Neuzeit?
Expansion: Kolonien und Weltmacht-Phantasien (1500-1550)
Reformationen (1500-1555)
Großmacht-Politik (1500-1550)
Der Krieg
Staatlichkeit (Königreiche / Nationen / Staatsfinanzen)
Kapital und Macht (Habsburger, Spanien / Frankreich / Kirchenstaat)
Fürstliche Prachtentfaltung
Totaler Staat: Sittlichkeit statt Sitte
Gemeinwohl?
Deutsche Fürstentümer (Kurfürst August von Sachsen)
Fürstliche Justiz
Adel und spätes Rittertum
Großmacht-Politik 1556-1618
Kirchen 1555- 1618
1618-48 Dreißigjähriger Krieg
Neuzeit?
Irgendwann zwischen 1400 und 1500 verabschieden Avantgardisten der neuesten Moden das Mittelalter, indem sie es erfinden. Es wird dann das Programm entworfen, die dunkle Zeit germanischer Barbarei durch Wiedererweckung einer wie auch immer gemeinten Antike hinter sich zu lassen. Dabei bekommen die meisten Menschen im nunmehr langsam weniger lateinischen Abendland von solchen Äußerungen nichts mit.
Eine sinnvollere Epocheneinteilung für jenen Großraum, in dem sich Voraussetzungen für Kapitalismus entwickeln und dann dieser selbst sich entfaltet, scheint mir die zu sein, von einer sich von den orientalischen Despotien absetzenden abendländische Antike von etwa 1000/800 vor der Zeitenwende bis ca 400/450 danach zu sprechen, von einer Nachantike in dem bald durch die islamische Expansion reduzierten Raum bis nach 900, und von einem ersten kapitalistischen Zeitalter, welches im 18. Jahrhundert ausläuft und durch eine gewaltige Industrialisierung und Säkularisierung abgelöst wird. Das wäre eine sinnvolle Nutzung des Wortes Mittelalter.
Man könnte auch mit dem späten 10. Jahrhundert eine Entwicklung einsetzen zu sehen, die bis heute linear und relativ bruchlos anhält. Der immer heftiger triumphierende Kapitalismus wird dabei begleitet von globaler Bevölkerungsvermehrung, Zerstörung aller noch existierenden Kulturen weltweit und immer massiverer Zerstörung des Lebensraums Erde. Wenn man einen Endpunkt sehen möchte, dann wäre der das völlige Verschwinden der Zivilisation des ehedem lateinischen Abendlandes im 20./21. Jahrhundert.
Es erscheint auf jeden Fall wenig sinnvoll, Epochalisierung durch eine sogenannte "Geistesgeschichte" bestimmen zu lassen, die nur ganz wenig Leute erreicht und die selbst zwischen etwa 1400 und 1800 kaum eine Rolle für Veränderung spielt.
Das Mittelalter endet weder im 15. noch im 16. Jahrhundert, sondern es läuft für die meisten Menschen im bislang lateinischen Abendland frühestens erst im 18./19. Jahrhundert aus. Festzustellen ist mit Michael Erbe auch von heute aus: "In vielerlei Hinsicht bleiben nach 1500 die Grundstrukturen des mittelalterlichen Europas noch lange erhalten. Ohne die Kenntnis der mittelalterlichen Besonderheiten der abendländischen Geschichte sind das 16. und 17. Jh. oft schwer zu verschehen" (.. Erbe, S.11)
Kolonien gibt es verstärkt wieder seit der Zeit der Kreuzzüge, aber Kolonisierung war schon Sache der Antike gewesen. Und die stärkere Einbeziehung Afrikas und Asiens und der neue Markt in den Amerikas im 16. Jahrhundert sind nur die beschleunigte Erweiterung von Vorgängen, die schon in der Antike begannen und nie ganz aufgehört haben.
Gewiss: Inzwischen haben die Osmanen Byzanz erobert, Columbus macht sich von Italien nach Spanien auf, wo Handels- und Finanzkapital jetzt immer unternehmungslustiger werden, und dann auf den Seeweg nach Indien. Mit der Eroberung von Granada geht die Vereinigung von Kastilien und Aragon unter den "katholischen Königen" einher. Macchiavelli schreibt mit dem 'Fürsten' (Il Principe) den ersten an Empirie orientierten und nicht mehr bloß normativen politischen Text und Luther wird sich an die Rettung der Christenheit machen
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Aber das einzige wirklich einschneidende Ereignis, das Ende der Osthälfte des römischen Reiches tausend Jahre nach dem Umschwung im Westen, der viel weniger ein Ende war, und die Islamisierung und Orientalisierung dieses nunmehr für immer verschwundenen Reiches wird von den Herstellern von Epochalisierung fast völlig übersehen. Für die Entwicklung des Kapitalismus spielt aber auch dieses Ereignis kaum eine Rolle.
Mit dem behelfsmäßigen Begriff der Moderne wäre dann das durch Großindustrie gekennzeichnete Zeitalter danach und bis heute zu benennen, dessen radikale Veränderungen durch den Untergang der bäuerlichen Landwirtschaft und des produktiven Handwerks sowie des Krämergewerbes gekennzeichnet ist. Die direkte Unterwerfung aller unter das Kapital und seine Bewegungen bedeutet dabei nicht nur wirtschaftliche Unselbständigkeit für fast alle, sondern auch den Aufstieg totalitärer, dass heißt alle Lebensbereiche durchdringender Staaten. Indem diese zu schieren Agenturen der Kapitalbewegungen werden, lässt sich von einem Vorgang immer radikalerer Entzivilisierung sprechen, an dessen Ende offensichtlich das Aussterben der abendländischen Völkerschaften steht, die zunächst alleinige Träger des Kapitalismus waren, und dem ähnlich absehbaren Ende des Lebensraumes eines ausgeplünderten Planeten Erde. Nichts spricht mehr dafür, dass diese beiden Entwicklungen noch aufzuhalten wären.
Wenn man den Beginn einer Neuzeit irgendwo punktuell festmachen will, dann sind es für das nun nicht mehr lateinische Abendland die Ereignisse um 1789-95, die formulieren, alle Vorrechte abzuschaffen, um so einen Zustand der allgemeinen Rechtslosigkeit zu proklamieren, der postwendend durch die Verleihung von jederzeit einschränkbaren allgemeinen Gnadenrechten durch die Staatsmacht wieder beseitigt wird. Das markiert zwar nicht Ursache, sondern Wirkung von Entwicklungen, die sich im wirtschaftlichen Raum vollzogen haben und weiter vollziehen, weswegen dieser neue, verdeckt totalitäre Staat sich überall nur langsam unter dem Schlagwort Demokratie entwickelt und aufgrund seiner Unfähigkeit, ein jeweils erwartetes Konsumniveau dauerhaft zu halten, immer wieder durch offen terroristische Diktaturen abgelöst wird, wie sie auf dem größten Teil des Planeten ohnehin längst vorherrschen.
Bei genauerem Hinsehen ist aber eine Moderne andererseits das, was im 10. Jahrhundert an einigen Orten einsetzt und dann immer mehr überhand nimmt: Unaufhörliche und tendentiell immer schnellere Modernisierung durch Kapitaleinsatz, das, was im eigentlichen Wortsinn eine einzige und die einzig wirkliche Revolution in den letzten 10 Jahrtausenden darstellt. Sie anzuhalten wäre der erste Schritt auf dem Weg zum Überleben der Menschen als Gattung, und nur insoweit hat die Geschichtsbetrachtung von Karl Marx recht behalten, aber wohl zu spät.
Um es noch einmal deutlich zu machen: Für die meisten Menschen des lateinischen Abendlandes fängt weder mit Kolumbus noch mit Macchiavelli eine Neuzeit an, sondern sie leben in einem bruchlosen Kontinuum, das wesentlich von der Entwicklung des Kapitalismus und zudem von Fürsten und Königen bestimmt wird. Sie kommen auch fast alle bis ins 18. Jahrhundert mit keinem wissenschaftlich geprägten Weltbild in Kontakt. Manchmal wird die sogenannte Kopernikanische Wende als eine Art Neuanfang propagiert. Diese findet 1542 mit dem Hauptwerk des Koppernigk/Kopernikus zwar ihren Text, aber kaum Leser. Vor dem 17. Jahrhundert wird die Vorstellung eines sonnenzentrierten Systems von Himmelskörpern praktisch nicht wahrgenommen und frühestens im 18. Jahrhundert erreicht sie andere Leute als die wenigen Gelehrten.
Motor der Entwicklung bleiben weiter die Bewegungen des Kapitals, hinter denen Landbewirtschaftung zur Nahrungsmittel-Produktion längst zurückgetreten ist, auch wenn in vielen Gegenden über 80% in Dörfern auf dem Lande leben.. Aber bis ins 18./19. Jahrhundert bleiben sie in ein Korsett feudaler Strukturen eingebettet, mit Königen und Fürsten und einem privilegierten Adel, der in Kirche und Militär die führenden Positionen einnimmt. Diese eigentlich immer hohler werdenden feudalen Verhältnisse werden zunehmend nicht mehr nur religiös, sondern auch rationaler begründet und bleiben insgesamt stabil.
Expansion: Kolonialismus und Weltmacht-Phantasien
Der Westen
Das Überschreiten von Kontinenten kannte schon das antike römische Imperium, und es taucht im Mittelalter in der Auseinandersetzung mit der islamischen Welt wieder auf. Im 15. Jahrhundert setzen aus Abenteuerlust, Neugier und Gier nach Geld und Macht portugiesische Entdeckungsfahrten ein, welche die Westküste Afrikas und die Kanaren betreffen.
1492ff Kolumbus
1494 Vertrag von Tordesillas
Die Küsten Afrikas und die beiden Amerikas werden die Opfer brutalster Söldnerheere, die der Ausplünderung, Unterjochung und teilweisen Ausrottung ganzer Völkerschaften dienen. Das kapitalistische Europa überzieht beide Kontinente mit einem grausamen Terror und etabliert dort Plantagenwirtschaft mit Sklavenarbeit. Während in Europa der Kapitalismus sich immer weiter entfaltet, kehrt man auf den beiden anderen Kontinenten vor allem zum Großgrundbesitz als Quelle des Reichtums zurück.
Als Reaktion auf einen Reisebericht des Florentiners Amerigo Vespucci erscheint 1507 die 'Einführung zur Kosmographie' des Matthias Ringmann samt Weltkarte und Globus des Freiburgers Martin Waldseemüller.
Darin heißt es: Nun sind aber die Erdteile umfassender erforscht und ein anderer vierter Erdteil ist durch Americus Vesputius entdeckt worden. Ich wüsste nicht, warum jemand mit Recht etwas dagegen einwenden könnte, diesen Erdteil nach seinem Entdecker Americus, einem Mann von Erfindungsreichtum und klugem Verstand, Amerige, nämlich Land des Americus, oder America zu nennen. (in: Freiburg, S.292)
Es folgt die spanische Eroberung Mittel- und Südamerikas durch Söldnerheere mit Ausnahme des portugiesischen Brasiliens. 1520 berichtet Hernán Cortés von der Eroberung Perus (des Inkareiches).
Die spanischen Gebiete werden in Vizekönigreiche aufgeteilt und die wieder in audiencias. Die Verwaltung übernehmen aus der Metropole entsandte Beamte und nicht die einheimischen Kolonisten.
1529 teilen Spanien und Portugal die Welt erneut in ihre Interessensphären auf.
Derweil setzen sich Engländer und Franzosen in Nordamerika fest.
Die europäische Variante des zivilisierten Raubtiers Mensch wird nun über beide neu benannte Amerikas herfallen, seine Kulturen und Zivilisationen zur Gänze mit der altvertrauten zivilisatorisch-frommen Grausamkeit vernichten und dann mit der Vernichtung von Naturräumen beginnen.
Das kapitalistische Europa überzieht beide Kontinente mit einem grausamen Terror und etabliert dort Plantagenwirtschaft mit Sklavenarbeit. Während in Europa der Kapitalismus sich immer weiter entfaltet, kehrt man auf den beiden anderen Kontinenten vor allem zum Großgrundbesitz als Quelle des Reichtums zurück.
Asien
Auf der anderen Seite werden die islamischen Reiche ausgespart, und es geht Richtung Osten. Die russischen Machthaber lassen den Ural überschreiten und beginnen Sibirien zu erobern, Richtung pazifischer Ozean. Durch den indischen Ozean geht es für Portugal und Spanien nach den Küsten (Ost) Indiens, dann Hinterindiens und der indonesischen Inselwelt. Schließlich erreichen die Spanier die Philippinen und den pazifischen Ozean.
Asien teilt sich in den Norden, in dem das Zarenreich einmarschiert, und den Süden, den sich Engländer, Franzosen und Niederlande teilen.
Russland führt Eroberungskriege, die zur Einverleibung großer Teile Nordosteuropas und einiger Völkerschaften führt. Der brutale Despot Iwan ("der Schreckliche") legt die Grundlagen für die folgende Ostausdehnung, die den Ural überschreitet und Ende des 16. Jahrhundert den Nordwesten Asiens erobert, was mit der Unterdrückung und langsamen Russifizierung nordasiatischer Völkerschaften einhergeht.
Altkirche und Reformationen (1500-1550) (derzeit in Arbeit)
Die Benennung der sich recht bald von der römischen Kirche lösenden religiös-kirchlichen Reformbewegungen der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts als Reformation setzt sich erst um 1550 (bei den Protestanten) durch, als klar ist, dass es keinen Weg zurück mehr geben soll.
Reformen prägten die Geschichte der bisherigen mittelalterlichen Kirche und der Klöster und meinten vor allem wörtlich Rückführungen, auch wo sie tatsächlich darüber hinaus gingen. Die konziliare Bewegung des 15. Jahrhundert meinte letztlich Reform. Im Kaiserreich, vor allem den deutschen Landen, gibt es die Forderung nach Reichsreform, die allerdings vor allem sachte Veränderung meint.
Zwei Entwicklungen werden sich dann in den Reformationen der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts entladen. In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts werden Päpste als Fürsten in ihrem Kirchenstaat immer reicher und mächtiger, und legen dabei immer weltlicheres Fürstengehabe an den Tag, welches sie auch mit einer Zunahme des Ablasshandels finanzieren.
Zugleich nimmt der Zugriff der weltlichen Fürsten und Könige auf "ihre" Kirche immer mehr zu, wie sich für Frankreich zwischen 1439 und 1516 darstellt. Aber das gilt grundsätzlich auch z.B. für England und die vielen vor allem norddeutschen Fürstentümer und die Städte.
Spätestens seit dem 14. Jahrhundert nimmt Kritik an verweltlichten Priestern und Mönchen zu, denen Gier und Lüsternheit vorgeworfen wird, wie man in der Erzählliteratur ausführlich nachlesen kann. Diese aber kollidiert mit der privilegierten und herausgehobenen Stellung der Kirche jenseits des weltlichen Raumes. Das kulminiert dann in der Kommerzialisierung des Bußsakramentes, welches auf dem unermesslichen Heilsschatz beruht, den der Heiland und die Heiligen angehäuft haben, und welchen die Kirche verwaltet. Sie kann darum dem Sünder Bußleistungen auferlegen, zu denen auch kriegerische Leistungen im Sinne der Kirche, Wallfahrten und ähnliches gehören können. Im 15. Jahrhundert können all solche Leistungen dann auch erkauft werden, und schließlich kann man damit auch die Ableistung von Sündenstrafen im Jenseits für die Vorfahren verringern. Kritik an solcher Praxis wird dann zum Zündstoff für Reformation.
Zwei sehr minoritäre Gegenwelten entfalten sich derweil, die zunächst noch in der Kirche bleiben. Die eine setzt auf persönliche Frömmigkeit, die besonders bei Gruppenbildung de facto Erlösung in persönlicher Lebensgestaltung sucht und dabei mehr oder weniger die Kompartmentarisierung in sündigen Alltag und von den Sakramenten begleiteten Feiertag durchbricht. Die andere, von Historikern als Humanismus bezeichnete, wendet sich ganz von der spätscholastischen Gelehrsamkeit im Rahmen der Kirche ab und sucht nach einem freieren, weniger systematisierten Denken. Mit deutlicher Verspätung erreicht sie auch die deutschen Lande und ihre Universitäten und kulminieren in der Veröffentlichung der satirischen 'Dunkelmännerbriefe'.
Ein Teil der hochgelehrten Humanisten wird zu Protagonisten und Unterstützern der Reformationen werden, wobei das relativ hohe Bildungsniveau sich auf dem Weg zu den Unbeleseneren allerdings deutlich verdünnen wird. Ihre neuartig bürgerliche Existenz bzw. Herkunft und ihre Gelehrsamkeit werden aber verhindern, dass sie anders als bisherige persönliche Frömmigkeit weder gänzlich paulinisch noch evangelisch sind, auch wenn beides behauptet wird. Aber gemeinsam ist den meisten der erklärte persönliche Aspekt des Glaubens, auch wenn dieser dann politisch überformt wird, denn Reformatoren müssen notgedrungen auch politisch handeln, um zu überleben.
Letztlich ist die Abfolge von Reformationen auch Ergebnis des Scheiterns von Reformbemühungen innerhalb der Kirche seit dem 15. Jahrhundert. Nachdem der Medici-Papst Leo X. Luther gebannt hat, zeigt Hadrian VI. Reformwünsche, aber er ist nur kurz im Amt und sein Nachfolger Clemens VII., erneut ein Medici, verhindert ein mit Reformen zu befassendes Konzil. Einzelne innere Reformbemühungen unter Paul VI. kommen zu spät; die Reformation ist inzwischen zu weit fortgeschritten. Mit der 1542 dann eingerichteten römischen Inquisition gegen Ketzer ist der Bruch bereits total.
Der Einstieg
Martin Luther ist Sohn eines zu einem gewissen Wohlstand gelangten Bergbau-Hüttenmeisters und Ratsmitglieds zu Mansfeld. Universitätsbesuch in Erfurt bis zum Magister. Er wird 1505 nach einem Konversionserlebnis Mönch, 1507 Priesterweihe. Er studiert Theologie, wird Priester, liest Augustinus, lernt hebräisch. Romreise. Er geht dann 1512 nach Wittenberg, wo er Professor für Bibelexegese und Prediger wird. Er gelangt zu der Ansicht, dass nur der Glaube, nicht aber fromme Werke zur "Erlösung" führt und dass dieser auf der Bibel beruhen muss. Glaube und zu definierende christliche Lebensführung als Kern von Erlösung (ins Himmelreich) tendieren ab er dazu, die sakramental fundierte Macht der Kirche (zunächst implizit) herabzusetzen.
