Anhang 15: Das Haus Canossa

 

Die Machtfülle moderner Staaten beruht auf dem, was in den tausend Jahren zuvor Fürsten und Monarchen dabei zusammenraffen konnten und erweitert das nun, ohne noch handfeste rechtliche Schranken zu kennen. Am Beginn des Weges in spätere Fürstenherrlichkeit stehen in Reichsitalien Herren wie die von Canossa, die allerdings dann erst einmal durch die Entwicklung von Ansätzen neuer Staatlichkeit in den Städten dort gebremst und durch Aussterben der Familie dann (hier 1115) ihr Ende finden.

 

Bemerkenswert ist zuallererst der rasante Aufstieg jener Familie, die innerhalb eines Jahrhunderts vom Edelfreien zur Vormacht in Teilen Nord- und Mittelitaliens aufsteigt. Am Anfang steht ein Siegfried aus Lucca (Sigefredus de comitatu Lucensi), wohl ein Vasall des tuszischen Markgrafen Adelbert. Dieser Siegfried schlägt sich um 925/30 auf die Seite des italienischen Königs Lothar, des Sohnes von Hugo von Vienne, und erhält dafür ein Gut in der Nähe von Parma. Donizo schreibt fast zweihundert Jahre später, dass es ihm gelungen sei, daraus einen größeren Familienbesitz zwischen Parma und dem nördlichen Appeninenhang zu formen. Sohn Atto-Adalbert, Vasall des Bischofs von Reggio, schafft dann mit dem Bau oder Ausbau der kaum einnehmbaren Burg Canossa die Kontrolle über erste Teile des Gebirges. Sein Bruder Sigifred ist wohl Lehnsmann des Bischofs von Parma, dessen Nachkommen dann wie sein Bruder Gerard in der Capitanenschicht von Parma auftauchen.

 

958 kauft Atto/Adalbert Land mit zwei Burgen in der Nähe hinzu. Offenbar reichen seine Einnahmen inzwischen dafür aus. Daneben erwirbt er ein Kastell (GoezMathilde) auf einer Poinsel umd danach vom Bischof von Mantua daneben liegendes Land. Alleine an diesem Beispiel wird schon deutlich, inwieweit Land mit darauf sitzenden mehr oder weniger abhängigen Bauern im 10. Jahrhundert bereits Ware auf einem Immobilienmarkt ist, der der Arrondierung und Erweiterung von Besitzungen dient.

 

Inzwischen war die Witwe König Lothers, Adelheid, in die Hände Berengars von Ivrea geraten, der das Königtum an sich reißen möchte. Sie kann fliehen und kommt dann auf der Burg Canossa unter, die Berengar nicht einzunehmen vermag. Da sie bald Gemahlin Ottos I. wird, hat der Herr von Canossa auf das richtige Pferd gesetzt. 962 taucht zum ersten Mal der Titel Graf für ihn auf, und zwar für Reggio und Modena. Rund zehn Jahre später ist er dann auch Graf von Mantua. Einen Sohn macht er zum Bischof von Brescia, wohl im Einvernehmen mit dem sächsischen Herrscher.

 

Nicht als Graf, sondern durch Nutzung der Titel für die Steigerung seines Grundbesitzes steigt seine Macht vor allem (Wickham). Mit Klostergründungen und der "Schutzherrschaft" über andere insbesondere in der Poebene werden seine Besitzungen immer geschlossener. Durch die Kultivierung von Sumpfland dort steigern sich seine Einkünfte. Das Land wird dann durch neue Burgen gesichert. Zu seinen Vasallen werden nun Söhne von Grafen und Vizegrafen (Hagen Keller).

 

Unter ihm und seinem Sohn Thedald (976-1015) wird die erfolgreiche Zusammenarbeit mit den Sachsenkaisern vertieft. Dem Sohn wird dafür offenbar der Titel dux et marchio verliehen. Inzwischen ist er auch noch Graf von Brescia. Als Otto III. überraschend in der Nähe von Rom stirbt, vertritt Thedald die Position Heinrichs II. gegen den neuen italienischen König Arduin. Parallel dazu werden erste Kontakte zu den Päpsten geknüpft. Vielleicht vom Papst bekommt er die Grafschaft Ferrara übertragen und hat nun den Zugriff auf die Salinen von Comacchio an der Adria. „Die landfremden Emporkömmlinge mausern sich binnen zweier Generationen zu den wichtigsten Hütern der Ordnung und zu Garanten der Rechtssicherheit in den von ihnen dominierten Regionen.“ (GoezMathilde, S.25)

