Sardinien aus nicht mehr halten, und den Langobarden  gelingt die Einnahme der Seemacht Pisa. Noch unter fränkischer Herrschaft ist es eine bedeutende Hafenstadt unter den Grafen von Lucca. Mit der Seehoheit muslimischer Machthaber schwindet die Möglichkeit für Fernhandel über das westliche Mittelmeer, aber die Stadt bleibt wichtiger Hafen für Reisen über das östliche auch nach der fränkischen Eroberung des Langobarden-Reiches.

Zwischen 933 und 1011 wird Pisa mehrmals von Sarazenen geplündert, und kann sich erst dann aus der islamischen Bedrohung lösen. Ein Schritt auf diesem Weg wird der Seesieg vor Reggio di Calabria 1005, der die islamische Welt insbesondere Nordafrikas von dem kalabrischen Bauholz für Schiffe abschnürt und sie dazu veranlasst, diese stärker von christlichen italienischen Händlern einzukaufen.

 

 

Handel und Gewerbe (in Arbeit)

 

Was da stattfindet, ist eine Tendenz zu stärkerer Arbeitsteilung zwischen Stadt und Land. Von ihr profitieren auch die Grundherren. Sie verfügen nun über mehr Geld, weshalb einige anfangen, ihr zuvor stärker selbstversorgerisches  Wirtschaften einzuschränken: Sie kaufen mehr Güter in der Stadt. Neben dem Bedarf großer kirchlicher und weltlicher Herren über das in Eigenwirtschaft Produzierte sind auf der Nachfrageseite vor allem die Klöster mit der dort konzentrierten Anzahl von Menschen zu verzeichnen. Zwar sind sie in aller Regel auf Autarkie aus, also auf Selbstversorgung, aber dort, wo die Produktion ihrer familia abhängiger Produzenten nicht ausreicht, wird auf dem Markt Kleidung und Nahrung zugekauft. Dafür senden die Klöster eigene Händler über Land zu wichtigen Marktplätzen.

Andererseits versuchen Klöster, besonders auch Wein über den eigenen Bedarf zu produzieren, und an Klöstern angesiedelte frühe Messen wie die von Saint-Denis ziehen im 9. Jahrhundert bereits englische und friesische Fernhändler an.

 

Alles in allem geht der Handel im lateinischen Abendland zumindest zwischen dem 3. und 6. Jahrhundert nach und nach zurück. Der europäische Handel über große Räume kennt weiter zunächst zwei davon: einen vergleichsweise unbedeutenderen nördlich-skandinavischen und einen mediterranen Handelsraum, die allerdings nie völlig voneinander getrennt sind.

 

Im 7. Jahrhundert dann wird im Reich der Franken wieder stärker überregional mit Keramik gehandelt. Seit der Mitte dieses Jahrhunderts finden sich friesische, englische und westfränkische Kaufleute auf der Messe von Saint-Denis (Paris) ein und verkaufen dort vor allem Wein und Textilien. Friesische Kaufleute verhandeln im Frankenreich ihre Wolltuche. Über Quentovic und Dorstad wird Handel mit England betrieben. Über Rhône und Saône gibt es eine Nord-Südverbindung mit dem Mittelmeerhafen Marseille, über den arabische und byzantinische Luxusgüter wie Gewürze und Textilien gehandelt werden. Geliefert werden dorthin u.a. Holz, Waffen und Sklaven.

 

Pirenne hatte die später wohl nicht ganz zu Recht in Ungnade gefallene These aufgestellt, der Einbruch des Islam in den Mittelmeerraum habe die abendländische Wirtschaft ein Stück weit stranguliert, und tatsächlich wäre wohl kaum der Weg in den Kapitalismus so früh frei gewesen, wenn die orientalische Despotie nicht im 11. Jahrhundert von großen Teilen der nördlichen Mittelmeerküsten und dann vom Meer selbst zunehmend wieder vertrieben worden wäre. Allerdings bricht der Handel tatsächlich schon mit dem Ende des weströmischen Imperiums ein.

 

Wikinger plündern, rauben und zerstören nicht nur, sondern sie treiben zumindest teilweise auch Handel. Kurz vor 900 entsteht die Reisebeschreibung eines Ottar:

"Er war mehrmals mit einer Schiffsladung Tierhäute und Rentiergeweihe in See gestochen, und hatte Handelsplätze in Südnorwegen, Dänemark und England besucht.Vermutlich war er ein ziemlich typischer Wikinger, denn er war offenbar nicht nur Kaufmann zur See, sondern auch ein Farmer mit, wie er stolz notiert, je zwanzig Rindern, Schafen und Schweinen, vor allem aber Herr einer riesigen Rentierherde von über 600 Tieren." (Kümper, S.36)

 

Die Schweden orientieren sich in Richtung Russland. Entlang des Dnjepr und anderer Flussläufe errichten sie befestigte Lager, aus denen dann Städte mit skandinavisch-ugrisch- slawischer Mischbevölkerung werden.

Sie liefern Honig, Pelze, sogar flämische Tuche und in hohem Maße Sklaven, für die es vor allem über das kaspische Meer Bedarf im Kalifat von Bagdad gibt. Über das von solchen Rus errichtete Nowgorod gelangen dann Pelze, Wachs und spezifische Orientwaren zurück.

 

„Konstantinos Porphyrogenetos erzählt, wie sich die Skandinavier, von den Slawen >Russen< genannt, während des 10. Jhs. jährlich nach der Schneeschmelze mit ihren Schiffen in Kiew versammelten. Die Flotille fährt sodann langsam auf dem Dnjepr abwärts, wo häufige Katarakte Hindernisse bilden, die nur im Schleppzug längs des Ufers zu überwinden sind. Das Meer einmal erreicht, segelt man längs der Küste nach Konstantinopel, dem Ziel der langen und beschwerlichen Reise. Dort besitzen die Russen ihr eigenes Quartier, und Verträge, deren ältester ins 9. Jh. zurückreicht, regeln ihren Handel mit der großen Stadt. (…) Von dort her empfingen sie das Christentum (957-1015); von dort entlehnen sie ihre Kunst, ihre Schrift, den Gebrauch des Geldes und einen guten Teil ihrer Staatsverwaltung.“ (Pirenne, S.26f)

 

Es zeigt sich dass viele "Funde islamischer Silbermünzen entlang der russischen Flüsse sowie in Nord- und Osteuropa als Beleg für ein riesiges Handelsnetz im 10. Jahrhundert gedeutet werden müssen und dass in diesem Handelssystem nicht Pelze doer Waldprodukte, sondern slawische Sklaven die wichtigsten Handelsgüter waren. Mehrere zehn millionen Silbermünzen flossen in diesem Geschäft in den skandinavischen Raum." (Ertl, S.46)

 

Dass es in einem gewissen Umfang auch anderswo Fernhandel gibt, bezeugen im Norden Händlersiedlungen im friesischen Dorestad im Rhein-Maasdelta, das schon 863 von Wikingern endgütig zerstört wird, und dann dessen friesischer Nachfolger Tiel an der Waal.

