Hexerei und ihre Verfolgung
Eros und Sexus. Aussehen. Geschlechtstrieb als Triebkraft des Kapitals (Heptameron)
Bildende Künste und Musik
Hexerei und Verfolgung
Dabei geht es von seiten der Bevölkerung um die Angst vor Schadenszauber. Seit dem späten 15. Jahrhundert kommt es vermehrt zu Verfolgungen. 1487 erscheint der von zwei Dominikanern verfasste 'Hexenhammer'. Die Verbrennung von vor allem weiblichen Hexen nimmt im 16. Jahrhundert zu. Der Jesuit Friedrich Spee wendet sich in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts dagegen.
Aussehen. Der Geschlechtstrieb als Triebkraft des Kapitals
Der Kapitalismus entsteht in einer ersten Stufe als der einer allgemeinen Entfesselung der Besitzgier als alternativer Weg einer Karriere in der Kapitalbildung. In einer zweiten Stufe eskaliert er dann in der schrittweisen Entfesselung jener Gier, die den menschlichen Geschlechtstrieb ausmacht. Dies geschieht seit der Gotik auch durch das Anheizen der Triebhaftigkeit mittels der dahingehend kalkulierten Darstellung von Mädchen und Frauen als Objekt männlicher Begierde und als Rollenmodell weiblichen Aufreizens der Männer im erotisches Spiel.
Kapitalismus heißt Anheizen von Begehren, dessen Befriedigung nur neues Begehren schafft. Seit dem 12./13. Jahrhundert wird mit der Darstellung von Mädchen und jungen Frauen in Formen der Entblößung, Gestik und Mimik Kapitalismus gefördert, indem das Aufgeilen von Männern als Lebenszweck von Frauen und die unentwegte Frustration des männlichen Begehrens durch eine dafür dienende Moral und den hohen Preis, den Frauen für die männliche Befriedigung verlangen, einen Konsumismus in Gang setzen, der im 20. Jahrhundert seine Vollendung im idealisierten weiblichen Leitbild der Hure und des jungen Mannes als Rüpels aus dem Slum der USA findet.
Spätestens im 15. Jahrhundert beginnt jene Bilderwelt, die offensiv das Aufgeilen von Männern betreibt (welches zugleich verleugnet wird), jeden religiösen Vorwand zu verlassen und ganz ungeniert zunächst fürstliche Kabinette zu schmücken, also jene Libertinage, die den großen Penis mit dem ganzen Machthaber gleichsetzt, und seine Macht durch das Besamen möglichst vieler junger und attraktiver Frauen demonstriert. Die penetrierende Gewalt des harten Penis des Machthabers und die tötende und mordbrennende Gewalt der bluttriefenden Waffen seiner Krieger verschmelzen völlig in ihrem Spiegel: Der sich für den reichen und mächtigen Betrachter prostituierenden Mädchen und jungen Frauen, die sich als Objekte männlicher Macht in analoge Machtillusionen hinein phantasieren.
Wohlgemerkt: Es geht nicht um die Erotisierung einer Geschlechtlichkeit, die noch etwas mit der Bestimmung für Ehe und Familie zu tun hat, sondern gerade um ihr Gegenteil, die schrittweise Bewegung in Richtung Pornographisierung, die mit Ehe und Familie nichts mehr zu tun hat bzw. diese ergänzt.
Wenn immer davon die Rede ist, dass Könige und Fürsten aus Machtkalkül heiraten bzw. verheiratet werden, so ist doch längst ihr Aussehen von zentraler Bedeutung, also ihre sexuelle Attraktivität. Wenn also ein englischer König Henry VII. über die Verehelichung mit der verwitweten Johanna von Neapel nachdenkt, schickt er einen Gesandten, der u.a. herausfinden soll, wie attraktiv sie ist, wie sie sich schminkt, wie gepflegt ihre Zähne sind, oder ob sie Haare auf der Oberlippe und einen reinen Atem hat. Ein Maler soll sie zudem möglichst wirklichkeitsnah abbilden.
Verliebtheit spielt auch beim weiblichen Hochadel gelegentlich eine größere Rolle. Eleonore, Schwester Karls V., verliebt sich in Pfalzgraf Friedrich, der sich von einer Ehe mit ihr einen höheren Status verspricht. Das alles fliegt auf, Karl verbietet ihnen jeden Kontakt und lässt sie notariell beeiden, dass der Koitus nicht vollzogen wurde. Er verheiratet sie dann umgehend mit dem dreißig Jahre älteren König von Portugal, der schon vier Jahre später stirbt. 1530 wird sie mit Francois I. verheiratet, der allerdings erst 1547 sterben wird.