Damit wird dann die im Gewissen stattfindende Reue wichtiger als die Buße. 1517 schickt Luther seine Thesen gegen den Ablasshandel an zwei zuständige Bischöfe. Die zentralen ersten formulieren:
Unser Herr und Meister Jesus Christus wollte, als er sprach: 'Tut Buße usw., dass das ganze Leben der Gläubigen Buße sei. Dieses Wort kann nicht auf die sakramentale Buße bezogen sein. (in: Leppin, S.12)
Die Thesen werden öffentlich und immer weiter veröffentlicht. Luther sieht sich in eine Entwicklung hineingestellt, die er vielleicht so zunächst nicht wollte. 1518 kommt Melanchthon auf eine Altgriechisch-Professur nach Wittenberg.
Huldrych Zwingli (1484-1531) erhält im Unterschied zu Luther eine ausgesprochen humanistische Ausbildung und wird dann Priester in Glarus. Ihm wird innere Religiosität immer wichtiger als ihre äußeren, kirchlichen Formen. 1518 wird er durch Luthers öffentliches Auftreten ermutigt, selbst reformerische Positionen zu beziehen, und 1519 wird er Züricher Priester am Großmünster.
Mit seiner Bibel-Auslegung dort wendet er sich gegen den Ablasshandel, die übliche Heiligenverehrung und die Vorstellung vom Fegefeuer.
Öffentlichkeit und Konflikt
Über akademische Disputationen und aggressiver werdende Veröffentlichungen wendet sich Luther nunmehr öffentlich in Teilen gegen eine aristotelisch fundierte Scholastik im gelehrten Raum. In Heidelberg sagt er 1518:
Nicht der wird Theologe genannt, der das unsichtbare Wesen Gottes an den geschaffenen Dingen anschaut, sondern der, der das unsichtbare Wesebn Gottes und seine dem Menschen zugewandte Seite wie sie durch die Leiden und das Kreuz geschaut wird, versteht. (in: Leppin, S.18f)
Inzwischen wird Melanchthon an die Wittenberger Universität berufen und in Heidelberg ist Bucer von Luther beeindruckt. Er gewinnt in den Städten an Einfluss. Im Leipziger Disput mit Eck spitzt er seine Ansichten zu, und nun kommt es auch zu der entscheidenden Aussage, dass nicht die Kirche, sondern die Bibel letzte Autorität für einen Christen sei.
Die ersten Gegner versuchen seit 1517, ihn als Ketzer bloßzustellen und bald läuft gegen ihn in Rom der Ketzerprozess an, der zunächst etwas unterbrochen wird durch den Wahlprozess, aus dem Karl V. als römischer König hervorgeht. Aber 1520 wird ihm von Rom der Bann angedroht.
Mit immer neuen Schriften bringt Luther seine sich entfaltenden Vorstellungen unter das (lesende) Volk: Der Glaube ist Gnade Gottes und soll zu einem christlichen Leben führen. Luthers Text 'Von der Freyheyt eyniß Christen menschen' (1520) formuliert gegen die römische Kirche und ihre Vorstellung von irdischen Leistungen, die das "Himmelreich" ermöglichen sollen, als Gegenposition die Vorstellung von einem (fallweise) gnädigen Christengott, dessen Gnade man vor allem durch den Glauben erringen kann.
Freiheit ist also eine innere Einstellung, die vom "Gewissen" geleitet wird. Wirkliche Freiheit im alltäglichen Leben wird dabei rigoros abgelehnt und soll durch Fürsten mit aller Grausamkeit unmöglich gemacht werden.
Damit unterstützt er de facto jene Tendenz größerer Kapitaleigner, sich als Geschäftspartner immer mächtigerer) Herrscher zu verstehen, an die das politische Geschäft abzugeben ist. Er verstärkt des weiteren die Tendenz eines staatstragenden Bürgertums, sich in die Bereiche der nun bald so genannte "Kultur" zurückzuziehen, Das heißt, dass man die korrekte Gesinnung pflegt und ihre gewaltsame Durchsetzung begrüßt.
Andererseits mündet das alles in die Ablehnung einer privilegierten Kirche mit einem von den Laien abgehobenen Klerus und wird de facto zur Einladung an Fürsten, mehr noch als die französische Krone als Laien Kirchenherren in ihrem Territorium sein zu können. 1523 wird weltliche Herrschaft dann aus der Sündigkeit der Menschen begründet werden.
Januar 1521 wird Luther als Ketzer exkommuniziert. Er muss sich auf dem Wormser Reichstag verantworten und betont seine Gewissens-Entscheidung:
Und so lange mein Gewissen durch die Worte Gottes gefangen ist, kann und will ich nichts widerrufen, weil es unsicher ist und die Seligkeit bedroht, etwas gegen das Gewissen zu tun.
Am nächsten Tag lässt Karl verlesen:
Denn es ist gewiss, dass ein einzelner Ordensbruder irrt mit seiner Meinung, die gegen die ganze Christenheit ist sowohl während der vergangenen tausend und mehr Jahre als auch in der Gegenwart; dieser Ansicht nach wäre die ganze genannte Christenheit immer im Irrtum gewesen und würde es heute noch sein. (beides so in: Schilling, S.131/133)
Er fällt per Edikt in die Reichsacht und kann unter dem Schutz seines Landesherrn auf die Wartburg fliehen, wo er mit Hilfe von Philipp Melanchthon die Bibel übersetzt.
Enorme Massen an Drucken und Flugschriften erreichen einen erheblichen Teil der deutschen Bevölkerung, ein Buchmarkt breitet sich aus, darunter seit 1522 auch Luthers im größten Teil der deutschen Lande sprachlich verständliche Bibelübersetzung. Gegner ziehen mit eigenen Veröffentlichungen nach. Einige Handwerker formulieren eigene öffentliche Texte. 1522 beginnt auch Zwingli mit Veröffentlichungen eine breitere Öffentlichkeit zu erreichen. Er greift die Fastenpflicht und das Zölibat an. Religion als Diskussions-Gegenstand entzieht sich immer mehr dem kirchlichen Monopol und erfüllt einen weltlich-öffentlichen Raum.
1522 wird Hadrian IV. Papst.
Städte und Spaltung der Reformationen
In Zürich nimmt Zwingli 1522/23 an zwei Disputationen teil, in denen er nach Ansicht des Rates nicht widerlegt wird, und dieser erlaubt ihm das Predigen auf der Grundlage des Evangeliums.
Während Luther auf der Wartburg ist, setzt Melanchthon in Wittenberg das Abendmahl "in beiderlei Gestalt" für die Laien durch, also mit Brot und Wein. Privatmessen werden abgelehnt. Mönche treten aus dem Augustinerkonvent aus. Auf eine nahe Endzeit orientierte Chiliasten treten auf.
Nun werden den Priestern die Pfründen genommen und diese werden in einem 'Gemeinen Kasten' für die Besoldung von Pfarrern und Lehrern gesammelt. Eine neue Kirchen- und Gottesdienstordnung wird eingeführt.
In vielen Städten verbreiten Prediger (Prädikanten) wie Osiander in Nürnberg reformatorische Gedanken, die von Leuten wie Dürer und Pirkheimer unterstützt werden. 1525 siegt hier die Reformation.
In Straßburg predigen u.a. Bucer und Capito. 1529 dann schafft der Rat die Messe ab. 1527 verlassen die altgläubigen Priester Konstanz. Überwiegend orientieren sich dabei südwestdeutsche Städte an Zwingli, der ab 1525 darin in Gegensatz zu Luther trat, dass er die Transsubstantiation beim Abendmahl ablehnt. Das Abendmahl wird zum reinen Gedächtnismahl. Die Bibel wird übersetzt und zum Leitfaden. Die Trennung von weltlicher und geistlicher Macht wird geringer als bei Luther.
Ein weiterer Gegensatz entsteht dadurch, dass Luthers Anhänger zwar die Messe nun deutsch durchführen, aber wesentliche Züge von ihr beibehalten, während sich bei den Zwinglianern ein um die Predigt zentrierter Gottesdienst durchsetzt. Schließlich wenden sich Lutheraner nur gegen Bilder der Heiligenverehrung, während die Radikaleren sie ganz entfernen möchten.
1529 setzt sich Zwingli im Marburger Gespräch ganz von Luther ab.
Gemeinsam ist manchen Protestanten wie südwestdeutschen Reformierten ein Dogmatismus fast wie in der römischen Kirche. Gerade dadurch kommt es zur Sektenbildung von Abweichlern. Zurück in Wittenberg, berät Luther seinen Landesherrn beim Aufbau einer Landeskirche: Der Landesherr übernimmt die bischöflichen Funktionen in seiner territorial bestimmten Kirche, die Besitzungen der römischen Kirche werden verstaatlicht, die Pfarrer werden einem staatlichen Konsistorium unterstellt.
1523 verlässt der universitär gebildete Andreas Bodenstein (spter: Karlstadt) das von Luther dominierte Wittenberg, in dem er seit 1517 zunächst dessen Anhänger ist. 1522 heiratet er und bricht damit das Zölibat. Luther ist er zu radikal, und als Bodenstedt in Orlamünde an der Saale seine Ideen umsetzt und bis Jena ausstrahlt, gelingt es Luther mit seinem Landesherrn, ihn aus Sachsen zu vertreiben.
Von Norddeutschland ebenfalls vertrieben, gelangt er über Straßburg und Zürich schließlich nach Basel. Luther wendet sich gegen die von ihm so bezeichneten Schwärmer.
Nach Studium in Leipzig und Frankfurt/Oder wird Thomas Müntzer 1517-19 in Wittenberg von Luther beeinflusst. 1520 ist er eine Weile in Zwickau als Prediger fest angestellt. 1521 wird er in Prag wohl von hussitischem Chiliasmus beeinflusst, was er 1523-24 als Pfarrer im kleinen kursächsischen Allstedt mit einer begeisterten kleinen Gemeinde umzusetzen versucht. Der Fürst weist ihn aus und er zieht nach Mühlhausen, wo er eine religiös begründete Stadtordnung beginnt. Nachdem er auch hier ausgewiesen wird, verbindet er sich mit den gerade aufständischen Bauern, diese für seine Vereinigung christlicher und politischer Inhalte einnehmend.
Nach einer Begegnung Luthers mit Müntzer, den Luther als Erzteufel von Mühlhausen bezeichnet, verfasst ersterer eine brutale Kampfschrift gegen die aufständischen Bauern. Drum soll hie zuschmeißen, würgen, und stechen, heimlich und öffentlich, wer da kann, denn ein aufrührerischer Mensch, gleich als wenn man einen tollen Hund totschlagen muß, schlägst du nicht, so schlägt er dich und ein ganzes Land mit dir.
Dabei begründen diese im ersten und dritten von 12 Artikeln ihre Forderungen unter dem Einfluss der Reformation auch religiös. Nach der Niederlage der Bauern in der Schlacht von Frankenhausen wird Müntzer hingerichtet. Im Juni 1525 heiratet Luther die Nonne Katharina von Bora.
In dieser Zeit überwirft sich Luther auch mit Erasmus von Rotterdam, der einen gewissen freien Willen des Menschen vertritt, gegen den sich Luther aggressiv wendet wie auch gegen nun langsam aufkommende (Wieder)Täufer, die chiliastische Vorstellungen mit einem massiven und an Müntzer gemahnenden Anti-Klerikalismus verbinden, sowie er auch andere von ihm abweichende Reformversuche scharf veruteilt.
Reformation und Reich: 1521-40
Bevor Kaiser Karl V. das Reich verlässt, um sich neun Jahre lang um die inneren Verhältnisse in Spanien und dann um Krieg gegen die französische Krone zu kümmern, wird Luther 1521 zu einem Reichstag zu Worms geladen, wo er sich weigert, seinen wesentlichen Aussagen zu widersagen. Er wird unter die Reichsacht gestellt, bekommt aber die Möglichkeit, auf die Wartburg zu entkommen. Seitdem werden in Deutschland Religionsfragen nicht mehr von Rom entschieden, sondern auf (weltlichen) Reichstagen behandelt. Friedrich der Weise von Kursachsen mit seiner fortgeschrittenen Staatlichkeit wird immer deutlicher Schutzherr Luthers.
Inzwischen ist Karls Bruder Ferdinand Statthalter im Reich. Der protestantisch beeinflusste Reichsritter Franz von Sickingen scheitert bei einer Fehde gegen den Trierer Kurfürsten. Bauernproteste kulminieren 1524/25 in kriegerischem Aufstand, der brutal niedergeschlagen wird.
1525 führt der Deutsche Orden in Preußen die Reformation ein. Kurz darauf beginnt unter dem neuen sächsischen Kurfürsten Johann offensivere Förderung einer lutherischen Landeskirche. 1526 kommt es auf einem Reichstag zu Speyer zu einer Art Formelkompromiss über das Konfessions-Thema.
In den nächsten Jahren setzen Visitatoren überall in Sachsen die Reformation durch, was auch eine Umerziehung der Priester bedeutet sowie die Neuordnung der kirchlichen Besitzungen und Einkünfte. Luther schreibt für diese Reformation von oben einen Katechismus.und gibt ein Gesangbuch heraus.
Landgraf Philipp von Hessen betreibt ab 1524 eine ähnliche, in einzelnen Punkten unterschiedliche vom Fürsten geleitete Reformation und verstärkt sie durch die Gründung einer Universität in Marburg. Später wird er bei etwas weniger hartem Umgang mit den Täufern als Luther versuchen, diese mit der Konfirmation an sich zu binden.
1529 versucht Ferdinand, nun auch ungarischer König, auf einem Reichstag zu Speyer die Unterstützung der Stände für den Krieg gegen die Osmanen zu erhalten, die 1526 bei Mohacs ein ungarisches Heer vernichtend geschlagen hatten. Eine Mehrheit des Reichstages folgt ihm bei der Aufhebung des vorigen Speyrer Beschlusses. Die Fürsten von Sachsen, Hessen, Brandenburg-Ansbach, Braunschweig-Lüneburg und eine Anzahl süddeutsche Reichsstädte wenden sich in einer Protestation dagegen, die den "Protestanten" einen neuen Namen gibt.
Bei den deutschen Fürsten ist oft nicht ausgesprochene Frömmigkeit, die die konfessionelle Entscheidung ausmacht, sondern ein klares Machtkalkül. Der Kaiser selbst ist, praktizierend katholisch bleibend, nicht sonderlich an religiösen Einzelfragen interessiert und betrachtet die Protestanten vor allem als bedrohlich für den Zusammenhalt seines Riesenreiches.
Für die Reformation in den süddeutschen Reichsstädten "spielten alte Gegensätze zum geistlichen Stadtherrn, der Kampf um die Einheitlichkeit der Stadtgemeinde gegen den exemten Staat der Kleriker, bereits vollzogene Schritte zur Befriedigung eines erneuerten Frömmigkeitsbedürfnisses eine beträchtliche Rolle." (V.Press in: Postel/Koptzsch, S.254)
Viele Schweizer Städte schließen sich den Zwinglischen Positionen an, während die Waldstätten und Luzern katholisch bleiben. Der hessische Landgraf versucht, zwischen Zwingli und Luther zu vermitteln, was zum Marburger Religionsgespräch führt, auf dem der Dissens sich ganz auf die Auffassung vom Abendmahl konzentriert.
In der entstehenden Schweiz kommt es 1529/31 zum religiös begründeten Bürgerkrieg, in dem die Reformierten bei Kappel unterliegen und Zwingli stirbt. Am Ende bleibt aber den Orten die religiöse Selbständigkeit und es kommt zu immer mehr schweizerischer Selbständigkeit auch in dieser Sache.
Nach der osmanischen Belagerung Wiens kehrt Karl V. zum Augsburger Reichstag 1530 ins Reich zurück. Einige Fürsten und Städte legen eine wesentlich von Melanchthon verfasste Confessio Augustana vor, der die katholische Seite einen vom Kaiser übernommenen Gegentext entgegen stellen. Die südwestdeutschen Zwinglianer wiederum stellen einen eigenen Text vor.
1530/31 formiert sich der Schmalkaldische Bund, in dem nun unter Vermittlung Martin Bucers und mit neuen Formelkompromissen eine deutlich sichtbare gesamt-protestantische Partei im Reich entsteht, an der nur die Schweizer nicht teilnehmen. Eine führende Rolle übernimmt der Landgraf von Hessen. Er unterstützt auch die 1534 vom Herzog von Württemberg dort durchgesetzte moderate Variante der Reformation.
Während ein bewaffneter Konflikt zunächst hinausgeschoben wird, verbreitet sich die Reformation im Reich. Es erweist sich aber immer deutlicher, dass die "Evangelischen" ebenso unduldsam sind wie die "Katholischen" schon immer. Als 1534 in Münster von einer Ratsmehrheit ein sich radikalisierendes städtisches Täuferreich mit Endzeiterwartungen errichtet wird, welches alttestamentarischer orientiert sogar in der Einführung von Polygamie gipfelt, wird es von Philipp von Hessen und dem Bischof lange belagert und dann blutig beendet.
Nach weiterer Verfolgung halten sich Täufer in den entstehenden Niederlanden und zunächst in Ostfriesland, wo sie sich dann nach dem Gründer einer Gruppe Mennoniten nennen. Die Verfolgung in den nächsten Jahrhunderten lässt dann viele nach Nordamerika auswandern, wo sie bislang immer noch geduldet werden.
Mit der Wittenberger Konkordie von 1436 werden die süddeutschen Städte in einen gemeinsamen deutschen Protestantismus integriert, während die Schweizer noch stärker abseits stehen.
Ab 1439 führt der ernestinische Herzog von Sachsen in seinem Herrschaftsbereich die Reformation ein und in dieser Zeit setzt sie sich auch im Kurfürstentum Brandenburg unter Rücksichtsnahme auf viele katholische Formen durch.
Inzwischen wird auch im gemeinsam regierten Dänemark und Norwegen Reformation durchgeführt, und 1538 tritt Dänemark dem Schmalkaldischen Bund bei. Schweden führt nach der Lösung von Dänemark/Norwegen einzelne Reformen ein, die erst bis 1571/93 das komplette lutherische Modell übernehmen.
