INTELLEKT 3: DAS FÜNFZEHNTE JAHRHUNDERT (in Arbeit)

 

 

Humanismus

Papier, Druck, Buch

Gesellschaften

Schulen

Sogenannte Universalgenies

Medizin

Renaissance-Kunst

 

 

Entfalteter "Humanismus" (derzeit in Arbeit)

 

Schon im 14. Jahrhundert nimmt die Suche nach "klassisch"-antiken Texten zu. Ein Randphänomen bleibt 1417 die Entdeckung von Lukrez 'De rerum natura' in einem Kloster durch Poggio Bracciolini, der gerade mit einem in Konstanz abgesetzten Papst seinen Dienstherrn verloren hat.

1380 wird Poggio in Terranova im Herrschaftsgebiet von Florenz geboren. Ein Großvater und sein Vater sind Notare gewesen. Nach finanziellen Problemen der Familie muss sie nach Arezzo umziehen, wo Poggio wohl eine Schule besucht. Irgendwann in den 1390er Jahren zieht er nach Florenz. Um 1400 gelangt er in den Gesprächskreis von Coluccio Salutatis und entwickelt eine lesbarere Schreibschrift. Er tritt dann als Scriptor in den Dienst von Päpsten, u.a. von Baldassare Cossa (Johannes XXIII.). Nach Konstanz ist er nach einem kurzen Aufenthalt in England wieder in päpstlichen Diensten. 1453 bis 1458 ist er Kanzler in Florenz.

 

Mit dem Aufspüren "klassisch"-antiker Texte, ihrer philologischen Untersuchung und moralisierenden Texten in einem möglichst klassischen Stil lässt sich nur dann Geld verdienen, wenn man seine Talente den Reichen und Mächtigen andienen kann. Die erfreuen sich an Texten wie denen von Poggio Bracciolini, der gegen die Habgier wettert, ohne sich von so etwas beirren zu lassen. Unter anderem in Diensten fürstlicher Päpste schafft dieser es bis in die 1450er Jahre laut Lauro Martines, einen Stadtpalast und ein Landgut, insgesamt 19 Grundstücke und zwei Häuser in Florenz zu erwerben, dazu kommt er zu großen Einlagen bei Banken und anderen Geschäftshäusern. (nach: Greenblatt, S.30)

 

Ein Leonardo Bruni wird wie vor ihm Coluccio Salutatis bis zum Staatskanzler von Florenz aufsteigen.

 

(Inwieweit sie Fürstenknechte sind, formuliert ihr bedeutender nördlicher Vertreter Erasmus von Rotterdam am schönsten:

Ihrem frommen Sinn verdanken wir es, dass überall wie auf ein gegebenes Zeichen die glorreichen Geister aufwachen, emporsteigen und sich untereinander verbinden sehen, um die guten Wissenschaften wiederherzustellen. (Brief an Wolfgang Fabricius Capito 1517, so in: Huizinga, S.38))

 

 

Philologie

Was dabei langsam schwindet, ist das „mittelalterliche“ Interesse an Philosophie, welches auf die Universitäten abgedrängt wird, wo die Scholastik akademisch erstarrt ist. Das theoretische Interesse schwindet dann auch zugunsten eines, welches nach praktischer, politischer Anwendung drängt. Dabei entwickelt sich aber als etwas Neues die Philologie, die sich auf die Rekonstruktion der in der Überlieferung verdorbenen Texte der „Klassiker“ konzentriert und dabei ein insofern kritisches Lesen entwickelt. Am bekanntesten heute ist Lorenzo Vallas kritische Lektüre der „Konstantinischen Schenkung an das Papsttum“, die er 1440 als Fälschung entlarvt. Hier kommen mustergültig „wissenschaftliches“ Arbeiten, politisches Interesse und Säkularisierungstendenz zusammen. 'Elegantiarum linguae Latinae libri sex' wird zu einem Meisterwerk historisch-kritischer Philologie.