1540 geht der seit 1523 verheiratete Landgraf Philipp von Hessen mit Zustimmung seiner damals kränkelnden Gemahlin eine (illegale) Zweitehe mit der Hofdame Margarethe von der Saale ein, wofür ihm eigentlich die Todesstrafe droht. Die Bigamie wird von Luther und Melanchthon gebilligt wie auch von der Brautmutter, die allerdings verlangt, dass die Zweitehe öffentlich und kein Konkubinat sein solle. Ohnehin hat der Fürst außereheliche Beziehungen, wie damals üblich, wodurch er sich die Syphilis zuzog.
In Rotenburg an der Fulda findet die Heirat unter Anwesenheit führender Reformatoren statt. Der Fürst lebt dann die Woche über mit seiner ersten Frau Christina , von der er weitere Kinder bekommt, und sonntags besucht er die anderswo wohnende Margarethe, mit der neun Kinder bekommt, insgesamt sind es also neunzehn.
Die drohende Todesstrafe lässt den Landgrafen eine Verständigung mit Karl V. suchen, wodurch er aus dem Schmalkaldischen Bündnis herausfällt.
Hans Baldung ("Grien") lebt etwa von 1485-1545. Er lernt in der Werkstatt von Abrecht Dürer und bleibt diesem dauerhaft verbunden. 1510 wird er zünftiger Meister in Straßburg und heiratet in eine wohlhabende Bürgersfamilie ein. In seinem letzten Jahr 1545 wird er sogar Ratsherr. Nach und nach nehmen die kirchlich-religiösen Aufträge ab und er wendet sich dem menschlichen Körper zu, wie man sehen kann offensichtlich von Dürer beeinflusst.
Sein weiteres Leben lang wird er vor allem auch in diesem Sinne von Hexen als manchmal bedrohlichen Verführerinnen fasziniert bleiben, und daneben gewinnt der betont erotische weibliche Akt, oft mythologisch legitimiert, immer mehr an Bedeutung. Wieweit das Vorwand wird, zeigt dieses Bild mit Adam und Eva von 1531, heute in Madrid, in dem mit dem religiösen Thema nur noch am Rande kokettiert wird. Tatsächlich handelt es sich um ein hocherotisch dargestelltes Liebespaar und dabei eine leibhaftige junge Frau, was durch das als Neuerung angedeutete Schamhaar betont wird, welches mythologischen Figuren bislang (schamhaft) fehlte. Sie hat sich mit der Rückseite ihres Körpers ganz intim an die Vorderseite des Mannes geschmiegt und dieser legt als begehrender Teil seine eine Hand auf ihre Hüfte und die andere direkt unter ihre rechte Brust, einen Finger auf ihr, dessen Spitze an ihre Brustwarze reicht.
Aus etwa derselben Zeit (1534) stammt das Gemälde aus der Schule von Lucas Cranach dem Jüngeren, welches ein beliebtes Sujet der Zeit abbildet, nämlich Venus und Cupido. Wie bei Eva ist der mythologische Hintergrund der nur noch Vorwand für ein wirklichkeitsgetreues weibliches Aktbild. Das erotische Moment ist hier noch viel deutlicher thematisch betont, durch die schlankere Figur, den stärkeren Hüftschwung, durch die Halsketten und den modischen Hut, der das Haar nicht verdeckt, und die auf Cupido hin weist, der als kleiner Knabe verspielteres sexuelles Begehren meint.
Nachdem Cranach in der Werkstatt seines Vaters gelernt hat, steigt er in Wittenberg zum Ratsmitglied und zum Bürgermeister auf.
***Das Heptameron der Marguerite de Navarre***
Marguerite (1492-1549) ist die Schwester des französischen Königs Francois I. Dieser macht sie 1517 zur Herzogin des Berry, und sie wird 1257 durch Heirat Königin von Navarra. Sie wächst am reichen und belesenen Hof von Blois auf. Mit 17 Jahren wird sie an den Hof des wenig belesenen Herzogs von Alencon verheiratet. Schon vor dessen Tod gerät sie in die Nähe der französischen devotio moderna und dient dann mehrmals in diplomatischer Mission für ihren königlichen Bruder.
