HANSE (1350-1500) (Derzeit in Arbeit)

 

 

Die Hanse 

 

 

 

Die Hanse

 

Ein Stück weit staatlichen Charakter haben nur jeweils die miteinander verbundenen Städte, nicht das Bündnis selbst, auch wenn es immer wieder einmal kurz fast wie ein Staat auftritt. Tatsächlich ist die Hansestadt die politische Form, die lokales Großkapital annimmt, und die Hanse die Kooperative der großen Handelskapitalien zwischen Zuiderzee und dem Baltikum, so wie sie sich in Städten zusammengeschlossen haben.

 

Während die großen Küstenstädte weiter politisch in den Händen eines Handelspatriziats sind, beginnen mit Braunschweig 1374 kapitalkräftigere Handwerke manchmal in "Schichten" Räte abzusetzen und eigene Vertreter zu fordern, wie auch 1423/25 in der Halberstädter Schicht. Dagegen hat sich schon vor 1360 ein sächsischer Städtebund gebildet, um die patrizische Dominanz zu sichern.

Nachdem Braunschweig 1375 der Verhansung anheimfällt, muss es nach einigen Jahren nachgeben, kehrt aber nicht ganz zur alten Verfassung zurück. (siehe weiter unten).

 

1387 wird der Rat in Anklam in einem Sturm auf das Rathaus ermordet. Auf Veranlassung von Lübeck setzt Stralsund die Aufrührer ab.

Der Stralsunder Karsten Sarnow, Gewandschneider und seit 1380 ihr Altermann, wird 1389 in den Stadtrat gewählt. 1391 gelingt es ihm nach einer erfolgreichen Aktion gegen Seeräuber und der spektakulären Hinrichtung von über 100 von ihnen in der Stadt gegen den Willen des Patriziats Bürgermeister zu werden. Von dort aus versucht er eine stärkere Beteiligung der Ämter (Zünfte) am Stadtregiment zu erzwingen. Außerdem will er eine bessere Rechenschaft über die städtischen Gelder. Eine kleine Opposition setzt sich nach Lübeck ab und betreibt von dort die Verhansung Stralsunds. 1393 ist die Not in der Stadt so groß, dass Sarnow zum Tode verurteilt und auf dem Alten Markt hingerichtet wird.

 

Es handelt sich aber dabei zunehmend um eine Art Zweifrontenkrieg des Handels-Patriziats, da nicht nur das wohlhabendere produktive Gewerbe, sondern auf der anderen Seite auch das landesherrschaftliche Fürstentum seine (politische) Macht bedroht, und das zunehmend mit Erfolg.

 

Ein einschneidendes Ereignis wird die Niederlage des Deutschen Ordens bei Tannenberg, mit der dessen Niedergang einsetzt. Adel, Bischöfe und Städte vertreiben darauf den Orden, dem aber mit dem Thorner Frieden 1411 ein glimpfliches Ergebnis gelingt, worauf er die Bürgermeister von Danzig und Thorn hinrichten lässt.

In den nächsten Jahrzehnten verzettelt sich der Orden in Kriegen gegen den Adel, die Städte, gegen Polen und Litauen. 1440 bilden rund 40 Adelige und 20 Städte einen Bund, erklären 1454 dem Orden den Krieg, besiegen ihn und bieten König Kasimir IV. von Polen die Anerkennung seiner Oberhoheit an. In den folgenden 13 Jahren Krieg wird Westpreußen polnisch und der Orden behält von Königsberg aus nur noch Teile Ostpreußens. Danzig wird dabei immer selbständiger und selbstbewusster.

Das ist auch die Zeit des endgültigen Niedergangs von Nowgorod.

 

1447 beschließen 39 Städte in Lübeck eine tohopesate auf zehn Jahre, um sich gegenseitig bei unrechter Gewalt zu helfen. Das Bündnis von 64 Städten reorganisiert sich in geographische Viertel. Upsetters von Seiten der produzierenden Gewerbe und ihrer Gilden sollen mit Hilfe der Nachbarstädte unterdrückt werden.

 

In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts setzt dann ein breiter Schwundprozess politischer Macht der großen Kapitalien in vielen Hansestädten ein, die deren De-Facto-Freiheit schwinden lässt.

Mit der Erkenntnis, dass sich nun auch unter fürstlicher Herrschaft in enger Kooperation mit dieser gute Geschäfte machen lassen, schwindet dann überhaupt der politische Freiheitsgedanke großer Handels- und Finanzkapitalien zumehmend.

 

Die Hanse

 

Ganz anders als der Mittelmeerraum mit seinem massiven Konkurrenzkampf zwischen Staatstaaten und Königreichen hat sich im Nord- und Ostseeraum aus dem Verbund von Händlern einer Stadt und eines Handelszieles im 14. Jahrhundert ein machtvoller Städtebund entwickelt, der seine Interessen zur Not auch mit massiver Gewalt verfolgt. Im Westen sind zunächst Brügge und dann zunehmend Antwerpen die zentralen Umschlagplätze, wobei beide als Finanzplätze von italienischem Kapital beherrscht werden. Im Zentrum steht Lübeck, im Osten gewinnen livländische Städte an Bedeutung. Der Handelsraum umfasst Flandern, England, Norddeutschland bis zum Baltikum, Skandinavien und Russland. Lübisches Recht und niederdeutsche Sprache verbinden die Räume ebenso wie ein Netzwerk von Privilegien.

 

Die erste große Pestwelle trifft in Hanseraum besonders Norwegen sehr stark, wo vielleicht sogar mehr als die Hälfte der Bevölkerung stirbt, darunter ein Großteil des Adels. Das Land wird darum jetzt für seine Versorgung sehr abhängig von Hanseschiffen. Lübeck andererseits wird erst 1367 und dann noch einmal 1376 stärker betroffen, was aber offenbar seinem Handel kaum großen Abbruch tut.

 

Das wichtigste Ziel des Hansekaufmanns im Fernhandel ist es, möglichst überall gleichmäßig privilegiert zu sein, also Vorrechte zu genießen. Diese werden bis Anfang des 14. Jahrhunderts gerne von Städten, Fürsten und Königen verliehen, da Fernhandel auch den jeweils eigenen Reichtum vergrößert. Das ändert sich, als es sinnvoller wird, eigene Kaufleute zu bevorzugen.

Wichtig ist für Kaufleute, dass schon im 13. Jahrhundert für sie der gerichtliche Zweikampf verschwindet und außerdem die individuelle Schuld des Einzelnen die Gruppenhaftung zum Beispiel einer Stadt für ihren Kaufmann ablöst. Das betrifft bald auch Geldschulden.

Für den Seehandel wichtig wird bei den häufigen Havarien die Aufhebung des Strandrechtes, welches an Land gestrandetes Gut zur Beute von Küstenbewohnern macht. Da bleibt aber durchs Mittelalter im Detail Konfliktpotential bestehen.

 

Dann kommt der weite Bereich der Abgaben, insbesondere der Zölle. Für England heißt das zum Beispiel: Ein ungefärbtes Stück Tuch kostet den Hanseaten 12 Pfenning, den Engländer 14 und manche Ausländer bis zu 31 Pfennige. (Dollinger, S.246) Dazu kommt dort das Vorrecht, nicht verkaufte Waren wieder zollfrei ausführen zu können, welches umkämpft bleibt.

 

1384 beklagt sich der Dortmunder Kaufmann Christian Kelmer, dass er anders als es das Hansekontor in London vorschrieb, bei der Ausfuhr nicht verkaufter Pelze aus England den vorgeschriebenen Zoll bezahlt hat und dafür ihm seine Güter und Waren auf dem Festland abgenommen werden und möchte, dass der Geheime Rat Richards III. für ihn einen Gegenwert aus dem Londoner Kontor beschlagnahmt. (in: Dollinger, S.543) Das macht an einem Beispiel deutlich, in welchem Maße die Hanse eine Gemeinschaft ausführlicher Reglementierung des Handels ist und gewiss kein Vertreter eines irgendwie gearteten Freihandels.

 

Der Sinn der Hanse besteht also wesentlich darin, mit ihrer geballten Wirtschaftskraft für alle hanseatischen Kaufleute in gleicher Weise solche Privilegien durchzusetzen. Sich dabei benachteiligt fühlende einheimische Händler sind ihre natürlichen Gegner, die ihre Städte dazu bewegen, solche Privilegien immer wieder zu unterlaufen und Repressalien gegen die Fremden einzusetzen. Das betrifft vor allem die Kontore in London und in Brügge.

 

Als Vertretung des Großhandels sind die Münzen der Städte an Geldstabilität interessiert, die sie auch einigermaßen erreichen; sie nutzen darum Münzpolitik auch nicht gewinnorientiert bzw, durch Münzverschlechterung, wie sonst Fürsten und Könige. Zum Zweck der Vereinfachung bzw. Vereinheitlichung wird 1379 ein wendischer Münzverein gegründet, dem vor allem Lübeck, Hamburg, Wismar und Lüneburg angehören, dem drei Jahre später auch Rostock und Stralsund beitreten. "Der wendische Münzverein suchte den gemeinsam festgesetzten Feingehalt zu erhalten, den Geldumlauf zu überwachen, die Prägestätten, ihr Personal und die Goldschmiede zu kontrollieren, das nötige Silber durch Einfuhren aus Böhmen oder Braunschweig zu beschaffen und das Monopol der Städte für den Kauf und Verkauf von Edelmetall zu behaupten." (Dollinger, S.272) Er wird bis ins 16. Jahrhundert halten.

 

1340 beginnt Lübeck nach einem Privileg von Kaiser Ludwig IV. Goldmünzen zu prägen, als erste neben Frankfurt. Dabei orientiert man sich an dem Florentiner Standard. Daneben beginnt man im Wendischen Münzverein mit der Prägung der "Witte", einer neuen Vier-Pfennig-Silbermünze. Zur Orientierung für Pfennig und Witte wird die Lübische Mark als reines Rechengeld eingeführt. (Kümper, S.182)

 

Erst 1343 sind die deutschen Kaufleute als Hanse benannt, nämlich in der Bestätigung von Zollprivilegien durch König Magnus an die mercatores de hansa Theutonicorum.

Um 1350 ist jene Entwicklung abgeschlossen, die aus den Kaufmanns-Fahrtgenossenschaften eine Art Städtehanse macht, den eher lockeren Städteverbund der 1356 erstmals so erwähnten dudesche hense, der zwar keine Staatlichkeit ausbildet, aber einen Machtfaktor unter den Herrschaften des nordeuropäischen Raumes darstellt.

 

Ab 1356 etabliert sich der Hansetag als alle hansischen Städte umfassendes Verhandlungs- und Beschlussgremium. Er besteht aus von den Räten entsandten Ratsherren als deren Vertretern. Das betrifft eine gemeinsame Außen- und Kriegspolitik, wirtschaftliche Angelegenheiten und die Konflikte untereinander. Über Beschlüsse wird nicht abgestimmt im neueren Wortsinn, sondern der jeweils leitende (gastgebende) Bürgermeister fasst erzielte Gemeinsamkeit zusammen, die dann in den jeweiligen Rezess münden.Dabei haben Beschlüsse aber kaum formal bindende Bedeutung. Die Tage finden auch nur sehr unregelmäßig statt und oft auch aus akutem Anlass.

 

1358 versammeln sich im raadhuse von Lübeck raadmanne der stede Hamburg, Rostock, Stralsund, Wismar und Braunschweig, zudem von Elbing und Thorn, allesamt koplude van der Dudeschen Hense, de to Brugge to Vlanderen pleghen to wesende. Andere schicken in Briefen Generalvollmachten. (Kümper, S.108)

In drei Hansen geteilt, sind diese Leute nun aber der langsam zunehmenden Konkurrenz Nürnberger Kaufleute, vor allem aber der Holländer und der Engländer ausgesetzt, die nach 1400 dann an Fahrt gewinnt.

 

Anlass waren Klagen über die Verhältnisse in Flandern . "Münzverschlechterungen und neue städtische Abgaben schmälerten die Gewinnmargen.Wirte, Makler und Logistiker hoben ihre Preise an. Und zuletzt dehnte die Stadt auch noch ihr Stapelrecht aus und verlangte nun, dass auch Salz und Getreide, das die Kaufleute bisher untereinander (...) verkaufen durften, ausgeladen und auf dem öffentlichen Markt feilgeboten wurden"

(... Kümper, S.110)  Nach zwei Jahren Blockade geben Graf und Städte 1360 nach und dehnen die Hanse-Privilegien sogar über ganz Flandern aus.

 

In dieser Zeit der zunehmenden Bedeutung der Hansestädte gelingt es auch mehr oder weniger, die vier großen Kontore unter Hansetags-Kontrolle zu bringen, zuerst Brügge schon 1356, dann 1361 Nowgorod, während Bergen ohnehin unter enger Lübecker Kontrolle steht und London sich vorläufig etwas mehr Freiräume bewahren kann.

 

Ob es zu einer bestimmten Zeit 50 oder 150 Hansestädte gibt, muss unklar bleiben, da die Hanse keine Mitgliederlisten aufstellte. Im Gegensatz dazu schließt sie aber Mitglieder durch "Verhansung" aus, wenn sie der Herrschaft des jeweiligen Großkapitals entgleiten. Kein Mitglied ist der Deutsche Orden, sind aber die Kaufleute seiner Städte.

Auch anhand der Vertreter auf den Hansetagen lässt sich das Problem nicht lösen. In der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts machen sich nur in gut der Hälfte der Fälle überhaupt Vertreter aus allen drei Dritteln zur Tagfahrt auf. Theoretisch kann jedes der Hansedrittel acht Abgeordnete in diesen Kaufmannsrat entsenden.

 

Das Bündnis zwischen den Hansestädten wäre nach königlichem Recht des Reiches, welches Städtebünde seit Kaiser Friedrich II. weithin verbietet, eigentlich nicht legal. Wohl auch deswegen wird es als reine Handelsgemeinschaft ausgegeben, wiewohl es durch seine Bündnispolitik (insbesondere gegen Fürsten) und seine Ausrichtung gegen zünftischen Einfluss immer einmal wieder sich ein durchaus allgemeinpolitisches Mandat gibt, was nicht verwunderlich ist, denn Kapitalverwertung und Politik bilden eine offene Gemeinschaft, was bis heute nicht nur so geblieben, sondern inzwischen Kern aller Staatlichkeit auf unserer Erde geworden ist.

Aber diese Solidargemeinschaft des norddeutschen Handelskapitals reicht nur so weit, wie es auch eine wirtschaftliche Interessengemeinschaft gibt. Ansonsten setzt Köln seine nach Westfalen, England und dem Westen ausgerichteten Eigeninteressen durch und Lübeck versucht, für das übrige Gebiet seine Vorherrschaft mit seinen wirtschaftlichen Interessen durchzusetzen. So gelingt es der Travestadt zum Beispiel, nach 1388 in Bergen zu dominieren, und zwar solange, bis im Verlauf des 15. Jahrhunderts dort der englische Einfluss zunimmt.

 

Hamburg wird aufgrund der Lübecker Krise vorübergehend geschäftsführend.

Die tatsächliche Dominenz Lübecks (nach seiner inneren "Krise" bis 1416 und der erneuten Einsetzung des vertriebenen Alten Rates) wird 1418 dahingehend fixiert, dass die Stadt zusammen mit den "wendischen" Städten zwischen den Hansetagen sozusagen die Geschäftsführung innehat und zu Tagen einlädt. Die Einladungen gehen an zentrale Städte, die sie dann an regionale Vororte weitergeben und die wiederum an die kleineren Städte.

 

Auf derselben Tagung wird von Lübeck auch das politische Konzept eines zeitlich begrenzten förmlichen Städtebündnisses auf Zeit (Tohopesate, neuhochdeutsch: "Zusammensetzen") entwickelt, welches sich vor allem gegen landesherrliche Übergriffe wenden soll. Es wird allerdings jetzt noch nicht durchgesetzt, sondern zum ersten Mal 1451 mit dem Zusammenschluss von 28 Städten aus den drei Hansedritteln, auf sechs Jahre angelegt. Der Kontext sind Fehden, interne Unruhen in den Städten und Übergriffe der Landesherren wie die Übernahme Berlin-Cöllns durch den Brandenburger Landesfürsten.

Tohopesaten setzen sich dann aber in den Auflösungserscheinungen der Gesamthanse nicht mehr durch und werden durch regionale Bündnisse einzelner Hansestädte mit nichthansischen Nachbarn.

 

 

1469 schreibt der Lübecker Jurist Johannes Osthusen ein Gutachten gegen Haftungsansprüche, die die englische Krone gegen die Hanse (wohl unberechtigter Weise) stellt, und erklärt, die Hanse sei weder societas noch universitas, sondern ein loser, situativer Verband ohne bona communia. Man könne ihr so keine Kollektivhaftung auferlegen.

 

Wichtigste Rahmenbedingung für die Hanse bleibt bis gegen 1500 das mit Ausnahme von Karl IV. süddeutsch basierte weitgehende Desinteresse römischer Könige an Norddeutschland zwischen den Niederlanden und den baltischen Städten. Für sie springen die Fürsten ein, die immer wieder versuchen, Hansestädte unter ihre Kontrolle zu bekommen, was im 15. Jahrhundert dann in Einzelfällen gelingt.

 

Der eigentliche Wirkungsraum der Hanse umfasst die Nord- und Ostsee und vor allem die Städte der norddeutschen Tiefebene. Südlich davon handelt der Hansekaufmann individuell oder über Einzelverträge seiner Stadt. Wichtigster Einkaufsplatz für Waren aus Italien und dann auch Süddeutschland ist bis Ende des 14. Jahrhunderts Frankfurt/Main, welches zeitweise für die Hanse nach Süden die Bedeutung hat wie Brügge im Westen. Im 15. Jahrhundert übernimmt Nürnberg diese Funktion.

 

Größte Hansestadt bleibt durch das Mittelalter Köln, welches Ende des 15. Jahrhunderts auf deutlich über 35 000 Einwohner angestiegen ist. An zweiter Stelle folgt Lübeck mit etwa 25 000 Einwohnern um 1500 und dann Hamburg mit 20 000, welches danach Lübeck überflügeln wird. Im Osten wird Danzig so groß wie Lübeck. Aber verglichen damit sind Florenz, Mailand, Venedig oder auch Paris und London riesig.

 

In den "wendischen" Ostseestädten ist der slawische Anteil um 1300 längst assimiliert. Eine deutsche Stadt ist auch Riga mit einem deutschen Dreiviertel- Anteil und Danzig mit 10% Kaschuben und andere. Südlich davon und von Preußen steigt aber der slawische Einwanderungsdruck vom Lande her auf deutsche Stadtgründungen.

 

Die hansischen Handelsstädte werden längst weithin von einem Rat großer Kapitaleigner regiert und verwaltet, die im wesentlichen ihre eigenen Handelsinteressen und die ihrer Kollegen vertreten. Wie selten auch einmal im süddeutschen Raum und häufiger in der Nordhälfte Italiens gelingt es der Wulflam-Familie in Stralsund in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts, die Zügel des Stadtregiments mehr oder weniger alleine in die Hand zu bekommen. Sie scheitert erst, als die Geldzahlungen der Hanse an die Stadt zum Zwecke der Seeräuber-Bekämpfung nicht entsprechend ausgegeben werden. Karsten Sarnow gelingt es darauf, eine neue Stadtverfassung durchzusetzen und Bertram Wulflam muss nach Lübeck flüchten. Von dort kann er nach einem erneuten Umschwung in der Stadt zurückkehren, nachdem Sarnow hingerichtet wurde. Ein Wulf Wulflam ist dann ab 1407 dort Bürgermeister, wird aber 1409 in einer Privatfehde erschlagen.

Aber in der Regel sind es kapitalkräftige Geschlechter, die sich in Trinkstuben und Gesellschaften treffen, oft untereinander (wenigstens entfernt) verwandt sind und untereinander bleiben, welche die Städte regieren. Das sollte man bedenken, wenn man bis heute hanseatisches Flair dort werbetechnisch einsetzt. (siehe "Städte 6/7")

 

1412 wird in Lüneburg von 24 Städten eine  Art Beistandspakt bei inneren Unruhen in einer der Städte beschlossen, wobei Aufrührern kein Asyl gewährt werden darf.

 

Wichtigste Niederlassungen sind der Petershof in Nowgorod, die Deutsche Brücke in Bergen, der Stalhof in London und die Niederlassung in Brügge, die im 16. Jahrhundert dann Kontore heißen werden. In ihrem Kerngebiet strukturieren die Kontor-Städte im nordrussischen  Raum, in Norwegen, Flandern und England vorwiegend an der Küste den Handel, indem sie Zielpunkt großen binnenländischen und Seegebiete umfassenden Regionalhandels sind. Für die Ostsee gilt zudem, dass sie darüber hinaus sowieso auch idealer Transportweg für schwere und Massenwaren ist. Noch Anfang des 16. Jahrhunderts lassen die Fugger ihr Kupfer aus den Karpaten über die Weichsel und die Ostsee nach Antwerpen transportieren. (Hanse, S.114)

 

Zur Verwaltung und inneren Gerichtsbarkeit werden Vertretungen gewählt, die die Kasse führen und als Korporation ein Siegel führen dürfen. Bis auf Brügge leben die Kaufleute in diesen Niederlassungen  streng reglementiert in eigenen Vierteln und in Nowgorod und Bergen durch eine Mauer von der übrigen Bevölkerung getrennt. Es können schon mal mehrere hundert sein. Das alles erinnert an die schon früheren Niederlassungen der Venezianer, Genuesen und anderer Italiener.

Diese Kontore kennen also jene klare Mitgliederstruktur und Hierarchie, wie sie der Hanse als ganzer fehlen.

 

Neben den vier Kontoren gibt es kleinere Niederlassungen wie die in (King's) Lynn in Norfolk; Amsterdam und Sluis bei Brügge dienen dem Hamburger Bierhandel als Niederlassungen.

1346 erkennen die Hansestädte das Stapelreicht Rigas für den Dünahandel an (Hanse, S.49). Nach und nach löst sich die Stadt vom Handel mit Nowgorod und konzentriert sich auf den entlang der Düna nach Russland hinein und nach Litauen. Von dort kommen Pelze, Wachs, Holz, Asche und Teer sowie andere Produkte, während Riga dorthin vor allem Tuche, Salz und Heringe liefert.

