Anhang 17: WESTFRANZIEN UND ENGLAND IM 10. JH.

 

 

Westfranzien im 10. Jahrhundert

Die Robertiner

Aquitanien

England im 10. Jahrhundert

 

 

Westfranzien im 10. Jahrhundert

 
Königslandschaften sind die, in denen Könige den meisten Besitz, die meiste Macht und das größte Gefolge haben. In Ostfranken ist das bis ins 10. Jahrhundert vor allem das Rhein-Main-Gebiet. Daneben entwickeln sich im Ostreich Metropolitan-Landschaften um zentrale Erzbistümer, deren mächtigstes Mainz wird, an zweiter Stelle erscheint dann Köln. In Westfranzien wird es immer mehr die Île de France.

 

Westfranzien zerfällt nach und nach in Gebiete der alten regna, die von mächtigen Herrscherdynastien regiert werden, die die königlichen Rechte und Machtvollkommenheiten wie die Ernennung der Grafen und die Verfügung über die Kronvasallen an sich gezogen haben: Franzien/Neustrien, Bretagne, Burgund, Aquitanien, Gascogne, spanische Mark.

 

Zwischen 879 und 921 beherrscht Richard ("Iustitiarius") von Autun aus den westfränkischen Teil Burgunds. Er gewinnt Langres, Sens und Troyes dazu. 918 bezeichnet er sich als comes et dux. Insgesamt versammelt er 14 Grafschaften unter sich. Unter seinem Sohn Rudolf kommt Mâcon dazu und das Herzogtum erreicht nun seine größte Ausdehnung. Unter Bruder Hugo ("dem Schwarzen") seit 932) nimmt der Robertiner Hugo („der Große“) ihm dann Sens und Langres wieder ab.

888 lässt sich daneben der Welfe Rudolf zum König von (Hoch)Burgund wählen, welches auch die heutige Westschweiz umfasst.

 

Unterhalb dieser hohen principes, Fürsten, kristallisieren sich ab dem letzten Viertel des 9. Jahrhunderts vor allem kleinere Machthaber heraus. Nach dem Tod Wilhelms ("des Frommen") 918 zerfällt seine aquitanische Herrschaft. Der bereits sehr selbständige Graf von Toulouse übernimmt dabei Gothien, seine Herrschaft teilt sich dann in zwei Linien, die erst Raimund von Saint-Gilles im 11. Jahrhundert wieder teilweise vereinen kann. Das Mâconnais fällt an Burgund, das Lyonnais an Hugo von Arles. Das Berry verselbständigt sich und wird dann geteilt. In der Auvergne wiederum verselbständigen sich die Bischofsherrschaften von Le Puy und Clermont. Das Bordelais geht in einem sehr stark verselbständigten Herzogtum Gascogne unter einer baskischen Familie (Garcia Sanchez) auf. Nach 922 verselbständigt sich die Markgrafschaft Katalonien immer mehr.

 

Den Grafen von Poitiers gelingt es, die Räume von Saintes, Angoulême, Périgueux und Limoges unter ihre Herrschaft zu bringen und das mit einem aquitanischen Herzogtum zu verbinden. Wiederum teilen sich zum Beispiel Vizegrafen von Melle, Thouars und Chatelleroux in die Grafschaft Poitou, wobei ihre Bereiche nicht mehr nach der Region, sondern nach dem Ort ihrer Stammburg bezeichnet werden wie die Toarensis castri vicecomes. (Audebert/Treffort, S. 108)

 

Ihr Titel ist nicht mehr so sehr Amt wie Adelsprädikat. Sie sind Herren über viele befestigte Plätze mit einer beachtlichen Vasallenschar, die gegen ihre Nachbarn und gegenüber den Grafen versuchen, ihre Macht kontinuierlich zu erweitern.Unter ihnen wiederum stehen geistliche, monastische und weltliche Herren mit ihren Bündeln von Grundherrschaften und lokalen kleineren Burgen.

 

Der zentrale Bereich zwischen Senlis und Noyons im Norden und Orléans und Bourges im Süden zerfällt wieder in die unmittelbar vom dortigen König besessene und ererbte Krondomäne und andererseits den Herrschaftsbereich der vom König abgegebenen neustrischen Mark, die von den Robertinern kontrolliert und zur Francia wird, später Ausgangspunkt für ein entstehendes Frankreich.

 

Um 900 stirbt Heribert I. und der zweite Heribert versucht, vom Erbe Soissons, Meaux und Vermand ausgehend, seine Herrschaft in alle Richtungen auszudehnen. Auf Sohn Albert fällt dann das Vermandois, auf Heribert ("den Älteren") fällt die Grafschaft Omois mit Château-Thierry, und auf Robert die Grafschaft Meaux. Im Vermandois setzen sich dann im Verlauf des Jahrhunderts Bischofsherrschaften durch. Der Mittelteil gerät unter die Herrschaft von Odo II. von Blois. Der Südteil kann Troyes dazu gewinnen.

 

Ein König ist so ein Fürst unter vielen, wird aber als Symbol eines Reichsgedankens akzeptiert. Anders als im Ostfrankenreich mit seinen Stammesherzogtümern sind westfränkische Fürstentümer dabei weniger ethnisch definiert.

Die Entwicklung lässt sich anhand der Münzen nachvollziehen. In der ersten Hälfte des 10. Jahrhunderts fügen die Fürsten auf ihren Münzen ihr Bild dem des Königs hinzu, von dem sich ihr Münzrecht ableitet. In der zweiten Hälfte des Jahrhunderts verschwindet dann das königliche Bild ganz. 

 

Um 910 gelingt es dem künftigen König Robert, Richard von Burgund und dem Grafen von Poitiers, den Normannen bei Chartres eine deutliche Niederlage zuzufügen. Der normannische Anführer Rollo denkt offenbar deshalb über Sesshaftigkeit für seine Scharen nach.

911 akzeptiert der westfränkische Herrscher die dauerhafte Ansiedlung der Normannen in der nunmehrigen Normandie in einer in Westfranzien eingegliederten Grafschaft. Das Grenzgebiet zwischen der Krondomäne und der Normandie, der pagus Veliocassinus, später Vexin, wird in einem Teil franzisch und in einem normannisch.  Ein Jahr nach der festen Ansiedlung lässt sich der Anführer Rollo mit einem Teil seines Gefolges taufen und lässt sich princeps nennen. 940 sind die städtischen Normannen bereits romanisiert, um 1000 sind sie es vollständig. Die Normannengefahr verschwindet nunmehr nach und nach von den Küsten. 

 

Bis 918 dehnt Balduin II. von Flandern, ein Enkel Karls ("des Kahlen"), sein Reich über Boulogne und das Artois mit Sint-Vaast sowie andere Regionen aus, und gerät darüber in Konflikt mit König Odo, den er zunächst unterstützt hatte. Er begründet so das in Zukunft mächtige Fürstentum Flandern.

 

898 wird Karl III. ("Simplex") König, nachdem er schon früher vergeblich danach gestrebt hat. 911 zieht er, der eine sächsische Hochadelige geheiratet hatte, nach Lotharingien, wo er von einem Reginar unterstützt wird, der sich gegen eine Oberhoheit Konrads von Ostfranken wendet. Dieser wird dann auch mit dem Titel eines lothringischen Marchio, Markgrafen belohnt. Monate später wird Konrad I. für das Ostreich gewählt. Aber nach Reginars Tod setzt Karl nicht dessen ältesten Sohn Giselher/Giselbert als Nachfolger ein, sondern will offenbar dort direkt herrschen (Werner, S. 481).