Als Juristensohn aus niederem Adel steigt er durch seine studierende Belesenheit der Klassiker auf an den Hof des Königs von Aragon, umd schließlich an den päpstlichen Hof, um als Rhetorik-Professor zu enden. Inzwischen sind humanistische Karrieren auch an der Universität möglich.

 

Erweiterung des Horizontes

Coluccio Salutatis hat Griechisch kaum beherrscht, aber er ist von den alten Griechen fasziniert. 1397 richtet er in Florenz einen Lehrstuhl für griechische Sprache ein, auf den er den Griechen Manuel Chrysoloras beruft. Chrysoloras berühmtester Schüler wird dann Leonardo Bruni werden, der später  Platon, Aristoteles, Demokrit und Plutarch übersetzt.

1439 soll auf dem Konzil zu Florenz Cosimo de Medici durch einen byzantinischen Gelehrten vom Platonismus neoplatonistischer Prägung überzeugt worden sein. Poggio übersetzt Lukians Eselsroman ins Lateinische. Um 1453 übersetzt mit Carlo Marsuppini ein Nachfolger Leonardo Brunis im Florentiner Kanzleramt Homers Ilias ebenfalls ins Lateinische.

 

Leonardo Bruni (1370-1444), aus niederen Kreisen in Arezzo stammend,wird wie Niccolò Niccoli und andere in den engsten Gesprächskreis um Coluccio aufgenommen. Er wird Sekretär mehrerer Päpste und begleitet wie Poggio Bracciolini einen von ihnen auf das Konzil von Konstanz. Zurück in Florenz widmet er sich dem Studium der Geschichte dieser Stadt. 1427 wird er Nachfolger Coluccios im Spitzenamt der Stadt.

Er schreibt Biographien von Dante und Petrarca in der florentiner Volkssprache und setzt sich für deren Verwendung ein.

Er gehört zu denen, die am ungeniertesten bildungsbürgerliche Vorstellungen vertreten, wenn er erklärt, dass Reichtum eine Voraussetzung zum Glück sei und denen, die ohne Vermögen sind, die Möglichkeit "wahrer Tugend"  abstreitet.

 

Niccolò Niccoli entstammt einer der reichsten Familien von Florenz, die u.a. mit Wollhandel und Geldgeschäften ihren Reichtum begründet hat. Schon vor 1400 steigt er aus den Geschäften aus und wendet er sich ganz dem Sammeln von Büchern und Altertümern zu. Er ist auch nicht an öffentlichen Ämtern interessiert. Sein Interesse richtet sich auf griechische Texte und antike Geschichte, wobei er offenbar enorme Kenntnisse anhäuft. Als er 1437 stirbt, kauft Cosimo de Medici gemäß seinem Testament die rund 800 Handschriften seiner Bibliothek und überlässt sie etwas später San Marco als Grundstock einer öffentlichen Bibliothek.

 

Marsilio Ficino (1433-99) studiert mit Unterstützung von Cosimo de Medici Aristoteles und ist eine kurze Phase lang von Lukrez begeistert, bevor er dann ganz vom Neoplatonismus eingenommen wird, wobei ihn die Medici-Familie weiterhin großzügig unterstützt. 1484 kommt seine komplette Übersetzung der Platon-Dialoge in Druck. Darauf macht er sich an die Übersetzung der Enneaden des Plotin. Insgesamt bemüht er sich um eine Synthese von Platonismus und Christentum, wobei er in seiner Interpretation u.a. von Platons 'Symposion' über Seele und das Schöne philosophiert, was die Kunst von Leuten wie Botticelli (im Umfeld von Lorenzo de Medici) beeinflusst.

Der Rückgriff auf Plato und Plotin mit seinem Versuch, Christentum philosophisch zu retten, im Einklang mit der politischen Macht des medicäischen Großkapitals, wird aber den Weg in eine kritische Skepsis insofern nicht lange verbauen, als parallel dazu andere, von Kirche und Philosophie unbelasteter, sich mit den Gesetzen des Kosmos neue Wege gehen werden.

