ANHANG 19: DAS NORMANNENREICH IN SÜDITALIEN UND SPANIEN IN DER RECONQUISTA (11./12.Jh.)

 

Süditalien: Die Söhne Tankreds

Insel-Sizilien

Das sizilische Königreich

Spanien in den Kernzeiten der Reconquista (11-12.Jh.)

Saladin

 

 

Süditalien: Die Söhne Tankreds

 

Es gibt zwei verschiedene Gründungsmythen der Normannenherrschaft in Süditalien. Den ersten erzählt Wilhelm von Apulien Ende des 11. Jahrhunderts. Danach sind über 40 Normannen auf der Rückreise von einer Pilgerfahrt nach Jerusalem 1016 beim Heiligtum vom Monte Sant'Angelo vorbeigekommen, wo sie auf den Langobarden Melus treffen, dessen Aufstand gegen die Byzantiner gerade gescheitert war.

 

Bei dem Mönch Amatus hingegen kommen die Pilger direkt nach Salerno, und helfen dem dortigen Fürsten Gaimar, die Sarazenen zu vertreiben. Danach versprechen sie ihm, mit mehr Leuten wiederzukommen.

 

Inzwischen hatte der byzantinische Gouverneur, Catapan Boiannes, die Lombarden wieder einmal unterworfen und mit Troia eine Art apulische Zwingburg gebaut. In diesen Jahren strömen immer mehr Normannentrupps in Süditalien ein und kämpfen als Söldner für unterschiedliche Herren. Der Papst, der sich von den Byzantinern bedroht fühlt, ruft Heinrich II. um Hilfe. Ein Flügel des Heeres stößt nach Capua und Salerno vor, dann scheitert die Eroberung von Troia an normannischen Kriegern, Heinrichs Heer kehrt nach Pavia zurück.

 

1017 gelangt der nach kriegerischer Beute strebende Rainulf I. Drengot aus Les Carreaux jedenfalls mit einigen Brüdern nach Süditalien und verdingt sich bei verschiedenen Fürsten. Abwechselnd dient er so den Fürsten von Salerno und denen von Capua wie auch dem unter byzantinischer Oberhoheit stehenden Herzog von Neapel.

1029 setzt ein Normannentrupp unter Rainulf den von Pandulf von Capua vertriebenen Sergius von Neapel (einer immer noch griechischen Stadt) wieder ein. Der schenkt ihm dafür die Grafschaft Aversa zwischen Neapel und Capua und seine Schwester als Gemahlin. Dies ist die erste Normannenherrschaft in Süditalien, die Kaiser Konrad II. 1038 bestätigt.

 

Als der mächtigere Pandulf ihm nach dem Tod der Frau eine Nichte anbietet, kommt es zum Bündnis mit ihm. Derweil steigt Capua zur Vormacht auf.

 

Um 1030/35 machen sich mindestens zwei der wohl 12 Söhne eines niedrigen Adeligen namens Tankred aus Hauteville bei Coutances in der Normandie ebenfalls nach Süditalien auf. Den Besitz hatte Tankred an seinen viertältesten Sohn übertragen. Sie gelangen zu Rainulf in Aversa. Inzwischen wendet sich der gleichnamige Sohn und Nachfolger von Gaimar von Salerno mit der Bitte um Unterstützung an Konrad II., der schon in Norditalien ist. Der vertreibt Pandulf und setzt Gaimar in Capua ein. Konrad verleiht außerdem 1038 Rainulf von Aversa den Grafentitel.

 

1035 ruft einer der zerstrittenen Emire von Sizilien Byzanz um Hilfe. Die byzantinische Flotte segelt über Salerno und nimmt dort Hilfstruppen auf, darunter drei Söhne Tankreds. Die Expedition scheitert allerdings dann zwischen 1038 und 1042 an innerbyzantinischen Wirren. Die Tankredsöhne wenden sich nun vorrangig Apulien zu.

Nach und nach erobern sie, namentlich Wilhelm ("Eisenarm") und Drogo, immer größere Gebiete Apuliens und Kalabriens. Schon 1042 wird Wilhelm zum comes der Normannen ausgerufen. Sein Nachfolger wird Bruder Drogo, den 1047 Kaiser Heinrich III. als Vasall mit dem Titel eines Herzogs von Apulien und Kalabrien anerkennt. 1051 wird Drogo con aufständischen Byzantinern ermordet und von seinem Bruder Humfred abgelöst.

Derweil hat in Aversa Richard I. ("Quarrel") die Herrschaft angetreten, der gerade erst aus Les Carreaux angekommen war und dann kurz unter Humfred (von Hauteville) gedient hat.

Papst Leo IX. nimmt die Übergriffe der Normannen auf das päpstliche Benevent nicht mehr hin und zieht mit einem Heer nach Süden. 1053 wird er bei Civitate vom vereinten Heer von Richard und Humfred geschlagen und muss nach einjähriger Gefangenschaft in Benevent die normannische Herrschaft anerkennen. Die neueroberten Gebiete werden zwei seiner Brüdern als Grafschaften übergeben.

Der Hauteville Robert "Guiskard" (Schlaukopf oder: der Verschlagene) unterwirft kurz nach seiner Ankunft 1046/47 stattliche Teile Kalabriens und nimmt an der Schlacht von Civitate teil. Es gelingt ihm, zum wichtigsten Anführer der Normannen und 1057 zum Nachfolger von Humfred zu werden.

Richard von Aversa erobert derweil das Fürstentum Capua und weitere Grafschaften, aus denen er langobardische Adelige vertreibt.

1057/59 erobert Robert Kalabrien und wird 1059 in Reggio von seinem Heer zum Herzog von Apulien ausgerufen. Robert erhält seine Territorien von Nikolaus II. mit dem Titel eines dux Apulie et Calabrie et (…) futurus Sicilie samt Melfi und dem erst noch zu erobernden Sizilien als Lehen, nachdem er dem Papst die Treue schwört. Das verpflichtet ihn auch in eigenem Interesse zur Rechristianisierung und Relatinisierung Süditaliens. Zugleich erklärt der Papst Richard zum Fürsten von Capua. Damit bleiben die beiden Herren Süditaliens aber Konkurrenten.

 

Robert gelingt es in der Folge, 1071 Bari den Byzantinern abzunehmen und das letzte langobardische Fürstentum Salerno zu erobern, während sein jüngster Bruder Roger I., erst kürzlich in Süditalien eingetroffen, mit der Eroberung Siziliens beauftragt wird.

 

Insel-Sizilien

 

Sizilien wird im 9. Jahrhundert von den über Ifriqiya im heutigen Tunesien herrschenden Aglabiden erobert. Im 10. Jahrhundert werden sie von den schiitischen Fatimiden vertrieben, die 916 Mahdia gründen (al-Mahdiyya). 969 erobern sie Ägypten, gründen 973 Kairo als Hauptstadt, worauf Ifriqiya und Sizilien von Emiren verwaltet werden. In Palermo entsteht ab 947 das Emirat der Dynastie der Kalbiden, die dann versuchen, sich auch in Kalabrien und punktuell in Apulien auszubreiten.

Nach "dem Bericht eines arabischen Reisenden vom Jahr 972 soll es in der nordsizilischen Stadt über 300 Moscheen gegeben haben, von denen die größte 7000 Gläubige faßte. Schätzungen für die gesamte Einwohnerschaft der Hauptstadt gehen auf 100 000." (Borgolte, S.192)

 

"Unter den Römern und Byzantinern war Sizilien nur eine periphere Provinz, die hauptsächlich Getreide produzierte. Nach der Eroberung durch die Araber im 9. Jahrhundert wurde die Landwirtschaft intensiviert. ... Terrassen und Kanäle zur Bewässerung, Düngung des Bodens, Wechsel in der Fruchtfolge. Die bereits unter den Byzantinern reduzierten Latifundien wurden weiter aufgeteilt." (Houben, S.13) Wohl eine halbe Million Bauern erhalten so Land. Mit der Bewässerung werden Maulbeerbäume, Dattelpalmen, Pistazien, Sumach, Indigo und Baumwolle angebaut. Weitere Exportgüter werden Henna und Kajal werden.

 

Zusätzlich zum seit der Antike üblichen Getreide baut man Reis, Baumwolle, Papyrus, Zitronen, Limonen und Datteln sowie Zuckerrohr an. Die luxuriösen Farbstoffe Safran, Henna und Indigo werden hergestellt. Die handwerkliche Herstellung von Seiden- und Baumwollstoffen verbreitet sich.

 

Die Ausbreitung des Islams erfolgt mit relativ sanftem Druck. Sondersteuern für die Nicht-Muslime sind nicht besonders hoch, aber doch für die Unterschichten beachtlich genug, um als Anreiz zum Übertritt zum Islam zu dienen.

Der Westen mit Palermo ist vollständig islamisiert, der Südosten mit Catania überwiegend, der Nordosten mit Messina besitzt im Inland noch griechisch-orthodoxe Gemeinden. Zwischen Arabern und Berbern, Sunniten und Schiiten brechen derweil aber immer wieder neue Konflikte auf.

 

Zwischen 1038 und 1042 unternimmt Ostrom einen Versuch, die Insel mit einer Söldnerarmee aus Angehörigen vieler Völkerschaften von Griechen und  Warägern bis zu Langobarden und Normannen von Messina aus zurückzuerobern, was in der Osthälfte auch gelingt, bis sich die Vielvölker-Armee dann zerstreitet und darum aufgibt.

 

1061 beginnt Roger die vom Papst angeregte Eroberung Si

ziliens im Auftrag von Robert Guiskard. Sie wird insgesamt rund dreißig Jahre dauern. In Gaufredus Malaterras Tatenbericht von Roger und Robert steht dazu: Als Roger nach der Eroberung von Kalabrien mit seinem Bruder in Reggio weilte, hörte er, dass Sizilien in der Hand der Ungläubigen sei. Es war nur durch ein kurzes Stück Meer vom Festland getrennt, so dass man hinübersehen konnte. Da Roger stets Hunger nach Macht hatte, wurde in ihm der Wunsch wach, die Insel zu erobern. Ein solches Unternehmen schien ihm von doppeltem Nutzen: für seine Seele, denn er würde die dem Götzendienst ausgelieferte Insel zur Verehrung des wahren Gottes zurückführen; für seinen Körper, denn er erwürbe so die Früchte und Einkünfte des Landes, die die Ungläubigen usurpiert hatten. (De rebus gestis II,1 in:Houben, S.15f)

 

Als erstes wird in zwei Anläufen Messina erobert mit seiner deutlichen Mehrheit von Muslimen, was im Bündnis mit einem Emir von Catania und Syrakus gelingt, der im Streit mit dem Emir von Enna (Castrogiovanni) liegt. Von dort aus zieht Roger nach Troina, von wo aus er mit wechselndem Erfolg Eroberungszüge unternimmt.

 

Parallel dazu erobern Normannen 1062 Capua. Die Schwäche von Byzanz erweist sich daran, dass Robert Guiskard nun mit Hilfe von Roger nach dreijähriger Belagerung 1071 auch die letzte apulische Bastion Bari einnehmen kann. Darauf geht Roger zurück nach Sizilien. 1071 fällt Catania, Anfang 1072 Palermo in die Hand der Normannen, die damals wohl nach Corboba größte europäische Stadt jenseits von Byzanz mit irgendwo zwischen 100 000 und     200 000 Einwohnern, einem beachtlichen Wohlstand und einer islamischen Zivilisation, die der der lateinischen Christen immer noch überlegen ist.

 

Mit erheblicher Besteuerung und der regelmäßigen Aushebung eines stehenden Heeres sowie religiöser Toleranz für Muslime, lateinische und griechische Christen beginnen die Normannen die Entwicklung des damals wohl modernsten Staates in ganz Europa. In Palermo müssen die Muslime einen Tribut zahlen, die Strukturen in der Stadt bleiben aber im wesentlichen erhalten. Der normannische Stadtkommandant nennt sich amiratus vom arabischen amir, also Emir. Daraus wird das Wort Admiral entstehen.

 

1072 verlässt Robert Guiskard die Insel, die zwischen Roger und zwei anderen normannischen Anführern geteilt ist, die aber bald sterben. In Apulien müssen Aufstände normannischer Adeliger niedergeschlagen werden. 1074 überfallen Piraten des Ziridenherrschers das kalabrische Nicotera. Laut Malaterra hatten die Einwohner am Abend zuvor gefeiert und wurden im Schlaf niedergemacht. "Die Frauen und Kinder wurden gefangengenommen, um als Sklaven verkauft zu werden, die Stadt geplündert und in Brand gesteckt." (Houben, S.18) Roger versucht sich vertraglich mit Tamim zu einigen. Im Jahr drauf kommt es zu einem Angriff nordafrikanischer Muslime auf den Westen der Insel.

 

1076, auf dem Höhepunkt der Krise zwischen Heinrich IV. und Gregor VII. schickt der Kaiser mit dem gebannten Grafen Eberhard und Bischof Gregor von Vercelli zwei Gesandte zu Herzog Guiscard, um ihn unter die lehnsrechtlichen Fittiche zu nehmen. Laut Amatus von Montecassino verweist der Normannenherzog darauf, dass er seine Herrschaft mit Gottes Hilfe nur aufgrund seines Eroberertalentes gewonnen habe.

Und deshalb gehört es sich für mich, Gott untertan zu sein für die Gnade, dass ich es erobert habe. Und von ihm anerkenne ich jenes Land, von dem ihr sagt, dass ihr es mir geben wollt. Aber da die Hand vom Herrn König gerecht und großzügig ist, gebe er mir etwas von seinem Eigenen zu dem Wenigen, was ich habe und besitze, und ich werde mich ihm untergeben, immer unter dem Vorbehalt meiner Treue zur Kirche. (Et pour ce me covient estre subject à Dieu, pour la grace que je l'ai vaincue. Et de Lui recgnoiz je la terre laquelle vous dites que vous me voulez donner. Mès, pour ce que la main de monseignor lo Roy est drote et large, donne moy de lo sien sur cellui peu que je ai et possede, et je lui seai subject, toutes voiez sempre salvant la fidelité de l'Eglize. VII, 27, S.321)

 

Robert zieht die Lehnshoheit des Papstes vor, der von seinem Schutz abhängig ist und ihm mehr Spielraum lassen muss. 1077 erobert Robert Guiskard Salerno und macht es zu seiner Hauptstadt. Das ist das Ende langobardischer Herrschaft in Süditalien. Mit seinem Dombau dort krönt der Normanne seinen Erfolg. Nach Niederschlagung einer Rebellion muss der Papst seine Herrschaft 1080 anerkennen. Im folgenden Jahr wird Durazzo von den Byzantinern erobert. Die Normannen scheitern dann gegen die vereinten Kräfte von Byzanz und der mit ihnen verbündeten Venetianer.