Dazu kommen (das im späteren Nordfrankreich gelegene) Quentovic zwischen dem 7. und 11. Jahrhundert und das um 770 von Wikingern gegründete Haithabu (beim späteren Schleswig) zwischen dem 8. und frühen 11. Jahrhundert mit Radien bis ins Frankenreich, nach England/Irland, Skandinavien und dem Baltikum und indirekt in die Tiefen des späteren Russland und darüber ebenso indirekt bis in den nahen Orient. Adam von Bremen jedenfalls berichtet, dass von Haithabu ständig Schiffe ins Slawenland, nach Schweden, ins Samland und bis nach Griechenland gefahren seien. (Kümper, S.39)

Ein wichtiger Handelsort ist auch das slawische Liubice, das spätere Lübeck.

 

Spätestens seit dem 9. Jahrhundert gibt es eine vom Handel genutzte Verbindung zwischen Nord- und Ostsee. "Über die Eider bei Tönnig konnte man beim heutigen Friedrichstadt in das kleine Nebenflüsschen Treene abbiegen, das bis zum Flusshafen Hugstaeth (heute Hollingstedt) führte. Von dort war es ein kurzer Weg über Land bis nach Haithabu" (... Kümper, S.33)

 

Mit den Unruhen im Frankenreich nimmt im 9. Jahrhundert im Norden arabischer Handel zu, wie man Münzen dort erkennen kann, außerdem der vom Kaspischen und Schwarzen Meer. Im Nordosten haben gegen Ende des 9. Jahrhunderts laut Kiewer Nestorchronik Slawen warägische (wikingische) Herrscher in Kiew und Nowgorod eingesetzt, die die Verhältnisse so stabilisieren, dass dort in größerem Umfang Handel möglich wird.

 

Schon Einhard erwähnt für die Zeit Karls ("des Großen"), dass Mainzer Händler in Süddeutschland Getreide einkaufen und mit Schiffen über Rhein und Main nach Mainz transportieren. Der Zolltarif von Raffelstetten um 905 erwähnt für den Transport auf der Donau Salz, Sklaven und zudem Rinder. In dem für die Zeit raren Dokument heißt es:

Schiffe, die vom Westen kommen, sollen nach dem Verlassen des Passauer Waldes bei Rosdorf oder an anderen Stellen, an denen sie anlanden wollen, einen Halbpfennig Zoll bezahlen. Falls sie nach Linz weiterfahren: Für jedes Schiff sind drei Scheffel Salz zu bezahlen. Für Sklaven und andere Güter wird hier kein Zoll erhoben, und die Kaufleute erhalten die Erlaubnis, bis zum Böhmerwald anzulanden und Handel zu treiben, wo immer sie wollen. Falls ein Bayer Salz zum Eigenbedarf nach Hause transportieren will: Nachdem der Schiffsführer dies eidlich bestätigt hat, muss er nichts bezahlen und soll sicher reisen. (in: Ertl, S.45)

 

Als wichtige Ware darf man eben auch durch das zehnte Jahrhundert nicht die allgegenwärtigen Sklaven vergessen, wobei Europa auch bereitwillig den großen islamisch-nordafrikanischen und orientalischen Bedarf mit deckt.

"Mitte des 10. Jahrhunderts wunderte sich ein arabischer Händler darüber, dass es auf dem Markt der Stadt Mainz nicht nur orientalische Gewürze gab, sondern dass obendrein mit arabischen Silbermünzen aus Samarkand bezahlt wurde. Zu erklären ist diese Internationalität des Mainzer Marktplatzes mit der Etablierung grenzüberschreitender Netzwerke des Sklavenhandels..." (Ertl, S.45)

Von einem weiteren großen Sklavenmarkt berichtet ein jüdischer Reisender, wohin offenbar tschechische und ungarische Händler zusammenkommen.

 

Flüsse und Meere werden auch weiter die wichtigsten Handelswege bieten, allerdings meist nicht im Winter.

 

Inwieweit gewerbliche Produktion über Luxusproduktion hinaus zu einer Zunahme des Handels beiträgt, lässt sich nicht leicht erkennen. Textilproduktion und Töpferei zum Beispiel werden nicht durch technischen Fortschritt verändert, und es gibt zwar vielerorts eisenverarbeitende Kleinbetriebe, aber Erz wird weiter in Rennöfen bei über 1000 Grad verflüssigt und das Roheisen getrennt.

 

 

Dass auf dem Weg ins hohe Mittelalter Handel weiter zunimmt, liegt daran, dass in dieser Zeit die Voraussetzungen geschaffen werden. Schon im 10. Jahrhundert beseitigen die sächsischen Kaiser die Ungarngefahr (955 Lechfeld bei Augsburg). Derweil lässt auch die skandinavische Bedrohung bis auf die britischen Inseln nach. Nord- und Ostseeraum werden zunehmend sicherer.

Erst die Stabilisierung neuer Reiche im 10./11. Jahrhundert schafft mehr Sicherheit, auch mehr Planungssicherheit. Darüber kann die Bevölkerung nach ihrer massiven Verringerung in und nach der Völkerwanderungszeit erstmals wieder deutlich zunehmen, in einigen Gegenden schon seit der späten Merowingerzeit, und sie wird das bis ins 14. Jahrhundert tun.

 

Eine weitere Grundlage ist eine geordnete Münzproduktion. Schon im Merowingerreich gab es über 800 Prägestätten vor allem für Goldmünzen. Im 7. Jahrhundert nehmen dann Silbermünzen zu, auch weil im lateinischen Abendland die Goldvorkommen fehlen und der Handel eher überschaubar bleibt. Karl ("der Große") macht dann den Silberpfennig mit seiner Münzreform zur Leitwährung, was für Jahrhunderte das europäische Geldwesen prägen wird, während in Byzanz der Goldsolidus weiter besteht.

"Für die Zähleinheiten des neuen Währungssystems wurden römische Begriffe verwendet: 240 Pfennige (denarii) = 20 Schillinge (solidi) = 1 Pfund (libra/talentum). Pfund und Solidus bildeten nur Rechenwerte, keine real geprägten Münzen. Wenn also beispielsweise der Preis für ein Pferd 20 Pfund betrug, dann musste der Käufer 4800 Pfennigmünzen bezahlen. Um das umständliche Zählen so vieler Münzen zu umgehen, wurde das Geld gewogen." (Ertl, S.137)

 

Wichtig für die Entstehung von Kapitalismus wird schon in der (späteren?) Nachantike die Entstehung eines Gewohnheitsrechtes unter den Kaufleuten, welches sich später in Marktrecht und Handelsrecht fixiert. Zum Handeln auf Treu und Glauben kommt das Prinzip der Vertragserfüllung.