 

 

Mit dem zunehmenden Sammeln von Handschriften antiker Texte und Skulpturen beginnt in seiner massiven Rückwärtsgewandtheit etwas Neues: Dem Fortschrittsglauben des Kapitalismus wird in "gebildeten" Kreisen zunehmende Irritation über die Gegenwart entgegen gesetzt. Mit dem Rekurs auf die Antike wird "Bildung" zum Kontrapunkt für Erfahrungen von Wirklichkeit, im 18. Jahrhundert ebenso wie "Kultur" Fluchtpunkt für Teile eines neuen "Bürgertums" zwischen Adel/Kapital und (produktiver) Arbeit.

 

 

Was solche Menschen von der Kirche halten, lässt sich punktuell erschließen, und auf eine bequeme Art sind sie wohl irgendwie Christen. Als Poggio Bracciolini die Verbrennung von Hieronymus, einem Predigerkollegen von Hus, in Konstanz miterlebt, schreibt er an Leonardo Bruni:

Es war erstaunlich, mit wie gewählten Worten, mit wie dichten Argumenten, mit welcher Zuversicht er seinen Gegnern antwortete. So beeindruckend war sein Auftreten, dass man sich doch sehr wundert, dass ein Mann von so edlem und ausgezeichnetem Geist sich in Ketzerei verirrt haben sollte. Ich kann mir nicht helfen, in diesem letzteren Punkt hege ich einige Zweifel. Leonardo antwortet ihm u.a.: Ich muss dir raten, in Zukunft über solche Themen in einer bedachteren Weise zu schreiben. (in: Greenblatt, S.182)

Vielleicht heißt das vor allem, dass Poggio nicht versteht, dass ein Mensch von solchem Niveau sich überhaupt in die Netze religiöser Dispute begibt?

Dass Leute wie Petrarca oder Poggio wenig von der Bändigung der Geschlechtigkeit in der Ehe halten und sie stattdessen mit Geliebten samt unehelichen Kindern ausleben, passt zwar zu klerikaler Wirklichkeit, aber nicht zu offiziell deklariertem Christentum. Wenn Poggio mit 56 Jahren dann doch noch eine Achtzehnjährige aus vornehmem Haus heiratet, begründet er das in einem Text damit, dass junge Mädchen für alte Greise den Vorteil hätten, noch wie Wachs geformt werden zu können. Zu den vielen früheren, unehelichen Kindern kommt er dann noch zu sechs ehelichen, wobei die ersteren im Dunkel der Geschichte verschwunden sind.

 

Über den Humanismus entwickelt sich eine Art von Wissen von der Welt, welches Teile der alltäglich erfahrbaren Wirklichkeit ausschließt. Je mehr Kenntnisse davon von einzelnen Spezialisten erworben werden, desto mehr geht dieser Humanismus in das über, was viel später Bildungsbürgertum genannt wird, das Ansammeln von ein wenig Kenntnissen von vielem, Halbwissen in vielen Bereichen, und der Versuch des Ideologisierens dieses Halbwissens als Versuch, damit noch eine Gesamtschau zu erreichen.

 

 

Natur

Während unbelebte Welt immer mehr zum Forschungsobjekt wird, ist sie längst einem Naturbegriff unterworfen, der Natur (u.a.) als das nicht vom Menschen Geschaffene versteht. Tatsächliche (lebendige) Natur wiederum gilt weiterhin als bedrohlich, sofern sie sich nicht antikisierend einer annehmlichen Parklandschaft annähert. Als Leonardo Bruni nach Konstanz zum Konzil gereist ist, schreibt er über die Alpen-Überquerung:

Doch so viele Berge, so viele Felsen, so zahlreiche und lang gestreckte Bergrücken, so viele Gipfel, so viele Höhen stellten sich uns überall in den Weg, dass man sich fragen muss, was die Mutter und Bildnerin der Welt, die Natur, bezweckt haben kann, als sie dies alles erschuf. Mich wenigstens hat ein gewisser Schauder, aber auch Ehrfurcht ergriffen, als ich jene ewigen und aneinanderhängenden Massen betrachtete, und ich kann sie mir auch jetzt nicht in Erinnerung rufen, ohne zu schaudern. (in: Keupp/Schwarz, S.134)

 

Nicht mehr Gott oder die Götter ist hier Subjekt, sondern "die Natur", die aber stört, soweit sie nicht menschengerecht zugerichtet ist. Der pathetische Ton erinnert an Petrarcas Beschreibung seines Aufstiegs auf den Mont Ventoux.