 

1085 stirbt Guiskard. Unter seinen Söhnen Roger Bursa (Salerno) und Bohemund (Tarent) wird Süditalien in einzelne Fürstentümer zerfallen. Im Sommer 1084 wird Nicotera vom Emir von Syrakus überfallen, der dann auch noch in Sqillace wütet. Darauf beginnt ein letzter großangelegter Feldzug von Roger gegen ihn. 1088 fällt Roger Syrakus in die Hand, 1091/94 ist er Herr von ganz Sizilien und so mächtig, dass er den Amtsantritt von Papst Urban II. in Rom durchsetzen kann. Er kann zudem seine Tochter Konstanze mit Heinrichs Sohn Konrad verbinden.

 

Das besondere an Sizilien wird die Verbindung von normannischer Gewalttätigkeit und Kriegskunst mit einer Form zentralistischer Staatlichkeit, die aus der Eroberung und der Situation resultiert, dass kein als einheitlich darstellbares Staatsvolk vorhanden ist. Roger stützt sich zunächst auf die griechische Bevölkerung vor allem, die ihn als Befreier ansieht.

 

Ein Monarch erfindet so alleine in kurzer Zeit etwas, was sich dann, etwas modern gesprochen, als Staatswesen bezeichnen lässt. Es gibt eine feste Hauptstadt, einen von den Sarazenen zusammengeraubten enormen Staatsschatz und damit überall Anerkennung. Wenig Land wird als Lehen vergeben, das meiste bleibt Krondomäne. Zudem verhilft die Insellage mehr als bei England zur Sonderentwicklung.

Weithin unabhängig vom Papst baut Roger I. eine Bischofskirche auf, die anders als anderswo völlig sein Herrschaftsinstrument ist. Gregors VII. Ärger bleibt wirkungslos.

 

Roger übernimmt das islamische Steuersystem, Teile der islamischen Verwaltung und integriert viele muslimische Bogenschützen in sein Heer, bemüht sich aber andererseits um die Ansiedlung von Christen auf der Insel und um die langsame Christianisierung durch die Förderung von Klöstern.

 

Mit Gottfried Malaterra hat Roger einen Auftragshistoriker, der seine Verherrlichung betreibt. Damit gibt es einen Apologeten der vielleicht autoritärsten und damit modernsten Form von Herrschaft in Europa, jener, die sich wie vielleicht keine vor ihm der Form von Machtausübung nähert, wie sie erst Jahrhunderte später anderswo durchgesetzt wird: Einer von Ideologie und zudem von von oben verordneten Gesetzen garnierten Despotie, dem Vorläufer absolutistischer Monarchien und totalitärer Demokratien unter dem Aspekt staatlicher Machtvollkommenheit.

 

Ein Aufstand von 1083, angeführt von Sohn Jordanus, wird brutal und mit Hinterlist niedergeschlagen. Damit wird ein Zustand hergestellt, der Widerworte kaum mehr zulässt. Malaterra später dazu: ..disciplina et rigor iustitiae cum pace communionem habent...(De rebus Rogerii III, c.38) Disziplin und gnadenlose Gerechtigkeit stellen jenen Frieden her, der Staat bedeutet. Dies wird Otto von Freising, Normannenverächter, dann auf Friedrich Barbarossa übertragen.

 

Der sich immer mehr auf sarazenische Kultur, Technik und Verwaltungskunst stützende Roger nimmt am Kreuzzug nicht teil, im Unterschied zu Robert Guiskards Sohn Bohemund.

 

Roger Bursa, der Sohn Roberts, kann sich in Süditalien nur mit Hilfe von Roger (I.) durchsetzen, wofür der unter anderem große Teile Kalabriens erhält. Da er Lehen nur an Verwandte ausgibt, geht er gleich zu einer modernisierten Form des Feudalismus über, die ihm direkteren Zugriff auf sein ganzes Reich gewährt.

 

Um 1090 heiratet Roger noch einmal, Adelaida (Adelheid) del Vasto, wodurch sich Sizilien mit norditalienischen Großen verbindet. Er stirbt schließlich 1101 mit 77 Jahren.

 

Papst Urban II. ist im Konflikt mit Heinrich IV. massiv auf normannischen Schutz angewiesen und versucht von einer päpstlich-sizilischen Koalition zu profitieren. Das bleibt einseitig: Als er einmal versucht, einen Bischof auf Sizilien einzusetzen, lässt Roger den kurzerhand verhaften. Am Ende verleiht der Papst Roger das alleine Recht auf das päpstliche Legat für sein Reich. Damit hat Roger eine für das lateinische Europa einzigartige Kirchenhoheit erreicht.

 

Für Sizilien und Kalabrien übernimmt Roger I. arabische und byzantinische Beamte und Einrichtungen. Amiratus, Protonotar, Kämmerer, Logothet, Vicecomes sind aus drei Sprachen bezogen. Auf Sizilien übernimmt er die arabischen Landregister und Hörigenlisten. In Apulien werden langobardische und byzantinische Ämter normannisch umgedeutet.

 

Das sizilische Königreich

 

Beim Tod Rogers I. übernimmt seine etwa sechsundzwanzigjährige Witwe Adelaide die Regentschaft zunächst für Simon und nach dessen Tod für Roger II. Sie lässt Aufstände von Baronen niederschlagen. Christodulos wird Emir-Admiral (amiratus) und übernimmt die byzantinisch geprägte Erziehung des Thronfolgers. Zugleich wird das griechisch geprägte Messina und nicht mehr Troina Zentrum. Dort lassen sich genuesische Kaufleute nieder. Im Gefolge von Adelaida und ihrem Bruder wandern Lombarden in Paternó und Butera ein und teilen das muslimische Siedlungsgebiet so in zwei Teile.

 

Im Frühjahr 1112 wird Palermo Hauptstadt, eine im wesentlichen immer noch muslimische Großstadt. Der junge Roger (II.) gerät zudem über seine Erziehung wohl unter griechisch-byzantinischen Einfluss und wird orthodoxe Klöster fördern. Überhaupt wird er das Herrschaftsverständnis von Byzanz mit seinem Hofzeremoniell und seiner hochtönenden Titelsucht nachahmen. Griechische Künstler sollen mit ihren Mosaiken in der Capella Palatina und der Kathedrale von Cefalú helfen, mit byzantinischer Pracht mitzuhalten.

 

Während in Süditalien die Strukturen aus Vasallität und Belehnung beibehalten werden, die die Normannen dort entwickelt hatten, bleibt auf Insel-Sizilien die auf antike Wurzeln zurückgehende Latifundienwirtschaft bestehen, die den Zentralismus königlicher Herrschaft fördert. (Borgolte, S.203)

 

Im September 1113, nach Erreichen der Volljährigkeit durch Roger II., heiratet Adelaida in Jerusalem den dortigen König Balduin I. Ihr Sohn soll dort königlicher Nachfolger werden. Dagegen wendet sich der heimische Hochadel und der Patriarch und verweisen darauf, dass Balduin noch anderweitig verheiratet sei, so dass mit Hilfe von Papst Paschalis die Ehe annulliert und Adelaida verstoßen wird und im Frühjahr 1117 nach Sizilien zurück muss, wo sie im nächsten Jahr im Kloster stirbt. Roger II. wird sich später dennoch als Sohn einer Königin bezeichnen.

 

Abt Alexander von Talese schreibt im Auftrag der Schwester Rogers eine 'Ystoria Rogerii regis', in der die Herrschaft Rogers folgendermaßen anhebt:

Als er erwachsen und Ritter geworden war, musste er selbst die Herrschaft ausüben. Dies tat er mit solcher Energie und Kraft, dass er ganz Sizilien aufs beste regierte. Aufgrund seiner Schreckensherrschaft wagte sich kein Dieb oder Räuber oder sonstiger Übeltäter aus seinem Schlupfloch. Sein enormer Reichtum an Gold, Silber und anderen Dingen rief bei allen außerordentliches Staunen hervor. Daher hatten nicht nur seine Landsleute große Furcht vor ihm, sondern auch Auswärtige, die weit entfernt wohnten. Gegen die Untaten der süditalienischen Langobarden ging er mit gutem Grund vor: Durch diese Untaten zutiefst beleidigt, zog Gott aus der Scheide Siziliens Roger hervor. Er nahm ihn in die Hand, wie ein scharfes Schwert, um mit ihm die Urheber der Missetaten zu bestrafen. Durch seinen Terror erschüttert, sollten die Unverbesserlichen, die er lange genug ertragen hatte, auf den rechten Weg zurückgeführt werden. (im Deutschen von Houben, S.32)

 

Wilhelm, Sohn von Roger Bursa, war mit Apulien belehnt, kann sich aber kaum durchsetzen, so dass die Vasallen versuchen, sich zu verselbständigen und dabei auch gegeneinander antreten. Calixt II. gelingt es dann, diesen Wilhelm von Apulien und Jordan II. von Capua in die Lehnsabhängigkeit zu bewegen, und er verkündet in Troia einen Gottesfrieden.

 

In Mahdia am Ziridenhof war der syrische Christ Georg von Antiochia eine Art Finanzminister gewesen. Nachdem er in Ungnade gefallen war, flieht er an den Hof Rogers und wird dort mit seinen Erfahrungen einflussreich.

 

Als Paschalis II. versucht, die päpstliche Kirchenhoheit über Sizilien zurückzugewinnen, weist ihn Roger zurück. Um 1117 heiratet er Elvira, die Tochter des Königs von Kastilien-Leon, deren Mutter eine Maurin war. 1122 bittet Wilhelm bei Roger um Unterstützung, wie Falco von Benevent in seinem 'Chronicon' berichtet:

Herzog Wilhelm, der Sohn des Herzogs Roger, kam zu Graf Roger, dem Sohn des Grafen Roger von Sizilien. Er beklagte sich über Jordan, den Grafen von Ariano, und bat Roger, ihn persönlich und mit seinen Rittern und Reichtümern zu unterstützen. ... Als sich der Herzog so persönlich an den Grafen wandte, brach er in Tränen aus: "Vortrefflicher Graf, aus zwei Gründen bin ich zu dir gekommen: einmal bist du mein Verwandter, zum anderen bist du sehr reich. Ich bitte euch, helft mir, an ihm Rache zu nehmen. Eines Tages war ich nämlich in der Stadt Nusco. Jener Graf Jordan kam mit seinen Rittern vor das Stadttor und drohte mir mit Schmähungen: 'Ich werde dir den Mantel kürzen'. Dann streifte er kreuz und quer durch die Stadt und plünderte sie. Ich war nicht in der Lage, ihm Einhalt zu gebieten... (im Deutsch von Houben, S.39)

 

Als ihm Roger mit hunderten von Rittern und Geld aushilft, bekommt er davon des Herzogs Anteile an Sizilien und Kalabrien, die er nun beide alleine beherrscht: sexcentos milites et quingentas uncias auri kostet ihn das nach Falco.

 

Ganz systematisch wird eine Flotte aufgebaut, die einerseits nach Süditalien und Byzanz gerichtet werden kann, andererseits auch nach Nordfrika. Allerdings scheitert kurz darauf ein Angriff auf den Ziridenherrscher von Mahdia.

 

In der Folgezeit dringt Roger II. bis in die Basilicata vor und erobert Montescaglioso bei Matera, das Erbe seiner verstorbenen Schwester Emma. 1126 stirbt die Linie Robert Guiskards mit Wilhelm von Apulien aus. Roger eilt nach Salerno und setzt seine Nachfolge dort durch, wobei er den Einwohnern Zugeständnisse machen muss. Bei Alexander von Talese hört sich das so an: Damals wurde niemand durch Körperstrafen abgeschreckt, so dass ohne Hemmungen immer mehr Übeltaten begangen wurden. Nicht nur die Reisenden waren in ständiger Angst; auch die Bauern konnten nicht mit Ruhe draußen ihre Felder bestellen. Kurz, wenn Gott nicht einen Samen aus dem Geschlecht des Guiskard übriggelassen hätte, durch den rasch die Herrschaft im Herzogtum wiederhergestellt worden wäre, wäre das ganze Land durch die übelsten Untaten, derer der menschliche Verstand fähig ist, in den Abgrund des Ruins gestürzt worden. (im Deutsch von Houben, S. 43)

 

Dagegen wendet sich Papst Honorius II., an den die Lehen wohl zurückfallen sollten. Er nimmt die Huldigung von Troia entgegen und verbündet sich mit Robert II. von Capua, Rainulf von Alife, Grimoald von Bari, Gottfried von Andria, Tankred von Conversano und Roger von Ariano. Er verspricht Befreiung von den Sündenstrafen für die, die dabei im Kampf gegen Roger sterben. Roger wird exkommuniziert. Er kehrt nach Sizilien zurück und lässt sich unterwegs in Reggio Calabria von seinem Heer zum Herzog ausrufen.

 

Im Frühjahr 1128 dann rückt er mit großem Heer, überwiegend von Berufssoldaten, in der Basilikata und im südlichen Apulien ein. Das Lehnsheer der apulisch-kampanischen Fürsten löst sich nach einiger Zeit auf. August 1128 belehnt Honorius Roger darauf mit dem Herzogtum Apulien.

 

1129 kehrt Roger mit einem großen Heer nach Süditalien zurück, wobei die muslimischen Bogenschützen besonders grausam unter der Zivilbevölkerung gewütet haben sollen. Bari und Troia werden erobert. Im Herbst und Frühwinter schwören ihm die Großen auf zwei Hoftagen fast allesamt die Treue. Im Frühjahr 1130 werden Salerno und Capua unterworfen. Damit vereinigt Roger II. das sizilische Reich mit den ehemals langobardischen und den neugeschaffenen normannischen Herrschaften in Süditalien.

 

Im Frühjahr 1130 wählen der normannenfeindliche Kanzler Haimerich und seine Anhänger, die von der mächtigen römischen Adelsfamilie der Frangipane unterstützt werden, Kardinal Gregor Papareschi zum Papst, der sich dann für den Papstnamen Innozenz II. entscheidet. Er steht den reformerischen Zisterziensern und Regularkanonikern nahe. Die übrigen Kardinäle, vorwiegend aus Mittel- und Süditalien, entscheiden sich für ein Mitglied der mit den Frangipane verfeindeten Familie der Pierleoni, Petrus, der sich dann Anaklet II. nennt. Den Ausschlag gibt am Ende Bernhard von Clairvaux, der Innozenz II. unterstützt, der auch deshalb bald im größten Teil Europas anerkannt wird.

 

Anaklet bleibt von Roger abhängig. Er zieht nach Benevent, wo er die Bürgergemeinde verjagt und dem Adel wieder an die Macht verhilft. In Avellino trifft er mit Roger II. zusammen. Im September verleiht Anaklet Roger die Königswürde, die für erblich erklärt wird. Außer Sizilien, Kalabrien und Apulien herrscht er über das Fürstentum Capua, gewinnt den honor Neapolis und die Unterstützung durch Benevent im Kriegsfall. Dafür wird er Lehnsmann des Papstes, der ihm eine jährliche Zahlung zu leisten hat. Um dieselbe Zeit erkennt auch Lothar Innozenz an.