 

Steigende Nahrungsproduktion, wachsende Landbevölkerung und Wachstum der Städte samt stärkerer Monetarisierung des Wirtschaftens, mehr Arbeitsteilung und technische Neuerungen werden das in Gang setzen, was dann zu Kapitalismus führen wird.

 

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Angebot und Nachfrage am Ort steigen im Zusammenhang, beide bedingen sich gegenseitig, um ein erneutes Aufblühen der Städte hervorzubringen. Kathedralen, Stifte, Klöster und weltliche Herren versorgen sich zu einem guten Teil selbst aus ihren Besitzungen, die eben dafür ihnen gegeben sind. Sie kaufen das, was nicht auf ihrem Besitz und dem ihnen Geliehenen hergestellt wird, dann nicht nur auf dem örtlichen Markt, sondern je größer, mächtiger und reicher sie sind, desto weiter entfernt auch auf anderen Märkten. Marktwirtschaft entfaltet sich nicht nur über einen, sondern über viele Märkte.

Die erhöhte Produktion für den Markt versorgt nicht nur die Reichen und Mächtigen, sondern auch das Handwerk und den Handel, die sich bei ihnen als wichtigste Abnehmer ansiedeln, mit gewerblichen Produkten. Der Reichtum der Mächtigen, den sie vor allem den auf dem Land Arbeitenden abpressen, das Handwerk und der Handel am selben Ort machen die sich neu entwickelnmde Stadt aus. Den Zusammenhang stellt her, dass Bauern, Handwerker und Händler den familiae dieser Herren angehören, die erst langsam ein eigenes Interesse daran entdcken werden, den Untergebenen Spielräume zu geben, um Märkte zu bedienen. Soweit sie nur Aufträge der Machthaber über ihnen ausführen, gibt es noch wenig Marktgeschehen. Dies kommt erst auf, wo sie auch auf den Markt als Ort von Nachfrage hin spekulierend eigenständig produzieren.

 

 

Erneute Entfaltung der Städte im Norden (gerade in Arbeit)

 

In deutschen Landen gibt es im 10. Jahrhundert zwei Arten von Städten: Solche, die aus der Römerzeit stammen und vor allem als Bischofssitze überlebt haben, dabei allerdings wie selbst Trier nun schon länger eine dominierende germanische Bevölkerung besitzen, und solche, die östlich davon Neugründungen vor allem seit der Karolingerzeit sind und erst langsam stärker städtischen Charakter entwickeln.

 

Man kann wohl bis ins 10. Jahrhundert in wirtschaftlicher Hinsicht von einem gewissen Fortleben der antiken civitas reden. Die antike Stadt mit ihrer Integration des Großgrundbesitzes diente primär dem Konsum und dabei besonders militärischen Bedürfnissen, während die mittelalterliche sich auf eine Dominanz gewerblicher und immer weniger landwirtschaftlicher Produktion hinbewegt. Sie wird zu einer Stadt der Händler und Handwerker. (Vgl. die Zusammenfassung in: Beiträge 1, S.25ff) Keith Hopkins schreibt schon 1978: "Towns were centres of consumption in which landowners spent profits derived from rural property and from the hard work of dependent peasants." (zitiert in: Beiträge 1, S.47). Das muss natürlich etwas korrigiert werden: Städte enthalten auch in der Antike Handwerk und Handel und frühe mittelalterliche Städte leben vorwiegend von dem Geld, welches vor allem geistlicher Großgrundbesitz in ihnen ausgibt. Der zentrale Unterschied besteht in der Andersartigkeit der (vor allem städtischen) Herrenschicht mit ihrer andersartigen Reichsbildung. Wie schon Max Weber und Sombart feststellen konnten und insbesondere französische Historiker dann präzisierten, kristallisiert sich spätestens im 10. Jahrhundert somit ein grundlegender Unterschied zwischen antiker und mittelalterlicher Stadt heraus

 

Neue Städte entstehen auf dem Boden geistlicher wie weltlicher Grundherrschaften und als Nukleus haben sie herrschaftliche Kirchen- und/oder Burgbauten, Bezugspunkte für ländliche Großgrundbesitzer und dienen diesen Herren auch in Handwerk und Handel. Zugleich sind sie vorläufig keine Fremdkörper in einer agrarisch dominierten Welt, sondern in die Herrschaftsstrukturen wie die Grundherrschaft und das Hofrecht integriert.

 

In den nichtromanisierten deutschen Landen, insbesondere im erst von Karl ("dem Großen") eroberten Sachsen, entstehen stadtähnliche Siedlungen im neunten, zehnten Jahrhundert oft an neuen Bischofssitzen, und ihre Namen sind noch von adeligen Grundherren abgeleitet, wie Braunschweig von Brun/Bruno. Außer höchstens der Kirche gibt es dort nur Holzbauten, adelige Herrensitze haben eventuell bereits ein Steinfundament.

Zentrale Ausgangspunkte für die Stadtbildung von Erphesfurt (Erfurt) sind der Domberg und der Petersberg mit Peterskloster und vermuteter königlicher Burg. Bereits Bonifatius spricht von einer iam olim urbs paganorum rusticorum. 725 lässt er eine Marienkirche errichten und empfiehlt dem Papst, die Stadt zum Bischofssitz zu machen, was dann 742 geschieht.. Bei ihr kreuzen sich zwei Fernhandels-Straßen. Als Bonifatius Erzbischof von Mainz wird, gliedert er das Bistum Erfurt an Mainz an. Ende des 10. Jahrhunderts gelangt die Stadt ganz unter die Herrschaft der Mainzer Erzbischöfe.

 

Insgesamt lassen unsere vagen Kenntnisse zu, von einer langsam zunehmenden Vermehrung der Bevölkerung seit dem 9. Jahrhundert zu sprechen, die sich je nach Gegend zwischen 800 und 1200 in etwa verdreifachen wird. Im Zusammenhang damit wird die Nahrungsmittelproduktion erhöht. Ein Weg dahin lässt sich seit dem 9. Jahrhundert verstärkt als Zunahme der landwirtschaftlich genutzten Fläche erkennen, Verlust von Naturlandschaft also. Ein zweiter Weg führt neben der Extensivierung in die meist ganz langsam voranschreitende Intensivierung, dem Boden wird mehr vom selben Produkt abgewonnen.

Allerdings, während das Agrarland und die Landbevölkerung sich in wenigen Jahrhunderten so vervielfachen, steigt die Produktivität bis ins 11. Jahrhundert nur geringfügig, und sie wird immer wieder insbesondere durch Wetter-Schwankungen massiv eingeschränkt, aber es können doch offenbar insgesamt damit mehr Menschen ernährt und die Märkte mit mehr Waren beliefert und solche vom Lande zudem nachgefragt werden. Wo aber mehr Geld zwischen die Menschen tritt, sinkt im lateinischen Europa tendenziell die Macht persönlicher Bindungen.

 

Abgaben an Kirche und Grundherren werden nach und nach dadurch stärker auch in Geld geleistet, so wie auch Dienstleistungen noch später in Geldzahlungen verwandelt werden können. Das alles aber sind Entwicklungen, die je nach Gegend manchmal erst tief ins Hochmittelalter hinein stattfinden werden und die zudem oft sehr wenig dokumentiert sind.