In Italien mit dem zentral gelegenen Kirchenstaat bleiben reformatorische Ideen auf einzelne Gebildete beschränkt. In Frankreich bilden sich um den Bischof von Meaux, unterstützt durch Marguerite, die Schwester von Francois I., reformerische Gesprächskreise. Der König unterstützt humanistische Reformgedanken, unterdrückt aber massiv evangelische Gedanken unterhalb davon.
England
Mit Henry VIII. herrscht seit 1509 ein machtbewusster, humanistisch und theologisch belesener König, der sehr viel persönliche Macht mit privy council, star chamber und dem Court of Chancery verbindet. Ertritt in offene Gegnerschaft zu Luther und wird dafür vom Papst gelohnt. Unter den Untertanen existiert schon lange eine antipapistische bis hin zu antiklerikale Stimmung, die sich unter der Machtfülle von Lordkanzler Wolsey verstärkt. Von Oxford und Cambridge aus verbreiten sich Gedanken der Reformation aus deutschen Landen und werden in einzelnen Fällen getötet.
1529 wird Wolsey gestürzt und ein Reformation Parliament einberufen, welches 1529-36 tagt. Thomas Cranmer, von Gedanken der kontinentalen Reformation beeinflusst, ist seit 1530 Erzbischof von Canterbury und wird einer der wichtigsten Berater des Königs neben Thomas Cromwell. Nachdem der Papst sich als Verbündeter Karls V. weigert, die Erlaubnis für die Scheidung der sohnlosen Ehe mit Katherina von Aragon zu geben und damit den Weg für die Heirat mit Anne Boleyn nicht frei gibt, unterstützt insbesondere das Unterhaus die Veränderungen, welche nach und nach die englische Kirche umformen.
Unter Cromwell unterstellt Henry 1533 die Kirche unter den König. Cranmer annulliert nun die Ehe des Königs, was die heimliche mit Anne Boleyn legalisiert. 1534 macht das Parlament unter Anleitung durch Cromwell im 'Act of Supremacy' folgerichtig Henry VIII. zum Oberhaupt einer Anglikanischen Kirche, wofür es im Parlament ohnehin schon entsprechende Neigungen gab.
Es geht zunächst um sexuelles Begehren und dynastische Interessen (Nachfolge), vor allem aber um mit Brutalität vorangetriebene königliche Machtpolitik, denen bald Anne und mehrere Kanzler zum Opfer fallen. Die königlich geleitete Kirche bleibt in vielen Punkten dem Katholischen verhaftet, aber der König nutzt seine Macht, um ab 1535 die Klöster aufzulösen, ihren Besitz an sich zu nehmen und dann zum Teil an seine Getreuen zu verteilen. es folgt 1536/37 der nordenglische Aufstand der Pilgrimage of Grace, welcher niedergeschlagen werden kann.
1547 übernimmt der Duke of Somerset die Regentschaft für den minderjährigen Nachfolger Edward. Cranmer wird nun bei reformatorischen Maßnahmen unterstützt, die sich immer mehr an Calvin orientieren und im 'Book of Common Prayer' niederschlagen, einem John Knox aber nicht weit genug gehen.
Calvins Reformation
Jean Calvin (1509-64) studiert Rechtswissenschaften und wird ab 1531 Anhänger von Kirchenreformen. 1534 muss er deshalb nach Basel flüchten. 1536 gelangt er nach Genf, wo die Kirche bereits reformiert wird, während die Bevölkerung den Anschluss an die Eidgenossenschaft sucht.
1537 legt er seine 'Articles' vor, die Genf in eine heilige Stadt verwandeln sollen. Jeden Sonntag soll das Abendmahl im Zwinglischen Sinne stattfinden, alle Kinder sollen in einem reformierten Katechismus unterrichtet und eine Ehegerichtsbarkeit eingeführt werden. Eine strenge, bürgerlich geprägte Sittlichkeit soll in die Häuser einziehen und entsprechend geradezu von Spitzeln kontrolliert werden; Abweichler sollen bald vom Abendmahl ausgeschlossen werden. Der Rat wendet sich dagegen und Calvin und seine unmittelbaren Gefolgsleute müssen gehen, wobei es Calvin nach Straßburg zu Bucer verschlägt
Neue Orden
Im Sinne intensivierter Frömmigkeit entstehen angesichts der Reformation neue Orden im Rahmen der katholischen Kirche. Als erstes gründen Carafa (später Papst Paul IV.) und Kajetan die Theatiner, die zunächst in Italien gegen die Reformation antreten. Nach 1662 gewinnen sie auch in Bayern Einfluss.
1528 erkennt Papst Clemens VII. die Kapuziner an, die ebenfalls zunächst in Italien an Einfluss gewinnen. 1544 gründet Angela Merici die Ursulinen, die Armut, Keuschheit und Gehorsam geloben, aber nicht in Klöstern leben. Von ihnen wird vor allem katholische Glaubensunterweisung gegen die Vorstellungen der Reformatoren betrieben.
Besonders mächtig und einflussreich wird nach 1540 die schon zuvor von Ignatius von Loyola gegründete Societas Jesu, die Jesuiten. Ohne stabilitas loci und ohne Ordensgewand, aber von einem extremen internen Gehorsamsideal durchdrungen, werden sie einmal eine scharfe Waffe der Päpste gegen die Reformationen und zum anderen Vorreiter der Missionierung der Menschen der neuen Kolonien.
Reformation und Reich: 1540-55
Der katholischen Unduldsamkeit steht die der Reformierten und Lutheraner nicht nach. Ende der 30er Jahre schreibt Luther eher feindselige Texte gegen die Juden, während in Sachsen den Juden der Aufenthalt verboten wird. Hessen folgt dann in etwas gemäßigterer Form.
Mit dem Aufschub einer militärischen Auseinandersetzung durch mehrere "Anstände" kommt es zu am Ende fruchtlosen Religionsgesprächen im Reich. Der offene Bigamie begehende Landgraf Philipp von Hessen nähert sich dem Kaiser an, der sie stillschweigend duldet. Der Herzog von Jülich-Kleve-Berg tendiert zur protestantischen Seite, was die spanischen Niederlande bedroht, und der Kaiser nimmt ihm Geldern ab. Als der Kölner Erzbischof Hermann von Wied sich für eine Reformation entscheidet, wird er auf Betreiben des Papstes und des Kaisers vertrieben. Auf der anderen Seite vertreibt der Schmalkaldische Bund den katholischen Herzog von Braunschweig-Wolfenbüttel im Konflikt um Goslar und man führt dort 1542 die Reformation durch.
Nach Philipp von Hessen tritt 1546 auch der lutherische Moritz von Sachsen wegen seines Konfliktes mit dem ernestinischen Kurfürstentum Sachsen der kaiserlichen Partei bei. Es scheint ein protestantisches Übergewicht im Reich zu geben. Die habsburgischen Erblande, Bayern und das protestantische Sachsen von Herzog Moritz betreiben Kriegsvorbereitungen. Im Schmalkaldischen Krieg unterliegen die Bundesgenossen 1547 bei Mühlberg, die hessischen und kursächsischen Fürsten werden gefangen genommen und Moritz erhält die Kurwürde samt Wittenberg plus Umgebung. Magdeburg kann dann nicht eingenommen werden.
Im vom Kaiser durchgesetzten Interim von Augsburg 1548 werden überwiegend katholische Positionen für das Reich verbindlich gemacht und vor allem in Süddeutschland (Württemberg) auch durchgesetzt.
Es kommt zu Konflikten zwischen verschieden "strengen" lutherischen Richtungen, die erst 1580 ansatzweise beigelegt werden. Im sogenannten Fürstenkrieg von 1552 bleibt eine von Moritz von Sachsen angeführte Koalition mit Mecklenburg, Pommern und Brandenburg-Ansbach erfolgreich. Schließlich werden die hessischen und ehedem kursächsischen Fürsten freigelassen.
Ferdinand setzt in entscheidendem Maße 1555 den Augsburger Religionsfrieden durch. Wesentliches Element wird, dass die Landesfürsten über die Religion ihrer Untertanen entscheiden. Geistliche Fürsten, die sich der Reformation zuwenden, verlieren allerdings ihre Ämter, was sich in Brandenburg nicht wird durchsetzen lassen. In Reichsstädten sollen beide Konfessionen zugelassen werden, was nur gelegentlich gelingt. Wem die entsprechende Konfession seines Landes nicht behagt, der darf bzw. muss auswandern.
Calvin in Genf
1541 wird Calvin nach Genf zurückgeholt und setzt sein "Kirchenzucht"-Konzept nun um. Die neue Kirche besteht aus Pastoren, die predigen und Sakramente vergeben, Doktoren, die in Schulen unterrichten, Diakone für die Sozialfürsorge und die aus den Räten entnommenen Ältesten, die die Kirchenzucht durchsetzen sollen. Tanzveranstaltungen werden verboten und zeitweilig Gaststätten geschlossen.
Inhaltlich sucht Calvin den Kompromiss mit den Zwinglianern, was die "Reformierten" von den "Lutheranern" trennt und etwas zu einer eigenen "Konfession" insbesondere der Schweizer macht.
Zum Kern seiner Lehre gehört die von der Prädestination, Was bei Luther als von Gott für den Glauben bestimmte Menschen darstellt, wird von Beza zum zentralen Glaubenssatz radikalisiert.
Gemeinsam sind den Reformierten zunächst eher schmucklose Kirchenräume.
Nachdem Calvin 1553 den anti-trinitarischen Ketzer Miguel Servet, der aus Südfrankreich nach Genf geflüchtet war, hinrichten lässt, verstärkt sich eine Diskussion über religiöse Toleranz.
Calvins Vorstellungen verbreiten sich über Frankreich, die Niederlande, England und Schottland.
Hugenotten in Frankreich
Unter König Henri II. von 1547-59 verschärft sich die Verfolgung von der Reformation nahestehenden Kreisen noch einmal erheblich. Dabei geraten sie immer mehr unter den Einfluss der Genfer/Schweizer Reformation, weswegen sie vielleicht seit 1560 Hugenotten (Eidgenossen) genannt werden. Sie machen insgesamt wohl gut 10% der französischen Bevölkerung aus und sind hauptsächlich im Poitou und dem ehemaligen Okzitanien vertreten.
1552 verbündet Henri sich mit den gegen Karls Religionspolitik aufbegehrenden protestantischen Reichsfürsten, die ihm für Geldzahlungen widerrechtlich die Bistümer Metz, Toul und Verdun überlassen, wo er formal als Vikar fungieren soll.
Unter der Regentschaft Katharina von Medicis wird ihnen 1562 im Edikt von St.Germain wenigstens die Feier von Gottesdiensten erlaubt. Doch mündet das alles in mehrere "Hugenottenkriege", in denen Henri von Navarra ihr Anführer wird. Sie werden von schweren Gewalttaten begleitet. Um 1589 selbst König als Henri IV. zu werden, muss er Katholik werden, duldet aber seine hugenottischen Untertanen, was 1598 im Edikt von Nantes gipfelt.
Calvinismus in Schottland
Unter Königin Mary ("der Katholischen") muss John Knox fliehen und landet schließlich in Genf. Zurück in Schottland treibt er eine von Calvin beeinflusste Reformation voran. 1560 beschließt das Parlament die Abschaffung der Messe und die Oberhoheit des Papstes. Es ist aber zunächst schwierig, das Genfer Modell von einer religiös verstandenen Stadt auf einen Flächenstaat zu übertragen.
Calvinismus in den (nördlichen) Niederlanden
Mehr noch als in Schottland verbindet sich in den Niederlanden Reformation mit Widerstand gegen die drückende spanische Fremdherrschaft. Mehr und mehr setzen sich aber Züge eines reformierten Protestantentums in den nördlichen Niederlanden durch, die sich dadurch von ihren südlichen Nachbarn trennen. 1566 beginnt der offensive Kampf um die Unabhängigkeit.
Konzil von Trient (1544-63)
Um 1536 setzt langsam von Rom aus massiverer Kampf gegen die Reformationein, die vor allem auch von den Jesuiten geführt wird.
Nachdem die Reformationen Fakten geschaffen haben, werden unter der dominanten Führung der päpstlichen Legaten in Trient die Grundgedanken der katholischen Glaubenslehre zementiert, die Autorität der Bibel in den beiden Originalsprachen, die sieben Sakramente und die absolute Autorität des Papstes. Ein Index verbotener Bücher wird eingeführt. Bischöfe sollen stärker auf ihr geistliches Amt konzentriert werden und die Priesterausbildung soll verbessert werden.
Die katholische Maria
1553 stirbt König Edward und die katholisch gebliebene Tochter von Katerina von Aragón wird für fünf Jahre Königin. Sie betreibt mit harter Hand eine Re-Katholisierung Englands und lässt zum Beispiel Cranmer auf dem Scheiterhaufen verbrennen.
Mit ihrer Nachfolgerin Elizabeth I., Tochter Anne Boleyns kehrt dann ab 1558 die Reformation zurück.
Schlichtheit und Pracht der Konfessionen
1549 beschwert sich der Kölner Erzbischof, dass Komödianten "Vorstellungen auch auch in den Kirchen und Nonnenklöstern geben, wo sie den Mädchen durch profane, verliebte und weltliche Gesten Lust bereiten. (in: Heers(2), S.78)
Erstes Fazit
Neben der Expansion europäischer Herrscher auf andere Kontinente und der Etablierung von immer mehr Staatlichkeit in ihren Herrschaftsgebieten ist die Reformation der große Veränderer in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Zunächst ist sie Fortsetzung der Frömmigkeitsbewegungen des bisherigen Mittelalters, wobei diese nun nicht mehr in der römischen Kirche zu halten sind. Indem sie in den protestantischen Ländern ein neuartiges und an die veränderten Verhältnisse angepasstes Christentum etabliert und damit die Altkirche zu wenn auch geringen Reformen zwingt, gelingt es, dass Überleben eines Christentums bis ins 18./19. Jahrhundert zu sichern und solange die Köpfe der meisten Menschen nun auch auf anderen Kontinenten zu dominieren. Dazu dient, dass die religiöse Unterrichtung in den verschiedenen Konfessionen deutlich zunimmt, und das besonders im protestantischen Raum.
Das Überleben des Christentums gelingt auch dadurch, dass Konfession und Herrschaft nicht nur enger und anders verbunden werden als zuvor, sondern auch dadurch, dass Konfession als korrekter Glaube nun zu einem machtpolitischen Argument wird. Dabei siegen aber weiterhin machtpolitische Erwägungen über religiöse, wo diese mit ihnen in Widerspruch treten, und Herrscher bestimmen weiter das Schicksal der Untertanen.
Für Frankreich und England bedeutet es aber auch, dass Konflikte zwischen Katholiken und Protestanten nun militanter werden können und in England zudem interkonfessionelle unter den Protestanten selbst. Dabei werden in beiden Fällen die Staatsgebilde mächtiger gegenüber den Untertanen werden.
Für die deutschen Lande heißt das nun, dass die Zersplitterung in viele Fürstentümer durch den konfessionellen Gegensatz verstärkt wird und die (katholischen) Könige bzw. Kaiser ihr Reich nicht mehr zusammenhalten können. Für die zwinglianisch bzw. kalvinistisch orientierte deutsche Schweiz bedeutet das den endgültigen Ausstieg aus dem Reich, und die reformierten nördlichen Niederlande folgen als spanisches Besatzungsgebiet in ihrem Kampf gegen die Bedrückung katholisch-spanischer Herrschaft.
Die siegreichen Reformationen stärken die Macht der dortigen Fürsten/Könige
erheblich, da die ferne römische Kirche nun durch eine auf das Land bezogene und dem Fürstentum eingeordnete protestantische ersetzt wird. Dazu kommt, dass die Fürsten den Besitz und Reichtum der römischen Kirche auf ihrem Gebiet "einziehen", was ihre Macht vielleicht nirgendwo deutlicher als in Schweden steigert.
Für den Alltag der "Evangelischen" ändert sich nicht nur der Gottesdienst. Das magische Moment der Religion geht nach und nach verloren und wird vor allem in den Städten ersetzt durch nüchternere, aber verbindliche Verhaltensnormen, die dort schon länger ausgebildet wurden. Zum Gehorsam gegenüber der Obrigkeit kommt stärker als zuvor die Instanz des Gewissens, in dem die eigene Sündhaftigkeit nun quasi direkt vor Gott verhandelt wird.
Großmacht-Politik (1500-1556)
Auf dem Weg ins 16. Jahrhundert sind Frankreich und England Großmächte, so wie es Spanien zunehmend auch wird. Mit Erzherzog Maximilians I. Heirat mit Maria als Erbin des Burgunder-Reiches 1477 steigt das Haus Habsburg im Dauerkonflikt mit der französischen Krone weiter auf, ein Konflikt, der erst einmal bis 1756 andauern wird. 1488/91 gewinnt König Maximilian Tirol und die Vorlande und blickt nach Schwaben, wo sich der Schwäbische Bund der Reichsstände bildet.
Die deutschen Fürstentümer samt ihrem Königtum sind eher Mittelmächte, wie auch die italienischen Fürstentümer inklusive des Kirchenstaates. Im Kampf um die Vorherrschaft im Ostseeraum verwickelt sind Polen, Schweden und Dänemark. Dem Haus Habsburg und dem aus ihm stammenden deutschen König steht ein übermächtiges Osmanenreich gegenüber, welches über den Balkan und Ungarn, welches 1526 erobert wird, die südöstlichen Habsburgergebiete massiv bedroht und zudem über seine Korsarenflotten sehr viel Kontrolle über das ganze Mittelmeer gewinnt, nachdem es 1517 Syrien und Ägypten eingenommen hat. Anders als die sich bald entwickelnde konfessionelle Unduldsamkeit im Christentum dulden die Osmanenherrscher Juden und Christen und siedelt sie sogar an, wie Juden in Thessaloniki. In Istanbul bilden Juden und Christen einen erheblichen "Anteil an Bevölkerung und Wirtschaftsleben." (Schilling, S.121)
Das Heilige Römische Reich deutscher Nation bleibt eine Art lose Föderation von Fürstentümern. Der König wird von sieben und später acht Kurfürsten gewählt. Mit Ausnahme von 1530 findet keine Papstkrönung des Kaisers mehr statt. Kaiser können ihre Nachfolger bestimmen. Das Kaiserreich Karls V. gewinnt keine gemeinsame Staatlichkeit, ist Privatsache des Kaisers und wird von seinen Vertretern regiert.