Mit dem Beginn sächsischen Königtums im Ostreich tritt darum Giselher auf dessen Seite über, und nun versucht sich Karl ("der Einfältige") nach seinen vorausgegangenen Erfolgen auch gegen Heinrich I. in einem Feldzug durchzusetzen, was scheitert und zum Frieden auf der Rheininsel bei Bonn vom November 921 führt, bei dem Karl dem Ostfranken den Titel eines Rex Francorum orientalium zugesteht. Lothringen ist nun beim Ostreich.

 

Das Westreich fühlt sich trotz seiner ganzen Zersplitterung als "eigentlicher" Nachfolger des alten Frankenreiches, ist aber mit dem Verlust Lotharingiens nun machtmäßig dem Ostreich deutlich unterlegen, was sich noch über anderthalb Jahrhunderte deutlich auswirken wird. Paris kontrollieren die Robertiner, wichtigster Stützpunkt des Königs ist Laon, daneben gibt es noch einige weitere karolingische Königspfalzen zwischen Compiègne, Laon und Reims auf die er sich stützen kann.

 

919 scheitert ein Aufgebot gegen die Ungarn, dem nur der Erzbischof von Reims nachkommt.

 

Karl III. kann sich nach dem Prestigeverlust um Lothringen nur noch daran machen, seine Francia zu konsolidieren und dort gegen den Adel die Königsmacht auszubauen. Dazu stützt er seit einiger Zeit Leute aus dem niederen Adel wie den Lothringer Hagano, den er zunehmend fördert. Als er seinem Günstling dann die traditionsreiche Abtei Chelles gegen einen Robertiner übergibt, findet sich der Vorwand für einen Aufstand von Hugo ("Magnus"), dem Sohn des Robertiners Robert I., den Heribert von Vermandois und andere westfränkische Große unterstützen. Sie machen Robert 922 für ein Jahr zum König, mit dem sich Heinrich I. darauf einigt, dass der Westfranke Lothringen erhalten soll. In der Entscheidungsschlacht 923 wird Robert allerdings getötet, während Karl III. in die Hände des Heribert gerät, der ihn für den Rest seines Lebens mit einem kurzen Zwischenspiel 927/28 als Druckmittel gegen Rudolf einkerkert. 

Roberts Sohn Hugo ("Magnus") erbt nun das Gebiet zwischen Seine und Loire, weil seit etwa hundert Jahren als Neustrien gilt, und erhält noch die Maine dazu. Ausgenommen ist das Gebiet der Loire-Normannen, welches diese von Robert erhalten hatten.

 

Nun wird 923 comes Rudolf, Sohn Richards ("Iustitiarius") von Burgund, ein Schwiegersohn Roberts, also Schwager Hugos, zum westfränkischen König gewählt, um die Bildung einer Dynastie zu verhindern (Brühl). Er wird von Ostfranzien aber nicht anerkannt. Hugo Magnus verzichtet, da er sonst seine vielen Grafschaften wie einst Odo hätte abgeben müssen, dafür aber keinen Verwandten findet. Karl III. ("der Einfältige") stirbt 929 und seine angelsächsische Gemahlin setzt sich mit Sohn Ludwig an den Hof ihres Vaters, des Königs von Wessex, ab. Rudolf wiederum übergibt den Markgrafentitel von Burgund und die Grafschaften an seinen Bruder ab. 

Seine Stellung wird auch wegen seiner vielen Aufenthalten in Burgund ständig von Heribert von Vermandois und dem Robertiner Hugo Magnus bedroht, was der Ostfranke Heinrich I. auf Begehren des unter Druck gesetzten Giselhers/Giselberts für die Rückgewinnung Lothringens nutzt. Der erhält dort die Herzogswürde und die Hand von Heinrichs Tochter Gerberga.

Im Süden braucht König Rudolf fast zehn Jahre um wenigstens die Huldigung von Aquitanien und der Gascogne zu erringen. Die Normannengefahr jenseits des Rollo-Reiches bleibt bestehen, und die Loire-Normannen können noch nicht unterworfen werden.

 

 

Heribert von Vermandois verschafft seinem fünfjährigen Sohn (!) die Erzbischofswürde von Reims und sich selbst die Verwaltung darüber, die ihm erhebliche Vasallenscharen zuführt. Damit wird die königliche Macht im Kern bedroht. Im Konflikt mit Rudolf geht er zu Heinrich I. über und entlässt Karl (III.) als Drohgebärde vorübergehend aus seiner Haft. Als Heribert dann auch noch Laon einnimmt und dem Robertiner zu mächtig wird, zieht dieser erfolgreich gegen ihn zu Felde. Im Auftrag Heinrichs verbündet sich Giselbert mit Hugo Magnus und Rudolf und sie nehmen Reims ein, setzen den kindlichen Erzbischof ab  und einen Artof ein. Als die Vernichtung des Vermandois-Fürstentums droht, greift Heinrich I. ein und sorgt 935 bei Ivois dafür, dass Heriberts vorherige Güter vom Robertiner zurückgegeben werden müssen. Derweil weitet Rudolf II. von Hochburgund sein Reich zwischen Basel und dem Mittelmeer aus, das spätere Arelat.

Derweil erweitert auch der Normannenherrscher sein Reich in Richtung Seine. 935 gelingt die Abwehr der Ungarn bei ihrem Raubzug nach dem Herzogtum Burgund nicht.

 

Das Westreich besitzt abgesehen vom Normannen-Prinzipat keine ethnisch und dadurch auch territorial klar definierte Fürstentümer, die darum ständig neu und in neuen Bündniskonstellationen um einen Machtbereich kämpfen. Von zentraler Bedeutung sind dabei die Kirchen und die Klöster, spätestens seit Karl Martell Verfügungsmasse der Könige und nun in die Hände der Fürsten und die von deren Vasallen übergegangen. Wie Reims zeigt, sind gerade zentrale Bischofssitze hart umkämpft, haben sie doch enorme Besitzungen und auf ihnen nicht nur landarbeitende Bevölkerung samt daraus abzuschöpfende Einkommen, sondern diese ernähren Vasallen, Kontingente von Panzerreitern. Aristokratische Bischöfe erliegen dabei einer recht weltlichen Lebensweise. 

Dasselbe gilt auch für die Äbte von Klöstern in adeliger Verfügung. Grafen (comites)  und Markgrafen, marchii und duces wie die Robertiner haben als Laien Abtsstellen inne und nennen sich dann abbas et comes zum Beispiel. Wilhelm von Aquitanien (886-918) nennt sich in Urkunden für Brioude selbst so und tritt damit als Laienabt auf. Das hindert ihn aber nicht, 910 als Stifter von Cluny dieses von aller weltlichen Kontrolle zu entziehen. Es ist Höllenangst, die ihn die besondere "geistliche" Qualität seiner Stiftung fördern lässt, in der nun "für alle Zeiten" um seine Erlösung von den Folterqualen des Sünders nach dem Tode gebetet werden wird. Von da an wird die Förderung eines Reformklosters nach cluniaszensischem Modell nicht nur eine Prestigehandlung hohen Adels, sondern auch Sache des "Seelenheils". Die von Cluny ausgehende Reform vertritt ohnehin nach außen "feudale" Strukturen und das Eigenkirchenwesen, so dass kein Widerspruch zu den weltlichen Machtstrukturen aufkommen kann.