 

Weihnachten 1130 ist prunkvolle Königskrönung in Palermo. Dabei wird die Fiktion einer Wiederaufnahme eines früheren Königreiches Sizilien durchgehalten. Alexander von Talese über die Krönung:

Der Herzog wurde wie ein König zur erzbischöflichen Kirche geleitet. Dort erhielt er die heilige Salbung und nahm so das Königsamt an. Unbeschreiblich und unvorstellbar waren die Art und der Umfang seines Ruhms und seines wunderbaren Überflusses an Reichtümern. Allen Anwesenden schien es, als ob alle Reichtümer und Ehren dieser Welt zusammengekommen wären. Unvergleichlich war der Schmuck der Stadt, die ganz in Freude und Licht erstrahlte. Auch der ganze Königspalast, der vollständig mit Wandbehängen ausgekleidet war, glänzte herrlich. Der Fußboden, der mit Teppichen aus verschiedenen Farben ausgelegt war, gab den Füßen ein angenehmes Gefühl der Weichheit. Auf dem Weg zur Konsekration in die Kirche begleiteten den König alle Würdenträger; zu beiden Seiten eine riesige Zahl von Pferden, geschmückt mit Sätteln und Zaumzeug aus Gold und Silber. Für diejenigen, die an der königlichen Tafel Platz nahmen, gab es sehr vielfältige und reichliche Speisen und Getränke, die auf Tellern und in Gefäßen aus Gold und Silber serviert wurden. Alle Diener waren mit Seidengewändern bekleidet; selbst das Personal, das die Schüsseln abräumte, trug Kleidung aus Seide. Kurz, im Königspalast sah man einen solchen Glanz und Reichtum, dass alle von ungeheurer Bewunderung und stärkstem Erstaunen ergriffen wurden, und zwar derart, dass es denen, die von weither gekommen waren, richtig Angst wurde. Was sie nämlich mit ihren eigenen Augen gesehen hatten, übertraf bei weitem alles, was sie vom Hörensagen erwartet hatten. (II)

 

Das Muster für die Krönung ist die deutsche Krönungsordnung mit der Übergabe des Szepters und dem Reichsapfel statt des Stabes. Zudem gibt es Schwert, Armspangen, Pallium und Ring.

 

In Süditalien gibt es keinen Kirchenzehnten, sondern den Regalzehnten, den der König an die Bistümer überweist. Neben Monopolrechten und Besitzungen ist das die Haupteinkunftsquelle der Bischöfe. Dadurch besteht eine direkte, aber nicht feudale Abhängigkeit der Kirche, die andererseits am steigenden Wohlstand des Königs interessiert sein muss. Zudem sind Bischöfe in Catania, Cefalù und anderswo Stadtherren und viele von ihnen Familiare des Königs, die ihn beraten.

 

Nachdem die Feierlichkeiten der Königskrönung zu Ende gegangen und die Teilnehmer nach Hause zurückgekehrt waren, begann der König im Stillen darüber nachzudenken, wie er sein Königreich - denn dies war sein größter Wunsch - mit einem dauerhaften Frieden festigen und es erreichen könne, dass niemand in der Lage sei, ihm Widerstand zu leisten. Daher stellte er sogleich den Einwohnern von Amalfi ein Ultimatum: Sie sollten alle ihre Befestigungen aufgeben und ihm zur Überwachung überlassen; andernfalls werde er es in Zukunft unter keinen Bedingungen dulden, dass sie sie behielten. Diese lehnten jedoch einmütig diese Forderung ab und blieben so starrsinnig, dass der König sie empört von der Teilhabe seiner Gnade ausschloss (a fidei sue consortio dissociavit). (Talese II)

 

Nach Salerno, Troia und Melfi wird auch Amalfi militärisch gezwungen, eine königliche Besatzung aufzunehmen. Dann geht Roger nach Salerno:

Als er hier weilte, kam der magister militum von Neapel, Sergius, zu ihm und unterwarf sich. Dies tat er ohne militärischen Druck, allein aus Furcht. Es ist schon ein Wunder, wie die Stadt, die nach dem Fall des Römischen Imperiums niemals mit Waffengewalt untertänig gemacht wurde, nun allein durch das Wort Rogers unterworfen wurde. (Talese, II)

 

Was bleibt, ist der Selbständigkeitsdrang seines Schwagers Rainulf von Alife, von Robert von Capua, von Benevent und Neapel. Aber im Frühsommer 1131 kehrt Roger erst einmal nach Sizilien zurück. Auf Bitten von Kaiser Johannes Komnenos und Innozenz II. verspricht Lothar III., noch einmal nach Italien zu ziehen. Darauf hoffen nun Rainulf von Alife, Tankred von Conversano und Grimoald von Bari. Da aber Lothar erst im Spätsommer 1132 aufbrechen kann, besiegt Roger inzwischen die südlichen Barone. Im Juni 1132 dann werden die königlichen Truppen bei Nocera besiegt, Kapelle und Archiv fallen bei seiner überstürzten Flucht den Feinden in die Hände. Er selbst kann nach Salerno flüchten. Dann nach Bari, wo er nach erheblichen Konzessionen hinein kann. Derweil tobt der Aufstand in der Basilikata. Im Winter kehrt schließlich Roger nach Sizilien zurück.

 

Lothar III. ist 1133 nur mit kleinem Heer in Rom und lehnt es ab, Robert von Capua und Rainulf zu unterstützen. Ihm genügt die Kaiserkrönung in der Lateranbasilika, derweil Anaklet weiter St. Peter kontrolliert. Roger erobert derweil mit seinem überwiegend aus Sarazenen bestehenden Heer Venosa von Tankred von Conversano, brennt die Stadt laut Falco von Benevent nieder und tötet die Einwohner. In Montepeloso (Irsina) wird Tankred gefangen genommen und nach Sizilien gebracht. Danach geht es nach Acerenza und Trani.

 

Nun ging es im Eilmarsch gegen Troia.

Aber die Bürger, die seinen falschlistig-friedfertigen Worten geglaubt hatten, erwarteten ihn unbesorgt. Der Bischof Wilhelm, bekleidet mit einem weißen Gewand, zog dem König mit einer Prozession des gesamten Klerus, der Mönche und der Bürger, die Lobsänge auf den Herrscher anstimmten, entgegen. Er ließ auch zu dessen Ehre , so haben wir gehört, Heiligenreliquien mitführen in der Absicht, den wilden Zorn Rogers zu besänftigen. Der König aber war außer sich, als er die Stadt betrat, und vergaß das Sicherheitsversprechen, das er gegeben hatte. Sobald er die zu seinem Ruhm ausziehende Prozession sah, sprühte Zorn aus seinen Augen, und er ließ sie auseinandertreiben. So fiel er über die christliche Religion her, ohne an den rechten Glauben zu denken. "Solchen Ruhm", sagte er "will ich nicht! Solange ich lebe, werde ich alle zerstören und vertreiben!" (Nolo, inquit, nolo huiusmodi gloriam, sed vita comite omnes destruam et omnes exulabo.) Der Klerus und das Volk, die ihm entgegengezogen waren, mussten fliehen. Ein jeder verbarg sich, so gut es ihm möglich war. Unverzüglich ließ der König viele Bürger von Troia festnehmen und ihre Frauen und Kinder in Ketten legen. Der Richter Robert und vier andere weise Männer wurden aufgehängt. Viele Einwohner flohen mit Frau und Kind unter Zurücklassung ihrer Habe nach Benevent. Ihre Häuser und Güter ließ der König zerstören und verbrennen. Oh, welch großes Trauergeschrei von Frauen und Kindern erfüllte die ganze Stadt! Selbst wenn ich Hunderte von Stimmen wiedergeben könnte, wäre es mir nicht möglich, alle Einzelheiten zu schildern. (Falco von Benevent in: Houben, S.66f)

 

Danach geht es über Melfi und Gravina nach Salerno. Noch einmal der normannenfeindliche Falco:

Nachdem König Roger, wie wir berichtet haben, mit grausamer Hand die Städte Apuliens verwüstet hatte, begab er sich nach Salerno. Er ließ die Großen (proceres) des Umlandes versammeln und verhandelte mit ihnen darüber, wie er die Bürger von Salerno und Amalfi auf dieselbe Art wie die von Apulien mit harter Hand unterdrücken könne. Aber da er einsah, dass ihm dazu nicht genügend Zeit blieb, schob er diesen Plan auf, um ihn später bei günstiger Gelegenheit wiederaufzugreifen. Als die Flotte bereit war, lief er an den zwölften Kalenden des Novembers nach Sizilien aus. Wie wir gehört haben, gingen dreiundzwanzig Schiffe, die er mit Gold, Silber und anderen Gütern beladen hatte, in den Tiefen des Meeres unter. Auf diesen Schiffen befanden sich auch viele Männer, Frauen und Kinder aus verschiedenen Städten Apuliens, die ihre Heimat und ihre Verwandten nie wiedersehen sollten, da sie bei diesem Schiffbruch ertranken. (in: Houben, S.67)

 

1134 wird Rainulf von Alife unterworfen. Alexander von Talese beschreibt die lehnsrechtliche Unterwerfung in die Gnade des Königs:

Er kam ihm entgegen, beugte seine Knie und wollte ihm die Füße küssen. Nachdem jener diesen mit eigenen Händen vom Fußkuss enthoben hatte, wollte er ihn aufnehmen mit dem Kuss seines Mundes. Der Graf bat ihn aber vorher, ganz und gar den Unmut aus seinem Herzen zu entfernen. Da sagte der König: "Ich entferne ihn aus dem Herzen". Und jener:"Ich möchte auch, dass du mich entsprechend der Dienste, die ich dir in Zukunft leisten werde, liebst". Der König antwortete: "Ich gewähre es dir. Ich will auch, dass Gott der Zeuge dieses Versprechens sei, das wir gegenseitig ausgetauscht haben". Und jener: "So sei es." Nach diesen Worten empfing ihn der sogleich König mit dem Kuss, und man sah ihn lange an dieser Umarmung Freude haben, so dass man aus den Augen einiger Anwesenden Freudentränen fließen sah. (II) (Veniens itaque ad eum, genibus flexis, pedes eius osculari voluit; quem cum ille propriis Manibus ab osculatione pedum sublevasset orisque sui osculo vellet suscipere, comes prius precatur, ut eius ex corde indignationem funditus abiceret. Cum rex "ex corde" inquit, "abicio". Et ille: "Volo iterum, ut sicut deinceps famulatus fuero, ita me diligas". Cui lle: "Et ego concedo. Iterum" ait "istarum sponsionum, quas alternatim fecimus, volo, ut testis sit Deus inter me et te". At ille: "Ita" inquit, "fiat". Quibus dictis, rex eum statim osculo suscepit, diuque in amplexu delectari visus est, ita ut ex oculis quorundam circumstantium pre gaudio lacrime effundi viderentur.)

 

Auch Molise und Neapel unterwerfen sich. Nur Capua bleibt außen vor.

 

Anfang 1135 stirbt Gemahlin Elvira. Roger lebt fünfzehn Jahre lang unverheiratet. Da auch er krank ist, wird sein Tod kolportiert und die üblichen Verdächtigen in Süditalien erheben sich wieder. Roger zieht nach Salerno, erobert Aversa, belagert Neapel, kann es aber nicht erobern. Die Königssohne werden mit Bari-Tarent, Apulien und Capua belehnt. Gaeta unterwirft sich. Im Herbst 1135 erobern Truppen Rogers Djerba, von wo Berber-Piraten ihre Raubzüge unternehmen. Viele Männer werden getötet, die Frauen und Kinder an Muslime als Sklaven verkauft.

 

Herbst 1136 privilegiert Roger Niederlassungen der Johanniter auf Sizilien, um dadurch Einfluss auf das Geschehen im „heiligen Land“ zu gewinnen.

 

Herbst 1136 beginnt der zweite Italienzug Lothars III. nach Unterwerfung Konrads. Venedig, Pisa und Byzanz unterstützen ihn. Es kommt 1137 zum Durchzug bis Bari, welches nach erbittertem Widerstand genommen wird. König Roger bleibt in Sizilien. Heinrich der Stolze soll Robert von Capua bei der Belagerung von Salerno unterstützen. Die Truppen um Neapel werden von Roger nach Salerno geschickt. Im August 1137 ergibt sich Salerno auf Anweisung Rogers. Er erreicht annehmbare kaiserliche Bedingungen.

 

Kaiser und Papst geben gemeinsam Apulien an Rainulf von Alife. Nach dem Abzug des Kaisers zieht Roger nach Salerno, Capua, Neapel und Benevent. Rainulf besiegt Roger dann aber in einer Schlacht. Darauf kommt es zur Disputation mit Bernhard von Clairvaux in Salerno über die Beendigung des Schismas. Im Dezember 1137 stirbt Lothar, einen Monat später Anaklet II. Nun bemüht sich Roger nun um Annäherung an Innozenz.

 

Aber im April 1139 verkündet Innozenz auf dem zweiten Laterankonzil den Bann gegen ihn. Derweil stirbt allerdings sein wichtigster Verbündeter Rainulf. Innozenz führt nun eine Art eigenen Kreuzzug gegen die Normannen, mit dem Ergebnis, dass sie ihn in San Germano gefangennehmen. Im Frieden von Mignano im Juli 1139 erkennt der Papst das Königreich Rogers zu ähnlichen Bedingungen wie Anaklet an. Roger wird mit Sizilien belehnt, dessen Söhne mit Apulien und Capua. Troia ergibt sich.

