DIE KRISE DES 14. JAHRHUNDERTS

 

Die Krise zwischen 1300 und 1348

Die Pest

Machtpolitik

Natur. Landschaft und Zerstörung

Das Land: Mitteleurops

Bauernaufstände (Flandern / Jacquerie / Der englische Bauernaufstand)

Adel, Ritter und Krieg

Weitere Kommerzialisierung feudaler Strukturen

(Etienne Marcel)

 

Die Krise zwischen 1300 und 1348

 

Die Krise als Wort kommt erst im sechzehnten Jahrhundert in die deutsche Sprache, und zwar wohl über jene wenigen Gebildeten, die nun etwas häufiger die griechische Sprache erlernen. Da die meisten Menschen kein griechisch verstehen, verliert das Wort im Laufe der Zeit in der Alltagssprache einen Gutteil seiner Substanz. Es leitet sich eigentlich von krinein ab, was unterscheiden und dann auch entscheiden meint. Kritisch sein heißt dann unterscheiden, eben auch differenzieren wollen und können, weswegen Kant seine Texte als Kritiken bezeichnen kann.

Die crisis oder Krise ist dann sinnvollerweise die Unter- bzw. Entscheidung, und das Wort wird dann später auch für entsprechende Wendepunkte verwandt. Krisen des Kapitalismus sind danach die Phasen, an denen aus dem allgemeinen Mehr an Kapital (und das heißt auch Investition) ein Weniger wird, in denen also das heute als Konjunktur bezeichnete Zusammenspiel aller ökonomisch relevanten Phänomene im Sinne des Kapitals am wenigsten funktioniert. Spätestens mit der Krise des 14. Jahrhunderts wird deutlich, dass die Verwertungschancen des Kapitals zyklisch steigen und fallen können und das bis heute tun; dies dann auch nicht nur aus innerwirtschaftlichen Gründen, sondern aus anderen, natürlichen oder zum Beispiel auch klimatischen.

 

 

Die erste Aufschwungphase des Kapitalismus ist auch seine längste. Sie dauert von seinen Anfängen bis mindestens gegen Ende des 13. Jahrhunderts. In ihr wächst das in Bewegung befindliche Kapital, es wachsen Produktion, Handel und Geldumlauf, Nachfrage und Angebot. Vor allem wächst die Bevölkerung, die sich mehr als verdoppelt.

 

Das geht solange gut, bis dieses Bevölkerungswachstum nicht mehr durch Landausbau und Intensivierung der Produktion  kompensiert werden kann. Soweit ist diese Krise eine der Ernährung. Die mögliche Steigerungsrate der Agrarproduktion durch technischen Fortschritt ist gering, nur in wenigen von Boden und Klima begünstigten Gegenden kann sich in dieser Zeit die Produktivität verdoppeln, wie im Artois, wo Viehhaltung und Ackerbau in einem solchen Verhältnis stehen, dass Bodendüngung durch Mist solches erreicht.

 

Ab einem bestimmten Punkt greift auch die marktorientierte Spezialisierung der Landbewirtschaftung negativ ein, wie dort, wo bis zu einem Drittel des Bodens oder mehr für Weinbau zum Beispiel vergeben ist. Anderswo in deutschen und französischen Landen wie in Teilen der Picardie oder Thüringens ist ein solch hoher Anteil für den Anbau von Waid als Färbemittel  oder für den Flachsanbau zur Leinenherstellung vergeben. Die regionale Produktion von Nahrungsmitteln kann nicht mehr mithalten mit den Aufschwüngen in Handel und Gewerbe, die Anteil haben an der Bevölkerungsvermehrung.

 

In der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts nehmen so regionale Hungersnöte zu, bei denen schon mal lokal oder regional 10% der Bevölkerung in kurzer Zeit sterben.  Das gilt für Frankreich, Deutschland und Italien, und erreicht nach und nach auch die an sich zahlungskräftigen Städte wie Florenz, Brügge oder Barcelona.

 

Weder damals noch irgendwann später bis heute werden die Menschen daraus die Erkenntnis ziehen, dass die Erde endlich ist und die Zunahme der menschlichen Bevölkerung mit ihren Begehrlichkeiten zu Grenzüberschreitungen führt, die immer wieder Massensterben nach sich ziehen und am Ende den Untergang des Lebensraumes Erde bewirken werden. Die technischen Möglichkeiten der Menschen wurden und werden auch in Zukunft nicht durch Verantwortung kompensiert werden. Die Talente der Menschen sind der Untergang ihrer Lebensgrundlagen.

 

Mit der Überbevölkerung verringert sich zunächst die Größe der Bauernhöfe, die entsprechend weniger den Markt beliefern können. Immer mehr Leute werden Tagelöhner, andere binden sich an große Grundherrschaften und leisten ihnen dafür Abgaben in Geld. Mit der Korrektur durch den Bevölkerungsrückgang stabilisieren sich dann vor allem Höfe von Großbauern. Mangelnde Arbeitskräfte führen nun zur Ausbreitung der Viehzucht und zu einem tendenziellen Rückgang des für die Ernährung der meisten Menschen vorrangigen Ackerbaus.

 

Das genügt allerdings wohl nicht, um das 14. Jahrhundert zu einer Krisenzeit zu machen. Zur unmittelbar ökonomisch hergestellten Krise, unter anderem gibt es einfach zu viele Menschen auf zu wenig Land, kommen als erheblich erschwerende nicht menschlich erzeugte Faktoren hinzu. Klimaforscher haben herausgefunden, dass die Warmphase, in der der Kapitalismus entstanden ist, nach ihrem Höhepunkt um die Jahrtausendwende wieder ganz langsam und im 14. Jahrhundert etwas deutlicher abzukühlen beginnt, was mit dem beginnenden 14. Jahrhundert als eine deutliche Abkühlung wahrgenommen wird, die bis in die Zeit der Industrialisierung anhält, mit der eine dann auch menschengemachte neue Erwärmungszeit beginnt.

 

Nach zum Teil heißen und trockenen Sommern zwischen 1270 und 1311 kommt es in der Nordhälfte Europas zu sehr kalten Wintern 1296, von 1303 bis 1306 - an beiden Terminen friert die südliche Ostsee zu - und 1323. Die skandinavische Besiedlung Grönlands verschwindet. (Dirlmeier, S. 6f / SchubertAlltag, S.30f). Flüsse frieren zu und verhindern den Betrieb von Mühlen.

 

Die kühleren Temperaturen führen dazu, dass die Wachstumsperiode für Getreide insbesondere auf höher gelegenen Rodungen des frühen und hohen Mittelalters zu kurz ist, weswegen dort Ackerland wieder aufgegeben wird. Man sät hier nun Wald aus oder lässt ihn einfach wieder wachsen. Orte werden aufgegeben und zu "Wüstungen". Dennoch ist soviel Wald inzwischen vernichtet worden, dass vielerorts längst der Grundwasserspiegel sinkt. In trockeneren Sommern kommt es darum häufiger zu Missernten.

Weniger Wald und Weideflächen zugunsten von Ackerland verringern die Viehhaltung und damit den Dünger und die Mastmöglichkeiten im Wald.

 

Die Erträge sinken darüber hinaus in den Niederungen Englands zunächst dort, wo wie im Dartmoor oder in Höhenlagen unergiebige Böden verlassen werden, aber auch in solchen Frankreichs und der deutschen Lande. Die Anbaufläche von Wein in deutschen Landen wird von nun an erheblich zurückgehen.

 

Die Gletscher in den Alpen wachsen in die Täler hinein, zugleich steigt aber der Meeresspiegel zwischen dem 13. und 15. Jahrhundert um zwei Meter an. Eine Sturmflut macht 1362 Sylt und Föhr zu Inseln, im 14. und 15. Jahrhundert führen überhaupt Sturmfluten zu vielen zigtausend Toten. Großgrundbesitzer beauftragen Eindeichungsfirmen mit Deichbauten. Während an der östlichen Nordseeküste viel Land verloren geht, wird an der niederländischen Küste des Reiches neues durch Schaffung von Poldern gewonnen.

 

1309/10 sind Hungerjahre und 1314-15 kommt es durch kalte und regenreiche Sommer vor allem in Europa nördlich der Alpen zu verheerenden Missernten mit entsprechenden Hungersnöten. 1315 regnet es beispielsweise in ganz Europa von April bis November fast ununterbrochen. Die Getreidepreise steigen enorm an und die Reallöhne sinken. Rund 10% der Bevölkerung sterben in den betroffenen Großregionen an Hunger und durch ihn geschwächt an Krankheiten.

Die great famine Englands, die große Hungersnot beginnt mit einer Missernte 1314, auf die zwei Jahre zu feuchtes Wetter und geringe Ernten von 50-60% der normalen Erträge vor allem im Ostengland folgen. Solche Ernten schaffen es höchstens, das Saatgut zu ersetzen, aber kaum mehr als die Familien der Herren zu ernähren. Die Preise steigen ganz erheblich, auf das drei-bis vierfache bei Weizen und Gerste. Eine einzige gute Ernte schafft es dann erst, die Preise im Folgejahr wieder zu senken. 1321/22 kommt es erneut zur Missernte. Stellenweise werden in diesen Jahren in England nur 20-30% üblicher Ernteerträge erreicht.

Die klimatisch erschwerten Bedingungen werden ergänzt durch die ohnehin immer wiederkehrenden wie Hagelschlag oder Heuschreckenschwärme, die die Ernte vernichten oder alles ausraubende und verwüstende Kriegerscharen.

 

Es kommt zu immer neuen Viehseuchen, zunächst zu einer Rinderpest (Maul- und Klauenseuche?) in Nordwesteuropa zwischen 1315 und 1325, die in England 1319-21 wütet, und dann zu einer solchen, die die englischen Schafherden deutlich verringert.  "In England und Wales fielen ihr vom April 1319 bis September 1320 63% der Ochsen und Kühe zum Opfer. Die für Ackerbau und Traktion unentbehrlichen Tiere fehlten in der Folgezeit: Englische Herren benötigten 30 Jahre, um ihr Vieh auf die Zahlen von vor 1319 aufzustocken." (Gilomen, S.101) Das genügt allerdings wohl nicht, um das 14. Jahrhundert zu einer Krisenzeit zu machen.

Regen verhindert Heuernten, vermindert die Produktion von Torf als Heizmaterial und die von Salz, welches damit zum Teil für die Haltbarmachung von Lebensmitteln ausfällt. Die Preise sinken in der Nordhälfte Europas nur für Ochsen und Zugpferde, die Bauern verkaufen, um an Bargeld für Getreide zu gelangen. Aber die Nachfrage ist hier geringer als das Angebot.

 

Lohnarbeit wird aus Geldmangel weniger nachgefragt, Waren der Handwerker und Händler ebenfalls und aus demselben Grund. Vielfach sinken auch die Preise für kleine Stücke Land, die nun für Lebensmittel-Einkauf verkauft werden sollen, aber zu wenig Nachfrage erzeugen. Diebstähle nehmen zu, besonders von Lebensmitteln, und die Herren senken ihre Forderungen an die Bauern, um sie nicht zu verlieren. In England alleine wird geschätzt, dass in diesen Jahren eine halbe Million Menschen stirbt (Dyer, S.233). Nachdem diese große Hungersnot vorbei ist, kann dann allerdings eine neue Generation junger Bauern an das Land gelangen, jung heiraten und jung Kinder bekommen. Die wiederum bekommen jung Kinder in den 40er Jahren, bis es dann zur großen Pest kommt. Allerdings wird weiter über ausgemergelte und unfruchtbare Böden geklagt und über weitere Erkrankungen von Schafen.