 

Anfang 936 stirbt König Rudolf ohne männlichen Erben und der mächtige Hugo sorgt dafür, dass der inzwischen fünfzehnjährige Ludwig ("der Überseeische", Transmarinus) als Gegengewicht gegen Vermandois aus England geholt und in Laon zum König gesalbt wird. Unter diesem Ludwig IV. (936-54) steigt der Robertiner Hugo ("Magnus") bereits 936 zum Dux Francorum auf, einer Art Juniorpartnerschaft zum König, die 943 vertieft wird, und legt das zweite Fundament für das zukünftige Kapetinger-Königtum. Der Geschichtsschreiber Richer wird später leicht übertrieben Hugo als omnium Galliarum dux bezeichnen (in Ehlers, S.42). Im selben Jahr 936 beansprucht der Normannenfürst den Titel eines Markgrafen (marchio).

 

Die Familie der Robertiner sammelt inzwischen auch immer mehr Grafschaften ein und symbolträchtige Klöster und Stifte wie Saint-Denis und St-Martin in Tours. Schwerpunkt wird das Gebiet zwischen Seine und Loire. Dafür verlieren sie dann die Grafschaft Paris. Derweil ist der Einfluss König Ludwigs südlich der Loire minimal.

 

Schon im folgenden Jahr driftet Burgund in Richtung Ostfranken. Ludwig kann sich dann aber als König im Bündnis mit Reims und Burgund gegenüber Hugo behaupten. Als sich Giselbert der Opposition von Heinrich gegen seinen älteren Bruder Otto anschließt, erhofft sich Ludwig erneut den Gewinn Lothringens.   Otto I. schlägt die Aufständischen bei Andernach, und Giselbert stirbt dabei. 

Ludwig besiegelt nun seine Machtansprüche durch die Heirat mit Ottos I. Schwester und Giselhers/Giselberts Witwe Gerberga.

 

Nach dem Tod Rudolfs II. versucht Hugo von Arles durch Heirat seiner Witwe zum Erben von Rudolf zu werden. Aus Burgund kann er für sich Sens gegen Hugo (den Schwarzen")gewinnen. 937 versucht Hugo auch, seinen Sohn Lothar mit Adelheid, der Tochter von Rudolf II. von Burgund, zu verheiraten, was Otto I. zugunsten von Rudolfs Sohn Konrad verhindert. Otto kontrolliert damit in einer Art Oberhoheit für den Erben Konrad Burgund und Provence und heiratet zu diesem Zweck Rudolfs Witwe Adelheid.

937 verbündet sich König Ludwig mit Burgund gegen den Robertiner, dem er seinen Herzogtitel aberkennt, und den der erst 943 wiedererlangt. Hugo verstärkt darauf Verbindungen zu Otto I. und heiratet dessen Schwester. Wiederum unterstützt Ludwig nun den Aufstand der Herzöge Giselbert von Lothringen und Eberhard von Franken gegen Otto.

 

940 fällt Otto I. im Westreich ein und lässt sich von Hugo Magnus und          Heribert II. von Vermandois huldigen. Hugo Magnus verbündet sich gegen die steigende Macht Ludwigs mit Vermandois und stellt seinen Einfluss über Reims wieder her.

942 greift Otto I. in die Konflikte zwecks Machtausgleich zwischen beiden ein. 945 nehmen Normannen Ludwig gefangen und liefern ihn an Hugo aus. Für die Freilassung verlangt dieser die Übergabe von Laon. Diese Schwächung des Königs möchte Otto nicht hinnehmen und zieht mit einem Heer ins Westreich, wo er mit dem Heer Ludwigs Reims einnehmen kann.

 

948 sorgt er auf einer Synode zu Ingelheim für eine Stärkung der Position Ludwigs IV., indem er dem von Hugo Magnus und Heribert II. vertriebenen Bischof Artold von Reims sein Bistum wieder zukommen lässt, welches König Ludwig dann noch mit dem Grafentitel ausstattet, wie bald noch mehrere andere Bischöfe, die so zu im Westreich seltenen geistlichen Fürstentümern werden können. Bald danach wird Hugo exkommuniziert und Ludwig gewinnt auch Laon zurück.

 

König Ludwig IV. stirbt 954 wie so viele seiner Kollegen bei einem Jagdunfall. Im Westen und Süden mit Lothringen, seit 953 Herzogtum unter Ottos Bruder Bruno von Köln, (Ost)Burgund und Provence beherrscht Otto d. Gr. ein großes und mächtiges Reich, während sein westfränkischer Kollege König Lothar (954-86) sich, als er dreizehnjährig den Thron besteigt,  in seiner Krondomäne in Westfranzien von mächtigen Fürsten (principes) umgeben sieht.

In den 'Annales' des Flodoard für 954 heißt es: Der Knabe Lothar, der Sohn Ludwigs, wurde in Reims von Erzbischof Artold mit Zustimmung des Fürsten Hugo, des Erzbischofs Brun und weiterer Großer Franziens, Burgunds und Aquitaniens zum König gekrönt. Als Lohn für seine Unterstützung erhält Hugo die Lehnshoheit über Burgund und Aquitanien zu seiner reichlichen Machtfülle: Burgundia quoque et Aquitania Hugoni dantur ab ipso.

 

Nachdem der mächtige Hugo 956 verstirbt und die Witwe Vormund für die drei Kinder ist, ist Westfranzien stark unter ostfränkischem Einfluss, was Otto I. den Rücken frei macht für seine Italienpolitik. Hugo ("Capet"), Graf von Paris, Senlis, Dreux und Orléans, wird dabei immer mächtiger. Andererseits verweigert Lothar die Verleihung seiner nicht erblichen Herzogswürde (dux) an ihn bis 960, was dem König lebenslange Gegnerschaft einbringt. Der Robertiner verfügt in Neustrien direkt über rund zehn zentrale Grafschaften mit ihren Vasallen, Bistümern und Klöstern, eine ganze Anzahl weitere sind seine Vasallen als Vizegrafen. Hugo ("Magnus") jüngerer Sohn Otto (!) gelangt durch Heirat mit der Tochter Giselberts an das Herzogtum Burgund. Dies geht dann über an den jüngsten Bruder Heinrich, der von 965 bis 1002 direkt unter anderem Autun und Beaune beherrscht und von dem u.a. Chalons, Nevers und Mâcon lehnsabhängig sind.

 

Andererseits verselbständigen sich Graf Tebald von Blois und Graf Fulko von Anjou immer mehr. Tebald erobert Chartres und gewinnt das Vermandois-Erbe von Provins, Meaux und Troyes und gewinnt so ein aus Blois und Champagne entstehendes Fürstentum. Fulko Nera von Anjou wird sich 989 Graf von Gottes Gnaden nennen.

 

Inzwischen übernehmen die Fürsten die ganze Kontrolle über die Großen ihrer Reiche. Sie kontrollieren ebenso zunehmend wie Könige das Gerichtswesen wie das Militär, Steuern und Zölle, Münze und Befestigungswesen.

 

965 stirbt der Lothringerherzog Brun, Bruder Ottos I., der Lothringen in zwei Verwaltungseinheiten aufgeteilt hatte, und dann der Kaiser selbst. Unter Otto II. (973-83) macht sich (Hoch)Burgund unter Konrad unabhängiger und es kommt zu zunehmenden Konflikten des Kaisers  mit dem westfränkischen König (weiterhin Lothar), der Lothringen (altes Karolinger-Stammland) wieder mit Hilfe dortiger Großer unter seine Kontrolle bringen möchte. Die Söhne des 958 abgesetzten Grafen Reginar greifen 974 die kaiserlichen lothringischen Grafen im Hennegau an und erhalten dann Verstärkung unter anderem durch Lothars Bruder Karl. Der beschuldigt dann Königin Emma eines Verhältnisses mit dem Bischof von Laon und wird vom westfränkischen Hof vertrieben.