 

Der Roger eher feindselig gegenüberstehende Falco von Benevent über die damnatio memoriae an Rainulf:

Die Feinde des Herzogs befahlen also einem Ritter namens Gallicanus, der einer seiner treuesten Gefolgsleute gewesen war, zur Schande des toten Herzogs und zu seinem eigenen Schmerz das Grab aufzubrechen und die Gebeine, die noch von Haut und Gestank umgeben waren, eigenhändig herauszunehmen. Gallicanus zog also mit anderen, wie gesagt, die eingehüllten Gebeine heraus. Er tat dies unter dem Zwang der Furcht; und um nicht die große Wut des Königs auf sich zu ziehen, tat er es - es schmerzt mich, es zu sagen - fast mit lächelnder Miene. An den Hals des toten Herzogs banden seine ehemaligen Feinde eine Leine; und so zogen sie ihn durch die ganze Stadt bis hinauf zum Kastell. Dann drehten sie um und brachten ihn zur Köhlerei außerhalb der Stadt, wo sich ein schlammiger und stinkender See befand, in dem sie die Leiche des Herzogs versenkten. Welch ein Greuel! Man kann es nur mit Verwundern erzählen. Die ganze Stadt wurde sogleich von Angst und Trauer erfasst. Ein jeder, gleichgültig ob er Freund oder Feind des Herzogs gewesen war, wünschte sich den Tod herbei. ... Nie lasen wir, dass in vergangenen Zeiten und unter den Heidenvölkern ein solch schreckliches Ereignis stattfand. Welchen Nutzen hatte der König von einer solch grausamen Gewalttat? Welchen Sieg, welchen Ruhm der Majestät brachte sie ihm? Nur um seine Wut zu besänftigen, tater das an dem Toten, was er am Lebenden nicht hatte tun können. (deutsch in: Houben, Roger II., S.76)

 

Danach kommt es zur Belagerung und grausamen Unterwerfung von Bari, 1140 zur Unterwerfung der Abruzzen durch die Königssöhne. Herbst 1140 geht es dann nach Neapel. Falco von Benevent:

Der Erzbischof Marinus von Neapel versammelte den ganzen Klerus und die Bürger und verkündete ihnen die Ankunft des Königs mit der Aufforderung, ihn ehrenvoll und freudig zu empfangen. Die Bürger zogen also zusammen mit den Rittern der Stadt aus dem Capuaner Tor hinaus auf das Feld., das Neapel genannt wird. Hier begrüßten sie den König mit allen Ehren - es ist kaum zu glauben - und geleiteten ihn so an das bereits erwähnte Capuaner Tor. Unmittelbar darauf kamen ihm die Priester und der Stadtklerus zu diesem Tor entgegen und führten ihn mit zum Himmel erhobenen Hymnen und Lobgesängen in die Stadt. Dort hielten vier Adelige die Zügel des Pferdes und die Füße des Königs, vier andere geleiteten ihn zum Bischofspalast. Wenn Du, oh Leser, die Masse des Volkes, das auf dem Platz stand, gesehen hättest, und die Witwen, Ehefrauen und Mädchen, die an den Fenstern standen, würdest du verwundert bestätigen, dass kein Kaiser oder anderer König oder Fürst je mit solcher Ehre und solchem Jubel in die Stadt Neapel einzog. Was soll ich noch viele Worte machen? Mit so viel Ehre bereichert, stieg der König im Bischofspalast ab und wurde im Gemach des Erzbischofs beherbergt. Am nächsten Tag ritt der König die ganze Stadt und ihre Umgebung ab und sah sich die Paläste und Gebäude an. Dann begab er sich, nachdem er sein Schiff ausgerüstet hatte, zum Kastel San Salvatore in unmittelbarer Nähe der Stadt. Hier verhandelte er mit den Bürgern, die er dorthin berufen hatte, über die Freiheit und den Nutzen der Stadt. Außerdem schenkte er jedem Ritter fünf modii Land und fünf Hörige und versprach ihnen, wenn er länger leben sollte, viele Geschenke und Besitzungen. (deutsch in: Houben, S.78)

 

Der Verlust des kaiserlichen Einflusses auf Süditalien führt in der früheren Stauferzeit dazu, dass der Tyrannis-Vorwurf, der seit dem Investiturstreit gegen Herrscher aus deutschen Landen gerichtet wird, an die sizilischen Herrscher umgelenkt wird: Otto von Freising schreibt in der 'Chronica sive historia de duabus civitatibus':

Haec et alia crudelitatis opera ad antiquorum Siculorum formam trannorum, quae in desinenter de ipso audiuntur, quia pene cunctis nota sunt, ommittimus. (Diese und andere Werke der Grausamkeit, vom Vorbild der sizilischen Tyrannen des Altertums übernommen, die unentwegt von ihm zu vernehmen sind, lassen wir aus, da sie fast allen bekannt sind. S.540 )

 

Hugo Falcandus über den rigor iustitiae, mit dem sich Roger durchsetzt: Schließlich bemühte er sich, die für ein neues Königreich absolut notwendige unbeugsame Härte der Gerechtigkeit auszuüben und die Wechselfälle von Frieden und Krieg so zu alternieren, dass ihm, dem keine Tugend fehlt, in seiner Zeit kein König oder weltlicher Fürst gleichkam. Hinwiederum nennen einige seine Werke Tyrannis und bezeichnen ihn als unmenschlich, weil er vielen ziemlich schwere und in den Gesetzen bislang unbekannte Strafen auferlegte. Ich aber meine, dass er, der klug und in allem umsichtig war, bei der Neuheit des Königtums aus überlegtem Eifer so handeln musste, damit einmal die Schändlichen sich nicht ungestraft ihrer Schandtaten rühmen konnten; zum anderen, um die Rechtschaffenen nicht durch übermäßige Strenge abgeschreckt werden, war er ihnen gegenüber milde, wenn auch nicht übertrieben, damit nicht aus allzu großer Sanftmut Verachtung entstünde. Wenn es so gesehen wird, dass er einige zu hart gestraft habe, so meine ich, dass er dabei von der Notwendigkeit gezwungen wurde. Nicht anders nämlich konnte er den Trotz des rebellischen oder verräterischen Volkes zermalmen. (Postremo sic iustitie rigorem ut novo regno pernecessarium studuit exercere, sic pacis ac belli vicissitudines alternare, ut nichil quod virtutem deceret omittens, neminem regum aut principum temporibus suis parem habuerit. Porro quod quidam pleraque eius opera tyrannidi dant eum que vocant inhumanum eo quod multis penas graviores et legibus incognitas irrogaverit, ego sic existimo virum utique prudentem et in omnibus circumspectum in novitate regni ex industria sic egisse, ut necque flagitiosi quilibet de scelerum sibi possent impunitate blandiri, neque benemeritos nimia severitas absterreret, quibus ita mitem se prebuit, ne tamen ex nimia mansuetudine locus superesset contemptui. Ac si forte in quosdam durius animadvertisse visus est, quadam ad id necessitate compulsum intellego.)

 

Der Roger II. sehr gewogene Alexander von Talese erweitert das so:

Über alle Einnahmen und Ausgaben seiner Schatzkammer ließ er Buch führen. Es gab keinen Eingang und Ausgang, den er nicht schriftlich festhalten ließ. ... Er zahlte tatsächlich pünklich den Soldaten ihren Sold  (...) Weil aber vertraulicher Umgang gewöhnlich Mangel an Respekt bewirkt, hielt er sich öffentlich und privat mit Vertraulichkeit, Leutseligkeit und Liebenswürdigkeit zurück, so dass man nie aufhörte, ihn zu fürchten. Die Furcht vor ihm hatte die gute Folge, dass (...) Recht und Frieden herrschten...

 

Romuald von Salerno formuliert folgendermaßen:

Im Geldeinnehmen war er sehr eifrig, im Ausgeben nicht besonders großzügig. ... Von seinen Untertanen war er mehr gefürchtet als geliebt, den Griechen und Sarazenen flößte er Schrecken und Furcht ein. (deutsch in: Houben, S.182)

 

Das ferne Echo aus deutschen Landen kommt von Otto von Freising:

Manche allerdings sagen, er handle so mehr aus Rechtsgefühl als aus tyrannischen Gelüsten, und behaupten, er liebe den Frieden mehr als alle anderen Fürsten, und nur zu dessen Bewahrung halte er die Aufrührer mit solcher Strenge in Schranken. Andere dagegen sind der Meinung, er suche den Frieden zu erhalten mehr aus Gier nach dem Gelde (amore pecuniae), von dem er weit mehr besaß als selbst alle abendländischen Könige, denn aus Liebe zum Recht. (Chronik VII,23, S.540 Übersetzung A.Schmidt).

Beides zu unterscheiden heißt Machtausübung moralisieren, Sache eines herrschaftsnahen Bischofs.

 

Der Herrschaftsraum ist mit normannischen Kastellen überzogen. Der Annalista Saxo schreibt in seiner Reichschronik von castella vel cohercendis vel defendendis habitatoribus, also davon dass sie, in oder bei Städten liegend, die Einwohner sowohl unterdrückten wie verteidigten. Alexander von Telese lässt Roger II. 1129 sagen: Non enim se urbis illius dominari arbitrabatur, quamdiu arx illa non ei subesse cerneretur. Man kann also Städte nicht ohne Kastell (arx) unter Kontrolle halten.

 

Nach dem Frieden von Mignano vermittelt Bernhard von Clairvaux eine Ehe zwischen Rogers II. Sohn Roger und Elisabeth, der Tochter des Grafen Theobald IV. von Blois und Champagne. Nach dem Tod dieses Roger 1149 kehrt Elisabeth allerdings wieder nach Hause zurück.

 

Seit 1142 gibt es Konflikte mit Innozenz II., weil Roger selbständig Bischöfe in Sizilien ernennt. Deshalb verweigert Nachfolger Coelestin II. Roger die Investitur. Der lässt darauf „von seinen Baronen" Benevent angreifen. Roger entzieht ihnen das Dokument mit der Bewilligung ihrer Freiheiten. Als der Erzbischof von Benevent hilfesuchend zum Papst will, lässt Roger ihn gefangen nehmen. April 1144 treffen sich dann Roger und Lucius II. in Ceprano ergebnislos.

 

1146 gelingt Rogers Truppen die Einnahme von Tripolis und des Ziridenreiches, das sich gegen dieselbe Abgabenlast wie Sizilien selbst verwalten darf. 1147 kann er Korfu besetzen und die griechischen Seehäfen verwüsten. Folgendermaßen beschreibt Niketas Choniates die Plünderung Thebens und Korinths durch: So fiel Roger über das Land des Kadmos her, plünderte im Vorbeimarsch die Dörfer und stürzte sich auf das siebentorige Theben, eroberte es und wütete unmenschlich gegen die Einwohner. Denn seit alters steht die Stadt in dem Ruf, reiche Bürger zu haben, und das reizte seine unersättliche Gier nach Geld. Seiner Habsucht war nichts zu viel; erst dann wolle er Ruhe geben, sagte er, wenn von der Last des Goldes alle Schiffe bis zum Bordrand einsinken. Er presste die Handwerker aus und verschmähte in seiner Kleinlichkeit selbst schmutzige Obolen nicht, er verfolgte die Mächtigen und Vornehmen, ehrwürdige Greise und hochgeachtete Würdenträger mit den verschiedensten Drangsalen, er kannte keine Scham und keine Schonung, er scheute sich nicht, allen ein Abscheu zu werden ... Schließlich ließ er die Heilige Schrift bringen und zwang jeden, dem man seine Wohlhabenheit ansah, in voller Standestracht hinzutreten und seine Vermögenslage unter Eid zu offenbaren; wenn jener eidlich versichert hatte, er habe nichts mehr, durfte er weggehen. Auf diese Weise wurde alles Gold, alles Silber und die golddurchwirkten Gewänder weggetragen und auf die Schiffe verladen. Aber nicht einmal die Leiber jener, denen er das Letzte genommen, schonte Roger, sondern er ließ alle die Vornehmsten festnehmen und wählte alle Frauen aus, die schön und 'tiefgegürtet' waren, die oft im herrlichen Dirkequell gebadet hatten und ihre Haare wohlgeordnet trugen und sich gut auf feine Weberei verstanden. So segelte er von dort ab.

....

Auch von dort schaffte Roger die Schätze auf die Schiffe, führte die vornehmsten Korinther in die Knechtschaft, nahm die schönsten 'tiefbusigen' Frauen gefangen und verschonte nicht einmal das Bild des größten Märtyrers und berühmten Wundertäters Theodoros Stratelates, sondern holte es aus seiner Kirche ... weg. ... Wenn einer damals die sizilischen Schiffe sah, hätte er treffend bemerken können, das seien keine Piratenschiffe, sondern plumpe Lastkähne; denn mit vielen herrlichen Sachen schwer überladen, versanken sie beinahe bis zu den oberen Ruderbänken im Wasser. (deutsch in: Houben, S.90)

 

Die griechischen Seidenweber werden aus Korinth und Theben nach Palermo verschleppt. Daneben arbeiten im königlichen Palast Perlensticker, Emailleure und Goldschmiede unter Aufsicht der königlichen Familie (Hugo Falcandus).

 

Herbst 1149 kann Byzanz Korfu bereits zurückerobern.

 

Im Sommer 1148 wird Mahdia eingenommen. Eugen III. weiht darauf einen Bischof für Ifriquiya. Dabei pflegt Roger in gewissem Umfang religiöse Toleranz bei Förderung der Christen. Mit dem Tod Rogers II. beginnt allerdings bereits die komplette (Rück)Eroberung durch die Almohaden.

 

Papst Eugen III. versucht die Normannen zu isolieren. Petrus Venerabilis wiederum versucht um 1150 vergebens, Roger II. vom Bündnis mit Byzanz abzubringen. Er soll sich vielmehr mit Konrad III. gegen Byzanz verbünden. Das stößt bei Roger auf Granit. Stattdessen baut der seine Beziehungen zu Frankreich aus. Um 1149 heiratet er eine Schwester des Herzogs von Burgund. Nach deren Tod bei einer Fehlgeburt heiratet er Beatrix, Tochter eines lothringischen Grafen. Nach seinem Tod wird Beatrix ihm Konstanze gebären. Thronfolger Wilhelm (I.) wird mit Margarethe, einer Tochter des Königs von Navarra verheiratet. Deren Mutter war eine Tochter des Normannen Gilbert de Perche. Ostern 1151 lässt Roger II. seinen Sohn ohne päpstliche Mitwirkung vom Erzbischof von Palermo zum König salben und krönt ihn offensichtlich eigenhändig.

 

Salernos Aufstieg zum Medizin-Zentrum findet nun beschleunigt statt. Schon in einer der Assisen von Ariano von 1140 bestimmte Roger II., dass Ärzte nur nach Bestehen eines Examens vor königlichen Beamten als Ärzte praktizieren durften, also eine nach damaligen Verhältnissen ordentliche Ausbildung Voraussetzung wurde.

 

Am Hof Rogers II. in Palermo macht Al Idrisi Karriere, dessen Vorfahren aus Andalusien kamen. In der Einleitung seiner Weltbeschreibung heißt es:

Er wünschte ferner die Abfassung eines Buchs, das den Formen und Figuren genau folgte, und auf dieser Grundlage die Beschreibung der Länder und Gebiete bezüglich ihrer belebten und unbelebten Natur, ihrer Lage und Gestalt, ihrer Meere, Berge und Flüsse, ihrer unfruchtbaren und kultivierten Ländereien und agrarischen Produkte, ihrer verschiedenen Arten von Gebäuden, ihrer Besonderheiten und der Tätigkeit der Menschen in diesen Ländern und Gebieten, der Industrien, des Aus- und Einfuhrhandels ... und in welchem der sieben Klimata diese Länder und Gebiete liegen nebst der Erwähnung der Charakteristika der Bevölkerung: ihres Aussehens, ihrer Gemütsart und Religion, ihres Schmucks, ihrer Kleidung und ihrer Sprache. Dieses Buch sollte den Namen erhalten: 'Das Vergnügen dessen, der sich nach der Durchquerung der Länder sehnt'. Und dieses war am 11. Januar ... des Jahres 548. (deutsch in Houben, S.109. Das christliche Jahr ist 1154)

 

Außer Idrisi, von dem auch muslimische arabische Quellen berichten, dass er eine privilegierte Stellung am Hofe Rogers II. innegehabt habe, kommen in einer Anthologie eines Imad al-Isfahani noch sechs arabische Dichter vor, die in Sizilien Roger in Gedichtform loben. Abd ar-Rahman ibn Muhammad ibn Umar aus Butera schreibt: Nur im lieblichen Schatten Siziliens lebt man gut, unter einem Fürstentum, das das der Caesaren degradiert. (in: Houben, S. 113)

 

Die Schriftlichkeit ist am Hof in Palermo überwiegend griechisch, wie auch die überwiegend griechischen Urkunden belegen. Selbst unter lateinische Urkunden setzt der König oft seine griechische Unterschrift. Zuwanderer sind vor allem aus dem Französischen oder anglonormannischen Raum. Houben nimmt an, dass am Hof französisch gesprochen wurde.

