Finanzkapital
Süddeutschland
Transport
Die neuen Kaufhäuser
Messen
"Welt"handel und Vernetzung
Der Warencharakter der "Welt"
Die Ausweitung des Warenangebotes (Rohstoff, Halbfabrikat, Fertigprodukt)
Textilien (Aufblühender Kapitalismus in Thüringen / Wollhandel, Zölle und Korruption in England)
Bergbau und Metalle (Augsburg, Tirol und Maximilian)
Baukunst (Materialsammlung)
Keramik
Lebensmittel
Papier und Druck
"Kunst"
Schriftlichkeit
Zünftiges Handwerk in deutschen Landen (Gesellen)
Krämer
Es kommt zwischen 1350 und 1500 zu erheblichen technischen Neuerungen, die den aufgeblühten Kapitalismus weiter entwickeln. Mehr Kapital wird in wenigen Händen konzentriert und greift immer stärker in die Sphäre der Produktion hinein. Dennoch lebt der Mehrheit der Menschen weiter als Bauern auf dem Lande und ist vor allem mit der Produktion von Lebensmitteln beschäftigt. Auch in den Städten wird eine Mehrheit der produktiv arbeitenden Bevölkerung nur wenig von den Neuerungen erfasst, für die sie im Produktionsbereich kein Kapital und für die Konsumsphäre kein Geld haben. Aber zumindest indirekt geraten alle Menschen in den Strudel neuer Verhältnisse, die viel Unsicherheit und Ängste hervorrufen und nicht nur die einsetzende Technikbegeisterung auslösen.
Das viele Neue wird oft durch Erfindungen einzelner Menschen ausgelöst, die dann auf das Kapital treffen, welches ihre praktische Umsetzung betreibt und so manchen Erfinder damals namenlos zurück lässt. Fast alle Menschen sind von den Entscheidungen ausgeschlossen, die Vertreter des Kapitals und die Herrschaft ausübenden wenigen bestimmen alleine, wo es langgeht. Die vielen sind längst daran gewöhnt, das alles ohnmächtig geschehen zu lassen und zugleich fasziniert, von der in Technik geronnenen Macht des Kapitals und von den sich immer mehr andeutenden und erweiternden Konsumversprechungen. Das wird bis heute so bleiben und jede ökologisch begründete Abkehr von einem Fortgang kapital-motivierter Veränderung ausschließen.
Derweil geht die "Schere" zwischen Kapital und (produktiver) Arbeit in jeder Beziehung immer weiter auseinander. Wenn in Ulman Stromers Nürnberger Papiermühle nach 1391 die aus der Lombardei hergeholten Arbeitskräfte anfangen zu streiken, um mehr Lohn zu bekommen, werden sie eingesperrt, bis sie nachgeben. (SchubertEinführung, S.191f) An manchen Orten entsteht eine (kleine) protoindustrielle Lohnarbeiterschaft.
Das gilt besonders für die Montanwirtschaft, in der immer größere Kapitalien für rentierliches Wirtschaften nötig werden. Es sind kapitalkräftige Kaufleute vor allem, die hier investieren, und auf der anderen Seite niedrig entlohnte Arbeiter, die unter härtesten Bedingungen arbeiten.
Vor allem in der zunehmend arbeitsteiligen Tuchproduktion entwickelt sich ein Verlagssystem, welches Kapital und Arbeit trennt und so Handwerker in Ähnlichkeit zu Lohnarbeitern bringt und entsprechend wehrlos macht.
Es gibt keine "industrielle Revolution", sondern eine kapitalgetriebene Veränderung bis heute, der die vielen von den wenigen unterworfen werden und der sie ausgeliefert sind, da sie nicht verstehen, was da geschieht. Wenn dabei diejenige ländliche Bevölkerung, die Verlierer der Entwicklung ist, in die Bergwerke und Hüttenwerke zieht, oder über ländliche Heimarbeit in das Verlagssystem gerät, ist das Movens Kapital und im Bewusstsein der Menschen schlicht und einfach Geld.
Finanzkapital
Wichtige Kreditgeber sind manchmal bis ins 14. Jahrhundert hinein im Norden Juden, Lombarden und Kawerschen/Karwenschen. Bis dahin sind sie auch im Warenhandel beteiligt, aus dem Juden dann verdrängt werden, worauf sie sich ganz auf eher kurzfristige Darlehen konzentrieren, die aufs Jahr umgerechnet Zinsfüße von 60-70% enthalten. "Bauern, Städter und Adelige standen in Schuldverhältnissen zu Juden, denen Gerichtsgefälle, Regalieneinkünfte, Pretiosen, Wertgegenstände, Arbeitsgerät, gewerbliche Rohstoffe, Dörfer und Burgen, ferner etwa auch die Kronen der pfälzischen Wittelsbacher verpfändet waren. In einem kleinen Gebiet an der Mosel hatten 29 jüdische Gläubiger insgesamt 217 Schuldner, darunter vor allem städtische Handwerker (Schuster, Schneider, Sattler)." (Isenmann, S.382)
1348/49 kommt es im Zusammenhang mit der Pest zu großen Judenpogromen. Seit etwa 1380 werden die Juden auch in deutschen Landen von dem Geschäft mit großen öffentlichen Anleihen verdrängt. Etwa 1385 kommt es zu großen Enteignungsaktionen, an denen zum Beispiel Nürnberger Großbürgertum wie die Behaim und Haller beteiligt sind. Der Nürnberger Ulman Stromer schreibt in seinem 'Püchel von mein geslechet und von abentewr' in neuhochdeutscher Übersetzung:
Anno domini 1390 Jahr, da mussten die Juden ihre Schulden lassen. Da waren bei Herzog Friedrich von Bayern, die Bischöfe von Bamberg und von Würzburg und von Augsburg, der Burggraf von Nürnberg, die Grafen von Öttinge, die Grafen von Wertheim, unseres Herrn des römischen Königs Räte von Böhmen, viele Herren; und sie kamen überein aufgrund ihrer vom römischen König verliehenen Gewalt, dass unter den Herren und Städten niemand keinem Juden weder Hauptgut noch Zinsen geben soll und sie mussten alle Pfänder und Briefe wieder hergeben. (in: Fuhrmann, S.231f)
Um 1500 ist das Geldgeschäft im wesentlichen in christlicher Hand. Verdrängt werden auch die Lombarden und Kawerschen, bis dahin mit obrigkeitlichen Konzessionen ausgestattet.
Bis zum Beginn des 15. Jahrhunderts gibt es in deutschen Landen noch keine Banken, die denen in Norditalien ähneln, die insbesondere das bargeldlose Geschäft kontrollieren. Als Finanzplätze bezeichnen Historiker elf Städte in Italien, drei in Frankreich und Spanien, und einen in Brügge und in London. Östlich des Rheins gab es keinen einzigen Finanzplatz in diesem Sinne." (Gilomen in: Schwinges/Hesse/Moraw, S.363f).
In Flandern wie in süddeutschen Landen nördlich der Alpen nehmen Wechsler das Depot- und Depositengeschäft auf, verwahren Edelmetall, Schmuck und Geld. Geldwechsler nehmen dann seit der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts überdies Inkasso-Abwicklungen als Verlängerung des Depositengeschäfts in ihr Dienstleistungsangebot mit auf, d.h. sie zahlen Gelder zunächst auf mündliche, dann auch auf schriftliche Anweisungen hin aus.
In fünf Monaten 1368/69 schreibt eine Brügger Bank mit 1100 Konten täglich durchschnittlich 30 Transaktionen auf. (Goldthwaite, S.450) Allerdings hat Brügge nur rund 15 (größere) Banken im Vergleich zu 100-150 (kleineren) in Florenz.
Die andere Seite ist: "Überhaupt bedienten Nürnberger und Kölner Wechsler sogar in stärkerem Maße als ihre Kollegen aus Brügge Wechselbriefe des Großhandels." (Dirlmeier, S.52)
Andererseits schreibt Kümper : "Mit einem Wechsel kaufte man Ware, erwirtschaftete damit einen Gewinn und beglich erst dann den Kaufpreis. Im hansischen Handel auf Gegenseitigkeit lief es genauso, nur dass erst gar kein Geld benötigt wurde. Die Ware wurde auf Vertrauen zum Geschäftspartner geschickt, der vom Gewinn neue Ware kaufte und sie zurücksandte." (S.184)
In Lübeck gibt es in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts eine Filiale der Medicibank. In dieser Zeit betreibt auch ein Gerhard der Wale ein Wechsel- und Bankengeschäft.
"Bis 1469 wickelten er und später sein Handlungsgehilfe Francesco Rucellai als Medici-Korrespondent den Geldverkehr in Richtung Kurie ab, sie schickten die vielen kirchlichen Gebühren und Ablassentgelte in Richtung Zentrale." (Kümper, S.186)
1461 wird eine Bank des Godeman van Buren in Lübeck gegründet, die nun auch heimische Kaufleute bedient, aber offenbar in den folgenden zehn Jahren wenig erfolgreich ist. 1472 bis 1477 betreibt der Lübecker Domherr Alf Greverade II. hier eine öffentliche Wechselbank. Sein Nachfolger werden dann die Fugger.
Dass es im Hanseraum kaum Banken gibt, erklärt Kümper auch mit der Abwesenheit großer Bergbauanlagen, Saigerstätten und Textilmanufakturen, die zur Finanzierung Kredite benötigt hätten, und auch damit, das Hansekapital ständig in Umlauf ist.
Auf dem über drei Jahre andauernden Konstanzer Konzil sind alle Beteiligten von außerhalb auf Geldnachschub und Kredit angewiesen. Laut Ulrich von Richental sind alleine für den Papst und seine Kurie 73 Finanziers zuständig. "Zudem waren 60 frei agierende Geldhändler präsent, darunter auch der junge Cosimo de Medici." Denen bringt das Jahreszinsen um die 40% ein. (Keupp/Schwarz, S.151)
Insgesamt läuft nur ein Teil des Geldverkehrs über Wechsel, Schuldbriefe etc. ab, immer wieder wird noch durch das 15. Jahrhundert vom Münzgeld berichtet, welches Transportunternehmern z.B. mitgegeben wird. (Gilomen in:Schwinges/Hesse/Moraw, S.368ff)
In deutschen Landen wird ein eigenständiges Konkursrecht entwickelt. "Das deutsche Konkursrecht geht nicht von einer wütenden Zusammenrottung der Gläubiger aus, einem concursus creditorum, wobei die Wechselbank des betrügerischen Wechslers umgestürzt, banco rutto gemacht wird, sondern ist eine eigentlich recht geniale Übertragung der Nachlassschuldenregelung auf die Lebenden. Der verschuldete Kaufmann muss - später nur noch symbolisch - aus der Stadt fliehen, gilt danach als tot, so dass unter seinen Gläubigern eine Art Nachlassteilung eintreten kann." (Ebel in Isenmann, S.87)
Die Macht des süddeutschen Finanzkapitals, insbesondere des aus Nürnberg und bald auch Frankfurt stammenden, und die Abhängigkeit von Fürsten, Königen und Kaisern davon wird im ausgehenden 14. Jahrhundert immer deutlicher, wie alleine schon mit dem Nürnberger Geld deutlich wird: Konrad Groß ist Finanzier Ludwigs des Bayern. Die Haller, Groß, Stromer und Tetzel sind maßgeblich an der Geldbeschaffung für den Kauf der Mark Brandenburg durch Karl IV. im Jahre 1373 beteiligt wie wohl 1412-1418 andere Nürnberger Familien beim Erwerb der Mark durch die Zollern. Nürnberger Geschlechter bevorschussen 1401 mit 55 000 Gulden die Florentiner Subsidien für König Ruprechts Kriegszug gegen Mailand und diskontieren die Wechsel. Ratsherren und Geldkaufleute unterstützen 1422-1427 durch diplomatische und finanzpolitische Maßnahmen die Reichsreformpläne König Sigmunds und dessen Abwehrkampf gegen die Kurürstenfronde unter Führung des Markgrafen Friedrich von Brandenburg, gegen den sie eine Kreditsperre verhängen. Dem Patrizier Ulrich Ortlieb verpfändet Sigmund um 1500 Gulden eine Krone. Danach löst dann Augsburger Kapital das Nürnberger bei Investitionen in fürstliche Macht ab.
Die größten Profiteure der Entwicklungen des 14. Jahrhunderts in Frankreich sind im Finanzkapital zu finden, welches zum Teil eng mit der Staatsverwaltung zusammenarbeitet. Es steigt durch Handel auf, finanziert Kriege vor und bekommt das einträgliche Geschäft der Steuereintreibung für ganze Regionen verpachtet. Wenn solche Leute, die einen fürstlichen Lebensstil pflegen, ihren königlichen und hochadeligen Schuldnern zu lästig werden, werden sie schon einmal auf juristischen Wege oder anderweitig ruiniert, was den Akteuren die Schuldenlast nimmt. Auch das große Kapital hat immer noch nur die wirtschaftliche Macht, die sich leicht von der politischen trennen lässt, an der solche wirtschaftlich Mächtige nicht ohne staatliche Zustimmung partizipieren können.
Süddeutschland
Italienische Großunternehmen sind zunächst denen nördlich der Alpen in ihrer Entwicklung um Jahrhunderte voraus. Erst im 15. und 16. Jahrhundert schließen die in Süddeutschland auf und übertreffen dann die italienischen wie schon vorher die der Hanseaten. Dabei werden die Verträge ihrer Anteilseigner ebenfalls ,nur auf kürzere Sicht geschlossen, bei den Augsburger Meuting 1436 auf fünf Jahre, bei der Großen Ravensburger Gesellschaft immer jeweils auf sechs Jahre, in der Regel ist aber Verlängerung schon vorgesehen. Damit entwickeln sich anders als bei der Hanse mit ihren wechselnden Gesellschaften so etwas wie stabilere Firmen.
Gewinne solcher Gesellschaften auf investiertes Kapital liegen zwischen fünf und zehn Prozent, dort, wo wie bei den Fuggern noch Montangewerbe und Finanzgeschäfte hinzukommen, bei 15-20%.
Die Nürnberger verbinden dabei Fernhandel mit unternehmerischen Investitionen in Bergbau und Metallgewinnung mit Verlagswesen, "Giralgeldschöpfung mit Bankgeschäft, Ämter- und Regalienpacht." (Isenmann, S.377)
Die größte und an Zahl ihrer Mitglieder auch italienische übertreffende Firma ist die Große Ravensburger Handelsgesellschaft (Societas Magna Alamaniae), die von 1380/86 bis 1530 existiert.Am Anfang handelt es sich um eine Gesellschaft der Familien der Ravensburger Humpis, der Muntprat aus Konstanz und der Buchhorner Mötteli. Zentrum wird ab 1446 ein Haus am Ravensburger Markt. Hier findet alle drei Jahre eine Rechnungslegung für die Gesellschafter statt und alle sechs Jahre werden die Gesellschafter-Verträge erneuert.
An ihr sind durch die Zeiten bis zu 121 Familien im wesentlichen aus schwäbischen Reichsstädten beteiligt, zeitweilig zudem an die hundert Gesellen . Ende des 15. Jahrhunderts sind es achtzig und fast genauso viele Gesellen. Daneben gibt es auch Leute, die ohne Einfluss auf die Firma Kapital zu Zinsen einlegen. Geleitet wird der riesige Betrieb von drei "Regierern", ein Gremium von neun "Herren" aus den Gesellschaftern beaufsichtigt das Unternehmen, errechnet den Gewinn und verteilt ihn auf die Mitglieder.
"Die Gesellschaft exportierte Leinwand und Barchent aus Oberdeutschland, Textilien aus Oberitalien und aus den Niederlanden sowie Metallwaren aus Nürnberg. Sie importierte den teuren Safran, Gewürze, Edelsteine, Perlen, Korallen, Südfrüchte, Reis, Zucker, Leder, Wolle und noch weitere Produkte ausländischer Märkte." (Isenmann, S.377)
Niederlassungen gibt es in Hamburg, in Köln, Antwerpen, Brügge und London, in Wien, Ofen, Breslau, in Italien (Mailand, Venedig, Genua), Savoyen (Genf), Frankreich (Lyon, Avignon) und Spanien (Valencia, Zaragoza).
Ihr Ende kommt mit der fehlenden Beteiligung am Handel mit ostindischen Gewürzen in Lissabon und der fehlenden Investition in Geldhandel.
Ähnliche, aber kleinere solche Firmen gibt es in allen größeren süddeutschen Städten. Das Kapital der Ravensburger beträgt um 1500 mehr als 150 000 Gulden, das der Augsburger Fugger wenig später bereits über 200 000, wozu noch Immobilien im Wert von rund 30 000 Gulden kommen.
Auch in Süddeutschland geht nicht jeder Kapitaleinsatz gut aus. In Konstanz kann der Färber Ulrich Imholz durch Textilhandel sein Vermögen "zwischen 1418 und 1428 um sagenhafte 125 Prozent auf rund 12 000 Pfund Heller" vermehren. 1431 bekommt er Schwierigkeiten, seine Schulden zu bedienen und 1435 muss er aus der Stadt fliehen, wobei er über 80 000 Gulden Schulden hinterlässt. (alles in: Keupp/Schwarz, S.154)
Hans Fugger zieht 1367 aus dem schwäbischen Dorf Graben im Lechfeld nach Augsburg um, tritt in die dortige Weberzunft ein und heiratet die Tochter eines Zunftmeisters. Sohn Andreas betätigt sich dann bereits als Tuchhändler. 1463 treten die Fugger in die Zunft der Kaufleute ein.Ein Jahr später beträgt das Firmenkapital bereits 100 000 Gulden(fl). Sie betreiben zunächst Barchenthandel, führen Baumwolle ein und arbeiten verlegerisch.
In einer weiteren Stufe operieren sie im Anleihegeschäft, wobei sie sich Kredite nicht in Zinsen auszahlen lassen, sondern in Silber zu festen Preisen, das sie dann teurer weiterverkaufen dürfen. Auf diese Weise verkehren sie schon mit Kaiser Maximilian.
1491 tauchen sie in Posen auf, 1494 setzen sie sich in Antwerpen fest. Im selben Jahr verbinden sie sich mit Johann Thurzo für die slowakischen Kupferminen (Neusohl).
1496 sind sie in Lübeck, wo sie zusammen mit Lübecker Bürgern eine Bank etablieren. 1502 sind sie in Stettin und Danzig.
Um 1500 sind die Fugger, die die Firma in der Familie halten und durch einen Vertreter führen lassen, in dieser Zeit bereits bei gut 200 000 Gulden angekommen.
Kupfer und Silber werden das große Geschäft mit riesigen Gewinnen. Bald kontrollieren sie den Kupferhandel im Hanseraum. In Danzig verbinden sie sich "mit einem Kupfergroßhändler und Bürger der Stadt, Jakob Vetter, der ihre Interessen vor dem Rat vertrat. Dank seiner Vermittlung beim dänischen König erhielt die Firma Handelserleichterungen im Sund (1515) und in Skandinavien. Seitdem wurde viel mehr slowakisches Kupfer als vorher von Krakau nach Danzig befördert und von dort nach Antwerpen weitergeleitet, um in Portugal verkauft zu werden." (Dollinger, S. 417)
In Livland führen sie Silber ein und bekommen dafür Wachs. Aus Russland exportieren sie Wachs und Pelze gegen Gewürze, Silber, Tuche usw.
Christian II. von Dänemark nimmt die Fugger unter seinen Schutz und genehmigt ihnen die Errichtung einer Kupfermühle in Oldesloe, wofür sie seinen Krieg gegen Gustav Wasa unterstützen. Aber wenig später konzentrieren sie sich mehr auf die Niederlande und Spanien.
Hohe Herren legen ihr Vermögen bei ihnen an. 1525 verfügt die Firma über 2 Millionen Gulden. Inzwischen operieren sie im Fernhandel mit Waren, im Verlag in Textilien und Bergbau, als Direkt-Unternehmer im europäischen Bergbau bis nach Spanien und der Vermarktung der Montanprodukte. Ihr Arm reicht bis nach Westindien, also Süd- und Mittelamerika. Dazu kommen Finanzgeschäfte, die Pachten der Einkünfte aus den spanischen Ritterorden, Steuerpacht und allgemeine Bankgeschäfte.
In deutschen Landen fehlen oft Schulen, und angehende Geschäftsleute in Handel und Finanzen lernen oft in den Firmen und auf Reisen. Bis ans Ende des Mittelalters fehlen auch die Bücher, mit denen man Rechnen oder Fremdsprachen lernen könnte. Junge Leute beweisen, dass es auch der Schulen für das Erlernen aller wichtigen Kenntnisse und Fertigkeiten nicht bedarf, wenn man nur lernen möchte und das Talent dabei besitzt:
"Der Nürnberger Christoph Scheuerl empfahl 1488 in seinem >Regiment< für den jungen Hieronymus Haller, der sich nach Venedig zu gehen anschickte, während seines dortigen Lehraufenthaltes den Morgen beim Rechenmeister zu verbringen, sich während des restlichen Vormittags und am Nachmittag bei den Kaufleuten im Fondaco dei Tedeschi aufzuhalten und ständig Wissenswertes und Neues über Veränderungen bei Waren und Preisen in sein Täfelchen aufzuzeichnen. Desgleichen sollte er alles, was er in An- und Verkauf, mit Banken und Zahlungen handle, ohne sich auf sein Gedächtnis zu verlassen, sofort in sein Täfelchen notieren, in sein Kopier- und Schuldbuch schreiben oder wenigstens in sein Journal eintragen." (Isenmann, S.359)
Gegen Ende des 14. Jahrhunderts beginnt ganz zaghaft das Ersetzen der lateinischen durch die arabischen Ziffern, was aber bis in die früheste Neuzeit auf deutschen Ämtern und vor Gericht noch nicht anerkannt wird, nicht zuletzt wohl, weil man dort noch keine arabischen Zahlen kennt. 1518 erscheinen dann im deutschen Raum die ersten Rechenbücher von Heinrich Schreiber und Adam Riese.