 

Das Kontor von Nowgorod behält seine große Fläche und ansonsten auch seine Bedeutung bis tief ins 15. Jahrhundert. Es bleibt auch beim Wechsel von Sommer- und Winterfahrern, wobei beide jeweils die Kasse bei Abfahrt bis nach Visby mitnehmen und dort deponieren.

 

In Bergen besteht inzwischen die Bevölkerung zu einem Viertel aus Deutschen, wobei die außerhalb der Gaarden des Kontors hausenden Handwerker einen beträchtlichen Anteil ausmachen. Über sie gewinnt das Kontor Ende des 14. Jahrhunderts die Gerichtsbarkeit und passt auf, dass sie keinen Handel treiben.

 

 

Die Deutschen in Bergen scheinen besonders ruppig zu sein. In einer Beschwerde des norwegischen Königs heißt es unter anderem:

(,,,) wenn irgendwelche Leute des Mordes oder anderer schwerer Delikte überführt sind, werden die Übeltäter auf ihren Schiffen fortgebracht mit der Absicht, weder dem Kläger noch der Krone Genugtuung zuteil werden zu lassen.

(...) Ferner haben die Kaufleute in Bergen oft Aufruhr und Unruhen verursacht, bei denen norwegische Leute getötet wurden, und dafür haben wir keine Gerechtigkeit erlangt. (...) Ferner haben die Schneider in Bergen einen Bruder des Herrn Erzbischofs von Trondheim erschlagen. Dafür haben wir bis jetzt noch keine Gerechtigkeit erlangt. (in: Dollinger, S.514)

 

Neben Bergen gibt es noch deutsche Niederlassungen in Oslo und Tromsö.

 

 

In Brügge wohnen die Hansekaufleute bis 1478 über die Stadt verteilt bei Gastwirten, viele bei der Beurze-Familie. Solche Hostelliers dienen dann auch weiter als Makler.

Die Kaufleute sind nach Regionen in Drittel geteilt, die jeweils eine eigene Kasse führen. "Jedes Drittel entsandte jährlich zwei Älteste, die wiederum sechs Ratsherren wählten, die den Vorsitz innehatten. Erst ab 1379/80 gab es einen angestellten Sekretär, der den jährlichen Wechsel im Vorstand nicht mitmachte." (..., von Seggern in: Felten, 119) Brügge ist das größte Kontor; "Die Versammlung aller Kaufleute von 1457 umfasste ungefähr 600 Teilnehmer." (Dollinger, S.133) Normalerweise sind allerdings eher nur um die 200 deutsche Kaufleute in Bügge

Einige Hansevertreter lassen sich auch am Stapelplatz für Wein in Damme nieder und andere in Sluis.

 

Schon im 13. Jahrhundert arbeiten Hansekaufleute auch in Antwerpen zusammen. Als gerade der Zwin immer bedrohlicher zu versanden beginnt, reißt 1404 eine verheerende Sturmflut viel flämisches Land wieder ins Meer zurück, mit dem Ergebnis, dass nun die Schelde bis Antwerpen von Handelsschiffen befahren werden kann, was Hansekaufleute bald nutzen.

 

Im Londoner Stalhof wird im Verlauf des 14. Jahrhunderts die englische Handels-Konkurrenz insbesondere der fernhandelnden merchant adeventurers immer deutlicher. Für 1383 ist dann neben einem deutschen Aldermann ein Bürger Londons als zweiter dokumentiert. Er vermittelt vor allem rechtlich zwischen den Hanseleuten und den englischen Ämtern. Im Nachhinein wird deutlich, wie der englische Handel, von den Königen unterstützt, sich gegen norddeutsche Übermacht durchsetzen wird.

 

Neben den vier "Kontoren" gibt es eine ganze Anzahl weiterer, zum Teil großer Niederlassungen wie in Polozk, Boston, Bourgneuf und Lissabon, die von den jeweils nächsten Kontoren geleitet werden.

 

***Die Waren***

 

Der Batzen des Hansehandels betrifft auch nach 1350 nicht in Hansestädten produzierte Güter, vom Wert her vor allem Tuche und nach 1400 Baiensalz aus der einen Richtung und Pelze, Wachs, Holz und Getreide aus der anderen. Aber es gibt auch Eigenproduktion.

Dabei gibt es einmal den Seeweg für die Waren, aber zusammen sind auch Binnenschiffahrt und Transport über Straßen wichtig. Das betrifft zum Beispiel den Landhandel Lübecks mit Köln, Frankfurt/Main und Nürnberg insbesondere im 15. Jahrhundert, der allerdings weniger dokumentiert ist.

 

Der Raum der Hanse ist in dem Sinne zweigeteilt, dass der Kernraum an der Ost- und Nordseeküste völlig vom Handel bestimmt wird, während die Städte weiter südlich im Binnenland eine Mischung als Handel und Produktion beherbergen. Köln ist stark von Tuch- und Metallgewerbe geprägt, Dortmund und Soest von Wolltuchproduktion und dem Metall des Umlandes, Soest und Werl von der Salzproduktion und Braunschweig von der von Waffen.

 

Die nördlichen Seestädte sind Handelsstädte, in denen es zusätzlich vor allem Schiffsbau, Fischverarbeitung, Böttcherei und Braugewerbe gibt. Ansonsten fehlt die Innovation im produktiven Sektor und das Handwerk bleibt im wesentlichen auf die Versorgung der eigenen Stadt beschränkt. Dabei nimmt dort wegen der Dominanz des Handelskapitals das Verlagssystem zu. Die allgemein geringere Bedeutung des Handwerks insbesondere in den Seestädten bedeutet aber nicht, dass sie nicht mindestens die Hälfte der Bevölkerung stellen.

 

Zentraler Produktionszweig ist wohl wie zum Beispiel auch in Venedig der Schiffsbau, und wie dort wird er stark städtisch-staatlich reglementiert. Die Räte besitzen die Schiffsbauplätze, "Lastadien, die als unterschiedlich große Grundstücke gegen Zins zur Nutzung auf Zeit vergeben werden." (Schulz, S.193) Der Rat legt oft die Höchstlöhne der Schiffszimmerleute fest, verhindert deren Abwanderung und verbietet den Verkauf hansischer Schiffe. Den Schiffszimmerern wird bis ins 16. Jahrhundert keine zünftige Organisation erlaubt

Der Schiffsbau in Partnerschaften nach Anteilen an investiertem Kapital kann auch die Zimmerermeister umfassen, und führt dann oft in die Partenreederei.

 

Zur Fischbewirtschaftung gehört die Böttcherei, aber Fässer sind überhaupt ein wesentlicher Aufbewahrungsort für zahlreiche Handelsgüter, nicht nur Wein und Bier, Öl, sondern auch für Honig, Wachs und Salz, Butter, Getreide und Fleisch. Aber auch Pelze werden so transportiert, Flachs, sogar Bücher, um sie vor Nässe zu schützen. Entsprechend mächtig ist das Handwerk, kann sogar eine zunftmäßige Organisation durchsetzen.

 

Seit etwa 1320 wird Bier aus Hamburg in Holland eingeführt und droht das Grutbier dort zu verdrängen. Mit der Einführung des Hopfens wird die Bierbrauerei in den Küstenstädten zwischen Bremen und Danzig deutlich stärker zum Exportgewerbe. Das Braurecht bleibt am Grundstück und Haus, nicht an der Person des Brauers gebunden. In Hamburg gibt es gegen 1500 mehr als 500 Häuser mit solchem Braurecht. Die Produktion wird nun immer mehr vom Nebenerwerb zum kapitalschweren Hauptgeschäft von Brauherren, die manchmal zur kleinen Gruppe der Ratsherren gehören, manchmal auch zu den sonstigen bedeutenden oder mittleren Handelsherren. Die Herren setzen Braumeister und deren Gehilfen gegen Lohn ein. Die Kapitalisierung samt Lohnarbeit führt dazu, dass sich keine Zünfte ausbilden können.

Bier dient zwar wie jeder Alkohol auch der Euphorisierung, der Betäubung und dem Rausch, aber vor allem ist es ein Lebensmittel. Als solches bedarf es in der Herstellung absolut reinen Wassers und tauglicher Zutaten, was vor allem die Haltbarkeit betrifft. Aufsicht über die Qualität ist hier wichtiger als irgendwo sonst.

 

Die Bedeutung dieses Gewerbes lässt sich in Zahlen messen. Bis um 1350 beliefert Bremen die Niederlande, dann löst es Hamburg ab, nachdem es in Bremen zu einem Qualitätsverlust kommt. "In der Hamburger Eidesliste von 1376 sind insgesamt 1075 Personen aufgeführt, die einem bürgerlichen Gewerbe nachgingen: 457 dieser Bürger werden als Brauer bezeichnet." (Schulz, S.203 mit Quelle) Das Hamburger Exportvolumen wird auf knapp 100 000 Tonnen geschätzt und 1369 soll es etwa ein Drittel des gesamten Exportes aus seinem Hafen ausgemacht haben, wovon ein Großteil in die nördlichen Niederlande geht. In dieser Zeit soll die Hanse insgesamt bis zu eine Million Hektoliter jährlich exportiert haben. Lübeck hat um 1400 rund 180 Brauer, von denen rund 100 etwa 120 000 Hektoliter in den Export bringen. Wismar hat 1460 "fast 200 Brauereien und die Brauer besaßen die Majorität im Rat." (Dollinger, S.298)

 

 

1368 macht der Tuchhandel in Lübeck "mehr als ein Drittel der Einfuhren und mehr als ein Viertel des Gesamthandels aus." (Dollinger, S.285) Der große Bedarf schafft stabile Gewinne zwischen 15 und 30 Prozent. Bis 1350 sind es fast nur flämische Tuche, die von Brügge aus in den Osten gehen. Tuche stellen dabei mehr als drei Viertel der Hanseausfuhren aus Flandern dar und sie kommen aus vielen flämischen Städten. Dabei handelt es sich sowohl um kostbare gefärbte Tuche wie auch billige vor allem aus Poperinge bei Ypern, die nur einen Bruchteil kosten.

 

Im 15. Jahrhundert werden sie zunehmend von preiswerteren englischen und holländischen Stoffen verdrängt. Die meisten englischen Tuche kommen bis um 1400 von Boston auf Hanseschiffe, danach wird London immer wichtiger, welches Mitte die 15. Jahrhunderts darin dann Boston weithin verdrängt hat. Inzwischen machen Tuche rund 90% der Hanseausfuhren aus England aus, vor allem ungefärbte Tuche mittlerer Qualität. (Dollinger, S.321)

Dazu kommen gegen Ende des 14. Jahrhunderts in immer höherem Maße Textilien aus Schlesien. Zudem gibt es weiter Luxusstoffe aus Italien, die über die Frankfurter Messen und die süddeutschen Reichsstädte gehandelt werden. Hingegen nimmt der Handel mit englischer Wolle seit der Mitte des 14. Jahrhunderts immer mehr ab und der mit spanischer Wolle spielt kaum eine Rolle.

 

Leinen für Kleidung, Segel und Verpackung kommt aus Westfalen und wird vor allem von Hamburg aus in den Westen und für den Osten von Lübeck aus versandt. Der dafür nötige Flachsgarn  kommt vor allem aus Livland wie auch Hanfgarn u.a. für Seile und Bindfäden, aber auch aus ganz Norddeutschland.

 

 

Was die Tuche für den Weg von West nach Ost sind die Pelze für den Gegenweg. Viele kommen über Nowgorod aus Russland, von den Küsten des Weißen Meeres, aus Karelien und dem Wolgagebiet, andere aus dem Balikum, Preußen, Polen und Schweden. Als besonders wertvoll gelten Zobel, Marder, Biber und Hermelin. Aber auch Luchs, Otter, Wiesel und Eichhörnchen wird systematisch das Fell abgezogen. Pelze können deutlich höhere Gewinne erzielen als Tuche, sind aber auch besonders konjunkturabhängig. Was die Größenordnungen und den Raubbau an Tieren angeht: "Drei im Jahr 1405 von Riga nach Brügge auslaufende Schiffe, deren Ladung 107 Kaufleuten aus Dorpat und Riga gehörte, hatten 450 000 Pelze geladen, die auf 3300 Pfund Groten geschätzt wurden, ferner Wachs (1435 Pfund) und Leinen (1125 Pfund). (Dollinger S. 308)

Es gelingt den Hansen, die norwegische Konkurrenz für diese Ware fast völlig zu vertreiben und dann über 90% der Pelzimporte nach England zu betreiben.

 

Weniger konjunkturabhängig ist das (Bienen)Wachs aus denselben Gebieten wie die Pelze, da es eine dauernde Nachfrage für die Beleuchtung gibt, deutlich wichtiger als Siegelwachs und solches zum Abdichten von Gefäßen. Es gelingt den Hansen, dabei fast ein Monopol auf Wachsimporte aus Osteuropa zu erringen, die manchmal im Jahr über 75 Tonnen betragen. (Kümper, S.195)

 

In die andere Richtung geht Honig aus Norddeutschland, nämlich nach Livland und Nowgorod. "Der Honighandel muss einträglich gewesen sein, denn es entstanden Handelsgesellschaften ausschließlich zu diesem Zweck." (Dollinger, S.295) Größer wohl ist aber der Weg von Honig aus osteuropäischer Waldbienenzucht nach Westen. ("In die Bäume werden größere Aushöhlungen, die >Beuten< geschlagen, in denen die Bienen siedeln können. Zur Erntezeit wird der Baum mit der Axt geöffnet und werden Wachs und Honig entnommen." Kümper, S.196)

 

Eines der eher wenigen Luxusgüter des Hansehandels ist samländischer Bernstein, den der preußische Orden bald für sich monopolisiert. Er stellt dann Lieger als Kaufleute für den Handel mit der unbehandelten Ware ein, die vor allem in Lübeck und Brügge in die Hände der Zünfte der Rosenkranzmacher gelangt.

 

 

Der Stockfisch ist haltbarer als Hering, ist aber mengenmäßg geringer als dieser. Der Fisch wird weiter im Schatten an Holzlatten aufgehängt und so getrocknet. Den Fischtransport übernehmen etwa 20 Lübecker Schiffe, die darauf spezialisiert sind und gewichtsmäßig ist das etwa der vierte Teil der schonischen (eingesalzenen) Heringsmenge. Umgekehrt bringen die Bergenfahrer Roggen, Weizen, Malz und Hopfen mit. Ein Teil des Stockfisches geht auch nach Boston, von wo die Lübecker Tuche für Lübeck laden.

 

Dänische Fischer fangen den Hering zwischen Juli und September, wenn er zum Laichen in die Ostsee kommt, in großen Mengen in Netzen.Verhandelt wird er weiter auf den Messen von Schonen, wo bis in die zweite Hälfte des 14. Jahrhunderts auch Textilien, Pelze, Holz und Wachs verhandelt werden. Danach werden Nicht-Hanseaten von den Messen verdrängt und sie werden auf den Fischhandel beschränkt. Die Hanseschiffe bringen außer den Unmengen an Salz auch viele leere Tonnen mit.

Fischverarbeitung auf der Halbinsel Skanör wiederum betreiben die Kaufleute mit ihren vor allem weiblichen Arbeitskräften auf ihnen zugeteilten Grundstücken der verschiedenen Hansestädten.

Der Transport auf und von Schonen nimmt im 14. Jahrhundert enorme Größen an.

1368 "transportierten 250 Schiffe allein aus Lübeck Heringe im Wert von  48 000 Mark Lübisch, was fast ebenso vielen Heringstonnen (zu je etwa einer Mark, gefüllt mit je 850 Stück) entsprach. Im Jahr 1400 gingen mehr als 550 lübische Schiffe bei Schonen vor Anker, die insgesamt etwa 65 000 Heringstonnen in Lübeck verzollten. (...) Danach dürfte der Heringsexport von Schonen in den Jahren um 1400 insgesamt bei 300 000 Tonnen gelegen haben." (Schulz, S.198).

Um 1400 exportiert Lübeck dazu alleine bereits um 2000 Tonnen Salz. Für 5 Tonnen Fisch wird eine Tonne Salz gebraucht (und für zehn Fässer Butter ebenfalls dieselbe Menge).

 

Von den Häfen gelangt der Fisch über Träger in Heringshäuser (herinckhusen), 

wie in Lübeck, Wismar und Rostock, aber auch im Binnenland nach Lüneburg oder Hildesheim. Dort wird er gewaschen, kontrolliert und dann über Binnengewässer weiter transportiert.

Bei den Heringshäuser entwickeln sich Fischmärkte wie im 12. Jahrhundert schon der Kölner am Rhein, wo auch Süßwasser-Fische verkauft werden. Solche entwickeln sich zumindest in Preußen auch zu einer massenhaften Handelsware.

 

Mit der Verdrängung der Holländer von den schonischen Messen nimmt dann im 15. Jahrhundert die holländische Heringsfischerei in der Nordsee zu, wobei der unbeliebtere Nordseehering billiger als der schonische Hering verkauft wird. Am Ende wird die Reformation mit der massiven Reduktion der Fastentage die Bedeutung des Fischfanges verringern. Aber in dieser Zeit nehmen auch die Heringschwärme in der Ostsee massiv ab.

 

 

Auch abgesehen vom Heringshandel gehört Salz von Anfang an zu den Haupthandelsgütern, besonders, da es im Osten fehlt. Der Salzgehalt der Ostsee ist zu niedrig, aber jeder Mensch verbraucht auch dort für sich im Jahr rund 15 kg davon. Bis etwa 1370 ist Lüneburger Salz der wichtigste Exportartikel Lübecks. Danach kaufen Hansehändler billigeres französisches Salz erst in Flandern und dann in Bourgneuf und Brouage (gegenüber von Oléron bei La Rochelle), welches im Nordseeraum überhand nimmt. Aus der Bucht (Baie, darum Baiensalz) von Bourgneuf laufen im 15. Jahrhundert jedes Jahr rund 50 Salz-Schiffe in Danzig ein. Dies Salz ist aber nicht nur billiger, weil es aus Meerwasser gewonnen wird und weil es unreiner ist, es gewinnt auch an Bedeutung, weil Lüneburg (und Halle) im Norden die steigende Nachfrage nicht mehr befriedigen kann. 15-30% der Schiffe, überwiegend jetzt Holländer, die in Danzig und Reval einlaufen, kommen inzwischen aus der Baie von Bourgneuf.

Für die Ostsee bleibt das Lüneburger Salz aber wichtig. Schließlich kommt im 15. Jahrhundert noch in geringerem Maße das reichlich vorhandene Salz aus Setubal dazu, welches in Lissabon vor allem für Kampener und preußische Schiffe eingekauft wird.

 

 

Getreide, vor allem Roggen, aber auch Gerste und Weizen, gehören zu den wesentlichen Produkten, die nach Norden und vor allem Westen verschifft werden. Zunächst werden sie aus dem südlichen Hinterland von Nord- und Ostsee vor allem nach Skandinavien verschickt. Später kommen sie aus den Weiten Preußens und Polens vor allem, aber auch aus Ostelbien. In Preußen forciert der Deutsche Orden den Getreideanbau auf seinen riesigen Gütern, deren Ernten in seinen Komtureien gelagert werden. Mit der Getreideabhängigkeit Nordskandinaviens, Englands und der Niederlande, zuerst vor allem Flanderns, kann die Hanse vor allem Druck ausüben, bis insbesondere Holländer und Engländer den Handel mitübernehmen. Ende des 15. Jahrhunderts verlassen jährlich etwa 20 000 Tonnen Roggen Danzig, hundert Jahre später werden es   100 000 Tonnen sein.

 

 

Der frühe Kapitalismus in Flandern und der dann im 14./15. nachziehende in

Teilen der nördlichen Niederlande führt dort zu fast flächendeckender Entwaldung. Das betrifft oft auch das große Umland der Hansestädte. England wiederum bedarf seit dem späteren 14. Jahrhundert des Holz-Importes für Schiffe. Entsprechend groß ist der Holzbedarf aus Gegenden, die nicht so abgeholzt sind. Das sind die inländischen Gebiete zwischen Weser und Litauen, aber auch Norwegen. Neben dem Holz selbst werden aus diesen Gebieten auch Asche fur das Bleichen von Textilien, Pech vor allem für den Schiffsbau und Harz exportiert.

 

Metalle haben durchgängig eine gewisse Bedeutung für den Hansehandel. Das sind vor allem Kupfer und mehr noch Eisen, einmal aus Schweden (Kupfer von Falun, Eisen auch aus anderen Regionen) und dann auch aus Ungarn. Sie gehen auf dem Seeweg über Danzig nach den Niederlanden und England. Harzkupfer gelangt über Hamburg nach Flandern und England und außerdem  nach Köln und Dinant. Kupfer der Karpathen wird über die Hansestädte Krakau und Thorn nach Norden verschafft.Ungarisches Kupfer gelangt auf der Weichsel von Krakau nach Danzig.

Eisen des Sauer- und Siegerlandes wird dort zu Stahl verarbeitet und dann über Köln nach England verschifft. Silber gelangt aus dem Harzes und später vor allem aus Mansfeld und Böhmen nach Lübeck.

 

Einen gewissen Raum nimmt auch Wein ein, wobei der Hanseraum vorwiegend über Köln transportierten Rheinwein verbraucht, aber auch portugiesische und spanische Weine. Daneben liefert er nach England und den Niederlanden auch seit den Salzfahrten aus dieser Region den Wein aus der Gascogne, dem Poitou (über La Rochelle) und von der Loire.

Nach und nach verringert sich im Hanseraum der Weinkonsums und halbiert sich in etwa. Er wird nun durch Bier ersetzt.

 

***Handel, Gewalt und Krieg: 1350-1400***

 

Anders als Könige, Fürsten und kleinere Adelsherrschaften führt der Verbund von Hansestädten keine Kriege zu irgendeiner Gebietserweiterung bzw. Unterwerfung von Gegnern, sondern nur solche zur Vertretung von Handelsinteressen. Da diese nie bei allen Städten dieselben sein konnten, sind es immer nur einige Städte, die zusammen in kriegerische Handlungen eintreten.