Es gibt einen Reichstag, der unregelmäßig zusammentritt, und zwar mit den Kürfürsten, dem Reichsfürstenrat und den Vertretern der freien und Reichsstädte.
Zum Reich gehört das Reichskammergericht, welches 1527 in Speyer eingerichtet wird. Seit 1510 ist das Reich in zehn Reichskreise geteilt.
Obrigkeit ersetzt etwas Herrschaft als Benennung und entwickelt in deutschen Fürstentümern Staatlichkeit mit dem Bewusstsein klarer territorialer Grenzen, in denen Untertanen (Landes)Steuern zu zahlen haben, auch wenn nur ein Teil der Einnahmen tatsächlich einem "Gemeinnutz" zugeordnet ist.
Maximilian steht im Konflikt mit der französischen Krone um Burgund. Im Frieden von Senlis wird 1493 Burgund geteilt. Die französische Krone erhält das Gebiet an der Saône, welches jetzt direkt dem König unterstellt wird, Philipp ("der Schöne") erhält die Freigrafschaft (Franche-Comté) und die niederburgundischen Erblände, die westlich der Schelde keine Lehnspflicht gegenüber dem französischen König mehr hat. Im Norden muss sich Maximilian nach dem Tod der Maria (von Burgund) erst einmal fast zehn Jahre lang militärisch durchsetzen.
1492-1503 regiert Alexander VI. (Borja) im Kirchenstaat und ruiniert den Ruf des Papsttums. Nachfolger Julius II. führt Krieg zugunsten des Kirchenstaates.
Der französische König ist an Mailand und Neapel interessiert und über letzteres kommt es zur Annäherung von Maximilian und Ferdinand II. von Aragon. 1495 kommt es zu dem so vieles verändernden Heiratsvertrag, den das Haus Habsburg unter Kaiser Maximilian I. mit dem Haus Trastámara unter Isabella und Fernando schließt: Maximilians Tochter Margarete soll den spanischen Thronfolger Juan heiraten, und Maximilians Sohn Philipp ("der Schöne") seine Schwester Juana. Zwei Jahre später soll das zügellose Sexualleben Juans diesen hinwegraffen und kurz darauf Isabella, nächste Thronfolgerin und Gemahlin des portugiesischen Königs Manuel, die gerade mit Miguel einen neuen Thronfolger für nunmehr Portugal und Spanien geboren hat. Aber auch der stirbt bald (1500).
Indem Italien in das Machtspiel der Spanier, der französischen Krone und von Habsburg gerät, verlieren die Städte ihre politische Bedeutung an Fürsten, die ihre wirtschaftliche Stärke nun nutzen.
Im Bündnis mit Florenz marschiert Charles VIII. 1494 in Italien ein, wo bei seiner Ankunft die Medici gestürzt werden und eine Republik ausgerufen wird. Vor Neapel muss er wegen Krankheiten und einem starken Bündnis gegen ihn aus Mailand, Venedig, Maximilian und dem Papst umkehren.
Louis XII. gelingt es1499/1500, Ludovico Sforza aus Mailand zu vertreiben..
1500-04 marschiert Louis XII., nachdem er über die Heirat mit Anne die Bretagne nach und nach an sich bindet, nach Neapel, erreicht nur für kurze Zeit die Aufteilung des Königreichs, welches dann bis nach 1700 wieder der spanischen Krone gehört.
Nach dem Tod Philipps mit 28 Jahren wird dessen ältester Sohn Karl 1506 Herr der burgundischen Lande, neben der Nordhälfte Italiens das reichste und am meisten kapitalistisch entwickelte Gebiet Europas. Mutter Juana wird immer geistesgestörter und Sohn Karl ist erst sechs Jahre alt. Seine Tante Margarete ist für ihn seit 1507 Vormund und Statthalterin, und Karl wächst in Mecheln in burgundisch- höfischem Milieu heran.
Henry VIII.(1509-47) heiratet Katharina von Aragon. Er ist mal mit dem französischen König und mal mit dem Kaiser verbündet. 1511 tritt er der heiligen Liga gegen die französische Krone bei, die darauf in Italien scheitert. 1513 fällt Mailand mit der Schlacht von Novara an die Eidgenossen.
1512-27 halten sich die Medici in Florenz. 1513-21 ist der Medici Leo X. Papst.
Es gibt mal wieder Krieg Englands mit Schottland. 1514 wird die Schwester Mary Tudor mit Louis XII. verlobt.
In der Folge wird Mailand umkämpft, und es
1515 stirbt Louis II. Francois I. gewinnt kurz nach der Thronbesteigung mit der Schlacht von Marignano Mailand zurück. Er dringt in Navarra ein. Mit dem Papst Leo X. wird eine fast komplette Kirchenhoheit des französischen Königs vereinbart.
Da der spanische Fernando keinen Thronfolger hat und Juana ("die Wahnsinnige") unfähig zur Herrschafts-Ausübung ist, wird Karl 1516 König von Spanien. Mit Kastilien übernimmt er die neuen Länder in Übersee, mit Aragon das Königreich Neapel und Sizilien. In Spanien gibt es Aufbegehren gegen die zunehmende Zentralmacht und laut geäußerte Ablehnung von burgundischer Überfremdung.
1519 stirbt Maximilian, Karl wird kaum deutsch sprechender (römischer) König und Kaiser, auch indem er gegenüber Francois I. die größeren Bestechungssummen für die Kurfürsten aufwenden kann. Seine zentralen Interessen sind auf Spanien, die Niederlande und Italien gerichtet, obwohl sein Kaisertum von dem sich deutlicher formierenden Deutschland stammt. Dieses angestrebte Universal-Kaisertum ist zudem auf Rom bezogen, was seine religiöse Bindung mitbestimmt. Habsburg gewinnt 1519 Württemberg.
In den Kernlanden Kastiliens kommt es zum Communero-Aufstand, während Karl zur Krönung nach Aachen reist. Gattinara ist Großkanzler. Aufstände in Österreich gegen habsburgischen Zentralismus, in Wien mit reformatorischen Zügen. Reise-Kaisertum.
Anfang des 16. Jahrhunderts ist Niederburgund unterschieden in den eher bürgerlich dominierten Norden und den wallonischen Süden eines starken Adels.
Margarete ist Statthalterin für Karl V. Sie muss mit den Ständen um Geld ringen, um die Kriege gegen Frankreich zu finanzieren. Dazu kommen mit dem Beginn der Reformation Konflikte um die korrekte Konfession.
Inzwischen gewinnt Martin Luther mit seinen Ansichten an Ansehen.
1520 kommt es zur Doppelhochzeit zwischen Böhmen/Ungarn und den Maximilian-Enkeln. Karls Bruder Ferdinand erhält alle deutschen Territorien des Habsburger-Reiches.
1521 wird Luther auf dem Reichstag zu Worms in die Acht gesetzt und flieht auf die Wartburg. In den nächsten zehn Jahren ist Karl V. nicht mehr mit deutschen Landen befasst. 1522 kommt es zum Aufstand der Reichsritter, zur Fehde des Franz von Sickingen gegen das Erzbistum Trier, welche von den Fürsten niedergemacht wird.
1521 Bündnis Henry VIII. mit Karl V. 1522 erneuter Krieg gegen die französische Krone um Italien. Karl kann den Sforza Mailand zurück geben. 1522-29 hält er sich in Spanien auf.
Seit 1525 berät Luther von Wittenberg aus die Fürsten über die Errichtung von Landeskirchen (Kur-Sachsen/Hessen).
1525 Bauernkrieg, von den Fürsten unterdrückt. Vielleicht bis zu einhunderttausend Tote.
1523-34 Medici-Papst Clemens VII. Oktober 1524 nimmt Francois I. Mailand ein. Er ist mit Papst und Venedig verbündet und belagert Pavia. Dann besiegen ihn Anfang 1525 bei Pavia spanische Tercio-Infanterie und deutsche Landsknechte unter Frundsberg und er wird gefangen genommen.
Karl tritt bislang nicht als Feldherr auf.
Danach zerbricht das Bündnis König Henrys mit Karl.
1526 stirbt der neue ungarische König bei Mohacs, und Ferdinand wird sein Nachfolger.
Francois I. wird auf Ehrenwort auf der Basis eines für ihn untragbaren Vertrages von Madrid entlassen, welches er sofort bricht. 1526 verbünden sich Papst mit Francois I., Venedig, Mailand und Florenz in der 'Heiligen Liga von Cognac'. Das ermöglicht Franz einen neuen Krieg um Mailand und Neapel. Die kaiserlichen Truppen marschieren 1527 nach Rom, um sich ausstehenden Sold anderweitig zu besorgen: Sacco di Roma. Nachdem Andrea Doria für Genua die Fronten wechselt, ist Francois gescheitert.
Im Damenfrieden von Cambrai wird 1529 das Herzogtum Burgund endgültig Frankreich zugeschrieben, während es auf Italien, Flandern und das Artois verzichtet. 1530 wird Margarete, Schwester Karls V., Statthalterin der Niederlande.
1529 Speyerer Protestation gegen die Durchsetzung des Wormser Edikts, Aufstand der oberen Reichsstände. Die Osmanen belagern im Herbst unter Süleiman ("dem Prächtigen") zum ersten Mal Wien.
Das Fürstentum der Este von Ferrara und der Gonzaga von Mantua sind praktisch Klientel des Kaisers. Das 1527 wieder republikanisch gewordene Florenz wird erobert.
1530 Kaiserkrönung in Bologna, im Jahr darauf wird Karls Bruder Ferdinand zum Römischen König gewählt. Das päpstliche Desinteresse an einem Reformkonzil besteht weiter. 1531 werden die Medici von Karl V. als erbliche Herzöge eingesetzt.
1530 großer und prächtiger Reichstag: Confessio Augustana und katholische Gegenposition bleiben unversöhnlich. Ferdinand wird deutscher König.
Es folgt im Herbst 1531 der Schmalkaldische Bund der protestantischen Reichsstände.
Zwischen 1527 und 1534 kommt es in Einzelschritten wegen Anne Boleyn zum Bruch mit Rom. 1535 wird unter dem Act of Treason u.a. Thomas Morus hingerichtet. In den nächsten Jahren werden die Klöster aufgelöst und dem Kronschatz einverleibt. Der König betätigt sich als Entscheider über den rechten Glauben.
Statthalterin der Niederlande wird Maria.
1532 Nürnberger Anstand (Aufschub) auch angesichts der osmanischen Bedrohung. Ein Reichsheer kann Teile Österreichs von den Osmanen zurück gewinnen. Ungarn wird dann in einem Frieden geteilt.
1534 setzt Philipp von Hessen Herzog Ulrich wieder in Württemberg ein, welches wie auch Brandenburg sowie das Herzogtum Sachsen protestantisch werden.
1534-49 herrscht der Farnese-Papst Paul III. im Kirchenstaat. 1535 sterben die Sforza aus und Karl V. zieht das Lehen ein.
1534 beginnt Francois I. mit der Ausrüstung von Erkundungsfahrten nach Nordamerika. Er verfolgt von nun an französische Reformatoren.
1536-38 findet ein neuer französisch-habsburgischer Krieg um Italien statt, der 1538 in einem vom Papst vermittelten Waffenstillstand endet..
1538 Aufstand der Genter gegen Steuerforderungen, den Karl V. brutal niederschlägt, wobei er die Rädelsführer hängen lässt und den Stadtrat zu einer demütigenden Bußprozession zwingt. Die Kathedrale wird plattgemacht und eine Zwingburg mit spanischen Söldnern errichtet.
1541 erobert Süleiman die Festung Buda.
1542 Geldrischer Erbfolgekrieg, das Herzogtum Geldern geht an Habsburg und in den Herzogtümern Jülisch-Kleve-Berg wird die Einführung der Reformation verhindert. 1543 sind alle Niederlande außer Utrecht unter Habsburg vereint. Der Protestantismus ist aber dabei, sie zu spalten.
Nach Waffenstillstand wird der Krieg der französischen Krone mit Habsburg 1542-44 fortgesetzt, wobei der Osmanenherrscher seinen Admiral zur Unterstützung des Franzosen schickt. Es gibt Krieg um Navarra, die Niederlande und in der Poebene.Erst 1544 beendet Franz das Bündnis mit Süleyman I.
1545 beruft Papst Paul das Konzil nach Trient ein. Karl gibt Mailand an seinen Sohn Felipe II. von Spanien.
1544-46 Krieg König Henrys VIII. gegen das mit Schottland verbündete Frankreich. 1547 stirbt Francois I. und auf ihn folgt Henri II.
1547-53 regiert ein Regentschaftsrat für Edward VI. England wird nun etwas protestantischer (Thomas Cranmer). Nachfolgerin wird Mary (die Katholische).
1547 gewinnt der Kaiser den Schmalkaldischen Krieg in der Schlacht von Mühlberg. In Süddeutschland versucht der Kaiser das sogenannte Interim brutal durchsetzen zu lassen. Philipp von Hessen bleibt dauerhaft inhaftiert.
1552 Verlust von Metz, Toul, Verdun und Cambrai für das Reich, als Henri II. das Reichsvikariat von den protestantischen Fürsten zugesprochen bekommt. Der Kaiser übergibt die Reichsgeschäfte an seinen Bruder Ferdinand. Das Interim wird aufgehoben und die Fürsten von Kursachsen und Hessen werden freigelassen.
1555 wird auf einem Reichstag zu Augsburg entschieden, die Wahl der Konfession den Fürsten zu überlassen. Zudem wird eine Reichsexekutionsordnung erlassen, welche die Zuständigkeit für die Aufrechterhaltung des Landfriedens den zehn Reichskreisen überträgt. Das Reich wird immer dezentraler.
Die Medici erobern 1555 Siena.
1556 Resignation Karls V. Karls Sohn Philipp erhält sowohl Spanien wie die Niederlande. Kaiser wird Bruder Ferdinand.
1556 heiratet Königin Mary gegen die Wünsche des Adels Philipp II. von Spanien, was wiederum Karl V. unterstützt. Blutige Verfolgung der Protestanten. Die schottische Cousine Mary Stuart ist mit dem französischen Thronfolger verlobt. Derweil immer wieder Kriege zwischen Spanien und Frankreich.
Der Krieg
Seit dem 12. Jahrhundert werden Kriege oft mit einem durch Söldner verstärkten Adelsaufgebot geführt, wobei Kosten des Adels auch zunehmend auf die Kriegsherren abgeladen werden. In den nächsten Jahrhunderten nimmt der Söldneranteil immer mehr zu, wobei das Söldnerwesen von unternehmerisch handelnden Söldnerführern organisiert wird, die sich von den kriegführenden Machthabern bezahlen lassen und die Bezahlung dann an ihre militärischen Abteilungen weiterleiten. Im Hundertjährigen Krieg und in den Kriegen der norditalienischen Stadtstaaten und Roms verselbständigen sich solche Söldnertruppen immer mehr, was dazu führt, dass sie in Zeiten ohne Auftrag auf eigene Rechnung marodieren, zerstören, verletzen, vergewaltigen und töten.
Der Landsknecht-Unternehmer Georg von Frundsberg wirbt im Auftrag Karls V. rund 12 000 neue Söldner an. Bei Piacenza vereinigen sie sich mit spanischen Truppen des Charles de Bourbon. Diese rund 22 000 Deutschen, Italiener und Spanier warten auf Sold, der nicht kommt. Papst Clemens VII. verspricht einem kaiserlichen Gesandten 60 000 Gulden (neben zu erwartender Beute), was für die Soldateska zu wenig ist, die sich gegen ihre Oberen empört. Charles de Bourbon flieht, und Frundsberg kann sie bei Bologna nur damit beruhigen, dass er das Geld selbst in Rom abholen wolle. Als er einen Schlaganfall erleidet, kehrt Charles de Bourbon zurück und verspricht immer höhere Summen.
Am 5. Mai erreichen die empörten Truppen Rom, im Verlauf des nächsten Tages wird die Stadt gestürmt. Die Kardinäle flüchten in die Engelsburg, die Häuser von arm und reich werden geplündert, den Reichen werden zudem hohe Summen abgepresst. Auch die Kirchen werden ihrer geldwerten Schätze beraubt.
Im Sommer flieht die Söldnerschar in die Berge, um bis zum Herbst den Römern immer mehr abzupressen. Zwischen Herbst und Spätwinter ziehen die Truppen dann wieder ab; ein stattlicher Teil war trotz der Beute inzwischen gestorben, teils an Hunger, teils an Krankheit. Die übrigen suchen neue Kriegsschauplätze.
Staaten
Das lateinische Abendland und seine Nachbarn ist in Herrschaften aufgeteilt, über die einzelne Familien verfügen. Habsburger sind Könige/Kaiser, die eigene Lande besitzen und eine Oberhoheit über nicht nur deutsche Fürstentümer ausüben. Frankreich wird von einem Zweig der Valois beherrscht, England von den Tudors, Spanien von einem Zweig der Habsburger. Solche mächtigen Familien versuchen immer mehr Macht in ihren Händen zu konzentrieren, durch Heiraten und Kriege und im Inneren durch Reduzierung adeliger Macht und der der Städte. In ihren Händen entsteht immer mehr "Staat", und das heißt auch immer mehr Untertänigkeit, wie es schon die Obrigkeit in den Städten vorgemacht hatte.
Die große Mehrheit der Bevölkerung, Bauern und Handwerker, produziert neben ihrem vergleichsweise bescheidenen Lebensunterhalt den Reichtum der mächtigen Familien und den jener reichen, aus dem Bürgertum stammenden Familien, die mit Handel und Finanzen ebenfalls zur Macht der hohen Herren beitragen.
Die Masse der Untertanen kennt nichts anderes mehr als Untertänigkeit und hat sich daran gewöhnt, sich mit denen zu identifizieren, die ihre Herren sind, insbesondere auch aus der Erfahrung heraus, dass kurzes Aufbegehren seit Jahrhunderten mit Niederlagen verbunden ist. Solche Identifikation mit den hohen Herren wird verstärkt durch ein immer stärkeres Nationalgefühl vor allem in England und Frankreich, wo sich eine "nationale" Sprache durchsetzt. In geringerem Umfang wird das auch in Spanien geschehen, wo sich das Castellano langsam durchsetzt, auch wenn regionale Idiome weiter überleben. In den aus recht selbständigen Fürstentümern bestehenden deutschen Landen wird sich langsam eine gemeinsame Hochsprache neben den regionalen Idiomen entwickeln, und das Wort "Deutschland" kommt nun entsprechend auf, während die niederen Lande, der deutschsprachige Teil Lothringens, die Schweiz und die habsburgischen Erblande aus diesem Verbund immer mehr gelöst werden, durch habsburgische Politik gefördert. Italien bleibt weiter im Norden in Stadtstaaten, in der Mitte den Kirchenstaat und im Süden die beiden Sizilien geteilt, wobei sich in der Nordhälfte immer mehr ein gemeinsames Italienisch entwickelt.