 

 

Geschichte

Die langsame Entchristianisierung der Weltsicht, die Verlagerung der Ursachen in innerweltliche Zusammenhänge, schafft zwar eine neue Geschichtsbetrachtung zumindest was die Geschichte der eigenen Stadt betrifft, wie man an der Entwicklung der Chroniken der Villani Vater und Sohn bis zur Geschichte von Florenz des Macchiavelli sehen kann. Menschliche Interessen, Absichten und Zwecke beginnen zunehmend die Weltsicht zu bestimmen.

 

 

Humanisten

 

Aeneas Sylvius Piccolomini

Er wird 1405 in Corsignano nahe Siena geboren. Der Pfarrer unterrichtet ihn zunächst. Mit 18 kommt er nach Siena und beginnt begeistert zu studieren, unter anderem mit Büchern, die er sich leiht und selbst kopiert. 1431 wird er Sekretär eines Kardinals, mit dem er zum Konzil von Basel reist. Von dort geht es nach Feising und Mailand als bischöflicher Sekretär. Dann wird er nach Schottland geschickt, wo er einen unehelichen Sohn hinterlässt. 1432 schreibt der Bewunderer Boccaccios seine 'De duobus amantibus', eine Liebesgeschichte mit frommem Ausgang. 1442 wird er Hofpoet bei Kaiser Friedrich III., für den er sich acht Jahre in deutschen Landen aufhält. Nach einem zweiten unehelichen Sohn wird er als Diakon ordiniert und lebt nun keuscher. 1447 wird er Bischof von Triest und 1451 von Siena. Papst Calixt III. (Alfonso Borja) macht ihn zum Erzbischof. Seine verbannte Adelsfamilie kann nun dorthin zurückkehren und verewigt sich mit der dortigen Loggia und einem Stadtpalast.

 

 

Gesellschaften

 

In großen Teilen Frankreichs, wohl vor allem im Norden, entwickeln sich im 15. Jahrhunderts aus religiösen Bruderschaften die Puys, eine Art literarische Gesellschaften, die jedes Jahr Wettbewerbe organisieren, meist zu Ehren der Jungfrau Maria. So muss das Oberhaupt des Puy von Rouen dreimal im Jahr eine Ballade zu ihren Ehren produzieren. Man zeichnet darüber hinaus einen Schönredner aus.

Daneben gibt es Chambres de Rhétorique, die Schauspiele aufführen und Poesie-Wettbewerbe veranstalten.

 

1449 werden im englischen Norwich die zwölf Spiele des Fronleichnamsfestes auf die einzelnen Gilden verteilt. 1465 steht in den Verordnungen zu den Schmieden des kleinen Beverly in der Grafschaft Yorkshire, dass jeder für das Fastnachtsspiel 4 Denare entrichten muss. (Heers(2), S.228)

 

Anfang des 16. Jahrhunderts führen die Pariser Gerichtsschreiber dann nicht mehr Mysterien, sondern komisch-satirische Moralitäten als regelrechte Theaterstücke auf.

 

Schulen

 

Das Schulwesen wanderte einst von den Klöstern zu den Kathedralen und diente zunächst dem geistlichen Nachwuchs. Dann breitet es sich in den Städten aus, wo es in deutschen Landen zunächst immer noch um die Geistlichkeit geht. Im 14. Jahrhundert hat Nürnberg vier Lateinschulen u.a. bei St. Lorenz und St. Sebald. Dann tauchen Schreib- und Rechenmeister auf, die auf die weltlichen Interessen besonders von Kapitaleignern ausgerichtet sind und Lesen, Schreiben und Rechnen mit kaufmännischem Rechnen verbindend. Solch volkssprachlicher Unterricht muss dann auch bezahlt werden.