 

Katalonien und Aragón nennt 1333 lo mal any premier (das erste schlimme Jahr) mit schweren Missernten und Hungersnöten, die sich bis 1348 wiederholen und durch einen Krieg mit Genua um Sardinien verschärft werden.

Von 1335 an wird (bis 1399) von jährlichen Heuschrecken-Einfällen im Taubertal berichtet.

 

1342-47 kommt es in der Nordhälfte Europas zu einer Serie von nasskalten Sommern. In England wird viel Ackerland durch Überflutungen an Flüssen und an der Küste verloren. 1342 kommt es auch in Mitteleuropa zu schlimmen Überschwemmungen, wie sie von der Elbe, dem Rhein und Main und der Donau berichtet werden.

Insgesamt verringert sich das Ackerland, die Getreideproduktion, die agrarische Produktivität insgesamt und der Getreidepreis zwischen 1300 und 1348.

 

Zumindest fast alle Menschen nehmen bis ins zwanzigste Jahrhundert kaum das wahr, was wir heute als Klima bezeichnen. Das griechische Wort bezieht sich auf den Sonnenstand, und es kommt im 16. Jahrhundert in die deutsche Sprache, bezieht sich aber noch lange auf die nach den Breiten auf der Erde durch den unterschiedlichen Sonnenstand unterschiedlich heißen oder kühlen Zonen. Das Zusammenspiel vieler Faktoren, aus denen sich das zusammensetzt, was wir heute unter Klima begreifen, wird erst im 19./20. Jahrhundert nach und nach wenigstens von Experten verstanden.

Was Menschen aber schon immer verstanden haben, ist das, was unter dem deutschen Wort Wetter gefasst wird: Wind, Temperatur, Niederschlag und später auch Luftdruck. Nachdem es sicher spätestens seit der Entstehung der Landwirtschaft auch beobachtet wird, beginnen im 14. Jahrhundert erste kontinuierliche Aufzeichnungen, die mehr sind als die sporadische Erwähnung von Unwettern. Ein William Merle aus Lincolnshire schreibt von 1337 bis 44 regelmäßig das von ihm beobachtete Wetter auf (Dirlmeier, S.6)

 

Die Kernzonen von Ackerbau und Viehzucht werden von der tendenziellen leichten Abkühlung allerdings viel weniger betroffen als die sogenannten Grenzertragszonen, die oft aufgegeben werden müssen. Klimaveränderung und Seuchen reichen ohnehin nicht aus, um den massiven Bevölkerungsrückgang in großen Teilen Europas zu erklären. Wir nehmen heute beides auch deshalb für diesen Zeitraum deutlicher wahr, weil die Überlieferung erheblich besser ist als in den Jahrhunderten zuvor.

 

Die geringeren Einnahmen auf dem Lande veranlassen die großen englischen Lords, ihre Domänen zumindest teilweise zu verpachten, kleinere und abgelegenere ganz. Sie kaufen auch kaum noch Land hinzu, sondern suchen nach anderen Einnahmequellen wie zum Beispiel städtischen Immobilien. Allerdings sinken auch dort Mieten und Pachten in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts, wie für London, Westminster und Oxford zum Beispiel belegt ist. Die Bauern wiederum nutzen von Ackerbau befreites Land für Viehzucht, insbesondere können sie so ihre Schafherden vergrößern.

Die Wollexporte Englands gehen aber durch das ganze Jahrhundert tendenziell zurück, genauso wie die Importe von Wein. Schon zwischen 1290 und 1320 geht die englische Tuchproduktion zurück, anfänglich auch wegen der überlegenen flämischen Konkurrenz. Erst in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts blüht sie wieder auf. Die Bauwirtschaft erlahmt dann in der Krisenzeit fast ganz.

Zuerst gibt es also die Agrarkrise und in deren Gefolge die urbane: Die Nachfrage für handwerkliche und Handelsgüter geht zurück, darauf kaufen die Städter nur noch das Nötigste an Nahrung und immer weniger Rohmaterialien für die städtische Produktion. Selbst der Adel spart. Eine Spirale nach unten bedeutet dann modern gesprochen Depression.

 

Andere Faktoren begleiten eine Krise, die Grenzen des Wachstums aufzeigt. Die Silbervorräte zur Münzprägung decken in großen Teilen Europas und vor allem auch in England nicht mehr die Nachfrage. Silber wird von den Wohlhabenden gehortet, in Geschirr und Schmuckwaren angelegt; viel Silber fließt in den Handel mit dem Orient ab. In England muss die vom Parlament genehmigte Steuer von 1340 zum großen Teil wieder in Naturalien eingesammelt werden.

England führt zudem zwischen 1290 und 1350 fast jedes Jahr Krieg, was Unsummen an Sold alleine verschlingt. Schottische und englische Heere verwüsten große Landstriche jeweils auf den angrenzenden Großregionen und entsprechend treiben es englische und walisische Heere.  Dann kommt es 1338 zum großen Hundertjährigen Krieg zwischen England und Frankreich. Diese Kriege allein kosten via Steuern zwischen 1290 und 1348 die Bevölkerung          1 600 000 Pfund, was allerdings nur rund 2% des gesamten erwirtschafteten Geldes in dieser Zeit ausmacht, denn alleine die größeren weltlichen und gesitlichen Herren und Klöster erwirtschaften in dieser Zeit zusammen jährlich um die 600 000 Pfund (Dyer, S.257). Zudem ziehen lokale Leute die Steuern ein, lassen sich wohl des öfteren bestechen und belasten so eher die kleinen Leute als die höheren Herren vor Ort.

 

Internationalisierung des Wirtschaftens, von Handel und Finanzen in Richtung auf Globalisierung, Bevölkerungskonzentration und Überbevölkerung, klimatische und Wetterereignisse, schließlich Seuchen betreffen die europäischen Regionen allerdings unterschiedlich und das eben auch zum Teil zeitversetzt. Von einer allgemeinen Krise in der ersten Häfte des Jahrhunderts zu sprechen ist also eine Konstruktion des Historikers. Das betrifft auch das für das Mittelalter anachronistische und ohnehin diffuse Wort Krise. Das Mittelalter ist konkreter und handfester und erlebt stattdessen Abfolgen von Unheil. Diese bleiben weithin unverständlich, was es erleichtert, sie als Strafe (eines) Gottes anzusehen, eine Ansicht, welche vor allem die Kirche benutzt.

Da Menschen zunehmend nicht imstande sind, fehlendes Verständnis und Kenntnislosigkeit als gegeben hinzunehmen, beginnen Verschwörungsmythen überhand zu nehmen. Im Grunde lässt sich schon die kirchlich propagierte Heilsgeschichte mit ihrem nicht ganz klaren Erlösungsmythos so verstehen. Daran hängen sich im 14. Jahrhundert zunehmend Verschwörungsgeschichten um die Juden, die sich bislang eher selbst abschotteten und nun stärker von außen isoliert und zum Ursprung vieler Übel gemacht werden. Verfolgung, Totschlag und Vertreibung nehmen zu. Dies ist eine von vielen Entwicklungen, die man im späten Mittelalter bereits als neuzeitlich und modern bezeichnen kann und die zeigen, dass es keine plausible Grenze zwischen Mittelalter und Neuzeit gibt. Das Ausgrenzen und die ideologisierende Freund-Feind-Bildung wird bis heute anhalten. Abgesehen von der grundlegenden "sozialpsychologischen" Struktur des Problems stabilisiert das Aufeinanderhetzen von Untertanen eben auch die jeweils herrschenden Machtverhältnisse.

 

 

Die Pest und die Folgen

 

Krankheiten hatten die Vermehrung der Menschen auf der Erde nie nachhaltig bremsen können. Die Menschheit kam dabei bis in die spätere Neuzeit ganz gut ohne Ärzte aus, genauso wie die Tierwelt. Die Völker Europas haben dann die Pest im Byzanz Justinians ebenso durchstanden wie die Malaria, die vor allem in Italien als Sumpf- bzw. Wechselfieber fast alltäglich war und immer wieder auch in die Nordhälfte Europas vordrang. Seit der Antike grassierte auch die Lepra, die meist asymptomatisch verlief, aber überall auch als schwere Erkrankung auftrat. Leprosenhäuser sind schon für das siebte Jahrhundert für Metz und Verdun belegt und sie bleiben durchs ganze Mittelalter eine feste Einrichtung vor vielen Städten. 

Ein gefährlicher Pilz auf Roggenkörnern ist die unerkannte Ursache für eine verbreitete Krankheit des späteren Mittelalters, die Mutterkornvergiftung, die zeitgenössisch als Antoniusfeuer bezeichnet wird.

 

Die Kenntnisse über Ansteckungswege und Ursachen der Krankheiten fehlen und damit Behandlungsmöglichkeiten. Die Menschen wissen inzwischen viel über die Welt um sie herum, aber wenig über ihren Körper. Die Humorallehre mit ihrer Vorstellung von den vier Körperflüssigkeiten Blut, gelbe und schwarze Galle und Schleim verhilft zwar manchem Arzt zu Wohlstand und Ansehen, aber kaum einem Kranken zu Gesundheit. Vermutlich sind in harmloseren Fällen die traditionellen Heilmethoden von Kräuterweibern erfolgreicher als die elaborierten der Ärzte. Beim erneuten Auftreten der Pest in Europa nach Jahrhunderten der Entimmunisierung hilft auf jeden Fall gar nichts außer der Flucht.

 

Die Genuesen unterhalten in Kaffa (Feodosia) auf der Krim im Schwarzmeer seit 1266 eine Handelskolonie, welche 1346 ein Tatarenheer des Khans belagert. Dieses ist von der Pest verseucht und geht zu einer Vorform biologischer Kriegführung über, wie Gabriele de Mussis, ein Notar aus Piacenza, der aus Caffa fliehen kann, berichtet:

Als die Tataren, von Kampf und Pestseuche geschwächt, bestürzt und in jeder Hinsicht verblüfft zur Kenntnis nehmen mussten, dass ihre Zahl immer kleiner wurde und erkannten, dass sie ohne Hoffnung auf Rettung sterben mussten, banden sie die Leichen auf Wurfmaschinen und ließen sie in die Stadt Caffa hineinkatapultieren, damit alle an dem unerträglichen Gestank zugrunde gehen sollten. Man sah, wie sich die Leichen, die dort hineingeworfen waren, zu Bergen türmten. Die Christen konnten sie weder beiseite schaffen noch vor ihnen fliehen, und sich nur dadurch vor den herabstürzenden retten, dass sie diese, soweit es möglich war, in den Fluten des Meeres versenkten. Bald war die ganze Luft verseucht und das Wasser durch üble Fäulnis vergiftet. (in: Fuhrmann, S.243)

 

1347 gelangt die Seuche mit genuesischen Schiffen nach Konstantinopel und Kairo und dann im Herbst nach Messina.. Sie war zum letzten Mal zuvor im 6./7. Jahrhundert in Byzanz aufgetreten und die damals gewonnenen Kenntnisse sind längst fast völlig verloren gegangen.