 

Im Gegenzug macht Otto, der sich militärisch nicht durchsetzen kann, die Söhne Reginars zu Grafen und Karl, inzwischen Gegenspieler Lothars, 977 zum Herzog von Niederlothringen, was dazu führt, dass Lothar 978 mit einem Heer Aachen plündert, während Otto zunächst von dort flieht, um danach allerdings das Weite zu suchen, verfolgt von Otto über Laon bis zum Montmartre-Hügel. Zunehmend macht sich ein westfränkisches Gemeinschaftsgefühl  breit, welches sich gegen das Ostreich richtet und von den westfränkischen Bischöfen unterstützt wird.

 

979 lässt Lothar dann Sohn Ludwig zum Mitkönig krönen. In der Folge kommt es zur erneuten Annäherung zwischen Otto II. und Lothar, der in Ivois vorläufig auf Lothringen verzichtet, was Hugo dazu bringt, seinerseits in Rom erneut das Bündnis mit Otto zu suchen. 

 

Der Herrschaftsbereich der Robertiner zerfällt aber mehr und mehr, indem Vizegrafen zu Grafen aufsteigen und sich dabei immer unabhängiger gebärden. Mit Anjou und Blois-Chartres entstehen Konkurrenten. Was den Königen seit Karl dem Kahlen im Westreich passiert ist, geschieht nun auch den Fürsten darunter. Ersatzweise nimmt die Kontrolle über wichtige Klöster zu. Robertiner waren Laienäbte in Saint-Martin (Tours), Saint-Aignan (Orléans), Saint-Denis und Saint-Germain (Paris) und sonstwo. In Saint-Martin ist es Odo, Sohn eines robertinischen Vasallen, der zweiter Abt von Cluny wird. Robertiner unterstützen an vorderster  Front die Ausbreitung dieser Reformbewegung. Als Grafen-Äbte hatten sie den Beinamen Capatus/Capetus erhalten, und die reformierten Klöster werden ihnen eine wichtige Stütze (Werner, S. 510) Laut Ehlers ist es die cappa, sein weiter mantelartiger Umhang, der Hugos Beinamen begründet.

 

Dem Schutz von Klöstern verpflichten sich Koalitionen aus weltlichem Adel und Geistlichkeit, für 936 ist ein solches Bündnis für das Chorherrenstift Brioude bezeugt.

Friedensversammlungen entstehen vielleicht auch aus einer Art Wallfahrt zu den Reliquien, die in der ersten Hälfte des 10. Jahrhunderts bei Synoden zusammengetragen werden, und deren Verehrung mit einem Ideal christlicher Brüderlichkeit verbunden wird und mit der Äußerung des Wunsches nach lokalem und regionalem Frieden. 

In der Auvergne kommt es 958 unter Anleitung des Bischofs zu einem Friedensschwur der milites der Diözese. 972 in Coler bei Aurillac, einberufen von den Bischöfen von Cahors und Périgueux. 975 beruft der Bischof von Le Puy so etwas ein für omnes milites et rustici seiner Diözese, wobei die Versammlung ein regelrechtes Friedensgelöbnis ablegt, welches das Fehdewesen des Adels einschränkt. Die zeitliche Spanne reicht dann bis zu dem großen Konzil von Clermont 1095. Neben solchen Versammlungen, die den Frieden beschwören, unter Androhung von Kirchenstrafen bis zur Exkommunikation beim Wortbruch kommt es zu einer weitverbreiteten Predigtbewegung für den irdischen Frieden. Für die Anfangszeit beschreibt das Raul Glaber in seinen Historien folgendermaßen:

 

Im Jahr tausend der Passion unseres Herrn begannen vor allem in den Gegenden von Aquitanien die Bischöfe, die Äbte und die anderen Leute, die er heiligen Religion ergeben waren, die Menschen in Versammlungen zu vereinen, zu denen man zahlreiche Körper der Heiligen brachte und unzählige Kästchen gefüllt mit Reliquien. Von dort, durch die Provinz von Arles, dann durch die von Lyon, und durch das ganze Burgund bis zu den entlegendsten Gegenden Frankreichs wurde verkündet, das in festgelegten Orten die Prälaten und die Großen aller Länder Versammlungen abhalten würden für die Wiedereinführung des Friedens und für die Einrichtung des heiligen Glaubens.

 

Es kommt dann zu Schwurgemeinschaften bei allgemeinen Konzilien wie der gut überlieferten vom Konzil von Charroux 989, die für bestimmte Tage, für Advent, die Fastenzeit einen Frieden beschwören und das Rauben und Töten untersagen. Hauptadressaten werden die Mitglieder der neuen Ritterschaft, es geht nicht um die großen Kriege der Fürsten, sondern die kleinen der faida und der werra (guerre, die Zeit der Wirren). Dabei werden vom Frieden allerdings gerechtfertigte Fehden ausgenommen wie auch Requisitionen (von Vieh) im offiziellen Kriegsfall. Es geht nicht generell um die Gewalt der militia, die nur christlich eingebunden werden soll, primär im Interesse von Kirche und Kloster.

 

Solche Bewegungen entspringen der Einflusslosigkeit der französischen Könige in diesem Raum. Sie stärken dabei die Macht der regionalen Fürsten, die dadurch die kleineren Adeligen besser unter ihre Kontrolle bekommen. Der Bruch des Friedens wird zunehmend mit harten Kirchenstrafen bedacht. Langsam steigert sich dieser Friedensgedanke von Katalonien aus zur Treuga Dei, zum Gottesfrieden von Mittwoch abend bis Montag früh.

 

Aus der kirchlichen erwächst die weltliche Friedensbewegung der Fürsten, aus der die ersten Ansätze eines neuen Staatsgedankens nach der Antike entstehen: Der Fürst ist für den Schutz der ihm Untergebenen zuständig, und dafür bedarf es des inneren Friedens und der Herrschaft des Rechts. In Flandern wird diese Einschränkung feudaler Rechte, „Freiheiten“, der „Friede des Grafen“ heißen.

Auf dem langen Weg zum „Nationalstaat“ ist der vom französischen König gegen die Vasallen in seiner Krondomäne durchgesetzte Friede als deren Teilentmachtung zugleich verbunden mit einem Aufschwung der königlichen Rechtsetzung und Rechtsprechung. Die Macht setzt den (inneren) Frieden und das Recht.

 

In der neuen Welle der Christianisierung des niederen Adels wird sich zugleich das Rittertum als eine Schicht entwickeln, die mehr als nur nackter Brutalität verpflichtet ist: Das Kriegertum wird veredelt, der Ritter soll im neuen Sinne des Wortes „ritterlich“ werden. Es ist die Zeit, in der der Abt von Cluny die christlichen Tugenden des ritterlichen Adeligen Gerald von Aurillac in seiner Biographie feiert.

 

Ein weiterer Aspekt dieser Friedensbewegung ist der zunehmende Schutz des Handels. Er führt insbesondere in der Champagne zum Aufschwung der Messen. Nicht zufällig entwickeln sich in derselben Zeit  die ersten Schwurgemeinschaften der städtischen „Kommunen“, die ebenfalls Friedensgemeinschaften sind.