 

 

Papier, Druck, Buch

 

Zwei Dinge vor allem werden die Welt des Schreibens und Lesens erheblich verändern: Der Ersatz des enorm teuren Pergamentes durch das Papier und noch erheblich später der Buchdruck. Das Papier, ein pflanzliches Produkt, gelangt von China über die Islamische Welt nach Spanien und Süditalien und im späten Mittelalter auch über die Erfindung von Papiermühlen und die Verfeinerung von Herstellungsmethoden ins Zentrum Europas, ist aber für unsere Zeit hier noch nicht im christlichen Raum in Gebrauch.

 

Die so genannten Universalgenies

 

Die Renaissance ist das große Zeitalter Einzelner, die manchmal zugleich "Künstler" im späteren Sinne, Ingenieure/Architekten und protowissenschaftliche Theoretiker sind. Zu ihren Grundlagen gehört ganz wesentlich das Studium antiker Texte, worunter Vitruv für die Architektur, Archimedes und die alexandrinische Schule für die Mechanik herausragen. Der weit fortgeschrittene Kapitalismus liefert die Mittel, dass sich Fürsten ihrer bedienen können, und eröffnet so Leuten aus der Unterschicht und den unteren Mittelschichten neue Karrierewege. Nicht zum Adel und dem bürgerlichen Kapital gehörend, können sie des öfteren sogar zu einem gewissen Reichtum aufsteigen. Sie partizipieren aber nicht an der Macht, sondern sind ihr in der Regel dienstbar, um sich zu finanzieren.

 

Kunst ist immer noch das, was einer kann, es sind die freien Künste (artes liberales) und die mechanischen, die von oben herab eher verachtet werden, andererseits aber sich inzwischen mit einem gewissen Selbstwertgefühl ausgestattet haben und von denen einige aufgewertet werden: Die der Baumeister, Skulpteure und Maler sowie der Goldschmiede, wenn sie denn auf der Höhe der neuesten Mode sind. Diese setzt sich aus der ästhetisch-stilistischen Neuerung und der technischen Innovation zu etwa gleichen Teilen zusammen.

Gut sichtbar wird das bereits in der Geometrisierung der "gotischen" Architektur, die lichtdurchflutete größere und höhere Räume mit der massiven Reduzierung des Mauerwerks erzielt und dafür Stabilität durch Berechnung neuer Abstützungswerke erreicht.

In der Malerei bedarf es wenige Generationen später der Perspektive, um besser "Realität" vortäuschen zu können, und diese entwickeln Leute wie Dürer und seine italienischen Vorbilder durch mathematische und insbesondere geometrische Kenntnisse. Daneben wird die Abbildung sichtbarer "Realität" durch die Schärfung zeichnerischen Vermögens vorangetrieben. Renaissancemaler wie Dürer oder Leonardo und viele andere sind hervorragende Zeichner vor allem. Die Zeichnung wiederum wird wichtig für die Ingenieurskunst der Architekten und Maschinenbauer, und für Leute wie Leonardo wird die technische Zeichnung bis hin zum Entwerfen phantastischer Maschinen auf dem Karton zu einer Haupttätigkeit. Die Reichen und Mächtigen benutzen solche Talente nicht nur, um sich damit zu schmücken, sie lassen sich von ihnen manchmal auch Festungswerke, Waffen und anderes Kriegsgerät entwickeln. Brunelleschi ist gelernter Goldschmied, dann wird er Bildhauer, bevor er die berühmten Gebäude in Florenz entwirft.

 

Seit der beginnenden Romantik des späteren 18. Jahrhunderts wird in diese Genies etwas priesterhaft Offenbarungsmäßiges hineingesehen, was diesen Dienern von Kapital und Macht zunächst eher fremd war, auch wenn es bei Leuten wie Michelangelo bereits durchzuscheinen vermag. Die unter den Rahmenbedingungen des voranschreitenden Kapitalismus sich ausbreitenden Säkularisierungstendenzen, noch kaum als solche erkannt, fangen so an, die Priesterschaft hochtalentierter "Künstler" neuen Wortsinnes, worunter auch die sich in Büchern verbreitenden Schriftsteller zu fassen sind, an die Stelle der alten Priesterschaft treten zu lassen. 