In den Nationalstaaten, die so entstehen, wird Nationalismus als Propaganda-Instrument der hohen Herren immer deutlicher eingesetzt. Dem dienen dann auch sogenannte Humanisten und Historiker wie auch an die Höfe gezogene "Künstler", wie da Vinci, Michelangelo und der Tizian Karls V.
Staat ist einer der Begriffe, die bis heute gerne im Unklaren gelassen werden, und es ist einer, den die deutsche Sprache bis ins 16. Jahrhundert nicht kennt. Wenn wir ihn als einen differenzierten Machtapparat aus unterschiedlichen Institutionen definieren, rechtlich losgelöst von den Personen in diesen Institutionen, mit einem wenigstens kurzzeitig jeweils klar definierbaren Territorium und darauf lebenden Untertanen, dann ist das zu allgemein, um die spezifischen Gebilde zu definieren, die zwischen dem 13. und 18. Jahrhundert im lateinischen Abendland entstehen, - und es passt auch nur eingeschränkt.
Vor aller Staatlichkeit, wie sie im Mittelalter des lateinischen Abendlandes entsteht, gibt es bereits Zivilisation als Herrschaft, wie sie sich in der Bronzezeit zum ersten Mal erkennen lässt, also die Machtergreifung einzelner oder weniger über die vielen, die so zu Untertanen werden. Erstes Ziel ist es von Anfang an, der arbeitenden Bevölkerung einen Teil der Ergebnisse ihrer Arbeit abzunehmen, weswegen Herrschaft sich immer auf Gewalt gründet, um religiös begründete Bereicherung zu ermöglichen. Dazu gehört eine Verwaltung zum Einziehen der erzwungenen Abgaben und ein Gewaltapparat, der dafür Zwang ausübt.
Solche Machthaber versuchen in aller Regel, die Macht in ihrer Familie zu halten, zwischen dem 10. und 18. Jahrhundert (n.d.Zt.) gelingt ihnen das sehr häufig für längere Zeit.
Schließlich sind die Machthaber, die Herrschaft ausüben, anderen Machthabern benachbart und konkurrieren mit ihnen, und zwar nicht selten gewalttätig. Der Gewaltapparat nach außen und nach innen kann sich ähneln oder sogar derselbe sein. Seit Jahrhunderten hat sich im Deutschen eingebürgert, dabei zwischen Polizei und Militär zu unterscheiden.
Herrschaft mit staatlichen Mitteln bedarf eines Hoheitsgebietes, wobei es erklärtes Ziel vieler Machthaber ist, dieses mit friedlichen oder oft genug kriegerischen Mitteln zu vergrößern. Nach innen heißt das Unterwerfung von Fürsten, Adel und Städten innerhalb des Territoriums durch Könige wie die von England oder Frankreich, während in deutschen Landen Fürsten wesentliche Inhaber von (Landes)Hoheit sind
Staatlichkeit ist dabei wesentlich die Konzentration von Zuständigkeiten über den wirtschaftlich bestimmten Alltag der Untertanen, die diese wiederum finanzieren müssen. Je mehr Zuständigkeiten, desto mehr Verwaltung, in der eine alternative Karriere zu Adel und Kapital in der Identifikation mit der Machtzentrale gesucht werden kann. Das machen im 13./14. Jahrhundert die Stadtstaaten vor und zum anderen der süditalienische Staat Kaiser Friedrichs II. als Erbe der Normannen.
Solche Staatlichkeit ist ein zweiseitiges Schwert: Einerseits bedarf sie der Verwaltung, um das Territorium zu kontrollieren, aus dem Einnahmen zu gewinnen sind, zum anderen kosten die Vollendung territorialer Kontrolle und die Verwaltung immer mehr Geld. Zentraler Teil der Staaten wird darum die Finanzverwaltung.
Könige haben reguläre Einnahmen, neben denen sie irregulärer bedürfen, die ihnen die Ständevertretungen bewilligen müssen. Starke Herrscher in Erbmonarchien tendieren dazu, deren Macht einzuschränken, was der französischen Krone schon 1614 ganz gelingt. Historiker haben für ein solches Königtum im 19. Jahrhundert den Begriff Absolutismus geprägt. England wiederum tendiert zu dem, was Historiker als Parlamentarismus bezeichnen, während Polen zu einem Ständestaat wird.
Mit der Konfessionalisierung infolge der Reformationen gewinnen vor allem über von Rom gelöste Konfessionen Könige als Kirchenherren ihrer Landeskirchen zusätzliche Macht, aber auch in den weiter katholischen Ländern nimmt der Zugriff der weltlichen Macht auf die Kirche erheblich zu.
Neben den Herrschaften von Königen und denen von Fürsten in den deutschen Landen und Teilen Italiens bilden sich im lateinischen Mittelalter auch als abendländische Besonderheit seit 1579 mit den Niederlanden eine ständische Republik aus und mit der Eidgenossenschaft ein föderales Gebilde.
Zudem bilden sich mancherorts städtische Oligarchien reicher und mächtiger Kapitaleigner heraus. Von ihnen überleben Venedig und einige Hansestädte am längsten.
Regiert wird mit Staatsräten, aus denen Behörden hervorgehen, die vor allem für An die Spitze treten im 17./18. Jahrhundert Staatssekretäre oder Minister.
Das Kapital lernt aber meist, grob gesagt, im 15./16. Jahrhundert, dass der Staat auf seine Bewegungen längst angewiesen ist, und verzichtet so nach und nach auf politische Macht, da es von ihr als Juniorpartner anerkannt wird. Staaten sind inzwischen die noch etwas unbeholfenen Vertreter verallgemeinerter Kapitalinteressen, aus denen Staatlichkeit erst so recht hervorgeht, was als erstes in den Städten deutlich wird.
Im 16. Jahrhundert wird der Weg von der Hoheit zur Souveränität formuliert: In seinen 'Sechs Büchern über den Staat' formuliert Jean Bodin 1576 im Zusammenhang mit den konfessionellen Bürgerkriegen in Frankreich das im König verkörperte Recht des Staates, Entscheidungen und Rechtsetzungen ungeachtet jeden Willens der Untertanen durchsetzen zu dürfen. In letzter Instanz formuliert Bodin damit das bis heute geltende staatliche Gewaltmonopol, anders gesagt, die legalisierte Wehrlosigkeit des Untertanen gegenüber dem Staat.
Zweiter Vertreter dieses idealiter allmächtigen Staates wird Thomas Hobbes (1588-1679), der den Menschen als friedlos-gewalttätiges Wesen unter die Knute eines allmächtigen Monarchen zwingen will, um so den inneren Frieden zu wahren.
Als Freiheit bleibt die von Unterdrückung durch andere Staaten/Herrschaften, während der Fürstendiener Giovanni Battista Guarini (1538-1612) in etwa derselben Zeit die Freiheit zu einer privaten Angelegenheit macht:
Die Frucht, die dem guten Bürger zusteht, und die aus der politischen Freiheit erwächst, ist, sich in der öffentlichen Ruhe (!) der privaten so zu erfreuen, dass sein Leben, die Ehre seiner Frauen, die Erziehung seines Nachwuchses, der Genuss seines Einkommens sowie die Freiheit seiner Handelsgeschäfte vor Nachstellungen, inneren und äußeren Kriegen sicher ist. (Trattato della politica libertà, in: Schreiner/Meier, S.42)
Wer die guten Bürger sind und was ihre Freiheit noch ausmacht, ist leicht zu erkennen.
Die königliche Macht reicht allerdings selbst im fortgeschrittenen England des 16. und 17. Jahrhundert überall gerade so weit wie die Männer des Königs. An der Peripherie der Königreiche ist sie minimal, und im ganzen ländlichen Raum beschränkt sich die Obrigkeit auf lokale Grundherren und die Geistlichkeit. Letztere unter staatliche Kontrolle zu bekommen, wird ein zentrales Herrschaftsthema dieser beiden Jahrhunderte, und die Reformationen sind die dienstbaren Geister auf diesem Weg, indem sie Kirche von Rom lösen und damit Fürsten anheim stellen. So wird der Protestantismus die Bewegung zur Verstaatlichung der kirchlich verwalteten Religion.
Diese in den Griff zu bekommen gibt es in deutschen Landen wie in England einen zweiten guten Grund: Bischöfe und Äbte sind oft sehr reich und inbesondere mit enormem Grundbesitz ausgestattet. Zudem reicht die Macht der Geistlichkeit eben bis in den hintersten Winkel: Moderne Staatlichkeit verlangt damals geradezu nach Verstaatlichung von Religion und Kirche.
***Nation***
In Nationen teilen sich die Studenten von Universitäten, also in Herkunftsregionen. In Pisa 1409 und in Konstanz 1414-18 teilt sich das Konzil ebenfalls in nationes auf, in Konstanz sind das Italica, Galicana, Germanica, Anglica und am Ende auch Hispanica. Die Germanica umfasst unter anderem auch Böhmen, Polen und Ungarn.
In die deutsche Sprache kommt das Wort Nation erst spät, im 16. Jahrhundert, und zwar wie so vieles aus Frankreich importiert. Inzwischen gibt es mit England, Frankreich und Spanien drei Nationen neuen Typs, alle drei verschieden erfunden, aber das ihnen gemeinsame Wort Nation bedeutet ohnehin etwas völlig anderes als früher einmal.
Was in England und Frankreich geschieht, lässt sich als Zerstörung der Regionen und ihrer - insbesondere sprachlichen - Eigenheiten zugunsten eines einheitlichen Herrschaftsraumes beschreiben. Nur so schafft sich das Machtzentrum sein Volk neuen Typs, einen zunehmend zu vereinheitlichenden Untertanenverband. So ist es denn auch die Herausbildung von zwei Nationen bildenden Machtzentren, die auf der iberischen Halbinsel Portugal aus einem spanischen Staatsverband ausgliedert und dabei im Nordwesten die Galizier in zwei Herrschaftsräume aufteilt. Die Dominanz der kastilischen über die übrigen romanischen Sprachen und eines kastilisch-aragonesischen Herrscherhauses schafft dann jenes Spanien, welchem es aber bis heute nicht gelingt, alle Basken und Katalanen ganz zu integrieren.
Seit dem 11./12. Jahrhundert ist der Weg des römischen Königreiches in eine Föderation von immer mehr erstarkenden Fürstentümern unter einem schwachen Königtum vorgezeichnet, für das allerdings der Name Königreich fehlt. Stattdessen ist das Reich seit etwa 1500 (Maximilian I.) das Heilige Römische Reich Deutscher Nation.
Für das Deutschtum heißt das, dass es bereits im Verlauf des sogenannten Mittelalters im Westen und Süden zurückgedrängt wird, was man am Rückzug der (hoch)deutschen Sprache dort am besten erkennen kann, während es sich nach Osten ganz erheblich ausdehnt, bis es nach den beiden Weltkriegen des zwanzigsten Jahrhunderts zum größten Teil auf das brutalste vernichtet wird und nur ein kleines Restdeutschland übrig bliebt.
Zwischen dem sich im 15. Jahrhundert etwas stärker vereinheitlichenden schriftlichen Niederdeutschen und dem Ober (Hoch)deutschen sind zunächst noch Übersetzungen nötig. Über die kaiserliche und fürstliche Kanzleisprache und zudem in einem langsamen Prozess wird sich das Neuhochdeutsche im 16. Jahrhundert als etwas gemeinsamere (Schrift)Sprache entwickeln. Erst damit wird aus den deutschen Landen Deutschland, immer noch eher sprachlich als territorial definiert. (SchubertEinführung, S.28) Damit trennen sich langsam in diesem Jahrhundert die niederlant von den sich stärker als oberlant verstehenden Regionen, während erst Maximilian Ende des Jahrhunderts mit seinem verlorenen Schweizerkrieg die bis dato tütschen Schweizer aus dem Reich treibt. Andererseits versuchen die Könige/Kaiser, im 15. Jahrhundert langsam Ostfriesland unter ihre Krone zu bekommen und die bürgerliche Oberschicht der (deutschen) Städte des preußischen Ritterordens definiert sich bei allen rechtlichen Problemen über die Sprache als gemeinsam mit dem übrigen entstehenden Deutschland
Zwar gibt es einzelne Bildungsbürger in einigen deutschen Städten, die ein vages Bewusstsein von einer gemeinsamen deutschen Geschichte entwickeln, aber die Masse der Untertanen wird auf die jeweils herrschende Familie und ihr Territorium orientiert, ein Zustand, den Reformationen und Augsburger Religionsfriede noch vertiefen. Die komplette Entsolidarisierung der Deutschen findet dann in Kriegen gegeneinander statt, deren Krönung die der preußischen Hohenzollern im 19. Jahrhundert sein werden, die am Ende 1871 ein preußisches Großreich als Deutsches Reich definieren und damit alle auch ausschließen, die sie sich nicht unterwerfen können. Es ist dann nur noch konsequent, wenn Adolf Hitler 1933 de facto das Ende der deutschen Geschichte einläutet und eine Art Großreich weithin nach dem Muster des "Sowjet"Bolschewismus und zusätzlichen Rassephantasien etablieren möchte.
Staaten sind von oben nach unten strukturiert und Erfindungen von Machthabern. Mit ihnen entsteht einer der neueren Volksbegriffe, der vom Untertanen-Verband. Dieser wird flankiert durch pseudo-ethnische Arroganz, auch als Patriotismus oder Nationalismus fungierend. Was im späten Mittelalter englische Ausländerfeindlichkeit ist oder entstehender französischer Nationalismus, entwickelt an abgespalteten oder sich abspaltenden Rändern der deutschen Lande besonders kuriose Phänomene, die sich aber nicht als Nationalismus erweisen, aber aus derselben psychosozialen Wurzel auftauchen:
"Erst in den 1480er und 1490er Jahren entsteht plötzlich und mit überraschender Vehemenz eine tiefgreifende Feindseligkeit zwischen denen, die als Kuhschweizer und denen, die als Sauschwaben beschimpft werden. Leute aus Appenzell werden in Konstanz als >Kuokiger< beschimpft, als >Kuhficker<. Und umgekehrt wird in der Eidgenossenschaft >Schwab< zum Schimpfwort. Raubzüge stellungsloser Söldner und rauflustiger Bauernsöhne aus der Innerschweiz hatten zu den Spannungen zwischen Schweizern und Schwaben im jetzt erst entstehenden Grenzraum ebenso beigetragen wie die unverhohlen auch gegen die Eidgenossen gerichtete Gründung des Schwäbischen Bundes 1488. Aber die Schimpfworte begleiten nicht etwa die Politik, sie gestalten sie mit." (SchubertAlltag, S.319)
Der Versuch eines Nationalismus geriert sich in deutschen Landen später als in Frankreich und England, aber ebenso unerfreulich. 1492 hält Konrad Celtis an der Universität von Ingolstadt eine Rede an die deutschen Männer (viri Germani) und das freie und starke Volk (liberus et robustus populus): Nehmt die alte Gesinnung wieder an, deutsche Männer, mit der ihr so oft Schrecken und Furcht über die Römer gebracht habt. (in: Kintzinger/Schneidmüller, S.428)
***Staatsfinanzen***
Könige und Fürsten leben in der Regel über ihren Verhältnissen und machen Schulden. Die nicht seltenen Kriege müssen mit besonderen Steuern und Abgaben von den Untertanen finanziert werden, was in England wie 1523 erhebliche Proteste des Parlaments hervorruft, welches wenig kriegsbegeistert ist. In diesem Fall geht bereits Münzverschlechterung voraus, welche die Inflation treibt. "Von 1509 bis 1521/22 waren die Preise um gut 70% angestiegen, die Löhne aber um 30-40% zurückgegangen. Danach schwächte sich der Preisanstieg kurzfristig ab, um nach 1526 erneut stark zu werden. Die Löhne stagnierten bzw. gingen weiter zurück." (Gruner in: Postel/Koptzsch, S.281)
Der spanische Staatshaushalt wird unter Carlos I. massiv durch seine Kriege unter Druck gesetzt, was nach seinem Ende in einen Staatsbankrott mündet. Daneben finanziert der Kaiser seine Krieg aus den Niederlanden und den deutschen Reichsstädten.
Darüber hinaus nimmt er beim Finanzkapital "Anleihen in bisher ungekannter Größe" auf. "Zwischen 1520 und 1532 nahm er 5,4 Millionen Dukaten auf, durchschnittlich 414 000 pro Jahr; zwischen 1552 und 1556 sogar 9,6 Millionen, durchschnottlich fast 2 Millionen pro Jahr." (Schilling, S.157)
Kapital und Macht
Das Verhältnis zwischen Kapital und politischer Macht verändert sich im 16. Jahrhundert, als Staaten ihre Finanzen etwas solider ordnen und zugleich die Banken geschickter im Umgang mit Staatsschulden werden.
Die Grenzen zwischen beiden verschwimmen aber überall dort, wo vor allem in Frankreich Unternehmer über den Zugang zum Hof auch Zugang zum Adel suchen. Ein bekanntes Beispiel ist der Florentiner Antonio Gondi, der über den Aufkauf von Landgütern in den Adel aufsteigt und zugleich dem König als Steuereintreiber dient. Von seinem ersten Tätigkeitsbereich in Lyon wechselt er 1550 an den Hof von Paris. Einer seiner Söhne wird dann Bischof von Paris, ein anderer Marschall von Frankreich, während eine Linie als Bankiers in Lyon bleibt. Nachfahren werden dann zu Herzögen und Kardinälen von Retz.