"Deshalb beteiligte sich kaum je eine Binnenstadt an den Seeaktionen gegen Dänemark, hielten sich die rheinländischen Städte mehrheitlich aus dem Konflikt mit Holland, aus dem mit England wiederum Köln heraus und setzte die Hanse bei Ausbruch der Soester Fehde lediglich diplomatische Unterstützung in Gang." (Kümper, S.265)

 

Nach außen hingegen tendiert die Hanse dabei zur offenen Aggression, wo es um den von ihr oft allein beanspruchten "Freihandels-Raum" geht. Dann verbündet sie sich auch mit Fürsten und deren Interessen. Da werden die Gotländer Bauern von dem privilegierten Standort Visbys durch militärisch verteidigte Mauern ausgeschlossen. Da werden die Russen aus dem Ostseehandel so verdrängt wie Engländer, Friesen und Flamen ausgeschlossen.

 

Da die Hanse Gewalt nur zur Wiederherstellung von von ihr in Anspruch genommenem Recht dient, handelt es sich dabei rechtlich um Fehden und nicht um Kriege. (Kümper, S.266) Anders steht es um die Blockaden zur Durchsetzung gefährdeter Privilegien. Hier handeln Hanseschiffe gemeinsam, wobei sie oder private Unternehmer eigene Schiffe so ausrüsten, dass sie gegen Blockadebrecher gewaltsam vorgehen können.

Es kommt dabei weniger zu großen Seeschlachten, sondern zum Abnutzungskrieg durch Kaperfahrten, wobei Gruppen von Kaufleuten das Schiff ausstatten, oder aber Schiffer sich mit ihren Mannschaften selbst ausrüsten, um auf eigene Rechnung und mit dem Ziel der Beute (prise) auszufahren.

 

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Die Hanse hat jene Fürsten als Feinde, die als Könige versuchen, Ansätze für Nationalstaaten oder übernationale staatliche Konglomerate zu entwickeln und dabei Untertänigkeit auch auf die bislang sich selbst verwaltenden Städte auszudehnen. Dazu gehören nicht die römischen (deutschen) Könige, die den norddeutschen Raum weder beschützen noch kontrollieren können und denen dort die Niederlande an Burgund verloren gehen.

Vorrangig werden skandinavische Reiche zu Gegnern, insbesondere dänische Könige, mit denen die Hanse, wiewohl kein frühstaatliches Gebilde, Kriege führt, und manchmal vorher und nachher Kaper"kriege" seeräuberischer Art. Sobald in England Produktion und eigener Handel aufblühen, wird es zum nächsten Kontrahenten, und am Ende werden noch die nordrussischen Großfürsten dazu kommen, vor denen man aber nur noch zurückweichen kann. 

Nachdem die Hanse aber nun ihre größte Ausdehnung erreicht hat und kaum noch mächtiger werden kann, verlegt sie sich eher auf die Defensive.

 

Die Gewalttätigkeit wird 1351 eingeläutet mit der Plünderung eines Schiffes aus Greifswald vor Brügge durch ein englisches Kaperschiff, was vor Gericht verurteilt wird und dann zu englischen Repressalien führt. Um das dabei deutlich gewordene selbständige Handeln des Brügger Kontors wieder einzuschränken, findet 1356 unter Lübecker Leitung ein erster allgemeiner Hansetag statt, der sich die Oberaufsicht über alle Hanse-Kaufleute zuteilt. In den nächsten Jahrzehnten wird das für alle Kontore durchgesetzt.

 

In dieser Zeit dehnt Brügge sein Stapelrecht auf Salz und Getreide aus und hindert so die Hansekaufleute, direkt von Schiff zu Schiff zu verkaufen. 1358 verhängt ein Hansetag der wendischen, sächsischen und preußischen Städte die Blockade über ganz Flandern. Die Kaufleute müssen nach Dordrecht umziehen. Es kommt zu Getreideknappheit in Flandern, und schließlich werden auch die dänischen Meerengen gesperrt, um Schmuggelschiffe auszuschalten. 1360 führen Verhandlungen dann zur Aufhebung der Blockade. Aber die Flamen werden in Zukunft nicht mehr aufgeben, die Macht der Hanse in ihrem Gebiet zurück zu schrauben.

 

Seit 1363 ist die Lübecker Korporation der Schonenfahrer dokumentiert und ab 1380 spalten sich die Fahrer anderer Zielorte davon ab. Die den Schonenfahrern angehörenden Kaufleute organisieren Verarbeitung und Handel mit den schonischen Heringen.

Diese Schonenfahrer sind ratsfähig, im Rang aber unterhalb der Mitglieder der Zirkelgesellschaft angesiedelt. Zusammen mit den Bergenfahrern stellen sie den höchsten Anteil der Lübecker Flottenführer.

 

1360 erobert der in den zwanzig Jahren zuvor erstarkte König Waldemar IV. ("Atterdag") die Insel Schonen von den Schweden, die es 1332 von Graf Gert von Holstein gekauft hatten. Er zwingt die Hansestädte zur Bezahlung erheblicher 4000 Mark  für den Erhalt ihrer Handelsprivilegien.

1361 landet er auf Gotland, schlägt ein dortiges Bauernheer und richtet dabei ein Blutbad an, marschiert dann in Visby ein und lässt die Stadt plündern. Die Insel wird nun für Jahrhunderte dänisch. Er bestätigt zwar die Stadtrechte, aber das führt dennoch zum ersten hansisch-dänischen Krieg.

Inzwischen verliert Visby aber ohnehin seine Bedeutung an Lübeck und andere Städte, da immer mehr Schiffe ohne Zwischenstop direkt in den Osten fahren.

Das überwiegend von Deutschen besiedelte Riga versucht eine gewisse Unabhängigkeit von Lübeck zu erhalten und unterstützt darum Visby.

 

In Greifswald beschließen die wendischen und pommerschen Seestädte einen Handelsboykott gegen Dänemark, der allerdings nicht so gut funktioniert, da die Städte an der Zuidersee nicht mitmachen. Zur Finanzierung wird ein Pfundzoll von vier Pfennigen auf auslaufende Schiffe und Waren erhoben. Die Fürsten von Norwegen, Schweden, Schleswig und Holstein leisten Zahlungen.

 

1362 scheitert eine Flotte von 52 Schiffen unter dem Befehl des Lübecker Bürgermeisters Johann Wittenborg gegen Kopenhagen. Nach Jahren kommt es zu einem unbefriedigenden Verhandlungsfrieden. Immerhin zeichnet sich nach 1364 vorsichtig eine Wende ab, als schwedische Adelige ihren König absetzen und dafür mit Albrecht einen Sohn des Herzogs von Mecklenburg einsetzen.

Für preußische und holländische Kaufleute bleibt allerdings der Sund weiter durch dänische Schiffe gesperrt.

 

1366 nimmt der Druck der preußischen Städte zu, sich wieder gegen Dänemark zu wenden. Als die wendischen Städte nicht reagieren, wird ein Bündnis mit den holländischen Städten geschlossen, um die Durchfahrt durch den Sund herzustellen.

 

1367 wird von holländischen, wendischen, pommerschen und preußischen Städten in Köln eine am Ende immer wieder verlängerte und so auf 18 Jahre angelegte Konföderation gegen den Dänenkönig beschlossen, der sich auch elf Fürsten, darunter der Graf von Holstein, die Herzöge von Mecklenburg und der bedrohte König von Schweden anschließen, ebenso dänische Adelige. 1368 kann endlich Kopenhagen eingenommen und teilweise zerstört werden wie auch die dänischen und norwegischen Küsten. Schonen wird erobert, wo Helsingborg 1369 kapituliert. 1370 werden im Stralsunder Frieden die hansischen Privilegien insbesondere auch für Schonen bestätigt, wo die Hansestädte für fünfzehn Jahre die Burgen und Messeplätze als Pfand erhalten. Damit sichert sich die Hanse für die Zeit bis 1385 den Heringsmarkt in Schonen als Monopol und macht sich so vom zunehmenden Wettbewerbsdruck der englischen und niederländischen Umlandfahrer frei. Dabei wird der Markt auf einen reinen Heringsmarkt reduziert.

 

Es handelt sich um einen Sonderfrieden mit dem dänischen Reichsrat, während der dänische König abwesend ist, um Verbündete zu suchen, und in ihm kommen die Städte den Fürsten zuvor.

 

Als der dänische König Waldemar IV. 1375 stirbt, kommt es zum Nachfolgekrieg zwischen der dänischen Königin Margarethe als Regentin für Sohn Olav und dem mecklenburgischen Herzogtum. Die Mecklenburger werben Seeräuber für einen Kaperkrieg, den diese nach einem Waffenstillstand 1379 als unabhängige Piraterie auch gegen Hanseschiffe weiterführen.

 

 Der für Schweden unterlegene Albrecht von Mecklenburg beginnt einen Kaperkrie, um wenigstens Stockholm zu halten.

Nach einem vorübergehenden Frieden 1395 gehen die Kämpfe unter Nachfolger Erich von Pommern weiter. 1423 verbünden sich die wendischen Städte mit Erich, aber drei Jahre später erklären sie ihm den Krieg, erleiden aber eine militärische Niederlage.

 

Ab 1376 führen Lübeck und Stralsund den Kampf gegen die Piraten, an dem allerdings Rostock und Wismar nicht teilnehmen. 1389 gelingt es Margarethe, bis auf Stockholm auch über Schweden zu herrschen. Nun ruft Mecklenburg mit Albrecht öffentlich zum Kaperkrieg auf. Dessen Anführer sind zunächst oft verarmte mecklenburgische und überhaupt norddeutsche Landadelige, die in der Krise des 14. Jahrhunderts wirtschaftlich scheitern, alles verkaufen und dann in Kaperschiffe und Mannschaften investieren. Dem folgen Leute aus allen Schichten. 1391 gelingt es, Bornholm und Visby zu erobern, 1393 wird Bergen geplündert.

 

Für 1393 beschreibt die sogenannte Rufus-Chronik ihren Überfall auf Bergen:

In dem selben Jahr (...) da fuhren die Rostocker und die Wismarer Vitalienbrüder nach Norwegen und schunden den Kaufmann zu Bergen; sie nahmen viele Kleinode in Gold wie Silber und kostbare Kleider, Hausrat und auch Fische. Mit dem großen Schatz fuhren sie dann, ohne zurückgehalten zu werden, nach Rostock und verkauften ihn unter den Bürgern; das war denen willkommen; den andren Teil des Raubes fuhren sie nach Wismar und verkauften ihn dort: die Bürger beider Städte machten sich wenig Gedanken, ob die Ware rechtlich oder widerrechtlich in Besitz genommen worden war. (in: Hanse, S.64)

 

Im Frieden von 1395 wird auch festgelegt, dass die Ostsee umgehend von den Piraten zu räumen ist. Die aus dem Adel stammenden Anführer ziehen sich zurück, aber nun übernehmen unteradelige Hauptleute wie Klaus Störtebecker und Goedecke Michels das Kommando. Was der Adel kann, gelingt zunächst auch dem gemeinen Mann. Operationsbasis wird Gotland, dessen Herrscherin sie einlädt, soweit sie die Hälfte der Beute an sie abgeben. 1398 schafft es eine Flotte des Deutschen Ordens, sie dort und aus der Ostsee zu vertreiben, und und sie tauchen nun in der Nordsee auf, unterstützt von friesischen Häuptlingen, 1400/1401 gelingt es Hamburger Flotten, sie teilweise gefangen zu nehmen und ihre Anführer hinzurichten. Erst 1435 wird dann ihr letzter fester Platz an Land zerstört.

 

Ein weiterer Konfliktfall entwickelt sich mit England. Inzwischen setzen sich die als merchant adventurers in London, Bristol und York organisierten Fernhändler dauerhafter in Elbung, Danzig und Stralsund fest. Die Hanse verbietet nun deren Einzelhandel und den Direkthandel mit anderen Ausländern. Ab 1370 werden die Engländer langsam ganz von Schonen verdrängt und erleben zunehmende Behinderungen auch ansonsten in der Ostsee.

 

In dieser Zeit beginnen englische Könige  ihre Kaufleute massiver zu unterstützen. Insbesondere unter Richard II. wird die Forderung lauter, dass Engländer in Preußen dieselben Privilegien haben sollten wie Hanseleute in England. Die finanziellen Belastungen für sie steigen dort. In den 80er Jahren kommt es zu gegenseitigen Überfällen auf Handelschiffe. Am Ende bekommen die englischen Händler 1391 feste Rechte für ihren Großhandel in Preußen und betreiben darüber hinaus insbesondere von Danzig aus auch Kleinhandel. Die Lage bleibt aber bis zum Ende des Jahrhunderts angespannt. In einem englischen Beschwerdebrief von 1404 heißt es:

 

Ferner haben sie angeordnet - in welchem Hafen in Preußen die Leute unseres Herrn, des Königs, mit ihren Schiffen und Waren auch ankommen - , dass sie in eben diesem Ort ihre Waren verkaufen und dort ihre Schiffe wieder beladen müssen; sie sollten sich nicht unterstehen, weiter in das Land vorzudringen, um Handel zu treiben, bei schwerer Strafe. (...) Auch haben sie angeordnet, dass jeder Engländer, der von einer englischen FRau begleitet wird, sich nicht unterstehen soll, in dem genannten Land zu verweilen, sondern sofort das Land verlassen muss (...)  Es kamen mehrere Übeltäter und Räuber aus Wismar und Rostock aus dem Bund der Hanse gewalttätig mit einer großen Flotte nach der Stadt Bergen in Norwegen und erstürmten sie, ergriffen alle anwesenden englischen Kaufleute und ihre Güter, verbrannten ihre Häuser und Wohnungen und forderten für sie ein hohes Lösegeld (... Die englischen Kaufleute beklagten sich), dass die Schäffer in Preußen allen Schiffern aus Preußen befehlen, alle Engländer festzuhalten, die sie auf den Meeren treffen würden, so dass die genannten englischen Kaufleute nicht wagten, in Schonen zu verweilen noch an einem anderen Ort Handel zu treiben. (in: Dollinger, S.518ff)

 

Massive Konflikte gibt es ab 1375 auch in Flandern. Die Hanseleute in Brügge beschweren sich über schlechte Bedingungen, werden aber durch harte Maßnahmen des Grafen zum Schweigen gebracht. Der Aufstand der flämischen Weber und der gräflich-französische Sieg über Artevelde führen zur Auswanderung vieler Hanseleute in holländische Hafenstädte.

 

Auch mit Philipp ("dem Kühnen") kommt es zu keiner Einigung. 1388 wird darauf das Kontor in aller Heimlichkeit nach Dordrecht verlegt und eine Blockade über Flandern verhängt, Die Zuiderzee-Städte befolgen sie kaum und die preußischen Städte erhalten Ausnahmegenehmigungen. 1392 kommt es zur Eingung und Entschädigungen an die Hanse. Aber mit dem Burgunderherzog tritt nun der Hanse eine immer stärkere Macht entgegen.

 

Gleichzeitig mit der Blockade Flanderns findet auch eine Nowgorods statt. Seit längerem drangen deutsche Ritter von Livland auf russisches Gebiet vor, was russische Repressalien nach sich zog. Aber 1392 kommt es auch hier zu einer Einigung, die im äußersten Osten rund hundert Jahre halten wird.

 

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Nach dem Lüneburger Erbfolgekrieg sind die erfolgreichen Celler Herzöge gezwungen, sich von den Lüneburgern Geld zu leihen. Dafür werden den Landständen erhebliche Privilegien in einem Vertragwerk zugesichert (der Sate). Die Kosten dieses weitgreifenden Bündnisses wollen die welfischen Herzöge bald nicht mehr tragen. Man nimmt Uelzen ein und bedroht Lüneburg mit einer Wirtschaftsblockade. Die Ilmenau, schiffbar vom hier bis in die Elbe, wird mit Pfahlgittern und versenkten den Lüneburgern abgenommenen Schiffen gesperrt. Lüneburger Handelsreisende werden ausgeplündert.

Lüneburg verbündet sich mit Hannover und erhält auf einem Hansetag in Wismar die militärische Unterstützung von Hamburg und Lübeck versprochen. Der gefährdete Salztransport gefährdet den Heringshandel. Viele Leute aus Lübeck und Hamburg graben eine Umgehung der gesperrten Ilmenaustelle.

Im Verlauf von 1396 gelingen den Hansekontingenten immer mehr militärische Siege. Es kommt erst zum Waffenstillstand und dann zu einem Friedensvertrag.

 

Die "Sate" hat sich einerseits erledigt, aber andererseits ist das hanseatische Salz nicht mehr gefährdet und 1407 überlassen die Welfen das Recht an der Ilmenau der Stadt Lüneburg.

 

 

***Hanse: Kapital und Kapitalist***

 

Die Hanse ist im wesentlichen eine in Städte gegliederte Vereinigung kaufmännischen Großkapitals. Dieses große Kapital bleibt aber deutlich kleiner als das süddeutscher Firmen und der italienischen. 1499 kann der Hamburger Bürgermeister Henning Buring, einer der reichsten Hanseaten, ein Erbe von

46 000 Mark hinterlassen. In dieselbe Währung umgerechnet besitzen die Fugger um diese Zeit etwa 375 000 Mark und die Große Ravensburger Gesellschaft    198 000 Mark. (Dollinger, S.206)

Hanse-Kaufleute mit unter 5000 Mark handeln nur mit einem ausländischen Markt und betreiben zudem auch Detailhandel. Auf diesem Kapital-Niveau stehen auch Reeder und große Bierbrauer. Aber noch kleinere Kapital-Eigner hängen sich mit geringen Mengen an den Fernhandel der Großen dran.

Wer regelmäßig Fernhandel in eine Richtung treibt, gehört einer fraternitas oder Kompagnie in seiner Stadt an, wie der der Schonenfahrer oder Bergenfahrer. In Lübeck schwankt die Zahl dieser Bergenfahrer im 15. Jahrhundert zwischen 100 und 200.

 

Die ganz Großen des hanseatischen Großkapitals treiben fast alle vor allem Fernhandel, entweder wie ein Deutscher aus dem mittelschwedischen Västeras in eine Richtung, in seinem Fall über Lübeck nach Flandern und zurück, oder wie Hildebrand und Sievert Veckinghusen die ganze hansische Küste bis nach Flandern und die französischen Häfen bis nach Bayonne entlang, zugleich aber auch nach Süddeutschland und Italien.

Das gewonnene Kapital geht relativ schnell teilweise in Grundstückgeschäfte, die Großkapitalisten besitzen in der Regel bald Grund und Häuser. Johann Wittenborg besitzt eine Brauerei in Lübeck. Insbesondere im 15. Jahrhundert geht dann auch Kapital in Finanzgeschäfte und man kauft Renten.

Johann Nagel wird um 1385 Bürgermeister in Stockholm, Johann Wittenborg 1360 in Lübeck, Hinrich Castorp 1462 ebenfalls in Lübeck.

 

Vielleicht ein Sonderfall ist Tilemann Limberg aus Dortmund, der ersten Reichtum wohl im Englandhandel erreicht und 1430 dann zusammen mit einem Genter Kaufmann dem englischen König Edward III. 1000 Pfund leiht.

"Einige Jahre später wurde Limberg in das große Konsortium aufgenommen, das die westfälischen Gläubiger des Königs gebildet hatten; wenig später wurde er zusammen mit einem Kollegen zum Syndicus des Konsortiums ernannt,und spielte von nun an eine hervorragende Rolle. Limberg war es auch, mit dem EWduard III. verhandelte, um seine große Krone wiederzuerlangen, die für 45 000 Schildgulden an den Erzbischof von Trier verpfändet war.

Nach der Auflösung des Konsortiums (1344) bildete Limberg, wieder mit westfälischen Kaufleuten. ein neues, hauptsächlich um die kleine, an Kölner verpfändete Königskrone wieder auszulösen, und gründete verschiedene Gesellschaften mit englischen Kaufleuten. Während der Belagerung von Calais (1347) lieh er dem König nochmals 10 000 Pfund; gegen eine jährliche Zahlung von 3500 Mark an den Schwarzen Prinzen ließ er sich 1347 auf drei Jahre und drei Monate die Einkünfte der Zinngruben von Cornwall übertragen, wodurch er die Verfügungsgewalt über die Ausfuhr dieses Erzes gewann. Er sicherte sich unter anderem auch Getreidelieferungen nach Bordeaux, die für die englischen Truppen bestimmt waren." (Dollinger, S.222f)

 

Um 1350 erwirbt er von der Abtei Wilmington königliche Lehen in acht südenglischen Grafschaften und kümmert sich um das englische Geld an die päpstliche Kurie in Avignon. Bald danach zwingt ihn Feindseligkeit englischer Konkurrenz, nach Köln überzusiedeln, aber 1359 ist er wieder zurück und pachtet die Minen von Alston Moor (Silber, Blei, Kupfer). Dem König leiht er erneut 2000 Pfund. Bald muss er aber wieder England verlassen und zieht über Dortmund nach Köln.