 

Nicht ganz unwichtig ist für die Produktionssteigerung ein weiterer und nicht menschengemachter Faktor. Zwischen 1000 und 1250 kommt es zu einem Temperaturanstieg um durchschnittlich ein Grad und die zuvor manchmal verheerend starken Niederschläge nehmen etwas ab. Damit werden Ernten im Mittel etwas ertragreicher und Pflanzen können etwas weiter im Norden und in etwas höheren Lagen angebaut werden, was letzteres die Wälder in den Mittelgebirgen weiter schrumpfen lässt.

 

Städte wachsen nur über die Steigerung der Nahrungsmittelproduktion und damit der Bevölkerung, und je mehr sie wachsen, desto mehr Nachfrage nach Lebensmitteln entsteht dort. Indem dann durch mehr Nachfrage bedeutendere Märkte auch für handwerkliche Produkte entstehen, siedelt sich dort auch mehr Handwerk an.

 

 

Erst mit der Zunahme der Produktivität und Produktion von Nahrungsmitteln im Verlauf des 10./11. Jahrhunderts entstehen neue Marktflecken, die für die meisten Bauern die großen Entfernungen zwischen Stadt und Land überbrücken, wobei weiterhin wohl überwiegend Tauschhandel stattfindet. Diese Dezentralisierung korrelliert mit der der Macht: An die Stelle von Grafen treten Bischöfe, Äbte und insbesonders kleinregionale weltliche Burgherren. Die Bedeutung überregionaler Machthaber nimmt zugleich ab, die Reste antiker "Staatlichkeit" zerfallen. 

 

Im 10. Jahrhundert steigt die Bevölkerung im lateinischen Abendland und durch Zuzug offenbar auch die in den Städten. Regionaler und Fernhandel scheinen ebenfalls insgesamt etwas zuzunehmen, insbesondere nachdem Nord- und Ostsee etwas sicherer werden, dann die Ungarngefahr gebannt wird und auch der Mittelmeerhandel mit Byzanz und den islamischen Reichen durch Zwischenhandel mehr oder weniger erleichtert wird. Man sollte das aber nicht überschätzen: Handel über See und Land bleibt unsicher und gefährlich.

 

Geld

In einigen Gegenden wie der Nordhälfte Italiens scheint der Geldumlauf etwas zuzunehmen, aber noch immer steht neben der Zahlung in barer Münze oft reiner Tauschhandel.

Noch im 10. Jahrhundert schreibt ein arabischer Reisender über Böhmen und auch über Prag: Auch verfertigt man im Lande Böhmen dünne lockergewebte Tüchelchen wie Netze, die man zu nichts anwenden kann. Ihr Preis ist bei ihnen wertbeständig, 10 Tücher für einen Pfennig. Mit ihnen handeln sie und verrechnen sich untereinander. Davon besitzen sie ganze Truhen. Die sind ihr Vermögen und die kostbarsten Dinge kauft man dafür: Weizen, Sklaven, Pferde, Gold, Silber und andere Dinge. (Ennen, S. 68)

Und noch nach 1129 wird es in den Bestimmungen des Bischofs von Straßburg heißen: Ferner soll der Burggraf den Zoll für Öl, Nüsse und Äpfel erhalten (...), sofern sie für bares Geld verkauft werden. Wenn sie aber für Salz, Wein, Getreide oder irgendeinen anderen Gegenstand verkauft werden, muss der Burggraf den Zoll mit dem Zoller teilen. (in Hergemöller, S.171)

Dennoch, im ganzen Frankenreich zum Beispiel sind im 10. Jahrhundert Münzen im Umlauf, und sie geraten wohl grundsätzlich auch überall in die Hände der von ihren Herren abhängigen Produzenten. Detailliertere Informationen dazu fehlen allerdings.

 

Burg

Städte sind festungsartige Großburgen, oft mit einem Dombezirk wie Würzburg oder Regensburg, die sich erst langsam zu Städten entwickeln. Für Mainz zum Beispiel wird erwähnt, dass Teile der Stadt noch aus Äckern bestehen, und Trier ist mit Wingerten durchsetzt. Ibrahim ibn Yakub aus Andalusien ist andererseits erstaunt über das dortige Vorhandensein von Pfeffer, Ingwer und Gewürznelken, was (indirekte)  Handelsbeziehungen in ferne Kontinente bedeutet. 

Im 8. Jahrhundert beschreibt Bischof Arbeo von Freising in seiner Vita des hl. Emmeran, wie man von einem Berg aus die Kirche von Gottes heiligem Märtyrer und die weit ausgedehnte, mit Mauern und Turmbauten bewehrte Stadt Regensburg erblickt. (in: Hartung, S.94)

"In ottonischer Zeit unterschied die >Translatio s.Dionysii Areopagitae< bereits eine Altstadt und eine Neustadt mit drei Bezirken für König (im Osten um das Niedermünster), Klerus (im Zentrum um Dom und Obermünster) und Kaufleute (nördlich von St.Emmeran, das jetzt ummauert wurde.(...) In der Stadt gab es außerdem zahlreiche Höfe auswärtiger Bischöfe und Klöster." (Goetz, S.210) Die Stadt expandiert so sehr, dass eine erste mittelalterliche große Stadtmauer gebaut werden muss.

Dort ist gegen Ende des 10. Jahrhunderts ein freier Kaufmann überliefert. „Willihalm schenkte zusammen mit seiner Frau Heilrat dem Kloster St. Emmeran seinen gesamten Besitz mit allen Unfreien, die ihn bewirtschafteten, mit Ausnahme von vier Hörigen. Der Kaufmann hatte also den Gewinn aus seinen Handelsgeschäften in Grundbesitz investiert und seine Lebensweise derjenigen adliger Herren angepasst.“ (Groten, S. 37)

 

Ungefähr um 900 erlässt der Bischof von Worms eine Verordnung, die die Zuständigkeit von Einwohnern in Orten und Ortsteilen seiner civitas für die Instandsetzung der Stadtmauer beschreibt. Da sind die zusammen siedelnden und sich selbst organisierenden Friesen für einen Mauerabschnitt zuständig, für andere abhängige bischöfliche Höfe, für eine die familia sancti Leodegarii des Klosters von Murbach, für eine weitere die urbani, qui Heimgereiden vocantur, bis zur Pfauenpforte (Pawemportam), für weitere Fischer- und Kaufmannssiedlungen auf der anderen Rheinseite (Hergemöller S.8/S.68). Auch wer außerhalb der Mauern wohnt, wird beteiligt, immerhin ist die ummauerte Stadt letztlich Fluchtort für alle Untertanen.

 

Könige und Städte

Städteförderung und Privilegierung von Bischöfen durch Könige, um sich deren Loyalität zu versichern, fallen schon seit der frühen Karolingerzeit immer mehr zusammen.