Die Könige und Fürsten, die sich selbst und ihren Staat nunmehr auf Kredit finanzieren, besitzen die herrschaftliche und damit militärische Macht und können es sich gegenüber auch großen Kapitalien leisten, säumige Schuldner zu sein. Als Beispiel mag die Lübecker Handels-Firma Loitz/Krockow dienen: ""Gegen 1570 war Karl IX. von Frankreich Krockow 500 000 Gulden schuldig, der Markgraf von Brandenburg 200 000 Taler, die pommerschen Fürsten 100 000, der König von Polen fast 300 000." (Dollinger, S.465) Beim Tod des letzteren 1572 ist die Firma dann zahlungsunfähig-
****Habsburger und Spanien****
Im europäischen Bankwesen in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts verlieren florentinische Banken an Bedeutung gegenüber denen aus Süddeutschland und Genua. Letztere haben beide Zugang zu enormen Mengen an Edelmetallen. Die Fugger verleihen erhebliche Summen an Maximilian und erhalten dafür den Zugang zu den Bergwerken in seinem Reich. Sie und die Welser gewinnen großen Einfluss auf den Gewürzhandel in Antwerpen und Lyon. Insbesondere die Fugger besitzen 1527 bereits über 2 Millionen Gulden (dreiviertel des Florin) und 1546 über 5 Millionen, weit mehr als jede Bank in Florenz.
1519 benötigt Karl V. 851 000 rheinische Gulden an Bestechungsgeldern, um seine Wahl als römischer König/Kaiser durchzusetzen. Davon können die Fugger 543 000 leisten, die Welser, 143 000 und ein Genuese und ein Florentiner zusammen 165 000. Der Versuch den Mächtigen durch die Geschichte nahestehender, insbesondere deutscher Historiker, die Tatsachen herunterzuspielen, ist blanker Unfug: Ohne solche Bestechungsgelder wäre der Habsburger nicht gewählt worden - nur deshalb werden sie gezahlt und angenommen.
Deutsche Firmen bieten unter Karl V. Geldleihen an die kastilische Krone, die in etwa denen der Genuesen entsprechen. Der erste Krieg des jungen Kaisers bedarf der Subsidien des Papstes, die auch Dank für Karls deutliche Haltung gegen Luther seit dem Wormser Reichstag sind. Zwischen 1520 und 1532 finanziert Finanzkapital in seinem Herrschaftsraum ihn mit Krediten von insgesamt etwa 5,4 Millionen Dukaten, von da an bis 1556 mit 9,6 Millionen. Die Vorteile sind beiderseitig: Der König/Kaiser kann damit seine Kriege und ihre Propagierung finanzieren, das große Kapital erzielt nicht nur geldliche Gewinne, sondern auch geldwerte Vorteile. Propagierung: "Kunst" kommt zwar damals auch immer noch von Können, aber dieses bedeutet auch weiterhin wesentlich die Verherrlichung von weltlicher wie kirchlicher Macht.
In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts setzen sich dann genuesische Banken in Spanien durch, von denen im Mittelfeld des Kapitals viel mehr in zahlreichen spanischen Städten vertreten sind. Zu diesem Netzwerk gehören genuesische Schiffe, die das Edelmetall nach Italien bringen und die Messe von Besancon und später Piacenza, die sie dominieren. Damit kontrollieren sie auch den Edelmetalltransfer von Amerika nach Spanien und den Transfer von Geldern, mit denen Karl V. seine Feldzüge im Norden finanziert.
In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts finanzieren sie fast alleine die Staatsschuld Philipps II., organisiert in den asientos. Zwischen 1567 und 74 leihen alleine die Brüder Cattaneo 1 125 000 Dukaten an die spanische Krone. Genuesen leihen Philipp III. zwischen 1598 und 1607 fast 23 Millionen Dukaten, 88% allen Geldes, dass er sich leiht. (Goldthwaite, S.257)
****Frankreich****
Die kriegerische Rivalität zwischen der französischen Krone und Habsburg führt dazu, dass der Kreditmarkt von Lyon immer mehr Geld hergeben muss. Unter 127 bekannten Geldverleihern in der Regierungszeit von Franz I. dort sind 87 Italiener und darunter noch 45 Florentiner. Für eine Geldleihe von 400 000 livres 1542 liefern Florentiner die Hälfte, Lucchesen 100 000 und die Welser und französische Banken jeweils 50 000. Die Schulden laufen immer weiter auf und betragen alleine bei drei Florentiner Banken 1555 rund 1 073 000 livres. (Goldthwaite, S.259)
Mit dem schwerreichen Del Bene, schon mehr Franzose als Italiener, beginnen Versuche, Banken zu Konsortien für Anleihen zu organisieren. 1550 wird er Aufseher über die königlichen Finanzen für die italienischen Kriege von Henri II. In fünf Jahren, von 1551 bis 56 bringt er so mehr als 8 Millionen Livres für diesen Zweck zusammen.
Als die Staatsschulden immer mehr außer Kontrolle geraten, entwickelt Del Bene das Konzept der sogenannten Grand Parti de Lyon. Jetzt soll ein großes Syndikat von Banken die Staatsschuld gemeinsam bewältigen, wo hinein der König vor allem florentinische und deutsche Banken zwingt. Die Millionenschulden sollen so auf möglichst viele Schultern verteilt werden, die andererseits daraus ein regelmäßiges Einkommen garantiert erhalten. (Goldthwaite, S.260)
1559 im Vertrag von Cateau-Cambrésis verzichtet der König auf seine italienischen Ansprüche, aber seine Schulden steigen weiter, so dass es kaum gelingt, Zinsen auf die Schulden aufzubringen. Nur der Grund, den wichtigen Finanzplatz Lyon nicht aufzugeben, veranlasst die ausländischen Banken zum Bleiben. Aber mit dem Niedergang von Lyon Ende des Jahrhunderts ist die französische Krone bereits dabei, mit eigenen Mitteln den Staatshaushalt zu konsolidieren, während sie nun auf ausländische Banken immer mehr verzichtet.
****Kirchenstaat****
Ein Sonderfall in der mittelalterlichen Geschichte ist die religiös begründete Entstehung eines mittelitalienischen Staates mit einem Papst als Fürst an der Spitze. Bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts gelingt es den Päpsten, dieses Staatswesen nach Norden bis nach Umbrien, den Marken, der Romagna und nach Bologna auszudehnen.
Zu den kirchlichen Einnahmen kommen so immer mehr weltliche, allerdings ist der Haushalt in Rom immer mehr im Defizit und schon im frühen 16. Jahrhundert dienen die Einnahmen hauptsächlich der Bedienung der Schulden. Finanziert wird das Staatswesen einmal über das Leihen von Geld, üblicherweise zu 12%, wobei zukünftige Einnahmen als Pfand gelten, zum anderen über das Vergeben von Zöllen, dem Hafen von Ripa, der Münze, des Salzmonopols und der Alaunminen von Tolfa. Ämter werden direkt oder indirekt verkauft, sowohl mit einem Ansehen mehrenden Titel wie mit einem verbundenen Einkommen.
1486 beginnt die Konsolidierung der Staatsschuld durch die Etablierung eines Konsortiums von Bankiers, die für einen bestimmten Zeitraum Geld leihen sollen gegen ihre Kontrolle über die Einkünfte. Gegen Ende des Jahrhunderts ist dieser Kreis auf knapp 50 angewachsen, im wesentlichen Genueser und Florentiner. Später wird das in monti umgewandelt, für die Anteile verkauft werden, deren Zinsen durch die Zuweisung bestimmter Einkünfte garantiert werden. Die Mehrzahl dieser Anteile sind praktisch lebenslange Renten (Goldthwaite, S.251). Mit den Monti wird die Staatsschuld übersichtlich geregelt, und sie zieht neben Banken auch private Anleger an.
Unter den della-Rovere-Päpsten aus ihrer Heimat beherrschen zwischen 1471 und 1513 Firmen aus Genua das Geschäft. Vorübergehend dominieren deutsche Firmen neben den Genuesen, gefördert von den Habsburgern. Sie transferieren auch die deutschen Kircheneinkünfte nach Rom. Nach dem Sacco di Roma 1526 übernehmen wieder Genuesen und Florentiner.
Beispielhaft für das verwickelte Netz römischer Geschäfte fasst Goldthwaite die Karriere von Benvenuto Olivieri (1496-1549) aus Florenz zusammen. Er ist Enkel eines Goldschmieds und Sohn eines Kaufmanns, dessen Firma schon über Europa Geschäfte macht. Mit zwanzig Jahren geht er nach Rom und wird nach einer Weile Partner von Bindo Altoviti und Filippo Strozzi, als Gegner von Cosimo I. im Exil. 1539 ist er so weit, dass er die Salzzölle in Rom kaufen kann, 1540 bis 43 ist er depositario der Apostolischen Kammer, 1540 kauft er mit fünf anderen 25% der Salzzölle in der Romagna, mit drei anderen 25% der Verwaltung der römischen Münze, und alleine 25% der Weinsteuer von Rom. 1541 kauft er sich mit vier anderen mit 20% in den Staatsschatz von Peruigia ein, 1542 mit 30% in den von Parma und Piacenza. Im selbst Jahr kauft er sich mit einer Anleihe den Titel eines apostolischen Sekretärs. 1543 in weitere Zölle von Rom. Von 1545 bis 46 ist er wieder depositario und 1546 erhält er mit fünf anderen 25% des Schatzes der Romagna.
Alle diese Anteile laufen jeweils über mehrere Jahre. Dazu kauft und verkauft er Kreditpapiere der Monti, lässt Getreide nach Rom importieren und gewinnt vom Genueser Großunternehmen einen Untervertrag für die Lieferung von Alaun an bestimmte französische Häfen. Bereits 1543 hat seine Hauptfirma ein Haben von 302 000 Dukaten, dreimal so viel wie die Medicibank in Rom. (Goldthwaite, S.252ff)
Fürstliche Prachtentfaltung
Das Mittelalter ist eine Erfindung des 15./16. Jahrhunderts, die Renaissance eine des 19. Sehr derb ausgedrückt handelt es sich um Vermarktungsstrategien von Intellektuellen, Literaten und Künstlern. Eine auch nur ansatzweise Wiedergeburt der Antike hat es nach ihr nie mehr gegeben, vielmehr in jeder Beziehung eine kontinuierlich zunehmende Entfernung von ihr.
Die bei Einzelnen feststellbare Emanzipation des später so genannten Kunsthandwerks in das hinein, was dann später in den extrem verengten neuen Kunstbegriff mündet und ihre zunehmende Verweltlichung, ist wesentlich eine Folge des sich immer weiter entfaltenden Kapitalismus. Die neue Kunst ist Prachtentfaltung immer reicher werdender Reicher.
Die Paläste hoher Adeliger und Fürsten wie die reicher Kapitalisten werden immer größer und immer kostspieliger ausgestattet. ob in Florenz, an der Loire oder in England. In sie fließt viel produktive Arbeit und distributive Macht: Macht muss als Reichtum dargestellt und offensichtlich werden.
1529 lässt Henry VIII die Küchen von Hampton Court erweitern. Es handelt sich nun um 55 Räume mit einer Fläche von rund 300 m², in der 200 Leute für 600 Menschen bei Hofe arbeiten. Es gibt 3 große Keller für Wein und Bier. 27 000 Hektoliter Bier sollen pro Jahr konsumiert worden sein. In 300 Eichenfässern lagert Wein vorwiegend aus der Gascogne, aus denen 680 Hektoliter jährlich entnommen werden. Es wird vorwiegend Fleisch gegessen, und alleine zum Grillen desselben an Spießen wird täglich eine Tonne abgelagertes Eichenholzes verbraucht. Der Tudormonarch ist allerdings selbst ein besonderer Fall von Verfressenheit und verfettet im Laufe seines Lebens so stark, dass er sich irgendwann kaum noch bewegen kann.
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Anfänge des totalitäreren Staates: Sittlichkeit statt Sitte
Die Sitte, bis ins 13./14. Jahrhundert männlich, dann über den Plural weiblich werdend, waren in Kulturen jene Gebräuche, aus denen gemeinschaftliche Lebensformen bestehen und die durch Tradierung fortgesetzt und verändert werden. Es ist die gebräuchliche und auf Konsens beruhende Lebensform. In den mittelalterlichen Zivilisationen sind Sitten durch christliche Doktrin und weltliche Macht bereits gebrochen, behalten aber im Plural unter solchen Bedingungen immer noch Einfluss. Mit der Annektierung der Rechtssetzung durch die Fürstenmacht wird ihre Bedeutung immer weiter eingeschränkt. Das Resultat ist die Begriffsverengung des Sittlichen hin zum Moralischen, welche Kirche wie weltliche Macht vorantreiben und welche durch den Kapitalismus parallel gefördert wird. Das Wort Moral erscheint dann auch im 16. Jahrhundert in der deutschen Sprache.
Genau parallel dazu verengt sich auch der Tugendbegriff. der ursprünglich Tauglichkeit meint und dann besonders auf die kriegerischen freien Männer zugeschnitten wird, ähnlich wie areté und insbesondere virtus. Unter christlichem Einfluss wird dieser, dem evangelischen Jesus so fremde Begriff zunehmend bei Frauen auf ihre Keuschheit, also voreheliche Enthaltsamkeit und eheliche Treue eingeengt. Mit den Tugenden und Lastern wird er parallel dazu moralisiert.
Was da sprachlich geschieht, reagiert auf einen Verfall tradierter Vorstellungen im Zuge des alles durchdringenden Kapitalismus. Es verbindet sich aber einerseits mit den Reglementierungsbestrebungen der Reformationen und andererseits mit den totalitären Bestrebungen der Fürsten in der Durchsetzung von Staatlichkeit.
Das mag auf den ersten Blick kurios wirken, findet doch im 20. Jahrhundert in den klassischen Metropolstaaten des Kapitals unter den Bedingungen des Konsumismus der Massen eine genau gegenteilige Bewegung statt, die seit dem Ende des zweiten Weltkrieges insbesondere ein völlig bindungsloses Ausleben des Geschlechtstriebes und damit verbunden einen auf rauschhaften Konsum orientierten Amüsierbetrieb propagiert. Verständlich wird das nur, wenn man die Operationen global operierender Kapitalgesellschaften als ein Verfallsstadium von Kapitalismus versteht, in dem Sittlichkeit zum Hemmschuh für Konsumismus wurde. Sie wird darum ersetzt durch parareligiöse Politideologie, ein Vorgang, der schon 1776 und 1789 durchbricht - und wird im 20. Jahrhundert beantwortet durch einen zunehmend die Erde umspannenden archaischen, also re"politisierten" Islam.
Frömmigkeit (frumkeit) ist besonders im nunmehr protestantischen Raum immer noch nicht religiös, sondern als Sittsamkeit definiert. Und so kann Hans Sachs dann definieren:
Frümkeit ist ghorsam und demütig, / Diensthaft, holdselig, trew und gütig. / Friedtlich, freundlich , milt und mitsam. / Redtlich, auffrichtig und sitsam. / Stil, warhafft, verschwiegen, genügsam, / Bescheiden, senfftmütig, genügsam, Messig und züchtig alle zeyt. (in: Meckseper/Schraut, S.49f)
Schon die Kirche hatte den Sündenbegriff massiv um die menschliche Geschlechtlichkeit kreisen lassen, aber da sie ihre Rechtfertigung aus der allgemeinen Sündigkeit der Menschen herleitete, griff sie bis in die Frühzeit des 15. Jahrhunderts nur in bescheidenem Umfang ein. Das beruhte einmal auf der Tatsache, dass sie des weltlichen Armes dafür bedürfte, aber auch darauf, dass die menschliche Sündhaftigkeit bei den meisten Menschen gar nicht zu beseitigen war.
Es ist der immer weltlichere Staat, der nun aus der Sünde auch im geschlechtlichen Raum das Verbrechen macht, ein Wort, was sich überhaupt erst jetzt in der deutschen Sprache verbreitet. Dabei wird nicht nur die Liste der Delikte größer, sondern sie werden zunehmend auch als "Unzucht" strafverfolgt. Dazu gehören die beiden Formen der "Sodomie", des Geschlechtsverkehrs mit Tieren und die gleichgeschlechtliche zwischen Menschen, der voreheliche Koitus und der Ehebruch und vieles mehr. Gelegentlich wird sogar eine andere als die übliche Stellung beim Koitus strafbewehrt.
War all das vor allem auf dem Lande oft mit einem Mantel des Schweigens bedeckt, wurde es nun von der weltlichen Strafverfolgung in die Mitte ihres Interesses gerückt. Damit werden "Sittlichkeitsverbrechen" nun häufiger verfolgt als selbst der so häufige Diebstahl. In manchen Gegenden wird alleine schon die Homosexualität nach Diebstahl und Mord zum dritten am häufigsten verfolgten todeswürdigen Delikt. Todeswürdig wird nun auch der Inzest.
Viele Dinge kommen da zusammen: Die bürgerlichen Ehrbarkeitsvorstellungen im Handwerk, die Gnadenlosigkeit reformatorischer Bewegungen, aber am wichtigsten ist wohl die Vorstellung der Vertreter der Staatlichkeit, dass die Untertanen Eigentum der Machthaber seien: Die Triebhaftigkeit dieser Untertanen ist ganz auf Fortpflanzung zu konzentrieren, denn mit der Vermehrung der Untertanen steigt das Maß an Einnahmen der Obrigkeit, die ihnen abgepresst werden können. Später wird dazu kommen, dass männliche Bevölkerungsüberschüsse für Heere genutzt werden können, die der fürstlichen Machterhaltung und - Erweiterung dienen sollen.
In diesen Zusammenhang gehört die immer rabiatere Verfolgung von Abtreibung und Kindstötung, im wesentlichen Armutsphänomene einer weiblichen Unterschicht, der immer weiter von ihren Dienstherren sexuell nachgestellt wird und die mangels brauchbarer Empfängnisverhütung keine andere Möglichkeit sieht, Lebensunterhalt und minimale Ehrbarkeit aufrecht zu erhalten. Wenn die Reichen und Mächtigen im Sinne neuer Sittlichkeit sich selbst den Normen entziehen, regeln sie solches, sofern überhaupt Reglungsbedarf besteht, im wesentlichen untereinander.
Nicht so leicht zu fassen ist das in der (Unterhaltungs- und Belehrungs)Literatur eher greifbare Phänomen der Verunsicherung der Menschen angesichts der Umwertung aller Werte, die sich in der immer deutlicheren Käuflichkeit der Menschen insbesondere in den Städten niederschlägt, also der Erfahrung, dass vor allen Sitten und Gebräuchen, allen kirchlichen Predigten Geld oberster Wert geworden ist. Eine solche Verunsicherung durch Haltlosigkeit neigt dazu, dem Staat immer weitergehende Eingriffe in das zu erlauben, was bislang de facto noch privat war.