 

Unternehmerisches Kapital ist immer einem gewissen Risiko ausgesetzt und ist ein Stück weit ein Glücksspiel. Große Kapitalien können massiv vergrößert werden, aber auch von einem Moment auf den nächsten verschwinden.1418 klagt Sievert Veckinchusen seinem Bruder aus Köln, er könne weder Fisch noch Pelze verkaufen, da sie offenbar zu teuer eingekauft wurden. Ich weiß nicht, wie ich angesichts meiner Schulden von hier nach Lübeck kommen soll; und ich fürchte, dass ich den ganzen Winter über hier bleiben muss, das bekümmert mich und würde mir auch viel Schaden und Nachteil bringen (... in: Dollinger, S.567)

 

Dollinger fasst rund zwanzig Briefe Rigaer Kaufleute von 1458 so zusammen:

"Die Russen wollen kein Tuch kaufen,, vor allem kein flämisches, da sie das billigere englische vorziehen; Pelze sind in Brügge nicht zu verkaufen; es herrscht große Unruhe wegen der Angriffe von Danziger Seeräubern im Krieg gegen den Deutschen Orden; deshalb registriert man mit Erleichterung die wohlbehaltene Ankunft lübischer und flämischer Schiffe und vor allem der Salzflotten aus Bourgneuf, die rlauben, auf zufriedenstellende Gewinne zu spekulieren - unter der Bedingung allerdings, dass keine holländische Salzflotte ankommt, die die Preise drückt und zum Verkauf mit Verlust zwingt. Diese Briefe vermitteln den Eindruck, dass der Hansekaufmann des 15. Jahrhunderts in städniger Angst lebte und mehr noch durch das Überangebot an Waren als von der Furcht vor Verlusten durch Schiffbruch oder Beschlagnahme geplagt wurde." (S.235)

 

 

Nach und nach bilden sich auch im deutschen Raum größere Firmen, wie die Venezianische Gesellschaft von Hildebrand und Sivert Veckinghusen, Peter Karbow und Hans van Mynden, deren Gesellschafter unter anderem in Lübeck, Brügge, Köln und Venedig ansässig sind. Hildebrand Veckinchusen macht Anfang des 15. Jahrhunderts von Brügge aus Geschäfte im ganzen Ostseeraum, in Köln, Straßburg und bis nach Italien. Dimensionen und Risiken des Geschäftes werden in einer Momentaufnahme sichtbar in einem Brief von Karbow aus Venedig an Hildebrand Veckinghusen in Brügge vom 19. Januar 1411:

 

Freundlichen Gruß zuvor! Wisst, lieber Hildebrand, wie ich euch von den 1 000 Dukaten geschrieben habe, die ich bei Hans Reme in Augsburg aufgenommen habe, so habe ich Euch wohl mitgeteilt, was Ihr ihm zum 19. März dafür zu zahlen habt. Ich bitte Euch um aller Freundschaft willen, dass Ihr ihm dies pünktlich zahlt, da ich ihm Bürgschaft gestellt und ihm darüber hinaus noch Briefe mit dem Siegel unserer Gesellschaft gegeben habe. Wenn ihm ein Schade entsteht, müssten ich selbst und meine Gesellschafter ihm dafür aufkommen. - Ich teile Euch ferner mit, dass ich vor acht Tagen für 10 000 Dukaten Gewürze, nämlich indischen und arabischen Ingwer, Muskatnüsse und Muskatblüten, Gewürznelken und was ich sonst noch am günstigsten erhandeln konnte, von hier abgeschickt habe und in den nächsten acht Tagen noch weiter abschicken werde. Dazu benötige ich Geld, wenn ich die Rosenkränze, Tuche und Hermelinpelze nicht bis auf St. Jacobi stehen lassen will. Auch habe ich von Weihnachten bis heute 12 000 Dukaten bar ausgegeben, und jeden Tag erhalte ich noch neue Wechsel von Hans von Mynden. Lieber Hildebrand, möge Gott uns helfen, dass wir noch für ein Jahr vorlegen können und dass es sich so ergibt, wie ich dem Syvert mitgeteilt habe: ich vertraue darauf, dass ich mit Gottes Hilfe eine genau so günstige Abrechnung vorweisen könne, wie es die letzte war. Wir müssen daran denken, das Geschäft mit den Rosenkränzen nicht aufzugeben, auch wenn man sie lange auf Lager halten muss (…) Was ferner die Pelzsendung betrifft, die ihr mir geschickt habr, so habe ich 2 000 Stück gezählt. Es sollten Luchspelze sein, aber das ist eine viel schlechtere Ware. Schreibt mir, wie es sich damit verhält. (in: Engel/Jacob, S. 169)

 

In dieser für das 14./15. Jahrhundert typischen Situation zwischen Kredit, Risiko und Spekulation wird zunächst eines deutlich: Es ist offenbar vollkommen gleichgültig, welche Produkte verhandelt werden, Hauptsache, sie bringen Gewinn. Einziger Maßstab, der zwischen diesen Menschen vermittelt, ist Geld und ein wichtiges Kapital dabei ist der Kredit. Ehrbarkeit, Treu und Glauben sind einerseits Werte, die an die persönlichen Erfahrungen mit anderen Geschäftsleuten geknüpft sind, die aber, wenn es eng wird oder man Betrügern aufsitzt, auch schnell verschwinden. Betrügereien betreffen dabei insbesondere Quantität und vor allem auch Qualität der Waren. Gute Ware wird in Packungen nach oben gelegt, schlechte nach unten.

Hildebrand Veckinghusen landet am Ende in Brügge im Schuldturm und stribt dann dort völlig verarmt.

 

 

Der große hansische Handelskapitalist gewinnt inzwischen das Geld für den täglichen Verbrauch und zur Darstellung seines Status aus Eigenhandel, während der größere Teil seines Kapitals in längerfristigen und sich später realisierenden Investitionen in Handelsgesellschaften steckt.

Eine Form des Eigenhandels ist es, einen Gesellen auf die Handelsreise zu schicken. Eine weitere ist das Geschäft auf Gegenseitigkeit, bei dem die Waren zu einem Partner geschickt werden, der sie für den anderen verkauft und dann für die Gegenleistung wiederum Waren schickt. Kleinere Mengen gehen dann auch in den Detailhandel seiner jeweiligen Stadt und ihres Umlandes. (Hanse, S.99)

 

Klassischer hansischer Gesellschaftshandel bleibt die Widerlegung (wedderlegginge), wo oft nur zwei Kaufleute ihr Kapital für eine oder mehrere Unternehmungen bzw, für eine bestimmte Zeit zusammenlegen. Sie sind oft auch weiter miteinander verwandt, was die Vertrauensbasis stärkt. Der kleinere Investor geht dann auf Handelsfahrt, die Gewinne werden am Ende halbiert. Offenbar nicht selten kapitalisieren inzwischen auch kleine Leute bis hin zu Dienstboten Ersparnisse, indem sie sie in eine solche Widerlegung hinzufügen, - mit den selben Risiken wie großes Kapital sie hat.

Im 15. Jahrhundert wird die Widerlegung häufiger mit dem Geschäft auf Gegenseitigkeit kombiniert, welches dann auch noch auf Kommissionsbasis funktionieren kann.

 

In der Regel ist großes Handelskapital gleichzeitig Mitglied in mehreren Handelsgesellschaften, was auch die Risiken streut.

 

Eine typische, eher überschaubare Handelsgesellschaft mit drei Kapital beisteuernden Teilnehmern ist die folgende:

Im Jahr 1441, am 24. Juni, haben Friedrich Depenbeke, Bürger von Reval, und Ludwig Greverode, Bürger von Lübeck, vor dem Schuldbuch bekannt gemacht, dass sie mit Alf Greverode, Bürger von Stralsund und Bruder des genannten Ludwig, eine freie Gesellschaft gegründet haben, um zu dritt Handel zu treiben, ohne weitere Spesen als das Ungeld, das auf den Waren liegt. (...)

Alf soll in Stralsund Honig beschaffen und auf Kosten und Gefahr der Gesellschaft nach Reval senden, sobald die anderen ihm das Geld besorgt haben und er den Honig hat kaufen können. (...) Ludwig und Friedrich sollen untereinander abrechnen und alle drei sollen in jedem Frühjahr einander schriftlich Rechenschaft ablegen, damit man darüber unterrichtet ist, was jeder besitzt und welches Kapital die Gesellschaft hat. In die Gesellschaft wurden von jedem der drei 400 Mark Lübeckisch investiert, zusammen 1200 Mark, die zur Zeit von Ludwig verwahrt werden. Die Gesellschaft soll von jetzt an für drei Jahre unverändert bestehen bis zum Frühjahr. (...)

Jeder erhält dann seinen Teil zurück, ein Drittel des Gewinns und des Grundkapitals. (... in: Dollinger, S.561f)

 

Um 1400 werden einzelne der bislang personell kleinen Kapitalgesellschaften unter nicht zuletzt in Brügge erfahrbarem Einfluss größer. Für Hildebrand Veckinghusen (bis 1426) ist zum ersten Mal die selschop (Gesellschaft) mit zunächst fünf und dann mehr Partnern belegt. Der Kern sind zunächst Verwandte wie viel früher schon in Italien. Daneben gibt es wie zur gleichen Zeit in Süddeutschland auch größere Familiengesellschaften, in denen weisungsgebundene Faktoren an verschiedenen Niederlassungen agieren. Solche Firmen können im Einzelfall mehrere Generationen überdauern und den gesamten Hanseraum abdecken.

 

Am Anfang großer Kapitalgesellschaften steht im hansischen Raum die Gesellschaft von Jan Falbrecht aus Thorn "mit Witich Morser aus Danzig und David Rosenfeld aus Kulm, später Thorn und Breslau, ein wirtschaftlich, finanziell und politisch verflochtener hansischer Konzern, der von 1400 bis 1439 mit seinem Handel fast den gesamten hansischen Wirtschaftsraum umspannte, jedoch auch bis Venedig und zum Schwarzen Meer ausgriff." (Hanse, S.100)

 

Die Widerlegung mit ihren zwei Partnern wird im 15. Jahrhundert durch ein System von Außengesellschaften abgelöst, "und bei der Summierung aller Geschäftsbeziehungen existierten damit größere Handelsgesellschaften als in oberdeutschen Städten." (Fuhrmann, S.196)

 

Der bargeldlose Handel mit Inhaberschuldverschreibungen im Osten und Wechseln im Westen nimmt immer mehr zu. "Um die Mitte der 1430er Jahre benötigen die hansischen Kaufleute im Tuchhandel mit England fast kein Bargeld mehr. Sie nahmen kurzfristige Kredite bei den Londoner Tuchhändlern auf, die auf den Messen in Antwerpen und Bergen op Zoom zahlbar waren, wo sie ihre erworbenen Tuche zum größten Teil absetzten. Die englischen Tuchhändler wiederum liehen das Geld an Landsleute, die von Antwerpen oder von Bergen op Zoom nach England exportieren wollten." (Hanse, S.108)

 

Ein typisches Beispiel für einen Wechselbrief ist der folgende aus Lübeck an die Herren, Bürgermeister und Räte von Danzig:

(...) Unseren ehrerbietigen Gruß zuvor! Liebe Freunde! Wir bitten Euch von jenen 1000 Mark, die ihr in Eurem Gebiet aus dem Pfundgeld erhoben habt, wie Ihr es uns kürzlich schriftlich mitgeteilt habt, dem Überbringer dieses Briefes, unserem Bürger Heinrich Ricboden, sobald er Euch diesen Brief vorlegt, 60 Mark Preuß auszuzahlen, die wir von ihm durch Wechsel erhoben haben. Ihr würdet uns dadurch eine große Gefälligkeit erweisen. (... in: Dollinger, S.564)

 

Kapitalrenditen lassen sich nur vage schätzen, insbesondere, wenn sie in Brutto- und Nettogewinne unterschieden werden sollen und man alle Kosten einrechnen soll. Heutige Schätzungen gehen von durchschnittlichen 15% aus. Dabei muss man noch unterscheiden danach, ob man das einzelne Geschäft, oder das Hin- und Rückgeschäft gemeinsam berechnen möchte. Zudem sind verschiedene Waren unterschiedlich gewinnträchtig, und das auch noch zu unterschiedlichen Zeiten bis hin zu Zeitpunkten und an unterschiedlichen Orten.

Fernhandel ist eben ein Risikogeschäft. Wer rechtzeitig vor einem hereinbrechenden Krieg Kriegsgerät liefern kann, fährt schon mal über 100% Gewinn ein. Wem das Schiff untergeht oder von Piraten gekapert wird, der hat sogleich Totalausfälle. Wer in Fässer oben gute und unten schlechte Ware einlegt, oder oben gutes und unten schlechtes Silber, und dabei nicht gleich erwischt wird, steigert seine Rendite erheblich. (Beispiele in: Hanse, S.108f)

 

Schiffe gehören meist zum Teil (Part) dem Schiffer als Reeder und zu weiteren Teilen mehreren Kaufleuten. Partenreederei ist so eine Art Handelsgesellschaft. Diese Schiffe werden häufig mit Waren mehrerer Kaufleute bestückt, und diese Kaufleute wiederum verteilen ihre Waren auf mehrere Schiffe. Während sich am Mittelmeer und dann auch in England regelrechte Seeversicherungen ausbilden, ist diese Risikoverteilung der hansische Ersatz.

 

1494 verpfändet ein Lübecker Reeder an Bürgen einer erheblichen Schuld sein ganzes bewegliches Vermögen: sein Silbergerät, seine Möbel und sein Hausgerät, seine Kannen, Kessel und Grapen, seine Guthaben, alle seine Schiffe und Schiffsanteile mit ihrer Ausrüstung. Das sind Anteile an acht Schiffen und ein ganzes Schiff. Sollte er sterben und das Pfand nicht ausreichen, gehören auch seine Immobilien, darunter Häuser dazu. (in: Dollinger, S.572)

 

Je mehr Kapital der Unternehmer zur Verfügung hat, desto früher reist er kaum noch mit seinen Waren. Im 14. Jahrhundert sitzt er dann in seiner scrivekamer und beschäftigt einen Schreiber, einen Diener, zwei, drei Gesellen und Lehrlinge. Als Voraussetzung für seine Lese- und Schreibkünste entstehen im 14. Jahrhundert in den Pfarreien Elementarschulen. Studieren tun Hansekaufleute allerdings kaum, da ihnen das nicht weiterhelfen würde und sie wertvolle Karrierezeit verpassten.

 

Doppelte Buchführung aus deutschen Landen ist in Dokumenten des Regensburgers Matthäus Runtinger und des Lübeckers Hildebrand Veckinghusen  um 1400 erkennbar.

 

Das Kapital kommt nicht nur aus kurzfristiger Teilhaberschaft des Großkapitals, sondern auch aus Einlagen, an denen weite Kreise von Adeligen bis zu Hafenarbeitern beteiligt sind. "In Danzig beteiligten sich 1438 an der Baienfahrt, der Salzfahrt nach Bourgneuf in der Biskaya, das Brigittenkloster, die Marienkirche, das Heiligengeisthospital und die Älterleute des Johannisaltars." (Isenmann, S.365)

 

Das Kreditwesen wird schon Ende des 13. Jahrhunderts durch städtische Schuldbücher gefördert und die Kaufleute selbst führen Rechnungsbücher. Darin sind aber nicht nur Handelsgeschäfte verzeichnet, sondern auch "Einkünfte aus Grundbesitz, Bauvorhaben und häusliche Ausgaben." (Dollinger, S.213)

Eine Sonderform des Kredites ist der Borgkauf, den die Hanse zu verhindern versucht. Ein Kaufmann aus London erklärt für seinen Bereich, warum die Hansetage das verbieten sollen:

(...) nämlich dass man das Tuch von den Engländern zu teurerem Preis auch auf Borg kaufen kann, statt gegen bar oder im Tausch, und zwar zuweilen 2, 3 oder 4 Pfund teurer für den Packen. Das ist ein übles Verfahren  und führt allzu oft dazu, dass falsche und unredliche Kaufleute von der Hanse nach England kommen, auf Borg kaufen und dann flüchtig werden, so dass die guten Leute um ihre Bezahlung betrogen werden, wodurch wir vielerorts Schimpf und Verdruss erleiden müssen. Und dies hat die weitere Folge, dass die Gemeinen des Reichs von England im Parlament sich gegen den Kaufmann stellen, so dass er die Bestätigung der Privilegien nicht erlangen kann. (in: Dollinger, S.559)

 

Eine Sonderrolle spielt der Deutsche Orden bis zur Schlacht von Tannenberg. Er treibt selbst mit einem erheblichen Kapital Handel von zwei "Großschäffereien" in Marienburg und Königsberg aus. "Den Großschäffereien unterstanden gewöhnlich jährlich ernannte Vertreter (Lieger) u.a. in Brügge, London, Schottland, Lübeck, Danzig, Thorn, Elbing und Riga, die Vollmacht hatten, Waren zu übernehmen, sie so gewinnbringend wie möglich zu verkaufen, andere zu kaufen und heimzusenden. Der Deutsche Orden ist zwar im Unterschied zu den ihm unterstehenden Städten kein Mitglied der Hanse, aber eng und zugleich konfliktreich mit ihr verbunden.

 

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Herr oder Knecht ist man nicht nur auf dem Lande, sondern letztlich bei allen Freiheiten auch in der Stadt, wo sich das am deutlichsten als Obrigkeit und Untertan manifestiert; man ist es auch in der Familie als Kind gegenüber der väterlichen Gewalt. Knecht ist auch der Sohn des Hansekaufmanns, der selbst einer werden möchte, und zwar mehr oder weniger bis hin zu seiner Selbständigkeit.

 

Erster Ausdruck davon ist die Prügel, die auch mit hartem Gerät ausgeführt werden kann, erst im Elternhaus und dann insbesondere in der Schule. Die wenigen diesbezüglichen Quellen geben ohnehin den Eindruck her, dass die lateinisch-abendländische (städtische) Zivilisation zumindest seit dem 10. Jahrhundert den Menschen weitgehend eingeprügelt wird. Die so den Knaben eingebläute Härte ist genau die, die sie nachher weiterzugeben haben. Erst der massive Konsumismus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts - aufgrund des extrem armen Teiles der Welt möglich - wird das ändern und mit psychosozialer Verwahrlosung als Ersatz für Erziehung das andere Extrem betreiben, - allerdings als alternativer Weg in massiven Egoismus und fast völlige Entsolidarisierung der Menschenmassen.

 

Schüler wird man mit etwa sechs Jahren, lernt dabei Lesen, Schreiben, Rechnen, manchmal auch Latein und Kirchengesang, meist in den Pfarrschulen. Mit etwa zwölf Jahren oder etwas später beginnt dann die Lehrzeit als dienende Einführung in die Praxis, nicht selten erst einmal bei Verwandten. Ein Teil davon wird häufig im Ausland verbracht und ist mit dem Erlernen von Sprache(n) verbunden, wobei innerhansisch ohnehin das Norddeutsche ausreicht. Gelegentlich werden Lehrlinge auch im Detailhandel eingesetzt, wo man eher Warenkenntnis erhält. Grundlegendes Lernziel ist allerdings Unterwürfigkeit, gute Voraussetzung, um später umgekehrt Macht auszuüben. "Ein Rigauer Kaufmann sandte seinen Neffen nach Brügge zur Ausbildung und forderte dessen Lehrherrn auf, dat he en dwange geholden werde, dat he synen willen nicht kriege." (Hanse, S.95) Auch dem heutigen, meist akademischen Historiker dürften solche (oft stillschweigende) Vorgaben auf seinem Karriereweg kaum unvertraut sein. Kompensiert wird offenbar schon früh mit Alkohol, wie es mancherorts heißt.

 

Das ändert sich auch während dem meist zweijährigen Gesellenstatus nur geringfügig, in dem der Herr seinen Gesellen immer noch oft als knecht bezeichnet und behandelt. Die enorme Rohheit erreicht einen Gipfelpunkt bei den Bergener Spielen nach der Ankunft der Hanseflotte im Frühjahr:

"Im Mittelpunkt standen die Torturen, , die die Gesellen der Bergenfahrer über sich ergehen lassen mussten, bevor sie als vollberechtigt aufgenommen wurden. Sie hatten drei Prüfungen abzulegen. Die erste war die Rauchprobe: Der Prüfling wurde an einem Strick bis zu einer Rauchöffnung hinaufgezogen, aus der beizender Qualm strömte, und musste die albernsten Fragen beantworten., bevor man ihn halb erstickt wieder herabließ. Die zweite Probe war das Wasserspiel: Im Hafen wurde der Neue dreimal ins Wasser geworfen und musste dann wieder in sein Boot steigen, wobei er durch die in anderen Schiffen stehenden Gesellen reichlich ausgepeitscht wurde, nur mangelhaft geschützt durch einen stockbewaffneten Verteidiger. Die dritte Probe, die schlimmste, war die Prügelprobe:. Berauscht,  mit verbundenen Augen und nackt wurde der Prüfling in das >Paradies< geführt und bis aufs Blut ausgepeitscht, während seine Schreie durch den großen Lärm von Zimbeln und Pauken übertönt wurden; danach musste er noch vor den um die Tafel versammelten Altgesellen ein Lied singen." (Dollinger, S.238f)

 

Wenn der Geselle so schließlich ordentlich mannes wird, also selbständiger Kaufmann und nicht selten menschlicher Widerling, hat er gelernt, wie mit Untergebenen umzugehen ist und vielleicht später als Obrigkeit im Rat mit den Untertanen. Natürlich gehört zur Unterrichtung auch Buchführen, Rechnungswesen, Warenqualität, Formen des Ein- udn Verkaufes und Kreditwesen.

Nun hat der Kaufmann seinen Eigenhandel, und/oder er investiert sein Kapital oder einen Teil davon in Handelsgesellschaften; schließlich kann er auch (noch) in den Kommisssionshandel eintreten. Dabei hockt der Kaufmann nicht nur in seiner Kammer, sondern er kontrolliert die Waren bei Ankunft und Versand, schließt Verträge mit Transporteuren und Schiffern. Manchmal reist er auch in eines der Kontore mit seinen Waren mit.

Aber immer wichtiger wird die Korrespondenz, die über Politik, Krieg und anderes informiert. Vor allem informiert ihn der Korrespondent "über die Preise der verschiedenen Waren, schätzt die Höhe der Abgaben und Frachtkosten, den Gewinn, die Wünsche und die Zahlungsfähigkeit der Kunden und gibt in den sehr häufig vorkommenden Fällen der Absatzstockung den Befehl, die Frachten woanders hinzubefördern, um sie manchmal um jeden Preis abzusetzen..." (Dollinger, S.234)

 

Hat er hinreichend Reichtum erwirtschaftet und kann solchen Status nach außen demonstrieren, kann er nach Neigung und Möglichkeiten in Machtpositionen in der Stadt einsteigen und die Geschäftsführung Jüngeren überlassen. Im 15./16. Jahrhundert kann er aber auch, wie es schon früher in Italien stattfand, dem kleinen Landadel vormachen, was wahrer "aristokratischer" Lebensstil mit dem jeweils entsprechenden Luxus sein kann und er wird ganz zum Rentier.