 

983 stirbt Kaiser Otto II. Im Konflikt um seine Nachfolge seit seinem Tod in Süditalien unterstützt Lothar den Bayern Heinrich den Zänker. 984-1002 beherrscht Otto III. das Ostreich. Er ist 984 allerdings erst vier Jahre alt, was den westfränkischen König zu Angriffen auf Lothringen und zur Eroberung von Verdun einlädt.

Diese laufenden Übergriffe auf Lothringen, die seine Familieninteressen gefährden. beunruhigen den mächtigen Erzbischof Adalbero von Reims, der zur Familie der Herzöge von Oberlothringen gehört. Adalbero wechselt darum zur Unterstützung von Hugo Capet. Gerbert von Aurillac schreibt in einem seiner Briefe, Lothar sei nur dem Titel nach noch König, Hugo aber von seinen Taten und seinem Auftreten her (Lotharius Rex Franciae praelatus est solo nomine, Hugo vero non nomine, sed actu et opere). 

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Wegen seines Eintretens für lothringische Verwandte und indirekt für den Kaiser versucht König Lothar diesen Adalbero wegen Hochverrates anzuklagen. Aber 986 stirbt  der Karolinger Lothar. Der neue König, sein Sohn Ludwig V., verfolgt dieselbe Haltung wie sein Vorgänger gegenüber Lothringen. Er beruft für 987 eine neue Versammlung nach Compiègne, um Adalbero abzuurteilen. Ludwig stirbt kurz vorher im Mai kinderlos bei einem Jagdunfall, und nun kommt es mit der Rückendeckung aus dem Umfeld von Otto und unter Leitung von Adelbero von Reims 987 zur Wahl und Krönung von Hugo Capet statt des Karolingers Karl, gegen die sich nur der Graf von Vermandois und der Erzbischof von Sens wenden.

 

Im Geschichtsbuch des Mönches Richer von Reims äußert sich Adalbero folgendermaßen:

Wir übersehen nicht, dass Karl seine Anhänger hat, die erklären, dass er ein von seinen Eltern/Verwandten übertragenes Recht auf den Thron habe. Aber (…) den Thron erwirbt man nicht auf Grund von Erbrecht. (…) Man soll auf den Thron des Königsreiches denjenigen setzen, der sich durch körperlichen Adel und seine geistigen Qualitäten auszeichnet; den, den die Ehre empfiehlt und den seine Großmut unterstützt. (…) Karl hat seinen Kopf verloren, als er eine unehrenhafte Ehe mit einer Frau einging, die aus dem Kreis seiner Vasallen stammt (uxorem de militari ordine sibi imparem duxerit). Wie soll der mächtige dux es ertragen, von einer Königin regiert zu werden, die aus einer Vasallenfamilie stammt? (…) Gebt euch den dux als König, der ein Verteidiger sowohl des Staates wie eurer persönlichen Interessen ist.  (in: Audebert/Treffort, S.60)

 

Das Wahlkönigtum kannte ebenso wie in deutschen Landen kein geordnetes Verfahren. Hinter den Kulissen wurde vorher alles vorbereitet, und dabei waren im 10. Jahrhundert die Robertiner die mit Abstand einflussreichste Gruppe. Nachdem sie mit König Hugo als Kapetinger zum durchgängigen Königsgeschlecht werden, wird nach und nach dieses "Wahlrecht" der Großen ausgehöhlt, genau entgegengesetzt wie in Deutschland, und Schritt für Schritt durch das Erbrecht einer Familie ersetzt. 

 

König Hugo gibt als erste Geste Verdun an das Kaiserreich zurück. Sein als brutal berüchtigter Kontrahent, der Karolinger und Bruder Ludwigs V., Karl von Lothringen, kämpft mehrere Jahre vergeblich um das Königtum. Adalbero von Laon gelingt es mit einer Hinterlist, Karl in seine Hände zu bekommen. Hugo hält ihn darauf 991-92 gefangen, bis er kurz darauf in der Gefangenschaft stirbt.

"Die Krondomäne - d.h. die Summe aller königlichen Besitztitel, Herrschafts- und Gerichtsrechte; kein Territorium, sondern ein Kompetenzenblock - hatte ihre Schwerpunkte jetzt im Gebiet der Städte Orléans, Paris und Senlis aus robertinisch-capetingischer, Compiègne, Laon und Reims aus karolingischer Gerechtsame." (Ehlers, S.55)  Das bedeutet vor allem Grafschaftsrechte, Münzen, Kronbistümer, Klöster, große Grundherrschaften und dazu gehörige Vasallen als Krieger. 

 

Der neue König  hat nicht nur die Unterstützung von Erzbischof Adalbero und anderen nordfranzischen Prälaten, sondern auch die vom ottonischen Hof.  Er ist Schwager der Herzöge der Normandie und Oberlothringen sowie Ehemann der Schwester des Herzogs von Aquitanien. Dennoch ist seine Position zunächst recht schwach, und er eilt sich, noch Weihnachten desselben Jahres seinen ältesten Sohn Robert ebenfalls zum König salben zu lassen, jenen, der später Robert der Fromme (II.) wird. 1017 wird dieser seinen ältesten Sohn Hugo zum König machen: Das Geblütsrecht hat gesiegt.

 

Nominell sind diese Kapetinger Herrscher über das Westfrankenreich, so wie die Sachsenkönige über den ostfränkischen Teil. Aber während deren Hoheit über Alemannien und Bayern zwar mit geringer, aber zunehmender Machtvollkommenheit versehen ist, ist die der Kapetinger südlich der Îsle de France um Paris nichtig, wohin westfränkische Könige nur gelegentliche Kriegszüge unternehmen.

 

Unter König Hugo ("Capet") gelingt dem Markgrafen der Normandie der Aufstieg zum Herzog. 1007 ist dieser Titel dann dokumentiert,

 

Die Robertiner/Capetinger (vorläufig)

 

Laut Karl Ferdinand Werner gibt es hochrangige Vorfahren in Neustrien unter den Merowingern. Dann findet man sie als rheinfränkische Rupertiner zwischen Worms und Mainz. Darunter ist der Gründer der Abtei Lorsch und Bischof Chrodegang von Metz.

Mitte des 8. Jahrhunderts ist ein erster Robert Graf im Wormsgau

 

Ein Robert als Graf des Wormsgaus, verheiratet mit Waldrada von Orléans ist 825 königlicher missus für die Gegend von Mainz. Er gehört in das Umfeld der Ermentrude, erste Gemahlin von König Ludwig und steht in Beziehung zu der Familie der Grafen von Paris.

828 etabliert

838 schenkt ein Rubertus filius Ruberti zwei Hufen in Mettenheim bei Worms an das Kloster Lorsch. (K.F.Werner in: Guillot/Favreau, S.15)

 

Robert ("der Starke/Tapfere"), Rotbertus Fortis, wird in den ersten Jahrzehnten des neunten Jahrhunderts geboren, etwa gleichzeitig mit Karl ("dem Kahlen"). 

 

Robert stellt sich um 840 in den Dienst von Karl, der ihm dafür Besitzungen der Kirche von Reims gibt, die Bischof Hinkmar zurück erlangt, aber dabei feindselig gegenüber Robert bleibt, wie dann auch Richer, der Robert verächtlich behandelt.