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In diese Entwicklung ist auch der Zug zur Illegalisierung der Prostitution einzuordnen. Zwar wird das Schließen von Badehäusern und oft auch bislang legalen Bordellen gerne mit der Ausbreitung von Geschlechtskrankheiten begründet, aber es entspricht auch den neuen Moralvorstellungen. Die Syphilis als allgemeine Seuche wird seit der Rückkehr von Kolumbus aus Amerika als sich rasch ausbreitende Seuche wahrgenommen und es sagt viel über das Sexualverhalten der Menschen in den Städten, wenn sie gelegentlich die anderen Seuchen in den Städten übertrifft.
Mit der Illegalisierung wird die Prostitution aus dem städtischen Regelwerk genommen und einer weitergehenden Kommerzialisierung unterworfen. Zugleich verteilt sie sich stärker über die Straßen und Plätze und die Landschaft. In der Illegalisierung verbindet sie sich mit der sonstigen Kriminalität zu einer gemeinsamen Unterwelt.
Sind es zwar vor allem Sexualdelikte, die nun verfolgt werden, so hängt sich daran ein ganzer Rattenschwanz an Geboten und Verboten, die zum guten Teil damit zusammenhängen: Züchtigkeit der Kleidung, der Tänze, Diskriminieren des übermäßigen Alkoholkonsums mit seiner enthemmenden Wirkung und vieles mehr. Obrigkeit und Kirche vereinen sich in einer zunehmenden Erziehungsdiktatur, die ihren ersten Höhepunkt viel später in der Pflicht zum Besuch staatlich lizensierter Schulen als Propagandainstrument, der Wehrpflicht zur weiteren Normierung und der Arbeitspflicht (im Fabriksystem) haben wird.
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Was Verbrechen ist, bestimmen in Zivilisationen die Machthaber, wobei sie allerdings das Einverständnis der Untertanen suchen müssen. Deshalb gelten Mord und Totschlag von Militärs im Krieg und durch Büttel der Macht wie die Polizei so wenig als Verbrechen wie das Berauben der Bevölkerung durch Abgaben und Steuern.
Wenn man die Selbst-Legalisierung von Verbrechen durch den Staat abzieht, betreibt er in großem Maßstab organisierte Kriminalität. - und das heute mehr denn je. Deshalb duldet er illegales organisiertes Verbrechertum als Schattenwirtschaft auch heute, soweit es zum Steueraufkommen beiträgt und soweit es, wie in der BRD, nicht mit dem Staat konkurriert, sondern sich in ihn einordnet. Überhaupt macht gerade Professionalisierung organisierte Kriminalität zum wohlgeordneten Partner der Staaten.
Die Bandenbildung im späten Mittelalter ist ihrem Wesen nach verschieden von moderner organisierter Kriminalität. Vielmehr ist es damals so, dass das Raubtier-Verhalten von Fürsten und bewaffnetem Adel von "kleinen Leuten" kopiert wird, um selbst auf Raub in größerem Maßstab auszugehen. Zwischen der Piraterie als Kaperschiff im Auftrag der Hanse oder von Fürsten des 16.-18. Jahrhunderts und der selbst initiierten Seeräuberei bestehen bis ins Personelle hinein fließende Übergänge. Dasselbe betrifft das Söldnerwesen, legalisiert als Auftrag von Fürst oder Stadtrepublik, illegalisiert, sobald der Auftrag vorbei ist. Alleine insofern lässt sich Obrigkeit ganz allgemein auch als Förderbetrieb von Verbrechertum beschreiben.
Die Idealisierung der Räuberbanden zur See und an Land geschieht bei Robin Hood wie bei den Vitalienbrüdern erst, nachdem deren Grausamkeiten verblasst sind. Sie kommt den werdenden Staaten gelegen, soweit sie Opposition in Konkurrenzverhalten zum Staat ableitet, und beschäftigt die Gemüter der Untertanen dann als Tröstung gegenüber staatlicher Übermacht. Die wenigstens haben es ihnen gezeigt...
In der Moderne seit 1776/1789 hingegen geschieht etwas neues: Unter dem Revolutionsbegriff, unter dem nunmehr politisierte Verbrecherbanden sich der Staatsmacht mit Mord und Raub und allem, was sonst noch dazu gehört, bemächtigen, wird das Verbrechen schon dadurch im Nachhinein legalisiert, dass im Namen irgendeinen "Fortschritts" sich des Staates bemächtigt. Ob Jakobiner, Bolschewiken, Nationalsozialisten oder Islamisten, keine Zeit ist von soviel nun politisch deklariertem Verbrechen heimgesucht wie die Moderne, die sich dabei weiterhin aber die beste aller bisherigen Epochen feiert.
Die Idee vom dem Gemeinwohl nutzenden Eigennutz
Die uns derart bekannte Natur wird getrieben von Gesetzmäßigkeiten. Zu ihnen gehört, dass Leben durch Leben ermöglicht wird. Es wäre nicht möglich, wenn es nicht bis einige Zeit nach der Geschlechtsreife anhielte, um dann fruchtbar zu werden. Dabei wird es von Eigennutz getrieben, der manchmal wie bei der Löwin ihre Jungen umfasst und wie bei Ameisen oder Bienen ein ganzes Volk. Ohne Eigennutz keine lebendige Natur. Menschen schlossen sich zu diesem Zweck zu kleinen Verbänden aus wirklichen oder ideellen Verwandten zusammen. In Zivilisationen werden sie den Interessen von Machthabern unterworfen, deren Eigennutz über dem der Untertanen steht und ansatzweise bereits als Gemeinwohl propagiert wird.
Mit dem beginnenden Kapitalismus treffen der politisch-rechtlich übergeordnete Eigennutz der Machthaber auf den von ihnen geförderten der Agenten des Kapitals. Dieser, von der Gier getrieben, lässt sich nicht mehr "christlich" begründen, sondern nur aus höchst irdischen Interessen heraus. Damit befasst sich schon das hohe und späte Mittelalter in vornehmlich moralisierenden Texten, die immer mehr auf antike Vorbilder zurückgreifen: Der gemeine Nutzen entsteht dabei aus dem höchst eigenen, der auf sehr verschiedene Weise zustandekommt. Die Summe des Eigennutzes aller ergibt den gemeinen Nutzen, wobei die Reichen und Mächtigen eben viel mehr beitragen als die ärmeren und machtloseren Massen.
Wo Kapital und Staat so zusammenfallen wie in der Republik Venedig, wird der Erfolg der großen Handelshäuser mit dem Wohlstand der Stadt gleichgesetzt. Tatsächlich fällt von dem Gold und Silber, welche in die Stadt fließen, immer auch etwas für die Handwerker, kleinen Ladeninhaber und für die Lohnarbeiter ab. Um 1500 schreibt der reiche Kaufmann Girolamo Priuli in eines seiner Tagebücher (diari): Mein Vater, der stolz auf sein Heimatland und seine Freiheit war, suchte Tag und Nacht nach Wegen, um Geld zu machen (...) Geschäfte sind etwas Gutes für die öffentliche Wirtschaft. (so in: Rösch, S.154)
Der Lokalpatriotismus, seit der Nachantike in norditalienischen Städten von den Mächtigeren propagiert, wird im Maße der Kapitalisierung der jeweiligen Stadt nach und nach durch den Reichtum samt resultierender Macht und seine Symbole ersetzt. Dabei wird der honor, der den Fürsten zusteht, hier auf die Stadt übertragen. Honor, also Ehre, und Stolz gehören dabei zusammen. Die Freiheit, die Venedig seit dem Zugriff auf die Terra Ferma und dem Überfall auf ihre Despoten für sich in Anspruch nimmt, besteht in der Einschränkung der Macht des Dogen, was für die Masse der Menschen dort keinen wesentlichen Unterschied macht, bleibt sie doch politisch entrechtet.
Vom Humanisten Konrad Peutinger ausdrücklich vertreten, ersetzt diese Gemeinwohl-Idee schließlich zunehmend die bislang gängigen Abwehrhaltungen gegenüber den Vorwürfen von Wucher, Geiz und Gier. An die Stelle der gottgewollten Ordnung alten Stils tritt ein säkularer Rationalismus, der dem von der Natur getriebenen Eigennutz eine wirtschaftstheoretische Überhöhung gibt, die bis tief ins 18. Jahrhundert dominieren wird. Lange vor einem Begriff von Kapitalismus wird dieser so zur natürlichen Grundlage von Wohlstand hochstilisiert und geradezu zu einer moralischen Anstalt.
Noch später wird die Verbindung sozialistischer Elemente mit dem ansonsten eher geförderten Kapitalismus in der Sozialdemokratie zur Variante der alten Theorie. Der Staat sorgt dafür, dass der Eigennutz in gemeinsinnige Bahnen gelenkt existieren soll.
Deutsche Fürstentümer
Die Tendenz zu dem, was Historiker dann Territorialisierung nennen werden oder Landesherrschaft, schreitet weiter voran. Dazu wird, wo noch nicht vorhanden, die Primogenitur durchgesetzt wie 1535 für Braunschweig-Wolfenbüttel, wodurch Fürstentümer unteilbar werden. Wo möglich wird das Territorium durch Krieg und Überfall erweitert, was neue Einkünfte für das Fürstenhaus bedeutet. Im Inneren schreitet die Unterordnung von Adel und Städten voran, wobei den letzteren oft zunehmend die eigenen Rechte genommen werden. Dazu dient in protestantischen Landen das landesherrliche Kirchenregiment, der Ausbau einer zentralen Verwaltung und Besteuerung, mit der Untertänigkeit ihre Vollendung erreicht.
Die von den Fürsten kontrollierten Universitäten werden als Ausbildungsstätten für fürstliche Dienstbarkeit benutzt. So gründet Friedrich der Weise 1502 die Universität Wittenberg als Konkurrenz zum herzoglichen Leipzig.
Langsam werden in den Fürstentümern einheitliche Maße eingeführt. Ab 1502 gelten im albertinischen Sachsen die Leipziger Elle, Erfurter Gewicht und Jenaer Eimer. Zum ersten Mal gibt es seit 1506 ein einheitliches Strafgesetz für ein Territorium (Bamberg). Fürsten werden zu Gesetzgebern, und auf Papier gedruckt können Gesetze nun auch verbreitet werden. Sie gelten aber vor allem als Zusammenfassungen alten Rechtes.
1526 erhält die Oberpfalz auf Drängen der Stände eine Landesordnung.
Wesentliche Opposition gegen die deutschen Fürstenstaaten leisten vor allem größere, sich selbstverwaltende Städte. Darum ziehen die Fürsten aus ihren angestammten Burgresidenzen in solche willfähigerer Orte, wie die fränkischen Zollern, der Kölner Erzbischof oder die sich von Braunschweig nach Wolfenbüttel bewegenden Welfen. Die Magdeburger Erzbischöfe weichen den massiven Konflikten in "ihrer" Stadt aus, unterwerfen Halle 1478 und bauen sich dort mit der Moritzburg eine modernere palastartigere Residenz. 1479 untersagen sie ihrer neuen Hauptstadt den Abschluss von Bündnissen und sorgen damit für ihre Trennung von der Hanse, die nur vullmechtige Städte als Mitglieder akzeptiert.
***August von Sachsen: Ein Kurfürst als Unternehmer***
Zwischen 1553 und 1586 herrscht der Kurfürst mit drakonischer Härte, bis 1574 von zwei bürgerlichen Kanzlern unterstützt, bis sie dann durch einen vierköpfigen Geheimen Rat abgelöst werden, der zwei bürgerliche und zwei adelige Räte besitzt. Im Inneren wird die Verwaltung seines Herrschafts-gebietes durch Einteilung in sieben Kreise vor allem für die Steuerverwaltung, die wiederum in Ämter gegliedert sind. Landwirtschaft, Bergbau, Textilienproduktion und Handel florieren.
Mit unternehmerischem Geist führt der Fürst seine landwirtschaftlichen Kammergüter, die erweitert werden und in denen Lohnarbeit zunimmt. Bis ins Detail werden Arbeitsvorgänge vorgeschrieben und die Verköstigung des Gesindes. Verbesserung der Produktivität bei Spezialisierung tritt in den Mittelpunkt. Bis zu 40 fürstliche Schäfereien bedienen die Textilproduktion. Eine detaillierte Forstordnung soll die Wirtschaftlichkeit der Wälder gewährleisten. Das fürstliche Wild wird systematisch vermarktet. Am Ende erreicht er 400 000 Gulden Gewinn aus seiner Landbewirtschaftung. (Czok in: Postel/Kopitzsch, S.299)
Der Fürst fördert den Bergbau nicht nur, sondern erweitert seinen eigenen Besitz und seine Anteile (Kuxen) dabei. Er erwirbt eine Saigerhütte, lässt in Dresden eine Schmelzhütte von Fronbauern und Lohnarbeitern errichten, und er besitzt das Monopol auf das Saigern von Schwarzkupfer. Überall lässt er durch Bürgerliche wie Georg Agricola an der Ertragssteigerung arbeiten.
Ansonsten betreibt er Wirtschaftsförderung, wie die der Leipziger Messe. Für Notzeiten erlässt er eine Getreideordnung und lässt Getreidemagazine anlegen. Als Lutheraner wendet er sich - wohl erfolglos - gegen Wucherzinsen von mehr als 5%.
Eine große Werkzeugsammlung in seinem Dresdener Schloss zeugt von seinem Interesse am Handwerk, welches er fördert, während er nach und nach den Zünften ablehnender gegenüber steht. Besondere Förderung genießt die Tuchherstellung, auch durch Ansiedlung holländischer Weber. Die Tendenz zur Auslagerung der Weberei auf das Land nimmt zu.
Das Ergebnis ist der Abbau riesiger Schulden von seinem Vorgänger und Bruder Moritz und neben dem Reingewinn aus den Kammergütern einer von 620 000 Gulden aus den aus den landesherrlichen Ämtern. Bei seinem Tod hinterlässt er Bargeld von zwei Millionen Talern, die in Kisten und Säcken im Schloss liegen. (Alles Czok, s.o., S.305) Zu alledem verhilft auch eine intensive Sparsankeit bei Hofe.
Fürstliche Justiz: Obrigkeit und Staatlichkeit in deutschen Landen
Die städtische Obrigkeit wie die Fürsten-Herrlichkeit annektieren zunehmend die verrechtlichte Konfliktlösung wie die Justiz als Herrschaftsinstrumente. Das Gericht tagt zunehmend hinter verschlossenen Türen und schließt damit die Öffentlichkeit aus.
"Im Verlauf des 16. Jahrhunderts stößt die Rechtssitte des Abbittens immer härter mit der an den Fürstenhöfen entstehenden Auffassung zusammen, dass das Strafrecht auf Normen beruhe, die durchzusetzen seien, denn die auf Privilegien gestützte städtische Freiheit vertrug sich nicht mit dem neuen Gedanken des landesherrlichen Gesetzes und seinen erheblichen verfassungsgeschichtlichen Konsequenzen. Das Gnadenrecht wurde den Städten in der frühen Neuzeit von den Landesherren bestritten." (Schubert Räuber, S.60)
Öffentlichkeit besteht aber weiter auf dem Weg des Verurteilten zur Hinrichtung und bei dieser selbst. Dabei wird das Moment der Abschreckung als Wesenszug der Strafe immer stärker, um dann insbesondere im 17./18. Jahrhundert zuzunehmen, als die Machthaber die dabei allerdings seltener werdenden Todesstrafen als "aufwendige Spektakel" (Ernst Schubert) inszenieren. Sie erzieht damit die Untertanen zu einer Schaulust am Schrecklichen, welche allerdings sowieso bei vielen fast als anthropologische Konstante erscheint.
Nun zu Schaulustigen degradiert, wird der Öffentlichkeit oft schon im 16. Jahrhundert das Recht des Abbittens von Verurteilten (siehe...) genommen und das Gnadenrecht erst zu einem Standesrecht und dann zu einem Monopol der Fürsten gemacht. Ein so berühmter Theologe wie Philip Melanchthon wenigstens kann noch 1553 einen Giftmörder vom Strang losbitten. In dieser Zeit beschließen aber schon Gemeinden, das "Losheiraten" von Verurteilten zu verbieten. Am frühesten versucht schon im 15. Jahrhundert Straßburg, das Abbitten abzuschaffen. Um 1600 hat der Nürnberger Rat das Abbitten vom Galgen fast völlig unterbunden.
Das führt immer wieder zu Konflikten, auch wenn sich im Verlauf des 16. Jahrhundert das ausschließliche Begnadigungsrecht der Fürsten durchsetzt.
"1551 erheben in der Stadt Hof die Frauen den Anspruch, Gnade zu erwirken. Zwei Mordbrenner sollten damals die Spiegelstrafe des Verbrennens erleiden. Prozessionsartig ziehen die Frauen der Stadt vor das Haus des für diesen Prozess abgeordneten fürstlichen Richters und Erbitten das Leben des Verurteilten. Sie werden brüsk zurückgewiesen. Schon bei der Hinrichtung werden wegen dieses arroganten, mit dem Rechtsstandpunkt der Bürger unvereinbaren Verhaltens des Richters, des Vorsitzenden der fürstlichen Komminssion, Schimpfworte und Drohreden laut, und nach deren Vollzug, als die Kommissionsmitglieder Mittagstisch halten, kommt es zu einer Zusammenrottung, die da fordert: Schießt sie tod! Stecht sie tod! Lasst der Schelme, der Bluthunde keinen leben! Nicht die gefährlichen Mordbrenner sind die Bluthunde, sondern die Mitglieder der herzoglichen Kommission. Sie haben sich mit der Hinrichtung an Christen vergangen, als ob es sich um Juden handele (...) und vor allem haben sie das Recht der Frauen zu Hof und damit zugleich das Recht der Bürger missachtet. Sie haben arme Christenmenschen verbrennt, als wenn es Juden wären! Sie haben unserer frommen Weiber Vorbitte verschmäht. Sie haben uns Hofer Bürger verachtet. Bei dem anschließenden Aufruhr kamen fünf Adelige aus der fürstlichen Kommission, darunter der Kommissar selbst, ums Leben. Dennoch ließ der Fürst die Angelegenheit (...) schließlich ohne Bestrafung auf sich beruhen. (SchubertRäuber, S.60f)
Im 16. Jahrhundert wird die Folter im Beweisverfahren immer häufiger, worauf die Gesetzgebung wie die Peinliche Halsgerichtsordnung Karls V. 1531 mit gewissen Einschränkungen reagiert. Zudem müssen nun Indizien vorliegen, die auf Tat und Täter hinweisen. Manchmal werden Geständnisse schon erzwungen, wenn man dem Verdächtigten die Folterwerkzeuge zeigt.