 

Die Pest breitet sich von den südlichen Seehäfen über die Verkehrswege, insbesondere die Flussläufe aus. Im März 1348 erreicht sie Venedig, wo die Hälfte der wohl etwa 100 000 Einwohner in Kürze sterben. Im April ist sie in Perugia und Florenz und im Juni in Trient.

März 1348 kommt sie auch in Marseille an, ist schon im Januar in Avignon und im August in Paris und um dieselbe Zeit auch in England, wo sie die Bevölkerung, wenn auch regional unterschiedlich, in etwa von fünf Millionen auf zweieinhalb bis 1377 halbiert. Bis 1250 wütet sie in Schottland.

Sie bedroht dabei in ganz Europa eine oft von den Hungersnöten schon geschwächte Bevölkerung. Flandern wird erst 1349 erreicht und die übrigen deutschen Lande scheinen in einigen Regionen von der ersten Pestwelle ausgenommen zu sein.

Einige Gegenden insbesondere auf dem Lande bleiben ohnehin fast völlig verschont, während wohl aufgrund der Ansteckungswege über den Rattenfloh das engere Zusammenleben in den größeren Städten Menschen mehr gefährdet. Offensichtlich werden die Ärmeren auch stärker bedroht als die Oberschichten, die zum Teil aufs Land fliehen.

Immerhin, von geschätzten 12 000 Einwohnern Bremens sollen 1250 etwa 7 000 an der Pest gestorben sein, in Lübeck etwa ein Viertel der Bevölkerung im selben Jahr 1250, zum Beispiel 28% der Hausbesitzer und 35% der Ratsherren. Genauere Zahlen gibt es im Detail für 1350: "In Hamburg starben von 34 Bäckermeistern 12 (35%), von 40 Knochenhauern 18 (45%), von 37 Stadtbediensteten 21 (57%), von 13 im Laufe des Jahres neu eingestellten Bediensteten nochmals 6 (45%), von 21 Herren des Rates 16 (76%)." (Isenmann, S.40).

 

Grundsätzlich lässt sich sagen, dass die kleine Oberschicht großgrundbesitzenden Adels mit seinen Wohnsitzen auf Abstand zur übrigen Bevölkerung am wenigsten betroffen wird, in England stirbt nur gut ein Viertel der tenants-in-chief. Städtische Oberschicht flüchtet in Boccaccios 'Decamerone' aufs Landgut. Immerhin stirbt der burgundische Herzog Odo IV. und es sterben die Frau und Mutter des französischen Dauphins Jean (später: "le Bon")

 

Die Zahlen sind auch in Spanien wie überall mit Vorsicht zu genießen. Pedro IV von Aragón spricht für die erste Pestwelle von rund 300 Toten täglich in Valencia, ein arabischer Autor spricht von 1500 Toten an einem Tag. Auf der Ebene von Vich in Katalonien sollen von 16 000 Menschen nach der ersten Epidemie 5000 übrig geblieben sein. (alles in: Manzano, S.582).

Beeindruckend ist vor allem, wie schnell relativ viele Menschen sterben, der Weg von der Infektion zum Tod ist kurz. Darüber hinaus sind die vielen Toten unmittelbar sichtbar, da ihre Massen niemandem verborgen und darum auch nicht abstrakte Zahlen bleiben.

 

Für viele anschauliche Augenzeugenberichte mag der des Straßburger Chronisten und Priesters Fritsche Closener stehen, der sich noch 1362 erinnert:

Als man das 1349er Jahr zählte, als die zuvor beschriebenen Geisler nach Straßburg kamen, da kam auch ein gemeiner Schelm und ein Sterben unter die Leute, dass sich niemand selbst an ein solches erinnerte noch von den Vorgängern wusste, dass ein so großes Stermen jemals da war (...) Das Sterben war so groß, dass es gewöhnlich an allen Tagen in jeglichem Kirchspiel 7 oder 8 oder 9 oder 10 oder noch mehr waren, ohne die, ohne die, die man bei den Klöstern begrub und ohen die, die man in die Spitäler trug: der waren so unzählig viele, dass man die Spitalgrube, die bei der Kirche war, in einem weiten Garten neu anlegen musste, weil die alte Grube zu eng und zu klein war. Und die Leute, die starben, die starben alle an Beulen und an Drüsen, die sich erhoben unter den Armen und oben an den Beinen, und wen die Beulen befielen, die dann sterben sollten, die starben an dem vierten Tag oder an dem dritten oder an dem zweiten. Etliche starben auch am ersten Tag. Dies erbte auch einer : denn, in welches Haus das Sterben kam, da hörte es selten mit einem auf. (in: Fuhrmann, S.244)

 

Was die erste Pestwelle nicht schafft, erreichen die nächsten größeren 1357-62, 1370-76 und 1380-83. Bis dahin soll die Pest in Europa insgesamt etwa ein Drittel der Bevölkerung hinweggerafft haben, in Hamburg die Hälfte der Bevölkerung, in Montpellier sogar um die 80%. Die Zahlen bleiben aber meist eher ungenau. Zwischen 1350 und 1500  werden noch einmal insgesamt 26 Pestwellen verzeichnet, die die Bevölkerung zumindest bis 1460 weit unter dem Niveau von 1300 halten.

Zu alledem kommen die üblichen Epidemien ansteckender Krankheiten: Dysenterie, Grippe, Tuberkulose. Immerhin nimmt nun langsam bis Ende des Mittelalters die Lepra etwas ab. Weniger epidemisch und regional gebunden ist die Malaria, die insbesondere für Italien durch das ganze Mittelalter dokumentiert ist und in Gegenden dort wohl ähnlich viele Tote wie die Pest erreicht.

 

Zusammen mit den Hungersnöten und den Kriegen der Zeit führt das weithin zu einen ganz erheblichen Rückgang der Bevölkerung. Im toskanischen San Gimignano und seinem Umland leben 1332 ungefähr 13 000 Menschen, 1427 nur noch 3138 (Dirlmeier, S.18). Alleine schon solcher Bevölkerungs-Rückgang bewirkt eine Tendenz allgemeiner Rezession, auch wenn diese nach Regionen und Fraktionen der Wirtschaftenden sehr unterschiedlich erlebt wird. Wie hoch der Anteil der einzelnen Faktoren ist, zu denen auch die anderen und üblicheren Epidemien und vieles mehr gehören, lässt sich heute kaum noch feststellen.

 

Dabei ist dieser in vielen Gegenden deutliche Bevölkerungsgang bis etwa 1460 nicht überall zu beobachten. So nimmt im Tiroler Inntal "die Anzahl der bäuerlichen Haushalte zwischen 1312 und 1427 beispielsweise um 50% zu." (Ertl, S.101)

 

In Frankreich kommt es zu allem Unheil im sogenannten Hundertjährigen Krieg, der bereits 1337 beginnt, zu immer größeren Verwüstungen vor allem auf dem Lande. Bauern flüchten in die Städte. Die Zahl der Haushalte besonders auf dem Lande halbiert sich in dieser Zeit. Es wird wegen der andauernden Unsicherheit immer weniger Getreide ausgesät. Schließlich nimmt die Kinderlosigkeit von Paaren rapide zu, die manchmal fast jedes zweite Paar erfasst.

Zwischen etwa 1350 und 1450 halbiert sich laut Georges Duby die Zahl der französischen Haushalte, und im Pariser Becken und dert Normandie geht sie noch weiter zurück. Allein zwischen 1390 und 1450 soll die Bevölkerung der vom Kriegsgeschehen eher weniger betroffenen Bretagne um etwa ein Viertel zurückgegangen sein. Für 1441 wird Jean Charlier (Chronique francaise du roi Charles VII.) schreiben: Dies war einmal das Königreich Frankreich und ist nun verwüstet und in vielen Gegenden menschenleer und unbewohnt, wie jedermann klar sehen kann. (so in Reliquet, S.28)

 

Wie man sehen kann, hat die Krise des 14. Jahrhunderts, die bis weit ins 15. hineinreicht, Besonderheiten, die sie von den zyklischen  Depressionen des 19. und 20. Jahrhunderts etwas unterscheiden. Besonders aber ist zu vermerken, dass sich die Krise des 14. Jahrhunderts auf allgemeine Ursachen wie die Überbevölkerung und die  Klimaverschlechterung für den Norden und dann aber lokale und regionale Wetterkatastrophen besonders dort verteilt, die sich in verschiedenen Gegenden Europas und zu verschiedenen Zeiten eher unterschiedlich auswirken. Dasselbe betrifft die Wanderbewegungen der Seuchen, die jeweils unterschiedliche Gegenden zu verschiedenen Zeiten besonders betreffen.

 

Allgemein lässt sich sagen, dass Bevölkerungsminderung in vollentwickelten marktwirtschaftlich vernetzten Strukturen Rezession bedeutet. Im Mittelalter ist das alles regional und nach Wirtschaftszweigen noch wesentlich diversifizierte

 

Das Massensterben verringert in den betroffenen Städten nicht nur die Schar der Konsumenten, sondern auch das der Konkurrenten um Konsumgüter. Diese werden dadurch für eine gewisse Zeit billiger, was nicht nur Getreide, sondern auch Fleisch und gelegentlich Textilien betrifft. Das Massensterben erhöht soweit das Konsumniveau in den Städten nach dem jeweiligen Abklingen der Seuche. Dazu steigt nach dem Schrecken für die Wohlhabenderen der Luxuskonsum als Reaktion.

 

Verringert wird in Städten die Zahl der produktiv und distributiv arbeitenden Bevölkerung. Das verteuert für das Kapital in der Stadt zumindest nominell den Faktor Arbeit, der sich auf dem von Seuchen weniger betroffenen Land eher verbilligt. Die Masse der überlebenden Städter besonders im produktiven Bereich hat bei darum steigenden Einkommen und fallenden Getreidepreisen nun die Chance auf mehr Konsum auch in anderen Bereichen, was insbesondere die Nachfrage nach Fleisch erheblich steigert.

In England und Frankreich bis nach Katalonien und Aragon versuchen die Könige darum Höchstlöhne festzusetzen und zahlreiche Städte tun desgleichen. Damit  reagiert man aber auch gelegentlich "auf bloß nominale Lohnsteigerungen, die oft durch Inflation sogar überkompensiert wurden", was besonders England und die Niederlande betrifft. "Erst in der Deflationsphase erhöhten sich die Reallöhne kräftig, wohl nicht aufgrund von Arbeitskräftemangel, sondern wegen der Währungspolitik", meint Gilomen (S.102). Löhne sind aber ohnehin ein noch relativ geringer Faktor in der ersten Blütezeit des Kapitalismus und bis durch die Krise hindurch.

 

Bauvorhaben werden vorübergehend eingestellt, die Bleiförderung in Denbighshire stoppt wohl mangels Arbeitern 1349, in Cornwall wird für längere Zeit nur noch ein Viertel des Zinns aus der Erde geholt.