 

Tatsächlich sind diese neuartigen Künstler bis ins 16. Jahrhundert hinein oft noch zünftig organisierte Handwerker, immerhin produzieren die Malerei-Werkstätten ihre Farben noch aus natürlichen Rohstoffen. Duccio, Stern unter den Seneser Malern, ist auch für die Stadt mit Brunnenbau befasst. Mariano di Jacopo ("Taccola") betreibt zunächst in Siena Bildschnitzerei, ist zudem Notar, arbeitet dann in Genua für den Ausbau des Hafens und ist schließlich beteiligt am Bau eines Wasser-Reservoirs. (Stevenson, S.238) Er wird Miglied der Casa de sapienza, aus der die Seneser Universität hervorgehen wird.

Unter seinem Einfluss entwickelt sich Francesco di Giorgio Martini, später Freund von da Vinci und Bramante. Er lernt bei Vecchietta, einem Maler, Bildhauer (Bronzeguss), Architekten und Militär-Ingenieur. Dann verbessert er die Wasser-Versorgung von Siena, um schließlich mit Federico da Montefeltro über Probleme angewandter Mathematik zu diskutieren. 1495 lässt er unter Neapels Castel Nuovo Schießpulver explodieren, was einen Teil der Festung zum Einsturz bringt. In einem Aufsatz über Architektur von ihm heißt es:

Da man heutzutage deutlich sieht, dass eine Anzahl geometrischer Formen unterschiedlicher Länge und Breite mit einer Vielzahl verschiedenartiger  Angriffe übereinstimmt, scheint es mir nicht unangebracht herauszufinden, welches diese Formen sind. (in: Stevenson, S. 244)

Bedenkenloser Beitrag zur Macht und dem kriegerischen Erfolg der Mächtigen gehört bei diesen "Genies" dazu. die weit über die Karrieren üblicher Handwerker hinausgehen.

 

Ansonsten sind es eher die Poeten und Komponisten, die anfangen, sich aus handwerklichen Strukturen zu emanzipieren. Im Unterschied zu den "bildenden" Künstlern bleiben sie aber überall dort arm, wo sie nicht in die Dienste von Fürsten treten oder peinlich-liebedienerisch deren Lob singen. Immerhin wird die Verbilligung des Papiers und der Buchdruck im 16. Jahrhundert neue Einkommensquellen mehr oder weniger gewähren.

 

Medizin

 

Das Wort wird im 13. Jahrhundert aus der lateinischen ars medicina übernommen, was Heilkunst meint.

Den Arzt gibt es schon im Althochdeutschen, aber das Wort wird im wesentlichen seit den Leibärzten der Merowinger-Könige auf solche hochgestellte Personen angewandt. Das häufigere Wort in der Volkssprache wird für das spätere Mittelalter der "Doktor", eigentlich der gelehrte, mit Abschluss versehene Mann.

 

Bis ins 17. Jahrhundert und den Anfängen einer verwissenschaftlichten Medizinalkunde teilt sich das Heilwesen in drei Bereiche: Den soliderer Erfahrungsheilkunde, den spekulativer Theoriebildung und den gänzlich phantastischen religiösen und parareligiösen Unfugs.

 

Das Heil wird von der christlichen Kirche für die Religion in Anspruch genommen. Im Heilen steckt aber nicht nur die Errettung der christlich vorgestellten Seele, sondern auch das Gesundmachen des Körpers. Beides können "heilige" Objekte erreichen, Reliquien vor allem, wobei Suggestion bei Erfolg sicher eine wesentliche Rolle spielt.

 

Von den Reliquien ist nur ein kurzer Weg zu anderen Wundermitteln wie der Alraune, Mandragora, einer vom Mittelmeerraum nach Süden verbreiteten Wurzel mit menschenähnlicher Gestalt. Einerseits Basis für Medizin seit der Antike, ist sie zugleich für viele ein Gegenstand, mit dem man vielerlei Zauberei betreiben kann.