 

 

Die Karrieren finden nicht nur innerhalb der Kaufmannsfamilien statt, sondern auf noch härterem Wege auch von recht weit unten nach oben. Gegen Mitte des 16. Jahrhunderts schreibt Reinmar Kock in seiner Lübecker Chronik für das späte 15. Jahrhundert:

Gott pflegt armer Leute Kinder aus Westfalen in die Ostseestädte zu jagen. Dort müssen sie lange als Jungen und und Knechte dienen, leiden und dulden. Dann können sie Gesellen, danach Gesellschafter (matscoppe) werden, dann Handel und Gut erben und schließlich auch dem Stadtregiment vorschreiben. (Kümper S.171 / 428)

 

Schon früh erlauben Handelsschiffe Seeleuten, statt ihrer Heuer einen (geringen) Anteil am Frachtraum zu erhalten. Diesen können sie im Hanseraum dann auch vermieten, kleines Kapital ansammeln und dann selbst Fracht mitzunehmen. Das macht allerdings wohl nur wenige Prozent der Gesamtfracht aus, die sich viele auch lieber auszahlen lassen. Man kann aber auch so Kleinkapitalist werden und anderen ihre Frachtraumanteile abkaufen:

"So tauchte 1473 auf dem Holk eines Kampener Schiffers in Bergen ein Koch namens Ludeke Mertens auf, der in Bergen für die nicht unbeträchtliche Summe von 90 Gulden Fisch kaufte (...). Einige Jahre später finden wir dann einen Mann gleichen Namens unter den Bergener Englandfahrern, die mit Boston handelten." (Kümper, S.179) Wenn es er war, ist er aber wohl eher eine Ausnahme.

 

 

***Der Seehafen***

 

Für den Händler ist der Produzent Ausgangs- und Endpunkt, letzterer als Massenkonsument. Sein Einkommen aus der Produktion von Waren muss dabei möglichst klein gehalten werden, zudem müssen von ihm aber möglichst teure Waren gekauft werden. Ausgleich in diesem Widerspruch zu finden leistet im Mittelalter im wesentlichen der Markt insgesamt, in dem sich die Kapitalgewinne herstellen, während heutiger sozialdemokratischer Kapitalismus dafür auch den Staat und die kooperierenden Gewerkschaften einsetzt.

 

Kapitalismus ist nicht nur von Produktion abhängig, sondern fördert diese auch indirekt. Hansische Seestädte sind ein gutes Beispiel dafür. An erster Stelle ist wohl der Schiffsbau mit seinen dazu gehörenden oder vorauslaufenden Gewerben. Schiffe halten im besten Fall nur wenige Jahrzehnte, und immer mehr von ihnen befahren die Nord- und Ostsee. An die zweite Stelle rückt wohl die Fässerproduktion durch die Böttcher. Fast alles wird - von Fisch über Salz und Getreide bis zum Silber in Fässern transportiert. Tuche sind oft schon in Ballen fertig verpackt. Wichtig sind auch die Stellmacher, die in Süddeutschland eher Wagner heißen, und die Transportkarren für Überlandwege oder wenigstens vom Seehafen zum Binnenhafen bauen. 

Die Produzenten sind auch Konsumenten, so dass ein oft beträchtlicher Teil der an Land gebrachten Waren in der Hafenstadt verbleibt. Kaufkraft haben auch die Fuhrleute, die Waren vom Seehafen zum Binnenhafen verbringen und jene, die für längere Landwege zuständig sind, und die die Gasthäuser wiederum frequentieren. Wenig Geld hingegen haben die vielfältig eingesetzten Lohnarbeiter, die zum Beispiel auch die Besatzungen für die Treträder von Hafenkränen stellen.

Für die verschiedenen Leistungen, die die Stadt den Seehandels-Kaufleuten bietet, verlangt sie Abgaben, zu denen auch Zölle gehören können. Dafür liefert die Hansestadt eine komplette und relativ standardisierte Infrastruktur, die schon bei Fahrwassertonnen, Baken und Leuchtfeuern für die sichere Einfahrt in den Hafen beginnt. Eine Vielzahl niederer und höherer "Ämter" dienen dazu, angefangen beim Zoll bis zur Wareninspektion über die Meisterzeichen, Prüfzeichen und Kennzeichnung des Herkunftsortes hinaus.

 

Was nicht in der Seestadt verkauft oder auf andere Seeschiffe geladen wird landet bei der Binnenschiffahrt oder dem Überland-Handel. Zwischen beiden wird konkurriert. Da Lüneburg aus der Straßenverbindung mit Braunschweig profitiert, bewegt es den Herzog von Brtaunschweig 1377 dazu, alle Kanäle vorsorglich zu verbieten, die damit konkurrieren könnten. (Dollinger, S.194)

Andere hingegen werden gebaut oder ausgebaut wie der Stecknitzkanal 1390-98 mit seinen Schleusen und Gebühren. Ein anderer um 1400 verbindet Pregel und Kurisches Haff und fördert den Handel Danzigs mit Litauen.

 

Die Binnenschiffahrt liegt in den Händen städtischer Vereinigungen von Fluss-Schiffern. "Mit der Entwicklung des Stapelwesens im 14. und 15. Jahrhundert entstand die Tendenz, die Flüsse in genau abgegrenzte Abschnitte einzuteilen, über die sich die Schiffergesellschaften der großen Uferstädte das Schiffahrtsmonopol aneigneten, wie z.B. die gylda nautarum von Berlin über die Spree und die Havel, die St.Jacobsbruderschaft von Hamburg über die Unterelbe." (Dollinger, S.193) Nur auf der Weichsel schuf der Ordensstaat eine übergeordnete Instanz.

 

Zum Seehafen gehören die Reeder und die Kapitäne, die nach 1350 immer häufiger verschiedene Personen sind, und sich mehrere Reeder das Schiff in "Parten" teilen, wobei das im 15. Jahrhundert dann schon einmal acht Personen mit uunterschiedlich großen Anteilen sein können. Darunter sind vor allem Kaufleute und Schiffbauer, aber manchmal sogar Handwerker. Dazu gehört zum Beispiel der ehemalige Schiffer Hermann Mesman aus Lübeck, "der sein Vermögen am Ende des 15. Jahrhunderts auf 3900 Mark in Gestalt von drei ganzen Schiffen und Parten an sechs Schiffen zwischen der Hälfte und einem Achtel schätzte." (Dollinger, S.196)

Kapitän (Schiffer) wird man, wenn man verheiratet mit Wohnsitz in der Stadt ist, eben überprüfbar ehrbar, und Anteile an dem Schif hält, welches er kommandiert. Er besorgt die Mannschaft, Macht die Frachtverträge und überwacht Laden und Löschen der Waren. Er ist selbst Kaufmann, gehört der Oberschicht an und sitzt auch in hohen Ämtern.

Die Schiffsmannschaft besteht aus 10-20 Matrosen, den Schipkindere, und dem Steuermann, wobei die Matrosen spätestens im 15. Jahrhundert eigene Bruderschaften haben.

 

***Die Hanse im 15. Jahrhundert***

 

Die Entstehung der Hanse begann mit Einzelprivilegien und dann mit Verträgen untereinander und schließlich Verträgen von mehreren Städten mit gemeinsamen Interessen. Der städtisch vermittelte Kaufmannsbund von den Niederlanden bis nach Nowgorod sorgt weitgehend dafür, dass die ökonomische Konkurrenz nicht in Gewalttätigkeit untereinander ausartet, es ist ein Friedensraum für die, die ihn dafür verwenden dürfen, einer, in dem rechtliche Regelungen die Herstellung von Machtverhältnissen "friedlich" begrenzen sollen. Das ist einzigartig für das lateinische Mittelalter und im etwa genauso großen Mittelmeerraum herrschen durchgehend ganz andere Verhältnisse.

 

Das 15. Jahrhundert bedeutet auch den zumindest politischen Niedergang der Hanse(n). Nichthansischer Handel dringt mit Unterstützung von Fürsten und Königen immer starker in hansisch privilegierte Domänen ein und Territorial- und Nationalstaaten dulden immer weniger die (städtischen) Sonderrechte. Einschneidend ist 1384, als Philipp der Kühne Flandern, Antwerpen und Mecheln erbt. Indem die burgundischen Herzöge die Niederlande zu einem machtvollen und reichen Gebiet zusammenfassen, üben sie wesentlich mehr Macht gegenüber der Hanse aus als flämische und andere Grafen zuvor.

Die große Zeit vieler Städte ist vorbei. Noch 1438 sollen manchmal 700 Schiffe von Damme losgefahren sein. Aber Brügge kämpft schon seit einiger Zeit mit der Versandung des Zwin. Bald wird es seine Rolle als Drehscheibe für Handel und Finanzen an Antwerpen abgeben, und die Atlantikroute um Europa und nach Übersee verändert den Handelsraum zur Gänze.

 

1469, mitten in einem massiven Konflikt mit England, definiert sich die Hanse als Antwort auf eine Erklärung des englischen Kronrates folgendermaßen:

 

(...) die Hansa theutonica ist (...) ein festes Bündnis (confoederatio) von vielen Städten, Orten und Gemeinschaften zu dem Zwecke, dass die Handelsunternehmungen zu Wasser und zu Lande den erwünschten und günstigen Erfolg haben und dass ein wirksamer Schutz gegen Seeräuber und Wegelagerer geleistet werde, damit nicht durch deren Nachstellungen die Kaufleute ihrer Güter und ihrer Werte beraubt würden. Die Hansa Theutonica wird nicht von den Kaufleuten geleitet, sondern jede Stadt und jeder Ort haben ihre eigenen Herren und ihre eigene Obrigkeit, durch die sie regiert werden. Denn die Hansa Theutonica ist (...) nichts anderes als ein Bündnis von Städten, das die Städte nicht aus der Rechtshoheit der Herren, die schon früher die Regierung ausübten, herauslöst: Sie sind vielmehr diesen Herren in allen Dingen untertänig wie vorher und werden von ihnen regiert. (in: Hanse, S.162)

 

Vermutlich ist genau das neben der zunehmenden Konkurrenz der Hauptgrund für den Zerfall der Hanse, nämlich die fehlenden durchschlagenden Zwangsmittel gegen die zunehmende Bedeutung massiv unterschiedlicher Interessen der Hanseregionen. Da ist vor allem Kölns Bindung an England und die Niederlande, die Gruppe wendischer Städte unter Führung Lübecks mit ihren Sonderinteressen, Danzig, welches sich in konsequenter Verfolgung eigener Interessen zur Drehscheibe des osteuropäischen Handels nicht nur für Salz und Tuche entwickelt, und das Baltikum, welches seit dem 14. Jahrhundert versucht, die Landverbindung Lübeck-Hamburg mit dem Seeweg durch den Sund zu umgehen.

 

Im 15. Jahrhundert finden Versuche statt, mittels "Tohopesaten" Zusammenschlüssen einen engeren Verband mit Wirkung nach außen zu erreichen, die aber auf die Dauer dem Selbständigkeitsdrang der einzelnen Städte widersprechen.

 

Andererseits findet im 15. Jahrhundert im Schnitt nur noch alle zwei Jahre überhaupt ein Hansetag statt, und nur auf wenigen davon sind alle drei Drittel vertreten. Die Mehrzahl findet in Lübeck statt, und es sind in der Regel nur zehn bis zwanzig Städte vertreten. Vieles wird aber auf häufigeren und besser besuchten Tagen einzelner Drittel besprochen oder auf Regionaltagen, wo oft bei gemeinsamem Fürsten mehr Vertreter anwesend sind. Das hat auch mit Kosten und Aufwand für die einzelnen Städte zu tun. Inzwischen dominiert aber Lübeck zusammen mit den wendischen Städten und vertritt die Politik zwischendrin.

 

Ein absoluter Ausnahmefall ist die Republik freier Bauern in Dithmarschen, die sich bis ins 16. Jahrhundert erhält. Verwaltet bzw. regiert wird sie von Vertretern wohlhabender Großbauern aus Geschlechtern bzw. Kluften, die über Verwandtschaftsverbände hinausgehen. Diese Leute treiben auch Handel, insebsondere mit Livland, und ein Teil von ihnen verbindet sich eng mit Hamburg, andere mit Lübeck. Spätestens seit ihrem Sieg über ein dänisches Ritterheer 1500 bei Hemmingstedt erscheint auch ein Vertreter von ihnen auf Hansetagen, obwohl sie nie offiziell Mitglied sind (was nur Städte sein können). Erst 1559 siegen die Dänen über sie und vernichten ihr Gemeinwesen.

 

Im 15. Jahrhundert nimmt der Druck von Fürsten auf Hansestädte zu. 1430 wird das sächsische Northeim zum Austritt gezwungen, 1452 Berlin und 1479 Halle. Daneben scheiden Städte wie Breslau aus, deren Interessen durch die Hanse nicht mehr abgedeckt werden.

 

Die süddeutschen Handelshäuser sind zunächst nur in beschränktem Maße Konkurrenten, weswegen die Beziehungen eher friedlicher bleiben. Engere Beziehungen entstehen vor allem über den Hundertjährigen Krieg, in dem sich eine Nord-Südachse östlich an Frankreich vorbei verstärkt. In manchem ergänzen sich Hanse und Süddeutschland eher, da in Nürnberg und Augsburg anders als in Hansestädten eine zunehmende Konzentration auf Bergbau, Erzverarbeitung und Metallgewerbe stattfindet. In dieser Nordsüd-Verbindung vermitteln vor allem die Frankfurter Messen, wo Edelmetalle zentral verhandelt werden und Finanzgeschäfte konzentriert sind. 

Das ändert sich dann noch einmal, als süddeutsches Kapital mit dem Ende des 15. Jahrhunderts den direkten Weg über Leipzig, Prag und Breslau nach Danzig findet und von dort in den östlichen Ostseeraum. (Hanse, S.181)

 

Die von Nürnberg und dann auch von Augsburg ausgehende Nord-Südachse, die die Hanse aufbricht, wird von den Nürnberger Mulichbrüdern am besten repräsentiert. Hans und Kunz tauchen als erste in Lübeck auf, und einer von ihnen heiratet eine reiche Witwe und Tocher eines Ratsherren dort, "die ihm als Mitgift 6500 Mark Bargeld und 500 Mark in Renten einbrachte". Luxuswaren gehen nach Norden (Perlen, Gold- udn Silberwaren, kostbare Tuche, Gewürze), die unter anderem von der Großen Ravensberger Gesellschaft und Fugger aus dem Süden gebracht wurden, während Stockfisch, Hering und Bernsteinketten nach Suddeutschland wandern.

Einer der Brüder, Mathias, lebt seit 1490 ganz in Lübeck , kauft dort 15 Häuser, hat gute Beziehungen zu den Herzögen von Mecklenburg und Schleswig und zum dänischen König, "von dem er in Oldesloe ein Grundstück zu Lehen erhielt, auf dem er eine Kupfermühle erbauen ließ." In die Zirkelgesellschaft wird er aufgenommen, der Rat bleibt ihm aber verschlossen. (alles: Dollinger, S.231f)

 

Gravierender als der Weg der Mulichs in die Hanse wird der der Fugger seit den frühen 90er Jahren des 15. Jahrhunderts zuerst in Antwerpen 1494 und zwei Jahre später in Lübeck. (siehe:  weiter unten unter: Süddeutschland))

 

Das wichtigste Machtmittel der Hanse seit dem 14. Jahrhundert ist die Handelssperre (Blockade) und zum (See)Krieg kommt es eher nur Ausnahmsweise. Aber die Blockaden sind ein zweischneidiges Schwert, da sie Raum geben für Konkurrenten, die dann einspringen und bleiben. Das verhilft zum Beispiel dem Nordseehering zum Auftrieb gegenüber dem aus der Ostsee, dem Islandstockfisch gegenüber dem in Bergen verhandelten von den Lofoten, und holländischem Tuch gegenüber flämischem, welches die Hanse transportiert.

 

Ähnlich zweischneidig ist das 1426 erlassene Verbot, Schiffe aus Hanseproduktion an Ausländer zu verkaufen, was zugleich den Schiffsbau dort befördert. Der Konkurrenz nutzt auch das 1403 erlassene Winterfahrverbot, während die Pflicht zum Konvoifahren seit dem Ende des 14. Jahrhunderts den Zeitaufwand erhöht.

 

 

Alles das bisher Gesagte kann erklären, warum das 15. Jahrhundert für den Hanseraum eine wirtschaftliche Depressionsphase darstellt. Der Umsatz im Lübecker Hafen halbiert sich fast zwischen 1368 und dem Ende des 15. Jahrhunderts, der Heringshandel auf Schonen beträgt am Ende nur noch ein Fünftel und der Salzhandel nur noch die Hälfte. (Kümper, S.325) Eine etwas geringere Depression findet auch in Hamburg und zeitweilig in Köln statt.

 

Die immer weiter voranschreitende Integration der europäischen Märkte führt zu ihrer Hierarchisierung. "Der Englandhandel zum Beispiel lief in dieser Zeit (...) fast ausschließlich über Köln und Danzig. Alle englischen Tuche und andere Waren, die auch in anderen Städten des Reiches problemlos zu erwerben waren, stammten also nicht aus dem Aktivhandel mit England, sondern kamen mittelbar über Köln oder Danzig in die regionalen Märkte." (Kümper, S.326)

 

Der Konsumismus bekommt über die neuen Angebote von Zucker, Tabak, Rum und indischem Tee eine erhebliche Nachfrageerweiterung. Die Gier der politischen Mächtigen und des Kapitals wird nun durch die Erweiterung der Nachfrage durch die steigende Gier jener Konsumenten erweitert, die sie sich leisten können.

 

***Handel, Gewalt und Krieg: Das 15. Jahrhundert***

 

Während die Hanse im Verlauf des 14. Jahrhunderts zu einer Art Monopolist im Ostseehandel und teilweise auch auf der Nordsee wurde, wird ihr das jetzt zunehmend streitig gemacht. In Stralsund und den preußischen Häfen tauchen immer häufiger englische und schottische Händler auf, bieten ihre Tuche an und kaufen Getreide, Holz, Harz und slowakische Metalle. (Dollinger).

In Danzig kommt es zu einer richtiggehenden Ansiedlung, die fast wie ein Kontor verwaltet wird. Man kauft oder mietet Häuser, holt die Familien nach und verbindet sich mit Einheimischen zu Handelsgesellschaften. Jenseits davon gelingt es aber der Hanse, andere Niederlassungen zu verhindern.

 

Schlimmer ist die Konkurrenz der nördlichen Niederlande. Mit englischer Wolle und flämischen Fachkräften versorgt, blüht in Leiden, Amsterdam, Haarlem und Rotterdam eine Tuchindustrie auf, die holländische Händler auch in den Hanseraum exportieren. Ihr Schiffsbau bekommt dadurch Auftrieb und auch dadurch, dass man die englische Wolle nun selbst dort abholt. In derselben Zeit entwickelt sich die holländische Bierproduktion zu einem massiven Konkurrenten, der zunächst hanseatisches Bier aus seinen Städten verdrängt. Holländer entfalten zudem Heringsfang in der Nordsee, was mit dazu beiträgt, dass der Markt für schonischen Fisch zurückgeht. Holländer transportieren außerdem nun zunehmend Baiensalz und zugleich französischen Wein.

 

Umgekehrt verlangt die nun steigende Bevölkerung in den holländischen Städten nach mehr Getreide. Bald sieht man holländische Schiffe in den livländischen Häfen und ab spätestens 1432 setzen Holländer ihre Waren bis nach Nowgorod ab und kaufen dort ein. Selbst da, wo die Qualität ihrer Waren geringer ist, wird das mehr als kompensiert durch niedrigere Preise. Gegenwehr der Hanse scheitert daran, dass sowohl der ostelbische adelige Großgrundbesitz bis nach Polen sein Getreide möglichst günstig direkt verkaufen möchte, als auch die preußischen und livländischen Städte ihre Abhängigkeit von der Hanse, der sie angehören, brechen will.

 

Aufgebrochen wird das Hansemonopol auch von Süden her. Vorreiter sind Nürnberger Großkapitalisten, die die Achse Italien - Nordsee von Süden her mit Gewürzen, Metallwaren und Luxusgütern bedienen, und vom Norden Pelze, Bernstein und Fisch importieren. Adel und Städte zwischen Leipzig und Krakau nehmen sie gerne auf. Lübecker Gegenwehr wird mit der Einheirat in lübische Patrizierfamilien umgangen. Daneben entsteht ein westöstlicher Handelsweg von Frankfurt über Nürnberg und Leipzig bis Posen, der die hanseatischen Seewege umgeht. 

1405 wenden sich die Lübecker Krämer an ihren Rat:

Liebe Herren, Eure Bürger und Kaufleute beklagen sich allgemein über die Nürnberger, die hier offene Keller halten, dass sie allerlei Waren verkaufen, wie beispielsweise flämische in kleinen und in großen Mengen, allerlei kölnische Waren, wie Garn und Seide Waren aus Frankfurt und desgleichen solche aus Venedig, alles nach Pfennigwert. Sie verkaufen auch Perlen und Gold nach Unzen.

Liebe gnädige Herren, das verursacht Euren Bürgern und Kaufleuten großen Schaden, denn ein Nürnberger kann die Waren von zwanzig Leuten allein verkaufen, und er setzt an einem Tag mehr Ware um und verkauft mehr als Eure Bürger und Kaufleute in einem Jahr. Deshalb meinen die Kaufleute, sie sollen keine Waren in ihren Kellern verkaufen können, sie seien denn in der Stadt Nürnberg hergestellt. Deshalb, liebe Ratsleute, sorgt für Eure Bürger, wie Ihr das immer gerne tut, dass sie also von Ausländern nicht zugrunde gerichtet werden. (in: Dollinger, S.565)

 

Wo Engländer und Holländer gleiche Rechte in Hansestädten fordern wie sie Hanseaten bei ihnen besitzen, reagiert die Hanse unter Führung Lübecks mit strikter Reglementierung und Ablehnung jedes Ansatzes von Freihandel.

 

 

Der Jagellone Wladislaw II. fördert mit Privilegien für den Stapelplatz Krakau den Handel durch Polen und versperrt damit den Kaufleuten Preußens den direkten Zugang zu den Kupferminen in Ungarn. 1410 kommt es zur preußischen Niederlage bei Tannenberg und ein Aufstand aus preußischen Städten heraus wird brutal niedergeschlagen. Von nun an werden die Städte durch Kriege des Ordens mit Polen, Litauen und gegen sie selbst geschwächt.