 

Sohn Thedald wird Bischof von Arezzo, während der andere, Bonifaz, das Erbe antritt, vielleicht nach Ausschaltung eines weiteren Bruders. Mit der Mitgift bei der Heirat mit der Tochter des Pfalzgrafen von Bergamo kann er seinen Einflussbereich von dort bis in die Region Verona ausdehnen. Er erweist sich nun als Stütze der Italienpolitik Konrads II., wofür er 1027 auch noch die Markgrafschaft Toskana (Tuscien) dazu erhält. Dort hat er keine eigenen Besitzungen, weswegen er seinen Einfluss über einige Klöster in und um Florenz (San Miniato, Badia Fiorentina etc.) auszuüben versucht, die er dann gegen die kommunalen Bestrebungen einsetzt.

 

Demonstrative Patronage über Kirchen und Klöster laufen bei ihm längst einher mit der Ausplünderung derer, die ihm weniger wohlgesonnen sind, durchaus auch mit militärischer Gewalt, wie beim Bistum Modena. In einem Fall ist ein Brief von Petrus Damiani überliefert, der darum bittet, seine Truppen von einer solchen Plünderung zurückzuhalten. In einigen Quellen wird Bonifaz als grausam beschrieben. „Nach seinem Tod erstellten die Konvente lange Schadenslisten, um ihre durch den Markgrafen erlittenen Verluste zu dokumentieren...“. (GoezMathilde, S.41) Zumindest eine Rebellion von Untervasallen schlägt er blutig nieder

 

1036 stirbt die erste Gemahlin Richilde kinderlos. In dieser Zeit nimmt Bonifaz an Kriegszügen Konrads II. in Italien teil und heiratet dann die am Hofe Konrads erzogene höchstens fünfzehnjährige Beatrix, Erbin von Oberlothringen mit königlicher Unterstützung. Es heißt, er habe inzwischen beispiellosen Reichtum angesammelt, der sich in Prunk und Protz geäußert haben soll. Durch Kauf, Heirat, Nutzung der Beziehung zu Kaiser und Papst und vor allem durch jene latente und offene Gewalt, die damals in den Quellen zu kurz nur erwähnt wird, war es dazu gekommen.

 

Mit Heinrich III., dem die Machtentfaltung des italienischen Fürsten zeitweilig zu bedrohlich erschien, kommt es zu einzelnen, ersten Konflikten, die darin kulminieren, dass der Kaiser sich gegen Übergriffe von Bonifaz auf geistliche Güter wendet. Am Ende allerdings soll Bonifaz unter dem Einfluss seiner zweiten Frau fromm geworden sein. 1052 wird der mächtige Fürst dann aus dem Hinterhalt ermordet.

 

Beatrix verwaltet nun ihren riesigen Herrschaftsbereich für ihren einzigen Sohn und muss gleich Aufstände niederschlagen. Als dieser jung stirbt und am Ende nur Tochter Mathilde übrigbleibt, hat sie zunächst keine Rechtsgrundlage mehr für ihre Herrschaft, können königliche Lehen doch damals nicht an Frauen vergeben werden. Zudem begehren die größeren Städte immer mehr auf gegen fürstliche Gewaltherrschaft. In dieser Situation entscheidet sie sich für einen massiven Affront gegen den Kaiser und heiratet, ohne sich seine Erlaubnis zu erbitten, Gottfried den Bärtigen von Oberlothringen, der sie offenbar mit dieser Absicht besucht hat (WGoez, S.179).

 

Ein Jahr später ist Heinrich mit einem Heer in Italien. Während Gottfried flieht und untertaucht, nimmt der König, dabei durchaus formalem Recht genügend, Beatrix und die etwa neunjährige Tochter Mathilde gefangen, als sie bei ihm für ihren Gemahl eintreten will, und lässt sie nach Deutschland schaffen. Aber als der Kaiser bald darauf stirbt, können beide zusammen mit Papst Victor II. wieder zurückkehren und Gottfried wird nun zum Unterstützer des kleinen vierten Heinrich.