 

Größeren Schaden richtet die antike Humoraltheorie des Hippokrates und Galenus an, welche Gesundheit als ausgeglichenes Verhältnis von vier Körpersäften benennt. Da sind die gelbe Galle (cholera), die schwarze Galle (melancholia), das Blut und der Schleim (phlegma), von denen vier Temperamente abgeleitet werden. Aus der Dominanz solcher noch weiter diversifizierter Körperflüssigkeiten werden dann Krankheiten und Heilmethoden abgeleitet. Auf diesem Wege geraten Schulen akademischer Medizin bis in das 17./18. Jahrhunder auf Abwege, während andererseits schon Paracelsus dieses theoretische "Wissen" ablehnt. Rund 20 Jahre nach seinem Tod bildet sich in seinem Gefolge in Basel eine Medizinerschule heraus, die sich gegen die Galenusanhänger wendet und seine Drei-Prinzipien-Lehre weiterentwickelt, die auf den Grundstoffen Schwefel, Quecksilber und Salz beruht. Dabei richtet er sich gegen den allgemeinen Wunderglauben.

Die Mischung aus parareligiösen und alchemistischen Elementen richtet nicht nur mit ihrer Art rein spekulativer Theoriebildung ebenfalls großes Unheil an, sondern wird im Zuge der Säkularisierung des 18.-20. Jahrhunderts parareligiösen Sehnsüchten insbesondere nach einem harmonisierten und "spiritualisierten", also antiintellektuellen Weltbild auf die Sprünge helfen, wie es sich von Goethe bis zu Esoterikern wie den Anthroposophen und dem Unfug der "Homöopathie" niederschlagen wird. 

 

Erfahrungsmedizin ist sicher bis ins 17./18. Jahrhundert, als die Verwissenschaftlichung einsetzt und darüber hinausgeht, der heilsame Zweig des Medizinwesens und Unwesens. Sie gewinnt schon früh Spezialisten und insbesondere Spezialistinnen, die sich vor allem mit Kräuterheilkunde im weitesten Sinne befassen und dabei dort, wo das überhaupt helfen kann, durchaus erfolgreich sind

 

Zwischen Erfahrung und antiker Spekulation bewegen sich zunächst einige Medizinschulen wie die von Salerno, aus denen akademische Medizin des Mittelalters hervorgeht. Kenntnis vom menschlichen Körper gewinnen Wundärzte, die bis ins 18. Jahrhundert auch den Militärs in die Kriege folgen und bei den Verletzungen tief in die Menschen hineinschauen können. Durch die bei Körperstrafen erworbene Kenntnis der Anatomie erwerben sich auch Henker eine gewisse Expertise. Bis ins 17./18. Jahrhundert bedienen sie allerdings, oft wohl in bewusst betrügerischer Weise, auch die Gläubigkeit der Menschen, die zu Salben geronnene Leichenteile, insbesondere Fett von mit dem Tode Bestraften als Heilmittel verkaufen.

 

ff

 

Renaissance-Kunst

 

Das merkwürdige Wort Humanismus ist eine deutsche Erfindung des frühen 19. Jahrhunderts, während der Begriff Renaissance als italienische „Wiedergeburt“ schon in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhundert zur Beschreibung eines Programms der Wiederaufnahme antiker Äthetik in den bildenden Künsten verwendet wurde. Als Epochenbegriff mit seinen ganzen bildungsbürgerlichen Konnotationen ist das Wort eine französische Erfindung einige Jahrzehnte nach der Erfindung des „Humanismus“ und wird später dann ins Deutsche eingebürgert. Beide Wörter haben den Fehler, dass sie seitdem wie eine bunt gefärbte Brille den Blick in die Vergangenheit eher behindern als fördern. Dennoch kommt man um sie wie um so viele Wortkuriositäten des 19. Jahrhunderts kaum noch herum.