902 hat Ludwig IV. ("das Kind") für Trier die Münze der Stadt, den Zoll und jede Abgabe von Klöstern, Dörfern (villis) und Weinbergen inner- und außerhalb der Stadt sowie in der ganzen Grafschaft, aber auch alle Zinser und Hörigen und den Ackerscheffel (siebten Teil der Erträge) vollständig und ungeschmälert von der Grafschaft auf das Bistum übertragen, von unserem Rechtsbereich (nostro iure) dem Bereich und der Gebotsgewalt des heiligen Petrus zurückgegeben (... in Hergemöller, S.74f)

 

Vermutlich geht auch das gesamte Königsgut nun an den Bischof. Dieser gerät zunehmend in Konflikt mit dem frühen Burgenbau adeliger Familien in seiner Diözese. Die stärkste Rolle spielen dabei die Grafen von Luxemburg mit ihren Vogteirechten über Echternach und St. Maximin. Letzteres Kloster hat eine größere Grundherrschaft als selbst der Erzbischof.

Bezeichnend für den Zustand der Stadt ist, dass es sogar in ihr nun Wingerte gibt. Vermutlich ist Weinhandel in dieser Zeit der wichtigste Wirtschaftszweig. Die Zahl der Münzfunde nimmt zu.

 

Einen neuen Schub bekommen die (werdenden) Städte im ostfränkischen Reich durch ottonische Förderung von Siedlungen mit Märkten und damit eines neu sich entwickelnden Städtewesens insbesondere in Sachsen mit seinen östlichen Verlängerungen. In Quedlinburg, Gernrode, Halberstadt und Memleben entstehen größere und immer noch seltene Steinkirchen.

Daneben werden bestehende Bischofssitze „dauerhaft mit Marktsiedlungen kaufmännisch-gewerblichen Charakters verbunden“ (Keller, S.28). Kaufleute in neuen Ansiedlungen werden denen in königlichen Pfalzorten gleichgestellt. Zur Förderung von Bischofssitzen, insbesondere solchen, in denen der König seinen Kandidaten durchsetzt, erhalten diese Privilegien wie Markt- und Münzrechte, die bischöfliche Stadtherrschaft erst so recht befestigen. Um Bistümer mit ihrem „städtischen“ Siedlungskern als „Freunde“ in Gefolgschaft zu halten, wird ihre weltliche Macht also ausgebaut und so dann auch wirtschaftlich ermöglicht, dass sie Stützen des Königtums werden.

 

Das noch immer ein Gutteil in germanischen Vorstellungen wurzelnde Herrschertum als Reisekönigtum übt im 10. Jahrhundert Herrschaft noch weithin von königlichen Pfalzen, also befestigten Gutshöfen, aus, die in Ermangelung anderer Wörter oft urbs hießen, womit die Römer ihre Stadt bezeichnet hatten. Aber besonders die Bischofsstädte beginnen für die Aufgabe an Bedeutung zu gewinnen wie für das gesamte servitium regis aus Beherbergung, Abgaben und Kriegsdienst.

 

Magdeburg ist seit 805 als Handelsplatz "mit fränkischem Kastell, Königsgut, einem Grafensitz und gewiss auch einer Kirche" (Schieffer in: Ottonische Neuanfänge S.31) dokumentiert. 929 übergibt Otto I. den Ort als Morgengabe bzw. Wittum an seine englische Gemahlin Edgitha, um ihn dann selbst auszubauen. "Von Edgitha unterstützt, hat er die Kaufmannssiedlung, die sich schlecht geschützt unten am Ufer der Elbe befand, an eine etwas höher gelegene Stelle (...) verlegt, er hat diese Höhe und die benachbarte, wo die Pfalz stand (beim Dom) befestigt und zu einer starken Einheit verschmolzen." (Holtzmann, S.111)

 

In Magdeburg wird mit Pfalz und Kirchenbau ein Gegenstück zu Aachen gebaut. Und wie dort werden dafür antike Bauelemente aus Italien (Ravenna) unter den entsprechenden Mühen heran transportiert. Das bis dahin eher "rückständige" Sachsen rückt nun in die erste Reihe des Reiches auf.

937 beginnt der Bau des Moritzklosters. Die vielen Besuche Ottos erzeugen Nachfrage nach Handel und Gewerbe, 942 ist der König als Besitzer von Zoll und Münze bezeugt. In einer Urkunde von 965 ist dann die Rede vom Markt in Magdeburg und der Münze, von allen Zöllen und Abgaben von Schiffen, Wagen, Karren und sonstigen Fuhrwerken und von Reitern und Fußgängern und von allen zum Ein-und Verkauf dorthin gelangenden Leuten. (in: Ottonische Neuanfänge, S.33). Aus Pfalz, Kirche und Kloster entsteht eine Stadt, civitas bei Thietmar von Merseburg. 975 wird den dortigen Kaufleuten dann weitgehende Abgabenfreiheit im Reich zugestanden.

 

Den Bischöfen wird nun die volle Gerichtsbarkeit für die Siedlung um die engere Bischofsstadt gegeben. In der Sichtweise Thietmars von Merseburg erhält einer seiner Vorgänger-Bischöfe von Otto II. quidquid Merseburgiensis murus continet urbis, cum Iudeis et mercatoribus ac moneta et foresto (alles, was in den Mauern enthalten ist, samt Juden, Kaufleuten, Münze und Forst. III,1). „So entstanden weltliche Herrschaften, in denen die Bischöfe und Reichsäbte den Königsbann ausübten und die kein Graf in seiner Beamteneigenschaft betreten durfte. Diese Bannbezirke, die sonst durchaus den Grafschaften entsprachen, waren von jeder herzoglichen Gewalt befreit, durchsetzten die Herzogtümer mit staatlichen Gebilden, die in der Hand der hohen geistlichen Herren lagen.“ (Holtzmann, S.182)

 

Adressat für die Könige ist immer der Bischof, der nun deutlicher Stadtherr wird, in deutschen Landen wie in Reichsitalien. 902 erhält so der Bischof von Trier die gräflichen Rechte zurück. (siehe weiter unten unter "Trier"). Neben dem Bischof ist es aber auch der Abt, welcher privilegiert wird, wie im Marktprivileg des ersten Otto 946 für das Kloster Corvey:

Im Namen der heiligen und ungeteilten Dreifaltigkeit. Otto, durch die Hilfe von Gottes Gnade König. Nicht entgehen möge es der Aufmerksamkeit aller unserer gegenwärtigen und zukünftigen Getreuen: Auf Fürsprache unseres geliebten Bruders Brun und des ehrwürdigen Abts Bovo haben wir dem Kloster der heiligen Märtyrer Stephan und Veit namens Corvey den Gerichtsbann über die beiden Dörfer namens Meppen, am Fluss der Ems und der Hase gelegen, im Gau Agradingen in der Grafschaft des Grafen Düring, mit Münze und Zoll nach ewigem Recht zu eigen verliehen.(...) Einen öffentlichen Markt sollen sie an den Stellen errichten, wo es dem Abt gefällt, und festen Frieden sollen sie bei Hin- und Rückreise sowie beim dort Wohnen haben, und zwar in derselben Weise, wie es von unseren königlichen Vorgängern anderen öffentlichen Marktorten verliehen worden ist. (in: Ertl, S.254)

 

Zum Marktrecht, dem Münz- und Zollrecht kommen im ostfränkischen 10. Jahrhundert immer mehr Regalien, königliche Rechte, die an die Bischöfe abgetreten werden, wie der "Wildbann, Forst-, Fischerei-, Weidegerechtigkeit, Befestigungsrecht", usw. (Hergemöller, S.6). Immer mehr gräfliche Rechte fallen Bischöfen zu. Dafür nutzt der König nun die geistlichen Stadtherren für seine Machtausübung und bestellt sie überall, wo ihm das wichtig erscheint, selbst.