 

Mit Beatrix und Mathilde werden übrigens Frauen zu Herrscherinnen über eines der mächtigsten Fürstentümer in den Reichen des Kaisers. Zur zweiten Heirat von Beatrix schreibt Lampert von Hersfeld für 1055: Nach dem Verlust ihres ersten Gatten habe sie dem verödeten Hause (domui) einen Beschützer gegeben und als Edle ohne Nebenabsicht irgendwelcher verruchter Machenschaften einen edlen Mann geheiratet. Er vergesse Recht und Billigkeit, wenn er, ohne seine Gnade zu verlieren, das nicht gestattet sein sollte, was im römischen Reich (in imperio Romano) edlen Frauen immer erlaubt gewesen sei. Dass hochfürstliche Frauen heirateten bzw. verheiratet wurden, um Machtverhältnisse auszubauen, wird hier genauso unterschlagen wie auch, dass die Erbin eines kaiserlichen Lehens über dieses nicht nach freiem Willen verfügen konnte.

 

Mit dem Tod des Papstes endet die enge Verbindung von Papsttum und Kaisertum. 1057 wird der Bruder Gottfrieds des Bärtigen als Stephan IX. zum Papst gewählt. Von nun an werden das Haus Oberlothringen/Canossa und die Reformkräfte um das Papsttum eng zusammenarbeiten, auch wenn das überwiegend machtpolitische Gründe haben mag. So wird dann auch bald der noch von Bonifaz eingesetzte Bischof Gerhard von Florenz als Nikolaus II. Papst der Reformkräfte, dabei unter dem militärischen Schutz des toskanischen Markgrafenpaares stehend. Nach seinem Tod wird wieder ein tuszischer Bischof, Anselm von Lucca, unter dem Einfluss von Hildebrand und Beatrix zum Papst (Alexander II.) gewählt. Eine von Gottfried und Beatrix militärisch bewachte Synode von Mantua, in ihrem Machtbereich, setzt ihn dann endgültig durch. Die beiden ignorieren auch die Forderung Alexanders nach Auflösung der unkanonischen Ehe (wegen zu enger Verwandtschaft) und unterstützen ihn weiter militärisch.

 

Spätestens kurz vor dem Tod Gottfrieds 1069, vielleicht schon viel früher, wird die Ehe Mathildes mit dem Sohn ihres Stiefvaters, einem Gottfried, der wegen seines Aussehens den Beinamen „der Bucklige“ trug, eingefädelt. Damit soll die Verbindung der lothringischen mit der italienischen Herrschaft besiegelt bleiben. Bei Lampert von Hersfeld wird dieser Gozelo/Gottfried als hochangesehene Persönlichkeit beschrieben, denn, obgleich von winziger Gestalt und durch einen Buckel entstellt, überragte er die übrigen Fürsten weit durch den Glanz seines Reichtums und die Menge der auserlesensten Krieger, dazu auch durch seine ausgereifte Klugheit und seine Redegewalt. (Annales für 1075)

 

1070 ist Beatrix bereits in Italien zurück, um dort persönlich präsent zu sein. Machtentfaltung ist immer noch an persönliche Anwesenheit gebunden und in Abwesenheit ihres Mannes ist sie die mächtigste Fürstin in Nord- und Mittelitalien, so wie Gottfried mächtigster Reichsfürst nördlich der Alpen. Sie hält persönlich Gericht, belehnt Vasallen und das alles ohne eine lehnsrechtliche Absicherung durch den Herrscher über ihr.

 Mathilde wird in Lothringen offenbar eine Tochter entbinden, die kurz darauf (?) stirbt, wonach sie offenbar keine ehelichen/sexuellen Beziehungen mehr zu ihm oder einem anderen Mann wünscht. Sie flieht (?) vor ihm nach Italien, wo sie 1072 in Mantua auftaucht. Ein Versuch ihres Gemahls, sie noch im selben Jahr zurückzugewinnen, scheitert und sie sieht ihn laut Elke Goez dann nicht mehr wieder. Für den Sommer 1073 heißt es in einer Chronik: Ohne die eheliche Gemeinschaft je wiedergefunden zu haben, zog er sich ergebnislos nach Lothringen zurück. (in WGoez, S.183)

 

Das ist ein für damalige Verhältnisse unerhörter Vorgang, insbesondere, da Gregor VII. ihre Ehe aus machtpolitischen Gründen nicht annulliert, obwohl er rechtlich dazu sogar verpflichtet gewesen wäre.Der Papst schreibt an sie: Setze deinem Wunsch, Sünde zu tun, jetzt ein Ende! Wirf dich vor Maria hin und weine dich mit zerknirschtem Herzen bei ihr aus. Du wirst sie - das verspreche ich dir, - in ihrer Liebe zu dir noch bereitwilliger und versöhnlicher finden als deine leibliche Mutter. (in WGoez, S.185) Elke Goez vermutet, er habe befürchtet, dass sie ein einer Nonne gemäßes zölibateres Leben angestrebt habe, welches Gregor ihrer Truppen und ihres Geldes hätte berauben können. Lampert von Hersfeld nennt das Phänomen in seinen Annalen viuditas, also eine Art Witwenschaft.