 

Die Normannen, die im Sommer die Loire nicht befahren können, lassen sich an der Mündung nieder. Die Freien des Loiretals begeben sich unter den Schutz lokaler Herren. Es gibt keine dauernde königliche Armee, sondern nur eine immer wieder neu zusammengerufene, die käme aber immer zu spät für die normannischen Überfälle. Man zahlt ihnen also hohe Summen, damit sie abziehen, und schon alleine deswegen kommen sie immer wieder zurück.

 

Der König ist (selten) vom Ostreich bedroht, ansonsten mit der defacto - Selbständigkeit der Bretagne und Aquitaniens beschäftigt. Um die Bretonen auf seine Seite zu ziehen, gibt er ihnen Teile des Westens vom Anjou und Nantes sowie Rennes.

 

Roberts Verbündeter ist ein Odo, Cousin der Königin, der Graf von Angers wird und vom König dann nach Burgund geschickt wird. 852 macht Karl Robert zum Grafen des Anjou und der Touraine. Er wird Laienabt von Marmoutier. Dazu kommen bald noch die Grafschaften von Orléans und Blois. Als, wie Regino von Prüm sagt, dux, also militärischer Führer, soll er die Verteidigung der unteren Loire und des ganzen Neustrien bis zur Seine gegen die Normannen übernehmen. Dafür werden ihm die neustrischen Grafschaften untergeordnet.

 

Alard hat inzwischen St. Quentin, Echternach, Sint Vaast (Arras) und St.Maximin (Trier) erhalten und ist mächtiger Mann in Lotharingien.

 

Am königlichen Hof sind inzwischen Gegner von Robert stark. Robert, Odo und andere Gegner Hinkmars laden Ludwig ("den Deutschen") ins Westreich ein. Er verteilt von Toyes aus honores. Hinkmar und die Welfenpartei lassen Ludwig scheitern.

Robert wird im Westen durch Karls ältesten Sohn Ludwig ("den Stammler/Stotterer") ersetzt und geht mit Odo von Troyes als Rebell in die Bretagne.

860 kann Ludwig ("der Deutsche") erreichen, dass Alard seinen Enfluss in Lotharingien verliert. Der bietet darauf Karlmann, Sohn Ludwigs, seine Tochter an und stachelt ihn zum Aufstand gegen seinen Vater an. 861 kann Ludwig sie (ins Westreich) verbannen.

Weil Ludwig für die Verteidigung des Westens nicht taugt, wird Alard im Norden und Robert im Westen wieder gegen die "Dänen" eingesetzt, die schon seit wenigstens einem Jahr an der Loiremündung hausen. Robert bekommt alle seine honores zurück. Die Welfen verlassen das Westreich in das transjuranische Burgund und das Ostreich.

863 wird den Bretonen ein Teil des Anjou übergeben. 865 wird Robert nach Burgund geschickt und Ludwig ("der Stammler") erhält zumindest Teile der robertinischen Rechte. 866 wird dann Robert wieder komplett eingesetzt und erhält zudem St.Martin von Tours, wovon er seine Vasallen ausstattet. Die Robertiner kontrollieren seitdem u.a. als Laienäbte Klöster, Bischöfe und Kanoniker. ("Les centres des nouvelles principautés nées à la fin du neuvième et au début du dixième ont été les grandes abbayes, et le nouveau princeps a été en premier lieu un "abbé". K.F.Werner in: Guillot/Favreau, S.34)

Herrschaft über der neuartige Fürst über seine Klöster, über seine eigenen Gradschaften durch Vizegrafen, Vasallen des Grafen. Diese stammen oft aus der gräflichen Familie und übertreffen bald in ihrer Region königliche Vasallen. Vasallität unter dem Fürsten wird bald erblich und schafft sich eigene Vasallen. Auf die Dauer können einzelne Vizegrafen beim Aufstieg des Fürsten Grafen werden. Darunter ist der Kriegeradel, der, so er noch kein Kloster hat, anfängt, in Richtung auf das Millennium selbst eins oder wenigstens ein Priorat zu gründen. Bei diesem und der benachbarten Burg entstehen dann neue burgi. Darunter sind die Krieger-Reiter, die nicht in diesen Adel aufsteigen.

 

866 plündern Normannen zusammen mit den Bretonen Le Mans. Robert und der Graf von Poitiers sterben bei ihrer Verfolgung.

 

Die Kinder Roberts sind sehr jung, und der Welfe Hugo ("der Abt"), ein Kleriker, erhält das ganze honores-Erbe. Als Geistlicher kann er keine legitimen Erben haben. 876 ist Odo, Sohn Roberts, zusammen mit seinem Onkel Mengoz/Megingoz im Rheinland, um aus dem gemeinsamen Erbe von Rubertus filius Ruberti eine gemeinsame Schenkung an das Kloster Lorsch zu machen.

884 ist Robert, der jüngste Sohn Odos, Graf in Lothringen unter Karl ("dem Dicken").

 

886 erhält Odo, der älteste Sohn Roberts, nach dem Tod Hugos ("des Abtles") das Erbe und verteidigt Paris.

888 wird Odo König und bleibt es bis zu seinem Tod 898.

Megingoz II. vermittelt ein Treffen seines Onkels Odo mit König Arnulf, der ihm eine Krone schenkt, mit der er zum zweiten Mal gekrönt wird. Er unterstützt 887 auch, dass Lothringen an Arnulf fällt. 893 übergibt Arnulf seinem vorehelichen Sohn Zwentibold das vereinte Königreich Lothringen. Gegen Odo und Mengingoz wenden sich die lothringischen Grafen Gerhard und Matfrid, zwei Brüder. Erzbischof Fulko von Reims und Graf Heribert machen gegen Odo Karl ("den Einfältigen") zum König, den Arnulf anerkennt. Als Megingoz ermordet wird, gibt Arnulf einige seiner honores an Zwentibold. Regino von Prüm wird nach Trier vertrieben, wo er unter dem Schutz der Konradiner seine Chronik schreibt. Inzwischen ist Zwentibold von lothringischen Großen abgesetzt, die König Ludwig huldigen.

 

898 übergibt Karl ("der Einfältige")  nach dem Tod Odos Robert den ducatus.

913 übergint Karl zu Lebzeiten seines Vaters Robert dem Sohn Hugo alle seine väterlichen honores. Die Kontinuität verfestigt die Beziehung der Vasallen zu den Robertinern.

 

922 wird Robert, der jüngste Sohn Odos, für ein knappes Jahr (Gegen)König gegen Karl ("den Einfältigen"). Er stirbt 923 im Kampf gegen Karl bei Soissons, Sohn Hugo verzichtet auf die Krone und Schwager Rudolf von Burgund wird König. Hugo übernimmt das Robertinererbe und bekommt von Rudolf dazu die Maine.

Ab 927 kämpft er mit König Rudolf gegen seinen wichtigsten Konkurrenten Heribert II. von Vermandois

 

936 unterstützt Hugo ("Magnus", also der Ältere) den ultramarinen Ludwig als König, den er von Boulogne bis zur Krönung in Laon begleitet. Ab 936 ist er dux Francorum, ein eigens für ihn geschaffener Titel. Ludwig unterstützt ihn im Kampf gegen Hugo ("den Schwarzen"), dem Hugo u.a. Sens entreißt.