 

Einen heftigen Konflikt gibt es mit Kastilien, dass den Einfluss hansischer Kaufleute in asturischen Hafenstädten missbilligt. 1419 lässt der kastilische König Juan II. vor Rochelle 40 Schiffe der Baienflotte aufbringen und ihre Ladung verkaufen. Bis 1443 schwelt daraufhin der Konflikt.

 

Fast einen Dauerkonflikt gibt es mit England im 15. Jahrhundert. Inzwischen müssen Hansekaufleute hier dieselben Abgaben auf Einfuhren von Wein, Salz, Hering und Holz zahlen wie alle Ausländer. 1423 lehnen sie vom Parlament beschlossene Subsidien ab, werden eingesperrt und ihr Kontor wird zunächst geschlossen.

 

Die weitere Ausdifferenzierung skandinavischer "National"staaten wie norddeutscher und osteuropäischer Territorialstaaten senkt die politisch-militärischen Möglichkeiten der Hanse. Erich von Pommern, König von Dänemark 1412-38, will seine Hoheit über Holstein mit Unterstützung des Kaisers wieder herstellen, verbündet sich mit Polen und schädigt deutsche Kaufleute. Schließlich erlässt er ein Passiergeld am Sund und dann später auch noch einen Zoll auf die Waren.

 

Die wendischen Städte erklären mit Unterstützung der sächsischen Dänemark den Krieg und sperren den Sund. 1427 unterliegt ihre Flotte dort in einer Seeschlacht. Der befehlshabende Bürgermeister von Wismar (Johann Bantzekow) und der Hamburger Ratsherr Johann Kletzeke werden zur Strafe hingerichtet, während der Lübecker Bürgermeister mit einer Gefängnisstrafe überlebt. Auch hier entsprechen norddeutsche Geflogenheiten weiter den italienischen, wo die Verantwortlichen für militärische Niederlagen ein ähnliches Schicksal ereilt.

Der Däne kann darauf einen Konvoi von Salzschiffen aus Bourgneuf, die Richtung Preußen fahren, aufbringen.

Erst 1435 kommt es zum für die Hanse günstigen Frieden, Schleswig bleibt beim Grafen von Schauenburg, unabhängig von der dänischen Krone, die Privilegien der Hansestädte werden bestätigt und die wendischen Städte vom Sundzoll befreit.

Damit ist Erich so geschwächt, dass er 1438 vom Reichsrat abgesetzt wird. Die Hanse unterstützt Christoph von Bayern, aber der und sein Nachfolger nehmen die alte dänische Expansionspolitik wieder auf und unterstützen den holländischen Seehandel.

 

Die unter der Herrschaft burgundischer Herzöge weiter erstarkenden Niederlande geraten immer wieder in Konflikte mit der Hanse, wobei für die Flamen englische Wolle eine bedeutende Rolle spielt. Holländische, insbesondere seeländische Kaufleute wollen die Behinderungen im Ostseeraum nicht hinnehmen.Der 1435 geschlossene Friede von Arras beendet den Bürgerkrieg zwischen Armagnacs und Bourguignons, und das enttäuschte England führt nun Krieg gegen Burgund. Die Flamen, die die Deutschen der Sympathien mit England verdächtigen, erschlagen 1436 in Sluis fast 8o von ihnen. Brügge und Gent erheben sich gegen ihren Herzog, das mit diesem verbündete Kontor wird nach Antwerpen verlegt. In Flandern kommt es zu einer Hungersnot, der Getreidepreis vervierfacht sich und 1438 kann die Hanse nach Brügge zurückkehren.

 

1438 geht es um die Beute aus dem Kaperkrieg gegen Dänemark, weswegen Städte der Grafschaft Holland mit Unterstützung ihres Grafen, des Herzogs Philipp, einen zunächst erfolgreichen Kaperkrieg gegen Hanseschiffe der sechs wendischen Städte, der schnell in einen offenen Konflikt mit zahlreichen Hansestädten ausartet. Auf der Reede von Brest werden zwölf hansische Salzschiffe überfallen. Allerdings hält sich ein Teil der Hanse da auch heraus.

 

1441 wird in Kopenhagen ein zehnjähriger Waffenstillstand geschlossen, dessen Bestimmungen so unklar sind, dass sie die Vermehrung niederländischer Schiffe in der Ostsee nicht mehr aufhalten. 1442 beschließt die Hanse in Stralsund, dass nur noch in Brügge gekaufte Tuche in Hansestädte eingeführt werden dürfen. 1445 wird in Lübeck der Kauf holländischer Tuche durch Hansekaufleute untersagt. Vor allem Köln hält sich heraus, weil es nicht mehr an Brügge interessiert ist.

Inzwischen bekommt der burgundische Herzog seine nördlichen Städte immer mehr unter Kontrolle und wird in immer mehr Einzelfällen Gegner der Hanse.

 

Der norwegische Vogt von Bergen erzwingt 1443 Abgaben von deutschen Handwerkern und unterstellt sie einem Gericht. 1455 stürmen die Deutschen des Kontors ein Kloster, in das sich der Vogt geflüchtet hat, setzen es in Brand, töten den Vogt, den Bischof von Bergen und sechzig andere. Danach versuchen die wendischen Städten, den Stockfischhandel von Bergen noch mehr zu monopolisieren.

 

1449 eskaliert das Verhältnis mit England, als die Engländer im Kanal eine Flotte von rund 100 Schiffen überfallen. Die Hansestädte beschlagnahmen darauf englische Güter auf ihrem Gebiet.

 

1451-57 blockiert die Hanse den Handel mit Flandern, was den Holländern vor allem zum Vorteil gereicht. Das Kontor wird 1451 nach Deventer verlegt, was vielen Hansekaufleuten nicht passt, die nach Amsterdam, Middelburg und anderen Orten ausweichen. Darauf einigt man sich auf Utrecht, aber das lässt nun der Burgunder Philipp ("der Gute") 1455 besetzen. Man einigt sich nach Verhandlungen und das Kontor kehrt nach Brügge zurück. Inzwischen beginnt Antwerpen auch für die Hanse Schritt für Schritt Brügge zu ersetzen.

 

1459 stirbt Adolf von Holstein erbenlos und der Adel von Schleswig und Holstein unterstellt sich dem dänischen König.

 

1458 kommt es zum Krieg zwischen Lübeck und England, in dem die Hansestadt alleine bleibt. Bald danach wird dem Kontor die Bewachung des bishop's gate entzogen, ein Prestigeverlust. 1567 beginnt Karl ("der Kühne") eine Bündnispolitik mit England zum Schaden der Hanse. Zwischen 1469 und 1474 führt die Krise zwischen England und den Hansestädten zum Verbot des Stalhofes.

 

1467 kommt es zum Totschlag des dänischen Statthalters Islands durch englische Kaufleute. Als die Dänen 1468 sieben englische Schiffe beschlagnahmen, unterstellt die englische Regierung das hansische Einverständnis damit, verhaftet die Hanseleute und beschlagnahmt ihre Güter im Land. Eine städtische Menge greift den Stalhof an und zerstört ihn teilweise. Da die Kölner auf guten Beziehungen zu London bestehen, scheren sie aus, werden wieder freigelassen und behalten ihre Privilegien, während der englische Kronrat die anderen Hansekaufleute zu hohen Geldstrafen verurteilt. Als die Kölner so zu einer eigenen Niederlassung in London gelangen, werden sie 1471 von der Hanse ausgeschlossen.

 

Im folgenden Kaperkrieg gegen England 1469-1474 unter Danziger Führung, in dessen Vorlauf die obige Erklärung hansischen Selbstverständnisses angesiedelt ist, ist die Hanse zum letzten Mal, wenn auch nicht mehr sehr überzeugend, kriegerisch erfolgreich. Es geht wie fast immer im späten Mittelalter um Handelsinteressen. Die Hanse sperrt die Lieferung englischer Tuche mit Hilfe von Dänemark und Polen. Der Stalhof wird verboten, die Kaufleute werden nach neun Monaten wieder freigelassen. Derweil unterstützt die Hanse mit Danziger Schiffen Edward 1471, den das Parlament im Rahmen der Rosenkriege im Herbst 1470 abgesetzt hatte, und der mit burgundischer Unterstützung zurückkehrt.

 

Mitten in diesen Wirren kommt es 1470 um die 'Peter von La Rochelle' zur einzigen, relativ kurzen kriegerischen Auseinandersetzung mit Frankreich, welches 1472 erfolgreich gegen hansische Schiffe vorgeht. Es kommt schließlich zu Friedensverhandlungen, die 1472 mit Frankreich zum Waffenstillstand führen.

 

Nachdem der englische König im Frieden von Utrecht 1474 klein beigegeben hat, die Hanseprivilegien auch speziell für London, (King's)Lynn und Boston bestätigt und eine Entschädigungssumme an die Hanse zahlen muss, kann Köln 1476 dadurch wieder aufgenommen werden. Selbst die Bewachung des Bischofstores geht wieder an das Kontor.

1474 ist der Stalhof also wieder etabliert und wird nun mit Wirtschafts- und Wohngebäuden und seiner Kapelle neu ausgebaut.

 

Der englisch-hansische Krieg verringert die Bedeutung von Brügge und des dortigen Kontors weiter. Dennoch wird offiziell an ihm festgehalten. In einem Rezess (Beschluss) zu Lübeck von 1470 heißt es:

Und niemand (...) soll in Flandern, Brabant oder Holland hergestelltes Tuch in irgendwelche Hansestädte oder deren Gebiet bringen, das nicht über über den Stapel von Brügge ging oder das nicht in Antwerpen oder Bergen op Zoom auf der Kalten Messe (...) geklauft oder feilgeboten wurde (...) Ebenso soll man alle Stapelgüter wie Wachs, Pelzwerk, Kupfer, Zinn, Schaffelle, Ziegenfelle und allerlei andere Arten von Fellen, Wolle, Tran, Osemunt (schwedisches Eisen) und Eisen jeder Art, Waidasche, Flachs, Vitriol, Butter, Leinwand und alle anderen Stapelgüter, wie sie auch heißen, ausgenommen Ventegut wie Bier, Korn, Pech, Teer, Wagenschott, Klappholz (beides Eichenholz) zum Stapel in Brügge oder zu den beiden Messen in Antwerpen oder nach Bergen zur St. Martinsmesse bringen (...) Und falls derartiges Stapelgut auf den Messen zu Antwerpen oder Bergen unverkauft bliebe, soll man es wieder auf den Stapel in Brügge bringen. (in: Dollinger, S.551)

 

Als nach dem Tod der Maria von Burgund die Brügger gegen Maximilian aufstehen, wandern noch mehr Hanseaten ab, und dann noch einmal, als die Brügger 1488 Maximilian gefangen nehmen.

 

Grundsätzlich floriert das Londoner Hansekontor nach dem Krieg wieder. Bis in die Mitte des 16. Jahrhunderts bleiben Hansekaufleute wichtigste ausländische Tuchexporteure. Englische Händler konzentrieren sich in der nächsten Zeit als Verkäufer englischer Tuche in den Niederlanden und werden so zu harten Konkurrenten der Hanse. Mit der 1505 königlich privilegierten Company of Merchant Adventurers of England macht sich England bereit zur mehrere Jahrhunderte andauernden Eroberung der Weltmeere.

 

Handel ist friedlich, soweit es seinen Interessen dient, und wird über seinen politischen Arm gewalttätig, sobald das erfolgversprechend ist, und manchmal darüber hinaus. Dabei ist es strukturelle Gewalt als Kapitalsmacht, die die Hanse meist vorzieht. Damit wird versucht, die Teilhabe der Produzenten an der städtischen Macht zu verhindern und vor allem dabei Einkünfte aus einfachem Eigentum und Arbeit möglichst zugunsten von Kapitalgewinnen zu drücken. Das geschieht dann über das Verlagssystem oder über Abnahmeverträge.

 

1466 unterstellen sich die durch die Politik des Ordens geschwächten preußischen Städte mit Ausnahme Königsbergs der polnischen Krone.

 

1462 beginnt mit der Herrschaft des sich nun Zar nennenden Iwans III. der Aufstieg des Großreiches von Moskau und seine Erweiterung bis zum Ural.

 

1494 führt den Moskowiter Iwan III. seine Expansionspolitik zur Ostsee nach der Ermordung russischer Kaufleute in Livland zur Inhaftierung der Deutschen in Nowgorod und zur Beschlagnahmung ihrer Güter. Der Russlandhandel mit dem Westen verlagert sich nach Livland (Reval, Riga, Dorpat), Finnland und Polen und wird zunehmend von Süddeutschen, Holländern und Schweden übernommen. Die Inhaftierten, Lübecker, Westfalen und Livländer, werden nach drei Jahren wieder freigelassen. Als das Kontor in Nowgorod 1514 wieder zugelassen wird, hat es seine Bedeutung verloren.

 

1509 ist Krieg der Hanse gegen Dänemark, welches mit Holland verbündet ist. 1511 wird nahe Danzig ein Teil einer holländischen Flotte versenkt und der Rest aufgebracht.

 

1512  müssen sich sechs flämische Städte und kleine Herrschaften dazu verpflichten, flämische Tuche aus spanischer Wolle seulement pour les Osterlincx zu produzieren. Mit dieser Verpflichtung sind sie den Preisvorstellungen der Kaufleute mehr oder weniger ausgeliefert, die deren Vertreter in Brügge mit den Drapiers aushandeln. (Hanse, S.121)

Während das ein eher späteres Phänomen ist, führt das Abnahmemonopol auf (Salz)Hering und Stockfisch in Bergen und auf Schonen vor allem schon früher zur Abhängigkeit der dortigen Produktion. Dafür werden Konkurrenten durch Kapitalmacht und militärische Drohgebärden, aber auch durch eine überlegene Handels-Infrastruktur vom Markt vertrieben.

Aber dann beginnen die Hamburger, Bremer und Holländer mit dem Fischfang bei Island und versorgen die deutschen Lande damit. 1514 verlangt das Kontor zu Bergen von der norwegischen Regierung vergeblich, dagegen einzuschreiten. Die Hamburger und Bremer können billiger verkaufen, denn sie verfrachten in drei Schiffen mehr Fisch als wir es in fünfen tun können, und sie brauchen in Island nicht solche hohen Kosten für Häuser und Höfe aufzubringen, wie der Kaufmann in Bergen (... in: Dollinger, S. 574)

 

Kapitalismus schafft (sich) Schutzräume, in denen er möglichst friedlich und ungestört agieren kann. In Norditalien sind das frühe Stadtstaaten, in Nordeuropa ist das die Hanse, in Süddeutschland scheitern solche kapitalgetragenen Städtebünde an der Übermacht der von Königen gedeckten Fürsten. Mit der langsamen Trennung von England und Frankreich übernehmen dort, dabei auch in Skandinavien und noch später Spanien, Nationalstaaten immer mehr die Aufgabe, Kapitalverwertung zu fördern und sich von dieser tragen zu lassen. Da das Kapital nun nur noch als Juniorpartner der herrschenden Dynasten auftreten kann, wird sich die Entwicklung des Kapitalismus bis ins 18. Jahrhundert deutlich verlangsamen, was allerdings auch damit zu tun hat, dass die Kolonisierung und Ausplünderung der übrigen Kontinente neuartige Profitmöglichkeiten erschließt.

 

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Um 1390 beanspruchen die Herzöge von Mecklenburg erst den dänischen und dann den schwedischen Thron. Um das durchzusetzen, öffnen sie die Häfen von Rostock und Wismar für privat-unternehmerische Kaperfahrer und bedienen sie mit erheblichen Privilegien. Diese betreiben darauf Überfälle zur See und sollen sogar Bergen 1393 überfallen haben. Ihre Beute verkaufen sie unbehelligt in den beiden Städten. Damit beginnt wohl die Geschichte der Viktualienbrüder, die bis Anfang des 16. Jahrhunderts anhalten wird.

 

 

Typische Kaperfahrer sind im 15. Jahrhundert zunächst die Hildesheimer Diderik Pining und Hans Pothorst. Pinings Vater verarmte offenbar und beide wandern wohl zusammen nach Hamburg, wo sie zu bekannten Kaperfahrern werden. Bis 1473 stehen sie so im Dienst der Hansestadt Hamburg. Irgendwann dann gelangen sie in dänische Dienste. Unter dem dänischen König Christian I. und wohl auf Veranlassung des portugiesischen treten sie 1473 eine von beiden Königen organisierte Entdeckerfahrt an, um eine Nordwestpassage nach Ostasien zu erkunden. Sie führt zumindest bis nach Grönland, wahrscheinlich aber nicht bis Labrador.

Nach der Rückkehr heiratet Pothorst in Hamburg eine verwitwete Ratsherrentochter, was ihm Zugang zu Patrizierkreisen verschafft. Von 1473 bis 1477 ist er Mitglied der Flandernfahrer-Gesellschaft.

Danach arbeitet Pining weiter für den dänischen König und wird nach und nach Statthalter für ganz Island, was er zunächst auch in dem folgenden dänischen Interregnum bleibt. Unter dem Thronfolger Johann I., der Dänemark, Norwegen und Schweden unter seiner Krone vereint, führen Pining und Pothorst einen Piratenkrieg gegen England. Nach dem folgenden Frieden verlieren sich die Spuren Pinings. Pothorst stirbt um 1489 wohl als ehrbarer Bürger.

 

 

 

****Lübeck****

 

Das zur Gänze vom Handel beherrschte Lübeck hat eine relativ breite Schicht von Fernkaufleuten, die im gesamten Hanseraum operieren und zudem Einkünfte aus Renten, Krediten und Schiffsanteilen haben. Eine Etage darunter ist Handel angesiedelt, der nur eine Region bearbeitet und sind Schiffsreeder, Großbrauer und reiche Gewandschneider.

 

Im Rat sitzen nur Kaufleute, die sich schon vor der Mitte des 13. Jahrhunderts Nachrücker kooptieren, deren Ratsmitgliedschaft im 14. Jahrhundert auf Lebenszeit erweitert wird. 1379 wird von neun Geschlechtervertretern in einem Vertrag mit dem Katharinenkloster die Zirkelgesellschaft (Cirkelselschop) als Elite der Elite gegründet. Das Kloster gibt ihnen in seiner Kirche eine Kapelle. Vier gewählte Schaffer verwalten die Gesellschaft, die sich durch Kooptation ergänzt und im 15. Jahrhundert 30-50 Mitglieder hat. "Alle großen Familien der Stadt waren in ihr vertreten: 1429 waren unter den 52 Mitgliedern 19 Ratsherren und 3 Bürgermeister; 1483 gehörte ein einziges Ratsmitglied nicht dazu." (Dollinger, S.173)

Man pflegt einen adeligen Lebensstil und lässt sich als "Junker" bezeichnen.

 

1380/84 führt der Kaufmann Hinrich Paternostermaker einen Aufstand der mit ihm verbundenen Knochenhauer gegen den Stadtrat an, der blutig unterdrückt wird. Von um die 50 Aufständischen werden 18 hingerichtet.

 

 

Der Krieg gegen die Vitalienbrüder und der Bau des Stecknitzkanals verlangen immer höhere Ausgaben. 1403 verhandelt der Lübecker Rat mit der Bürgerschaft über die Erhöhung der städtischen Einnahmen, um die vielen Schulden abzutragen. Die Ämter (Zünfte) lehnen ab. 1405 wird ein 60er Ausschuss gebildet, der den sich immer noch selbst ergänzenden Rat kontrollieren soll. Er erstellt eine Liste mit Beschwerden über Ausgaben des Rates und erhöhte Abgaben auf Brot und Bier.

1406 verlangt die Gemeinde eine neue Ratswahlordnung. Unter militärischen Druck akzeptiert der Rat die Beteiligung der Gemeinde an der Wahl. 15 der 23 Räte der alten Geschlechter fliehen und erhalten die Unterstützung von Ruprecht III. von der Pfalz. 1408 setzen die Sechzig einen neuen Rat aus 24 Personen durch, in dem es auch Handwerker gibt. Das Reichshofgericht verlangt, die Emigranten wieder einzusetzen. Darauf zieht der Neue Rat ihre Güter ein.  1410 wird Lübeck vom Reich geächtet.

Die Mehrheit der Hansestädte außer Wismar und Rostock bleibt auf Seiten des patrizischen Rates. Hamburg weist immerhin die Emigranten aus, die nach Lüneburg gehen.

1411 erneuert der gerade gewählte König Sigismund die Reichsacht über die Stadt. Der Neue Rat wendet sich an ihn mit dem Angebot, 6000 Gulden für die Erneuerung der Privilegien zu geben. Sigismund fordert aber 24 000. Man akzeptiert, zahlt aber dann nicht.

Der Dänenkönigs Erich von Pommern wendet sich gegen die Umstürzler und lässt die Lübecker Kaufleute auf Schonen verhaften. Dann wird auch der Druck von Sigismund so groß, dass man 1416 den alten Rat, der zurückkehrt, wieder einsetzen muss, der aber nun durch 5 Mitglieder des Neuen Rates ergänzt wird, die aber kaum Einfluss bekommen. Die Ämter müssen einen Treueeid schwören und einer Abgabe zur Tilgung der auf 13 000 Gulden ermäßigten "Schuld" gegen Sigismund zustimmen. Mehrere Aufständische werden hingerichtet.

Danach wird auch in Wismar, Rostock und Hamburg das patrizische Regiment wieder durch Fürsten und Hanse hergestellt.

 

1418 wird unter Lübecker Führung ein Hanse-Statut verabschiedet, welches jeden Aufruhr gegen die patrizische Ordnung gemeinsam unterbinden soll. Unruhestifter und Mitwisser sollen verurteilt und hingerichtet werden. In einigen Hansestädten löst das Unruhen aus. Bremen wird 1427 ausgeschlossen, was zur Ermordung des Bürgermeisters und zur Einsetzung eines neuen Rates führt, was 1433 zurückgenommen wird und zur erneuten Aufnahme in die Hanse führt.

 

Mitte des 15. Jahrhunderts gründet sich aus reichen Fernhändlern, die es nicht in die Zirkelgesellschaft schaffen, die 'Kaufleute-Kompanie' um den künftigen Bürgermeister Hinrich Castorp (Bürgermeister von 1462-88).