 

Am Königreich Aragón lässt sich ablesen, wie die nachlassende Gewinnträchtigkeit der Nahrungsproduktion durch städtisches Gewerbe aufgefangen wird. Die Werften bauen während der Jahre um 1348 weiter Galeeren, Karavellen und Brigantinen und ein neues Lonja-Gebäude (Börse) entsteht. Das Handwerk differenziert sich weiter, immer neue Zünfte entstehen zum Beispiel in Barcelona, und die Zahl der gewerblichen Konsumwaren durch Tendenz zur Massenproduktion nimmt zu. Damit steigt auch zum Beispiel die Produktion von Leinen und Safran auf Kosten der Nahrungsproduktion.

 

Neben die Krise durch Bevölkerungswachstum, Klima, Wetter und Seuchen tritt eine solche des Handels. Verursacht wird sie auch durch seine räumliche und umfängliche Reduzierung, die die Eroberungen der Mamelucken und der Fall der Kreuzfahrerstaaten ebenso wie der Vormarsch der Türken durch Anatolien und die inneren Krisen im Mongolenreich hervorrufen. China, Indien und Persien liefern nun immer weniger Waren. Die Schwarzmeer-Region bietet nur noch Waren aus ihrem Raum, nicht mehr aus einem ferneren Osten.

Dazu kommen Kriege zwischen den Handel treibenden norditalienischen Stadtstaaten und der Hundertjährige Krieg. Diese allgemeine Handelskrise wirkt sich aber nicht überall gleichermaßen aus: Die englische Wollausfuhr bleibt in dieser Zeit noch fast stabil.

 

Inieweit unsere Krisenzeit des 14. und beginnenden 15. Jahrhunderts das Konsumniveau der Masse der überlebenden Bevölkerung betrifft, ist unklar. Der Behauptung, es habe sich ingesamt zumindest nicht verschlechtert, ist entgegenzuhalten, dass es schon vor der Pest eine Bevölkerungsverringerung gab, die dann bis tief ins 15. Jahrhundert anhält, und zu der neben den Seuchen Hunger bzw. Mangelernährung gehören. 

Aber die Krise ist vor allem eine des Handels und der Kapitalverwertung. Das lässt sich mit ungefähren Zahlen darstellen. Der von Norwegen importierte Stockfisch sinkt von ungefähr 2000 Tonnen auf rund 470 t um 1380.  Die Exporte englischer Wolltuche sinken von rund 120 000 broadcloath jährlich vor der Mitte des 14. Jahrhunderts bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts auf durchschnittlich

79 000.  Noch Mitte des 16. Jahrhunderts haben sie die Ausgangsmenge nicht wieder erreicht. (Hanse, S.123) Solche Zahlen lassen sich grob verallgemeinern.

Der Ausstoß der Münzprägung geht in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts massiv zurück und steigt dann bis Ende des 15. Jahrhunderts nicht einmal mehr auf die Hälfte an.

Solche allgemeine Entwicklung stellt sich natürlich nach Zeiten und Orten recht unterschiedlich dar und hat auch nicht nur mit der allgemeinen Krise, sondern auch mit machtpolitischen Besonderheiten zu tun. Die besonders gravierende Krise der Kapitalverwertung mit allen Folgen in Lübeck zwischen etwa 1490 und 1530 zum Beispiel hat auch ihre spezifischen Ursachen.

 

Bequemer zwar, aber noch risikoreicher als der Handel entwickeln sich die Finanzgeschäfte im 14. Jahrhundert. 1298 kommt es zum Bankrott der Bonsignori von Siena, 1300 zu dem der Ricciardi von Lucca, dann dem der Ammanati und der Chioventi von Pistoia.

Damit steigen die Florentiner Finanzgeschäfte auf, die zunächst noch nur eine Sparte der Firmengesellschaften darstellen, die aus aktiven Gesellschaftern und inaktiven Depositeneinlegern bestehen. Einige wie die Gianfigliazzi zwischen 1283 und 1325 spezialisieren sich schon ganz auf Finanzgeschäfte. "Sie liehen Geld an Herren und Städte im Südosten Franreichs, in der Dauphiné und in der Provence. Sie waren Bankiers der Dauphins, der Grafen von der Provence und des Königs von Sizilien." (Gilomen, S.112)

 

"Die Mittel der Gesellschaften bestanden aus dem eingeschossenen Kapital der Teilhaber und aus Depositen Außenstehender, die mit 6 bis 10% fest verzinst wurden. Dadurch kamen riesige Summen zusammen: Eine der Bardi-Gesellschaften schloss ihre Bilanz 1318 mit Aktiven von 875 000 Florentiner Goldgulden. Da die Gesellschaften sich verpflichteten, die Depositen jederzeit auf Sicht unverzüglich zurückzuzahlen, waren sie hilflos, wenn plötzlich viele Depositäre ihr Geld wiederhaben wollten. Als sich die Florentiner Gesellschaften 1342 mit Robert von Neapel politisch entzweiten und bekannt wurde, dass sie die sogenannte guelfische Allianz verlassen wollten, trieb der Ansturm auf die Kassen zuerst die kleinen Gesellschaften in den Bankrott. Die Peruzzi und die Bardi hatten durch enorme Anleihen dem englischen König beim Ausbruch des Hundertjährigen Krieges seinen Kampf gegen Frankreich finanziert. Da die Feldzüge des Engländers scheiterten, war er nicht in der Lange, seine Schulden unverzüglich zurückzuzahlen. Die allgemeine Panik erfasste nun auch die Depositäre der großen Gesellschaften, deren riesige Guthaben bem englischen König unwiderbringlich waren. Der Untergang der kleineren Gesellschaften riss so auch die größeren mit sich. Die Acciaiuoli, die zudem auch sehr stark in Neapel engagiert waren, gingen 1343 ebenso wie die Peruzzi in Konkurs; die Bardi folgten 1346. 350 Florentiner Gesellschaften sind zwischen 1333 und 1346 bankrott gegangen, darunter hunderte kleinere Unternehmen, die in das wirtschaftliche Desaster hineingezogen wurden." (Gilomen, S.112)

 

Die Lombarden und Juden mit ihren kurzfristigen Krediten zu hohen Zinsen prägen den Geldmarkt mit ihren Zinsen von 20-40% nicht mehr und sind überhaupt unrentabel für Investionen, die nie solche Renditen erwarten lassen. Gerade noch so akzeptabel für das Geschäft sind dagegen mit ca. 15% Jahreszinsen ausgestattete Finanzwechsel. Dort wo die Juden vertrieben werden, treten dann Franziskaner an ihre Stelle mit christlich verbrämten Darlehensbanken, die in Italien dann fromm monte di pietà genannt werden.

 

Was die kapitalistisch strukturierte Wirtschaft aber wieder ankurbelt, ist als Resultat der Krisen ein Überangebot an Krediten, welches die Zinsen sinken lässt.

 

Einen Sonderfall im Finanzgeschäft stellt die zunehmende Kreditfinanzierung städtischer Haushalte dar, die die steigende Abgabenlast der Untertanen eingrenzen soll, aber auch zur manchmal extremen Verschuldung der Stadt führt. Nicht nur in Florenz wird das Leihen von Geld an den Stadtstaat dabei zu einem für die reichen Beteiligten zu einem lukrativen und relativ sicheren Geschäft, welches eine Rentiersmentalität weg von unternehmerischem Risiko nach sich zieht. Aus solchen Staatsanleihen werden dann Pflichtanleihen, und die großen privaten Kreditgeber schließen sich zu Interessengemeinschaften wie seit 1407 zur Casa di San Giorgio in Genua zusammen, der dann auch die Verwaltung der indirekten Steuern anvertraut wird. Die Casa wandelt sich schnell zu einer Bank, deren Anteile als Dividenden an die Eigner ausgezahlt werden und nimmt damit Elemente einer Aktiengesellschaft vorweg,

 

Stagnation tritt im Bereich technischer Neuerungen ein, die ohnehin noch ganz weit entfernt sind von dem Tempo, dass sie im 19. und 20. Jahrhundert erreichen. Das mag aber auch etwas damit zu tun haben, dass im späteren Mittelalter erst einmal wieder die Bevölkerungsdichte und der Warenumfang von vorher erreicht werden müssen. Das schon im 13. Jahrhundert an einigen Orten verbreitete Spinnrad wird im 14. Jahrhundert immerhin überall Standard.

 

****

 

Das Absinken der Agrarpreise und damit der landwirtschaftlichen Einkommen führt in manchen Regionen zum Abwandern in die Städte oder andere Ortschaften, was zusammen mit der sinkenden Bevölkerung zu sogenannten Wüstungen führt, verlassenen Dörfern vor allem. Zwischen 1300 und 1500 geht die Zahl der Siedlungen in deutschen Landen um rund ein Viertel zurück. Wo das Land weiter bewirtschaftet wird, nehmen die Viehweiden zu. Das größere Angebot führt dann zu deutlich mehr Rindfleisch-Konsum.

 

Auf vielerlei Weise vergrößert die Krise des 14. Jahrhunderts das Proletariat der Besitzlosen, was Besitz- und Kapitalkonzentration fördert und zur Flucht vom Land in die Städte führt. Damit werden bis Mitte des 15. Jahrhunderts die sinkenden Bevölkerungen der Städte fast wieder kompensiert. Daneben werden die zunehmenden bäuerlichen Unterschichten auf dem Lande aber auch durch eine Zunahme des Verlagssystem gehalten, die zum Teil dann nicht mehr Zubrot, sondern Haupterwerb wird.

 

Städte reagieren auf den Bevölkerungsverlust "politisch" durch eine bewusste Politik, die sie attraktiver machen soll. Dazu gehören deutlichere Hygienevorschriften in den Städten, wo man mancherorts schon vorher begonnen hatte, den Abfall auf kommunale Müllkippen zu transportieren, die Schweine und ihren Kot aus den Straßen zu vertreiben und über Rohrleitungen saubereres Wasser in die Städte zu leiten.

Dazu gehören aber auch Verschönerungen durch Pflasterung von Hauptstraßen und Plätzen. Andererseits wird das Land unsicherer durch Räuberbanden aus dem Proletariat und Raubrittertum des niederen Adels, welcher damit Einkommensverluste kompensieren möchte.

 

Insgesamt wird die Zeit zwischen der Mitte des 14. und des 15. Jahrhunderts als eine rapider Veränderungen erlebt, die tief in den Alltag vieler Menschen eingreifen. Im Mitteleuropa nehmen Totentänze zu, religiöse Schauspiele und Geißlertum reagieren darauf, ebenso wie antijüdische Ressentiments bis hin zu Pogromen und Vertreibungen zunehmen.

Literarische Verarbeitung der Florentiner Pest durch Bocaccio deutet aber an, dass das Leben weitergehen wird. Eine multimedial geförderte Massenhysterie, wie sie in solchen Fällen heute in den Metropolen des Kapitals ausbricht, gibt es nicht, der Tod ist noch nicht so ausgegrenzt wie heute und darum auch nicht so erschreckend. Es gibt auch keine Glücksversprechen wie im allgemeinen Massenkonsum heute, die von irgendeinem Schicksal bedroht werden.