Sie protegiert Rabelais, Bandello und andere Autoren, schreibt selbst religiös beinhaltete Texte und Komödien und dann irgendwann ihre Sammlung meist sehr kurzer nouvelles, die bald nach ihrem Tod veröffentlicht werden.
Um 1545 soll am französischen Hof als neue Unterhaltung die Übung aufgekommen sein, sich gegenseitig Geschichten zu erzählen, was vielleicht damit zusammenhängt, dass es seit 1540/42 eine neue Übersetzung von Boccaccios beliebtem Dekamerone gibt. Novellen sollen dabei neue Geschichten sein, von denen behauptet wird, sie seien tatsächlich so passiert.
Hier werden zehn vornehme Damen und Herren durch eine vom Sturm zerstörte Brücke in einem Kloster aufgehalten und vertreiben sich die Zeit damit, sich Geschichten zu erzählen. Möglicherweise steht Parlamente für die Autorin selbst und Oisille für ihre Mutter Louise de Savoie.
Im Prolog empfiehlt Oisille die Lektüre der Bibel als Zeitvertreib (passe-temps), tatsächlich geht es dann aber um viele sexuelle Abenteuer bis zum Inzest, um wenig sexuelle Treue, aber viel Untreue, um Lug und Trug in meist sexueller Absicht und sehr viel Bosheit. Priester und Mönche, insbesondere Franziskaner, kommen mit ihrer dargestellten Lüsternheit und ihren Intrigen schlecht weg. Ein offener Antiklerikalismus wird dabei immer wieder einmal moralisch-evangelikal aufgewertet. So durch Parlamente über die Geschichte von Poline:
J'appelle parfaits amans, luy respondit Parlamente, ceux qui cerchent, en ce qu'ils aiment, quelque perfection, soit beauté, bonté ou bonne grace ;
toujours tendant à la vertu, et qui ont le cueur si hault et si honneste, qu'ilz ne veullent, pour mourir, mettre leur fin aux choses basses que l'honneur et la conscience repreuvent; car l'ame,
qui n'est créée que pour retourner à son souverain bien, ne faict, tant qu'elle est dedans ce corps, que desirer d'y parvenir. (19. Novelle: Ihm antwortet Parlamente, ich nenne
diejenigen vollkommene Liebende, die in dem was sie lieben, eine gewisse Vollkommenheit suchen, sei es Schönheit, Güte oder Grazie; immer zur Tugend neigend, und die ein so hohes und ehrenhaftes
Herz haben, dass sie bis in den Tod ihre Absichten nicht auf niedere Dinge richten, welche Ehre und Gewissen tadeln; denn die Seele, die nur geschaffen ist, um zu ihrem guten Herrn
zurückzukehren, strebt nur, solange sie noch im Körper ist, nur danach, dorthin zu gelangen.)
Mehrere weitere Novellen dienen der Moralisierung von Treue, Standhaftigkeit und Keuschheit von Frauen, fast alles vornehmere Damen. Aber der Unterhaltungswert der Geschichten ergibt sich vorwiegend aus eher anarchisch ausufernden sexuellen Abenteuern vieler Art:
Schon in der ersten Geschichte geht es es um die Frau eines procureur, deren Mann es gerne sieht, dass sie mit dem Bischof von Sées aus Geldgier ins Bett geht, wobei sie zudem heimlich eine Intimbeziehung zu einem jungen Herrn du Mesnil unterhält. Mit List und Tücke lässt der Prokurator du Mesnil durch einen gedungenen Mörder umbringen. Den Toten lässt er verbrennen und die Asche mit Mörtel für einen Hausbau vermischen. Das Kammermädchen, Zeugin der Tat, wird vom Mörder in ein Bordell gebracht. Eine Art Voodoo-Zauberer (Invocateur) soll den Prokurator vor der Strafe schützen. Als seine Frau von Mordabsichten ihres Mannes erfährt, sorgt sie dafür, dass er als Galeeren-Sträfling bestraft wird. Auch in nicht wenigen weiteren Geschichten verbinden sich die zahlreichen sexuellen Abenteuer mit Mord und Totschlag.