Von der Privilegierung des bischöflichen Stadtherrn zu der der Bürger ist dann manchmal nur ein kleiner bzw. kurzer Schritt. Kaiser Otto ("der Große") hatte dem Bischof von Passau als beneficium auf Lebenszeit einen Teil der Zollrechte verliehen, 976 vergibt sie Otto II. dauerhaft für den Wiederaufbau und Unterhalt von St.Stephanus, und 980 wird dann auf Bitten des Bischofs den Hauseigentümern (possessores) der Stadt Zollfreiheit per omnes aquas in nostro regno, also für alle Flüsse im Reich vergeben und zusätzlich Befreiung vom Zins auf ihre Grundstücke in der Stadt (Hergemöller, S.84).

 

975 erhält der Kölner Erzbischof das Zollrecht am Rhein und 988/89 das Marktrecht.

990 vergibt Otto III. der Äbtissin von Gandersheim für den Ort bei ihrem Kloster Markt, Zoll, Münze und die alleinige Vollmacht zur Machtausübung (exercendi potestam). Dazu aber erhalten die Händler (negotiatores) und Bewohner (habitatores) die Rechte, die auch für ihre Dortmunder Kollegen gelten (in: Hergemöller, S.88f). Dasselbe verleiht der Kaiser dann auch 1000 für Helmarshausen.

 

Dass dabei der Keim für Kapitalismus und ein neuartiges Bürgertum gelegt ist, wird wohl niemandem deutlich. Erst wenn Könige/Kaiser zwischen Konrad II. und Barbarossa nach Italien ziehen, wird ihnen dort sichtbar, dass sich da etwas fremdes, neues entwickelt, aber sie werden es nicht verstehen. Und mit diesem Unverständnis wird ihnen Nord- und Mittelitalien immer wieder entgleiten.

 

Markt

Das erste Privileg eines herrschaftlich garantierten Marktes ist der dafür verordnete Friede, also eine verrechtlichte, in Raum und Zeit begrenzte Sphäre der Gewaltlosigkeit. Aus den Gepflogenheiten des Handels entsteht eine Art Gewohnheitsrecht, welches nach und nach von den Herren anerkannt wird. Dabei gründet sich die neue Stadt aus der Privilegierung der Stadtherren. Als Kaiser Otto I. 965 dem Erzbischof von Hamburg gestattet, in Bremen einen Markt zu gründen, überlässt er die königlichen Einkünfte dem Bischof. Dazu tritt er ihm Zoll und Münze ab. 989 erhält der Bischof von Halberstadt einen Markt mit Marktgerichtsbarkeit, Münze und Zoll. Dies alles geschieht im Rahmen einer Machtausübung der sächsischen Könige, die sich stark auf die Bischöfe stützt.

 

Neben dem Jahrmarkt und den Märkten an bestimmten Festtagen gibt es bald auch den täglichen Markt der örtlichen Handwerker und Krämer. 996 genehmigt Otto III. dem Freisinger Bischof Gottschalk einen täglichen Markt in Regensburg, dessen Erträge der Freisinger Kirche zufallen sollten (EhlersOtto, S.136).

962 Verleihung des Marktrechts für das thüringische Nordhausen. "Danach durften die Bewohner im Umkreis von einer Meile ihre land- und viehwirtschaftlichen Erzeugnisse nur in Nordhausen absetzen." (Mägdefrau, S. 135) Dieser Marktzwang nimmt dann überall in der Zukunft größere Formen an. Das Marktprivileg des Kaisers von 994 verbietet so, innerhalb eines durch Flüsse abgesteckten Umlandes weitere Märkte anzulegen.

 

958 wird in Trier das Marktkreuz auf der Basis einer römischen Säule auf einem neuen Markt nahe der Domimmunität und ihrer Konsumenten von Erzbischof Heinrich aufgestellt. Es ist ein Zeichen seiner Herrschaft und Markthoheit.

Ende des 10. Jahrhunderts wird laut 'Gesta Treverorum' die Domimmunität mit einer etwa 1200 m langen Steinmauer umgeben, "um den Domklerus vom Volk (a plebe) abzusondern". (Anton/Haverkamp, S.220) Daneben entwickelt sich am Hauptmarkt eine Marktsiedlung mit Marktkirche.

 

Am Ende gibt es in deutschen Landen rund 200-300 Märkte (Fuhrmann).

 

Märkte sind mehr als nur Orte von wirtschaftlicher Bedeutung im engeren Sinne. Auf ihnen findet Informationsaustausch statt, Neuigkeiten und Neuerungen werden bekannt, und als Lokalmärkte sind sie immerhin Orte der Geselligkeit, so wie auch die Kirchen (samt ihren Festen). Das alles findet mündlich statt, denn inzwischen hat sich die Schriftlichkeit auf Teile des Klerus und der Klöster zurückgezogen.

 

Recht und Gericht

Eine Stadtgemeinde (Kommune) aber gibt es noch nicht, vielmehr eine Vielzahl von Herren mit den Verbänden der von ihnen Abhängigen (ihren familiae), die voneinander durch ihre Privilegien bzw Immunitäten abgeschieden sind. Unter ihnen ragt in Kathedralorten der Bischof heraus, während die Grafen eher auf dem Lande residieren. Als dann zum Beispiel der Bischof von Trier um 900 die gräflichen Rechte für seine Stadt bekommt, wird das Schöffengericht aus der Landschaft herausgezogen und rein städtisch. Diese ansatzweise Trennung von Stadt und Land erfolgt auch anderswo und wird Voraussetzung für Gemeindebildung.

 

Die Schöffen des Vogtes sind nicht nur mächtige Städter, ihr Einfluss nimmt durch ihr Amt noch zu. Zu diesem gehört nicht nur die Strafgerichtsbarkeit, sondern auch das städtische Urkundenwesen. Schöffen wachen auch außerhalb der Gerichtstermine über die öffentliche Ordnung und nehmen dabei auch Polizeifunktionen wahr.