 

Gottfried schlägt sich denn auch bis 1076 auf die kaiserliche Seite, um kurz darauf meuchlings ermordet zu werden. (Lampert von Hersfeld, Annalen zu 1076, beschreibt das anschaulich). Als dann auch noch im selben Jahr Mutter Beatrix stirbt, wird es für die Tochter immer schwieriger, ihre Besitzungen zusammenzuhalten, wobei ihr vor allem oberlothringische Güter in der Ferne nach und nach entgleiten werden. Lampert spricht immerhin davon, dass ein großer Teil Italiens ihrer Herrschaft unterstand und sie an allen Gütern, die die Sterblichen als die höchsten schätzen, weit mehr besaß als die übrigen Fürsten des Landes. (Annalen zu 1077)

 

Ihre häufige Anwesenheit in Rom bei Gregor, ihr intensiver Briefkontakt werden bekannt und führen besonders bei antigregorianischen Kreisen zu Getuschel über unkeusche Verhältnisse, das sogar in den so wichtigen Wormser Beschluss der Gehorsamsverweigerung der Bischöfe für Gregor eingeht.

 

Sie versucht nun in allerengster Verbindung mit Gregor VII. gegen alle hochmittelalterlichen Rechtsvorstellungen ihren italienischen Machtbereich zusammenzuhalten, ohne aber den Kontakt zum Kaiser ganz abzubrechen. Von daher kommt beiden Parteien dann Mathildes Vermittlerrolle auf Canossa entgegen. Nach Heinrichs erfolgreichem Bußgang hält sie zunächst den Kontakt zu ihm, der in Italien beginnt, seine Macht wiederherzustellen, während Gregor monatelang auf ihren Burgen ausharrt und auf deutsches Fürstengeleit nach Augsburg wartet.

 

Sie selbst praktizierte wohl eine sehr eigenwillige Form von Frömmigkeit, die einerseits sehr persönlich zu sein schien, andererseits aber nicht ausschließt, dass sie weiter gegen jede kirchliche Reformbemühung Bischöfe investieren und ihre Macht durch die sehr weltliche Kontrolle geistlicher Institutionen aufrechtzuerhalten sucht. Quellen behaupten, sie habe in dieser Zeit ihre Besitzungen dem Papsttum vermacht, aber sie verhält sich weiter in ihnen als Herrscherin.

 

1080 tritt Mathilde offen gegen Heinrichs Gegenpapst Wibert von Ravenna ein und verbündet sich mit dessen Gegnern in der Pataria wie in hochadeligen Kreisen. Toskanische Grafenhäuser wie auch viele Städte wie Pisa und Lucca sagen sich darauf von ihr los. Gregor schreibt an deutsche Unterstützer: Wenn Unsere Tochter Mathilde von euch keine Hilfe erhält, bleibt ihr nichts anderes übrig, als um Frieden zu bitten oder alles zu verlieren, was sie besitzt. Denn ihr kennt ja die Stimmung ihrer Vasallen, (die) die Gräfin in dieser Hinsicht für wahnsinnig halten. (in WGoez, S.191)

 

1081 zieht Heinrich IV. durch mathildische Lande und nimmt ihr förmlich alle diejenigen Güter, die sie zu Lehen hat. Unterstützt wird sie in der Toskana nur noch von dem mächtigen Grafen Guidi. Danach kann Heinrich Gregor aus Rom vertreiben. In dieser Zeit gelingt einem mathildinischen Heer ein Sieg in der Nähe von Modena. Der Abt Desiderius von Monte Cassino bittet Mathilde nach dem Tod Gregors im Salerner Exil, eine neue Papstwahl vorzubereiten. Der Abt selbst wird von wenigen Getreuen in Rom gewählt, kann sich aber nicht durchsetzen und entschwindet wieder in sein Kloster. Boten Mathildes beeinflussen dann die Wahl des Franzosen Urban II.

 

Der neue Papst fädelt im Interesse seiner Durchsetzung in Italien für die etwa 42-jährige Mathilde eine wohl rein politische Eheschließung mit dem vielleicht 16-jährigen Welf V. ein, wobei dieser am Ende die Hoffnungen der Papstpartei dann so enttäuscht, wie er sich bald um das mathildische Erbe getäuscht sieht.