 

Im Kern folgen sie den Ideologen zwischen Petrarca und der frühen „Neuzeit“ bis in das mit Barock im Nachhinein betitelte Zeitalter, die die Zeit zwischen der Antike und dem entfalteten Kapitalismus als dunkle, bildungslose Zeit einer „gotischen“ oder überhaupt von den Nachwehen der Völkerwanderung behinderten Epoche enormer Barbarei sehen wollen.

 

 

Dabei gibt es in den bildenden Künsten einen wirtschaftlich bedingten Niedergang gewisser Techniken, aber keine völlige Loslösung von antiken Traditionen, und die antike Literatur und Philosophie wird nie ganz aus den Augen verloren. Im Grunde ist die Zeit zwischen 500 und 1500 vielmehr eine unaufhörliche Abfolge von „Renaissancen“ recht unterschiedlicher Art, die sich allesamt auf die Antike beziehen, bis man dann meint, sie „überwinden“ zu können.

 

 

Gemeint ist eine "Wiedergeburt der Antike", aber sie kann natürlich auf dem Fundament von fürstlich ausgebildeterr Kirche, weltlicher Fürsten-Herrlichkeit und frühkapitalistischen Städten nur als Fassade im weitesten Sinne des Wortes wieder erstehen.

Fassade wird auch die in Ritualen und Zerremonien erstarrte Religion für eine bildende Kunst, in deren Spitzenerzeugnissen sich oft immer weniger Religiosität abzeichnet, und die sich thematisch oft immer mehr von christlichen Themen abwendet. Das zeigt sich nicht zuletzt in dem Aufstieg eines mehr oder weniger idealisierenden Portraits.

 

***Pienza***

 

Es gibt im früheren Mittelalter von Fürsten gegründete und geplante Städte. Sie entstehen aus wirtschaftlichen, militärischen und repräsentativen Gründen. Die Verwandlung des Dorfes Corsignano in der Nähe von Siena durch Aeneas Sylvius Piccolomini in die Stadt Pienza ist etwas neuartiges. Kurz nach seiner Erhebung zum Papst Pius (1458) macht sich der Kirchenfürst daran, sein Geburtsdorf von rund 300 Häusern von Schafbauern in eine durchgeplante Phantasiestadt zu verwandeln.

 

Die Idee des Renaissancefürsten beruht auf seiner Verbundenheit mit den Ideen von Leon Battista Alberti, der sie zum Beispiel in der Umgestaltung von Riminis San Francesco im Auftrag des Despoten Malatesta, im Palazzo Ruccelai und später der Fassade von Sta Maria Novella in Florenz verwirklicht. Für den Entwurf der kunstästhetisch motivierten neuen Stadt gewinnt er 1459 den florentiner Bildhauer und Architekten Bernardo Rosselini.

 

 

Hier sieht man den Piusplatz, die Kathedrale und den Piccolomini-Palast, alles von Rosellini entworfen, der bis zu seinem Tod 1464 diese zentralen Gebäude und mehr entwirft.

 

 

Zunächst setzt er in Siena durch, dass der Ort eine Stadtmauer erhält und erhebliche Erleichterungen an Steuern und Abgaben, insbesondere auch beim Kauf von Haus und Grund. Dann werden Leute zum Verkauf gezwungen, ihre Gebäude eingerissen. Mit privatem Vermögen und dem kirchlichen des Papstes

wird dann der Bau der Kathedrale, eines Hauses für den Domklerus und eines eigenen begonnen. Die Kathedrale wird dann mit kostbaren Kunstwerken ausgestattet. Es folgen ein Palazzo Communale und die Paläste eines Kardinals und geistlichen Hochadels aus der päpstlichen Anhängerschaft, gewollt oder eher genötigt.

 

Da der Papst die Stadt als seine erbauen lässt, nennt er sie nach seinem Papstnamen. Seine Verwandtschaft lässt ebenfalls Gebäude errichten und die ersten Bischöfe werden denn auch Piccolomini sein.

Die aus dem neuen Zentrum vertriebenen Einwohner dürfen sich mit päpstlicher Unterstützung an der Peripherie neue Häuser bauen und andere werden dabei unterstützt, ihre bisherigen stilistischer Innovation zu unterziehen.