 

In der von (Admiral) Georg von Antiochia gestifteten Martorana-Kirche zu Palermo (Sta Maria dell'Ammiraglio) lässt sein Kabinettschef die Krönung Rogers II. durch Christus als Mosaik darstellen: Der König "trägt das Galakostüm des byzantinischen Kaisers, das sich aus der antiken Konsulartracht entwickelt hatte. Sein Hauptbestandteil ist der Loros, eine um die beiden Schultern, die Hüfte und den linken Unterarm angelegte Schärpe, die über der prächtigen, mit Gold und Perlen bestickten Tunika getragen wird. Darunter eine weite, blaue, mit Gold gefasste Tunika als Untergewand. Das Bild wird beherrscht durch die deutlich größere Gestalt des Christus, der dem König eine Pendilienkrone byzantinischen Typs aufsetzt." (Houben, S.120) Pendilien waren Perlenstränge, wie sie zum Beispiel Justinian in geringerer Länge hinter den Ohren trug, während seine Gemahlin Theodora sie länger und vorne vor ihnen herabhängen ließ. Sie bleiben spezifisch für die Kronen byzantinischer Kaiser.

 

Der Alltag des Hofes ist vorwiegend arabisch geprägt. Muslime und Konvertiten vom Islam bilden das königliche Wachpersonal, die Aufseher in der Küche und sind die Ärzte und Astrologen. Der königliche Mantel, der heute in Wien aufbewahrt wird, trägt einen arabischen Text in kufischer Schrift und ist mit einer Palme und zwei Kamele reißenden Löwen geschmückt. Wie bei arabischen Herrschern trägt ein Ritter einen Sonnenschirm, wenn der König ausgeht. An der von den Arabern übernommenen Decke in der Hofkapelle werden arabische Schleiertänzerinnen dargestellt.

 

Eine Quelle von 1190 beschreibt den Königspalast:

Er ist mit bewundernswerter Sorgfalt und Anstrengung aus Quadersteinen erbaut. Außen umschließen ihn ringsum dicke Mauern, innen ist er durch den Glanz von Edelsteinen und Gold ausgezeichnet. Auf der einen Seite begrenzt ihn der Pisaner Turm, der zur Aufbewahrung des Schatzes dient, auf der anderen Seite der griechische Turm, der den Stadtteil Kemonia überragt. Der mittlere Teil des Palastes heißt Joharia; er weist den reichhaltigsten Schmuck und die vielfältigste Ausstattung auf. Dort pflegt der König sich privat aufzuhalten, wenn er Muße und Ruhe sucht. Auf den Rest des Palastes verteilen sich die Wohnungen der Frauen, Mädchen und Eunuchen, die dem König und der Königin dienen. Es gibt auch andere Räume, die fast kleine Paläste sind und gleichfalls durch ihre Ausstattung hervorragen, wo der König vertraulich mit seinem Kronrat Reichsgeschäfte berät oder wohin er die Großen zur Erörterung öffentlicher Angelegenheiten beruft. Auch dürfen nicht jene vornehmen Werkstätten übergangen werden, die dem Palast angeschlossen sind, in denen bunte Seidenstoffe hergestellt werden. (so mit Quellenangabe in Houben, S.130)

 

Königliches Naturinteresse Rogers II. bei Alexander von Talese (III): Danach kommt er nach Alife, um es sich anzuschauen; wobei ihn die Lieblichkeit der Lage und die rings herum sprudelnden Quellen sehr einnahmen (Post hec venit Alifam, ut videret eam; qua visa de ipsius amenitate loci lympharumque circumcurrentium magna abundantia fertur valde sibi complacuisse.)

 

1140 erlässt der König möglicherweise auf einem Hoftag in Ariano östlich von Benevent Assisen, insgesamt 44 Konstitutionen, früher Versuch einer Gesetzessammlung aus Gewohnheitsrechten und königlicher Gesetzgebung, die aber in der "Zuspitzung auf die fast sakrale Person des Königs" (Plassmann) ihren wichtigsten Aspekt erhält.

 

Romuald von Salerno dazu:

Als König Roger in seinem Reich die Ruhe eines vollkommenen Friedens erwirkt hatte, setzte er zur Bewahrung des Friedens im ganzen Land Kämmerer und Justitiare ein, verkündete neu von ihm erlassene Gesetze und schaffte schlechte Gewohnheitsrechte ab. (Rex autem Roggerius in regno suo perfecte pacis tranquillitate potitus, pro conservanda pace camerarios et iustitiarios per totam terram instituit, leges a se noviter conditas promulgavit, malas consuitudines de medio abstulit. Die Manuskripte sind: Der Codex Vaticanus latinus 8782 Der Codex 468 der Bibliothek von Montecassino)

 

Hugo Falcandus: Er ließ die Rechtsgewohnheiten anderer Könige und Völker sehr sorgfältig untersuchen, um für sich zu übernehmen, was er für sehr schön oder nützlich ansah. (Aliorum quoque regum ac gentium consuetudines diligentissime fecti inquiri, ut quod in eis pulcherrimum aut utile videbatur, sibi transumeret.)

 

Am Anfang heißt es:

Wir glauben, dass Gott nichts wohlgefälliger ist, als wenn wir ihm einfach das darbringen, was er selber ist, nämlich Barmherzigkeit und Gerechtigkeit. Mit dieser Gabe nimmt das Herrschertum für sich ein Privileg des Priestertums in Anspruch. Daher nennt ein Jurist die Rechtslehrer Priester des Rechts. Da wir durch seine Gnade die Vollmacht über das Recht und die Gesetze innehaben, müssen wir diese teils erlassen, teils verbessern und sie, da wir Barmherzigkeit erhalten haben, in allem milder handhaben und gütiger auslegen, besonders dort, wo ihre Strenge zur Unmenschlichkeit führt. (in: Borgolte, S.204f)

Das vom König verfügte Recht hat also denselben Wahrheitsanspruch wie päpstliche Eingebungen, die ihnen Gott einredet. Wenn aber das Recht höchstes Herrschaftsinstrument ist, dann setzt das alleinige Gesetzgebungsrecht den Herrscher absolut. Damit wird die kaiserlich-altrömische, byzantinische und muslimische Tradition lückenlos weitergeführt.

 

In der Assise (Vat) 17 'De sacrilegiis' wird die normannisch-sizilianische Despotie in aller Deutlichkeit formuliert:

Es kommt einem Sakrileg gleich, die Urteile, Anweisungen, Taten und Beschlüsse des Königs kritisch zu diskutieren oder darüber, ob derjenige würdig sei, den der König auswählt oder bestimmt. (Est enim par sacrilegio disputare de eius iudiciis, institutionibus, factis atque consiliis, et an is dignus sit, quem ex elegerit aut decernit.)

 

Dazu passt auch Assise 18 des vatikanischen Manuskripts:

Wer mit einem oder mehreren Rittern oder einem Privaten einen frevelhaften Aufstand begeht oder den Schwur zu einem Aufstand leistet oder entgegennimmt oder wer den Tod der erlauchten Personen, die unserem Rat und Konsistorium angehören, plant oder ausführt - das Recht verlangt, dass die Absicht eines Verbrechens mit derselben Strenge bestraft wird wie die Ausführung - soll als Majestätsverbrecher mit dem Schwert hingerichtet werden. Sein ganzes Hab und Gut soll an die Staatskasse fallen und seine Söhne sollen keine Wohltat durch unsere Hilfe oder durch rechtlichen Anspruch erhalten. Der Tod sei ihnen Genugtuung, das Leben die Strafe. Wenn einer der Aufständischen rasch und unverzüglich die Tat aufdeckt, wird er rasch Vergebung und Gnade erhalten. Das Majestätsverbrechen wird auch nach dem Tod des Schuldigen behandelt und bestraft. Das Andenken des Schuldigen wird verdammt, so dass alles, was er vom Zeitpunkt des Verbrechens an vereinbarte, tat und beschloss, ungültig ist und sein ganzer Besitz von den Rechten der Staatskasse in Anspruch genommen wird. Wer einen Verwandten von diesem Verbrechen reinigt, verdient sich dessen Erbe. Unter dieses Verbrechen fallen alle, durch deren Rat Geiseln entfliehen, Bürger zu den Waffen greifen, Aufstände erregt werden, Aufruhr entsteht, Beamte getötet werden, das Heer verlassen wird, man zum Feind überläuft, ein Verbündeter verraten wird, mit Arglist der Keil der Schlachtordnung gespalten wird, im Krieg die Flucht ergriffen wird, eine Burg aufgegriffen wird, den Verbündeten die Hilfe verweigert wird und ähnliches, wie wenn Ratschläge des Königs ausspioniert, heimlich übermittelt oder bekannt gemacht werden, und wer Feinde des Königs aufnimmt und ihnen wissentlich das Geleit gibt. (so in: Houben, S.145)

 

Assise (Vat) 25 'De officialibus publicis' schützt die Beamten vor Beleidigungen, vergibt aber zugleich auch für Bestechung oder Unterschlagung Strafen: Die Qualität der Person macht das Verbrechen schwerer oder leichter. Beamte des Staates oder Richter, die während der Zeit ihrer Amtsverwaltung Staatsgelder unterschlagen, werden mit dem Tode bestraft, wenn nicht die Gnade des Königs dazwischentritt. (so in: Borgolte, S.205)

 

Zuständig sieht sich der König für Mord, Einbruch, größere Diebstähle, Straßenraub, Vergewaltigung, angezeigten Ehebruch. So gibt es 'De pupillis et orphanis' (lat. und griech. für Waisen, das eine betrifft wohl dann Witwen) und 'De coniugiis legitime celebrandis' (27):

Quoniam ad curam et sollicitudinem regni pertinet leges condere, populum gubernare, mores instruere, pravas consuetudines extirpare, dignum et equum visum est nostre clementie, quamdam pravam consuetudinem, que quasi clades et lues usque per diuturna tempora partem nostri populi perrependo pervasit, edicti nostri mucrone decidere, ne liceat vitiosas pullulas de cetero propagare. Absurdum quippe moribus, repugnans sacrorum canonum institutis, christianis auribus inauditum est, matrimonium velle contrahere.

 

Über den Ehebruch heißt es:

Mit Rücksicht auf die Gnade, der wir alles verdanken, verfügen wir durch dieses allgemeine Gesetz, dass, wenn den von uns eingesetzten Richtern eine Anklage wegen Ehebruch oder Vergewaltigung vorgebracht wird, sie mit ungetrübtem Auge die Person betrachten, die soziale Stellung berücksichtigen, Alter und Absicht ausfindig machen, d.h., ob sie die Tat vorsätzlich oder absichtlich oder aus der Leichtfertigkeit des jugendlichen Alters begangen haben oder in sie hineingeglitten sind; ob sie arm oder vermögend sind, ob sie durch Leichtsinn angetrieben wurden oder durch sehr großen vom Ehemann zugefügtem Schmerz. Nachdem all dies untersucht und überzeugend nachgewiesen worden ist, soll ein milderes oder härteres Urteil gefällt werden. Eine so ausgeübte Gerechtigkeit steht nämlich im Einklang mit der göttlichen Gerechtigkeit. Denn uns kann jener göttliche Ausspruch nicht (entgehen): Für euch wird derselbe Maßstab angelegt werden, mit dem ihr gemessen habt. Nachdem also die Härte der Gesetze gemindert worden ist, soll nicht wie einst das Schwert verwendet werden, falls sie aus der entehrten Ehe oder einer vorherigen keine ehelichen Nachkommen hat. Es ist ungerecht, diejenigen um die Erbschaft zu bringen, die während der Zeit, als die Gesetze des Ehebetts rechtmäßig eingehalten wurden, geboren sind. Oder vielmehr ist sie dem Ehemann zu übergeben, der aber keineswegs so wüten soll, dass sie in Lebensgefahr kommt, sondern als Rache für das entehrte Ehebett durch die Verstümmelung der Nase, die ziemlich grausam und grässlich abgeschnitten werden soll. Darüber hinaus dürfen werden der Ehemann noch die Verwandten wüten. Wenn aber der Ehemann an ihr keine Rache üben will, lassen wir eine solche Übeltat nicht ungerächt und befehlen die öffentliche Auspeitschung. (...) Ausgenommen von der strengen gesetzlichen Vorschrift über Ehebruch und Vergewaltigung sind diejenigen Frauen, die aufgrund ihrer niedrigen Lebensverhältnisse zur Beachtung der Gesetze nicht fähig sind. (im Deutsch von Houben, S.147f)

 

Außer in Kalabrien, direkt mit der Insel verbunden, fehlt in Süditalien zunächst eine direkte Zentralregierung, stattdessen verwalten dort die Söhne Reichsteile, in denen Kirchen, Barone und Städte größere Rechte besitzen. Sizilien und Kalabrien aber werden direkt vom Hof aus verwaltet.

 

Roger II. macht Palermo zur Residenz und Hauptstadt des neuen Königreichs, in der die geistlichen und weltlichen Würdenträger zunehmend Wohn - und Grundbesitz erwerben. Hier entstand allmählich eine zentrale Regierung, die curia regis hoher Geistlicher und Adeliger, Beamter und Verwandter, deren engsten Kreis er als Familiaren benennt. Der amiratus, ursprünglich nur Gouverneur der Stadt Palermo, dann für die Finanzen auf Sizilien zuständig, wird bald eine Art Vorsitzender. Nach der Errichtung des Königreiches nahm Georg von Antiochia den Titel eines "Großadmirals" (magnus ammiratus), "Admirals der Admirale" (ammiratus ammiratorum) oder "Obersten der Oberen" (árchon tón archónton) an. In arabischen Quellen wird er als "Premierminister" (wazír, Wesir) bezeichnet. Er kommandiert auch die königliche Flotte, während der Oberbefehl über das Landheer dem amiratus Johannes übertragen ist. Daneben tritt ein Kanzler, dessen Kanzlei sich noch überwiegend des Griechischen bedient.