 

Insgesamt ist so das Gefühl, in einer Krisenzeit zu leben, nur punktuell und lokal bzw. regional vorzufinden und nicht allgemein verbreitet. (Ertl, S.105)

 

 

Machtpolitik im Krisenjahrhundert (in Arbeit)

 

Weder Naturkatatstrophen noch Seuchen mit Not, Hunger und Tod unzähliger Menschen hindern die Machthaber im 14. Jahrhundert daran, mit ihren Machtgelüsten weitere Menschen ins Verderben zu ziehen. Das große Teile Europas überschattende Ereignis ist der Krieg zwischen der englischen und der französischen Krone, der zahlreiche Menschen von Schlacht zu Schlacht führt und die Leute in England erhebliche Finanzmittel kostet, während er zunächst auf dem Kontinent auch die zivile Bevölkerung in Mitleidenschaft zieht.  Nach einer Serie von Niederlagen stabilisiert sich die Macht der französischen Krone nach dem großen Pestzug wieder, Finanzen und Militär werden modernisiert. Kastilien verbündet sich schließlich mit Frankreich und 1367 treffen auch dort französische und englische Truppen aufeinander.

 

Selbst in Südfrankreich entwickelt sich ein neuartiger französischer Nationalismus, der hilft, die Engländer zu vertreiben. Kastilien und schließlich auch Kaiser Karl IV. sind mit Frankreich verbündet. 1375 wird in Brügge ein Waffenstillstand geschlossen: England hat fast alle seine kriegerischen Eroberungen wieder verloren. Immerhin hatte die Zeit des Krieges dem englischen Handel und der englischen Seefahrt einen gewissen Aufschwung verliehen. Und so wie sich in den französischen Kronlanden eine gemeinsame Sprache bei den führenden Kreisen etabliert, so geht nun auch die englische Oberschicht zu einem Mittelenglisch über, welches das Lateinische und Mittelfranzösische ablöst. Nationalsprachen ergänzen und ersetzen hier wie auch in deutschen Landen die Sprachen der Dokumente und der einzelnen Stände.

 

Während Karl IV. eine erste Italienfahrt nur dazu nutzt, den Kaisertitel zu holen und eine zweite, um einen Papst nach Rom zurückzuholen, während zudem Burgund bis auf Savoyen immer stärker in den Machtbereich der französischen Krone gerät, findet durch ihn vor allem Ostpolitik statt. Sein böhmischer Kernbereich vergrößert sich in engem Bündnis mit dem Deutschordensland nach Nordosten und Süden. das angevinische Ungarn ist mit Polen verbündet.

 

Natur,  Landschaft und Zerstörung (derzeit in Arbeit)

 

Mit dem Aufstieg des Kapitalismus im Mittelalter beginnt eine zweite, nun fast unaufhörliche Bewegung der Verwandlung der Welt in seinem Einzugsbereich, die immer noch anhält. In seinen Kernlandschaften zwischen England und Italien, zwischen den deutschen Landen und Spanien schwindet eine Naturlandschaft nach der anderen und wird in menschengemachte verwandelt. Aus Wäldern werden entweder Forste oder sie verschwinden ganz. Feuchtgebiete werden trockengelegt, Fließgewässer in Wirtschaftswege verwandelt, Berge werden in Bergwerksareale verwandelt. Die Menschen, die über die Landschaften verfügen, verwenden sie als Ressourcen für ihr Erwerbsstreben und ihre Besitzgier.

 

Nirgendwo wird das deutlicher als beim Schwinden der Wälder. Am Anfang des Mittelalters sind nördlich der Alpen Siedlungen Inseln in einer Welt aus Bäumen und Sträuchern. An ihrem Ende sind Wälder Inseln in einer menschengemachten Welt. Neben Wasser und Getreide ist Holz der dritte Grundbaustoff der neuen kapitalgetriebenen Zivilisationen.

 

Dabei gibt es neben der behutsamer werdenden Schweinemast mit der Waldbienenzucht noch eine weitere Nutzung des Waldes, ohne ihm großen Schaden zuzufügen. 1350 werden die Rechte der Bienenzüchter im Nürnberger Reichswald aufgezeichnet. Sie leben im Wald, besitzen eine eigene Zeidelhube, unterstehen einem gewählten Zeidelmeister, müssen Kriegsfolge und Abgaben leisten. (SchubertAlltag, S.80) Mit dem Verschwinden des Mets verschwindet zwar eine Nutzung des Honigs, andererseits nimmt aber das Angebot als Süßstoff dennoch ab, weil die Wälder zurückgehen. Damit steigt der Honigpreis. 

 

Im wesentlichen aber wird in Mitteleuropa bis tief ins 14. Jahrhundert neben den Siedlungs-Rodungen reiner Raubbau an den Wäldern betrieben. Mit der Zunahme von Städten und ihrem Wachstum werden sie Haupt-Verursacher, was man daran sehen kann, dass das Land um sie herum im 14. Jahrhundert oft in weitem Umkreis kahlgeschlagen ist.

 

Man braucht Holz schon seit der Steinzeit für Kochen und Heizen, und die nun rapide zunehmende Bevölkerung braucht davon immer mehr. Als Energieträger und Grundmaterial entspricht Holz längst mindestens der Bedeutung des Erdöls um das Jahr 2000. Zu den wichtigsten wirtschaftspolitischen Maßnahmen der sich zunehmend selbst verwaltenden Städte gehören jetzt Waldkäufe. Man erkennt, dass Städte es schwer haben, ohne Wälder zu überleben.

 

Bauholz wird bis heute verbraucht, auch wenn im späten Mittelalter langsam etwas mehr Steinbauten errichtet werden, die aber immer noch nicht ohne erhebliche Mengen Holz auskommen, auch wenn Holzschindeln teilweise durch Dachziegel ersetzt werden.

"Für den Dachstuhl der Hamburger Petrikirche brauchte man ohne die Sparren mehr als 400 alte Eichen. Gerüste und Verschalungen hatten weiterhin viel Holz verschlungen: Ein großer Wald ist für den Bau einer solchen Kirche nötig." (SchubertAlltag, S.91)

Dort, wo man nicht mit Natursteinen bauen kann, kommen Backsteine auf, aber der Brennholz bedarf für ihre Herstellung ist enorm, so dass gelegentlich schon im 14. Jahrhundert die Produktion beschränkt wird. Zudem brauchen Steingebäude Kalk, der im Wald mit Hilfe von Brennholz gebrannt wird.

 

Schon die antiken mittelmeerischen Stadtzivilisationen verbrauchten es massenhaft für den Schiffsbau für Krieg und Handel, und der nimmt seit dem 10. Jahrhundert immer mehr zu. Der Handel verbraucht es auch für Karren und Fässer, und ohne letztere hätte wohl nicht die große norddeutsche Hanse entstehen können. In Fässern werden nicht nur die Heringe transportiert, sondern zum Beispiel auch das Bier. In der Brauereistadt Hamburg "wurden 1375 neben 457 Brauereien 104 Böttcherbetriebe gezählt." (SchubertAlltag, S.86)

 

Am meisten Holz, gemessen am Einzelprodukt, verbraucht die spätmittelalterliche Glasherstellung. Für Schiffe und Glas verwandelt Venedig Dalmatien in eine karge Kastlandschaft. Zudem verschwinden im Zuge seiner Eroberungen die Wälder im Einzugsbereich des Po, bis der durch Erosion in die Gewässer eingetragene Schlamm die Lagune selbst bedroht.

 

Die zunehmende Glasproduktion verlangt nach Pottasche, und die entsteht aus Holzasche des Aschenbrenners, der sie an den Pottaschesieder weitergibt, der das Kali auslaugt und dann die Flüssigkeit eindampft (mit Holz als Brennmaterial), worauf sie zu Pottasche gebrannt werden kann. Der große Bedarf resultiert aber nicht nur aus der Glasherstellung, sondern betrifft auch die Seifenproduktion, das Färben und Bleichen von Textilien. Da vorzugsweise Buchenholz verwendet wird, kann es im späten Mittelalter alleine deswegen schon knapp werden.

 

Fast genauso verheerend wirkt sich die Salzsiederei auf das Umland aus: Die Lüneburger Produktion hat großen Anteil daran, dass sich das südliche Mischwaldgebiet im späten (kurzen) Mittelalter in eine Heidelandschaft mit weniger fruchtbaren Böden verwandelt.

 

Ganze Wälder verschwinden auch für die Metallindustrie, angefangen bei der Verhüttung der Erze bis hin zum Schmieden. Seit Jahrtausenden braucht man für das Schmelzen von Metallen Holzkohle, die entsprechend hohe Temeperaturen erreicht. Wie bis heute üblich wird die härteste und verachtetste Tätigkeit am schlechtesten entlohnt: Hier die des Köhlers, der vor allem für die Gewinne des Handels arbeitet.

Er muss relativ dünne Stämme vorwiegend von Buchenholz schlagen, an der Luft trocknen und dann unter Luftabschluss (durch Rasenplacken) so erhitzen, dass am Ende ein Drittel der Substanz als Kohle entsteht.

Im 13. Jahrhundert steigert sich die Verhüttung von Eisenerz durch Rennöfen und dann den Übergang zu (zunächst noch nicht sehr hohen) Hochöfen. 30 Tonnen Holz werden nun zu rund acht Tonnen Holzkohle und die verbrennen dann für eine Tonne Roheisen.

 

Überhaupt bedeutet Technik bereits im späteren Mittelalter in der Regel Zerstörung. Zwar werden Bäume bis ins 18. Jahrhundert mit der Axt gefällt, was enorm harte Arbeit bedeutet, und sie werden dann mit Rückepferden aus dem Wald geholt, aber im 13. Jahrhundert tauchen erste Sägemühlen auf und im beginnenden 14. Jahrhundert fangen sie an, sich auch in deutschen Landen zu verbreiten. Sie dienen der Herstellung von Brettern, die nun nicht mehr mit Axt oder Beil abgespaltet werden müssen, und dann auch von Balken. Damit nimmt die Holzverarbeitung dort, wo sie entstehen, massiv zu, und 1458 versucht der Nürnberger Rat darum, neue zu verbieten, - was sich aber dann nicht durchsetzen lässt. (SchubertAlltag, S.94)

 

Ersatz für den Brennstoff Holz bietet in einigen (waldarmen) Gebieten Torf, und die Torfstecherei zerstört so großflächig weitere Biotope. zuerst in Northumberland und im 15. Jahrhundert dann auch im Lütticher Raum, der aber erst im 16. Jahrhundert an Bedeutung gleichzieht.

 

Im immer holzärmeren England nimmt der Gebrauch von Steinkohle zu. Mit dem ungefilterten Rauch aus Kohleverbrennung gibt es aber immer mehr  Luftverschmutzung.

 

Es ist nicht das einzelne Kapital, sondern vor allem die Stadtgemeinde, die bei der Bedrohung der Wälder zu Gegenmaßen schreitet, nicht um "Natur" zu schützen, sondern um den Rohstoff Holz zu erhalten. 1226 kommt es im Rheingau zu einem ersten Rodungsverbot (Dirlmeier, S.10). Mitte des Jahrhunderts gibt es eine Waldordnung für das Kloster Ebersberg bei München und 1282 wird von Venedig das Fällen von Pinien in seinem Umland verboten. 1294 erlässt Nürnberg eine Waldordnung, die den übrig gebliebenen Reichswald schützen soll. 1309 befiehlt Kaiser Heinrich VII., den stark geschädigten Reichswald "wieder zu Wald zu machen". 1359 wird der Erfurter Stadtwald in Schläge eingeteilt, die seine Verwaltung überhaupt erst ermöglichen. Dort wo ökonomisch gesehen wertloseres Holz reicht, wird es nun auch und insbesondere dann im 15. Jahrhundert zum Sammeln und Schlagen vorgegeben.