Bald verbündet sich Ludwig aber mit Hochadel gegen Hugos Übermacht, während der nun im Bund mit Vermandois steht und Ottos ("des Großen") Schwester Hadwig zwecks Bündnis heiratet. Als Giselbert von Lothringen und Eberhard von Franken gegen Otto rebellieren, unterstützt Ludwig diese, worauf Otto in Westfranzien einzieht und sich von Hugo und Heribert II. huldigen lässt. Als diese aber zu stark werden, organisiert Otto an der Maas ein Treffen zwischen Ludwig und Hugo, die sich einigen müssen. 946 nehmen Normannen Ludwig gefangen und liefern ihn an Hugo aus, der sich für die Freilassung Laon einhandelt.

Weitere Konflikte dauern bis 950, (948 Synode von Ingelheim), als ein durch Opposition anderer Großer gechwächter Hugo Laon zurückgibt.

954 stirbt Ludwig und Hugo unterstützt Lothar, der ihm dafür die Oberhoheit über Burgund und Aquitanien zuteilt, wobei er letzteres nicht unterwerfen kann.

956 stirbt Hugo.

960-87 ist Hugo Capet dux Francorum

 

Aquitanien: Die Wilhelmiden

 

Der Westen Franzien zerfällt im späten Merowingerreich in einen Flickenteppich von Herrschaften, die von befestigten Plätzen aus mit Waffengewalt kontrolliert werden.

Eine Familie zeichnet sich durch besondere Treue gegenüber den Karolingern aus und steigt darüber auf. (Cantarella, S.16ff) Da ist unter Pippin ein Graf Theoderich von Autun, der wohl eine Tochter von Karl Martell heiratet. Sohn Wilhelm von Gellone kämpft immer wieder gegen die "Araber" und bekommt von Karl d.Gr. um 790 die Grafschaft Toulouse, nachdem der bisherige Graf abgesetzt wurde, und kurzzeitig die von ihm zusammen mit Ludwig eroberte Spanische Mark anvertraut. 804 gründet er das Kloster Gellone (später seit seiner Heiligsprechung im 11. Jahrhundert: Saint-Guilhem-le-Désert), wo er Mönche aus Aniane ansiedelt. Er soll am Ende Einsiedler in der Nähe des Klosters gewesen sein.

 

Sohn Bernhard von Septimanien ist Teil einer klassischen Oberschicht-Familie: Ein Bruder ist Graf von Roussillon, ein anderer vom Vivarais, ein dritter von Autun, und ein vierter Abt von Gellone.

Er bekommt von Ludwig ("dem Frommen") um 826 die Grafschaft Barcelona dazu.

 
Bernhard heiratet 824 in der Pfalzkapelle zu Aachen Dhuoda, deren Schrift zur Erziehung ihrer abwesenden Söhne (842-43) erhalten geblieben ist und sieht seine Gemahlin selten, vielleicht zum letzten Mal kurz vor der Schlacht von Fontenoy, als in Uzès Sohn Bernhard gezeugt wird. (siehe Anhang 9 und 10). 

829-30 ist er am kaiserlichen Hof, wird Kämmerer und Erzieher von Karl ("dem Kahlen"), mischt dann in den Bruderkriegen mit. Er fällt 830 in Ungnade, unter anderem, weil ihm Ehebruch mit Kaiserin Judith vorgeworfen wird, und er unterstützt nun Pippin gegen seinen Vater. Um 832 wird er von Truppen Berengars bedrängt und verliert, nachdem Pippin nach Trier verbannt ist, seine Besitzungen. Nach dem Tod Berengars erhält er 835 fast alle seine Titel bzw. Besitzungen zurück.

842/43 rebelliert er erneut, nun mit Pippin II. Er wird 844 gefangen genommen und von Karl wegen Hochverrats hingerichtet. Sohn Wilhelm kämpft nun mit Pippin II. gegen König Karl und wird vier Jahre nach seinem Vater getötet, als er in den Fußstapfen des Vaters für Pippin den Jüngeren Aquitaniens Selbständigkeit gegen den König vertritt.

 

Sohn Bernhard ("Plantevelue") schafft es, den Kernbesitz zu erhalten bzw. wieder zu erlangen. Er bekommt von Karl dem Kahlen Toulouse bestätigt, und dazu die Grafschaften von Razès, Rouerge, der Auvergne und von Limoges. In den Sechzigern wird er Graf von Autun, verliert dann aber als Rebell fast alle seine honores. Um 870 ist er wieder bei Hofe und gewinnt vieles davon zurück, bald auch die Grafschaft Auvergne, sein neues Machtzentrum. 872 ermordet er den Grafen von Toulouse und wird vom König als dessen Nachfolger eingesetzt. Später unterstützt er den Sohn Karls des Kahlen, Ludwig den Stammler, der 877 dessen Nachfolger wird. Für ihn bekämpft er den Markgrafen von Gothien und wird dessen Nachfolger. Dazu erhält er das Berry.

In die Aquitaine teilt sich mit ihm der Graf von Poitou, der sich ebenfalls marchio nennt.

 

Danach unterstützt er 879 Ludwigs Söhne Ludwig III. und Karlmann, der unter anderem in der Reichsteilung von Amiens 880 Aquitanien erhält. Als Dank dafür, dass er gegen Boso von Vienne kämpft, der sich zum König aufgeschwungen hat, bekommt er noch die Grafschaften von Bourges und Mâcon dazu. Danach ist er auf der Seite von Kaiser Karl dem Dicken zu finden, der ihm die Grafschaft Lyon überlässt. Mit Bernhards Tod verlieren die Wolhelmiden Toulouse.

 

886 erbt Wilhelm ("der Fromme") die ganze Reihe von Grafschaften von der Loire bis zu den Pyrenäen. 888 lässt sich Odo zum König krönen. Die Ehefrau von Wilhelm ist Ingelberg(a), Tochter von Boso, der sich 897 als König der Provence bezeichnet. (Cantarella, S.17)

 

892, nach dem Tod von Ramnulf, Graf von Poitiers, rebellieren Söhne von ihm, als Odo seinem Verwandten Adhemar die Grafschaft übergibt. Nachdem die Brüder besiegt und getötet sind, lehnt Odo dann in Poitiers Adhemar ab und setzt Bruder Robert ein. Darauf bemächti sich Adhemar der Stadt.

893 begibt sich Wilhelm in ein Bündnis mit dem Grafen von Autun und König Odo gegen den jungen, gerade von Fulko von Reims zum König geweihten Karl den Einfältigen, wofür er Saint-Julien de Brioude im Bereich der Diözese von Autun  als Eigenkloster erhält und dort Laienabt wird. Der Graf der Auvergne, Markgraf von Gothien und Abt nennt sich nun comes et marchio und dux.

Genauso aus Dank vergibt der König St.Germain von Auxerre an den Grafen Richard von Autun.

Der bisherige Brioude leitende Bischof von Autun, Adalgarius, wird nun Erzkanzler von Odo. Er ist liiert mit den Ramnulf-Söhnen, die im Machtkampf verloren haben. (Guillot/Favreau, S.83) Als ein Ramnulf-Sohn 902 die Grafschaft Poitiers zurückgewinnt, ist er nur Graf.

 

St.Julien von Brioude ist neben St.Martin von Tours wichtigstes aquitanisches Heiligtum und ebenfalls Wallfahrtsort.

 

Seit 893 ist die Einflussmöglichkeit der Könige auf Aquitanien gering. Odo stirbt 898 und Karl ("der Einfältige"), nunmehr erwachsen, wird erneut u.a. von Wilhelm, Robert (Neustrien) und Richard ("Iustitiarius", Burgund) inthronisiert, die für den Annalisten von Sint-Vaast gleichgewichtig sind. Wilhelm taucht 898 als dux auf, und 901 als princeps. Er hat potestas und kann nicht nur Vizegrafen einsetzen, sondern Grafen als Vasallen halten.