 

Um 1140 entsteht eine speziell für das Königsgut und die Erhebung der Abgaben und Lehen zuständige Kammer als Behörde mit dem arabischen Namen ad-diwan al-ma'mur, was wörtlich übersetzt "das von Leben erfüllte Amt" bedeutet (lateinisch doana). „Hier wurden die Hörigenlisten ... und die sowohl die Domänen als auch die Lehen betreffenden Landregister ... aufbewahrt." (Houben, S.153) Diese Kämmerer, meist konvertierte Muslime, "beaufsichtigten das Krongut, zogen die Abgaben von Domänen und Lehen für den Fiskus ein und übten Zivilgerichtsbarkeit in den Städten." (Borgolte, S.204)

Vornehme Adelige als Justiziare haben die hohe Strafgerichtsbarkeit inne und verhandeln in Lehnskonflikten. Unter Wilhelm II. werden sie feste Amtsbezirke erhalten.

 

"Unter Roger und seinen Nachfolgern wurden die Grundlagen gelegt für die Ausbildung eines für das Mittelalter neuen Typs des Staatsdieners, des Beamten. Der Beamte sonderte sich von der feudal organisierten Gesellschaft als Träger staatlicher Funktionen ab. Sein Amt war befristet, er musste eine bestimmte Kompetenz nachweisen und schriftlich Rechenschaft ablegen. Dafür wurde er vom Staat besoldet und hatte eine besondere Rechtsstellung, die ihn aus der feudalen Gesellschaft heraushob." (Houben, S.160)

 

Alexander von Talese:

Über alle Einnahmen und Ausgaben seiner Schatzkammer ließ er Buch führen. Es gab keinen Eingang und Ausgang, den er nicht schriftlich festhalten ließ. ... Er zahlte tatsächlich pünklich den Soldaten ihren Sold... Weil aber vertraulicher Umgang gewöhnlich Mangel an Respekt bewirkt, hielt er sich öffentlich und privat mit Vertraulichkeit, Leutseligkeit und Liebenswürdigkeit zurück, so dass man nie aufhörte, ihn zu fürchten. Die Furcht vor ihm hatte die gute Folge, dass ... Recht und Frieden herrschten...

 

Hugo Falcandus:

Der aufgeweckte Geist dieses Mannes strebte stets nach höherem und ließ einen Platz für schlaffe und träge Muße... Schließlich bemühte er sich, die für ein neues Königtum notwendige Härte der Justiz auszuüben und Friedens- und Kriegszeiten miteinander abzuwechseln, so dass es unter den Königen und Fürsten seiner Zeit keinen gab, der ihm, dem keine Tugend fehlte, gleichkam. Einige nennen zwar seine Werke Tyrannei und ihn selber unmenschlich, weil er vielen ziemlich schwere und in den Gesetzen nicht vorgesehene Strafen auferlegte... Er starb durch verfrühtes Altern, weil er sich einerseits übermäßige Anstrengungen zugemutet hatte und andererseits sich häufigeren Geschlechtsverkehr angewöhnt hatte, als es der Gesundheit zuträglich war. (deutsch in Houben, Roger II., S.181)

 

Der dem König wohlgesonnene Romuald von Salerno schreibt:

Im Geldeinnehmen war er sehr eifrig, im Ausgeben nicht besonders großzügig. ... Von seinen Untertanen war er mehr gefürchtet als geliebt, den Griechen und Sarazenen flößte er Schrecken und Furcht ein. (deutsch in: Houben, S.182)

 

Es kommt zum Rückgang Amalfis wegen des fehlenden Contado. Außerdem gehen Entwicklungen im Schiffsbau und Bankwesen an ihnen vorbei. In vielen Städten Süditaliens findet man Ansiedlungen von "Amalfitanern", wobei es sich oft um aus Ravello stammende Kaufleute handelt, die sich allmählich im Bankwesen spezialisierten. und später, nach den Wirtschaftsreformen Friedrichs II.(1231/1232), eine wichtige Rolle in der Finanzverwaltung des Königreiches spielen sollten.

 

Nutznießer des "Niedergangs" Amalfis wird Salerno, das im 12. Jahrhundert dank der Aktivität von eingewanderten Amalfitanern und Kalabresen sowie der hier schon länger ansässigen Juden zur bedeutendsten Stadt auf der süditalienischen Halbinsel aufsteigt. (Houben)

 

Die Söhne Rogers II. erhalten das Herzogtum Apulien, das Fürstentum von Bari und Traent und das Fürstentum Capua als Lehen. Geschätzt wird, dass in Apulien und Kampanien nur ein Sechstel des Landes als Lehen herausgegeben wird. Der Rest bleibt in der Hand der Städte und Gemeinden.

"Auch die nach 1145 neugeordneten Grafschaften wurden an Verwandte des Königshauses ausgegeben. Die Grafen waren direkte Lehnsleute des Königs. Innerhalb der Grafschaften, die nicht immer zusammenhängende territoriale Einheiten bildeten, sondern auch aus verstreuten Herrschaften bestehen konnten, übten sie weitgehende Herrschaftsrechte aus. Im Kriegsfall stellten sie eigene militärische Kontingente, über die sie das Kommando hatten. Von ihnen war eine Reihe kleinerer Vasallen abhängig. Das königliche Heer bestand aus dem Lehnsaufgebot der Vasallen (milites) und von diesen besoldeten Rittern (milites stipendiarii), die einen zeitlich begrenzten Militärdienst, in der Regel 40 Tage, leisteten. Daneben gab es das direkt vom König besoldete stehende Heer aus Rittern, Hilfstruppen (servientes) und Fußvolk (pedites), darunter muslimische Bogenschützen. Die Kastelle in den größeren Städten hatten dauerhafte, überwiegend muslimische Besatzungen." (Houben)

 

In der Chronica de Ferraria heißt es:

Cuius regni ingressus idem rex sic munivit, quod vix posset aliquis illic ingredi contra eius libitum. Nam clausus est idem regnum aut fluminibus, que nisi per pontes transi(ri) non possunt, aut montibus, quorum valles clausit muris. Per ceteras vero partes habet maria, quorum (h)ora(s) (Küsten) munivit turribus aut custodibus, ut, si superveniret super maria navalis exercitus, per fanones apparentes (Leuchtzeichen) (in: Houben, S.158)

 

Die Sizilien vor den Staufern

 

Februar 1154 stirbt Roger II. Hugo Falcandus schreibt:

Er hat eine mehr als gute sexuelle Anstrengung des Körpers betrieben (tum immensis attritus laboribus, tum ultra quam bona corporis exigeret valetudo rebus assuetus veneriis, immatura senectute consumptus, cessit in fata). Immerhin hinterlässt er seinem Nachfolger eine gefüllte Staatskasse, prächtige Paläste und einen für seine Zeit effizienten Verwaltungsapparat.

 

Hadrian IV. erkennt die Krönung Wilhelms I. nicht an. Damit sind Konflikte vorprogrammiert. 1155 ist Wilhelm in Salerno, um die Verteidigung gegen einen Angriff aus dem Norden zu organisieren. Auf die Nachricht vom Italienzug Barbarossas organisiert Robert II. von Basunvilla, Herrscher in Conversano und Loritello, einen Aufstand, der sich gegen Wilhelms Versuch richtet, die königliche Macht auf dem Festland zu intensivieren. Byzanz gibt den Aufständischen Geld und Truppen. Hadrian IV. zieht mit dem greisen Robert von Capua und anderen nach Benevent.

 

Ende 1155 erkrankt Wilhelm I., und auf das Gerücht seines Todes geht ihm ganz Süditalien vorwiegend an byzantinische Truppen verloren, bis auf die Festungen Neapel, Amalfi, Salerno, Troia und Melfi. Zudem kommt es zu einer Revolte in Butera. Während der Krankheit des Königs organisiert Maio von Bari die Gegenwehr, der seit 1154 ammiratus ammiratorum ist. Er wird sich damit nicht beliebt machen.

 

Im Frühjahr 1156 gelingt dann der Gegenangriff Wilhelms, Bari wird entvölkert und plattgemacht bis auf die Nikolaus-Basilika. Er zieht bis nach Kampanien, wo Robert von Capua gefangen genommen wird. Juni 1156 ist Benevent eingeschlossen und Papst Hadrian IV. sieht sich zum Einlenken gezwungen. Im Vertrag von Benevent vom selben Monat noch unterwirft sich Wilhelm als Lehnsmann, behält aber die volle Kirchenhoheit über Sizilien, in Süditalien hingegen werden Appellationen an den Papst, päpstliche Legaten und Konzile gestattet. Der König stützt sich nun zunehmend auf seine Kirche. Für die Päpste wird er andererseits zu einem wichtigen Verbündeten gegen Barbarossa.

 

Der am Hof wohlgelittene Gelehrte Heinrich Aristippus an einen englischen Freund über dessen Abreise aus Sizilien:

...wenn ich dir alles gab, kannst du mir den König Wilhelm geben? Auf dem ganzen Erdkreis gibt es nicht einen, der sich mit ihm messen kann, dessen Hof eine Schule ist, dessen Gefolge ein Gymnasium, dessen einzelne Worte philosophische Aphorismen, dessen Fragen unlösbar sind, dessen Lösungen nichts unerörtert lassen, dessen Eifer nichts unversucht lässt, dessen Herrschaft Sizilien, Kalabrien, Lukanien, Kampanien, Apulien, Libyen und Afrika applaudieren, dessen siegreiche Rechte Dalmatien, Thessalien, Griechenland, Rhodos, Kreta, Zypern, Cyrenaica und Ägypten spüren, dessen so weit berühmte Taten jener große Roger, sein Vater, zu noch hervorragenderen und glänzenderen machte. ... (Deutsch in: Houben, S.105)

 

Aristippus übersetzt als erster Platons 'Menon' und 'Phaidon' ins Lateinische, zuvor gab es nur eine problematische lateinische 'Timaios'-Tradition.

 

Es kommt zu neuen Aufständen des Adels zwischen 1060 und 1062. Gleich am Anfang wird der Palast von Palermo erstürmt, die Schatzkammer geplündert, die Eunuchen, Muslime, Maio von Bari und der älteste Königssohn werden ermordet und der König zeitweilig gefangengesetzt. In dieser Zeit gehen die nordafrikanischen Besitzungen wieder verloren, während es auf Sizilien zu Ausschreitungen gegen die Muslime kommt. (Stürner, S.31)

 

Schließlich gelingt es dem König, den Aufstand brutal niederzuschlagen.

 

1166 Tod Wilhelms I. im Alter von 45 Jahren. Es kommt zur Regentschaft der Margarethe von Navarra für den zwölfjährigen Sohn. Sie stützt sich auf ihren Vetter Stephan von Perché und andere Franzosen. Während der Regentschaft soll ihr Bruder das Amt des Kanzlers abgelehnt haben, weil er der Francorum lingua nicht mächtig sei. Bei Hugo Falcandus heißt das: Francorum se linguam ignorare, que maxime necessaria esset in curia. (Houben, S.114)

 

1168 setzt der Adel die Verbannung Stephans durch. Die Regierung gerät in die Hände des salernitanischen Notars Matthaeus von Aiello und des palermitanischen Kanonikers und Erziehers von Wilhelm II. Walter. 1169 begnadigt Margarethe Tancred und setzt ihn in Lecce ein. Wird magnus comestabulus et magister iustitiarius totius Apuliae et Terre Laboris.

 

1171 ist dann Beginn der Regierung Wilhelms II., der 1177 (im Jahr des Friedens von Venedig) die Tochter König Henrichs II., Johanna heiratet, und nun Schwager von Richard Löwenherz und Alfons VII. von Kastilien ist. Seit 1074 lässt er das Kloster Monreale erbauen. Er wendet sich zunehmend gegen das geschwächte Byzanz, und dem soll auch der 1184 geschlossene Heiratsvertrag Konstanzes, der "nachgeborenen" Tochter Rogers II., mit Heinrich (VI.) dienen. Auf einem Reichstag in Troia wird wegen der Kinderlosigkeit des sizilischen Paares der Adel auf eine eventuelle staufische Nachfolge eingeschworen.

 

Ein militärischer Vorstoß 1085 endet aber vor Konstantinopel mit einer Niederlage. Immerhin wird im August 1185 Thessaloniki eingenommen und unter der Bevölkerung grausam gewütet.

 

Das Festland wird zunehmend, in Provinzen aufgeteilt, durch königliche Justitiare und Kämmerer verwaltet, unter denen Baiule vor Ort die Abgaben einziehen und die lokale Gerichtsbarkeit ausüben lassen. Die oberste Gerichtsbarkeit auf der Insel und in Kalabrien übt eine magna curia aus.

 

Im wesentlichen überlassen die letzten beiden Könige laut Stürner die alltäglichen Regierungsgeschäfte Familiaren: „Zu verführerisch lockte sie das orientalisch-luxuriöse Leben des Palastes mit seinen erlesenen Genüssen, dem Heer der Hofbeamten, der Garden und der Dienerschaft unterschiedlichster Rasse und Stellung, dem Harem, den Werkstätten der Seidenweber und Goldschmiede, nicht zu reden von der angenehmen Abwechslung und Bereicherung der sommerlichen Ausflüge zu den königlichen Schlössern rund um Palermo, deren Zahl sie selbst durch glanzvolle Bauten wie La Cuba oder La Zisa noch vergrößerten und in deren Umgebung prächtig gepflegte Gärten und weite Parkanlagen mit Tiergehegen, Pavillons, künstlichen Seen und Inseln jede erdenkliche Kurzweil boten.“ (S.33) Auf der Zisa ist auf arabisch geschrieben: Dies ist das Paradies auf Erden, welches sich den Blicken öffnet.

 

Etwas unterhalb der königlichen Ebene beschreibt Ibn Gubair Palermo 1185 folgendermaßen:

Es ist eine alte, elegante Stadt, prächtig und graziös, verführerisch anzusehen. Mit ihren offenen Höfen und freien Plätzen wirkt sie wie ein einziger Garten. Die breiten Straßen und weitläufigen Alleen verwirren das Auge durch ihre Schönheit und Vollendung. Staunen erregen ihre im Stile Córdobas errichteten Bauten: alle Häuser sind aus weißem behauenem Kalkstein (… in: Staufer und Italien, S.178). Ganz Sizilien fließt über von den Anbetern des Kreuzes, aber die Muslime leben mit diesen auf ihren Ländereien und ihren Werkstätten: sie werden von den Christen gut behandelt, die sich ihrer bedienen, um sie für sich arbeiten zu lassen. (in: Borgolte, S.196) Laut Ibn Gubair herrscht Glaubensfreiheit, Die Muslime von Palermo sorgen für die Erhaltung eines Großteils der Moscheen, verrichten ihr Gebet beim Aufruf des mu'addin, sie besitzen Bezirke, in denensie mit ihren Familien wohnen, ohne sich mit den Christen zu vermischen. (...) Die anderen Moscheen sind so zahlreich, dass man sie nicht zu zählen vermag. Der Großteil dient denjenigen als Schulen, die den Koran unterrichten. (in: Borgolte, S.262) Für seine sexuellen Bedürfnisse bediene sich König Wilhelm im wesentlichen muslimischer Mädchen.