Für Groten sind es der Anstieg der städtischen Bevölkerung und der zunehmende Regelungsbedarf, der dann in den Bischöfsstädten zur Erweiterung der Domimmunität auf die ganze (entstehende) Stadt führt (S. 63). Für Speyer geschieht das 969 durch Otto I. Vier Jahre vorher wird der Gerichtsbann „für die Juden und andere Kaufleute und Bewohner von Magdeburg“ (s.o.) dem Vogt des Mauritiusstiftes übergeben. Als Magdeburg Erzbistum wird, wird dieser dann auch zum Domvogt.

 

Gerichtsherr für die Schöffen bleibt der Stadtherr, und ihre Loyalität schwankt denn auch zwischen diesem und den übrigen einflussreichen Bürgern. Und gelegentlich bricht mit der Konzentration auf einen Stadtherren dann ein Kampf um die Macht zwischen ihm und den wohlhabenden Städtern und ihrem Anhang aus, wie er seit dem 10. Jahrhundert auch für den sich herausbildenden deutschen Raum dokumentiert ist (Konstanz, Straßburg). Aber solche Konflikte sind eher selten. Der Kapitalismus selbst und die bürgerliche Welt entstehen nicht gegen, sondern mit den adeligen Herren. Dabei sind die bischöflichen Stadtherren auch außerhalb der Rechtsprechung auf die Mitarbeit vom Amtsträgern aus dem Laienstand angewiesen, so beim Bau und Erhalt von Mauern und der Verteidigung der Stadt. In manchen der Städte versammelte sich seit alters her die männliche Einwohnerschaft vor der Kathedrale und bestätigt oder wählt solche Leute sogar.

 

Gruppen der Bevölkerung

Besonderheit der entstehenden deutschen Städte insbesondere im Vergleich mit den italienischen ist die weitgehende Unfreiheit ihrer Bewohner, die den Weg in eine Bürgerstadt verlangsamt. Vorreiter in diese Richtung können so vor allem Teile der zunächst ebenfalls noch unfreien Ministerialität werden

 

Im Unterschied zu Italien, wo der Adel zum Teil nach der Antike stadtsässig bleibt, zum Teil in die Städte gezwungen wird, verschwindet er im entstehenden Deutschland, soweit überhaupt dort vorhanden, nach und nach aus diesen. Die städtische Oberschicht bilden entsprechend unter dem bzw. den Stadtherren zunehmend „bürgerliche“, also nichtadelige Freie, eine sehr kleine Gruppe. Darunter stehen rechtlich, nicht aber wirtschaftlich die Ministerialen, unfreie Dienstleute des Stadtherrn, der Klöster und des übrigen hohen Adels, die neben dem Dienst an der Waffe auch Aufgaben der Verwaltung übernehmen oder Kaufleute im Auftrag ihres Herrn sind. Wenn sie Karriere machen, kann sich ihr Prestige zumindest dem freier Bürger annähern oder dies auch übertreffen.

 

Die dritte, nicht völlig mittellose Gruppe sind die Zensualen, die einen festen jährlichen Kopfzins (zwei Pfennige oft) an ihren Herrn zu zahlen haben und zunächst in der Stadt auch noch Abgaben im Erlebensfall zahlen müssen: Bei Eheschließung, Todesfall, Vererbung usw. Indem ihre Dienstbarkeit durch Abgaben abgelöst worden war, sind sie frei, ein Gewerbe oder Handel zu betreiben.

 

Für 1016 ist eine charta ingenuitatis für die Zensualen von Worms aus der Hand ihres Bischofs Burchard erhalten, die ihre Freiheit von allen persönlichen Dienstleistungen als libertas bezeichnet. „Das betraf vor allem die große Zahl von Handwerkern und Gewerbetreibenden, die nun auf eigene Rechnung für den Markt produzierten oder für die Kunden arbeiteten, aber nicht mehr im Rahmen der Grundherrschaft Knechtsdienste verrichteten und/oder Abgaben leisteten.“ (Schulz, S. 34)

Die „Freiheit“ dieser Zinspflichtigen ist aber zunächst noch massiv eingeschränkt, müssen sie doch neben dem jährlichen festen Kopfzins eine Abgabe im Todesfall leisten und sich in der Wahl des Ehepartners auf jemanden aus der herrschaftlichen familia beschränken. In den nächsten zweihundert Jahren werden solche Beschränkungen dann entweder durch Geldleistungen abgelöst oder durch Rechtsbestimmungen aufgehoben. Die Bürger werden in diesem Sinne tatsächlich frei.

 

Unter ihnen breitet sich dann die Gruppe der Armen aus, die von der Hand in den Mund leben. Periodische Hungersnote, durch schlechte Witterungsbedingungen und andere Plagen hervorgerufen, treiben sie in Wellen in die Städte, um dort zu betteln oder Arbeit zu finden.

 

In der Vita, die Reginhard von Siegburg über Anno II. von Köln geschrieben hat, einen sehr weltlich orientierten Machtmenschen, wird so zum Beispiel etwas legendär beschrieben, wie der Erzbischof auf einem seiner nächtlichen Rundgänge durch die Stadt einer Frau begegnet, die auf der Straße lebt und dort ihr Kind gebiert. Ein anderes Mal trifft er auf einen Säugling, der ausgesetzt worden war, und um den er sich kümmert. Anno wird so zum Heiligen hochstilisiert, wozu auch solche Geschichtchen dienen. Aber die beschriebene Armut ist real.

 

In den sich neu entfaltenden Städten siedeln, wie schon erwähnt, nicht nur Händler, sondern auch Handwerker, oft in getrennten Vierteln. Handwerker sind dabei wie in den ländlichen Grundherrschaften Teil der familia von Herren wie Bischöfen oder Äbten. Da sie im 10. Jahrhundert primär auf deren Versorgung ausgerichtet sind, werden sie zunächst noch kaum zum Motor der Entwicklung. Als Ausnahme immer wieder erwähnt werden die Töpfereien bei Köln bis in das Eifeler Umfeld, deren Produktion bis an die nördliche Küste verkauft wird.

Der massiv zurückgegangene Bergbau ist ebenfalls Teil der ländlichen Grundherrschaft und genauso die Metallverarbeitung, das Schmieden vor allem, die zum Beispiel in den Ansiedlungen an Abteien betrieben wird. Dabei geht es um Waffen, aber auch um landwirtschaftliche Geräte oder zumindest eiserne Teile davon, wie bei Sensen, Pflügen oder Fassbändern.

 

Um die Jahrtausendwende ist das „christliche“ Europa, aus dem sich Kapitalismus entwickeln wird, immer noch wesentlich agrarisch geprägt und basiert weiterhin von seinen Machtstrukturen her auf landwirtschaftlich genutztem Großgrundbesitz. Aber inzwischen gibt es auch im nicht ehedem römisch kontrollierten Raum des germanischen Nordens außerhalb Skandinaviens überall Städte, fast allesamt nicht nur durch zunehmende Flächen von Kulturland, sondern immer noch durch weite Strecken von Wildnis voneinander getrennt.