Die Formen des Folterns werden dabei unter dem Einfluss der Hexenprozesse allerdings immer grausamer, ja: sadistischer. Man hält Feuer unter die Achselhöhlen, schneidet die Fußsohlen ab und streut Feuer in die offene Wunde. Die Beinschraube wird erfunden. Was bis ins 15. Jahrhundert noch undenkbar war, geschieht nun ebenfalls: Man befragt das arme Opfer während der Folter.
Mit der Fürstenherrlichkeit breitet sich im 16. Jahrhundert der Beruf des Henkers weiter aus, eines der sichtbaren Zeichen von Staatsmacht. Dabei ist er nun den kleinen Amtsstädtchen zugeordnet. Die Gebühren ernähren ihn dort nicht, er ist auf Nebeneinkünfte angewiesen.
Henker als Instrument der Obrigkeit werden durch bestimmte Kleidung markiert und in städtischen Ordnungen des 16. Jahrhunderts immer stärker ausgegrenzt.
Der Straßburger Nachrichter "soll auf der Straße frommen, ehrsamen Leuten Platz machen, soll auf dem Markt keine Waren anfassen, es sei denn, er wolle sie kaufen, in der Kirche darf er sich nur an ein sunder ort stellen, und vor allem darf er in keinen weg in Gesellschaft der Bürger essen und trinken.(...)" Anderswo durfte er "an Hochzeiten ehrbarer Leute (...) nicht teilnehmen, angesehene Gasthöfe waren ihm verschlossen; Gnade bedeutete es schon, wenn er in einem Dorfwirtshaus auf einem besonderen, abseits stehenden Stuhl sitzen durfte. Auch seine Wohnung am Stadtrand, in verachteter Gegend, oft in Brückennähe, fast stets aber isoliert von den Häusern der Bürger, ließ ihn als Außenseiter erkennen." (SchubertRäuber, S.75)
Mit den Einnahmen aus dem Schindanger, wo auch verendete Tiere landen, einer im 16. Jahrhundert steigenden Besoldung und den vielen Einzeleinkünften aus Körperstrafen wie dem häufigeren Abschneiden von Ohren oder dem selteneren von Fingern oder dem Blenden zum Beispiel gewinnen einzelne Henker eine gewisse Wohlhabenheit, an der aber die Schinder selbst kaum teilhaben.
"Meister Augustin, der Henker des Brandenburger Markgrafen Kasimir, verdiente 1525 ein Vermögen von 114 fl., als er nach dem Bauernkrieg bei der Strafexpedition seines Herren durch das Frankenland 80 Enthauptungen vollzog und 69 Aufständischen die Augen ausstach oder die Hände abschlug." (SchubertRäuber, S.78)
Schließlich wird das Nachrichten zum Lehrberuf mit Meistertitel und er selbst nun langsam in belesenen Kreisen zwischen "Humanismus" und "Aufklärung" ehrbarer, beim "einfachen Volk" aber kaum.
Immer häufiger wird die von den Städten übernommene Strafe der Verbannung als "Landesverweisung": Die Obrigkeit sucht sich die tauglichen Untertanen aus. Die Strafe trifft im 17. Jahrhundert "den harmlosen Vaganten und den kleinen Bienendieb ebenso wie den Schwerkriminellen." (Schubert Räuber, S.124) Dabei wird der Kreis der Landfahrer, Jauner und Gauner anderswo erweitert. Zuvor gibt es die Brandmarkung - erst im Gesicht und dann zwischen den Schulterblättern, die noch im 18. Jahrhundert üblich ist.
Ähnlich wie die Verbannung bedeutet auch der Verkauf verurteilter Verbrecher durch die städtische und fürstliche Obrigkeit insbesondere aus Süddeutschland als Galeerenhäftlinge an Genua und Venedig vor allem, in welchem Maße neue Staatlichkeit Untertanen als eine Art Eigentum und Verfügungsmasse für Staatseinkommen betrachtet. Ein erster Gipfel wird erreicht, wenn dann teilweise gepresste hessische Soldaten im 18. Jahrhundert nach Nordamerika dauerhaft vermietet bzw. verkauft werden. Die Strafe auf den Galeeren wird in Frankreich erst im 19. Jahrhundert abgeschafft.
Im späten Mittelalter kennen die Städte das Stäupen am Pranger und überhaupt die Prügelstrafe, die ohnehin Zivilisationen kennzeichnet, in denen der Herr den Knecht nach Gutdünken schlägt. Zwischen dem 16. und 19. Jahrhundert entwickelt sich sich auch jenseits jeden Strafrechts das Einprügeln von Stadtknechten, Amtsleuten und früher Polizei auf Unterschicht und Randgruppen, Mittel zum Vertreiben herumziehender Vagabunden, von Zigeunern und anderen unliebsamen Menschen.
Im späten Mittelalter taucht Haft in den Städten nur zum Erpressen von Geldstrafen und zur kurzen Einsperrung vor dem Strafvollzug statt. Ab dem 15. Jahrhundert entwickelt sich an ersten Orten der Gedanke von Einkerkerung als Strafe. Ein frühes Beispiel ist Erfurt, wo der Rat 1447 eine zucht unde ein beheltenisz erbauen lässt, unde nanten das Pardisz. Es sollte aber nur zur Disziplinierung der unruhigen Studentenschaft dienen. (SchubertRäuber, S.136) Im 16. Jahrhundert werden dann Haftstrafen häufiger bei Sittlichkeitsdelikten. In der Regel dient ein Stadtturm als Verließ unter schrecklichen Bedingungen.
Wenn dann eigene Gefängnisse gebaut werden, ist der Aufenthalt dort nicht viel annehmlicher. Die Gefangenen sind der Willkür brutaler Wärter ausgesetzt wie auch deren Prügeleien. Noch Charles Dickens wird die schrecklichen Bedingungen in englischen Gefängnissen des 19. Jahrhunderts beschreiben.
Mit dem tuchthuis von Amsterdam 1595 als Vorbild entstehen dann in großen deutschen, zunächst norddeutschen Städten Anfang des 17. Jahrhunderts Zuchthäuser. Von der Fassade her als Prachtbauten angelegt, handelt es sich, wie schon der Name sagt, um eine Kombination von Strafe und Erziehung durch die Staatsmacht. Die Erziehung besteht dabei in Zwangsarbeit vom Brillenschleifen bis zum Spinnen. Zum Teil findet solche Arbeit auch draußen in Ketten oder mit Fußfesseln statt, als Straßenbau, Straßenreinigung oder Festungsbau.
Adel und spätes Rittertum
Adeliger ist man vor allem, wenn man von Standesgenossen als solcher anerkannt wird. Damit ist die Bezeichnung nicht ganz klar fixiert. Ganz oben sind im Reich Kurfürsten, darunter dann die übrigen Fürsten und darunter dann je nach Zeit und Gegend nach Macht und Reichtum sowie Alter abgestufter Adel. Man wird Adeliger durch Geburt, durch das entsprechende Amt oder durch jenen Einfluss, den Reichtum herstellt.
Die Ausgaben des Adels verlagern sich schon im späten Mittelalter immer mehr auf die Bezahlung von Söldnern und eine standesgemäße Hofhaltung. Um sich insbesondere letztere weiter leisten zu können, wird versucht, in Verbesserungen der Grundherrschaft und in kommerziellen Investitionen einen Ausweg zu finden wenn nicht gar ritterliches Kriegertum offener als zuvor in Räuberei ausartet.
Wo sie nicht verlassen werden, verwandelt erfolgreicher Adel Burgen in Schlösser in regional verschiedenem Renaissancestil. Die Verteidigungsfunktion ist erloschen und repräsentative Prächtigkeit zieht ein. Größere Treppen in einem größeren Treppenhaus kommen auf, insbesondere bei landesherrlichen Schlössern. Die Wasserver- und entsorgung wird komfortabler, Glasfenster werden häufiger, Wände, Kamine und Fassaden erhalten Schmuckelemente. In dem Schloss bzw. Herrenhaus wohnen zudem die Bediensten. Landadel, der über einen Rittersitz an Landtagen teilnehmen kann, behält gewisse Elemente einer Ritterburg bei.
Recht typisch für die Rechtfertigung adeliger Privilegien ist der Adelsspiegel des studierten und protestantischen Cyriacus Spangenberg von 1591/94, in dem seine Vortrefflichkeit für die königliche Verwaltung des Reiches wie seine allgemeine Tüchtigkeit betont werden:
Und demnach ist der Adelsstand von Gott, unnd eine ordnung Gottes. Denn dieses ist gewiss (...), das der Königliche stand von Gott ist (...) Nu ist unmüglich, das Könihe ire Lande und weite Herrschafften durch sich selbst alleine nützlich regiren und verwalten können, sie müssen anderer Leute that und hülffe darzu gebrauchenUnd darumb haben sie (...) aus dem gemeinen Volck tüchtige Leute, solche feine weise verstendige Menner, und redliche, mannliche, tapffere Helden (...) erwehlet und auserkoren, und die für anderen gewirdigt und geadelt, die zu Fürsten, Richtern, Haupt- und Amptleuten gemacht, durch dieselben friede, zucht, gerechtigkeit und erbarkeit in Landen zu erhalten. (...) Und also ist anfänglich der Adelstand auffkomen, als ein Oberkeit- Ampt, unter der hohen Oberkeit Hand, gewalt und regirung. (in:Jaspers/Pätzold, S.13)
In seinem berühmten Brief an den großbürgerlichen Pirckheimer von 1518 beschreibt Ulrich von Hutten sein elendes Burgleben, dort, wo Burgen nicht im palastartige Gebäude umgebaut werden:
Die Burg selbst, ob sie auf dem Berg oder in der Ebene liegt, ist nicht als angenehmer Aufenthalt, sondern als Festung gebaut. Sie ist von Mauern und Gräben umgeben, innen ist sie eng und durch Stallungen für Vieh und Pferde zusammengedrängt. Daneben liegen dunkle Kammern, vollgepfropft mit Geschützen, Pech, Schwefel und sonstigem Zubehör für Waffen und Kriegsgerät. Überall stinkt es nach Schießpulver; und dann die Hunde und ihr Dreck, auch das - ich muss es schon sagen - ein lieblicher Duft! Reiter kommen und gehen, darunter Räuber, Diebe und Wegelagerer. Denn fast für alle stehen unsere Häuser offen, weil wir nicht wissen, was das für Leute sind, oder uns nicht groß danach erkundigen. Man hört das Blöken der Schafe, das Brüllen der Rinder, das Bellen der Hunde, das Rufen der auf dem Feld Arbeitenden, das Knarren und Rattern der Fuhrwerke und Karren; ja sogar das Heulen der Wölfe hört man in unserem Haus, weil es nahe am Wald liegt. (in: Ertl, S.182)
Das, was Hutten hier beschreibt, ist nicht neu, hebt sich aber nun stärker von städtischen Bequemlichkeiten wohlhabender Bürger ab.
Im Zeitalter professioneller Söldner ist Ritterlichkeit etwas für Nostalgiker. Was ein königliches Ehrenwort noch wert ist, beweist Francois I. gegenüber Karl V. 1526.
Frowin von Hutten
Im steten Konflikt mit den Fürsten, die den ritterlichen Besitz samt Rechten in ihr Territorium eingliedern wollen, bleiben Rittern immer weniger Möglichkeiten.
Der 1469 geborene Frowin von Hutten bekommt aus dem väterlichen Erbe 1497 den Burghof zu Salmünster. Etwas später kauft er seinem Bruder Jakob dessen Güter ab. Um 1510 gelingt es ihm, zum Hofmarschall des Kurfürsten und Erzbischofs von Mainz aufzusteigen und damit die Leitung des gesamten Hofstaates zu übernehmen. (Hier wie auch alles weitere nach: G.-W. Hanna in: Burg, S.226)
Er wird in (erfogloser) diplomatischer Mission nach Erfurt geschickt. Erste Belehnungen folgen. Es folgen Dienste für Kaiser Maximilian, für die es neue Vergünstigungen gibt und einen kaiserlichen Ritterschlag. 1517 pilgert er nach Jerusalem und greift dann für Mainz in der Fehde gegen Landgraf Philipp von Hessen erfolgreich militärisch ein.
1520 wird er Mainzer Hofmeister, damit quasi Regierungschef unter dem Kurfürsten. Kaiser Karl V. versieht in bald mit neuen Rechten. 1523 betätigt er sich (vergeblicher) als Fürsprecher der Freigerichter Ritter. Er ist wohl auf Seiten des Sickingers in der Trierer Fehde.
Im Krieg des hessischen Landgrafen gegen ihn werden viele seiner Besitzungen verwüstet. Erst 1526 erhält er fast alles zurück, nachdem er sich im Dienst von Mainz an der Niederschlagung des Bauernaufstandes beteiligt hatte. 1528 verkauft er sehr viel, wohl um der söhnelosen Witwe Kunigunde das Erben leichter zu machen. Diese verwaltet alles bis zu ihrem Tod 1548.
Franz von Sickingen
Nach dem Tod des Vaters 1505 erbt sein einziger Sohn die Ebernburg als Stammsitz und viel Streubesitz zwischen Nahe, Unterelsass und Kraichgau, dazu wohl auch ein bedeutendes Vermögen, das zum Teil aus Bargeld, zum Teil aus wirtschaftlichen Investitionen in Silber- und Kupferbergbau, zum Teil aus Schuldverschreibungen verschiedener Reichsfürsten besteht.
Nach dem Tod seiner Frau 1515 führt er zahlreiche Fehden im Sold des Kaisers Maximilian. Im Konflikt um Worms wird er aber vom Kaiser geächtet. Darauf tritt er in den Dienst des französischen Königs Francois I., für den er mit 16.000 Landsknechten und 7.000 Reitern Metz erobert.
1519 nimmt der Kaiser den immer mächtigeren Ritter wieder in seine Dienste auf. Er nimmt am Krieg des Schwäbischen Bundes gegen Württemberg teil, was er mit Verlusten abschließt, weswegen er danach raubend und marodierend umherzieht.
Unter dem Einfluss von Ulrich von Hutten nähert er sich der Reformation und gibt verfolgten Reformatoren Zuflucht auf der Ebernburg. Derweil verschuldet sich Kaiser Karl V. mit bis zu 100 000 Gulden bei Sickingen.
Mit seinen Geldschwierigkeiten ist er Hauptmann der schwäbischen und rheinischen Ritterschaft und möchte Herzog von Franken werden. 1522 erklärt er dem Trierer Erzbischof Richard von Greiffenclau die Fehde, will das Erzbistum im Sinne der Reformation säkularisieren, aber eine Front von Fürsten steht dagegen. Nachdem ein Angriff auf Trier mit 7000 Mann scheitert, zieht er sich auf seine Burg Nanstein bei Landstuhl zurück, wo er nach deren Eroberung mit zahllosen Kanonenkugeln 1523 stirbt. Erzbischof Albrecht von Mainz, dem Beteiligung vorgeworfen wird, muss 25 000 Gulden Schadenersatz leisten.
Spätes Rittertum: Götz von Berlichingen (um 1480-1562)
Großmacht-Politik 1556-1600
Patt zwischen dem Osmanenreich und Spanien
Mit der Abdankung Karls V. werden die habsburgischen Niederlande der spanischen Linie zugeschlagen und geraten unter die direkte Kontrolle von Madrid.
Der König mit seinem Reichshofrat geht gestärkt aus dem Religionsfrieden hervor, wobei Grafen, Prälaten und Ritter sich an ihm gegen ihre unmittelbaren Herren orientieren.
1563 wechselt die Kurpfalz unter ihrem Fürsten vom Lutherischen zum Calvinschen Protestantismus.
1585 Trennung in die katholischen spanischen Niederlande und die Republik der Vereinigten Niederlande im Norden.
In Frankreich dauern die Kämpfe der Adelsfraktionen gegeneinander und gegen den Monarchen das 16. Jahrhundert hindurch an bis in die Mitte des 17. Jahrhunderts, bis zur sogenannten absoluten Monarchie, die Richelieu und Mazarin für Louis XIV. schaffen. Hier wird der Adel fast zur Gänze unter die Fuchtel des Monarchen und seines sich ausweitenden Apparates gebracht, genauso wie auch das Bürgertum. Ein aus Herrschaftsinteresse unflexibel gewordenes Ständesystem korreliert mit einer zentralistischen Verwaltung mitten in die Regionen hinein. Wo sich in England Mitwirkung entwickelt, ist es in Frankreich rabiate Unterordnung. Für verfolgte Franzosen seit dem 16. Jahrhundert wird England Auswanderungsland, im 18. Jahrhundert sicherer Hafen für Schriftsteller und freie Geister.
Kirchen 1555-1618
Das Mittelalter dauert dann auch bis ins 18. Jahrhundert an, und das nicht nur, aber besonders deutlich im katholischen Raum. 1615 schreibt der Mönch und Autor Jeremias Grienewald in seiner Beschreibung von Regensburg über die Schatzkammer von St.Emmeran:
Entgegen hinter diesem Hochaltar ist eine eyserne Thür zum Eingang der Heiligtumbcammer, alda ein unerschätzlicher Schatz von Edelgestain, Gold, Silber, an Creuzen, Stäben, Bildtnussen mit den darin gefassten Heyligthumb vorhanden. (in: Angerer, S.242)
Wundertätige Reliquien in teurem Glitzer eingefasst, einst gefälschte Knochen sogenannter "Heiliger" werden auf Druck von Papst, Rat und Volk auf Prozessionen und an bestimmten Tagen vorgezeigt. Wer den Humbug nicht glaubt, erfreut sich zumindest an dem wirtschaftlichen Erfolg herbeiströmender Massen, die heute mit ihrer "Promi"-Verehrung noch mindestens genauso blöde sind wie die Menschen damals.
In Polen, Böhmen und dem ungarischen Siebenbürgen kann sich die Reformation als Minderheit etablieren und wird im 16. Jahrhundert mehr oder weniger geduldet.
In der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts setzt in Frankreich unter dem Einfluss Calvins in Frankreich der Jensenismus ein, den Rom bald scharf verurteilt.
1618-48 Dreißigjähriger Krieg