Ein alt gewordener Prior, der anfängt, naive Nonnen zu verführen, stellt in der 22. Novelle jahrelang mit allen Mitteln bis zum Versuch der Vergewaltigung auch einer Nonne Marie Heroet nach, die sich aber widersetzen kann. Auch der Versuch, sie durch einen attraktiveren jungen Mönch verführen zu lassen, scheitert. Der Kommentar des Zuhörers Nomerfide lautet:
Ich habe eine so große Abscheu, wenn ich einen Mönch sehe, dass ich nicht einmal bei ihm beichten würde, denn ich halte sie für schlechter als alle anderen Menschen. Sie kommen auch niemals in ein Haus, ohne dort Schande und Schmach zu hinterlassen.
In der folgenden Geschichte bringt sich die eine Frau eines Edelmannes um, weil sie nur so den Nachstellungen eines Franziskaners entgehen kann. Parlamente kommentiert das so:
Mir scheint, dass man zu einer Frau, die im Bett liegt, wenn sie nicht gerade die Sterbesakramente empfangen soll, niemals einen Geistlichen ins Zimmer lassen darf.
Man erhält fast durchweg den Eindruck, dass Höflinge und übriger Adel, alles Männer, wie es in der zweiundvierzigsten Geschichte heißt, außer dem Reiten und Jagen nichts anderes im Kopf haben, als Mädchen und Frauen (meist erfolgreich) zu verführen oder gar zu vergewaltigen, wobei bürgerliche Weiblichkeit nicht nur in dieser Novelle als leichte Beute gilt. Die (Ehe)Frauen wiederum, besonders wenn sie ältere Ehemänner haben, scheinen bei Gelegenheit schnell untreu zu werden. Eine geradezu karnickelhafte Geilheit scheinen Mönche und Priester bis hinauf zu Bischöfen zu haben.
In der dreißigsten Geschichte möchte eine Mutter verhindern, dass ihr junger Sohn einem Kammermädchen nachstellt, wobei ihre List aber dazu führt, dass er die Mutter schwängert, die im Bett mit ihrem Sohn ihrer Lüsternheit nicht mehr "Herr" wird, denn Feuer ist bei Pulverfässern stets gefährlich. Wie es die Weltläufte so wollen, wird das Mädchen aus diesem Inzest die Frau des Sohnes. Und, wie es dann heißt, kommen über diesen Fall Doktoren der Theologie zu dem Urteil, dass die inzestuösen Kinder nichts von alledem gewusst und darum auch keine Sünde begangen hätten.
Diese Geschichten von sex and crime sind zunächst einmal für höfische und adelige Augen und Ohren gedacht und scheinen durchaus etwas von dem wiederzugeben, was die Köpfe und Geschlechtsteile dieser Leute bewegt, und das neunköpfige Publikum dieser Erzähler äußert sich im wesentlichen amüsiert, erfreut sich an den Geschichten, nachdem man vor jeder morgens zur Messe gegangen ist und sich vorher schon von Oisille einen frommen Vortrag angehört hatte.
Aber sie sind bei aller Libertinage und Gewalttätigkeit so zweifellos nicht repräsentativ für das Sexualverhalten der meisten Menschen der Zeit, schon gar nicht für Kaufleute, Handwerker und Bauern. Vielmehr repräsentieren sie eine wesentliche Funktion von Literatur, indem sie die Sensations- und Amüsierlust von Menschen bedienen, für die sich der Spalt zwischen kirchlich propagierter rigoroser Sexualmoral und wirklicher Praxis schon lange weit geöffnet hat. Die daraus resultierende Spannung verstärkt die, welche domestizierter Geschlechtstrieb nur schwer verbergen kann. Protestantischer Reformeifer, dem die Autorin zum Teil nahesteht, wird diese Spannung etwas lösen, indem Ehe und Familie nun als korrekte Formen des Auslebens des Geschlechtstriebes von jeglicher Sündhaftigkeit befreit und als Kern neuer Tugendhaftigkeit etabliert werden.
Aber die Autorin, die den Erzählern kaum eine Vorrede wie Chaucer, anders als der aber eine nach der Erzählung anschließende Diskussion aller zehn über das Verhalten der erzählten Personen bietet, lässt eine "Moral der Geschichte" offen, indem sie deren mehrere von verschiedener Seite anbietet.
Bildende Künste und Musik
Die polyphone Hofmusik des burgundischen Hofes gelangt gegen Ende des 15. Jahrhunderts in den Norden der niederen Lande.