Aber im 10. Jahrhundert entwickeln sich mit der Zunahme vor allem auch neuer Städte ganze Städtelandschaften dadurch,. dass der Abstand zwischen den einzelnen immer mehr schrumpft. Neben Regionen in Nord- und Mittelitalien betrifft das vor allem das Rheintal ab Basel, Flandern und einzelne Gebiete in Nordfrankreich.

Handwerk und Handel dort existieren im wesentlichen weiter in persönlicher Abhängigkeit von Herren, und erst ihre Emanzipation da heraus wird Kapitalismus ermöglichen. Aber die Jahrzehnte vor und nach dem Millenium sind auch durch den Ausbau von Handelswegen gekennzeichnet. Im Norden und Nordosten geschieht das durch Zivilisierung von germanischen und slawischen Völkerschaften, im Mittelmeerraum durch den Beginn des Zurückdrängens islamischer Kontrolle.

 

 

***Übriger Norden***

 

In England sind die mit Steinmauern befestigten Orte ceaster (von castrum), als burh oder dann borough werden zunächst königliche Festungen gegen die Dänen bezeichnet, die Garnison, Münze und bald auch einen überwachten Markt enthalten und in denen sich dann Siedlungen bilden können. Im 8. Jahrhundert nimmt der Umlauf von Silbermünzen zu. Handwerker arbeiten zunächst im Auftrag reicher Adeliger, um dann zunächst nebenbei auch für einen Markt zu produzieren. Beliebt bei der Oberschicht ist die Ansiedlung von Goldschmieden. Im 10. Jahrhundert wandern Töpfer vom Land in Städte wie Norwich, Lincoln und York. Zwar müssen die Massen von Brennholz und in geringerem Maße Ton nun von weiter her transportiert werden, aber dafür ist man in der Nähe des Marktes und der Kundschaft.

Ein kleines Umland für die Versorgung mit Nahrungsmitteln wird der entstehenden Stadt zugeordnet.

Um 900 wird die römische Mauer von Winchester ausgebessert und ein System aus Hauptstraße (der späteren High Street) und rechtwinkligen Seitenstraßen entwickelt. Im Norden und Osten verlaufen die Straßen dagegen eher unregelmäßig. Eine solche städtische Siedlung ist auch schon vor 940 Shrewsbury am oberen Severn mit seiner Münzstätte, dort, wo der Fluss so schmal ist, dass eine Brücke hier bald England mit dem walisischen Hinterland verbinden kann. Im Domesdaybook wird es dann als borough bezeichnet werden.

 

Adel lebt sowohl auf dem Lande wie auch in städtischen Niederlassungen, wo er in einer Art Gilden Treffen abhält.

 

Handel etabliert sich in den englischen frühen Städten für die Versorgung mit Nahrung, Rohstoffen und Energie (Holz) für das Handwerk. Töpferwaren werden von einer Stadt in die andere gehandelt, bald auch einfache Tuche.

 

 

Im gallischen Franken wiederum ist der burgus die offene Siedlung vor der Stadt, das, was im germanischen Osten sich als Neustadt etabliert. Möglicherweise (Pitz, S.110) soll dieser Begriff Händler- und Gewerbesiedlungen von den agrarisch geprägten Vorstädten unterscheiden. In beiden Fällen aber (in Italien selten auch als borgo überliefert) dient die Stadtfestung als Fluchtburg im Moment der Bedrohung von außen.

 

Mit dem Aufstieg der Robertiner im 10. Jahrhundert und den von ihnen gestellten Königen wird Orléans anstelle von Paris Schwerpunkt des Reiches, wo erhebliche Bautätigkeit einsetzt. Andererseits bekommen sie St.Denis in ihre Hand.

 

Wie auch andere Städte ist Toulouse markiert durch die gräfliche Burg, das Château Narbonnais, die Kathedrale Saint-Étienne, Bischofsitz, Klöster, hier vor allem Saint-Sernin (des heiligen Saturninus), um das sich ein suburbium bildet, und durch Pfarrkirchen samt einem Handwerkerviertel. Graf (seit der Mitte des 9. Jahrhunderts), Bischof und Abt bilden so eigene Machtzentren. Nur langsam wachsen die einzelnen Teile zusammen. 

 

 

In den Niederen Landen haben sich schon im 9. Jahrhundert Siedlungskerne wie Brügge, Dinant, Gent, Maastricht, Huy, Namur, Tournai herausgebildet, die die sich allesamt im 10.Jahrhundert stadtähnlich entwickeln. In Flandern bilden sich Ansiedlungen an Klöstern. Um 950 kommt in Gent dazu die Grafenburg mit ihrer Besatzung und mit einer Handwerkersiedlung und einem Marktflecken (portus) in der Nähe.

Die Marktsiedlung erhält ihre Privilegien samt Münze und Zoll vom Grafen, Grund und Boden gehören zu den Klöstern, die zunächst einen Zins kassieren, der dann immer mehr an Bedeutung verliert. Schon im 10. Jahrhundert gibt es am Tag des Hl. Bavo einen großen Jahrmarkt, für den Wolle von den Ländereien der beiden Abteien geliefert wird. Seit dem späteren 11. Jahrhundert führen sie zudem bessere englische Wolle ein. Für diese Zeit bezeichnet Schulz Gent bereits als Stadt. (S. 32)

Ebenfalls im 10. Jahrhundert entwickeln sich über Handel auch Antwerpen, Deventer, Lüttich und Tiel zu Frühformen von Städten. Über Haithabu wird der Ostseehandel angebunden.

 

 

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Im 10. Jahrhundert wird Quedlinburg die Königspfalz, in der die ottonischen Herrscher das Osterfest feiern. 922 taucht es zum ersten Mal als villa quae dicitur Quitilingaburg in einer Urkunde König Heinrichs I. auf. Dieser bestimmt den Ort dann auch zu seiner Grablege. Nach seinem Tod im Jahr 936 in Memleben wird sein Leichnam in der Pfalzkapelle auf dem Quedlinburger Schlossberg bestattet. Seine Witwe Mathilde lässt sich von Nachfolger Otto I. die Gründung eines Damenstiftes mit der Aufgabe der Totenmemorie bestätigen. 

Otto I. besucht Quedlinburg in unregelmäßigen Abständen zur Feier des Osterfestes und zu den Gedenktagen seines Vaters. Auf dem Oster-Hoftag 966 wurde Ottos Tochter Mathilde als Äbtissin mit der Leitung des Damenstiftes betraut.

Der größte und glanzvollste Hoftag Ottos des Großen findet 973 statt. Unter den Teilnehmern sind Boleslav I. von Böhmen, und Mieszko I., Herzog der Polanen.

Otto III. verleiht 994 dem Stift dann das Markt-, Münz- und Zollrecht. In dem Privileg enthalten ist, dass in einem Umland drum herum kein weiterer Markt eingerichtet werden darf.