 

Solche städtische Verwaltung eines reinen Wirtschaftswaldes verlangt, dass der Allmendecharakter des Waldes schwindet. Die Holznutzung wird kontingentiert und spezifiert und schließlich dann muss wertvolles Bauholz pro Stamm bezahlt werden. Fürsten werden erst im 16. Jahrhundert oder noch später davon lernen.

 

Im späten 14. und 15. Jahrhundert beginnt man in ersten Ansätzen mit Aufforstungen, und in Einzelfällen werden Wüstungen der Krisen des 14. Jahrhunderts nicht mehr wieder aufgesiedelt, sondern dem Wald überlassen. 1369 versucht sich ein Peter Stromer im Nürnberger Wald erfolgreich mit dem Aussäen von Tannen. Ende des Jahrhunderts werden dann auch Eicheln bewusst ausgesät. 1400 gibt es in Nürnberg sogar eine Waldsamenhandlung. (SchubertAlltag, S.107)

 

Auch anderswo wird mit Schutzmaßnahmen für die Restwälder begonnen. 1376 fordert eine Ordonnanz des französischen Königs Charles V. die Selbstverjüngung für die Kronwälder: "Auf den Schlägen bleiben immer Überhalter stehen, aus deren Samen die neuen Schößlinge treiben. Auch wenn damals in den Kronwäldern die Mittelwaldwirtschaft entsteht, so ist man doch weit entfernt vom Försterwald mit seiner am Ertrag orientierten Nutzung." (SchubertAlltag, S. 83. Mittelwald ist eine Kombinsation alter hoher Bäume, Hochwald, mit einem alle etwa dreißig Jahre vor allem für Brennholz geschlagenen Niederwald.)

 

Die knapper werdende Ressource Holz macht dann zur Gänze aus Wäldern als Naturlandschaft forstwirtschaftlich betriebene Holzproduktion: An die Stelle von Eichen- und Buchenwäldern treten nun Holzplantagen aus schnellwachsenden Nadelbäumen, die häufiger abgeerntet werden können.

Seit dem späten Mittelalter ziehen sich mit dem Schwinden natürlicher Wälder und dem Rückgang der Sümpfe und Moore natürliche Restposten als Naturlandschaften auf kleine Reservate zurück, mit einem zunehmenden Schwund von Tier- und Pflanzenarten. Zivilisierung ist ganz selbstverständlich Vernutzung und  Verwertung von Natur und wird bis heute anhalten, wo sogenannte Naturschutzgebiete als Reservate des Tourismus herhalten müssen und einem tiefen Missverständnis von dem dienen, was Natur ausmacht.

 

****

 

Bevor mit der großen Industrialisierung im 19. Jahrhundert Flüsse kanalisiert werden, wird bereits erheblich in den Wasserhaushalt der Fließgewässer eingegriffen. In deutschen Landen wird zum ersten Mal 1400 mit dem Elbe-Stecknitzkanal Fließgewässer umgeleitet, anderswo geschieht das schon früher. Flüsse werden noch nicht kanalisiert, aber die Ufer befestigt, bei Städten, Anlegestellen und zur Sicherung von Leinpfaden.

 

Und natürlich werden Flüsse genutzt und auch dadurch verändert so weit es geht. Müller sperren den Fluss zum Nachteil der Schiffahrt, Fischer setzen feste Netze, Reusen und Wehren ein, unterstützt von Grundherren, die davon Abgaben erhalten. Landesherren wiederum unterstützen Kaufleute, die Zölle zahlen. Konflikte darüber sind an der Tagesordnung: Mühlen werden abgebrochen, um dem Handel zu dienen, wegen der Rechte bezüglich der Schiffahrt auf Oker und Aller geraten Lüneburg und Braunschweig 1388 in einem Krieg. Städte schaffen künstliche Untiefen, um ihrem Stapelrecht Nachdruck zu verleihen, da nun die Waren auf jeden Fall umgeladen werden müssen (1314 bei Hameln, SchubertAlltag, S.132).

Mit der Entwaldung in großen Regionen wird Holz auch die Flüsse abwärts geflößt, was selbst die aufstrebende Montanindustrie in abgelegenen Gegenden dazu veranlasst, sogar Bachläufe für Holztransport zu nutzen. Wenn dann erst einmal mehr Kapital in die Flößerei investiert wird, werden erneut ganze Gegenden zum Beispiel in den Alpen entwaldet - und bleiben es teilweise bis heute, da dann die Erde weggeschwemmt wird. Dort, wo Glashütten ihren hohen Holzbedarf befriedigen, müssen sie gehen, wenn dann über Flößerei ihr Rohstoff zu schnell verschwindet.

 

Das Land: Mitteleuropa

 

Das Massensterben auf dem Lande ist geringer, schlägt sich aber auch hier in den Kosten für zunehmende Lohnarbeit im Bereich des Ackerbaus nieder. Viehzucht und Weidewirtschaft sind weniger arbeitsintensiv und ihre Endprodukte werden stärker nachgefragt, nicht nur Fleisch, sondern auch die (englische) Wolle in den Textilstädten Flanderns zum Beispiel. Nicht nur, aber mehr als anderswo insbesondere in England verdrängt das Schaf und das Rind nun den Ackerbau.

 

Die Regel sagt, dass dort, wo gerade das Massensterben stattfindet, die Produktion von allgemein gehandeltem Getreide weniger gesenkt wird als die städtische Nachfrage danach, und so sinken die Getreidepreise wie übrigens alle in die Ferne gehandelte Lebensmittelpreise. Das kompensieren dann Bauern mit erhöhter Fleischproduktion, was zu erheblicher Erhöhung des Fleischkonsums in den Städten führt. Das funktioniert allerdings in England erst mit der Verzögerung einer Generation und nach mehreren Pestwellen ab etwa 1375.

 

Dabei wird vor allem der niedere Adel geschädigt, der zur Rentenwirtschaft übergegangen war und dafür feste Verträge vergeben hat, die mit der Geldentwertung und insbesondere den sinkenden Getreidepreisen nicht mithalten. Der Mangel an Nahrungsmitteln hilft aber dann einer kleinen Schicht von überlebenden Großbauern, die auf dem Dorf in ihrer Lebenshaltung sogar einige adelige Nachbarn zu übertreffen beginnen. Solchen Großbauern gelingt es oft, sich mehr als die Hälfte des gesamten Grundbesitzes im Umfeld ihrer Dörfer anzueignen. Wenn dann Fürsten und Adel versuchen, der Krise durch erhöhte Abgaben zu begegnen, kann es zu Bündnissen von Bauern und Bürgern kommen.

 

Allgemeine Aussagen über Entwicklungen auf dem Lande sind aber nicht mehr möglich. So gibt es nun Gegenden, in denen Bevölkerungsrückgang mit gesteigerter Produktivität einhergehen. "So wurde für die Normandie in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts errechnet, dass 40 Prozent der ursprünglichen Bevölkerung 70 Prozent des früheren Ertrages erwirtschafteten. Die Produktivität pro Kopf hatte sich beinahe verdoppelt." (Ertl, S.107)

 

Für den Adel bedeutet das krisengeschüttelte 14. Jahrhundert, dass ihre Einkommen aus Renten sinken, während ihre Ausgaben eher steigen.

manchmal den Abstieg, manchmal auch den Weg in ein Zubrot durch den Fürsten- bzw. Königsdienst. Ein stattlicher Teil der alten Adelsfamilien verschwindet dabei ganz, und neue entstehen durch den Aufstieg großbürgerlicher Familie.

Wenig betroffen sind die vielen überlebenden Kleinbauern, die ohnehin weiter vorwiegend Selbstversorgung betreiben, wie überhaupt die überlebenden kleinen Landhalter und Lohnarbeiter. Letztere profitieren von höheren Löhnen und billigeren Lebensmitteln, erstere zudem von sinkenden Pachten.

 

Ein großer Teil Mitteleuropas ist immer noch Wald, und der schwindet inzwischen zunehmend mehr durch gewerbliche Nutzung. Diese, oft mehr als der sonstige Holzverbrauch, entwaldet wie in dem Industrierevier der Oberpfalz ganze große Regionen. Sogar die Nutzung der Energie der Fließgewässer stößt hier an die Grenze, aber vor allem kommt es zum Mangel an Holz zur Erzeugung thermischer Energie. 1387 schließen sich hier 74 Hammerherren mit 80 Hammerwerken in der Großen Hammereinung zu einer Art Kartell zusammen, welches Produktions- und Stillstandszeiten festlegt. Schon ein halbes Jahrhundert vorher hat die Stadt Nürnberg für ihre Wälder "Viehweide, Rodung, unrationelle Arten von Holznutzung, die Herstellung von Zaunpfählen oder Dachschindeln, das Schälen von Lohrinde und das Brennen von Pottasche" verboten oder reduziert. (Bayerl, S.63) Die Arbeit der Köhler wird ebenfalls eingeschränkt.

 

Eine Lösung des ökonomischen Problems bringt erst der Nürnberger Peter Stromer mit der Aussaat von Samen heimischer Föhren, Fichten und Birken. Damit beginnt der Siegeszug des Holzackers über den noch halbwegs natürlichen Wald, der nun nach und nach fast überall verschwinden wird. Die Forstwirtschaft wird nun die Waldflächen bewirtschaften und damit in landwirtschaftliche Nutzflächen verwandeln. Schnellwachsender Nadelwald wird damit den oft von Laubbäumen dominierten Mischwald ersetzen. Erst der Einsatz von neuen Energien wird aber wenigstens diesen Wirtschaftswald retten, da bis ins 19. Jahrhundert Holz ein wesentlicher Rohstoff der immer mehr Menschen bleibt.

 

 

Bauernaufstände

 

***Flämischer Bauernaufstand (1323-28)***

 

Die Rebellion gegen adelige Grundherren und gräfliche Steuereintreiber findet vor allem in den flämischen Küstengebieten statt, wo die Bauern seit dem hochmittelalterlichen Landesausbau über ausgeprägte Freiheiten verfügen. "Die in der Umgebung von Brügge im Winter 1323 ausgebrochenen Unruhen richteten sich gegen die Übergriffe adeliger Gerichtsherren, die die Steuern willkürlich einschätzten udn ungesetzliche Gerichtsgebühren einzogen." (Rösener, S.252) Dann entwickelt sich eine allgemeinere Stoßrichtung gegen den Adel, dessen Burgen geplündert und zerstört werden. Außer Gent schließen sich die Städte an. Man ersetzt die gräflichen Amtspersonen durch unteradelige Leute.

1328 besiegt ein französisches Ritterheer, welches die Grafen von Flandern herbeigerufen hatten, bei Cassel das flämische Bauernheer. 

 

 

***(Grande) Jacquerie (1358)*** (ausführen)

 

Die Jacquerie, benannt nach Jacques Bonhomme, einer Karrikatur des biederen Landmannes, ist nicht zuletzt eine Reaktion auf die Plünderungen und Verwüstungen des Krieges und die mit dem Krieg zusammenhängenden hohen Steuerforderungen. 