Wichtigste schriftliche Aufzeichnungen bei Firmen sind die Bücher, in die Schulden und Kredite eingetragen werden, da der Kredit bis in die frühe Neuzeit wegen des Mangels an Bargeld (Münzen) und Edelmetallen der Vater des Geschäftes bleibt.
1390 schreibt der Nürnberger Kaufmann und Ratsherr Ulmann Stromer sein 'Püchel von mein geslecht und von abentewr'. Darin wird deutlich, welch weiten Horizont auch deutsche Kaufleute inzwischen haben müssen. Zu Genua etwa heißt es:
Zu Jenw kauf man silber nach dem pfund und xii uncz macht ain pfund und ain uncz ist xxiii pfennig und ain pfennig macht vi garat (...) Item wer zu Nureberg c mark hat, der sol zu Jenw haben lxxv pfund silbers und ein wenik mer, daz macht ie ain Nurenberger mark viiii uncz (...) Wann ain zentner pfeffer zu Jenw gilt xxx pfund, ez kost ain sawm mit allen sachen uncz fur daz tor iii pfund Jenwer und sawn macht v Jenwer zentner, so kost er von Jenw uncz gen Maylan an furlon bey v pfund (... in: Fleischmann, S.84)
Aktuelle Informationen erhält man zunächst über Leute der eigenen Firma, aber - später als in Italien - wird ein Briefverkehr über städtische Boten eingeführt. In Nürnberg schwärmten monatlich "die städtischen Boten nach Frankfurt, Leipzig, Lyon, Straßburg, Salzburg, Wittenberg, Wien und Hamburg aus, denen der Rat schon 1484 eine besondere Ordnung auferlegt hatte. Ein Eilbote, der die Strecke von Venedig nach Nürnberg innerhalb von sechs Tagen zurücklegte, kostete stattliche 25 Gulden. Aber wenn es besonders schnell gehen musste, schaffte er es bereits in unglaublichen vier Tagen. Dies schlug mit stattlichen 80 Gulden zu Buche, was ungefähr dem Jahressold eines Pfarrers entsprach." (Fleischmann, S.85)
Transport
Die Zunahme von viel Raum einnehmenden Massentransportgütern wie Getreide oder Holz führt in Nord- und Ostsee dazu, dass größere Schiffe aus England als Holk übernommen werden, die die dreifache Tonnage von Koggen bewegen können. Sie haben eine neue Takelage bei manchmal bereits drei Segeln, die das Kreuzen gegen den Wind ermöglicht und nun auch Kastelle an Heck und Bug, wobei dort die Besatzung untergebracht werden kann. Dann kommen im15. Jahrhundert Kraweelschiffe als Weiterentwicklung der iberischen Karavellen auf, mächtige Dreimaster mit einer Last von bis zu 800 Tonnen. Die Kraweelbauweise überlappt die Planken nicht mehr, sondern fügt sie plan aneinander, was ihnen eine glatte Oberfläche und höhere Dichtigkeit insbesondere auch des Decks gibt. An die Stelle der Eisennägel treten Holzdübel. Die Schiffe erhalten außerdem nun zwei oder drei Masten, was ihre Geschwindigkeit und die Manövrierbarkeit erhöht. Kanonen können sicherer weiter unten angebracht werden.
Alles in allem bleiben Hanseschiffe sehr unterschiedlich groß und die verschiedenen Schiffstypen existieren sehr lange nebeneinander. Was die Menge solcher Schiffe betrifft, so gibt es den Hinweis, dass 1368 über 1800 Schiffe in Lübeck ein- uind ausgefahren sind; in Danzig sind es 1409 gut 2800. (Hanse, S.133)
Während im Mittelmeer der Kompass und Seekarten nun üblich werden, bleiben sie in Nord- und Ostsee eher selten.
Immer häufiger fährt der Kaufmann auch im Hansehandel nicht mehr mit und gibt Aufgaben an den Schiffer ab. Im 14. Jahrhundert bildet sich dabei ein Lehrberuf aus, der vom Schiffsjungen über die Matrosen und den Steuermann bis zum Schiffer führt, dem oft nur ein Anteil am Schiff gehört, dass er sich mit Kaufleuten teilt.
Der Transport über schmalere Flüsse wird seit dem 12. Jahrhundert durch die immer größere Zahl von Mühlen behindert wie schon länger durch die Zölle. Dazu kommt, dass das Treideln flussaufwärts langsamer ist als der Transport auf dem Landweg.
Schon kurz nach 1188 macht Lübeck die Stecknitz durch Staustufen mit Schleusen schiffbar und später Rostock die Warnow. Zwischen 1390 und 1398 wird der 94 km lange Stecknitzkanal zwischen Elbe und Trave gebaut, der die Stecknitz mit der Delvenau über eine Wasserscheide hinweg verbindet, und mit dem das Salz ganz per Schiff von Lüneburg nach Lübeck transportiert werden kann. Technisch macht der Verkehr über Flüsse, Kanäle, Straßen und Wege ansonsten nur langsam Fortschritte. Immerhin können Schiffe auf den wenigen großen Flüssen (Rhein, Mass, Donau) zwischen 50 und 130 Tonnen an Waren bewegen.
Der Transport über Land wird weiter durch Brückenbau gefördert, und die Brücken werden größer. 1357 beginnt Peter Parler mit der 505m langen Prager Karlsbrücke, und die in derselben Zeit begonnene Rhônebrücke von Saint-Saturnin-du-Port erreicht schwindelerregende 1000m. Der Ort nennt sich darauf in Pont St.Esprit um.
Vierrädrige lenkbare und mehrspännige Lasten-Wagen können nun bis zu gut zwei Tonnen Fracht bewegen und schaffen zwischen 30 und 50 km pro Tag. Die Wege werden in deutschen Landen nur langsam besser, da das weiter in der Macht der Landesherren liegt, die zwar Zölle (eigentlich dafür) einnehmen, aber wenig dafür verwenden. Auch fürstliche Geleitmannschaften müssen bezahlt werden, ebenso wie Schutzbriefe.
Transportunternehmer mit durchschnittlich etwa 12 Pferden florieren zunehmend, und machen unterwegs auch an Orten Halt, die auf dieses Transportwesen eingestellt und oft auch gerade deshalb entstanden sind. Manche erledigen dabei lange Strecken wie die 580 km lange von Lübeck nach Frankfurt, ein Haupt-Warenweg in deutschen Landen, wofür etwa zweieinhalb Wochen benötigt werden. Gelegentlich wird aber die Strecke unterteilt, so dass Waren etwa auf halber Strecke verkauft und dann manchmal auch von einem anderen Unternehmen weiter transportiert werden.
Der Warentransport bleibt gefährlich. Der lange Arm neuartiger Ansätze von Staatlichkeit reicht selten weit über die Grenzen der Stadtmauern hinaus. Fürsten, Könige und Kaiser delegieren darum weiterhin Schutz, Geleit und Strafverfolgung an Behörden vor Ort.
Kaiser Karl IV. verleiht darum an Rat und Gemeinde der Stadt Hamburg 1359 die freie Vollmacht, Räuber jeglicher Art innerhalb Eures Territoriums aufzusuchen, festzunehmen und nach den heiligen Gesetzen zu der verwirkten Strafe zu verdammen, desgleichen ihre Hehler und Gehilfen. Alle Eure Güter und Besitzungen jeglicher Art sollen sich unseres kaiserlichen Schutzes erfreuen. (Engel/Jacob, S. 205)
Neue Kaufhäuser
***Hansische Seestädte***
Die städtische Obrigkeit betreibt Getreidelagerung in städtischen Speichern für Notzeiten, um Hungerunruhen in Notzeiten zu vermeiden.
Sobald Waren über See in hansischen Küstenstädten ankommen, wird der Anteil des einzelnen Kaufmanns bei ihm zu Hause gelagert, soweit er nicht in Speichergebäude am Hafen gelangt, und soweit er nicht sofort, weil schon verkauft, weitertransportiert wird. Dort kann er dann in Einzelfrachten zerlegt werden.
Das Dielenhaus des Hansekaufmanns hat mit der Diele den repräsentativen Hauptraum des Kaufmanns mit der Schreibkammer, dem Verkaufsbereich und grundsätzlich noch Platz für ein zusätzliches Handwerk (wie einer Brauerei). Der Wohnbereich liegt entweder im ersten Stock oder aber ist angebaut. Im Keller (so vorhanden) können Waren wie Tuche und Pelze aufbewahrt werden, Die Obergeschosse sind die wichtigsten Lagerräume, durch Lastenaufzüge mit dem Parterre verbunden. Oben ist der Schüttboden für Getreide zum Beispiel. (Hanse, S.143)
Da die Hanse die Kaufleute der Binnenhanse bis Ende des 15. Jahrhunderts massiv bevorzugt, können diese jeweils die privaten Speicher ihrer stadtsässischen Kollegen zur Lagerung benutzen. Ein Kaufhaus, welches die butenhansischen Kaufleute gleichbehandelt hätte, ist dabei nicht in ihrem Interesse. Die Qualitätskontrolle ankommender hansischer Waren wird in Kontoren bereits gemacht, und ankommendes Holz, Teer oder Aschen werden wegen der Feuergefahr außerhalb im Freien gelagert und dort kontrolliert. Schließlich ist das fiskalische Interesse an binnenhansischen Warensendungen gering. (Selzer in: Ochs/Zeilinger, S.94ff)
***Hansische Binnenstädte***
Während aus solchen Gründen die hansischen Küstenstädte keine Kaufhäuser einrichten, gibt es sie doch im hansischen Binnenland, wo sie mit dem Stapelrecht verbunden sind. In Köln gibt es davon zwei, eines ist das Leinenkaufhaus, welches sich immer mehr auch für diverse andere Waren öffnet. Sie alle müssen dorthin gebracht, gewogen und kontrolliert werden, um dann mit Maklern en gros weiter verkauft zu werden. Ein zweites Kaufhaus ist auf Eisen, Gewürze und Zucker spezialisiert. Beide werden etwas durch die Umfunktionierung des Gürzenich zum Kaufhaus Ende des 15. Jahrhunderts entlastet. Zudem gibt es seit 1425 noch ein Fisch-Kaufhaus.
1302 gibt es in Lüneburg ein Heringshaus, welches spätestens 1392 wegen dem Umladen von Wagen auf Schiffe der Ilmenau per Kran für Gasthändler zu einer Art Kaufhaus wird, wiewohl es dort auch einen Stapelzwang gibt. Ein weiteres gibt es in Frankfurt/Oder.
***Stapel und Kaufhaus***
Das Umladen von Schiff auf Land und umgekehrt führt häufig zum Zwang zur Lagerung des Handelsgutes für drei bis sieben Tage, was dann als Stapelzwang bedeutet, dass heimische Händler in dieser Zeit davon beliebige Mengen kaufen können, bevor die Ware weitergeführt werden kann.
Aus dem Zwang zum Stapel, also der Lagerung, und auch um die städtische Kontrolle über den Handel zu verbesssern entstehen im 14. Jahrhundert insbesondere an den Fluß-Handelsstädten Kaufhäuser, wie in Mainz oder Lüneburg. Deren Funktion fasst Kümper so zusammen: "Hier wurde das Stapelgut aufbewahrt, auf seine Qualität überprüft und meist auch zum Verkauf angeboten; hier konnte man Menschen, Produkte und Geschäfte im obrigkeitlichen Blick behalten." (Kümper, S.177, siehe auch Stadt N2)
Auf dem Landweg kommend müssen auswärtige Kaufleutebereits am Stadttor beeiden, dass die Waren direkt zum Kaufhaus gebracht werden. Dort werden sie im Kaufhausbuch aufgeschrieben. Die Kaufleute mieten im Kaufhaus „Gaden“, verschließbare Bretterverschläge als Lager und Geschäftsraum. Über Wasser kommend, wird das Schiff manchmal schon durch Knechte des Kaufhauses entladen und die Waren werden direkt dorthin gebracht. Sie werden gewogen und der Zoll wird entrichtet. Dann dürfen sie nicht selten nur unter Beisein eines Maklers verkauft werden. Bevor er abreist, muss er ein Hausgeld entrichten. (Gallion in: Ochs/Zeilinger, S.20f)
Der jährlich eingesetzte Herr oder das Herrenkollegium über das Kaufhaus entstammt der kleinen Herrenschicht der Stadt, manchmal ist das wie in Basel ein Ehepaar, und unter ihm gibt es längere Zeit amtierende Schreiber, dann auch Makler, Waagemeister und Knechte, in Konstanz 1457 sind das 57 Personen. (Gallion, s.o., S.23) Es sind allesamt vereidigte städtische "Beamte". Die Makler dürfen selbst im Kaufhaus nicht Handel treiben.
Das Gebäude wird mancherorts auch (im ersten Stock) für Ratsversammlungen, Tanz-Veranstaltungen und andere Feste genutzt.
Kaufhäuser sind Instrumente städtischer bzw. stadtherrlicher Wirtschafts-Förderung, die sich als Protektionismus begreifen lässt, wie er dann bis zum Ende des (langen) Mittelalters zunehmen wird. Ein ganz frühes Beispiel ist 1282 das Oppenheim betreffende Verbot Rudolfs von Habsburg für Fremde, Schnitt und Verkauf von Tuchen zu betreiben, "der nur den Bürgern auf dem Oppenheimer Kaufhaus erlaubt sein" soll (Hippchen in: Ochs/Zeilinger, S.79).
Die Konzentration des Warenhandels an einer Stelle erleichtert zudem die Kontrolle durch die Stadt, die wegen des finanziellen Anteils an Abgaben, Zöllen und vielerlei Gebühren die Oberaufsicht über die Handelsgeschäfte behalten möchte. In Mainz werden einzelne Waren, bevor sie auf den Märkten verkauft werden, erst einmal wegen der Abgaben im Kaufhaus eingeschätzt. Dazu kommt dann oft auch die Qualitätskontrolle. Vieles davon leisten auch Tuchhallen, das Gewandhaus oder der Metzig usw. für den stadtinterneren Verkauf. "Im Kaufhaus war das Geschäft von Gast zu Gast, also zwischen den fremden Kaufleuten, verboten oder doch erschwert; der fremde Händler kaufte vom einheimischen oder umgekehrt.“ (Engel/Jacob, S. 144) Die Stadt wiederum bzw. der Stadtherr darf für die Nutzung des Kaufhauses Abgaben verlangen.
Kaufhäuser können auf stapelpflichtige Fremde konzentriert sein, aber auch dem Verkauf einheimischer Handwerker dienen. 1490 legt das Mainzer Domkapitel für die Binger Schuhmacher fest, dass es für jedes Zunftmitglied einen Stand gibt, und die auswärtigen Schuster und Lederhändler höhere Standgebühren bezahlen müssen. Wer nicht zur Schuhmacher-Bruderschaft gehört, darf nur noch im Kaufhaus verkaufen. (Hippchen in: Ochs/Zeiliger, S.74) In Koblenz verkaufen auch die heimischen Well- und Leinenweber im Kaufhaus, sowie die lokalen Verkäufer leicht verderblicher Lebensmittel wie Butter, Fleisch und Käse (s.o. S.76)
In Mainz dürfen Tuche auch außerhalb des Kaufhauses verkauft werden, und Eisen, Holz und Kohle werden im Kaufhaus nur verzollt bzw. im Falle des Eisens dort gewogen, aber in Hafennähe verkauft. Der Handel mit Wein (in Fässern) findet wegen der Menge nirgendwo in Kaufhäusern statt.
Kaufhäuser dienen den fiskalischen Interessen der Städte, also ihrer kleinen handelstreibenden Oberschicht vor allem, sie dienen aber auch der Friedenswahrung im Handel allgemein, indem dort Streitigkeiten per Schiedsgericht gelöst und Finanzierungen geregelt werden. Schulden werden ins Kaufhausbuch eingetragen und es wird für ihre Eintreibung gesorgt.
Straßburg hat Mitte des 14. Jahrhunderts rund 20 000 Einwohner. In seiner Straßburger Chronik schreibt Jakob Twinger von Königshofen:
Do men zalte nach Gotz gebürte 1358 jor, do wart daz koufhus am Saltzhofe gemaht, und wart die gewonheit erhaben, die men do inne haltet, und wurdent die
kouflüte betwungen, das sü iren koufmanschatz müssent drin füren. Wan vormols fuor ieglicher koufman mit sime koufmanschatz in weles hus er wolte, und geschach in dicke schade von stelende und
von andern dingen. (in: Ochs/Zeilinger, S.1)
Das Kaufhaus wird dann an der Ill errichtet. Im folgenden Jahr fragt der Straßburger beim Basler Rat nach, welche Zölle dort im Kaufhaus erhoben werden.
1364 entsteht ein Kaufhaus in Hagenau, 1370/80 in Colmar, wo es im ersten Stock auch als Rathaus dient. Hier amtieren auch der Ungelter, der Salzmeister und der Zoller. (Richard in: Ochs/Zeilinger, S.42)
Die ältesten Kaufhäuser von Basel sind die alte Waage,, das Salzhaus und der Ballhof. Kaiser Karl IV. erlaubt 1368 den Bürgern, von jedem Bündel, Ballen und Wollsack, der auf ihrem Gebiet den Rhein auf und ab ging, einen halben Gulden zu nehmen. Und 1373 versetzte Bischof Johannes von Vienne der Stadt die Zollfreiheit um 12'500 Gulden. Diese wertvollen Privilegien nutzt die Obrigkeit 1376/79 durch den Bau eines neuen Kaufhauses. Frühe baugeschichtliche Daten über das langgezogene, zweigeschossige und durch Arkaden und Höfe erweiterte Gebäude liegen nur wenige vor.
Auswärtigen Handelsherren ist das Einlagern von Waren in Herbergen und Bürgerhäusern sowie der Detailhandel in Basel verboten. Auch Basler Kaufleute müssen für das en gros Geschäft das Kaufhaus nutzen. Die Basler Handwerker haben ein Vorkaufsrecht auf ihre Rohstoffe, und zwar während 24 Stunden.
Unter den Kaufhausherren gibt es den Kaufhausschreiber. Er oder seine Frau, die mit ihm das Amt teilte, verfügen über den Eingangs-Schlüssel und führen Buch über den Eingang der Waren. Dazu kommen Unterkäufler, welche die eingetroffenen Waren an Kaufinteressenten gegen Provision vermitteln.
Um 1382 wird das dreigeschossige Überlinger Kaufhaus (Greth) direkt am Wasser mit Landemöglichkeit für Schiffe erbaut.
1375 hatte Karl IV. der Freien Stadt Konstanz ein weitgehendes Zollprivileg gegeben. 1387 beschließt der Rat der Stadt mit ihren etwa 6000 Einwohnern,
dass man ein Haus erbauen soll, darinne man den Walhen (Welschen) von Mailan und anderen frömden lüten ir gut Waren inne besorgt und behalt (lagern und verwahren soll, in: Ochs/Zeilinger, S.16).
Nach drei Jahren an Landungsbrücken erbaut, bietet es mitsamt dreier Dachböden 5000 Quadratmeter für Lagerhaltung und Verkauf. Nur hier dürfen nun Fernhändler ihre Waren anbieten, "Schmalz, Seife und Safran, Pfeffer, Pelze und Papier, Mandeln, Mühlsteine und Muskatblüten, Textilwaren aus Frankreich, Brabant, Venedig und der Lombardei. (...) Aus den Zolleinnahmen und Gebühren, die für jeden einzelnen Posten festgelegt wurden, ließ sich zu Beginn des 15. Jahrhunderts fast ein Drittel des städtischen Haushaltsaufkommens bestreiten." (Alles: Keupp/Schwarz, S.146)
Etwa in dieser Zeit erhält auch Freiburg die Verfügung über seine Zölle, und vor 1378 entsteht auch hier das Kaufhaus der nunmehr habsburgischen Stadt mit ihren etwa 8000 Einwohnern, und zwar aus der Verbindung dreier vorhandener Häuser miteinander. Erst Anfang des 16. Jahrhundert entsteht dahinter ein neues Gebäude.
Für 1403 ist ein Kaufhaus zu Worms belegt, eine Art Gehöft zusammenstehender Gebäude (Hippchen in: Ochs/Zeilinger, S.65). Zwischen 1410 und 1430 entsteht eins in Koblenz, um 1419 gibt es eins in Bingen. Im Mittelrheingebiet sind es oft Stadtherren, Grafen oder Fürsten, die Kaufhäuser in kleineren Städten initiieren. Entsprechend verlangt der Trierer Erzbischof für das Koblenzer Kaufhaus auch die Hälfte der Einnahmen (s.o., S.68), wiewohl die Gemeinde erheblich an Errichtung und Unterhalt beteiligt ist.
1505 fördert der Konstanzer Fürstbischof den Bau eines Kaufhauses in Meersburg, wofür er dort privilegiert wird. Bald wird er dort das Schloss zu seiner Residenz machen.
Messen
Im 13. Jahrhundert kommt es zu einem Konzentrationsprozess im Messegeschehen, zunehmend von der Politik gefördert. Alte Jahrmarktsorte verlieren an Gewicht, in deutschen Landen gewinnen zentrale Messen wie in Frankfurt, Nördlingen oder Donauwörth an Bedeutung. Die niederrheinischen Messen konzentrieren sich auf Köln mit seinem Stapelzwang, die vielen ostenglischen auf London hin, wo schon im 12. Jahrhundert Kölner Kaufleute auftauchten und 1281 der Stalhof der Hanse eingerichtet wird.
Der Niedergang der Champagnemessen fördert die Konzentration der flämischen Messestandorte auf Brügge, wo sich die flämische und seit Mitte des 13. Jahrhunderts auch die deutsche Hanse niederlässt. Seit 1277 beginnt dann die Schiffahrt um die iberische Halbinsel von und nach Genua, die allerdings erst im 14. Jahrhundert langsam zunimmt.