 

Immerhin heißt es zunächst bei Bernold von St.Blasien: In Italien verheiratete sich die nobilissima dux Mathilde, Tochter des Markgrafen Bonifaz, Witwe des Herzogs Gottfried, mit Herzog Welf, dem Sohn Herzog Welfs. Das geschah weniger aus Unenthaltsamkeit denn aus Gehorsam gegenüber dem römischen Papst, damit man um so tüchtiger der heiligen römischen Kirche gegen die Exkommunizierten beistehen könnte. (nach Schneidmüller, S.144)

 

Aber zunächst trumpft Heinrich noch einmal militärisch auf, bevor er dann vom Welfen zurückgedrängt werden kann. Der Kaiser wird schließlich militärisch und durch die Rebellion von Sohn Konrad massiv in die Enge getrieben, und ist in der Gegend zwischen Verona und Gardasee mehrere Jahre fast untergetaucht. Die Welfen verhindern seine Rückkehr in den Norden durch Sperrung der Alpenpässe. Kaiserin Praxedis flüchtet zu ihnen und verbreitet Übles über den Kaiser. Urban II. zieht derweil erst nach Piacenza und dann nach Clermont zu seinem spektakulären Kreuzzugsaufruf.

 

Schließlich kommt es zum Bruch des jungen Welfen mit Mathilde: Welf, der Sohn Herzog Welfs von Bayern, zog sich vollständig von der Ehe mit Frau Mathilde zurück und versicherte, sie sei von ihm gänzlich unberührt geblieben. Das hätte sie gerne dauerhaft verschwiegen, wenn er es nicht zuvor unbedacht verbreitet hätte.

Letzteres ist vielleicht eine Projektion des frommen Bernold von St. Blasien.

 

Es kommt bald danach zur Verständigung mit Heinrich, der in die deutschen Lande zurück kann und nie mehr nach Italien zurückkehren wird.

 

Bild

 

Mathilde lässt sich comitissa, marchionissa und ducatrix nennen, liebt es, "hoch zu Ross mit stattlichem Gefolge und in prächtiger Kleidung durch das Land zu ziehen" (WGoez, S.188) und ihr Abbild in Donizos Huldigungsgedicht aus ihren letzten Lebensjahren würde einem König gebühren. Sie thront unter einem Baldachin in edelsten Gewändern, rechts ein Mönch mit aufgeschlagener Bibel, links ein Ritter mit langem Schwert.

 

Aber ihr Einfluss in den Städten und gegenüber ihr eigentlich untergebenen Grafen nimmt zunehmend ab, während sie zugleich über päpstliche Legaten immer mehr unter den Einfluss des apostolischen Stuhles gerät. Darüber kann auch eine gewisse Hofhaltung und der Besuch gelehrter Theologen nicht mehr hinwegtäuschen. Was ihr aber bleiben wird, sind ihre ganz erheblichen Eigengüter.

 

Darüber hinaus versucht sie durch eine ebenfalls rein machtpolitisch motivierte Adoption des Guido Guerra, Erbe reicher toskanischer Besitzungen der Guidi auf dem Lande und vieler Burgen, die Kontrolle über die Toskana zu behalten. Der pendelt zwischen aggressivem Kriegertum und Unterstützung der Reformkirche und von Reformklöstern wie Vallombrosa. Aber spätestens mit ihrer erneuten (?) Schenkung ihrer Allodialgüter an die Päpste wendet der sich zunehmend von ihr ab, fühlt er sich nun wohl getäuscht um sein angenommenes Erbe.

 

In ihren späteren Jahren kümmert sich Mathilde bevorzugt um ihr zukünftiges Seelenheil und übt sich in Einvernehmen mit Heinrich V., dem sie laut wenigstens einer Quelle ihre Besitzungen vererbt haben soll. 1115 stirbt sie kinderlos und damit beginnt die gewalttätige Auseinandersetzung um ihr Erbe, was ihren Eigenbesitz betrifft, und findet das Auseinanderfallen ihrer Herrschaftsbereiche statt. Besonders die Städte erheben sich. Die auf Belehnung und Ämtern wie auf Eigengütern auf dem Lande basierenden „feudalen“ Herrschaften gehen in Reichsitalien ihrem Ende entgegen und werden durch entstehende Stadtstaaten mit ihren Territorien ersetzt. Nicht mehr das Land, sondern die Stadt wird von nun an Zentrum der Machtentfaltung.

 

(Dieser Text beruht vorläufig überwiegend auf Elke Goez, Mathilde von Canossa)