Zuvor, im September 1356, unterliegt König Johanns Heer bei Maupertuis, und er selbst und viele Adelige geraten in Gefangenschaft. Die Regentschaft unter dem in London gefangen gehaltenen König führt der junge und unerfahrene Thronfolger Karl (V.). Der Prestigeverlust liegt aber beim französischen Adel, bzw. bei ihrem militärisch gescheitertem Rittertum.

 

Inzwischen ist die französische Krone zahlungsunfähig und muss bei den Ständen um Geld bitten. Aus Geldnöten einberufene Ständeversammlungen lösen sich ab, und der schwerreiche Führer der Seinekaufleute, Étienne Marcel, kann seine Forderung nach Beteiligung von Ständevertretern am königlichen Conseil durchsetzen, was der König in London strikt ablehnt.

1358 verbündet sich Karl von Navarra mit den von Marcel angeführten Pariser Bürgern. Eine Menge dringt in den königlichen Palast ein und ermordet hohe Militärs. Regent Karl flieht aus seiner Hauptstadt.

 

Mai 1358 beginnt der Aufstand der Bauern im Gebiet von Beauvais / Compiègne und weitet sich dann schnell in die Picardie und benachbarte Regionen aus. Handwerker und Kleinhändler schließen sich an. Adelsburgen werden zerstört, die Besitzer erschlagen.

Von Paris aus zerstört Marcel mit Bürgermilizen Burgen der Umgebung. 

Im Gegenzug schart Karl von Navarra den Adel hinter sich und schlägt die Aufstände blutig nieder. In Paris verbindet er sich dann aber mit Marcel, weigert sich, gegen die Städte vorzugehen, worauf der Adel zum Regenten umschwenkt. Marcel wird ermordet und der Regent kann darauf in Paris einziehen.

 

 

***Der englische Bauernaufstand***

 

Auf die steigenden Marktchancen von Lohnarbeit reagiert die Krone schon 1349 umgehend mit der Ordinance of Labourers und 1351 dem Statute of Labourers. Darin wird vor allem festgelegt, dass keine Löhne über dem Niveau vor der Pest verlangt werden dürfen und dass arbeitsfähigen Leuten keine Almosen gegeben werden dürfen, so dass sie zur Arbeit gezwungen werden können. Das betrifft Männer und Frauen bis zum 60. Lebensjahr. Justices of the Labourers werden bald aus den Reihen der Gentry eingesetzt, und später folgen auf sie die Friedensrichter. Constables zwingen die Arbeitskräfte, die neuen Gesetze vor Ort zu beeidigen.

 

Lohn- und Preisentwicklungen führen dazu, dass die Kaufkraft der Bauernschaft nach der Pest bis Ende des Jahrhunderts um rund 40% zunimmt (Dyer, S. 279). Dagegen richten sich weiter wie schon ab ab 1263 Luxusgesetze (sumptuary laws) mit detaillierten  Kleidervorschriften für insbesondere Landarbeiter. Darin kommt auch die Hoffnung zum Ausdruck, steigende Tuchpreise so in Grenzen halten zu können.

 

Die Zahl der tenants nimmt nach der Pest deutlich ab, um ein Viertel bis ein Drittel in den manors der Herren, und in derselben Zeit wird der von tenants gehaltene Grund und Boden deutlich größer. Im 15. Jahrhundert wird die Zahl solcher Landhalter eines Herren dann schon einmal auf ein Drittel der Vor-Pest-Zeit absinken. Landarbeit und gewerbliche Arbeit auf dem Lande ist zunehmend mit smallholdings verbunden.

Die Herren versuchen, ihre tenants auch dadurch zu halten, dass sie die Beziehungen weitgehend entfeudalisieren und kommerzialisieren. Dazu gehört vor allem die schon vor der Pest einsetzende und sich nun durchsetzende Tendenz, die Domänen selbst zu verpachten. Die Risiken der zunehmenden Krisenhaftigkeit in der Wirtschaft werden so auf tenants übertragen, die sehen müssen, wie sie eine feste Pacht erwirtschaften.

 

In den siebziger Jahren des 14. Jahrhunderts beginnt dann die Krone mit dem Versuch der Abschöpfung des zunehmenden Einkommens in der Lohnarbeit mit Hilfe einer Kopfsteuer (poll tax), die dabei von 4 Pfennigen auf 8 und dann auf 12 steigt und alle Erwachsenen ab dem fünfzehnten Lebensjahr unabhängig von ihrem tatsächlichen Einkommen erfassen soll, was zunächst einmal nicht gelingt.

 

 

Die Zeit zwischen 1350 und 1450 ist überall dort, wo Hungersnöte, Pest und andere Seuchen zugeschlagen hatten, eine Zeit mangelnder Arbeitskraft und ihrer allgemeinen Verteuerung. Das wirkt sich bis in die Rekrutierung oder Anmietung von Militärs bzw. Söldnern aus. Während dann nach 1450 die Bevölkerung in Frankreich und Italien wieder deutlich zunimmt, stagniert sie in England bis etwa 1540 (Dyer, S.266).

Zur Knappheit an Arbeitskraft gehört bis um 1465 auch eine solche an Silber, die Münzknappheit bedeutet. Besonders kleine Münzen, der halfpenny und der farthing fehlen im alltäglichen Leben.

 

Tatsächlich dauert es in England mehrere Jahrzehnte, bis die Getreidepreise deutlich sinken, was vielleicht an Missernten nach der Pest liegt, und die Reallöhne steigen auch nur langsam und stärker erst etwa zwanzig Jahre nach der Pest. Das mag daran liegen, dass relative Arbeitslosigkeit vor der Pest erst einmal nachher dazu führt, dass Arbeitslose in Arbeit kommen. Zudem führen die Höchstlohngesetze dann vielleicht dazu, dass Lohnherren auf dem Markt erzwungene höhere Löhne verheimlichen.

 

In England zeigt sich, dass nicht die Pest selbst, im Moment ihres Auftretens sicher erschreckend, sondern die deutlichen Umwälzungen des 14./15. Jahrhunderts, in denen sich Ständeordnungen und feudale Strukturen als hohle Hüllen erweisen, die Leute beunruhigen, obwohl wir dabei vor allem auf Autoren wie Chaucer, Gower und Langland als Quellen angewiesen sind, von denen allerdings zumindest der letztere dann schriftlich wie mündlich weiter verbreitet wird.

In dem halben Jahrhundert nach der Pest schreibt ein ansonsten eher unbekannter William Langland mit 'Piers Plowman' in mehreren Versionen eine Geschichte über einen vorbildlich braven und frommen Ackerbauern mit einem sehr kleinen Feld, der sich unter anderem mit einem Ritter vertraglich verbindet, für diesen zu arbeiten und von ihm wiederum Schutz zu erhalten und die Landarbeit störende Tiere zu jagen. Die beunruhigende Gegenwelt sind gierige Landarbeiter, Bettler, die eigentlich arbeiten könnten und eine Schar von Kleinkriminellen. Eine vergangene, harmonisch und fromm erscheinende Vergangenheit trifft auf eine neue Welt, in der Herren und Arbeitskraft inzwischen wie auf einem Markt verhandeln und die produktiv Arbeitenden durch Konsumgier allen möglichen Sünden verfallen.

 

Um 1390 schreibt Gower: The world is changed and overthrown / That it is well-nigh upside down / Compared with days of long ago. Es geht hier nicht um "Mentalitäten" einer "Geistesgeschichte", sondern um Reaktionen auf die Destabilisierung der lateinischen Welt durch Bewegungen des Kapitals, deren Resultate als Unordnung wahrgenommen werden. Wie weiterhin bis heute kommt dabei keine Kapitalkritik auf, sondern eher Erlösungssehnsucht, die da, wo sie sich nicht religiös äußert, anfängt zu politisieren und sich dabei als eher rückwärtsgewandt erweist.

 

 

1376 stellt sich ein Parlament gegen eine neue Steuer und fordert die Verfolgung korrupter Steuereintreiber. Dann bekommt aber eine Gruppe unter John of Gaunt, dem Kanzler Simon Sudbury und dem Schatzmeister Robert Hales immer mehr Einfluss und unterstützt die Kriegspolitik der Krone, was mehr Steuern nach sich ziehen muss.

Als sich 1381 herausstellt, dass immer mehr Bauern alles unternehmen, um der Kopfsteuer zu entkommen, schickt die Krone Amtsleute nach Essex und Kent, um Untersuchungen anzustellen. Es kommt zu rebellischen Aktionen von Bauern gegen sie. Diese nehmen im ganzen Land zu und Rebellen ziehen nun von allen Seiten nach London, wobei sich unterwegs Wat Tyler als Anführer herauskristallisiert. "They recruited men and collected money as if they had taken over the government, and they advanced under banners and pennons (Lanzenwimpel) like a legitimate army." (Dyer, S.287) Sie wenden sich weniger gegen die Kopfsteuer als gegen die übrigen Abgaben und gegen die noch existierenden Elemente von Servilität in der Bauernschaft. Land sollte gänzlich für den Markt geöffnet werden und Arbeitsverträge sollten frei ausgehandelt werden. John Ball hält die Predigt mit der zentralen Aussage: Whan Adam dalf and Eve span, wo was thanne a gentilman.

 

Am 14. Juni treffen sie mit dem König bei London (Mile End) zusammen, der Freiheits-Charters erlässt und verspricht, die "Verräter" bei Hof zu entlassen.

 

Inzwischen werden in London "Verräter" von den Rebellen "hingerichtet" und ihre Paläste zerstört.Auf dem Land werden die verträge von Herr und Knecht in den manor houses zerstört Als Wat Tyler dann den König wieder trifft, verlangt er die Abschaffung der Adelsprivilegien und der Kirchenhierarchie und die Selbstverwaltung der Dörfer. Sie steigern das bis zu der Aussage: Kein Herr (lord) soll in der Zukunft mehr Herrschaft ausüben, sondern sie soll auf alle aufgeteilt werden. Alles Land soll ihren Herden als Weidegrund zur Verfügung stehen und alle sollen Jagdrecht in den Wäldern haben.

 

Die Rebellen sind eher wohlhabendere Bauern, die von den davor liegenden Krisen profitiert hatten und nun mehr politische Freiheiten erhofften. Sie bilden Reiterheere, was bedeutet, dass sie sich entsprechende Pferde leisten können. Aber nach zwei Monaten sind sie militärisch unterlegen und, wer nicht hinerichtet wird, muss sich wieder unterwerfen. Die Herren nehmen sie wieder in ihren Dörfern auf und verpflichten sie auf die alten Verhältnisse.

Die Kopfsteuer verschwindet allerdings und das kriegerische Engagement der Krone wird erst einmal reduziert. In der Bauernschaft bleiben allerdings die Ideen weiter virulent, es kommt zu kleineren lokalen und regionalen Aufständen, und in der Konsequenz werden die Herren die Landbewirtschaftung weiter entfeudalisieren und dabei kommerzialisieren.

 

Zwanzig Jahre nach 1381 kommt es zu einer nicht ganz unähnlichen Rebellion von Bauern und Handwerkern in Wales, der sich dort, wo die Herren Engländer sind und die Städte englisch besiedelt, als eine Art "nationaler" Aufstand erweist und im Verlauf von sieben Jahren von den Engländern blutig unterdrückt werden muss.