Anfang des 14. Jahrhunderts "verlegte sich Brügge auf eine passive, die Handelsaktivitäten fremder Firmen und Kaufleute fokussierende Marktfunktion." (Fuhrmann in Dirlmeier, S.187), wobei die Geldgeschäfte in italienischer Hand sind.
Der Aufstieg des Messe-Standorts Antwerpen seit 1315 wird 1356 kurzfristig durch die flämische Annektion von Brabant unterbrochen. Aber ab 1380 erhält die Stadt das Monopol auf den Verkauf englischer Tuche und und steigt nun unaufhaltsam auf. Daneben entwickelt sich Bergen-op-Zoom zum Messestandort.
Um 1455 schreibt der weitgereiste Kastilier Pero Tafur seine Erinnerungen von 1339 an Antwerpen nieder. Wie ein rechter Tourist interessiert er sich vor allem für die Luxusgüter der dortigen Messe:
Ich habe andere Messen gesehen, bei Genf in Savoyen, Frankfurt in Deutschland, bei Medina (del Campo) in Kastilien, aber all diese lassen sich nicht mit derjenigen in Antwerpen vergleichen. (...) Alle Arten von Bildern werden im Kloster des hl. Franziskus verkauft; in der St.Johanneskirche preist man Stoffe aus Arras an; in einem Dominikanerkloster allerhand Goldschmiedearbeiten, und so werden verschiedene Gegenstände unter den Kirchen und Klöstern verteilt und der Rest in den Straßen verkauft. Außerhalb der Stadt vor einem der Tore verläuft eine breite Straße mit großen Ställen und anderen Gebäuden auf beiden Seiten. Hier verkaufen sie Gäule, Traber und andere Pferde, das ist ein bemerkenswerter Anblick. (usw., in: Spufford, S.37)
Die Frankfurter Messe vermittelt innerdeutsch vor allem zwischen Nord und Süd und besonders im Metallwaren- und Tuchhandel. Darüberhinaus ist es die Mitte der Achse Antwerpen-Venedig, was vor allem Kölner und Nürnberger Kaufleute anzieht, nachdem die Kölner Messe in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts aufgegeben und durch Stapelrecht ersetzt wird. Venedig nimmt inzwischen den ersten Platz im Levantehandel ein.
Nachdem die Messe zu Frankfurt früher vor allem Agrarprodukte verhandelte, weitet sich ihr Angebot und die Nachfrage aus ferneren Gegenden aus. Von weither kommende Gewürze, Eisenprodukte und Tuche und Textilien werden wichtiger, und für letztere wird ein Leinwandhaus erbaut. Es entsteht eine "Großhändlermesse auf kapitalistischer Basis", wie Ernst Schubert das nennt. (Einführung, S.156)
Königliche Privilegien unterstützen das Messewesen, und der Frankfurter Rat dehnt das städtische Geleit bis Aschaffenburg, Oppenheim und Gießen aus. (s.o.)
"Es war ein 'Muss' zumindest für die deutschen Kaufleute, in Frankfurt vertreten zu sein und an dem feingesponnenen System aus Warenhandel und Zahlungsausgleich teilzunehmen. Der Absatz der Waren war auf die Messen ausgerichtet, die Begleichung der Schulden darauf terminiert. Bedeutende Kaufleute wie Matthäus Runtinger aus Regensburg finanzierten um 1400 ihre Einkäufe auf der Frankfurter Messe zwar noch mehrheitlich mit Bargeld, (rund 67 Prozent), sie gebrauchten aber auch ausstehende Wechsel und Forderungen." (Fuhrmann in Dirlmeier, S.189)
Vom Niedergang der Champagnemessen profitiert auch Chalons-sur-Saône, bis es im Gefolge des Hundertjährigen Krieges nach 1360 durch Genf abgelöst wird.
Einen zentralen Rang hat die Messe von Genf mit starker italienischer Beteiligung als Mittlerin zwischen Nord und Süd wie schon zuvor die Champagnemessen. Bis Ende des 14. Jahrhunderts entwickelt es sich zu einem zentralen Handels- und Finanzmarkt mit starker Anwesenheit florentiner Banken und Seidentuchhändler.
1419 beginnt die französische Krone mit der Etablierung von zwei Messen in Lyon gegen Genf zu konkurrieren. 1462 verbietet der französische König den Transport von Waren zu den Genfer Messen und fördert im folgenden Jahr vier zeitgleiche Messen in Lyon. Händler bekommen Handelsfreiheit, Freiheit im Wechsel-Verkehr und bei Zöllen und anderen Abgaben zugesagt. Darunter leidet nicht nur Genf, sondern auch der Finanzplatz Avignon.
Es kommt zur Abwanderung der italienischen Firmen aus Genf dorthin. Unter Louis XI. (1461-83) ist Lyon das Zentrum des französischen Wirtschaftslebens und Anfang des 16. Jahrhunderts erreicht es dieselbe Bevölkerungszahl wie Florenz. Gehandelt werden dort vor allem Wolltuche aus England und den Niederlanden, Seidentuche aus Italien, Gewürze aus der Levante und andere Luxusgegenstände.
An zentralen Handels- bzw. Messestandorten treffen sich Makler zwischen Käufern und Verkäufern, Geber und Nehmer von Krediten, Transportunternehmer und Versicherer zunächst zu bestimmten Tageszeiten. Das findet im 14. Jahrhundert zuerst auf bestimmten Plätzen statt wie der Piazza dei Banchi in Genua, die Placa dels Canvis de la Mar in Barcelona und der Place du Change in Lyon. In Brügge herrscht der Sonderfall, dass Makler das Monopol auf die Vermittlung von Handelsabschlüssen haben, und sie treffen sich auf dem Platz, an dem eine Herberge der Maklerfamilie van der Buerse liegt. Diese wird zum Konsulat der Venezianer, und a, selben Platz liegen auch die der Florentiner, Genuesen und nahe bei der Lucchesen. Makler "trafen sich in den überdachten Säulengängen vor dem florentinischen Haus, um nicht vom Verkehr doer durch Regen gestört zu werden." (Spufford, S.38)
Schon 1322 gibt es mit der Loggia dei Mercanti in Venedig und 1392 mit der Lonja in Barcelona die ersten festen Häuser dafür mit überdachten Säulengängen. Als 1517 die Stadt Antwerpen ihr erstes Börsen-Gebäude errichtet, geschieht dies nach dem Brügger Börsenplatz mit einem quadratischen Gebäude mit einem großen Innenhof.
Eine Besonderheit stellt der Hanseraum dar, der einmal Messen aufgrund seines ausgefeilten Netzwerkes kaum braucht, andererseits auch nicht möchte, weil sie Einfallstor hichthansischer Kaufleute wären. Köln mit seinem Stapelrecht forciert seinen Ausbau als Messestandort nicht so weit, wie es dazu privilegiert wird, und ansonsten müssen die Messen auf Schonen geduldet werden, aber möglichst nur insoweit, als dort Hering verhandelt wird.
"Welt"handel und Vernetzung
Welthandel ist der Handel (über mehrere Stationen) über die für Europäer bekannte Welt hinweg, und es gibt ihn, wo er nicht von Machthabern gestört wird, spätestens seit der Antike. Von dieser Welt sind die beiden Amerikas, Australien und Neuseeland ausgeschlossen, der atlantische und pazifische Raum, dessen Kulturen und heimische Zivilisationen erst seit dem 15. Jahrhundert von Europa aus zerstört werden, um diese Gegenden der Welt ausplündern zu können.
Im späten Mittelalter reicht der Welthandels-Raum immerhin von China bis Portugal und von den britischen Inseln, Skandinavien und Archangelsk bis Kernarabien und den größten Teil Afrikas.
Davon zu unterscheiden ist aber der übliche Aktionsradius von Handelskapital des lateinischen Abendlandes, der im Mittelalter mit dem Mittelmeerraum das bei weitem größere Handelsvolumen hat, Selbst in seinen besten Zeiten verhandelt Lübeck höchstens halb so viel Waren wie Venedig.
Historiker gehen schon lange von drei großen Phasen des Warenumfangs lateinisch-abendländischer Händler aus. In der ersten, vom 10. bis etwa zum Anfang des 14. Jahrhunderts gibt es einen nur wenig unterbrochenen allgemeinen Aufschwung, danach einen massiven Abschwung bis Mitte des 15. Jahrhunderts, durch Seuchen mitverursacht und von einem enormen Bevölkerungsrückgang begleitet. Mitte des 15. Jahrhunderts setzt dann erneut ein langanhaltender Aufschwung ein: Die Städte wachsen wieder und mit ihnen der Handel.
Bis zur spanischen und äußerst gewalttätigen Eroberung der Kanaren im 15. Jahrhundert findet keine Kolonisierung statt, wie wir sie seitdem kennen, sondern einmal das Zusammenspiel europäischer Fernhändler mit solchen aus Asien, dem Orient und aus Afrika, was aber diese Weltgegenden noch kaum beeinflusst, und zum anderen das vor Ort erwünschte Etablieren von Handelsstationen in fremden Machtbereichen, wie sie um das Mittelmeer, das Schwarze Meer und die Nord- und Ostsee entstehen.
Soweit der Handel lateinisch-abendländischer Kapitaleigner reicht, erschließt er sich zur See wie auf dem Land immer neue Transportwege, zur See vor allem, seitdem Schiffsbau und Navigation Schiffahrt auf hoher See ermöglichen, über Land durch die Nutzung von Flüssen und die kontinuierliche Verbesserung von Wegen hin zu Straßen, den Ausbau alter Straßen, die Anlage neuer und den Brückenbau.
Auf diese Weise wird das lateinische Abendland bis ins 15. von einem immer engeren und funktionsfähigeren Netzwerk von Transport- und Reisewegen durchzogen, während die dorthin weisenden Wege von außen deutlich spärlicher vorhanden und weniger nutzerfreundlich sind. Wir sind aber noch weit entfernt von jener Parzellierung von großen Teilen Europas durch immer weniger überquerbare breite Autostraßen, die nun wiederum Brücken erfordern und Kulturräume mit ihren schwindenden natürlichen Restbeständen ebenfalls immer weiter verkleinern und parzellieren.
Diese immer engere Vernetzung der zunehmend kapitalistischen Welt hat als Parallele die persönliche Vernetzung über den Handel, die im Verlauf des Mittelalters diejenigen, welche Kirchen und Klöster seit dem 10. Jahrhundert bilden, bei weitem übertrifft. Großen Firmen gelingt es im Laufe dieser Zeit, Niederlassungen überall auf diesem Teil des Kontinents zu etablieren und zum Teil sogar darüber hinaus. Handelspartner stehen über hunderte oder tausend Kilometer hinweg dem Händler interessemäßig näher als der Handwerker in seiner Nachbarschaft.
"Hildebrand Veckinchusen brachte es nach Auswertung von zwei seiner elf überlieferten Handlungsbücher zwischen 1400 und 1420 zu rund 1100 Personen auf mehr als einmalige Handelskontakte. Seine Geschäftspartner saßen in dem Raum, der sich von Dorpat (Tartu) im Osten bis La Rochelle im Westen, von Reval (Tallinn) im Norden bis nach Lucca im Süden erstreckte." (Hanse, S.101)
Handels- und Finanzkapital lernen schnell, nicht in Herrschaftsräumen, Sprachräumen und Räumen unterschiedlicher Lebensverhältnisse zu denken, sondern in Investitionsmöglichkeiten und Kapitalrenditen. Nicht der abhängige Arbeiter, sondern der Kapitaleigner "kennt kein Vaterland", nämlich da, wo es darum geht, sein Kapital zu vermehren. Hier irrten Marx und insbesondere Lenin.
In seinen Anfängen seit dem 10. Jahrhundert steht Kapital zunächst ohnehin dem jeweiligen Herrn nahe, von dem es als Kunde oder Rechte Gewährender jeweils abhängt. Auch wenn sich der Groß-Handel dann von dieser Abhängigkeit befreit und auch mehr breitere Kreise bedient, so wird er doch weiter die Nähe von Fürsten und anderen Herren suchen, die er zumindest im Bereich des Luxuskonsums als Kunden braucht. Neben die Vernetzung mit der politischen Macht tritt in der Stadt und ihrem Umfeld zumindest die mit hohen Kirchen und reicheren Klöstern, ebenfalls Abnehmer von Luxuswaren. Sobald das gelingt, werden Kinder auch dort plaziert, die als Erwachsene dann Teile solcher Einfluss schaffender Netzwerke werden.
So wie Könige, Fürsten und statusgleiche Adelige unter sich bleiben, so auch das statusähnliche große Kapital, welches allerdings dann zu Rentiers-Patriziat und Landadel aufschließen möchte, um es schließlich oft an Reichtum zu überholen. Die Netzwerke des größeren Kapitals trennen dieses von nicht kapitalisierter produktiver und distributiver Selbständigkeit in der Stadt so, wie der Adel sich von diesem abtrennen möchte. Solidarisch mit seiner Stadt ist großes Kapital nur soweit, wie es diese regiert und daraus Profit schlagen kann. Ansonsten ist Kapital nicht einmal lokalpatriotisch, wie es immer dort beweist, wo es seinen Standort wechselt.
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Der Warencharakter der "Welt" (in Arbeit)
Bevor etwas zur Ware werden kann, muss es Eigentum sein. Solches lässt sich schon für Steinzeitmenschen vermuten, und es nimmt in Zivilisationen deutlich zu. Frühes Eigentum ist zunächst solches an Land und allem, was dazu gehört, und solches an Produktionsmitteln. In den Jahrtausenden der Entwicklung hin zu unserer Schwellenzeit ist das Land im Raum des zukünftigen Kapitalismus zum kleinen Teil Privateigentum geworden, zum größten Teil ist es Verfügungsmasse großer Herren, denen selbst terra incognita sogenannter Wüsten, also von Naturräumen, zusteht. Mit zunehmendem Marktgeschehen nimmt nun auch die Vermarktung des Landes zu, es wird also potentiell zur Ware auf einem Immobilienmarkt, ähnlich wie die Häuser in der Stadt. Es kann dabei auch bereits kapitalisiert werden.
Damit wird der Zugang zu dem Land, auf dem der Mensch leben möchte, auf Erbe, Geschenk, Leihe oder Kauf reduziert. In der Stadt, in der die Entwicklung des Kapitalismus vorangetrieben wird, gilt für die Behausung dasselbe wie für den Grund und Boden: Alles ist schon vergeben und erben, kaufen oder mieten die Möglichkeit, Zugang zu bekommen. Indem geistliche wie weltliche wohlhabendere Herren sich nicht nur in Immobilien an Grund und Boden, sondern auch wie größeres Kapital in städtische Wohngebäude einkaufen, erhält das schiere Wohnen immer mehr Warencharakter: Mieten steigen und fallen mit den Konjunkturen.
Nach dem 10. Jahrhundert wird es immer unwahrscheinlicher, dass man von Garten und Kleinvieh in der Stadt leben kann, man muss also Lebensmittel zumindest zukaufen. Zudem wird die Bekleidung immer mehr zu einer Ware. Gehört man zum großen Bevölkerungsteil der Handwerker, kommt noch der gelegentliche Kauf von Produktionsmitteln hinzu. Im späten Mittelalter haben diese Kaufakte auf dem Waren-Markt bereits massiv zugenommen und damit der Geldbedarf der Menschen. In geringerem Umfang gilt das alles auch für die Menschen auf dem Lande, die bäuerlichen Produzenten.
Die städtische Welt ist also durch und durch von Warenbeziehungen geprägt, wobei ein großer Teil der Bevölkerung noch grundsätzlich selbständig wirtschaftet: Als Handwerker, Krämer, Fischer usw., der allerdings der städtischen Obrigkeit, deren Geldbedarf und seinen Machtvollkommenheiten bereits unterworfen ist.
Wenn man diese Sphäre von Selbständigkeit als Raum einer gewissen Privatheit im ursprünglichen Wortsinn bezeichnet, so gilt das noch mehr für den Raum der Familie, in dem der pater familias noch in einem Maße relativ frei schalten und walten kann, wie es heute in Europa undenkbar wäre. Voraussetzung dafür ist die Aufteilung der Frauen in Jungfrauen, Ehefrauen (bzw. Witwen) und Huren. Mit dieser Aufteilung erhält der Körper der letzteren Warencharakter, damit der der ersteren davon bis auf die modische Andeutung eines solchen als individuelles Machtmoment davon verschont bleibt.
Für Bauern und Handwerker gilt zweifellos Direktvermarktung als der wirtschaftliche Königsweg. Der Bauer reist auf den Markt, der Handwerker lässt seinen Laden an seiner Werkstatt herunter, lädt in diese ein oder hat einen Stand oder eine Bude auf dem Marktplatz. Hier ist die unmittelbare Verbindung vom Produzenten zum Konsumenten noch gegeben. Die Zukunft gehört aber den Waren, die durch die Hände mehrerer Produzenten, Händler und Transporteure gehen, so dass weder die verbrauchte Arbeit noch das investierte Kapital mehr erkennbar sind. Hier ist der prospektive Konsument nur noch mit einem Gegenstand und dem Endverkäufer konfrontiert, so wie in der uninformierten Betrachtung auch Kapital als Gegenstand samt Eigentümer dasteht und nicht als Vorgang. Das ist eine ganz wesentliche Voraussetzung für den sich bis heute immer mehr entfaltenden Konsumismus, zu dessen wesentlichen Voraussetzung auch die Unkenntnis "wirtschaftlicher" Zusammenhänge beim Massenkonsumenten gehört.
Welcher Warenkonsum führt Kapitalismus in seine frühe Blüte? Soweit ich bisher sehen kann, ist der Luxuskonsum weltlicher und geistlicher Herren nur der Ausgangspunkt, hätte aber so wenig gereicht wie der Massenkonsum an Lebensmitteln, Bekleidung, Wachs und Wein größerer Klöster. Es kann nur der Konsum in den in deutschen Landen vergleichsweise kleinen Städten zwischen 1000 und 20 000 Einwohnern sein, der das Wachstum des Gesamtkapitals bis ins 14. Jahrhundert und dann wieder ab dem 16. hervorbringt. Wenn drei in Riga für Brügge beladene Schiffe 1405 "neben Wachs und Leinen zusammen 450 000 Pelze geladen" haben (Hanse, S.149), dann gehen sie zwar von dort zum Teil quer durch Europa, sind aber auch nur ein Teil des Pelzhandels aus dem Nordosten und darum nicht alleine für eine sehr kleine Gruppe von Luxuskonsumenten bestimmt. Dabei sind es die bis ins späte Mittelalter zunehmenden Freiheiten von Produktion und Handel, das Zusammenspiel verschiedenster Privilegien, welches jenes Wachstum hervorbringt, welches als steigender "Wohlstand" wahrgenommen wird, einem allerdings immer wieder durch Krisen mehr oder weniger unterbrochenen.
Der öffentliche Raum entwickelt sich also zu einem fast uneingeschränkter Käuflichkeit, und wie sehr er das ist, offenbaren die Predigten der Bettelmönche auf dem Markt, Zentrum der Käuflichkeit, bis auf ihm oder in seiner Nähe im späten Mittelalter das Kaufhaus aufkommt. Inzwischen hat sich die Religion der Christen in genau dieselbe Richtung entwickelt: Man gibt der Kirche, dem Kloster, den Armen und erkauft sich so das Himmelreich und erspart sich so die Höllenqualen. Das entwickelt sich bis zum Kauf von Wechseln, Ablassbriefen, die man nach dem Tod quasi an der Himmelspforte einreichen kann, um höchsten Kredit zu erlangen.
Wenn spätestens im 12. Jahrhundert Klagen darüber beginnen, dass die Menschen (zumindest in der Stadt) käuflich seien so wie alles, was auf den Märkten feilgeboten wird, so lässt sich das am besten bei den hohen Herren geistlichen wie weltlichen Standes erkennen, die nicht nur in mehr oder weniger feudalrechtlichen Strukturen agieren, sondern vor allem in kapitalistischen, die sie ungeniert nutzen. Privilegien, also das, was sie als Recht gelten lassen, werden immer häufiger und immer teurer verkauft und machen bei römischen Königen und deutschen Fürsten einen immer größeren Teil ihrer Einkünfte aus, ebenso wie beispielsweise auch beim Papsttum und der Kirche.
Der Käuflichkeit von Recht entspricht die von Ämtern und Status. Nicht nur in das städtische Bürgerrecht muss man sich einkaufen, sobald es existiert, sondern auch gelegentlich in den Fürstentitel. Selbst das Erringen des Königtums muss zunächst durch geldwerte Versprechungen an die Fürsten und dann auch durch immer höhere Bestechungssummen erkauft werden.
Nun ist die Korruptheit der Herrenmenschen (zu denen sich bei uns inzwischen die Frauen gleich korrupt eingereiht haben) wohl ein Kennzeichen aller Zivilisationen. Aber ihr Maß steigt unter kapitalistischen Bedingungen immer weiter an. Das betrifft dann auch die Karriere in der Verwaltung der Städte, die im wesentlichen dem eigenen wirtschaftlichen Fortkommen und dem von Kollegen dient, wobei nur extrem rabiate Formen von Korruption überhaupt bekannt und dann allerdings harsch geahndet werden. Sich als bürgerlicher Machthaber erwischen zu lassen, gilt als den Interessen der Kollegen diametral widersprechend. Darin sind die Mächtigen in der Stadt von ihren hochadeligen und fürstlichen Kollegen deutlich unterschieden. Man muss dabei sehen, dass politische Machtausübung auf solcher Ebene nicht wie heute hoch und weit über dem Einkommen der Masse der Bevölkerung alimentiert wurde, sondern "ehrenamtlich" war und seine finanziellen Interessen anderweitig einlösen musste.