Während um 1465 19 von 20 Räten noch aus der Zirkelgesellschaft stammen, sind es nach 1480 nur noch etwa zwei Drittel, ergänzt durch Vertreter der Kaufleute-Kompanie. Vermögende Händler-Familien, die erst in jüngerer Zeit nach Lübeck gezogen waren, versammeln sich in der Greveraden-Kompanie, die unter dem Zirkel und der Kaufleute-Kompanie angesiedelt ist, und die nach 1500 zunehmend mehr Mitglieder im Rat stellen kann.

 

***Wismar***

 

Um 1200 wird aus einem Dorf durch Zuzug norddeutscher Siedler die Handelsstadt Wismar. 1226 übernimmt sie Lübecker Stadtrecht. Es entwickelt sich neben dem Handel beträchtliches Handwerk insbesondere der Wollweber, Schmiede, Schuster und Bäcker, die Zünfte werden aber von vom Rat eingesetzten Werkmeistern geleitet. Um 1322 verschwindet der letzte Handwerker aus dem Rat, den Fernkaufleute, reiche Bierbrauer und Gewandschneider kontrollieren.

 

1390 führen die Vitalienbrüder (Strötebeker & Co) von Wismar und Rostock aus einen Kaperkrieg gegen Königin Margarethe, unter dem aber der reguläre Handel wie der nach Schonen leidet.

 

1410 kommen Sendboten des geächteten Lübeck nach Wismar. Die Wismarer Ratsherren sehen sich bald genötigt, die Wahl eines Hundertmänner-Ausschusses zu akzeptieren, der den Rat wie kürzlich in Lübeck immer stärker kontrolliert. Die verhasste Bierabgabe wird abgeschafft.

Die Herzöge von Mecklenburg kommen, werden aber von einer Menge unter einem Bäcker vertrieben. Unter dem Wollenweber Claus Jesup wird ein neuer Rat etabliert, der den alten an den Rand schiebt.

Nachdem Lübeck den alten Rat 1416 zurückholen muss, sehen sich die Wismarer dazu gezwungen, das ebenfalls zu tun. Alle Veränderungen werden abgeschafft, ebenso wie kurz darauf auch in Rostock.

 

1427 kehrt die geschlagene Flotte zurück. Eine Menge unter Claus Jesup stürmt das Rathaus und fordert die Halbierung der Bierabgabe, die höhere Belastung der Reichen und Aufklärung über die vergangene Kriegspolitik. Der Anführer der Flotte und der Bürgermeister werden gefangen gesetzt. Beiden wird der Prozess gemacht und sie werden öffentlich hingerichtet. Herzogin Katharina von Mecklenburg wird im Januar 1428 genötigt, einen neuen Rat aus 16 Vertretern der alten Geschlechter und 8 des Handwerks einzusetzen. Jesuo wird Bürgermeister.

 

Der Kaperkrieg geht allerdings bis 1435 weiter und schadet der Wirtschaft, selbst die Abgabe auf das Bier muss wieder voll hergestellt werden. 1428 ächtet der König die Stadt, was ihr so schadet, dass sie 1430 den neuen Rat wieder abschafft, den alten wieder einsetzt, wobei einige des neuen in den nunmehr neuen übergehen.

 

In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts verarmt ein immer größerer Teil der Bevölkerung. "Im Jahr 1475 gab es in Wismar 1278 Buden und 177 Kellerbehausungen, während nur 577 Wohnhäuser das Stadtbild prägten." (Schneider-Ferber, S.193)

 

***Bremen***

 

Nach 1350 kommt es zu einer großen Finanzkrise. Die verschärft sich, als Bremen den Hanse-Boykott gegen Brügge nicht mitmacht. Dagegen stehen 1365 Bürger mit einem Bannerlauf auf, dringen in Häuser des Rates ein und misshandeln einige. Der Rat kann sich mit Gewalt wehren. Einige Aufrührer werden auf dem Marktplatz enthauptet und ihr Vermögen eingezogen.

 

1366 müssen vier Ratsherren den Rat verlassen, verlassen die Stadt und nehmen Kontakt zum Erzbischof auf. Der dringt mit bewaffneter Gewalt in die Stadt ein, einige Ratsherren fliehen zum Grafen von Oldenburg. Ein Rat aus hundert Männern wird gewählt, darunter vermutlich Vertreter der Handwerker.

Juni 1366 ächtet ein Hansetag die Verräter, welche die Stadt in die Hände des Erzbischofs gebracht hätten. Knechte des Grafen überrumpeln die Leute des Erzbischofs, "Verräter" werden erschlagen oder fliehen. Die Bürger müssen dem Rat Gehorsam schwören. Zwei Ratsherren sollen bei den Morgensprachen (Versammlungen) der Ämter (Zünfte) anwesend sein. Das alte Zustand des Rates wird wieder hergestellt.

 

***Köln***

 

Köln hat ähnlich wie Nürnberg eine ausgewogene Struktur aus Handel, Finanzen und Gewerbe. In der Hanse nimmt es eine Sonderrolle ein, da es durch ein streng betriebenes Stapelrecht und seine Ausrichtung auf Antwerpen statt Brügge aus dem Rahmen fällt. Herausragendes Gewerbe bleibt weiter die Textilproduktion, deren verlegerische Organisation anders als sonst wesentlich von erfolgreichen Handwerkern betrieben wird. Zur Wolle kommt mit Tirtey ein Mischgewebe aus Wolle und Leinen und im fünfzehnten Jahrhundert Barchent. Die Baumwolle dafür kommt aus Brügge. 

Ein bedeutendes Gewerbe ist auch seit dem 14. Jahrhundert die Garnproduktion, insbesondere die von blauem Garn, das bis nach Antwerpen verhandelt wird. Dabei wird auch Roh-Garn zim Beispiel aus Erfurt in Köln weiter veredelt.

 

Unternehmerisch unterstützte Massenproduktion wird von der Stadt durch Qualitätskontrolle und Einteilung in drei Qualitätsstufen sowie feste Maße unterstützt.

Neben diesen Tuchen steigt die Seidenstoffproduktion weiter an, in der Köln im Norden bis durch das 15. Jahrhundert eine Vorrangstellung in der Nordhälfte Europas einnimmt.

 

Ein wesentliches Kölner Handelsgut ist entsprechend auch das von Färbemitteln auf Pflanzenbasis. In Köln wird so Waid aus dem Umland verhandelt und Krapp vom Oberrhein. Im 15. Jahrhundert beginnt dann die Konkurrenz von Färbemitteln aus Afrika und Asien (Indigo-Blau).

 

Fast so wichtig wie die Tuchproduktion ist die von Metallwaren. "Roheisen, Stahl und Halbfabrikate sowie Fertigwaren erwarben die Kölner vornehmlich im Bergischen Land, dem (märkischen) Sauerland, dem Siegerland, der Eifel und dem Hunsrück." (Fuhrmann, S.145)

Solingen liefert Scheren und Messer in hoher Qualität, in Elberfeld und der Umgebung von Remscheid entstehen Sicheln und Sensen, aus Plettenberg kommen Drahte und Schuhschnallen, aus dem Siegerland Nägel und gusseiserne Öfen. Die Stadt Köln selbst konzentriert sich auf Harnische und die Veredelung von Halbfabrikaten. Insgesamt gibt es zeitweise 43 verschiedene spezialisierte Metall-Handwerke.

 

Der Kölner Handel erstreckte sich fast wie der Nürnbergs über einen großen Teil Europas. Mit dem Stapelrecht können die städtischen Einnahmen an indirekten Steuern gesteigert werden. Um es zu umgehen, nehmen manche auswärtige Händler das Bürgerrecht an, und sie werden gegen Ende des 15. Jahrhunderts geradezu dazu gedrängt. Ab 1508 müssen Faktoren auswärtiger Handelshäuser dies sogar tun. Damit fließt weniger Reichtum aus der Stadt ab.

Bis ins fünfzehnte Jahrhundert ist der Handel von Wein aus dem Elsass, vom Mittelrhein und von der Mosel von großer Bedeutung, von Köln geht der Wein dann in die Hansestädte. Im Verlauf des Jahrhunderts geht er dann wegen des Aufschwungs des Bieres als Grundgetränk zurück. Für den Wein bringen Kölner Händler Fisch aus Nord- und Ostsee zurück.

Rinderherden werden von der Ost- und Nordseeküste in das Umland von Köln getrieben, dort noch einmal auf den Weiden gemästet und dann in der Stadt verkauft.

 

1355 taucht zum ersten Mal in den Quellen der Grundsatz auf, dass Eigenleute nach Jahr und Tag von ihrem Herrn nicht mehr zurückgefordert werden können. Die politische Verfasstheit Kölns beinhaltet wie in vielen anderen großen Städten in deutschen Landen inzwischen die Obrigkeit einer Fraktion alter Geschlechter des Kapitals. Im 14. Jahrhundert sind es 15 Familien, die "etwa zwei Drittel aller Führungspositionen" besetzen (Fuhrmann). Diese monopolisieren den Engen Rat, dessen 15 Mitglieder, die sich jährlich aus ihren Geschlechtern erneuern. Nach drei Jahren können die Leute auf ihre Posten zurückkehren.

Der Weite Rat seit Anfang des 14. Jahrhunderts mit 82 Mitgliedern rekrutiert sich aus jener wohlhabenden Kaufmannsschaft, die für den Engen Rat nicht zugelassen ist, und die bei großen Geldausgaben der Stadt wenigstens mitbestimmen kann.

 

Gegen diese Machtstrukturen schließen sich wohlhabende Kaufleute in Gaffeln zusammen, und Opposition betreiben auch die in der Regel wohlhabenden Goldschmiede und vor allem reiche, als Verleger tätige Weber. Als der Rat sich von Karl IV. einen neuen Rheinzoll zwecks Einnahmesteigerung erbittet, wenden sich die Exporteure und Importeure von Waren dagegen, insbesondere die in der Gaffel vom Eisenmarkt vereinten Fernkaufleute und die Wollenweber. Unter ihrem Druck muss der Zoll zurückgenommen werden, was den an ihm partizipierenden Kaiser empört, der eine Entschädigung von 14 000 Gulden verlangt. Der Ratsherr Rütger Hirzelin vom Grin wird dafür mit der Finanzaufsicht beauftragt und schnell kommt der Verdacht von Korruption auf. Die Zünfte setzen drei Kontrolleure des Kontrolleurs aus ihren Reihen durch. Für 1367 heißt es dann:

 

Und als diese eine Weile beigesessen hatten, so wurden sie gewahr, dass Rütger heimlich das Geld der Stadt oben in seinen Hut und unten in seine Hose warf und steckte mit großen Summen, also, dass ein Beisitzer zu den anderen sprach  und warnte, dass sie sähen, wie Rütger das Geld zu sich nehme. Und das sahen sie und wurden des gewahr und brachten es an den Rat. Und als er heimlich in sein Haus kam, ließ der Rat ihn festnehmenund auf die Schafenpforte in das Gefängnis setzen. Und nachdem er des Verbrechens überführt worden, ließ man ihm gemäß Schöffenurteil sein Haupt abschlagen. (Gerlach von Hauwe, Dat nuwe boich, neuhochdeutsch in: Schneider-Ferber, S.124)

 

Korruptionsverdacht gegenüber der städtischen Obrigkeit durchzieht das ganze späte Mittelalter und dürfte bis heute weithin gerechtfertigt sein. In Köln wird die Stimmung auf der Straße immer aufgeregter. Als den Leuten 1369 die Verurteilung eines Straßenräubers zu lange dauert, drohen sie, das Gefängnis zu erstürmen und bekommen ihn ausgeliefert, so dass der Mob ihn auch ohne Urteil enthaupten kann.

Als drei Ratsherren 1370 keinen die Bürger befriedigenden Ausgang einer Fehde des Kölner Ritters Edmund Birkelin gegen die Stadt erhandeln können, ziehen die Weber und andere Bürger vor das Rathaus, um die Verhaftung der drei zu erreichen. Der Rat gibt nach und lässt sie verhaften. Am nächsten Tag kommen die Leute zurück und fordern nun die Verhaftung von weiteren acht Ratsherren. Diese suchen darauf Zuflucht in einem Stift.

 

Die bisherigen Erfolge ermutigen die Opposition, weiter zu gehen. Sie fordern nun die Abschaffung der Riecherzeche und den Ausschluss der Schöffen vom Rat und vom Bürgermeisteramt. (Schneider-Ferber, S.128)

Der Enge Rat gibt nach und besetzt den Weiten Rat nun mit nur noch 50 überwiegend zünftigen Vertretern, die allerdings im wesentlichen Kaufleute sind. Ende des 15. Jahrhunderts heißt es in der 'Koelhoff'schen Chronik':

Es war wunderlich und fremd anzusehen, als Köln mit solchen Ratsleuten besetzt war, diese Stadt, die von Anfang ihres Bestehens allzeit regiert war von den fünfzehn adeligen Geschlechtern, die von rittermäßiger Geburt, von altem Adel, mit Schild und Helm niemals im Turnier abgeworfen. An deren Stelle saßen nun die Weber, und sie hatten sich solchen Anhang gesichert, dass sie allweg den größten Teil im Rate für sich hatten. Und darum musste es gehen nach ihrem Willen, und was sie wollten, das geschah. Ihre Gewalt war groß, und sie betrieben viele Dinge, daran Vornehm und Niedrig großen Anstoß nahm. (in: Schneider-Ferber, S.129)

 

Die Riecherzeche wird ihrer Rechte beraubt und auch die Sondergemeinden verlieren ihren politischen Einfluss.

Knapp siebzehn Monate dauert die Macht der Weberanführer, und sie machen sich nicht beliebt dadurch, dass sie die indirekten Steuern auf Tuche durch ein Weinungeld ersetzen, welches viel mehr Leute trifft, aber die Weber begünstigt.. Daneben werden auf Grundbesitz direkte Steuern (Schoß) erhoben. Auch Ärmere können nun das Bürgerrecht erhalten.

 

Als mehrere Weber trotz Verbotes durch den Rat an einer brabantisch-jülischen Fehde teilnehmen und dort reiche Beute machen, werden sie nach ihrer Rückkehr zum Tode verurteilt. Weberkollegen befreien sie mit Gewalt. Das führt zum Widerstand gegen die Macht dieser Zunft. Die in Gaffeln organisierten Kaufleute verbünden sich mit anderen Zünften. Im November 1371 besiegen sie mit Söldnern die Weber und ihre Partei in einer städtischen Schlacht.

Viele Weber sterben im Kampf, andere müssen die Stadt verlassen. Ihre Häuser werden vom Rat eingezogen und die beiden Gewandhäuser der Weber werden zerstört. Weber dürfen zunächst nur noch zwei Webstühle besitzen und in der ganzen Stadt nur 200.

Im Engen Rat dürfen nur noch zwei Schöffen sitzen. "Bereits im folgenden Jahr schrumpfte der Weite Rat auf 31 Köpfe, deren Kompetenzen jetzt vornehmlich in der Kontrolle des Finanzwesens lagen, nur noch einige Goldschmiede vertraten das handwerkliche Element." (Fuhrmann, S.141f) Webern, Schmieden und Schneidern wird nun der Waffenbesitz verboten. Die Zünfte werden politisch entmachtet und stärker vom Rat überwacht, seine Qualitätskontrolle nimmt als Machtmittel zu. Das Weinungeld wird beseitigt und die Tuchakzise wieder eingeführt.

 

1388 zeigte das Kapital noch einmal Einmütigkeit bei der Gründung der Universität. Aber 1391 kulminieren die Geschlechterkämpfe der "Greifen" und der "Freunde" mit der Machtübernahme der Greifen unter Hilger Quattermart von der Stesse, dem unterstellt wird, er wolle der overste van Colne werden. Das Vermögen der Schöffen wird eingezogen und sie werden dem Rat unterstellt. Die Richerzeche wird aufgelöst.

1396 kommt der Gegenschlag der "Freunde" unter Konstantin von Lyskirchen, die die Führungsgruppe der Greifen einsperren und sich so arrogant benehmen wie ihre Gegner.  Darauf beendet ein Bündnis aus Kaufleuten und Zünften die Geschlechterherrschaft. Über hundert Anhänger der "Freunde" werden eingesperrt.

 

Ein provisorischer Rat setzt eine verfassungsgebende Kommission aus 25 Zunftvertretern  und 13 unzünftigen Bürgern ein. Kurz darauf verkünden Bürgermeister, Rat und Zünfte gemeinsam den Verbundbrief. In ihm die die Gemeinde "das begriffliche Pendant zum Rat als städtischer Obrigkeit." (Schwerhoff in: Schreiner/Meier, S.191)

Es ist eine Verfassung, die das politische Köln in 22 Gaffeln einteilt, von denen vier aus Kaufleuten bestehen. Jeder muss wie in Augsburg einer solchen angehören. Wer in eine Gaffel möchte, muss ein Eintrittsgeld zahlen und vorgeschriebene  Rüstung besitzen, womit ein Großteil der Bevölkerung ausgeschlossen ist.

 

Bürger ist, wer Nachkomme eines solchen ist. Zugezogene müssen es teuer beim Rentamt erwerben. Wer Bürger ist, besitzt das Weinzapfrecht und das passive Wahlrecht. Die anderen sind Eingesessene. Beide zusammen, die die Bürgerschaft bilden, sind eine kleine Minderheit unter den bis zu 40 000 Einwohnern, einige tausend insgesamt. Die anderen sind Geistliche, Adel, Universitätsangehörige, Dienstboten und Lohnarbeiter. Die 300 Webermeister alleine beschäftigen rund 6000 Lohnarbeiter. (Schwerhoff in: Schreiner/Meier, S.202)

 

Es gibt nur noch einen Rat. Die Handwerker-Gaffeln stellen je einen Ratsherrn, der im 15. Jahrhundert nicht selten ein Kaufmann ist, da er auch hier hinein votieren kann, Kaufleute-Gaffeln und die der Schmiede und Brauer zwei, das Wollenamt vier, insgesamt 36 Ratsherren. Dieser Rat kooptiert weitere dreizehn, der Rat besteht dann aus 49 Mitgliedern und wählt zwei Bürgermeister. Die Amtszeit ist ein Jahr, jeweils im Juni und Dezember scheidet die Hälfte aus. Wiederwahl ist erst nach zwei Jahren möglich. Für militärische Unternehmungen und große Ausgaben muss jede der 22 Gaffeln zwei weitere Mitglieder hinzuziehen, die einen Gremium der Vierundvierziger bilden, was die Entscheidung auf 93 Vertreter verteilt.

Dargestellt werden die Gaffeln im Verbundbrief in einer Reihenfolge, die dann auch für die große Prozession an Ostermontag, für die der Magistrat Mitte des 15. Jahrhunderts bekräftigt, dat die ampte ind gaffelen mit yren kertzen gain soilen na grade, as sij in dem verbuntbrieve staint, ind nyet anders. (in: Schreiner/Meier, S.204)

Das Schöffen-Kollegium wird ganz auf die Rechtsprechung beschränkt.

 

Tatsächlich herrschen weiter Rentiers und reiche Kaufleute, da reine Handwerker selten von ihrem Betrieb abkömmlich sind. 1397 erkennt König Wenzel die Verfassung gegen eine Geldzahlung der Stadt an.

Darüber hinaus gelingt es nach 1441 einer kleinen Gruppe, erst die Wiederwahl der Bürgermeister nach der Pause von zwei Jahren zu betreiben und schließlich auch die Kooptation neuer Ratsmitglieder.

Es gibt vergebliche Aufstände, auch gegen die Zerrüttung der Finanzen, gegen Unterschlagung, Günstlingswirtschaft und Ämtermissbrauch, aber in die Neuzeit hinein gelingt es einer kleinen Clique von Familien, die Macht in der Stadt zu bewahren.

 

1475 bestätigt Kaiser Friedrich III. der Stadt alle bisher erworbenen Rechte, da sie ihn im Kampf gegen Burgund unterstützt hatte. Die Stadt ist dem Erzbischof entzogen und untersteht nun allein dem Kaiser.

 

***Soest***

 

Seit 1363 gibt es das Gremium der Zwölfer. Jedes Jahr werden sechs davon von Ämtern und Gemeinheit neu gewählt. Die Zwölfer wählen einen Richtmann als ihren Vorsitzenden, der auch Vorsitzender der Kurherren ist.

Seit 1418 ist ein Kurherren-Kollegium belegt. 

 

Soest gerät in eine innere Krise, die mit Korruption zu tun hat. Seit 1430 interveniert dabei der Erzbischof. 1433 wird ein Kollegium der Rentmeister zur Kontrolle des städtischen Haushaltes eingesetzt. 1436 erhöht der Rat die Akzise, während der Erzbischof eine Vermögens-, Vieh- und Kopfsteuer einführen möchte, gegen die sich Soest an die Spitze des Widerstandes stellt. Der Erzbischof muss das zurücknehmen, aber Soest bleibt in Konflikt mit ihm und versucht sich stärker von ihm zu lösen. (Ehbrecht, S.273ff) Bis 1444 finden Verhandlungen der Stadt mit ihrem Stadtherrn statt, während die bereits Verträge mit Kleve-Mark schließt.

 

Der Mainzer Erzbischof Dietrich (von Moers) verklagt die Stadt 1443 vor dem kaiserlichen Kammergericht, welches 1444 die Acht ausspricht. Um ihre Eigenständigkeit zu bewahren, unterstellt sich die Stadt im Juni 1444 dem Schutz von Johann I., (Jung)Herzog von Kleve, der Soest eine gewisse Unabhängigkeit zusichert, und erklärt die Fehde gegenüber dem Kölner Erzbischof Dietrich. Johann zieht in Soest ein und bestätigt die Privilegien der Stadt.

 

1443 erneuern Münster, Dortmund, Lippstadt und Soest ihr Bündnis. 1444 steigt Dortmund davon aus. Soest beschwert sich darüber bei der Hanse. Diese versucht zu vermitteln und verhält sich dann 1447 nicht mehr sehr positiv zur Stadt. Derweil finden auf dem Land um Soest Plünderungen und Brandschatzungen statt.