 

Adel, Ritter und Krieg

 

Adel beruhte von Anfang an auf der Verbindung von Kriegertum und Grundherrschaft. Aus letzterer resultieren im 14. Jahrhundert tendenziell abnehmende Einnahmen, das erstere verliert zunehmend an Bedeutung. Ein ganzes Bündel von Gründen trägt dazu bei. Dabei trifft der wirtschaftliche Niedergang eines Teils des Adels auf die Notwendigkeit, seine Kriegsteilnahme zumindest teilweise zu finanzieren, und auf die zunehmenden Möglichkeiten von Herrschern, über ihre Einkünfte Söldner bzw. Fußsoldaten zu bezahlen.

Das führt im Verlauf des 14. Jahrhunderts zu einem ersten Prestigeverlust des Adels, der durch einen zunehmenden Kult von Ritterlichkeit aufgefangen werden soll.

 

Der Ritter kämpfte zu Pferde vor allem mit Schwert und Lanze, was für einen Kampf Mann gegen Mann geeignet war. Dieser wurde auf den Turnieren geübt. Eine frühe ziemlich unritterliche Waffe war die Armbrust gewesen, deren enorme Durchschlagkraft mit dazu beitrug, die Rüstung zu verstärken. 1139 verbot der Papst sie, was aber im 13. Jahrhundert bereits kaum noch beachtet wurde. Die ritterlichen Rüstungen wurden immer schwerer und können am Ausgang des Mittelalters schon mal an fünfzig Kilo heranreichen. Sie machen den Ritter immer unbeweglicher, was besonders dann von Bedeutung ist, wenn Fußsoldaten die Pferde verletzen oder töten, die Reiter herabstürzen und sich nur mit Mühe und Hilfe wieder aufrichten können.

 

Nachfolger der unritterlichen Armbrust werden die immer effektiver gemachten Pfeil und (Land)Bogen mit einem fast mannshohen Bögen, deren Pfeile mehrere hundert Meter weit effektiv bleiben und in viel schnellerer Folge abgeschossen werden können. Unritterliche Waffen aber fördern eine unteradelige Infanterie aus bürgerlichen und bäuerlichen Kreisen. 2500 Ritter des französischen Heeres bei vielleicht 4000 Fußsoldaten, darunter auch bereits einige Bogenschützen, unterliegen in Kortrijk 1302 einer sich als Bürgerheer begreifenden flämischen Armee aus rund 500 Rittern und etwa 8000 Fußsoldaten. Mehr als tausend französische Ritter werden getötet.

Ähnlich siegt ein schottisches "Volksheer 1314 bei Bannockburn und 1315 ein schweizerisches bei Morgarten. Englische Armeen werden immer mehr mit lanzentragenden Fußsoldaten, die Pferde und menschliche Gliedmaßen aufschlitzen und mit gut ausgebildeten Bogenschützen ausgestattet, während die französischen Heere im Hundertjährigen Krieg von Sluys (1340) bis nach Azincourt (1415) weiterhin auf schwer gerüstete Ritter, Herzöge, Barone, kleine Ritter setzen. Sie tragen als Bannerherren bunte Banner mit sich, Junker immerhin Wimpel, alle mit ihren Knappen versehen, in ihrer immer vollkommeneren Rüstung eine mit ritterlichen Vorstellungen versehene, relativ unbewegliche Kampfmaschine.

Wie weit das Renommé des Rittertums unter seinen vielen Niederlagen leidet, erweist sich in aller Deutlichkeit nach 1356, wo bei Maupertuis in der Nähe von Poitiers wie bei Crécy (1346) Bravourattacken ritterlicher französischer Verbände von englischen Bogenschützen niedergestreckt werden. Zweieinhalbtausend französische Ritter einer Heeres von 16 000 werden von dem halb so großen Heer des "Schwarzen Prinzen" von Wales getötet. In englischen Heeren nehmen längst die besoldeten Bogenschützen einen weit größeren Raum ein als die teilbesoldeten Reiter. Auch als Reflex darauf kommt es zur Jacquerie der Bauern und zum Aufstand der Oberschicht des Pariser Bürgertums unter Étienne Marcel.

Weitere Niederlagen und die drückende Steuerpolitik der Regenten führen z1382 zum Aufstand der maillotins in Paris, der mit Hilfe des Unterhändlers Enguerrand de Coucy beendet wird, der dabei erheblich profitiert. In derselben Zeit findet in Rouen die Revolte der Harelle statt und im Süden die der Tuchins, die sich ebenfalls beide vor allem gegen den ursprünglich kriegsbedingten Steuerdruck wenden.

 

Ein weiterer bedeutender Rückschlag für das adelige Prestige französischer und burgundischer Ritter wird die verheerende Niederlage bei Nikopolis 1396, bei der das Militär des Türken Beyazid I. das christliche Ritterheer komplett niedermetzelt.

 

Das Söldnertum der Grandes Compagnies, die sich immer mehr verselbständigen, führt in Frankreich in den ersten Jahrzehnten des 15. Jahrhunderts zu größeren Verheerungen und zu mehr Toten als der Krieg selbst.

 

Weitere Kommerzialisierung feudaler Strukturen

 

Im vierzehnten Jahrhundert lässt sich ganz allgemein sagen, dass die feudalen Strukturen komplett kapitalistisch durchsetzt sind, - sie sind die äußere Hülle für ein ganz andersartiges Innenleben.

Für das Kaiserreich schreibt Patzold: "Seit der Mitte des 14. Jahrhunderts beispielsweise begannen die Könige aktiv und gezielt, auch Bürger in den Reichsstädten mit Lehen auszustatten und sich so als Kronvasallen zu verpflichten. Nutznießer dieser Politik waren nicht allein die Angehörigen des Patriziats, sondern auch zahlreiche Handwerker und Familien, die nicht ratsfähig waren. Im Laufe des 15. Jahrhunderts wurden Bürger sogar zur zweitstärksten Gruppe unter den Kronvasallen. Auf diese Weise etablierten die Könige Beziehungen zur Elite innerhalb von Reichsstädten und gewannen kapitalstarke Finanziers." (S.109)

Solche Bürgerlehen sind besonders teuer zu erlangen, betragen manchmal den Jahresertrag des Lehens (Patzold, S.111f) Diese Bürger zogen natürlich nicht selbst in den Krieg, sondern finanzierten ihn als Lehnsmannen.

Als Rentenlehen können die Einkünfte aus Zöllen, Steuern oder ähnlichem verliehen werden, für die dann militärischer Vasallendienst zu leisten ist, was sie zu einer Art Sold nach Lehnsrecht macht (Patzold, S.112) Solche Rentenlehen können durch eine Einmahlzahlung oft in Höhe des zehnfachen Jahresbetrages abgelöst werden. Davon soll dann der Mann ein Eigengut kaufen und dem Herrn zu Lehen auftragen, oder aber ein schon vorhandenes Eigengut zu Lehen auftragen, "dass daraus ein Jahresertrag in Höhe eines Zehntels der Ablösesumme erzielt werden" kann (Patzold, S.113).

Hat ein Herr Schulden, kann er entweder ein Pfandlehen geben, welches bis zur Rückzahlung der Schuld dauert, oder aber ein Zinslehen.  Im Grunde kann alles mit einem Marktwert als Lehen vergeben werden. Wie sehr feudale Strukturen in kapitalistische integriert sind, zeigt nicht zuletzt auch die Tatsache, dass selbst an nun gar nicht wehrfähige Bauern Zinslehen vergeben werden können, in denen ebenso wie in Bürgerlehen Geldleistungen die militärischen ersetzen.

 

Längst ist nicht mehr nur die fürstliche und adelige Nachfrage nach Konsumgütern Motor der Entwicklung, sondern die königliche und fürstliche Nachfrage nach Geld, mit dem Kriege zu führen sind. Dort, wo überhaupt noch Abteilungen von Vasallenheeren neben den zunehmenden Söldnerverbänden in den Krieg ziehen, müssen diese immerhin für den Krieg versorgt und ausgerüstet werden, auch wenn der eigentliche Militärdienst dann als Verpflichtung geliefert wird.

 

Inzwischen hat das Lehnswesen sich auch in noch einem Punkt deutlich geändert. Territorialherren entsenden nun "zunehmend Beamte und gelehrte Juristen in die Lehnskurie, die sich somit zu einer herrschaftlichen Behörde für alle Lehnsstreitigkeiten " wandelt. (Spieß, S.37)

 

 

Adel und Bürger

 

Karl VII: Teile des Adels waren durch die lange Kriegszeit ruiniert worden, versuchen aber ihren Status als Mitglied eines gehobenen Standes durch Lebensstil und Kriegsdienst aufrecht zu erhalten, der Steuerfreiheit mit sich bringt. An der Grenze zwischen Adel und Bürgerstand befinden sich jene, die  sich als Kaufleute nobilitieren lassen, aber durch ihre Geschäfte ohnehin Teile des Adels an Reichtum übertreffen. Sie werden so vom Kriegsdienst befreit und müssen meist auch keine Steuern zahlen, ähnlich wie "Bürger", die adelige Landgüter aufkaufen.

Im 'Livre du Corps de policie' schreibt Christine de Pizan 1407: Bourgeois sont ceulx qui sont de nation ancienne, enlignagiez es cites, et ont propre surnom et armes antiques. Bürger sind Leute von alter Abstammung, in den Städten versippt, und sie haben eigenen Zunamen und altes Wappen, wie Ehlers übersetzt, (Ehlers, S.349)

Der Bürger als bourgeois, als Patrizier, wie er deutsch gelegentlich heißt, ist fast eine Art eigener Adelsstand, weit entfernt von der Masse der Leute, die in deutschen Landen Bürger heißen.  

 

Die große Krise des 14. Jahrhunderts und die Kriege hatten die Bevölkerung Frankreichs fast halbiert. Die Landwirtschaft ernährte immer noch fast 90% der Menschen, aber sie ging stärker, wie auch anderswo, vom Ackerbau zur Viehhaltung über und darüber hinaus zur Zuarbeit zum städtischen Gewerbe mit Wid, Krapp und Hanf.

Ein Boomsektor sind inzwischen die Gewerbe der Produktion für den Krieg. Als erstes profitiert dabei der Bergbau, von Kapitalgesellschaften mit Lohnarbeit betrieben. Dann kommen Waffenschmiede und Kanonenhersteller, Herstellung von Rüstungen und anderes. Diese handwerklichen Betriebe werden immer größer, beschäftigen immer mehr Lohnarbeit und nähern sich so dem, was im Deutschen industrielle Produktion heißt.

Die größten Profiteure sind aber im Finanzkapital zu finden, welches zum Teil eng mit der Staatsverwaltung zusammenarbeitet. Es steigt durch Handel auf, finanziert Kriege vor und bekommt das einträgliche Geschäft der Steuereintreibung für ganze Regionen verpachtet. Wenn solche Leute, die einen fürstlichen Lebensstil pflegen, ihren königlichen und hochadeligen Schuldnern zu lästig werden, werden sie schon einmal auf juristischen Wege oder anderweitig ruiniert, was den Akteuren die Schuldenlast nimmt. Auch das große Kapital hat immer noch nur die wirtschaftliche Macht, die sich leicht von der politischen trennen lässt, an der solche wirtschaftlich Mächtige nicht ohne staatliche Zustimmung partizipieren können.