Käuflich ist also nicht nur die Hure und der Lohnarbeiter, der sich auf einem Markt oder am Rande des Dorfes als Tagelöhner oder für saisonale Erntearbeiten oder große Bauprojekte feilbietet und dessen Arbeit bzw. schiere Arbeitskraft so Warencharakter erhält, Käuflichkeit wird vielmehr in der Praxis zur Selbstverständlichkeit für so ziemlich alles einschließlich der Menschen.
Damit verschwindet nicht nur die Macht der (christlichen) Religion im Alltag, die quasi auf enge Räume eingeschränkt wird und nur dort entsprechend demonstrativ zelebriert wird, sondern es verschwinden in der Stadt zumindest auch die Reste kultureller Relikte, die zu Folklore und Esoterik verkommen.
Wenn jemals in der Geschichte der Menschheit von einer Revolution die Rede sein könnte, dann wäre es diese Umwertung aller Werte, die mit der Entstehung des Kapitalismus beginnt und seitdem zu unentwegten Kriegen zwischen tatsächlich und nur noch nominell religiös bestimmten Machtbereichen führt, wie noch heute zwischen den islamischen Terrordiktaturen und den nur noch von politischen Ersatzreligionen bestimmten "Demokratien" als schieren Agenturen von Kapitalverwertung. Aber zwischen Scylla und Charybdis findet sich auch heute kaum jemand, der sich solchen Extremen entziehen möchte oder auch nur kann.
Der neue Mensch des Kapitalismus entsteht nicht wesentlich durch Gewalt in eine solche Richtung, auch nicht wesentlich durch Propaganda, sondern durch die Optionen, die seiner ihm innewohnenden und durch Kapitalismus entfesselten Gier entspringen, einer natürlichen Regung, die durch den immer orientierungsloser werdenden Geschlechtstrieb noch angeheizt wird. Die Faszination eines sich immer mehr ausweitenden und immer innovativeren Warenangebots wirkt wie eine Erlösung aus seiner psychisch krisenhaften Existenz, als Betäubungsmittel und sinnstiftendes Lebensziel. Daran ändert auch nichts, dass die Masse der Menschen im kapitalistischen Mittelalter nur bescheidenen Zugang zu dieser wundersamen Warenwelt hat, der Blick ist fast immer nach oben gerichtet, auf die wohlhabenderen und mächtigeren Zeitgenossen, die meist als bewundernswürdige Leitbilder wirken, wie auch heute noch. Mehr Warenkonsum als Perspektive bestimmt das Leben, wo immer möglich.
Die Ausweitung des Warenangebotes: Konsum (in Arbeit)
Nichts macht den Warencharakter von damaliger "Welt" den Menschen deutlicher und einladender als das im Vergleich zu früher enorm und immer schneller auch qualitativ sich ausweitende Warenangebot.
Das Angebot durch den Handel nimmt zu, weil es mehr Menschen, die produzieren und kaufen gibt, die dabei mehr Geld haben, wobei größere Marktplätze für sie immer näher rücken. Die Vernetzung der Welt gibt Händlern immer mehr Kenntnisse über die Nachfrage vor Ort, und dies ist im wesentlichen städtische Nachfrage, denn das Konsumniveau des bäuerlichen Landes, der meisten Menschen nimmt nur ganz, ganz langsam zu und bleibt für dne einzelnen Haushalt gering. Die Integration der bäuerlichen Produzenten geschieht nicht wesentlich durch den Konsum, sondern durch die kapitalgetriebenen Strukturveränderungen.
Das Massensterben verringert in den betroffenen Städten nicht nur die Schar der Konsumenten, sondern auch die der Konkurrenten um Konsumgüter. Diese werden dadurch für eine gewisse Zeit billiger, was nicht nur Getreide, sondern auch Fleisch und gelegentlich Textilien betrifft. Das Massensterben erhöht soweit das Konsumniveau in den Städten nach dem jeweiligen Abklingen der Seuche. Dazu steigt nach dem Schrecken für die Wohlhabenderen der Luxuskonsum als Reaktion.
Das Massensterben des 14. Jahrhunderts verringert in den betroffenen Städten nicht nur die Schar der Konsumenten, sondern auch die der Konkurrenten um Konsumgüter. Diese werden dadurch für eine gewisse Zeit billiger, was nicht nur Getreide, sondern auch Fleisch und gelegentlich Textilien betrifft. Das Massensterben erhöht soweit das Konsumniveau in den Städten nach dem jeweiligen Abklingen der Seuche. Dazu steigt nach dem Schrecken für die Wohlhabenderen der Luxuskonsum als Reaktion.
Bleiben wir in den besser dokumentierten Städten. Die Ernährungsbasis geht von angereichertem Getreidebrei auf Brot über, und das Angebot diversifiziert sich mit spezialisierten Bäckern. So häufig wie sie sind Metzger/Fleischer dokumentiert, was einen deutlichen Anstieg des Fleischkonsums zeigt. Rindfleisch kommt auch aus immer ferneren Gegenden. Auf den Märkten tauchen immer mehr Obst und Gemüse aus dem Umland auf. Wer nicht selbst Bier braut, kauft es vor Ort, in manchen Regionen hat Wein den Vorrang. Beide werden im späten Mittelalter auch aus fernen Gegenden geliefert, und wer es sich leisten kann, achtet nun auf qualitative Unterschiede und kauft nicht das billigste. Nach und nach werden einige wenige Luxuswaren wie Pfeffer für viele erschwinglich.Durch den massenhaften Fernhandel von Fisch in konservierter Form wird er zum einen erschwinglicher, zum anderen gibt es ein vielfältigeres Angebot, auch wenn Hering und Stockfisch nördlichd er Alpen dominieren mögen.
Das Preisniveau schwankt stark und jede Generation erlebt neben Kriegszeiten auch solche anderer Formen von Teuerungen und Not, von reduziertem Angebot. Die Ernährung ist Frauensache wie die Mitarbeit im Betrieb. Die Handwerkersfrau geht also einkaufen, so wie die Magd feinerer Leute, und in der Ernährung wird auf breiter Ebene weibliches Konsumverhalten eingeübt, das bei der Masse der Städter vor allem von Sparsamkeit gekennzeichnet sein dürfte, aber auch von Faszination über das langsam zunehmende Angebot verschiedener Waren.
Anders ist es mit dem Konsum von Bekleidung, allerdings wohl auch mehr in Frauenhand, auch wenn männliches Interesse, in sexueller wie statusmäßiger Hinsicht, im Tragen der Kleidung seine Wichtigkeit hat. Dabei gibt es für die meisten Leute eine Basisbekleidung, die sowohl vor dem Wetter schützen wie den jeweils gängigen Geboten der Körperscham dienen soll.
Aber schon in Art und Qualität der Tuche gibt es immer größere Unterschiede, die sowohl den Bekleidungszweck wie die Eitelkeit und den Machtprotz betreffen und sich nach dem Geldbeutel und ein wenig auch nach spätmittelalterlichen Bekleidungsverordnungen richten. Alleine für Hildebrand Veckinchusen ist für Anfang des 15. Jahrhunderts dokumentiert, dass er 16 Arten von Tuchen aus 36 Herstellungsorten gehandelt hat, so wie 31 verschiedene Sorten von Pelzwaren. Natürlich ist ein Großteil der Waren für den Geldbeutel der meisten Städter eher unzugänglich, aber die Verordnungen lassen erschließen, dass viele ihren Geldbeutel vor allem für solche Zurschaustellung der eigenen Person gelegentlich überstrapazieren.
Anders als Lebensmittel werden hier wie bei Produktionsmitteln eher selten Einkäufe getätigt, dafür sind die Waren dann lange am Menschen zur Schau gestellt und der Einkauf dürfte so frühes Hochamt eines aufkommenden Konsumismus sein, also von Konsumverhalten jenseits jeder naturgegebenen Notwendigkeit. Dazu gehört, dass fast generell die Leitbilder für eigenes Konsumverhalten die Reichen und Mächtigen sind, gegen die sich wenig eigener "Geschmack" entwickelt. Auf diese Weise kommt es zur Konkurrenz um die Zurschaustellung des Körpers selbst - einmal durch an entscheidenden Stellen enganliegende, sexualisierte Bekleidung und zum anderen durch immer neue Anläufe zur (im Vergleich zu heute minimalen) Entblößung.
Für die meisten Städter ist der Einkauf von Tuchen bzw. Kleidung beim Schneider ein seltenes Ereignis, da die Stoffe lange halten müssen. Die sich für edler haltenden Kreise haben Tuchreserven im Haus und lassen sie schon im Hochmittelalter von Mitgliedern des Haushaltes zu Kleidung verarbeiten.
Wo man keine Holzschuhe trägt, sondern solche aus Leder, müssen sie öfter ersetzt werden.
Der aufkommende Konsumismus als vierter Motor der Kapitalbewegungen auf der Konsumseite ist für die meisten noch weniger alltägliche Praxis als vielmehr vor allem eine zunehmende Erwartungshaltung. (Erster Motor waren Luxusbedürfnisse hoher Herren gewesen, zweiter daneben ihr Geldbedarf, dritter die massenhafte Befriedigung von Grundbedürfnissen). Aber er gewinnt an Bedeutung. Im späten Mittelalter ist der Spaziergang zu den Marktplätzen, den heruntergelassenen Läden der Krämer und Handwerker und das Gespräch mit ihnen bereits als frühe Form dessen möglich, was im Englischen heute als window-shopping bezeichnet wird. Auch wenn das selten dokumentiert ist, dürfte es einen Aspekt der Faszination der Städte für die Landbewohner ausmachen und deren mehr oder weniger "legalen" Zuzug befördert haben. Man muss sich nur einmal vorstellen, was damals das regelmäßige Beäugen und Beschnuppern von zehn und mehr Gewürzen bei Spezereien-Krämern für Gefühle auslösen kann, oder das von ultramarinen konservierten Früchten wie Feigen, Datteln, Rosinen, Mandeln.
Konsum ist naturgegebene Lebensnotwendigkeit, Konsumismus ist auch ganz wesentlich Kompensation für die Mühen und Leiden des Alltags, zunehmend Ergänzung religiöser Sinnstiftung bis zu dessen Verdrängung. Da der Händler das weiß, ergänzt er den Nachfrage-orientierten Kapitaleinsatz durch den des sich erweiternden Angebots. Man muss sich nur das Faszinosum der bis dato eher unbekannten orientalischen Teppiche nach den ersten Kreuzzügen vorstellen, oder das für weitere Kreise sichtbare der ersten gläsernen (Butzenscheiben)Fenster und das immer neuer Gewürze, Pelze und immer geschmeidigerer Lederarten. Das Risiko, immer neue Waren aus fernen Ländern versuchtsweise anzubieten, ist nie ausgeschlossen, aber meist geringer als das von Raubüberfällen oder Schiffsbrüchen.
Auf der Angebotsseite liefern jeweils Schiffe, Schiffskonvois und Karawanen über Land meist nicht eine Ware, sondern eine große Vielzahl von ihnen. Großes Handelskapital lässt zunehmend auch die Beiladung kleinerer Kapitaleigner und gelegentlich sogar von solchen zu, die nur ihre geringen Ersparnisse als Nebenverdienst einmal kapitalisieren wollen. Dabei können schon auf das einzelne größere Kapital oder das einer Gesellschaft verschiedenste Waren transportiert werden, die man gerade vor Ort einkaufen kann bzw. schon bestellt hat. Zu den Neuigkeiten, die dabei mittransportiert werden, gehören nicht selten neuartige Waren oder wenigstens die Nachricht von ihnen.
Vom Konsumismus praktisch völlig ausgenommen ist das Warenangebot an Werkzeugen und Rohstoffen für deren Einsatz. Werkzeuge sind meist teuer und müssen lange halten, und eben auch für die Arbeit taugen. Rohstoffe zur Werkzeugproduktion und für den Transport zum Beispiel, wie das Holz für den Küfer, oder anders das Eisen für Drähte, Waffen und Rüstung werden nach intrinsischer Qualität ausgesucht und müssen ständig nachgekauft werden. Ein wichtiger Teil hoch- und spätmittelalterlicher Produktion fällt zumindest in der Masse damit aus so verstandenem Konsumismus heraus.
***Rohstoff, Halbfabrikat, Fertigprodukt***
Wenn gerade vom Übergang von einfachem Warenkonsum hin zu "Konsumismus" zumindest als Erwartungshaltung gesprochen wurde, so betrifft dieser überhaupt nur einen Teil der gehandelten Waren, denn nicht nur Werkzeuge und allgemein das, was Marx als "Produktionsmittel" führt, ist davon ausgeschlossen, sondern es sind auch reine Rohstoffe und Halbfabrikate, die einen großen Teil des regionalen und überregionalen Handels ausmachen.
Der Handel hat also drei Arten von Endabnehmern: Den Massenkonsumenten von Nahrungsmitteln und Bekleidung, den gewerblichen Produzenten, der Rohstoffe und Werkzeuge ge- und verbraucht und im weitestens Sinne auch Konsument ist, und den adeligen und fürstlichen Konsumenten, der viel verbraucht und im Verlauf des Mittelalters immer mehr seinen Status durch Verschwendung vorzeigt. Darüber hinaus gilt das Verschenken von wertvollen Gütern (Waren) ebenfalls als Status und Macht fördernd. Diese Herren (und Damen) sind also die frühesten Modelle für massiven Konsumismus, wobei dieser weniger kompensatorisch wirkt als dann bei den Imitierern unter ihnen.
Tatsächlich profitiert der Handel nicht nur von der Produktion, wobei er dafür sorgt, dass diese weniger profitabel bleibt, sondern er "kurbelt" diese auch an, indem er ihr immer mehr und immer verschiedenere Rohstoffe und Halbfabrikate zuführt. Der Getreidehandel, nun wieder wie in der Antike oft auch aus größerer Ferne, befördert das sehr spezielle Handwerk des (Getreide)Müllers, eines oft sehr unselbständigen Handwerkers oder besser Betreibers einer Großmaschine, und den Bäcker, der den früher fast allgegenwärtigen Getreidebrei durch Brote ablöst. Der Viehhandel von Ochsen und Schafen, durch Viehtrieb aus immer ferneren Regionen bedient die Metzger, und erst bei ihnen kommen immer mehr städtische Konsumenten mit dem Fleisch als Konsumware in Berührung.
Dasselbe gilt zum Beispiel auch für alle Metallwaren, die vom Erz über das jeweilige Rohmetall durch viele spezialisierte Arbeitsgänge zum Handwerker kommen, der erst die Ware für den Konsumenten herstellt. Diese wiederum ist oft Produktionsmittel, zum Beispiel in der Küche der Hausfrau oder Dienstmagd, als Nadel beim Schneider und als Hacke beim Bauern.
Der Markt kennt also viele Stationen, bis es zum Konsumgut kommt. Seitdem die flämische Tuchpoduktion im hohen Mittelalter zu englischer Wolle übergeht, werden in ihrer Region nur noch die Färbemittel Krapp und Wau hergestellt, neben der Wolle kommen auch die wichtigen Chemikalien Waidasche, Pottasche, Weinstein, Alaun aus der Ferne. Sie wiederum sind nicht Rohstoffe, sondern bereits in Produktionsprozessen aus Rohstoffen hergestellte Produkte. Dasselbe betrifft die aus Pflanzen und Tieren hergestellten Färbemittel Waid, Cochenille (aus Insekten), Safran, Kermes (aus Beeren und Läusen), Brasil (aus Holz). Sie alle kommen in Spanien, Italien, Anatolien, dem vorderen Orient vor oder aus Gebieten zwischen der Eifel und Novgorod und werden dort zu Produkten veredelt, die wiederum und vor allem in die Tuchproduktion mit ihren immer spezialisierteren Zwischenschritten eingehen.
Dass der Hersteller des Endproduktes in der Regel so wie schon noch mehr die Produzenten von Halbfabrikaten den kleineren Teil vom großen Kuchen des Profites abbekommen, liegt nicht nur am meist fehlenden Kapitaleinsatz, der erst ansehnliche Gewinne bringt, sondern auch daran, dass es viele sind, die sich in die meist geringe Kaufkraft der meisten Konsumenten teilen müssen. Viele sind sie auch deshalb, weil sie schon alleine technisch keine Massenproduktion hinbekommen, sondern jeweils nur kleine Mengen (an Schuhen, Broten oder vom Schneider verfertigte Kleidung) herstellen können. Kapitalgewinne sind nur etwas für die ganz wenigen, die Kapital besitzen. Eigentum an Produktionsmitteln und eigener Arbeitskraft reichen dafür nicht, und wer Mühlen, Schmelzöfen usw. besitzt oder pachten kann, verfügt eben schon über Kapital wie jene Töpfereien, die überregional den Handel beliefern können, oder Verleger, die über die Schritte handwerklicher Produktion verfügen.
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Textilien: Kapitalkonzentration und Massenproduktion
An Moden orientiertes Konsumverhalten charakterisiert schon den Adel des hohen Mittelalters, insbesondere als in der Zeit des gotischen Stils die modischen Veränderungen sich beschleunigen. Die städtischen Bürger ziehen so schnell mit, wie sie können, was insbesondere die Kleidermoden angeht, was das Tuch- und Schneidergewerbe massiv fördert, auch dadurch, dass man nun nach Möglichkeit mehr Kleidungsstücke zum Wechseln besitzt, insbesondere bei leinener Unterbekleidung, Bettwäsche und Tischwäsche. Am Ende des Mittelalters gibt es auch für kleinere Geldbeutel modische Waren kleiner Größe, die in England die haberdasher von den mercer ablösen. Hauben, Hüte, Börsen, Haarnadeln und Schnallen gehören dazu, die in einer Art Massen- und Serienproduktion bei verminderter Qualität zum gesteigerten Konsumverhalten einladen. Dazu kommen Strumpfhalter und -bänder, Busenbänder und -tücher, Seidentücher usw
Der Bedarf von Textilien nimmt also im 14. Jahrhundert weiter zu, und zusätzlich zu Bauern und Bürgern steigt nun vor allem auch die Schafhaltung der klösterlichen Grundherrschaften zwecks Wollproduktion an. Dafür werden nun auch deren Eigenwirtschaften auf Kosten der Bauern erweitert.
Kapitalisierung in England führt zu Tuchmagnaten, die in Schafherden investieren und das Verlagssystem verlassen, um den ganzen Produktionsprozess unter ihre direkte Kontrolle zu bringen. Dafür kaufen sie Walkmühlen, Häuser, in denen das Spinnen stattfindet und Färbereien, das alles möglichst nahe beieinander, wobei sie die ganze Arbeitskraft fast "unter ein Dach" bekommen.
Mitte des 15. Jahrhunderts besitzen in Yorkshire nur noch die Hälfte der Weber ihren eigenen Webstuhl. Einzelne Unternehmer-Magnaten besitzen dann gleich mehrere Walkmühlen. Ein Thomas Paycocke ist 1518 so reich, dass er nebenbei in seinem Testament jedem einzelnen Scherer, Kämmer, Kardierer, Spinner, Weber und Walker 12 Pennies vermachen kann. (Dyer, S.326) Wenn ein solcher Unternehmer bei seinem Wohnhaus dann Spinnhäuser, Walkmühle, Färberhäuser und sonstige Handwerker in der Nähe versammelt, hat er fast schon eine Fabrik zusammen.
Ein Gutteil der Produktion der nunmehr schnell aufsteigenden englischen Tuchproduktion bedient nun größere Menschenmassen, und wo wie in Flandern vornehmlich hochwertige Stoffe hergestellt wurden, bricht nun englische billige Exportware für die Massen der Unterschicht ein.
Die Kapitalkonzentration in der Stadt und das Verlagssystem greifen im Textilbereich auf das Land über und verwandeln es teilweise in Gewerbegebiete. Im östlichen Mitteldeutschland entstehen reine Weberdörfer. Das Bergische Land mit seinem Wasserreichtum liefert für die Kölner Produktion von Textilien und Lederwaren Walkmühlen, Lohnmühlen, Färbereien und Bleichen. In einem sehr weiten Wortsinn lässt sich von der partiellen Industrialisierung ganzer ländlicher Regionen reden.
Ausgekämmte lange Wolle dient auch der Garnherstellung, wobei Garn im 14. Jahrhundert mancherorts als Handelsware auftaucht.
In großen Städten differenzieren sich im Exportgewerbe arme und reiche Handwerksbetriebe heraus. In Köln gehen reichere Weberbetriebe dazu über, wie Verleger über arme Betriebe zu verfügen. "In Straßburg gingen aus dem Kreis reicher Handwerker die Tucher hervor, die Spinner und Weber für sich arbeiten ließen und nur noch die Produktion leiteten und kontrollierten."(Isenmann, S.356)
Seit etwa 1440 entstehen in Görlitz in der Tuchproduktion "Meistereien" in den Händen von reichen Meistern und Kaufleuten, die schon an Manufakturen gemahnen (Karl Czok in: Beiträge 2, S.107). Es sind Betriebe, "in denen abhängige Meister, gelernte und ungelernte Hilfskräfte Tuch im kompletten Fertigungsprozess herstellen." (Isenmann, S.356)
Mit dem steigenden Bedarf an Textilien nimmt auch der an Färbemitteln zu. In Thüringien wächst so im weiteren Umland der Städte in Mittelthüringen auf schweren Böden der Anbau an Waid.
Bei günstigen Verhältnissen können vier Ernten von der Waidpflanze erzielt werden.