 

Ludwig der Stammler hatte 878 Boso als dux bezeichnet. Als dieser einen Königstitel usurpiert, gibt es keine königlichen dux-Benennungen mehr, weil damit königsgleiche Aspirationen verbunden werden. Die Könige nennen denn auch Wilhelm nicht Herzog, auch wenn sie seine fürstliche Machtstellung akzeptieren müssen. Als sich Wilhelm um 898 mit Engilberga, der Tochter Bosos verheiratet, nennt er sich zum ersten mal dux. Einen Sohn nennt er dann auch Boso.

 

909 nennt Wilhelm sich Aquitanorum dux atque marchio. (Guillot/Favreau, S.71)

910, in der Gründungsurkunde für Cluny,nennt Wilhelm sich dono Dei comes et dux. Er drückt seine Dankbarkeit und Treue für seinen schon lange verstorbenen Herrn (senior) Odo aus und nicht für den aktuellen König.

Herrschaft übt Wilhelm aus, indem er mit bewaffnetem Gefolge herumreist, sich bei öffentlichen Auftritten mit (seinen) Bischöfen umgibt und in seinen einzelnen Herrschaften Gericht hält, Schenkungen macht, Streitigkeiten schlichtet und kriegerische Auseinandersetzungen führt.

 

912-14 hat Wilhelm Schwierigkeiten, sich im Berry zu halten.

 

918 stirbt Wilhelm. Sohn Wilhelm ("der Junge") übernimmt die Titel des Vaters, verliert aber 926 Gothien, welches an die Grafen von Toulouse fällt.

um 920 werden von St.Julien de Brioude Denare gemünzt.

 

England im 10. Jahrhundert

 

Alfreds Nachfolger Edward (um 900-924) kann dann weiterhin ganz Südengland unter sich vereinen und die Dänen in Kriegen besiegen. Diese verwandeln sich immer mehr von Kriegern in Bauern, übernehmen das englische Christentum und werden nach und nach - nunmehr als Engländer - in das Reich integriert. Am Ende gelingt es Edward vielleicht sogar, die Schotten unter seine nominelle Oberhoheit zu zwingen.

 

Mit König Aethelstan beginnt 936 eine Bewegung in Richtung Cornwall. Er nennt sich Rex totius Britanniae, besitzt aber nur eine lockere Oberhoheit über Wales und Schottland. Immerhin kann er Northumbria erobern und an England angliedern. Zentrum seiner Herrschaft wird offenbar Winchester, wo sich eine königliche Kanzlei etabliert.

 

Insgesamt befindet sich das Angelsachsengebiet im weiteren 10. Jahrhundert zunächst unter König Edgar in einer Phase innerer Stabilität. "Außer im königlichen Auftrag wurden Burgen nicht gebaut; Burgherrschaft spielte ebenso wenig eine Rolle wie die Privatisierung der Justiz oder sonstiger Aspekte der öffentlichen Gewalt." (T. Reuter in: Ottonische Neuanfänge, S.131)

 

Das Königreich Wessex führt unter Alfred the Great an Karls d.Gr. Praxis angelehnte Strukturen einer Grafschafts"verfassung" (shires) ein und lässt diese Grafschaften von königlichen Beamten, sheriffs, mit gerichtlichen Funktionen und solchen des Heeresaufgebotes verwalten. "Der König verfügte über ein dichtes und für diese Zeit erstaunlich homogenes Netz von Institutionen - darunter auch beamtenähnliche Zwischeninstanzen - und er beanspruchte unbestritten das Recht auf soziale und rechtliche Kontrolle aller Gesellschaftsebenen, unter anderem durch Gesetzgebung." (T.Reuter in s.o.) Unter König Edmund ist von ein allgemeiner Untertaneneid wie dem für Karl.d.Gr. die Rede. Nicht nur auf Lehen, sondern auf allem Land scheint die Verpflichtung zu lasten, für den König in den Krieg zu ziehen oder das durch eine Abgabe abzulösen. Zentraler Königssitz wird wohl im 10. Jahrhundert Winchester.

 
Es gibt, sehr schematisch dargestellt, Herren auf ihrem Landgut - mit ihnen verpflichteten und zunächst ansonsten noch freien Bauern. Dabei wird aus „adeligen“ Kriegern, altenglisch und altdeutsch aethelingen, bodenständigerer Adel, der fest auf seinem Land haust. Im Lateinischen heißt „bleiben“ manere, und so wird sein Anwesen zum manor. Dabei gelingt es diesem Adeligen, die germanische Volks-Gerichtsbarkeit über die von ihm immer Abhängigeren betreffs der Angelegenheiten seines Bereiches an sich zu ziehen in (neuenglisch) manorial courts, und weil seine Vorfahren die Pfarreien gestiftet haben, setzt er auch die Pfarrer ein und kontrolliert das „geistliche“ Leben dort.

 
In diesem Prozess werden nicht nur die Begriffe für „Bauer“ (altenglisch wie altdeutsch wird dazu: gebur) immer weiter abgewertet, ganz langsam wird auch folk zur Bezeichnung der „minderwertigen“ Mehrheit der Bevölkerung. Tatsächlich wird überhaupt das „Volk“ nun ganz langsam zur „Bevölkerung“, bis dann am Ende des Mittelalters dafür das englische Wort vom lateinischen populus (dem deutschen abwertenden „Pöbel“) als population entlehnt wird. Auch das ist Zivilisierung. 

Am Anfang stehen die römischen Latifundien. Darüber setzen die Angelsachsen die erbliche Schicht der Degen (thegn), die Grundbesitz erhalten gegen Abgaben und manchmal Waffendienst. Ihnen sind die unfreien wie die freien Bauern zugeordnet, die sich in diese Form der Grundherrschaft einfügen müssen.

Es ist von Lehen (laen) die Rede, die in lateinischen Texten precaria heißen.

 
Andererseits bleiben in England ganze Regionen erhalten, in denen freie Bauern Dorfgemeinschaften bilden. Ihr Zentrum bildet der Dorfanger mit der Kirche und gemeinsamen Einrichtungen, auf Versammlungen wurde über gemeinsame Belange entschieden, und das dörfliche Gericht übernahm die Aufgabe der grundherrlichen Verwaltung. (Sarnowsky, S.72).

Dies im Unterschied zu Deutschland, wo eine solche Dorfgemeinschaft wohl erst im Hochmittelalter auftaucht.

 

Ab 980 greifen wieder Wikingerschiffe aus Norwegen an, nunmehr unter Führung normannischer Könige, die man sich mit Trubutzahlungen vom Leib hält. Dazu führt König Aethelred (978-1016) das Danegeld als eine Art Grundsteuer ein. 991 läuft das fast 4.000 Pfund Silber auf, drei Jahre später zu über 7.000 Pfund. 1012 sollen es 22 Tonnen gewesen sein.Der König heiratet schon 1002 eine normannische Herzogstochter Emma in der Hoffnung auf Unterstützung gegen die Wikinger.

 

1013 wird England vom Dänenkönig Sven Gabelbart überfallen und Aethelred flieht in die Normandie, wo er 1016 stirbt. Kurz darauf hat Svens Sohn Knut der Große England soweit erobert, dass er dort zum König gekrönt wird.