Der Erzbischof versucht das Bündnis mit den Gilden, besonders der Bauleute und Schmiede, gegen den Rat.

 

Der Erzbischof besorgt sich sächsisch-böhmische Truppen, darunter Hussiten, die dann 1447 durch Sachsen gegen Soest ziehen. Die Stadt wird drei Wochen belagert, kann sich aber versorgen. Als die Söldner keinen Sold erhalten, weil sie erfolglos bleiben, ziehen sie ab. 1449 wird im Schiedsspruch u.a. entschieden, dass Soest bei Kleve-Mark bleibt.

 

Soest ist nun fast ringsumher von fremdem Gebiet umgeben, was dem Handel schadet und die Stadt verfallen lässt. Viele mächtige Kaufmannshäuser aus der Blütezeit der Stadt werden unbewohnt und verfallen.

 

***Osnabrück***

 

1412 schließt Osnabrück sich der Hanse als westfälischer Hauptort an. Leinen wird zu einem wichtigen Handelsgut. Die hohe Qualität des Osnabrücker Leinen werden mit dem Stempel der Legge markiert. 

Zwischen 1450 und 1452 wird Osnabrück vorübergehend vom Handel der Hanse ausgeschlossen, da die Stadtvertreter den Hansetagen zuvor mehrmals unentschuldigt ferngeblieben waren. Neue Absatzgebiete entstehen in Süddeutschland und in  Norditalien.

 

Von 1477 bis 1504 ist Ertwin Ertman Bürgermeister. In seiner Zeit entstand zwischen 1487 und 1512 das spätgotische Rathaus. Der ab 1482 amtierende Bischof Konrad IV. von Rietberg verstrickt die Stadt in Fehden, was ihn und die Bürger finanziell belastet. Einzelne Bürger unter der Leitung des armen Schneidermeisters Johann Lenethun sind deshalb so unzufrieden, dass sie im Geheimen weitere Bürger gegen den Stadtrat und den Bischof aufwiegeln. Am 28. August 1488 eskaliert die Situation, als die Bürger sich bewaffnen und zusammen mit der Stadtwache den Marktplatz besetztn, das Kloster Gertrudenberg plündern und die Zäune um die bischöflichen Besitztümer abbrennen. Anschließend zwingen sie Bürgermeister Ertman, ihre Forderungen umzusetzen. Dieser tritt darüber in Verhandlungen mit dem Bischof, was die Lage im Laufe der nächsten Monate beruhigt. Lenethun versucht vergeblich, den Aufstand neu anzuzetteln. Der Rat nutzt eine Gelegenheit, ihn zu ergreifen, und lässt ihn am 15. Juni 1489 auf dem Marktplatz enthaupten.

 

***Braunschweig***

 

Braunschweig hat sich längst aus der Herrschaft der Herzöge von Braunschweig-Lüneburg gelöst, die ihre Residenz nach Wolfenbüttel verlegen. Praktisch hat sie den Status einer reichsfreien Stadt.

1293 kommt es zu ersten Unruhen der Handwerksgilden, die blutig niedergeworfen werden. Seit 1325 gibt es einen gemeinen (also gemeinsamen) Rat der fünf Weichbilder der Stadt, der von den vornehmen Geschlechtern der Altstadt dominiert wird, die teils aus der Ministerialität stammen, teils aus Familien reicher Fernkaufleute.

 

1360 schließt der Rat einen Bund mit Lüneburg, Hannover, Goslar und anderen Städten, der sich einmal gegen fürstliche Übergriffe, zum anderen aber auch gegen das Aufbegehren der von den politischen Entscheidungen ausgeschlossenen großen Bevölkerungsmehrheit richtet.

Wie andere Städte verschuldet sich auch Braunschweig im Zuge aggressiver Umlandexpansion. Sie erwirbt durch Pfand Burgen und andere befestigte Häuser in der Umgebung, was hohe Schulden bedeutet. 1373 unterliegt die Stadt in einem Krieg mit Magdeburg. Zahlreiche hohe Herren werden gefangen genommen und die Stadt muss ein Lösegeld von 4000 Mark aufbringen, was die Schulden insgesamt auf 10 000 Mark ansteigen lässt. Der Rat verlangt ein Korn-Ungeld, was den Zorn der Handwerker hervorruft.

Gemeine Bürgerschaft und Rat stehen sich gegenüber. Im April 1374 kommt es zu jenen schweren Unruhen, die dann bald als die Große Schicht bezeichnet werden.

Nun wohnte zu den 'Sieben Türmen' neben dem Schuhhof der Bürgermeister Tile van dem Damme. Dieses Haus rannten die Schuhmacher und Gerber alsbald grimmig an, und mit ihnen viel Volk von der Gemeinde, welches herzugelaufen kam, stürmten das Haus, legten Feuer darin, schleppten den Hausrat davon, rissen den Frauen und Kinderndie Kleider vom Leibe und stießen sie nackt auf die Straße. Sie rauschten noch anderen durch die Häuser, den Bürgermeistern, den Ratsleuten, den Reichen in allen fünf Weichbildern. Sie schlugen mit Äxten und Schwertern zwei Bürgermeister vor ihren Häusern tot, Brun von Gustedt und Hans von Göttingen, und desgleichen noch einen Ratsmann. Sie zerhieben in etlichen Häusern die Glasfenster, die Tische, die Bänke, die Betten, die Kasten, nahmen daraus, was ihnen gefiel und sich fortbringen ließ. (Hermen Bote in: Schneider-Ferber, S.144/45)

 

Acht Ratsherren und der Bürgermeister sterben, Häuser werden geplündert und zerstört und mächtige Geschlechter aus der Stadt vertrieben. Dort, wo sich derart viel Aggression und Gewalt zeigt, kann man von lange Zeit aufgestauter Wut ausgehen. Die langen Phasen inneren Friedens in den Städten werden mit legalisierter Unterdrückung und politischer Entrechtung der meisten Menschen hergestellt, und diese suchen nach einem Anlass als Ventil, um ihrem Zorn Bahn zu brechen. 

 

Reiche Handwerker bilden einen neuen Rat. Der neue Bürgermeister Tile von Odelem lässt sich im Haus des hingerichteten Bürgermeisters von dem Damme nieder. Derweil wenden sich die vertriebenen alten Räte und die der verbündeten Städte an die Hanse um Unterstützung gegen die Aufrührer. Die Braunschweiger Zünfte wiederum wenden sich an die Zünfte in Lübeck, Hamburg und Lüneburg. In vielen Hansestädten kommtes zu Unruhen und Aufständen. Der Lübecker Detmar schreibt dazu:

Das Allerschlimmste war, dass sie an viele Zünfte aller Städte Briefe sandten (...) Mit diesen Sendschreiben reizten sie die Bürger anderer Städte gegen den Rat auf (...) Wegen dieser und anderer Eigenmächtigkeiten wurden sie aus der Hanse der Kaufleute ausgeschlossen, man durfte ihre Waren weder kaufen noch verkaufen. (in: Schneider-Ferber, S.149)

 

Im Juni 1375 wird Braunschweig also auf einem Hansetag in Lübeck nach langen Verhandlungen aus der Hanse ausgeschlossen und durch solche Verhansung einer Blockade ausgesetzt. 1377 interveniert Kaier Karl IV. zugunsten einer Wiederaufnahme der Stadt. Die wirtschaftlichen Folgen in den folgenden fünf Jahren sind verheerend und die Stadt muss sich immer mehr verschulden. Vor allem Hildesheim und Magdeburg durchbrechen allerdings den Handelsboykott teilweise. Schließlich kommt es erneut zu langen Verhandlungen. 

 

Wesentliche Ergebnisse der Großen Schicht bleiben bestehen, aber für die Brutalität des Aufstandes müssen Gesten der Erniedrigung eingelöst werden. 1380 müssen sich Vertreter des Rates vor dem Lübecker Dom öffentlich demütigen und um Vergebung bitten.  Bezeichnenderweise muss die Stadt als Bußeleistung eine Kapelle bauen und mit Besitz ausstatten, damit dort Messen gefeiert werden können. Genauso bezeichnend ist, dass acht Ratsherren eine Art Buß-Wallfahrt nach Rom unternehmen sollen. Die Kirche und ihre Religion sind längst nicht mehr nur der legitimatorische Rahmen für die traditionelle Macht von Adel und Fürsten, sondern auch für die neue des großen Kapitals.

 

Darauf wird die Stadt wieder in die Hanse aufgenommen.

 

Nach und nach kristallisiert sich eine neue Verfassung heraus, die 1386 dokumentiert ist. Im Gemeinen Rat aus Vertretern der fünf Weichbilder sitzen 78 Ratsherren, die die Gilden bestimmen und 25 Vertreter der Geschlechter, die die Gemeinden wählen.Gildevertreter sind "31 Gewandschneider, Geldwechsler und Goldschmiede und 47 Handwerker." (Dollinger, S.178)

Der Rat tagt drei Jahre lang, wobei ein Drittel für ein Jahr den Sitzenden Rat bildet, der seinen Nachfolger selbst aussucht. Daneben gibt es einen Engen Rat, den sogenannten Küchenrat, in dem 25 Herren langsam alle wichtigen Entscheidungen an sich reißen. Er besteht aus den Bürgermeistern der Weichbilder, den Kämmerern, wobei der Bürgermeister der Altstadt den Vorsitz führt. Hier können die Geschlechter immer mehr Einfluss ausüben, während der andere Rat die Interessen einer neuen Oberschicht vertritt. Letztlich gelingt es, allgemein gesprochen, reichen Familien, das Regiment in der Hand zu behalten.

 

1413 Pfaffenkrieg: Auslöser ist der Streit um die Neubesetzung einer Pfarrstelle an St.Ulrici. Der Konflikt reicht so weit, dass ein Bann über mehrere Stiftskapitel und Einzelpersonen ausgsprochen wird, wodurch der Gottesdienst dort eingestellt wird. Das Domkapitel bittet die welfischen Fürsten sowie benachbarte Domkapitel um Hilfe. Beteiligte am Konflikt fliehen aus der Stadt.

In dieser Zeit errichtet der Rat in der Stadt in Altstadt und Hagen Lateinschulen, was der Kirche dieses Privileg nimmt. Der Papst Johannes XXIII. erlaubt 1415 die Schulen. Sein Gegner Martin V. entscheidet sich erst dagegen, dann 1419 auch dafür.

 

1420 beendet ein Schiedsspruch Herzog Bernhards den Pfaffenkrieg, wobei er das Patronat über St.Ulrici erhält und die Stadt ihre Lateinschulen.

 

1445 will der Rat Kosten einer gescheiterten Fehde durch eine Verdopplung des Schosses (der Schoß wird von den Bürgern "zugeschossen") decken. Nacheiner Eingung bleiben viele andere laufende Konflikte über Preise, Maße etc. bestehen.

 

Es gibt massive Konflikte innerhalb der Stadtelite. 1487 bestätigt der Braunschweiger Herzog Wilhelm der Stadt ihre Privilegien. Aber die Lage ist angespannt, da sich im Großraum die stadtherrlichen Positionen immer mehr verfestigen. 1487 verfügt die Stadt eine Währungsreform, die vor allem die Ärmeren benachteiligt. (Ehbrecht, S.299) Es kommt zum Auflauf mit der Forderung der Bestrafung des Münzmeisters. Der Rat widerruft darauf die Maßnahme.

Februar/April 1488 werden die Beschwerden erst von Ratsherr Ludeken Hollant und dann vom Rat selbst zusammengefasst. Es kommt zu einem Bürgerausschuss der Vierundzwanzig anstelle des Stadtsyndikusaus. Neunzehn Mitglieder werden von den Gilden und fünf von den Meinheiten entsandt. Danach kommt es zur Neubesetzung von Rat und nun kollegial besetzten Ämtern. Fünf daraus, je einer für jedes Weichbild, soll einen Küchenrat bilden. Es soll keine Fehden, neue Steuern und keine Münzveränderung mehr ohne Zustimmung der Vierundzwanziger geben. Diese erhalten dieselben Aufwandsentsschädigungen wie der Rat und nehmen an deren Gelagen teil.

Alle vier Wochen soll der Rat den Vierundzwanzigern auf dem Rathaus berichten. Alle Vierteljahr treten die Vierundzwanziger mit Gildemeistern und Hauptleuten der Meinheiten zusammen. Die Stadt soll sich auf Distanz zu Amtsträgern der Kirche halten.

Der Gerichtsschreiber und der Zollschreiber Hermann Bote sollen bestraft werden. Dann gibt es noch Kleidervorschriften samt Abzeichen für die städtischen Huren.

 

Es kommt noch im Februar zu Neuwahlen und Neubesetzung der Ämter. Aber manche sind unzufrieden und es wird nun bestraft, wer über den Verfassungsbeschluss (Rezess) schlecht redet. Es kommt zu Konflikten innerhalb der Handwerke:

"Die Wandschneider klagten über die Schrader, die Bäcker über die Hausbäcker, die Lakenmachen, die Leineweber wollen von der neuen Obrigkeit wirtschaftliche Vorteile gegenüber den Barchentwebern erlangen, die Schmiede wollten das Handwerk der Schwertfeger einengen, wollten den Verkauf fremder Nägel in der Stadt verbieten lassen, vereinten sich mit den Krämern, um ein Hausierverbot der "Sonnenkrämer", die Messer und Dolche, Nelken, Pfeffer und Ingwer in der Stadt feilhielten, zu erreichen." (SchubertEinführung, S.144)

Mitglieder des alten Rates, darunter Luder Hornebroch, der ehemalige Bürgermeister vom Weichbild Hagen, verlassen zwischen Februar und April die Stadt.

 

Oktober 1488 kehrt Hornebroch nach Braunschweig zurück. Er wird auf Veranlassung von Ludeke Hollant, des Bürgermeisters des Weichbildes Sack, verhaftet. Insbesondere die Meinheiten aus Altstadt und Hagen fordern seine Freilassung und Hollant muss nachgeben. (Ehbrecht S.292, nach Hermann Bote) Hornebroch geht erneut ins Exil.

 

Bis 1490 führt Hollant die Stadt mit abnehmendem Erfolg. Im Frühjahr dann werden von den Meinheiten neue Hauptleute gewählt und die Verfassung geändert. Die fünf direkten Meinheitsvertreter aus den Vierundzwanzigern werden abgeschafft, diese dürfen dem Rat nicht mehr hineinregieren, der Rezess von 1488 soll für ungültig erklärt werden. Viele Meinheiten und Gilden bewaffnen sich, die übrigen stehen dagegen, aber dann kommt es zu einer Einigung, und Hollant unterwirft sich dem Rat.

 

Im neuen Rezess wird die Macht des Rates wieder hergestellt. 1491 ist Hornebroch mit vielen seiner 1488 abgesetzen Ratsherren wieder im Rat. Hollant und einige andere fliehen.

 

1513 verlangt der Rat eine neue Abgabe (Schoß). "Vorbereitet wurde dieser Aufruhr in volksfestähnlichen Feiereien in den Randbezirken der Stadt, wo Ziegelarbeiter, Zimmerleute, Maurer, Schweinehirten, Hopfengräber, Schuhflicker, Schlachter, Bader und alle dachloner >den Aufstand probten<." (Ehbrecht, S.110) Man sammelt sich vor dem Rathaus des Hagen, stürmt es, macht einen Bannerlauf zum Rathaus der Altstadt. Der Frieden wird mit einer Verfassungsänderung wieder hergestellt.

 

***Magdeburg***

 

1361 wenden sich die Bürger gegen den von einem Teil des Domkapitels neugewählten fürstennahen Erzbischof. Sie setzen beim Papst durch, dass der Bischof von Minden ernannt wird.

1366 Streit um die Kornausfuhr.

 

1402 verschwören sich Kürschner, Knochenhauer und Schuhmacher samt anderen gegen eine Münzverschlechterung, die Verteuerung bedeutet. Die erzbischofliche Münze prägt schlechteres Geld. Es kommt zum Auflauf des "gemeinen Volkes", zudem kommen bewaffnete Neustädter unter Beckenschlägern und Schmieden in die Stadt. Weitere Gruppen der einfachen Gewerbetreibenden kommen hinzu, wie Fischer, Schiffsknechte und Knochenhauer. Die erzbischöfliche Münze wird zerstört, das Rathaus und Höfe von riken und Geistlichen werden besetzt sowie die Gildehäuser dreier großer Innungen gestürmt. Dazu gehören die Gewandschneider, Krämer und Leinwandschneider, die inzwischen mit zur Führungsschicht in der Stadt gehören. (Ehbrecht, S.109)

"Der Riss in der Bürgergemeinde trennte nicht den Rat von den übrigen Bürgern oder den Zünften, trennte nicht mehr zwischen Bürgern und Geistlichkeit, sondern trennte zwischen den Stiftsherren mit ihren Höfen, den Besitzungen des Stadtpatriziats und den führenden Zünften der Gewandschneider, Krämer und Leinwandsschneider, die wir alle drei wohl als im fernhandelnden Sektor einzuordnen haben, und den übrigen Bürgern." (Ehbrecht, S.244)

 

Um 1430 verstärkt die Stadt ihre Befestigungen gegen die Hussiten. Konflikt mit dem Domkapitel seit 1429.  1431 bestätigt König Sigismund die Privilegien der Stadt. Das Domkapitel verlässt darauf mit dem Kirchenschatz die Stadt. Hansestädte erklären dem Erzbischof die Fehde. Noch 1433 bannt der Erzbischof die Stadt und belegt sie mit dem Interdikt. Halle unterstützt Magdeburg weiter und wird nun selbst gebannt und in die Reichsacht gesetzt.Kurfürst Friedrich von Brandenburg belagert darauf Halle, welches standhaft bleibt. 1435 wird ein Ausgleich erzielt: Zu den Befestigungsbauten kommt nun, dass Bischof und Domkapitel einen eigenen Zugang erhalten.

 

1459 versuchen die Beckenschläger einen neuen Aufruhr, als der Rat einen neuen Turm an die Stadtmauer bauen will.

 

***Halberstadt***

 

1371 wird die Vogtei über den Dombezirk an die Stadt verpfändet. Es gibt nun acht Nachbarschaften.

Um 1400 wird die Vertretung der Gemeinde im Rat verstärkt.

Es kommt zu Übergriffen in die Domimmunität und gegenüber geistlichem Gewerbe. Der Rat lehnt es ab, die Sicherheit des Klerus zu gewährleisten. Darauf verlässt der die Stadt und kehrt erst 1407 nach Sühneleistung zurück.

 

Unter der Familie der Ammendorf versuchen patrizische Familien den Einfluss der Zünfte in der Stadt zurück zu drängen. Hans Hadeber wird außerhalb der Stadt von Leuten des Bischofs gefangen genommen.

Um 1411 kommt es zum Konflikt zwischen den Brüdern Matthias, Curd und Hans von Hadeber, selbst Elitefamilie, die sich auf die Nachbarschaften stützen, und dem Rat. Parteien der Elite stützen sich also auf Zünfte oder Nachbarschaften. Matthias besitzt Land und ist Tuchhändler. Die Hadebers verlassen die Stadt und sind wohl mit Landadel verbündet. Sie werden festgenommen und Matthias verliert seinen Ratssitz. Es kommt zu Verhanldungen und die Ammendorf wollen die Rückkehr der Hadeber verhindern.

Die Halberstädter ziehen unter dem Stadthauptmann Hermann Windolt zum Haus Ammendorfs, stürmen und plündern es. Diese verlassen darauf die Stadt. Im September 1413 kommt es dann zur Einigung zwischen dem Rat und den Hadebers, die 1414 in die Stadt zurückkehren, aber nun ohne politischen Einfluss sind. Danach kommt es auch zur Einigung der Stadt mit den Ammendorfs, die ihre Güter zurück erhalten, aber ebenfalls von der Politik ausgeschlossen sind.

 

1423 kontrollieren die Sechsmänner praktisch den Rat. Die Stadt führt eine Fehde gegen die Alvensleben. Dafür setzen die Bauermeister als Partei der Hadebers eine Steuer durch, die sich stark gegen die Reichen richtet. Fünf Ratsherren der Ammendorf-Partei sind dagegen und verschwören sich. Darauf verschwören sich Sechsmänner und Nachbarschaften. Im November stürmen sie erneut das Haus der Ammendorfs. Bürgermeister und mehrere Ratherren werden verhaftet, andere fliehen.

1423 führt so Matthias ("der lange Matz") in die Halberstädter Schicht der Handwerksgilden, in der er zusammen mit Werner Wynneken auch Bürgermeister des neuen Rates wird. Am 23.11. 1423 werden vier Ratsherren mit dem Schwert getötet und ehrlos verscharrt.

 

Der geflohene Teil des alten Rates bittet die Hanse um Hilfe. Lübeck beauftragt dann die sächsischen Hansestädte, dies Regiment zu beenden. Sigismunds Hofgericht verurteilt die neue Macht in der Stadt.

Angesichts des großen Heeres des sächsischen Städtebundes vor der Stadt gibt diese 1425 nach: Matthias von Hadeber und weitere drei Ratsherren werden im Juli 1425 hingerichtet. Im August wird die Rückkehr der Exilierten vereinbart. Die Ammerdorfs sollen ihren Besitz verkaufen und die Stadt verlassen.

 

Bald danach kommt es zu einer neuen Stadt-Verfassung. 12 Ratsmänner sollen durch sechs Wahlmänner der Bauermeister und der Innungsmeister gewählt werden. Die Bauermeister werden vom Rat aus den sechs Nachbarschaften gewählt. Alle Mitglieder der Innungen und der Gemeinde sind wählbar. Jährlich scheiden zehn Ratsmitlgieder aus und dürfen erst nach zwei Jahren wiedergewählt werden. Die Zünfte bekommen die Hälfte der Sitze im Rat.

 

Seit 1486 muss der Bischof jeden Rat bestätigen.

 

***Stendal***

 

Spätestens ab 1358 gehört die Stadt der Hanse an. Nach einer Abfindung an den Markgrafen erhält sie die Münze zur Prägung des Ewigen Pfennigs.

1423 Beginn des Baus des Stendaler Doms.

1488 lehnen sich die Bürger gegen eine Biersteuer auf.

 

1518 tritt Stendal aus der Hanse aus.