Die Blätter werden abgeerntet und in von Pferden angetriebenen Waidmühlen mit riesigen Mahlsteinen zu einem Brei zerquetscht. Dann werden sie, oft von Frauen und
Kindern, zu rund zehn Zentimeter großen Kugeln geformt und getrocknet, um schließlich von den Waidbauern auf die städtischen Märkte gebracht und auf den städtischen Waidhöfen und Waidböden der
Waidjunker weiterverarbeitet zu werden.Waidknechte zerkleinern die Kugeln dann, begießen sie mit Wasser und Urin und lassen das Produkt so gären. Nach rund einem halben Jahr ist das Färbemittel
als Waidasche dann fertig und wird
in Fässer gestampft und auf größtenteils ferne Märkte transportiert. (...) Färber machen dann aus dem Waidpulver mit Pottasche und anderen Beigaben Mittel zum Blaufärben, manchmal auch zum Schwarz- und Grünfärben. (Mägdefrau, S.174 / S.256))
Erfurt setzt bei den Bauern in seinem Umland durch, dass sie weder schon vor der Ernte noch bei der Waidmühle ihr Waid verkaufen dürfen. Sie müssen es vielmehr in Ballen in die Stadt fahren und dort vermarkten, wobei ihnen auch Tauschhandel verboten ist. 1351 wird dann sogar der Marktplatz in der Stadt im 'Zuchtbrief' vorgeschrieben: Es ensal auch niemant anderswho weydt kauffen den uff dem Marckt, dem Waidmarkt des Angers nämlich, einem zwei Monate andauernden Wochenmarkt. Auf diese Weise kann die Stadt auch die Abgabe des Waidgeldes kontrollieren. (in: Mägdefrau, S.149)
Das betrifft aber nicht nur Waid, wie der 'Zuchtbrief' im weiteren fordert, daz nymand getreidich, hopphin, och weit vor der stat kaufin sal. (in: Mägdefrau, S.159f)
Vor allem Kaufleute kaufen die Ballen in der Stadt auf und lassen sie von wohl lohnarbeitenden Waidmeistern und Waidknechten zu den Färbemitteln verarbeiten. Im 15. Jahrhundert gelingt es einer kleinen Gruppe von reichen Waidjunkern, das für sich zu monopolisieren, was sie spätestens jetzt zu den reichsten und mächtigsten Bürgern der Stadt macht.
Um Speyer, im Elsass und in Thüringen wird Krapp wegen seiner Alizarin-haltigen Wurzeln zum Rotfärben angebaut, zudem auch in der Provence und anderswo.
Baumwolle stammt ursprünglich aus Indien und erstes großes Anbaugebiet wird dann Syrien, bis im 15. Jahrhundert Ägypten an Bedeutung gewinnt. Daneben wird es schon in islamischer Zeit im Fruchtwechsel auf Sizilien angebaut. Später gelangt es auf kalabrische und apulische Plantagen.
Als zwischen etwa 1360 und 1430 mit politischer Förderung und Kapitaleinsatz mitteleuropäische Barchentproduktion die norditalienische überflügelt, entwickelt sich diese gleich im Verlagswesen. Überhaupt breitet sich in der zweiten Blütezeit des Kapitalismus zwischen 1350 und etwa 1500 das Verlagssystem wie eine Krake über Gewerbezweige und ganze Gewerbelandschaften aus.
Barchent ist ein Textilgewebe aus leinenen Kettfäden und Schussfäden aus Baumwolle. Es ist billiger als Wolltücher und durch Struktur wie Färbemöglichkeiten gefälliger für die neuen und immer wichtiger werdenden Modegewohnheiten. "Der Barchent mit seinen kräftigen Farben war schon deswegen >in einer modisch bewussten, farb- und sinnenfreudigen Welt< beliebt, zumal er im Winter wärmte, im Sommer den Schweiß aufsaugte." (Fuhrmann, S.199).
In der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts kaufen Händler aus Ulm, Augsburg und Nürnberg in Norditalien (Venedig vor allem wohl) Baumwolle ein, die nun im oberschwäbischen Leinengebiet ebenfalls zu Barchent verarbeitet wird. Innerhalb von einer Generation erobert Barchent das oberschwäbische Leinwandrevier mit Ulm, Augsburg, Memmingen und anderen Städten und wird dort zum größten Gewerbezweig.
Zwischen 1363 und 83 entsteht so ein großes Barchentrevier nordöstlich des Bodensees, welches sich von Basel über Augsburg, Ulm und Nördlingen ausdehnt. Dann nimmt auch in Thüringen zum Beispiel in Mühlahusen die Baumwollverarbeitung zu.
Binnen fünfzig Jahren wird man nördlich der Alpen von italienischen Einfuhren unabhängig und läuft innerhalb einiger Jahrzehnte der Lombardei den Rang ab. Ausfuhren gehen "bis nach Spanien und Portugal, in den Hanseraum und nach Polen" (Schulz, S.169).
Das Barchent ist kapitalintensiv und exportorientiert, wird nach Qualitätsmarken standardisiert und schon aus diesen Gründen verlegerisch überformt. In einer zweiten Welle in den ersten Jahrzehnten des 15. Jahrhunderts wird seine Produktion in Süddeutschland und Ungarn durch das Zusammenspiel von Landesherren, städtischer Obrigkeit und kaufmännischen Verlegern gefördert (Stromer). König Sigismund von Ungarn privilegiert 1411 in Kaschau Barchent, der Burggraf von Nürnberg fördert seine Produktion ab 1414 in Kulmbach zusammen mit der Firma Imhoff.
Im Runtingerbuch listet der Regensburger Kaufmann Mathäus Runtinger (1350-1407) Verlagsverträge mit sieben Barchentwebern auf, deren erster so lautet: Es kaufte der alte Eyselein von mir am Mittwoch vor dem St.Laurentiustag 3 Zentner Baumwolle, je 1 Zentner für 11 Barchente weniger ¼, insgesamt 32 ¼ Barchente. Diese Barchente soll er mir bis Weihnachten liefern. Mir gab der alte Eyselein 33 Barchente am Weihnachtsabend. Ich bleibe dem Eyselein ¾ eines Barchents schuldig. (Engel/Jacb, S. 273).
Zumindest die Rohstofflieferung und der Handel mit dem Fertigprodukt liegen in der Hand größerer Kapitalien. Dazu gehört Massenproduktion nach einheitlichen und dem Markt bekannten Qualitätsstandarten. Die Ware wird immer weniger nur auf Messen verkauft, sondern direkt in den Städten, wo die Kunden sitzen.
Textilproduktion in größerem Maßstab verbreitet sich überall in deutschen Landen. Hochwertiges Leinen kommt aus Brabant und Flandern, vieles aber auch aus Oberschwaben, insbesondere bis ins 15. Jahrhundert aus Konstanz, wo dann im 15. Jahrhundert St. Gallen führender wird, zudem aus dem Vogtland und der Lausitz. Die ländliche Leinenproduktion von Sachsen über die Lausitz bis Schlesien wird ab dem 15. Jahrhundert durch Investitionen Nürnberger und Augsburger Unternehmer erheblich kapitalisiert. Dadurch, dass diese Firmen zugleich dort auch in den Bergbau einsteigen, wächst hier ein weiterer Wirtschaftsraum von europäischem Rang heran.
Leinenreviere verbleiben insbesondere in Nordostdeutschland, in Sachsen zum Beispiel, wo einfache Leintücher hergestellt werden, dann nach Süddeutschland geschickt werden, um dort veredelt zu werden. Auch da tritt Kapital dazwischen.
Bis ins 14. Jahrhundert ist Köln ein Ort erheblicher Leinenproduktion, im 15. zudem auch eine Metropole der Herstellung von Barchent. Aber in dieser Zeit gewinnt vor allem die Seidenproduktion immer mehr an Gewicht. Seit 1373 ist ein Seidenamt belegt, die Gemeinde fördert inzwischen den Ankauf von Rohseide. Im Verlauf der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts verdoppelt sich der Ankauf des Rohstoffes und die Seidenproduktion übertrifft nun in Köln die der anderen Textilien. Als Besonderheit ist die Rolle der Frauen in der Produktion zu vermerken, die weibliche Zünfte der Garnmacherinnen und der Hauptseidmacherinnen sowie der Goldspinnerinnen wiedergeben (Schulz, S.173). Die Ehemänner dieser Frauen übernehmen den Ankauf des Rohstoffs und den Verkauf der Fertigprodukte.
Zentrum der europäischen Seidenproduktion wird Venedig mit seinen Brokatseiden und rund 3 000 Seidenwebern im 15. Jahrhundert. Die Verbreitung der Seidenzwirnmühle nördlich der Alpen wird durch Zunftbeschlüsse gestoppt, um die Arbeitsplätze der Spinnerinnen zu erhalten (1412 in Köln). Am Ende des 15. Jahrhundert setzt sich dann das Spinnrad mit Fußantrieb und Flügelspindel langsam durch.
Stärker noch als in der Mitte werden im Norden Italiens, insbesondere der Lombardei Segmente der Produktion wie die Spinnerei aus Kostengründen auf das Land verlagert. Dasselbe geschieht im 15. Jahrhundert auch in England und anderswo. Aus solchen Kostengründen verlagert man die komplette Produktion von Billigstoffen, also Massenware, immer mehr aufs Land. In Flandern wandert schon im 14. Jahrhundert fast die gesamte Tuchproduktion aus der Stadt. In Analogie zu Bergbau und Metallproduktion kann man nun von Städten und ihren Kapital dominierten Tuchrevieren sprechen.
Während die Manufakturen der frühen Neuzeit zum großen Teil fürstlich subventionierte Luxusproduktion betreiben (Gobelins, Porzellan etc.), sind die größeren und kapitalkräftigeren Produktions-Firmen des späten Mittelalters vorwiegend auf Massenproduktion mittlerer und unterer Qualität aus. Das verlangt natürlich Massenkonsum an Gebrauchswaren und entsprechend kaufkräftige Massen, wie sie im 15. Jahrhundert üblich werden. Der Kapitalismus führt unübersehbar zu steigendem Wohlstand breiterer Schichten bis ins Handwerk und dem wohlhabenderen Teil der Bauernschaft.
Mit der steigenden Zahl der Textilien und der steigenden Kaufkraft von mehr Menschen nimmt auch das Schneiderhandwerk zu, welches dann fertige Kleidungsstücke produziert, so wie die Mantler und Hutmacher. Zünftig werden Schneider, wo überhaupt, erst im Verlauf des 14. Jahrhunderts.
Eine wichtige Ware sind auch Felle, die zu Pelzen und Leder verarbeitet werden. Die Tiere werden noch nicht gezüchtet, sondern von russischen und baltischen Fallenstellern erlegt. Sie sind ein zentrales Handelsgut hansischer Händler von Nowgorod aus, wo es um 1386 allein rund 160 hansische Pelzhändler gegeben haben soll. Die unbehandelten Felle werden in Fässern nach Westen transportiert, wo Brügge zentraler Umschlagplatz ist. Einzelne Firmen handeln so mit Zehntausenden von Fellen im Jahr. Im 14. Jahrhundert kann eine Schiffsladung schon einmal um die 100 000 Felle enthalten haben. (Spufford).
Pelze stellen die Kürschner her. Für die Lederproduktion sind dann die Rotgerber zuständig, die das Leder mit Eichenlohe bearbeiten, die es zunächst rot färben, und die Weißgerber, die mit Alaun weißes und meist feineres Leder herstellen.
Danach nehmen unter anderen Lederschneider bzw. Riemenschneider sowie Sattler die Arbeit auf.
Nach der großen Pest verringert sich in Städten die Zahl der produktiv und distributiv arbeitenden Bevölkerung. Das verteuert für das Kapital in der Stadt zumindest nominell den Faktor Arbeit. Kurz nach dem Ende der ersten Pestwelle verlangen die Gerbereiarbeiter in Amiens höhere Löhne.
***Ein Beispiel: Aufblühender Kapitalismus in Thüringen***
Die Produktion und der Handel mit Tuchen schafft Kapital und dieses wiederum verändert Stadt und Land. Das geschieht in komplexen Interdepenzen.
Das Land verändert sich, sobald es nicht mehr nur Nahrung für Subsistenz, direkten Handel und die Abgaben an die Herren liefert, sondern zunehmend Rohstoffe für städtische Tuch-Produktion. Das sind Wolle aus Schafzucht, Flachs und Hanf und besonders in Kerngebieten Thüringens Färberwaid.
Darauf reagieren auch Klöster wie das der Zisterzienser von Pforte, welches mit großen Schafherden soviel Wolle erzielt, dass es die in Thüringen und bis nach Zwickau an die Städte verkaufen kann. Das Benediktinerinnenkloster weitet seine Schafzucht aus und erhält zudem aus bäuerlichen Abgaben Flachs und Hanf. Die Ausweitung grundherrlicher Schafzucht wiederum verringert die Weidegründe bäuerlicher Schafzüchter und vertreibt sie daraus.
Im kleineren Hildburghausen mit zeitweise über fünfzig Tuchmacher-Meistern und einer Walkmühle, die 1482 der Obermeister der Wollweber erwirbt, hält die Stadt auf einem städtischen Gut, dem Ratshof, über hundert Schafe im 15. Jahrhundert und 300 um 1555. (Mägdefrau, S.265)
In - insbesondere geistlichen - Grundherrschaften fallen Hanf und Flachs an, aus denen Garn produziert wird, welches Erfurter Händler dann für die Leinenproduktion bis nach Köln verhandeln.
Überall wo das profitabel ist, wird dem Land die Weiterverarbeitung der Rohstoffe wie beim Waid entzogen und in die Stadt verlagert, Andererseits werden billiger herstellbare Halbfabrikate wie manchmal durch Spinnen und seltener Weben aufs Land verlagert, In jedem Fall wird die Entwicklung von den Eigentümern des Kapitals und ihren politischen Vertretern in den Städten bestimmt, soweit sie sich gegen Landadel und fürstliche Landesherren durchsetzen können.
In der Stadt konzentriert sich das Kapital, also jenes per se zur Vermehrung bestimmte Gut, in den Händen einer privilegierten kleinen Gruppe. Mit ihrer Nachfrage nach Wolle oder Waid zum Beispiel setzen sie bei zunehmend marktorientierten Bauern und herrschaftlichen Gütern deren Produktion durch. Zugleich verschwindet damit fast zur Gänze die an der Person haftende bäuerliche Abgabe zugunsten der sich auf die Produkte beziehenden. Indem ein Teil des Gewinns in Land und Landbewirtschaftung umgelenkt wird, wird auch durch Lohnarbeit direkt in die primäre Produktion investiert. Damit konkurriert das Kapital nun mit Adel und Fürsten um Grund und Boden. Andererseits müssen sich diese kapitalgetragenden kleinen Oberschichtgruppen dann gegen vom Handwerk getragene kleinbürgerliche Schichten behaupten, die eher die Leidtragenden in diesen oft kriegerischen Konflikten zwischen Landadel bzw. Fürsten auf der einen Seite und der Stadt auf der anderen Seite sind. Vielleicht auch deswegen bemüht sich die kleine reichere Oberschicht von Erfurt nicht um Unabhängigkeit vom Erzbistum Mainz.
In Erfurt, der größten Stadt Thüringens, wird Waidproduktion, Waidhandel und Tuchhandel in denselben Händen konzentriert, was die Kapitalkonzentration fördert. Waidhändler verkaufen Waid, welches bis nach Flandern und Spanien gelangt. Wichtige zentrale Waidmärkte, von denen aus weiterverkauft wird, sind Köln, obwohl dort im Umland auch viel Waid angebaut wird, die Messestadt Frankfurt, die Messe- und Weberstadt Friedberg/Taunus, Nürnberg, wo zwar die Mehrzahl des Gewerbes dem Metallbereich angehört, aber etwa ein Viertel den Textilien, Nördlingen, welches ein großes süddeutsches Textilgebiet versorgt. Über Bremen und Hamburg gelangt es nach Amsterdam und verteilt sich dann auf niederländische Weberstädte.
Der Kapitalbedarf im Waidhandel ist hoch, und obwohl Erfurter Kapitaleigner den Fürsten und höherem Adel in erheblichem Maße Geld leihen können, finden sie für den Handel zu Handelsgesellschaften zusammen. Insbesondere die lange Spanne zwischen Waidernte und Verkauf den den Endverbraucher bedeutet einen stattlichen Kapitalbedarf. Solche Gesellschaften verteilen den Gewinn noch im 15. Jahrhundert ganz altmodisch auf die Köpfe und nicht das eingezahlte Kapital. Dabei ist es Erfurter Bürgern verboten, Gesellschaften mit Auswärtigen zu bilden.
Händler begleiten noch die aus mehrspännigen Wagen bestehenden Wagenkolonnen zusammen mit Handelsdienern und Knechten. Im Verlauf des 15. Jahrhunderts kommt es dann häufiger vor, dass Handelsdiener die Reise alleine anführen.
Die Tuchhändler führen 1441 zum Beispiel Tuche aus Gent, Ypern, Brabant, Brüssel, Amsterdam, London und Aachen ein. (Mägdefrau, S.260) Eingekauft wird ein wenig noch in Köln, welches immer noch aus England importiert, mehr aber auf der Frankfurter Messe.
Im 15. Jahrhundert gelangen immer mehr Waidmühlen, von denen es in Langensalza beispielsweise sechs gibt, in die Hände dieses Kapitals.
Teile der Gewinne werden immer häufiger in Land im Umland der Städte angelegt. Erfurter Kapitaleigner besitzen so auch Weinberge und Hopfengärten.
Früher Kapitalismus bedeutet bereits zunehmend Lohnarbeit. In Thüringen werden Lohnarbeiter für die Waidherstellung in den Städten und Saisonarbeiter in den Dörfern eingestellt, die zum Teil bereits aus Franken und der Niederlausitz kommen. (Mägdefrau, S.271)
Neben Wolle kauft Erfurter Kapital seit den Anfängen des 14. Jahrhunderts auch Baumwolle ein und beginnt dann bald mit der Barchentproduktion.
Im Handwerk verstärkt sich der Abstand zwischen reichen und armen Meistern. Den Wollwebern zum Beispiel in Mühlhausen wird zunehmend der Marktzugang genommen, der auf Tuchhändler übergeht, die die Wollweber in das Verlagssystem zwängen.
***Ein Beispiel: Wollhandel, Zölle und Korruption in England***
Produktion und Handel von (Schafs)Wolle in Ballen bringt den wichtigsten Exportartikel Englands zusammen mit Schafshäuten und einfachen Woll-Textilien hervor. Reich werden die Besitzer großer Schafsherden, die Mittelsmänner der Lieferung der Wolle an die Häfen, insbesondere nach London, und die Fernhändel, die die Wolle außer Landes bringen, nicht zuletzt aber der König, der ein Drittel seiner Einnahmen aus dem Zoll auf Wolle gewinnt, rund 50 000 Pfund, ein weiteres durch Subsidien und andere Abgaben, und ein Drittel von dem großen königlichen Grundbesitz. Schon 1275 erlaubte das Parlament, von jedem Ballen Wolle 6s 8p. einzunehmen, eine Zahl, die dann langsam erhöht wurde.
Dafür braucht es den Zolleinnehmer am Hafen und bald auch den Aufseher über diesen, wie es zwölf Jahre lang zum Beispiel Geoffrey Chaucer ist. Dieser muss dem Exchequer viermal im Jahr persönlich Rechenschaft ablegen.
Der Zolleinnehmer hat kein Gehalt abgesehen von "Aufwandsentschädigungen", dennoch ist sein Amt äußerst lukrativ, vor allem, wenn der Aufseher mitspielt. Einfluss auf die Besetzung des Amtes haben der König, der dafür einen seiner Unterstützer vorsieht, zudem der Bürgermeister z.B. von London und die ihm zugeordneten Aldermänner sowie weitere Vertreter des Großkapitals. Diese, soweit sie (meist) ihren Reichtum aus Wolle gewinnen, setzen um 1374 durch, dass Calais zum Stapelplatz für Wolle wird, und sie dort eine monopol-artige Kontrolle ausüben. Überhaupt sind es ein paar hundert Binnen-Wollhändler und insbesondere ein paar dutzend in London, die massiven Einfluss auf die englische Politik haben.
Dem zunehmenden See-Handel Londons wird nach 1340 mit dem Neubau zahlreicher Anlegestellen zwischen Fleet River und dem Tower, dem am nächsten 1382 ein Neubau des Customs House bei der Woll Wharf entsteht und wohl spätestens dann auch ein Bordell und zwei Kneipen für die Seeleute, die von der Stadt ferngehalten werden sollen.
Bergbau und Metalle
Zwischen unserer Schwellenzeit und dem 16. Jahrhundert nimmt die Bedeutung von Metallen immer mehr zu, die von Silber und Gold für die rapide Zunahme von in Umlauf befindlichen Münzen und für Luxusgegenstände von Kirche und weltlicher Macht, und die der übrigen Metalle für Kriege und Krieger, aber eben auch für Produktionsmittel und alltägliche Gebrauchsgegenstände.
Das Bergregal gehört von jeher zu dem Besitz der Könige und ist in deutschen Landen im sogenannten späten Mittelalter längst weitgehend an Fürsten verliehen, die es wieder unterverleihen können. Besonders begütert in dieser Richtung sind die böhmischen Przemysliden und ihre Luxemburger Nachfolger.
Von der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts sind frühe Bergrechte erhalten, wie das Dieselmuoter Bergweistum des Landgrafen im Breisgau von 1372. Dort heißt es, dass der Graf und sein Vogt bei Konflikten eine Gerichtsversammlung einleiten. Bei Streitsachen unter Bergleuten urteilen Schöffen, Schiedsleute bei solchen zwischen Anteilseignern (Fronern) oder zwischen ihnen und dem Grafen.
Eine frühe Bergordnung aus derselben Region, die des Landrichters Johann von Üsenberg von 1370 regelt "dem gegenüber die Arbeiten selbst, im Bergwerk und in den Schmelzhütten, sowie den Handel mit Erz, und wie Bezahlungen und Strafen auszusehen hatten." Dann geht es um die Sicherheit der Bergleute, die Entwässerungsstollen, um die vogtliche Kontrolle der Schmerzhütten und Erzmühlen, um Schichten von acht Stunden. Die Arbeiter müssen drei Tage, nachdem der Froner einem das Geld ausgezahlt hat, muss es bei den Bergarbeitern und Tagelöhnern ankommen. (Alles Heiko Steuer in: Dendorfer/ Regnath / Widmann, S.104ff)
Von den Krisen und Kontraktionen des 14. Jahrhunderts wird auch der Bergbau betroffen. Aber es halten sich die Eisenreviere im Forest of Dean, im Siegerland, der Oberpfalz, in Böhmen, der Steiermark und auf Elba.