 

Nov. 1189 stirbt Wilhelm II. mit 36 Jahren. Es kommt sehr schnell, im Januar 1190, zur Wahl Tankreds von Lecce, des unehelicher Sohnes von Herzog Roger, eines verstorbenen Sohnes von Roger II. In den Annales Cesinenses (314) heißt es:

Tancredus comes Licii, qui apud Troiam cum quibusdam aliis iuraverat fidelitatem Constantiae uxori Henrici regis Theutonicorum et filiae quondam regis Roggeris, panormum vocatus a magnatibus curiae, de assensu et favore curiae Romanae coronatur in regem mense ianuarii.

 

Tankred konfisziert Johannas Witwenbesitz und schränkt ihre Bewegungsfreiheit ein. Schließlich hält er sie in Palermo gefangen, von wo Richard Löwenherz im September 1190 ihre Freilassung erzwingt.

 

 

Spanien in den Kernzeiten der Reconquista (11.-12.Jh.)

 

Als Almansor 1002 stirbt, hat er längst den Kalifen unter Hausarrest dazu "bewegt", seinen Sohn zu seinem Nachfolger als Hayib zu ernennen. Dieser wiederum veranlasst Hisham, der kinderlos bleibt, ihn zu seinem Nachfolger zu erwählen. Damit wird das dynastische Prinzip der Omeya-Familie abgebrochen, das Kalifat von Cordoba wird auf eine andere, "illegitime" Familie übergehen. 

 

Die fehlende Legitimität einer Abkunft von der Familie des Propheten löst Empörung aus, und Seitenlinien der Omeya-Familien beginnen zu kämpfen. Al-Andalus bricht in bislang nicht dagewesener Weise auseinander. Araber benennen die nun sich über einen langen Zeitraum hinziehenden Bürgerkriege fitna, eine dem Jüdischen verwandte Vorstellung von göttlicher Strafe bei Bruch des Vertrages mit dem einzigen Gott. Ein besonders frommer Prätendent nennt sich Al-Mahdi, eine Art Retter oder Heiland. Cordoba wird immer wieder von neuen Leuten belagert, eingenommen und erneut bedroht. In dieser Zeit beginnen die weiter zunehmenden Berbertruppen verstärkt, an der Stelle des Soldes Land für die Ansiedlung zu verlangen. Ganze Regionen werden von zuvor arabisiertem und islamisiertem neuem Militär"adel"  unter Berberherrschaft gestellt. Aber auch diese neuen Herren sind wie alle, die nicht aus Europa stammen, eine kleine Minderheit im Lande.

 

Innerhalb von wenigen Jahren zerfällt Al-Andalus in sogenannte Taifas, einzelne islamische Fürstentümer, die sich gegenseitig bekämpfen und dafür auch christliche Reiche als Bundesgenossen suchen. 1031 beschließt eine Versammlung der Großen des islamischen Herrenvolkes, welches sich inzwischen aus Arabern, Berbern und als Soldaten importierten islamisierten "Slawen" zusammensetzt, in Cordoba, das Kalifat abzuschaffen: Als die Dynastie der Amiriden an ihr Ende kam und das Volk ohne Imam zurückblieb, erhob sich jeder Führer in seiner Stadt, verschanzte sich, auf seinen Vorteil bedacht, in seiner Burg, warb Soldaten an und hortete Geld; untereinander aber bekämpften sie sich bis aufs Blut und jeder mißgönnte dem Anderen das Seine. (Abdallah al-Ziri in: Borgolte, S.177f) Was hier betont wird, ist die fehlende religiöse Begründung der neuen Herren.

In einer muslimischen Quelle heißt es, sie erlauben ihren Heeren, auf den Wegen der Regionen, gegen deren Einwohner sie im Krieg sind, Überfälle zu machen, wobei sie indirekte wie die Person betreffende Abgaben den Muslimen aufhalsen und geben den Juden das Recht, auf den Hauptwegen der Muslime die Kopfsteuer und den Tribut mit der Ausrede einzufordern, dass sie dazu eine Notwendigkeit brächte, die dem nicht erlaubt sei, dem es Gott selbst verboten habe. (Quelle in: Manzano, S.813)

 

In unterschiedlichen Bündnissen gelangen in dieser Zeit Heere christlicher Herrscher mehrmals bis in die Stadt Córdoba. Damit beginnt der Jahrhunderte dauernde Untergang von Al-Andalus, der 1492 mit der Einnahme von Granada abgeschlossen wird. Ein neues Spanien (und Portugal) entsteht.

 

Taifas wie Sevilla oder Denia sind selbständige islamische Stadtstaaten oder Fürstentümer, die oft von einer wichtigeren Stadt aus das umliegende Gebiet beherrschen. Der Machthaber von Denia ist einer der ersten, der dann auch veranlasst, eigene Münzen zu prägen.1014 erobert er die Balearen und scheitert dann mit einer Flotte von 120 Schiffen bei der Eroberung von Sardinien an den vereinten Kräften von Genua und Pisa.

 

Erster Nutznießer der Auflösung der islamischen Zentralmacht ist Sancho III. von Navarra, der dabei sich auch die Grafschaft Kastilien von León einverleibt. 1037

 

Es ist derzeit modisch, das Wort reconquista abzulehnen, da es zu geringe Sympathien für den Islam ausdrücken soll. Tatsächlich sahen sich die christlichen Reiche jenseits vom sich nun bald Katalonien nennenden Machtbereich und von Teilen Aragons, von fränkisch beeinflussten Zonen also, als Nachfolger des Visigotenreiches an. Die gotische Rechtsordnung, die im 10. Jahrhundert auch wieder in Navarra in Buchform veröffentlicht wird, entwickelt sich nur langsam weiter, und frühe Herrscher führen ihre Dynastien auf visigotische Heldengestalten zurück. Dass es kein gemeinsames Reich mehr gibt, liegt wohl auch daran, dass sich neue Herrschaften aus nuclei alter Städte weit voneinander entfernt entwickeln, wie Astorga, Pamplona oder Barcelona.

 

Was sich massiv ändert, sind die Herrschaftsformen, die vom Wahlkönigtum zum dynastischen übergehen, und dann wie bei den früheren Franken zunächst Erbteilung des Machtraumes betreiben. Wenn so Sancho ("El Mayor") bei seinem Tod 1035 Pamplona (Navarra), Kastilien und Aragón zusammengerafft hat, gibt er seinem erstgeborenen Sohn García Sánchez das Königreich Pamplona, den Kern Navarras, Fernando ("El Magno") die Grafschaft Kastilien und die Grafschaft Aragón an den illegitimen Ramiro I.. Dessen Halbbruder ermordet bald darauf Ramiro, um sich Aragons zu bemächtigen. Fernando verbündet sich mit García Sánchez gegen seinen Vetter Vermudo, König von León, der 1037 in der Schlacht stirbt. Damit wird er zu Fernando I, König von Kastilien/León, und darauf nennt sich der Aragonese ebenfalls König. Fernando dehnt sein Reich nach Süden bis über den Duero hinaus aus, wobei er sich auch vier große Taifareiche tributpflichtig und sich besonders Zaragoza zum Verbündeten macht. 

Nach einer erneuten Reichsteilung  gelingt es Alfons VI. von Kastilien als Mörder seines Bruders, seines Vetters und Schwagers und seines Halbbruders das Reich seines Vaters bis 1072 wieder zu vereinigen.

 

Im 11. Jahrhundert mit seiner Friedensbewegung insbesondere in der ehemaligen spanischen Mark wird aber zunehmend die bedrohliche Instabilität durch Brudermord, Gewalt und Totschlag erkannt. "(...) las relaciones feudales fueron sustituyendo paulatinamente a los vinculos de sangre" (Manzano, S.274f).  Vasallitische Beziehungen ersetzen die verwandtschaftlichen etwas. So wird 1063 der Aragonese Vasall des navarresischen Königs. Innnerhalb der Königreiche wiederum werden die Großen zu Vasallen der Könige. 

 

Frieden durch Aufrichten von Herrschaft funktioniert aber nur sehr langsam. Als Fernando II 1065 in León begraben wird, erhalten seine drei Söhne die neuen Königreiche Galizien, León und Kastilien. García wird darauf von seinen beiden Brüdern militärisch geschlagen und ins Gefängnis geschickt. Danach besiegt Sancho von Kastilien Alfonso von León und wird König aller Reiche. Alfonso muss zu der Taifa von Toledo fliehen. Als Sancho dann seine aufmüpfige Schwester Urraca in Zamora belagert, welches sie geerbt hatte, wird er ermordet. Darauf kehrt Alfonso aus Toledo zurück und erbt 1072 das ganze große Reich.

 

Wenige Jahre später, 1076, wird König Sancho García IV. von Navarra ermordet und sein Vetter will die Regierung übernehmen. Darauf unterwirft sich ein Großteil des navarresischen Adels dem König von Aragón und ein weitererTeil dem Kömniog von Kastilien/León. Der Name des Königreiches geht bei dieser Teilung in der Grafschaft Navarra auf.

In Kastilien/León beginnt immerhin eine dauerhaftere Herrschaft unter Alfonso VI, nachdem der einen Bruder eingesperrt hat, ein anderer im Kampf fällt und zwei Onkel ebenfalls. Er kann Granada durch einen Vorstoß bis an die Grenze trbutpflichtig machen. Nach der Eroberung von Toledo 1085 lässt er sich als Toletanii imperii rex et magnificus imperator, als totius Espanie imperator oder als Adefonsus Imperator super omnes Hispaniae nationes constitutus bezeichnen (Borgolte, S.150). Spanien ist hier ein (angemaßter) umfassender Herrschaftsraum mit unterschiedlichen Völkern. 

In den nächsten Jahrzehnten gelingt es Al-Andalus allerdings, einen weiteren Vorstoß christlicher Reiche aufzuhalten.

 

Die Entstehung des lateinisch-christlichen neuen Spaniens erinnert also in manchem an nachgeholte Entwicklungen der fränkischen Merowinger- und Karolingerzeit. Was weiterhin herausfällt ist dabei Al-Andalus, wobei die Taifazeit eine Weile mit ihren vielen eher instabilen Fürstentümern noch einmal eine Sonderrolle spielt. Ohne Kalifat entwickeln diese vielen mehr oder weniger despotischen Potentaten höfische Gesellschaften, in denen Reichtum, Lebensgenuss und Lockerung des religiösen Rigorismus möglich werden. Das alles wird dabei mit drakonischen Abgaben der Untertanen erzwungen. Besonders wird sich in vielerlei Hinsicht die Dynastie der Ziriden in Elvira (Granada) auszeichnen. Manzano zitiert einen Poeten dieser Zeit aus der Gegend von Huelva: Der Tod des Menschen ist ein Geheimnis, dass man nicht enthüllen konnte und keine Kenntnis hat feststellen können, was er wirklich ist. (...) Nimm dir also, was du magst: Armut ist eine Fessel, lebe, wie du magst: Der Tod ist das Ende. (In: Manzano, S.281)

 

Neben solchen schlichten, aber immerhin areligiösen Weisheiten lässt sich vermuten, dass die Verarbeitung griechisch-römischer Philosophie, Medizin etc. in solchen Kreisen einen gewissen Aufschwung nimmt. Aber ein neuer Schub puritanischen Islams beginnt das alles von Marokko aus wieder zu bedrohen: Die Almoraviden nutzen eine religiöse Reformbewegung für ihre machtpolitischen Zwecke und wirken auch deshalb ins islamische Spanien hinein, weil die christliche Reconquista in genau dieser Zeit an Schwung gewinnt, was die Menschen an den großen Tributen erkennen, die Taifas an die christlichen Reiche zahlen und die ebenfalls aus der Bevölkerung herausgepresst werden müssen.

 

Gründer der Bewegung soll ein Ibn Tumart sein, der aus dem ländlichen Raum des von Berbern bewohnten Anti-Atlas ganz im Südwesten Marokkos stammt. Er bricht eines Tages auf zu einer Bildungsreise nach Cordoba, nach Alexandria, Bagdad und Damaskus, für ihn wohl gipfelnd in einem Besuch Mekkas. Zurück formuliert er ähnlich wie derzeitige Strömungen im Christentum die Notwendigkeit der Existenz eines Gottes, die absolute Verschiedenheit von Schöpfer und Schöpfung und verbindet das folgerichtig mit der legendären Voraussage des Propheten, dass fünf Jahrhunderte nach seiner Hedschra nach dem späteren Medina eine besonders sündige und verdorbene Zeit (in der islamischen Welt) anbrechen würde, die dann ein großer Reformer wieder reinigen könnte. Viele Mahdi-Vorstellungen des Islams von einem religiösen und politischen Helden des Islam beruhen darauf.

 

Ibn Tumart zieht dann in Nordafrika als Prediger herum, besorgt das Zerbrechen von Weinkrügen und Musikinstrumenten, lässt Leute verprügeln, die sich im Ramadan schmuckvoll bekleiden oder die Augen ummalen und insbesondere Frauen, die ihr Gesicht nicht verhüllen. Nach einem Besuch in Marrakesch erklärt er sich zum Mahdi und Nachkommen Mohammeds und ruft den heiligen Krieg aus, unterstützt vor allem von Berbern. Sein Nachfolger nach seinem Tod 1130 erobert 1147 Marrakesch, vernichtet die dortige Almoravidendynastie und erklärt sich zum Kalifen. Bald danach erstreckt sich seine Herrschaft auch über das heutige Algerien und Tunesien.

 

Im muslimischen Spanien sind es (manchmal aus Nordafrika importierte) Soldaten, die Krieg führen, in den christlichen Reichen entwickelt sich ähnlich wie in den beiden Frankenreichen und im normannischen England eine eigenartige Mischung aus Rittertum und Söldnertum, die nicht zuletzt diejenigen nicht erstgeborenen Söhne eines niederen Adels erfasst, der mit Primogenitur und Dynastiebildung jetzt zu einer neuen Adelsschicht heranwächst. Bevor sie gänzlich zu bezahlten Militärs zu Pferde werden, sind sie manchmal Abenteurer, die ihr Glück in der Ferne mit den Waffen suchen.

 

Dank eines Heldenliedes wird einer dieser Leute, Rodrigo Diaz de Vivar unter dem Beinamen El Cid berühmt. Als kleiner infanzón heiratet er materiell günstig, und versucht durch die üblichen edlen Gewalttaten Karriere zu machen. Nachdem er seine Dienste erst Sancho gegen dessen Bruder Alfonso VI von Kastilien/León anbietet, lässt er sich dann vom muslimischen Herrscher von Zaragoza für fünf Jahre anheuern, und kämpft dann auch gegen katalanische Kontingente. Mit der so zusammengerafften Beute kann er ein eigenes größeres Heer bezahlen und sich eine eigene Herrschaft in und um Valencia aufbauen.