Zudem entstehen im 15. Jahrhundert auch neue Metallgewerbe-Landschaften im Bergischen Land, im Sauer- und Siegerland, die in den folgenden Jahrhunderten Kontinuität beweisen.
Nach dem Handel und der Textilindustrie wird auch der Bergbau und die Erzverarbeitung höher kapitalisiert. Der Bergbau wird dadurch kapitalintensiver, dass die Betriebskosten steigen, wodurch der noch selbst mit arbeitende Besitzer von Gruben und Hütten verschwindet. Mit dem tieferen Eindringen in die Erde dort muss mit dem eindringenden Wasser gerungen werden. In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts werden in Mitteleuropa alte Bergwerke durch neue Wasserhebemaschinen und Saugpumpen reaktiviert. Das geht nur unter größerem Kapitaleinsatz, und so gehen sie in die Hände von Kapitalgesellschaften über, die sich in Anteile, Kuxe einkaufen.
Insbesondere zwischen 1390 und 1420 sowie zwischen 1440 und 1465 wird Edelmetall knapp, der Rohstoff für die Münzproduktion. Schon im 14. Jahrhundert nimmt der Abbau von Edelmetallen ab, und das noch vorhandene fließt "zudem im Rahmen des Mittelmeerhandels in den Nahen Osten ab." (Ertl, S.103) Ab 1370 gehen die Erträge von Kuttenberg in Böhmen zurück und 1422 werden die Minen geschlossen. Das ändert sich erst mit neuer Bergbautechnik und den neuen Silberminen in Tirol, im Erzgebirge und dann im 16. Jahrhundert in Böhmen und Lateinamerika. Erst damit kommt es zu neuem Wachsen der Wirtschaft und steigenden Preisen.
Neben allgemeine Krisen treten jene, die mit der abnehmenden Ausbeute von Erzminen zusammenhängen. Für Fürsten und Könige wird es darum wichtiger, nach neuen Vorkommen zu suchen. Daneben betreiben Leute wie der böhmische König und römische Kaiser Karl IV. den Erwerb ganzer Regionen, um seine Einkünfte aus der Erzproduktion zu steigern. Der Erwerb von Niederschlesien bringt so königliche Silberadern in Silberberg und Frankenstein, Goldvorkommen in Reichenstein und Eisenerz in Eisenbrod. Im sich später Oberpfalz nennenden Gebiet Richtung Nürnberg kommt Silber in Mies, Eisenerz in Auerbach und im Raum Sulzbach-Rosenberg-Amberg dazu. Im Erzgebirge Richtung Thüringen werden dann noch Eisen-, Kupfer- und Goldminen entdeckt.
Im Erzgebirge werden neue Silbervorkommen entdeckt, und daraus entwickelt sich eine Art Silverrush. Schneeberg entsteht ab 1470, St.Annaberg zwanzig Jahre später und nochmal eine Generation später Marienberg. Im Harz kommen Zellerfeld und Clausthal dazu. Ähnliche Vorkommen finden sich dann auch in der heutigen Slowakei und im Tiroler Inntal. Mit riesigen Kehrrädern von bis zu zwölf Metern Höhe wird es möglich, bis zu 300 Meter tief in die Erde vorzustoßen. Immer mehr kaufmännisches Kapital fließt in die Erzgewinnung, wobei es auch zu neuen Techniken in der Herauslösung aus dem Gestein kommt.
Große Firmen von Handels- und Finanzkapital gründen solche des Bergbaus und der Verhüttung oder kaufen sich in sie so wie überhaupt in Sparten der Warenproduktion ein. Umgekehrt gelangen Familien wie die Fugger zum Beispiel vom Weben über den Textilhandel und Finanzgeschäfte bis in das Bergbaugeschäft.
Erfunden wird auch das Saiger-Verfahren, zuerst in einer Nürnberger Hütte 1419 angewandt. "Einrichtung und Betrieb der Saigerhütten waren ausgesprochen kapitalintensiv, so dass sich eigene Investitionsgesellschaften zusammenfinden musste." Zu einem solchen Hüttenbetrieb gehören "Kohlenhäuser, Aschenhaus, Bleiherd und Bleiwaage, Wäschehaus, Kupfer-, Stampf- und Garkupferkammer, die um das Zentrum der Schmelz- und Saigerhütte angelegt worden waren." (SchubertEinführung, S.186)
Dies Verfahren erlaubt ein besseres Differenzieren zwischen einzelnen Metallen beim Ausschmelzen der Erze, zum Beispiel das Aussaigen von Silber aus Rohkupfer mittels Einsatz von Blei. Vorteil ist zum Beispiel bei Kupferhütten, dass das so nun dazu gewonnene Silber frei der Vermarktung der Unternehmer zur Verfügung steht.
Das Saigerverfahren verbreitet sich dann, und erreicht um 1460 das Mansfelder Revier, welches nach Tirol zum zweitgrößten Kupferproduzenten Europas wird. Ab 1472 schließen sich "mehrere Grafen von Mansfeld und von Henneberg mit technischen und kaufmännischen Unternehmern in Gesellschaften zum Betrieb von Saigerhütten" im Mansfelder Land und überhaupt im Thüringer Wald zusammen. (Schubert, S.11) Ende des 15. Jahrhunderts wird Jakob Fugger damit in Schwaz (Tirol) erhebliche Summen einnehmen.
Ein Musterbeispiel stellt die Fugger-Thurzo-Firma dar. Thurzo wird Bergbau-Techniker im Erzgebirge und entwickelt dort eine Frühform der Pumpe, mit der der in Wasser stehende Stollen über Entwässerungsstollen trockenlegen kann.
Johann Thurzo gelingt "mit der Konstruktion eines gewaltigen Kehrrads die Enwässerung der abgesoffenen Gruben von Kremnitz. Durch gute Beziehungen zum stark verschuldeten ungarischen König konnte er Teile des bankrotten Neusohler Bergbaus übernehmen." (Mitterauer(2), S.282f)
Im Harz lernt er das Saigerverfahren kennen, mit dem auch geringere Silberanteile in Schwarzkupfer und Bleiglanz gewonnen werden können. Mithilfe von Investitionen Krakauer Bürger gründet er eine Saigerhütte und 1475 gündet er eine Bergbaugesellschaft, die nach und nach zu immer mehr Bergwerken zwischen Erzgebirge und Siebenbürgen gelangt. 1478 erwirbt er auch Anteile am Silberbergbau bei Goslar (Rammelsberg).
Thurzo betreibt zum Handel mit Gold und Silber auch solchen mit Kupfer in Venedig und dann auch in Antwerpen.
Um an mehr Kapital zu gelangen, schließt Thurzo 1495 einen Vertrag mit Jakob Fugger (s.w.u.) über den gemeinsamen Betrieb eines Kupferbergwerks mit weiterer Saigerhütte in Neusohl (Ungarn).
Durch Beziehungen zu den Fugger gelingt der Zugang zu anderen Revieren und größerem Kapital. Man errichtet zwei weitere, große Saigerhütten bei Villach und im Thüringer Wald, die aufeinander abgestimmt werden. Verkauft wird in Norditalien, bis in den deutschen Nordosten und bis nach Antwerpen. Fugger und Thurzo sind inzwischen mit die reichsten Unternehmer Europas.
Die Kapitalkonzentration im englischen Zinnbergbau nimmt erheblich zu: "Im frühen 14. Jh. wuchsen die königlichen Zinn- und Silberbergwerke im englischen Beer Alston zu 'Großbetrieben' mit 700 Lohnarbeitern empor. Bei einem Zinnmagnaten standen 1357 in sechs Bergwerken Cornwalls 300 Menschen in Lohn und Brot. Die exportorientierte englische Zinnproduktion konnte vom Beginn des 14. Jhs. bis zu den 1430er Jahren von 680 000 auf 1,4 Millionen Pfund jährlich gesteigert werden." (Dirlmeier, S.34)
Kapitalintensiver wird die Eisenproduktion durch die immer kunstvolleren Hochöfen. (Siehe Großkapitel Stadt..., Nürnberg) Im fünfzehnten Jahrhundert steigt dann die Bedeutung des schwedischen Osmund-Eisens mit der Übernahme neuer Verhüttungstechniken an, um im 16. Jahrhundert in Nordeuropa vorherrschend zu werden.
Wo der Metallanteil im Erz gering ist, werden seit Ende des 15. Jahrhunderts Pochwerke eingesetzt, die das Material in einem ersten Schritt zerkleinern. Dabei geht allerdings dann noch einmal ein Metallanteil verloren.
Neben der Eisenindustrie investiert Nürnberger Kapital, zum Teil in Kooperation mit Kapital aus anderen Teilen Mitteleuropas in den Abbau von Silber, Gold, Kupfer und Blei und die Herstellung von Halbfabrikaten daraus, und zwar zwischen Thüringen, Sachsen, Böhmen und Tirol. "Man trat durch den Erwerb von Kuxen, die teilweise stark gestückelte fungible Wertpapiere darstellen, in Gewerke ein, legte in Einzelfällen Hütten an, pachtete Gruben, bot schwachen Gewerken Verlag und versuchte, mit den Regalherren möglichst langfristige und monopolistische Lieferverträge abzuschließen. Diese sogenannten >Käufe< mit Vorauszahlung der kontrahierten Lieferung bedeuteten ein fundiertes Anleihesystem der öffentlichen Gewalten." (Isenmann, S.352)
Darüber hinaus wird die Nürnberger Hochfinanz in Ungarn, dem Karpatenraum mit seinen Vorkommen an Edel- und Buntmetallen investiv aktiv, überhaupt in ganz Südosteuropa, zusammen mit anderen süddeutschen Firmen.
Ähnliches wie für Nürnberg lässt sich von Köln sagen. Kölner und Aachener Unternehmer gewinnen die Kontrolle über die Eisen- und Bleigewinnung in der Nordeifel. Kölner Kaufleute gewinnen Einfluss "auf siegerländische und nassauische Eisenproduktionsstätten, auf die Stahlreviere von Brekkerfeld, Attendorn und Rademvorwald. Durch Monopolverträge sicherte sich Köln 1463 die gesamte Produktion der dortigen Stahlschmiedegilden." (Isenmann, S. 355)
Kapital findet immer den Weg in die Montanwirtschaft. "Nürnberger Kaufleute beteiligen sich an einem Bergwerk in Chur, die Spätblüte des Goslarer Bergbaus beruht im 15. Jahrhundert auf dem finanziellen Engagement Braunschweiger und Lüneburger, aber auch Chemnitzer, Leipziger und Krakauer Bürger. Der Bergbau in Gams in der Steiermark wird von Kaufleuten aus Esslingen und Schäbisch Gmünd finanziert." (SchubertEinführung, S.186)
Wenn in der Produktion von Metall- und Tongefäßen das Personal über zwei bis drei Leute hinausgeht, wird bereits die Größe eines üblichen mittelalterlichen Handwerksbetriebes überschritten. Bei einem Betrieb, der im späten Mittelalter Gerätschaften und Gefäße aus Zinn herstellt, und der zwischen zehn und zwanzig Leute beschäftigt, nähern wir uns fabrikmäßigen Verhältnissen, wie auch dort, wo Mühlen verschiedene metallverarbeitende Produktionslinien gleichzeitig bedienen. Dazu gehört, dass Mühlen Ende des 15. Jahrhunderts gleichzeitig Schmiedehämmer und Blasebälge bedienen und so Gußeisen herstellen können.
Solche Betriebsgrößen und Mühlanlagen verlangen mehr als das minimale Kapital, mit dem Handwerksbetriebe normal ausgestattet sind. Hier konzentriert sich Kapital nicht mehr nur in Finanz- und Handelsunternehmen, sondern in der Produktion selbst, und es ist nicht mehr vor allem Adel, der hier investiert, sondern eben zunehmend Bürgertum. So schließen sich 1417 in Rostock Kaufleute zu einer Firma zusammen, die 14 Mühlen aufkauft und durch einen Mühlenmeister bewirtschaften lässt. (Isenmann, S.356)
Der Aufstieg des Nürnberger Metallgewerbes hängt an der Vernetzung der Stadt mit dem Oberpfälzer Bergbaugebiet, in dem mehr als ein Viertel der Bevölkerung in der Eisenindustrie arbeitet. "Das hier produzierte Stab- und Schieneneisen beherrschte die deutshen Märkte so gut wie konkurrenzlos." (SchubertEinführung, S.60) Dabei investiert Nürnberger Kapital nicht so sehr in den Erzabbau, sondern in die Weiterverarbeitung mit den Zentren Amberg, Sulzbach und Auerbach.
Man erzeugt mit wassergetriebenen Blasebälgen Roheisen; dies wird durch Hämmern von Schlackenresten befreit, "und nach erneuter Erhitzung zu Schienen von etwa 5 kg ausgeschmiedet". Dabei fällt "auf der Herdsohle das besonders reine Deicheleisen an, das überwiegend zu Blechen gehämmert" wird. Seit der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts haben dann wohl in der Oberpfalz allein gut hundert Schienhämmer gearbeitet. (Schulz, S.178)
Ein Großteil des Eisens wird dann von Nürnberg aus entweder exportiert oder aber vor allem weiterverarbeitet.
Erfindungen werden breiter angewandt und neue kommen hinzu, wobei sich Nürnberg hervortut: 1370 soll das Nürnberger Drahtziehergewerbe bereits siebzehn Betriebe umfasst haben. Dort wird um 1390 der mechanische Drahtzug erfunden,
Zwischen 1399 und 1415 entwickeln Spezialisten und einige Kapitalgeber die erste Drahtziehmühle, wobei Draht mittels eines Pleuelstangen-Systems maschinell hergestellt werden kann, und in den folgenden Jahren kommen zehn weitere dazu. "Dabei gelang es, die Kraft der Wassermühle so umzusetzen, dass mit Hilfe einer halbautomatischen Zange ein regelmäßiger, kräftiger Zug auf den zu verdünnenden Draht ausgeübt wurde , der durch eine enge Bohrung des Zieheisens geführt und dabei gestreckt wurde. Die Kraftübertragung erfolgte über eine vom Mühlrad getriebene "gekröpfte Welle" oder Pleuelstange, von der eine Zange bewegt wurde, die unter Last von einem übergleitenden Ring geschlossen wurde und sich bei Entlastung wieder öffnete. Der Drahtzieher musste im Wesentlichen nur für das jeweilige Ansetzen der Zange am Draht vor dem erneuten Zug sorgen. Dazu saß er auf einer Schaukel, um die Bewegung der Zange mitvollziehen zu können." (Schulz, S.182) Ende des 15. Jahrhunderts wird dann auch dieser Vorgang automatisiert.
Die Bedeutung dieser Maschine schlägt sich in der Bandbreite der Produkte nieder: "Nadeln, Heflteln (Sicherheitsnadeln), Nägel, Ketten, Musikinstrumenten-Saiten, Drahtsiebe, Drahtkratzen für die Tuchbereitung (Appretur) und Stahlringe für Kettenhemden. Weiterhin sind Nieten, Federnm, Häkchen, Ösen und Kettchen sowie verschiedene Zierelemente zu nennen." (Schulz, S.184). Auch solche Produkte werden über ganz Europa verkauft und im 16. Jahrhundert dann auch nach Afrika und Amerika.
Erfunden wird in Nürnberg wohl auch das Verzinnen von Blechen. Um neben Wasserkraft auch Energie aus Holz vorzuhalten, beginnt der Unternehmer Peter Stromer um 1400 mit Forstwirtschaft.
Ein weiterer bedeutender Bereich der Nürnberger Wirtschaft wird seit der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts die Produktion von Schusswaffen, insbesondere von Handfeuerwaffen. Im 15. Jahrhundert werden sie dann zu Hunderten an Städte und Fürsten verkauft. In der zweiten Hälfte werden dann Hinterlader als Kammerbüchsen entwickelt, und am Ende des Jahrhunderts dann das selbstzündende Radschloss. Büchsenschmiede erreichen so Reichtum und Ansehen.
Bedeutung erlangt Nürnberg auch mit der Musikinstrumenten-Herstellung, in der neben den leisen Geigen und Lauten vor allem metallene Instrumente herausragen, deren Musik für öffentliche Prachtentfaltung wie auch im Krieg eine herausragende Rolle spielt. Dafür haben vor allem Posaunen und Trompeten große Bedeutung, daneben Zinken, Bombarden und Flöten.
Das Gebiet um Maastricht, Lüttich, Aachen und Dinant erhält im 14. Jahrhundert Kupfer aus dem Harz und Zinn aus Cornwall und wird zudem eine Buntmetall-Exportregion. Als der Burgunder Philipp ("der Gute") 1466 Dinant vollständig zerstört, kommt allerdings dort die Produktion zum Erliegen. In dieser Zeit gewinnt aber dafür die Messingschlägerei in Nürnberg neues Renommée so wie besonders im 15. Jahrhundert die Kupferschlägerei von Köln.
Kupfer und Zinn werden aber auch an die Levante ausgeführt.
Auch im produzierenden Metallgewerbe nehmen Kapitalkonzentration und Firmengröße zu. Für 1457 ist von Thomas Dountons Londoner Zinnwerkstatt überliefert, dass er 18 Lehrlinge und Lohnarbeiter beschäftigt. (Dyer, S.320)
Das metallverarbeitende Handwerk gerät auch in Nürnberg immer mehr in Abhängigkeit von den kapitalintensiv hergestellten Rohstoffen und Halbfabrikaten. Andererseits vermehrt es sich dabei erheblich. Die zwischen Nürnberg und Oberpfalz hergestellten Halbfabrikate wie Stangen, Schienen, Draht und Blech werden eben von Nürnberger Handwerkern zu Fertigprodukten verarbeitet."Die Zahl der Nürnberger Handwerksmeister in der Eisenverarbeitung stieg von 409 im Jahrzehnt 1361-1370 auf 1335 am Ende des 15. Jahrhunderts." Gilomen, S.118). Dabei wird im Metallgewerbe nicht wie im Textilgewerbe nach Einzelschritten in Handwerksbetriebe zerlegt, sondern horizontal in verschiedene Produkte. Dabei setzt sich immer mehr Spezialisierung durch, die um 1500 knapp siebzig Sparten erreicht. Dadurch bleibt der handwerkliche Kleinbetrieb bei aller Abhängigkeit vom Kapital bestehen (Isenmann).
Um 1450 sind rund 45% aller Handwerksmeister Nürnbergs in der Metallverarbeitung tätig, zwei Drittel davon in der Eisenverarbeitung. Insbesondere bei den Messerern (die das Endprodukt zusammensetzen und den Verkauf leisten) stellt sich unterschiedliche Kapitalbildung ein, so dass einzelne Handwerker zu Verlegern aufsteigen. "Die großen Meister und Verleger beschäftigten zusätzlich selbständig tätige Stückwerker, die gegen Akkordlohn (Stückpreis) arbeiteten, und verpflichteten Klingenschmiede und Schleifer über die Vergabe von Krediten und Vorschüssen." (Schulz, S.181)
Kapitalismus beruht längst nicht mehr nur auf Handel und Finanzkapital und der massenhaften Produktion von Textilien, sondern nicht zuletzt auch auf der Produktion von Waffen und Rüstungen. Und wie noch heute konzentriert sich Rüstungswirtschaft auf darauf spezialisierte Regionen.
11.-13. Jahrhundert entwickelt sich die Produktion von Spitzenware in Norditalien, vor allem Mailand und Brescia. Im späten Mittelalter kommen Köln und insbesondere Nürnberg dazu. Wenn dann Waffen und Rüstungen nach Zuflieferungen aus spezialisierten Gebieten in den Rüstungsmetropolen zusammengesetzt werden, kommen Schwertklingen zum Beispiel erst aus Toledo und dann aus Solingen. Wenn Kettenhemden immer mehr durch Rüstungen aus Panzerplatten ersetzt werden, können diese auch aus anderen Städten kommen.
Aufwendig hergestellte Prunkharnische und -helme verlangen Fürsten, reichen Adel und Großbürger als Auftraggeber, und nicht nur König Maximilian hat mit Lorenz Helmschmied einen jährlich gut besoldeten Hofplattner.
Während mit Gold, Perlen und Edelsteinen besetzte Prunkrüstungen nur zum Vorzeigen von Reichtum dienen, kann die wirkliche militärische Ausrüstung als Massenware über Leben und Tod des Trägers entscheiden. Darum die Spezialisierung im Handwerk und die Konzentration auf wenige Orte, die Qualität liefern und die zum großen Teil von militärischen Gütern leben wie Mailand.
Könige wie Maximilian sind wichtige Auftraggeber: Für seinen Romzug 1508 bestellt er in Augsburg 500 Harnische für fuessknecht. Die Stadt hat eine ganze Anzahl Harnischproduzenten. (Mutz in: Maximilian, S.80)
Im späteren Mittelalter wird dann militärische Produktion und ihr Handel immer mehr auch Sache großer, weitverzweigter Mischfirmen mit viel Kapital. Der durch die Überlieferung seiner geschäftlichen Unterlagen bekannte Francesco Datini aus Prato liefert in jungen Jahren Mailänder Waffen an das päpstliche Avignon und baut dann später Schwerter aus Klingen aus Solingen und Griffen und Scheiden aus Italien zusammen (Spufford, S.97). Noch später wird er vor allem ein Textilmagnat. Führend werden die Gegenden, in denen Schmiede die besten Platten für immer vollkommere Harnische liefern.
Einen neuen Aufschwung nimmt die Waffenproduktion mit der Erfindung des Schießpulvers und der Artillerie. Worms besitzt bereits im 13. Jahrhundert ein Zeughaus. Im Augsburger Büchsenstadel befinden sich 1463 bereits 600 mehr oder weniger große Büchsen. 1540 sind es mindestens 108 schwere Geschütze und 3800 kleinere Feuerwaffen. (Mutz in: Maximilian, S.82)
In Nürnberg und Straßburg, den großen Reichsstädten, werden nun auch in Geschütz- und Glockengießereien Kanonen hergestellt.
Aber die Nürnberger Massenware bleiben leichte Brustharnische für Fußsoldaten, für die es im 14. Jahrhundert schon mal Aufträge für mehrere tausend gibt. Überhaupt holt nun die deutsche Rüstungsproduktion auf, während die französische und englische weiter zurückbleibt.
Ein Boomsektor sind dennoch inzwischen in Frankreich die Gewerbe der Produktion für den Krieg. Als erstes profitiert dabei der Bergbau, von Kapitalgesellschaften mit Lohnarbeit betrieben. Dann kommen Waffenschmiede und Kanonenhersteller, Herstellung von Rüstungen und anderes. Diese handwerklichen Betriebe werden immer größer, beschäftigen immer mehr Lohnarbeit und nähern sich so dem, was im Deutschen industrielle Produktion heißt.
Mit den Feuerwaffen nimmt auch die Bedeutung der Produktion des seit dem 13. Jahrhundert in Europa bekannten Schwarzpulvers aus Salpeter, Holzkohle und Schwefel zu. Die Stadt Augsburg kauft 1511-18 "mindestens 350 Zentner Salpeter und 720 Zentner Schwarzpulver" ein, was viele tausende Gulden kostet. (Mutz in: Maximilian, S.88)
Eine massive Zunahme verzeichnet im 15. Jahrhundert der schon im 13. Jahrhundert beginnende und von Holzarmut beförderte englische Kohlebergbau, in den auch Bischöfe wie der von Durham investieren, und wo das einzelne Bergwerk nun von um die 12 Arbeitern betrieben wird. Oft von Pferden betriebene Pumpen entsorgen dabei das Wasser. Um 1510 schickt Newcastle bereits jährlich um die 40 000 Tonnen Kohle überall hin, insbesondere aber auf dem Seeweg nach London. Kohle ist zu schwer, um es längere Strecken über Land zu ziehen, aber es kann mit Schiffen rentabel transportiert werden.
Ein zweites Kohlerevier steigt mit dem Maasraum um Lüttich langsam auf. Allein die Lütticher Minenbetreiber bilden schon im 14. Jahrhundert eine Zunft, die um die 2000 Mitglieder hat. Außerhalb des Nordwestens Europas bleibt Steinkohle aber vorläufig unbekannt.
Mehr Kapital bedeutet auch mehr Risiken. "1408 faillierte z.B. die Firma des Kaspar Vetter, dessen Geschlecht zu den reichsten Familien Rothenburgs und Donauwörths gehörte, bankrott gingen die Nürnberger Gesellschaften Stromer-Ortlieb und Kamerer-Seiler. Im folgenden Jahrzehnt verschwanden weitere Nürnberger Familien - die Kreß, Pirckheimer und Mandel - aus dem Handel in Venedig und Lübeck, den sie über Jahrzehnte bestimmt hatten." (Fuhrmann in Dirlheimer, S.184)
****Augsburg, Tirol und Maximilian****
Mit der Verschwendungssucht von Erzherzog Sigmund von Tirol können die Fugger 1485 in das Tiroler Edelmetall-Geschäft einsteigen: Sie leihen dem Fürsten 3000
Gulden, wofür der den Tiroler Bergbau-Unternehmer Christian Tänzl anweist, den Fuggern 281 kg Silber zu liefern. 1488 leihen sie dem Erzherzog 150 000 Gulden, wofür sie aus der Ausbeute des
Schwazer Silbers eine erhebliche Menge zur Tilgung bekommen.
Dazu kommen dann "Silber aus der landesherrlichen Schmelzhütte in Innsbruck, der Haller Münze und Primör im Trentino." (Häberlein in: Maximilian, S.24) Bis der Erzherzog sein Land 1490 an König Maximilian abgeben muss, haben die Fugger ihm bereits Darlehen von insgesamt 268 000 Gulden gegeben. Diese übernimmt dann Maximilian. Nur ein Jahr später nimmt der König bei ihnen ein Darlehen von 120 000 Gulden auf, wofür sie "fast 30 000 Mark (8,43t) Silber erhalten.
Seitdem finanzieren die Fugger die Auslösung einer Markgrafschaft, Gesandtschaften, Beamtengehälter, Maximilians zweite Hochzeit und Teile der Kosten mehrerer
Feldzüge, wofür es jeweils Silber gibt.
Neben das Silber tritt immer mehr auch das Tiroler Kupfer. "Im Oktober 1508 beispielsweise wurde ein Kontrakt über 300 000 Gulden geschlossen, in dem die Fugger die Abnahme von 30 000 Mark Silber aus der Haller Münze und 15 000 Zentner Kupfer zusagten. (Häberlein s.o., S.25)
1507 kann Jakob Fugger dem Kaiser eine Grafschaft mit drei Herrschaften abkaufen. Nach weiteren Käufen ist er Grundherr in über 50 Dörfern. Am Ende wird er zum Grafen erhoben und gelangt so in den Reichsadel.
Neben Jakob Fugger finanziert auch anderes Augsburger Großkapital Maximilian. "Im Juni 1495 etwa vereinbarte die Innsbrucker Regierung mit den Handelsgesellschaften Ulrich Fuggers, Sigmund Gossembrots und Jörg Herwarts gegen ein Darlehen über 64 000 Gulden den Verkauf von 48 000 Mark (13,8t) Schwazer Silber. Im folgenden Jahr streckten dieselben drei Handelshäuser gemeinsam mit den Brüdern Franz und Hans Paumgartner dem Herrscher 60 000
Gulden vor und sicherten sich dafür 120 000 Mark (33,72t) Silber." (Häberlein, s.o., S.25) Dieselben setzen dieses Geschäft in der Folge fort, und die Paumgartners leihen Maximilian derweil auch gewisse Summen zu denselben Sicherheiten.
Wichtig ist für Maximilian seit 1509 auch die Augsburger Gesellschaft von Georg und Ambrosius Höchstetter. Er veranlasst 1515 die Fugger, bei denen er mit 300 000 Gulden verschuldet ist, bei einem neuen Darlehen mit diesen zusammen zu arbeiten. Dafür bekommen sie gemeinsam die Tiroler Kupferausbeute von 1520-23, und in der Folge teilen sie sich über Absprachen den europäischen Kupfermarkt in einen für die Höchstetter und einen für die Fugger/Thurso.
Baukunst (Materialsammlung)
Wie so vieles im Bereich der gewerblichen Produktion unterliegt auch das Bauen der Vornehmen, Reichen und Mächtigen im immer kapitalistischeren Mittelalter den Moden bzw. Stilen bis in das Rokoko, und die weniger Betuchten schließen sich im Maße ihrer Mittel dem an. Die Faszination für das Neue, Raffiniertere wie auch für das immer Größere und das Verblassen der Attraktivität des Alten scheint eine Konstante von Zivilisationen zu sein, nur dass der Kapitalismus das durch das lange Mittelalter beschleunigt.
In unserer Zeit entwickelt sich die sogenannte Gotik immer weiter, sowohl was die Gewölbe und die Fenster betrifft. Wenige große Baumeister bzw ganze Baumeisterfamilien treiben die Entwicklung voran und erreichen damit Karrrieren, Einkommen und Prestige. In Mittelalter gehört dazu vor allem die international operierende Parler-Familie u.a. mit dem Prager Veitsdom und im südwestdeutschen Raum Ulrich von Ensingen u.a. mit dem Straßburger und Ulmer Münster..
ff
Keramik
Keramik mit ihrer meist nur regionalen Verbreitung besteht aus Behältern, Trink- und Essgeschirr. Von Natur aus wasserdicht sind nur die stark Kaolin-haltigen Tone der Siegburger Gegend im Rheinland. Diese Keramik wird über Köln verhandelt, und zwar in einen Raum von den Niederen Landen bis zu den baltischen Hansestädten.
Wasserdicht lassen sich Tongefäße auch mit einer Bleiglasur machen, die im 13. Jahrhundert manchmal zu dekorativen Zwecken außen aufgetragen wird und sich erst im 15. Jahrhundert langsam als Innenglasur durchsetzt, die auch das Reinigen der Gefäße wegen der glatteren Innenfläche erleichtert. (Baeriswyl in: Schwinges/Hesse/Moraw, S.532ff)
Lebensmittel
Die im 14. Jahrhundert massiv sinkende Bevölkerung führt bei manchen Handelsgütern nur zu kurzfristigen Einbrüchen und Firmenkrisen, aber die Mengen der Massengüter im Nahrungsmittelbereich nehmen natürlich bis ins 15. Jahrhundert erheblich ab. So geht beispielsweise der Getreideanbau in Osteuropa, der den Westen versorgt hatte, deutlich zurück.
Andererseits ist bis ins 15. Jahrhundert zumindest Getreide, vor allem Roggen, dann für die Pferde auch Hafer, und für die wohlhabenderen Kreise Weizen, die wichtigste feste Nahrung, weswegen man viel davon braucht, vermutet wird ein Kilo pro Tag. Nur ein kleiner Teil davon wird zu Brot gebacken, das meiste wird geschrotet, in Wasser aufgeweicht und dann entweder so oder gekocht als Brei gelöffelt.
Für das 15./16. Jahrhundert ist belegt, dass je nach Ernten die Getreidepreise erheblich schwanken, sie können sich sogar verdoppeln, manchmal vernünffachen und wieder sinken..
Nach etwa 1470 setzt neues Bevölkerungswachstum ein. Dabei nimmt die Bedeutung von Vieh- Fleisch- und Milchprodukten sowie von Sonderkulturen zu. (Rössner in: Bünz, S.170) Fleisch hat aber weiter einen deutlich geringeren Stellenwert als Getreide, und nur ein geringer Teil geht als Frischfleisch direkt über die Theke/Bank, da es kaum Möglichkeiten zur Kühlung gibt und nach zwei Tagen alles verkauft sein muss. Aber der größere Teil des Fleisches wird ohnehin zu Würsten, Sülzen und Pasteten verarbeitet, und gesalzen, gekocht und geräuchert.
Andererseits bleibt eine Schicht, die weiter Luxusgüter nachfragt. Dazu gehören die süßeren Südweine aus Portugal und Südspanien, der Portwein und der Sherry, die sich vor allem in England zunehmender Beliebtheit bei den Wohlhabenden erfreuen, sowie auch im übrigen Westeuropa der Malvasier, erst von der Peloponnes und in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts dann aus Madeira.
In manchen Gegenden wird stärker auf Qualitätsstandards geachtet. 1395 verbietet Philippe von Burgund die Anpflanzung der Massenrebe gamay. Im Rheingau nimmt (roter) Spätburgunder zu, im Elsass Muskateller.1498 wird auf dem Reichstag zu Freiburg ein Weingesetz verabschiedet, welches bis zum Ende des Reiches Anfang des 19. Jahrhunderts gültig bleiben soll. Darin wird unter anderem die Schwefelung geregelt, welche der Konservierung der Weine dienen soll und auch ihre Farbe länger erhält. Ältere Weine gewinnen nun an Bedeutung. Der Kräuteranteil zur Herstelllung des Aromas nimmt ab.
Um Jerez und Sevilla, am Duero und oberen Ebro, also im Rioja, machen sich immer mehr Wein-Monokulturen breit. Dabei wird immer mehr Wein exportiert. In einem Ort wie dem andalusischen Carmona am Guadalquivir besitzen 70% der Haushalte Weingärten. (Matheus in: Bünz, S.147)
Im 15. Jahrhundert nimmt langsam der Bierkonsum zu, die Bürger in Weinbaugebieten wie in Wiesbaden trinken allerdings vorläufig noch fast nur Wein. Aber der nassauische Graf lässt sich nun Bier aus Einbeck kommen.
In Norddeutschland bis nach Holland, Brabant und Flandern nimmt das zunehmend hochkapitalisierte Brauen von gehopftem Bier zu, und Städte wie Hamburg, Gouda oder Leuwen werden zu veritablen Brauereistädten für Exportbier.
Mit der Zunahme des Bierkonsums im Norden wächst dann der Anbau von Gerste, und es beginnen sich ganze Hopfenlandschaften zu bilden, die ihn massenhaft bis nach England exportieren.
Mit Hopfen gebrautes Bier schmeckt nicht nur anders, sondern bedeutet erheblich erhöhte Haltbarkeit. Damit kann Bier auch für fernere Märkte produziert und dorthin transportiert werden. Es wird zum Massenprodukt selbst für Handel über Regionen hinweg.
Kapitalkonzentration führt in einzelnen Branchen zur Firmenkonzentration. Nicht nur die Zahl der Töpfereien geht zurück und die übriggebliebenen haben entsprechend höheren Ausstoß. In Rostock investieren Kaufleute nicht nur in Werften, sondern auch in Brauereien. Die dazu berechtigten Brauherren stellen Braumeister, Brauknechte und zudem Gehilfen in Lohnarbeit ein.
Neben anderen thüringischen Städten gewinnt auch Nordhausen eine Art Bierbann, der im Umkreis der Bannmeile(n) Produktion, Einfuhr und Verkauf fremden Bieres verbietet. Im Falle Nordhausens wird das durch ein Privileg Kaiser Karls IV. bewirkt.
Bei den Brauern in Oxford führt das von einer Zahl von über 250 im Jahre 1311 zu ungefähr 24 im frühen 16. Jahrhundert. Ein wesentlicher Grund ist die Nutzung des Hopfens für die Bierproduktion, wobei niederländisches Bier das englische Ale zurückdrängt. Und da die neuartigen Braukessel über 20 Pfund kosten, wird das Brauen großer Mengen nun zur Sache kapitalkräftiger Unternehmer, auch wenn das Ale nicht ganz vom Markt verschwindet.
Ähnlich gewichtig wie das venezianische Salz ist das Baiensalz von Bourgneuf, welches Nordfrankreich, die Niederlande, England und zum Teil auch Skandinavien versorgt. In deutschen Landen bleiben Lüneburg, Hallein und Halle an der Saale führend, bis schließlich Hall in Tirol dazukommt.
Die Bedeutung des Lüneburger Salzes für die Handelsstadt Lübeck schlägt sich in dem über fünfzig Jahre des 14. Jahrhunderts erbauten Kanal von der Elbe bis zur Trave nieder, der über 50 Kilometer lang wird und zahlreiche Schleusen braucht. Aber Salz ist die Grundlage des riesigen Lübecker Handels: Es geht nach Bergen, von wo gesalzener Kabeljau und Stockfisch zurückgehen, die neunzig Prozent des dortigen Handels ausmachen, besonders aber nach Schonen, wo es die Heringsfischer benötigen. Der Salzhering geht dann auf Hanseschiffen vor allem nach den englischen Häfen Boston und (King's) Lynn. "Im Jahr 1494 wurden etwa 60 000 Fässer, also rund 7600 Tonnen, Salzhering produziert." (Spufford, S.226)
Von großer Bedeutung ist auch die Salzproduktion von Salins in der Franche-Comté. 1329 werden hier von der größten der drei Firmen, der Grande Saunerie, 72 000 Mauleselladungen von je 99 Kilogramm produziert. Mitte des 15. Jahrhunderts, als es mehr Aufzeichnungen gibt, ist die Produktion bereits auf die Hälfte gesunken. An Arbeitskräften steht diese Grande Saunerei immer noch mit rund 600 Arbeitern nur hinter dem Arsenal von Venedig zurück. Alle drei Firmen zusammen erwirtschaften einen Gewinn, der den Einnahmen Philipps ("des Guten") aus dem Herzogtum Burgund und der Grafschaft zusammen entspricht.
Bienenhonig ist überall lokal zu haben, aber Bienenwachs für den massenhaften Verbrauch für hochwertige Kerzen ist ein wichtiges Handelsgut der Hanse, Es kommt aus den großen osteuropäischen Wäldern und wird zwischen Nowgorod und dem preußischen Ordensland gehandelt und geht dann per Schiff bis nach Brügge und England. "Gegen Ende des 15. Jhs. wurden über London jährlich rund 100 Tonnen Bienenwachs eingeführt, während in Lynn und Boston etwas mehr direkt aus Lübeck angelandet wurde." (Spufford, S.229)
Papier und Druck
Mit der Papiermühle beginnt die deutliche Verbilligung des Materials. Irgendwann vor 1283 taucht eine in Fabriano auf. Nördlich der Alpen gibt es 1338 eine in Troyes.
Um 1390 richtet der große Teile Europas umgreifende Firmenkomplex von Ulman Stromer in Nürnberg durch Umbau die wohl erste deutsche Papiermühle ein. Man versucht, die Technik geheimzuhalten, was aber nicht lange gelingt. Kurz darauf ist der erste "Papierer" in Rothenburg/Tauber an der Arbeit. In der beginnenden Neuzeit wird Nürnberg dann auch zu einem Zentrum des Buchdrucks.
Um 1500 werden es dann in deutschen Landen rund fünfzig Papiermühlen sein. Dabei bleibt ein erheblicher Kapitalaufwand Voraussetzung, der sich aber offensichtlich wegen des großen Ausstoßes schnell rentiert.
Papier wird dabei allerdings auch nicht ansatzweise so billig wie in der heutigen Fabrikproduktion, aber es wird ein immer bedeutenderes Handelsgut.
Kommerzielle Buchproduktion beginnt im 13. Jahrhundert in Städten mit Universitäten, großen Residenzen und in Handelszentren. Bis tief ins 14. Jahrhundert beherrschen gut zwanzig Familien das Buchgeschäft in Paris vom Ankauf von Pergament und Papier über die Beschäftigung von Schreibern und Bebilderern bis zu Buchbindern und dem Verkauf. Verkauft wird alles, was gewünscht wird.
Zwischen etwa 1400 und 1450 kommt der Bilddruck auf: Holzschnitt, Kupferstich, zuletzt der Metalldruck.
Zu der Papierproduktion kommt dann der Druck mit beweglichen Lettern. Johannes Gensfleisch (Gutenberg) aus einer Mainzer Patrizierfamilie entwickelt die beweglichen Lettern, eine spezielle Druckfarbe und die Druckerpresse. Für die Entwicklung des Buchdrucks erhält er von Geldgebern Kredite, unter anderem vom Mainzer Kaufmann Johannes Fust zweimal einen zinslosen Kredit von 800 Gulden gegen das Pfand der davon angeschafften Geräte. 1453/54 druckt Gutenberg die 42-zeilige Bibel. Danach gelingt es Fust, die Werkstatt in seine Hand zu bekommen. Für eine Druckerei ist, auch für die Papiermengen, erhebliches Kapital als Voraussetzung nötig. Gutenberg arbeitet dann in einer neuen Werkstatt weiter.
Im nächsten Jahrzehnt tauchen Druckerpressen in Rom, Mailand, Florenz und Neapel auf, und ein Jahrzehnt später in Paris, Lyon, Brügge und Valencia. 1473 werden die ersten Musiknoten gedruckt.(Tuchman, S.525)
In Köln lernt der englische Tuchhändler William Caxton den Buchdruck kennen und bringt dann 1473/74 eine Druckpresse nach Brügge mit., wo er eine französische und eine englische Trojageschichte druckt. 1476 richtet er eine Druckerei in Westminster ein, wo er 1484 Malorys Morte d'Arthur druckt. Drucker sind dann auch die Verkäufer der Bücher.
Druckereien im ausgehenden 15. Jahrhundert bleiben meist noch eher kleine Betriebe, aber wie Koberger in Nürnberg gibt es erste, die an mehreren Orten eine größere Zahl von Gesellen beschäftigen. Zwischen 1473 und 1513 veröffentlicht der Nürnberg Drucker, Verleger und Buchhändler Anton Koberger bereits mehr als 200 Werke. "Auf dem Höhepunkt seiner Geschäftstätigkeit betrieb er 24 Pressen und beschäftigte über 100 Arbeitskräfte: Setzer, Korrekturleser, Drucker, Illuminatoren und Buchbinder. Er besaß sogar eigene Papiermühlen." (Spufford, S.211) Inzwischen gibt es überall im lateinischen Abendland Druckereien.
In der Regel produzieren solche oft an Universitäten ausgebildete Leute, nicht selten Kleriker, die Bücher nicht nur, sondern verkaufen sie auch. Da das Gewerbe noch neu ist, unterliegt es auch noch keinem Zunftzwang. Zunächst werden vor allem geistliche Werke in lateinischer Sprache gedruckt, für die die Kirche wichtigster Abnehmer ist
Nachdem der Druck Bücher zunächst nur eingeschränkt verbilligt, werden sie dann erheblich preisgünstiger durch Massenproduktion. Das wird im 16. Jahrhundert dazu führen, dass wohlhabendere bürgerlich-protestantische Kreise im 16. Jahrhundert zumindest ein Buch im Haushalt haben werden, eine Bibel nämlich. Das Lesen wird dann auch durch verbesserte Lesebrillen für die einfacher werden, die sie benötigen.
"Kunst": Malerei
Der zunehmende Wohlstand führt dazu, dass in Flandern oder in der Toskana immer mehr Malerwerkstätten aus dem Boden schießen, deren Meister im Norden in Lukasgilden zünftig zusammengeschlossen sind oder aber im Süden anderen Zünften angehören. Was später romantisierend unter einem neuen Kunstbegriff zusammengefasst wird, wird so zu einem nicht unerheblichen Gewerbezweig, den nur Reichere nachfragen, der aber immer umsatzstärker wird.
Dasselbe gilt für die Produktion von Wandteppichen, die vor allem in Paris, dann in Arras und dann in den einst deutschen Niederlanden floriert. Reich bebildert, versuchen sie mit ihren technischen Möglichkeiten den "Realismus" der Ölmalerei nachzuvollziehen, wobei sie dieselben propagandistischen Ziele wie diese verfolgen, und oft großformatige kriegerische Heldentaten der Vergangenheit feiern. Ähnlich wie die Maler sind die großen Werkstätten in ihren flämischen Zentren in Zünften zusammengeschlossen.
Solche Wandteppiche sind oft noch wesentlich teurer als große Gemälde und ohnehin viel größer. Dafür geben Könige und Fürsten für sie auch viel mehr Geld aus als für Ölmalerei. König Jean II. von Frankreich soll zwischen 1350 und 1364 mindestens 235 Tapisserien gekauft haben, Herzog Ludwig von Anjou hat mit 25 Jahren bereits 76 solche erworben und wird dann in einer Pariser Werkstatt unter anderem noch die riesigen, alleine sechs Meter hohen Apokalypse-Teppiche erwerben. Italienische Fürsten und polnische Könige tun es ihnen nach.
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Im 15. Jahrhundert gelingt es nach Italien und Burgund vor allem auch in wohlhabenderen deutschen Städten einzelnen Kunsthandwerkern, zu einem gewissen Wohlstand, ja Reichtum bis hin zu Unternehmertum zu gelangen. Da ist Tilman Riemenschneider in Mainfranken und da sind Adam Kraft und Veit Stoß in Nürnberg zum Beispiel. Herausragendes Beispiel ist im Süden wohl Albrecht Dürer.
Sein gleichnamiger Vater kommt 1455 als Goldschmied in Nürnberg an und bedient bald die Reichen und Mächtigen mit herausragenden Kunstwerken. Der Sohn bricht mit 15 Jahren seine Goldschmiedelehre ab und wird Lehrling bei dem renommierten Maler Michael Wohlgemuth. 1490 geht Dürer auf Wanderschaft nach Straßburg, Colmar, Basel und vielleicht auch in die Niederlande.
Um 1497/1503 hat er seine eigene Werkstatt in Nürnberg, in der spätere Berühmtheiten mitarbeiten. Insbesondere den überregionalen Verkauf seiner Druckerzeugnisse (Holzschnitt, Kupferstich) organisiert er bald wie ein Geschäftsmann. 1505-07 hält er sich in Venedig auf, wo man ihn vergeblich mit erheblichen finanziellen Versprechungen halten möchte.
Ab 1509 ist er in die Stadtpolitik involviert. Er ist nun so wohlhabend, dass er sich für mehr als 500 Gulden ein großes vierstöckiges Haus leisten kann. 1515 bewilligt ihm Kaiser Maximilian I. eine (lebenslange) Leibrente von 100 Gulden.
1520/21 macht er sich an eine ausführliche Niederlande-Reise, immer zu Studienzwecken. Wie in Italien wird er von Fürsten, Diplomaten, Großkaufleuten, Gelehrten wie Erasmus von Rotterdam und Künstlerkollegen bewundert. Der Antwerpener Magistrat bietet ihm vergeblich ein Jahresgehalt von 300 Philippsgulden, Steuerfreiheit, ein schönes Haus, freien Unterhalt und außerdem Bezahlung aller seiner öffentlichen Arbeiten an, um ihn zum ständigen Verbleiben in seiner Stadt zu bewegen.
Neben Holzschnitt, Zeichnung und der Malerei ist er Kunsttheoretiker und Mathematiker und mit Größen des deutschen Humanismus auf vertrautem Fuß. Er stirbt 1528.
Zwischen 1473 und 1531 lebt und arbeitet Hans Burgkmair d.Ä. in Augsburg, wobei er ähnlich wie Dürer unter den Einfluss der italienischen Renaissance gerät. Zunächst arbeitet er an Portraits für reiche Augsburger Bürger und Werke für die dortige Kirche, dann begegnet er König/Kaiser Maximilian 1500 in Augsburg und arbeitet mit graphischen Werken vornehmlich in seinen Diensten, wobei seine Arbeiten immer wieder durch Peutinger vermittelt werden. Sein Werk ist nun technisch hochrangige und bedenkenlose Propaganda-Arbeit für den Kaiser.
Nach dessen Tod geht er bald in den des Herzogs Wilhelm IV. von Bayern über. Als zünftiger Handwerker in einem Luxusgewerbe ist er sein Leben lang auf Aufträge der Reichen und Mächtigen angewiesen.
Hans Holbein d.Ä. (um 1465-1524) arbeitet in Augsburg und an anderen Orten in Süddeutschland. Nach Einflüssen aus den Niederlanden kommt es spät auch zu solchen aus Italien. Er malt vorwiegend religiöse Bilder für Kirchenaltäre, aber auch Portraits. Kaiser Maximilian soll ihm einen Freiheitsbrief verliehen haben.
Albrecht Altdorfer (um 1480-1538) arbeitet in Regensburg und erwirbt 1505 dort das Bürgerrecht udn ein stattliches Haus, zu dem 1517 ein zweites kommt. Bald ist er Mitglied im äußeren und später dann im inneren Rat der Stadt. 1526 wird er Stadtbaumeister. Neben städtischen Aufträgen nimmt er auch solche von Kaiser Maximilian wahr.
Nach und nach emanzipiert sich die Landschaft immer mehr von den religiösen und "politischen" Themen, bis es mit ihm zu ersten regelrechten Landschafts-Bildern kommt.
Schriftlichkeit
Bedeutende Handelsherren können im 14. Jahrhundert bereits schreiben und lesen und einige beherrschen sogar das Lateinische. Kaufmannsbücher tauchen auf, wie das der Nürnberger Holzschuher von 1303-07 als frühest bekanntes.
Zünftiges Handwerk in deutschen Landen
Handwerker mit ihrem meist eher kleinen Betrieb wohnen in kleineren und einfacheren Stadthäusern, oft mit einem Hof, einem Stall und kleinen Garten versehen. Manche haben noch ein Stück (Obst)Garten vor der Stadt. Wer es sich leisten kann, hat ein Wohnhaus als Eigentum, viele leben aber zu Miete oder Pacht. Die Einrichtung und irdenes bzw. hölzernes Gerät und Geschirr sind einfach wie auch meist die Kleidung. Wohnung und Werkstatt gehören zusammen, und besonders "niederes" Handwerk verkauft über einen Klapp-Laden oder kleinen Stand auf der Straße. Die Arbeitszeit reicht weiter von Sonnenaufgang bis Untergang bei zwei Pausen für das Mittag- und Abendessen.
Die Menge und Diversifizierung des Handwerks in einer bedeutenderen deutschen Stadt im 14. Jahrhundert sieht am Beispiel Erfurts laut Werner Mägdefrau für die an den Erzbischof Abgaben leisteten Handwerke so aus:
Vor den Graden stehen 60 Schuhbänke, das Lederhaus mit 36 Bänken, ein Brothaus, die alten Fleischbänke sowie eine Anzahl von Leinwandgaden... "auf dem Wenigemarkt fanden sich nicht weniger als über 50 Bänke oder Stände für die Erfurter Schuhmacher, ein Lederhaus, ein Brothaus, 90 Gewandschnitt., Kürschner- und Schneidergaden, die eine gassenartige Doppelreihe von Verkaufsständen bildeten, 80 bis 90 Fleischbänke, und auf der Langebrücke waren über 20 Fleischbänke als feste Verkaufsstände vorhanden." (S.159)
In Nordhausen gibt es in dieser Zeit an Meistern 80 Schuhmacher und 40 Gerber, 40 Bäcker und 40 Wollweber, 44 Gewandschneider in ihren Kammern im Rathaus und etwas früher 54 Fleischer/Knochenhauser. (S.160f)
Im 14./15. Jahrhundert prägen nicht nur Kirchen und immer repräsentativere Steinbauten vornehmer Geschlechter und Kapitaleigner sowie oft Rat- und Kaufhäuser das Stadtbild, sondern auch die Zunfthäuser, nach deren Gewerbe oft die Straßen benannt werden. Hier wird bei Speis und (vor allem auch) Trank beraten und gefeiert. Daneben sind die Zünfte in den jeweils von ihnen bevorzugten Kirchen mit Altären und Kapellen präsent.
Dabei können in Süddeutschland verschiedenste Handwerke in einer Zunft versammelt bleiben, während im Norden die Ämter/Innungen stärker ausdifferenziert werden.
In Norddeutschland dreimal, im Süden viermal findet die Morgensprache statt. "Es war Pflicht, in den besten Kleidern zu erscheinen, hohe Bußen drohten dem, der sich verspätete. Von der Sittenaufsicht über die Zunftgenossen bis zu gemeinsamen Preisabsprachen reichte der Inhalt dieser Versammlungen." (SchubertEinführung, S.118)
Das Selbstbewusstsein des Handwerks spiegelt sich auch in einem steigenden Bildungsniveau, welches neben Lesen und Schreiben und den gewerblichen Fachkenntnissen zu einem weiteren Horizont führen kann. Dazu kommt mit dem Meistersang ein volkstümlich-künstlerisches Feld. Der wird in eigenen Singschulen erlernt, wo Strophenform, Melodie und andere Regeln vorgegeben werden. Bald sind Meistersinger in eigenen Bruderschaften vereint. Selbständiger Gesang wird dann über Literaturkenntnisse und andere Anregungen erworben.
Daneben ist das Handwerk führend in der Fastnacht in den Umzügen, beim Mummenschanz, bei Tänzen und bei den Fastnachtspielen vertreten, die allerdings gerne und insbesondere nach der Reformation von der Obrigkeit eingeschränkt oder verboten werden.
Das Regulieren und Verrechtlichen nimmt wie überall auch im Handwerk zu. 1313 wird es verpflichtend für die Schmiede von Stettin, ein Meisterstück anzufertigen, 1360 gilt das auch für die Goldschmiede von Riga und 1370 für die Schuster von Lübeck; aber die Regel wird so etwas erst viel später. Regionaltage im hansischen Raum erlassen schon 1321 eine Ordnung für die Böttchergesellen, "die für sie einen Höchstlohn festsetzte, ihnen Schwarzarbeit verbot und sie hinderte, ihre Meister zu verlassen, um zu den Schonischen Messen zu fahren." (Dollinger, S.177)
Zeichenhaft für Regulierung steht die der Tageszeit, welche seit der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts Turmuhren leisten, die zunächst die Stunde schlagen und dann im 15. Jahrhundert immer verbreiteter auf einem Zifferblatt mit Zeiger die (fast) genaue Zeit anzeigen. Damit beginnen für die Lohnarbeit erste Auseinandersetzungen über Arbeits- und Pausenzeiten.
Die Zünfte pendeln zwischen der Funktion, Interessenvertretung ihres Gewerbes zu sein, und der, durch ihre Unterordnung unter Rat und politisches Großkapital als Instrument der Kontrolle durch die Obrigkeit zu funktionieren. Ein florierendes Handwerk ist dabei im Kern durchaus im Interesse der politisch wie wirtschaftlich Mächtigen, ganz anders als im 19. und 20. Jahrhundert, als diese das produktive Handwerk zur Gänze untergehen lassen.
Es gibt also Gemeinsamkeiten im Interesse. Politisch kann es zum Beispiel aus Gründen des inneren Friedens manchmal sinnvoll erscheinen, Innovationen zu vermeiden. 1412/13 verbietet so der Kölner Rat die Einfuhr von Seidenzwirnmühlen durch den süddeutschen Kaufmann Walter Kesinger (Dirlmeier, S.36), um nicht zu viele Arbeitsplätze zu gefährden. Genausogut kann aber eine vom Patriziat streng regierte und Handwerkervereinigungen massiv unterdrückende Stadt wie Nürnberg Innovationen zum Beispiel im Metallbereich fördern.
Konflikte untereinander sind nicht zuletzt Kompetenz-Streitigkeiten, wie sie immer wieder zwischen Schuhmachern und Gerbern um Kauf und Verkauf von Leder, manchmal auch mit Sattlern und Kürschnern auftreten, und zudem zwischen Handwerkern und Handelsherren. (Für Basel: Weissen in: Ochs/Zeilinger, S.104)
Rat und Zünfte sind sich zunehmend einig in der Einschränkung der Konkurrenz, die den kleinen Handwerksbetrieb schützt. Dies geschieht durch massive Begrenzung der Betriebsgröße, des Großgeräts wie der Webstühle, durch Absatzquoten, Verteilung der Aufträge durch die Zunft, kollektiven Messebesuch oder das Verhandeln nicht selbst produzierter Waren wie das Verbot von Werbung (Isenmann, S.344). Zudem kann die Menge und der Preis beim Rohstoffkauf reguliert werden, die Lohnkosten und Marktpreise können limitiert werden und, was ganz zentral ist, die Qualität wird kontrolliert.
Die Einschränkung der Konkurrenz betrifft den Zuzug neuer Handwerker, aber oft auch den wirtschaftlichen Ausschluss von Handwerkern im Umland. In einer Chronik von 1411 heißt es, dass
...kein Bürger hier zu Augsburg, weder reich noch arm, weder Kaufleute noch andere Bürger, mit einem Weber, der auf dem Lande innerhalb von drei Meilen rings um die Stadt ansässig ist, irgendwelche Zusammenarbeit oder Geschäfte unterhalten soll. (Engel/Jacob, S. 314)
1470 verfügt der Kurfürst von Sachsen, dass
auf eine Meile Weges um Chemnitz herum kein Handwerker wohnen und dort sein Handwerk betreiben soll und dass kein Dorfgastwirt selbst brauen oder fremdes Bier, es sei denn Chemnitzer Bier, das ganze Jahr über aussschenken soll. (Engel/Jacob, S. 315)
So kann im Zusammenspiel von Fürst und städtischer Obrigkeit das Gewerbe und der Einzug von Abgaben besser kontrolliert werden.
In der Wirklichkeit gibt es aber einen massiven Widerspruch zwischen dem Schutz des (kleinen) Handwerksbetriebes, wie ihn Zünfte und Räte formulieren, und seiner Gefährung durch Abhängigwerden einmal vom Handelskapital und zum anderen von reich gewordenem Handwerk selbst.
1439 fordert jemand in der 'Reformatio Sigismundi', dass man die Zünfte ganz abschaffen solle, da sie den Interessen der Allgemeinheit (der Konsumenten vor allem) zuwiderliefen.
Das Handwerk wurde dazu erdacht, dass jedermann sein tägliches Brot damit gewinnen kann. Wenn niemand den anderen bei seinem Handwerk stört, dann leidet die Welt keine Notdurft und jeder findet sein Auskommen. (in: Ertl, S.10)
In Leipzig besitzen die städtischen Fleischer ein Monopol. Die Universität verlangt 1470 einen freien Markt für Fleisch,
denn je mehr auf den Markt gebracht wird, desto preisgünstiger ist es, und die fremden Fleischer legen ihr Geld wieder bei der Stadt an. (...) es ist besser, Sechstausend werden wohl versorgt, als dass sechs, acht, zehn, die nun das Handwerk mit Bewilligung des Rats ausüben, sich stark bereicherten bei gleichzeitigem Nachteil aller anderen. (in: Ertl, S.14)
Dass Produzenten /Anbieter und Konsumenten (manchmal diametral) unterschiedliche Interessen auf dem Markt haben, ist nicht neu und besonders dort Konfliktmaterial, wo das Geld eher knapp ist. Dass der Leipziger Protektionismus zudem die Gefahr verschlechterter Qualität enthält, wird in diesem Text ebenfalls erwähnt.
Innerhalb der Städte wird hingegen auf bürgerlichen Wunsch die Konkurrenz der Klöster, der Laienorden der Teriarier und die der Beginen beschränkt, indem letzteren zum Beispiel die Anzahl der Webstühle vorgeschrieben wird. Bei etwa 106 Beginenhäusern im Köln des 15. Jahrhunderts und etwa 1.500 Beginen spielt deren Wirtschaftskraft durchaus eine Rolle.
Die vielen Regulierungen sollen das Handwerk schützen, aber sie schützen zumindest Teile davon auch weiterhin nicht vor Armut. In einer Augsburger Chronik von 1397 heißt es:
… denn es waren sehr viele arme, zu Grunde gerichtete Weber in der Stadt, und man meinte, die Weber hätten gern in der Stadt Mord gestiftet, um ihre Geldschulden loszuwerden. (Engel/Jacob, S. 297)
Innerhalb der Zünfte gibt es eben wohlhabende und arme Meister. In Augsburg sollen 1475, wie es heißt, 2700 habnit handwerker gezählt worden sein. (SchubertEinführung, S.119)
Unter den Zünften gibt es früh eine Hierarchisierung in reichere und ärmere, oft in Gruppen oberer und minderer Zünfte und zunftlosen Gewerbes geteilt. Dabei gibt es im späteren Mittelalter in den reicheren und mächtigeren Zünften wiederum einzelne reichere Meister, die mit einem Bein schon Kaufleute sind und damit kapitalistisch orientiert. In Erfurt sind das zum Beispiel Lederschneider, Schmiede und Wollweber.
Damit schließen sie auf zu den Handwerker-Verlegern in Flandern, was sich in deutschen Städten in dem Kompetenzgerangel zwischen Webern und zu Kaufleuten aufsteigenden Gewandschneidern zeigt. Im thüringischen Nordhausen ist das Innungshaus der Gewandschneider zugleich das Rathaus. Im thüringischen Mühlhausen setzt der Rat 1411 durch, dass die Weber abgesehen von den Jahrmärkten der Stadt ihre Tuche an die dortigen Gewandschneider verkaufen müssen.
In Erfurt kann man beobachten, wie Produktion und Handel von Färberwaid in die Hände der Waidjunker gerät, die die Produktion mittels Lohnarbeit veranstalten und in Handelsgesellschaften das Fertigprodukt vermarkten. Sie übertreffen dabei noch die Kapitalisierung von Mühlen- und Brauereigewerbe.
Andererseits besteht eine Tendenz, minder angesehene Arbeit nach unten auszugliedern. Die Schuster nicht nur in Erfurt gliedern die Flickschuster aus, Bäcker ohne eigenen Backofen, die Öfen anderer Bäcker anmieten müssen, in Erfurt die Nachbäcker, sind weniger privilegiert.
Nachdem die Färberei aus der Gesellenarbeit der Wollweberei ausgegliedert ist, wird sie den niederen Zünften zugeordnet, wiewohl sie aufgrund ihres höheren Kapitaleinsatzes in Florenz zum Beispiel zu den wohlhabenderen Handwerkern des Textilgewerbes gehören.
****Gesellen****
Gesellen sind einem Meister zugeordnete Arbeitskräfte, die auf dem Weg in die (sogenannte) Neuzeit zunehmend weniger Kost und Logis und stärker ersatzweise einen kleinen Lohn erhalten. Ihre Bindung an Meister, ihre fachspezifische Ausbildung samt Kenntnissen und Fertigkeiten unterscheiden sie von einem beliebig einsetzbaren Industrieproletariat. Das stärkt ihr Selbstbewusstsein, andererseits stehen sie außerhalb der politischen Verfasstheit der Städte, an der bestenfalls Meister partizipieren.
Seit der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts bilden sie analog zu den Zünften eigene Gesellenvereinigungen aus, um ihre Interessen zu vertreten. Voreiter sind Schuhmacher, Schneider, Schmiede und Bäcker. Man organisiert Treffen, hilft wandernden Gesellen-Kollegen, gute Meister zu finden, boykottiert unehrliche Meister, richtet eigene Trinkstuben ein. Mit gemeinsamer Kasse werden Plätze in Spitälern erworben und Herbergen für wandernde Gesellen eingerichtet.
Boykott schlechter Meister und punktuelle, eher seltene Streiks führen zur Verfolgung der Gesellenvereine durch die Zünfte und die städtische Obrigkeit.
In der Konsequenz entwickeln sich Gesellenvereine oft zu (religiös eingefassten) Bruderschaften. Schulz beschreibt für um 1500, wie die Bruderschaft der Colmarer Bäckergesellen über die Stiftungen großer und sehr teurer Prozessionskerzen (in einem Fall 124 Gulden) mit den Badergesellen um den prominenten Ehrenplatz bei der Fronleichnamsprozession konkurrieren (Schulz, S.252f)
Die Wanderung als Teil des Gesellendaseins setzt sich im 15. Jahrhundert immer mehr durch, verpflichtend wird es allerdings erst im Verlauf des 16. Die meisten Wanderungen betreffen den deutschen Sprachraum, der auch dadurch stärker (wenn auch nicht politisch) zusammenwächst. Nicht wenige schaffen es aber auch bis London, nach Norwegen, in französische Städte, insbesondere auch nach Rom. Im 16. Jahrhundert mit seinem zunehmenden Nationalismus, seiner Fremdenfeindlichkeit und der zunehmenden konfessionellen Bigotterie schwindet dieser europäische Radius.
Krämer
Einen Sonderfall stellen in den Städten die Krämer dar, die von der Größe her oft in etwa einem Handwerksbetrieb entsprechen und wie dieser, allerdings meist erst später, dem Zunftzwang unterliegen. Im Unterschied zum Handwerker verkaufen sie aber nicht Selbstproduziertes, sondern ein gemischtes Angebot an Waren (nur) aus anderen Orten. Dabei unterliegen sie eigentlich im Unterschied zum Großhandel dem Marktzwang, aber sie tendieren auch dazu, von zuhause aus zu verkaufen. Vor der Übermacht des Großhandels werden sie dadurch geschützt, dass diesem wiederum der Kleinhandel untersagt ist.
Um Konflikte unter ihnen zu vermeiden, werden auch sie reguliert. Nachdem die steinerne Version der Erfurter Krämerbrücke erbaut ist, dürfen sie ab 1325 nur noch dort verkaufen.
Der Mangel an umlaufender Münze tendiert dazu, dass Krämer auf Kredit einkaufen und auch wieder verkaufen. Dabei können dann in der Spätzeit der zweiten Blüte des mittelalterlichen Kapitalismus erhebliche Umsätze erreicht werden, was manchmal dazu führt, dass sie Zutritt zu der politischen Macht in der Stadt gewinnen.