 

Wie das so geschieht, wird im Lied von El Mio Cid deutlich gesagt: Mio Cid Ruy Díaz - por las puertas entrava. / en mano trae - desnuda el espada / quinze moros matava - de los que alcancava / ganó a Castejón - e el oro e la plata. ( Er ritt durch die Tore, mit dem bloßen Schwert in der Hand, tötete von den Mauren, die ihm entgegenkamen, fünfzehn, und gewann so Castejón und sowohl das Gold wie das Silber.)

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Solche zwischen christlichen und muslimischen Herrschern alternierende Ritter gibt es damals recht viele, aber der durchgehende Zug der Zeit ist die Ausweitung der Macht der christlichen Reiche. Zwar kann dieser Cid kurz auch einmal den Grafen von Barcelona besiegen, aber der erholt sich davon wieder: Die islamisch beherrschten Tortosa, Zaragoza, Lérida und Denia werden ihm gegenüber tributpflichtig. Dieser Ramón Berenguer vergibt gelegentlich zu erobernde Gebiete an zukünftige Vasallen wie den Vizegrafen von Narbonne, dem Tarragona zur Eroberung anvertraut wird.

 

Zu der Entwicklung stabilerer Herrschaftsformen trägt auch die sogenannte Friedensbewegung bei, deren großer Förderer der aus gräflicher Familie stammende Abt Oliba von Santa Maria in Ripoll (Katalonien) nach 1022 wird. Sie breitet sich schnell auch über das mit Katalonien verbundene Roussillon aus, hat aber Wirkung nur dort, wo sie von hohen Herren abgestützt wird.

 

Zunehmend häufiger gibt es nun unter den christlichen Rück-Eroberern zwei Bevölkerungsgruppen, die mózarabes, also arabisierte Christen, und die mudéjares, Muslime unter nun christlicher Herrschaft. Im Laufe der Jahrzehnte geschieht es oft wie in Toledo, dass religiöse Duldung in den Entzug der Moschee umschlägt, die dann in eine christliche Kirche verwandelt wird, und es kommt zur gelegentlich erzwungenen Abschottung der Muslime in eigene Stadtviertel.

 

Die islamischen Niederlagen in Spanien verstärken den Einfluss der religiösen Puristen in Marokko, die nicht nur gegen Wein, Weib und Gesang zu Felde ziehen, sondern das mit erhöhtem Eifer für den "heiligen Krieg" verbinden, der 1095 mit dem Kreuzzugaufruf Urbans II auch die Christenheit erfasst. Erst damit wird auch der Krieg in Spanien zunehmend und ein Stück weit zu einem Religionskrieg.

 

Den Almoraviden, deren Führer sich immer den Abbassiden in Bagdad unterwerfen, und die nur Emire genannt werden wollen, gelingt es, die Transsaharawege zu kontrollieren und gegen Ende des 11. Jahrhunderts überqueren sie häufiger die Straße von Gibraltar. Nach 1090 werden erst Granada und dann Sevilla eingenommen. 1110 fällt Zaragoza, welches dann allerdings 1118 trotzdem von Aragón eingenommen wird. Dennoch bleibt das Zentrum des Almoravidenreiches in Nordafrika, wo sie mit der Gründung von Marrakesch ihre Hauptstadt haben.

Die noch in Stammesverbänden vornehmlich aus Nomaden bestehenden Almoraviden treffen in Spanien auf eine islamische Bevölkerung, der in den letzten Jahrhunderten weitgehend derartige Bindungen verloren gegangen waren.

Ein Sevillaner schreibt 1186: Unter uns, den Arabern von Al-Andalus, sind die Stämme aufgelöst; ihre Einheit ist zerstört und ihre Blutsbande sind verloren. Wir leben hier nicht als Stämme, sondern als versprengte Scharen ohne Verwandtschaft oder Freundschaft. (in: Borgolte, S.178) Was er beschreibt ist ein hoher Grad an Zivilisierung.

 

Im ganzen neuen Almoravidenreich werden nun die "Auswüchse" orientalischer Lebensfreude deutlich zurückgefahren, Bücher werden verbrannt und Geistesgrößen eingesperrt. Die Frauen im Harem werden brutaler kontrolliert, Frauen überhaupt stärker auf das Haus verwiesen und in den Städten der Gebrauch des Schleiers härter durchgesetzt. Entsprechend stärker leiden die vielleicht ein knappes Drittel der Bevölkerung umfassenden anarabisierten Christen (Mozaraber) und das vielleicht eine Prozent der Juden.

Christen werden in größerer Zahl nach Marokko deportiert: "1106 vor allem von Málaga aus, 1126 aus der Gegend von Granada, 1138 und 1170 aus verschiedenen Gegenden von Al-Andaluz." (Borgolte, S.266) Die gebliebenen Christen und Juden müssen sich nun in ihrer Kleidung von den Rechtgläubigen abheben und ihr Anteil an der Bevölkerung wird durch Zwangsmaßnahmen immer geringer.

 

Judentum, Christentum und Islam sind ihrem Wesen nach jedem Philosophieren abhold, auch wenn das Kirchen-Christentum früh unter den Einfluss griechischer Philosophie gelangte. Auffällig ist aber, dass im 12. Jahrhundert bei einzelnen Denkern in allen drei Religionskreisen aristotelische Denkgewohnheiten wieder stärker aufleben, um aber bei allen dann mehr oder weniger verfolgt zu werden: Abaelard wird am Ende kaltgestellt, Maimonides muss vor dem spanischen Islam nach Ägypten fliehen, wo er allerdings als Arzt Karriere macht, und wird von denjenigen Rabbis angefeindet, die seine Trennung in Logik und Glauben nicht akzeptieren, die ein allegorisches Verständnis der heiligen Schriften als Versöhnung erfordert. Entsprechende Tendenzen bei Ibn Tufail in Nordafrika und Ibn Rusd (Averroes) werden angegriffen und Averroes muss ins Exil, nachdem seine Texte wie die von Abaelard verbrannt werden.

 

Frauen geht es alles in allem in den christlichen Reichen deutlich besser. Statt der offiziellen Vielweiberei im Harem mit ihren Konflikten und ihren oft brutal-autoritären Strukturen gibt es zwar gelegentlich in höheren Kreisen die Geliebte neben der Ehefrau und für Unverheiratete das Konkubinat, aber Frauen sind tendenziell etwas geschäftsfähiger und gelegentlich wie Urraca auch regierungsfähig.

Diese, erstgeborene Tochter von Fernando I von Kastilien-Leon, bekommt als Erbteil Zamora zugesprochen und steht nach dem Tod des Vaters ihrem Bruder Alfonso VI bei, unterschreibt mit ihm Urkunden und wird in muslimischen Quellen wohl deshalb des Inzests bezichtigt. Die können sich das offenbar nicht anders vorstellen. Der sechste Alfonso hat zwar insgesamt fünf Frauen, aber nur von einer muslimischen Konkubine eine Tochter, ebenfalls Urraca genannt, wegen der er die nun christlich gewendete Dame heiratet. 

Diese Urraca war einst genötigt worden, einen Raimund von Burgund zu heiraten, von dem sie ein Kind bekommt, bevor er verstirbt. Als sie nach dem Willen von Alfonso VI. Erbin und Königin des Reiches wird, nötigt sie der Adel bei all ihrem öffentlich bekundeten Widerwillen, König Alfonso von Aragón ("El Batallador") zu heiraten.  Beide operieren aber mit ihren Reichen bald gegeneinander und nehmen auch beide den Kaisertitel in Konkurrenz miteinander an. Nach der Anullierung der Ehe, durch ihre Widerspenstigkeit gegen den Gatten erreicht, wird sie offen über die Ehrverletzungen, Leiden und Qualen, die er ihr zugefügt habe, sprechen. Es gibt weitere Einblicke in königliches Verhalten: Er ist zu totaler Taktlosigkeit erzogen worden, vertraut der Vorzeichendeutung und Wahrsagern, glaubt, dass Raben und Krähen Unglück bringen, meidet dafür, als ob er sich ihrer schämte, weise und edle Menschen, und begint sich in die Gesellschaft übelster Schamloser. (in: Manzano, S.320, immer mein Deutsch)

 

Urraca ist keine Männerverächterin, sie hat als Alleinherrscherin zwei Liebhaber aus dem Hochadel und gemahnt mit ihrem Selbstbewusstsein bereits ein wenig an die englische erste Elizabeth. Nachdem ihre Schwester Teresa bereits versuchte, den Königstitel für die Grafschaft Portugal zu erringen, setzt ihr Sohn Alfons I. dann tatsächlich um 1140 den portugiesischen Königstitel durchsetzen.

 

Am Ende kann Urraca ihren Sohn aus erster Ehe als Nachfolger durchsetzen, Alfonso VII, der von 1126 bis 1157 herrschen wird und sich nach seiner Krönung und der Erreichung der Lehnshoheit über Navarra unter García Ramírez ("El Restaurador") und über Barcelona imperator, also Kaiser titulieren lässt.

 

Urracas Ex-Ehemann Alfonso der "Batallador" herrscht bis 1134 in Aragón, hat keine Kinder und übergibt sein Reich an die Ritterorden. Das veranlasst Navarra, sich unter Sancho García III. ("El Mayor") wieder aus seiner Herrschaft zu lösen. Da Vermudo III. von León noch sehr jung ist, gelingt es ihm, nachdem er schon die Grafschaft Kastilien sich einverleibt hat, auch León zu gewinnen und sich dort zum Kaiser krönen zu lassen.

 

Dem aragonesischen Adel gelingt es dann, mit Ramiro II. einen Bruder von Alfonso einzusetzen. der auf seine alten Tage nach schleunigster Vermählung mit Agnes von Poitou 1136 noch eine Tochter namens Petronila bekommt, die nach Vollendung des ersten Lebensjahres schnell dem Grafen Ramón Berenguer IV anverlobt wird: Ich Ramiro, durch Gottes Gnade König von Aragón, gebe dir, Ramón, Graf von Barcelona und Markgraf, meine Tochter zusammen mit dem ganzen Reich Aragón (...). Und ich gebe dir alle Menschen des Reiches mit ihrer Mannschaft und ihrem Eid, dass sie dir treu seien. (in: Manzano, S.815)

1150 wird die Ehe vollzogen, und damit die sehr dauerhafte Verbindung hin zum Haus Aragón-Barcelona (Katalonien) eingeleitet. Darauf geht Ramiro wieder ins Kloster zurück.

 

Während sich im christlich beherrschten Teil Spaniens, besonders früh in Katalonien, feudale Rechtsformen durchsetzen, fehlen diese im islamischen Raum. An ihrer Stelle existieren direkte Formen von Befehl und Gehorsam, die auch die Städte charakterisieren. Und während sich in Katalonien und Aragón zum Beispiel ähnliche städtische Strukturen entwickeln wie im übrigen lateinischen Europa, mit zum Beispiel Vertretungsorganen der bürgerlichen Oberschicht, gibt es so etwas in den großen und kleinen islamischen Städten überhaupt nicht. 

 

Im 11. Jahrhundert schließt sich das christliche Spanien stärker an Rom an. Päpstliche Legaten kommen und setzen die Kirchenreform durch. 1080 setzt Alfonso VI in Burgos für sein Königreich gegen die Mehrheit des Klerus die Ersetzung der alten visigotischen durch die römische Liturgie durch. Im folgenden Jahrhundert werden zentrale kastilische Klöster Cluny unterstellt. wie auch anderswo manchmal gegen den Willen der Mönche.

Nur einige Städte wie Santiago de Compostela oder Palencia haben Bischöfe als Stadtherren und erleben im 12. Jahrhundert dieselben gelegentlichen Konflikte zwischen Herr (zum Beispiel dem Bischof und den 60 Domklerikern von Palencia) und Bürgertum, wie sie in den fränkischen Nachfolgereichen zum Teil schon früher  auftraten.

 

Die Romanik setzt ein mit dem noch heute sehenswerten Sant Pere de Rodes in der Grenzregion zwischen Katalonien und dem Roussillon 1022 (Bild links) und erreicht einen Höhepunkt mit der romanischen Kathedrale von Santiago de Compostela ab 1075. Architektur hat damals wie alle bildenden Künste auf der iberischen Halbinsel eine besondere Bedeutung - sie wirkt für beide sich religiös definierende Zivilisationen einander abgrenzend.

 

Da ist der aus der Antike abgeleitete Zentralbau der Moschee und das aus der römischen Basilika abgeleitete Langhaus der Kirchen. Darin offenbaren sich wesentliche Unterschiede der Religionen. Beide sind aber nach Osten ausgerichtet, entweder das Gebäude zur Gänze oder aber die Gebetsnische. Dort kommen die Religionen her und dorthin soll oder möchte man pilgern. Ein weiterer Unterschied offenbart sich dann wieder in dem Bilderverbot, obwohl es einen gemeinsamen jüdischen Ursprung hat. Islamische Kunst wird meisterhaft dekorativ, während christliche eine gegenständliche Auseinandersetzung mit Vorstellungen von Wirklichkeit sucht und schließlich zu ihren Abbildungen finden wird.

 

Wie anderswo breiten sich auch, durch Könige und Hochadel gefördert, die Klöster der Zisterzienser aus, die in Spanien eine ähnliche wirtschaftliche Rolle spielen wie im übrigen lateinischen Europa. Nebenan links das Königsportal und rechts das der Kirche (mit späteren Ausschmückungen) des Klosters Poblet bei Montblanc in Nordkatalonien, einer Gründung von Ramón Berenguer IV um 1150.  Nichts macht deutlicher, wie eng hier weltliche und monastische Sphäre miteinander verwoben sind: Hier arbeitet  die königliche Kanzlei auf der einen Seite, und auf der anderen ist die Grablege von acht aragonesischen Königen.

Im Rahmen der Reconquista entstehen spezifisch spanische Ritterorden, die zum Teil wie der von Calatrava sich in den Zisterzienserorden eingliedern, oder aber wie der von Santiago laikaler sind und sogar die Eheschließung erlauben. Die großen Gebiete, die das Königreich Kastilien (/León) sich nach Süden hin einverleibt, werden zunächst oft solchen Orden anvertraut, was sich noch heute daran ablesen lässt, dass dort die  Überreste mittelalterlicher Klöster nicht militärischer monastischer Gemeinschaften fast völlig fehlen.

Mit ihren feudalen Rechtsbeziehungen, ihrem großen Grundbesitz und darauf arbeitenden abhängigen Bauern passen sie sich wie andere Klöster auch in die allgemeinen Strukturen ein. (siehe auch Großkapitel Kloster 2)

 

Am frühesten nachweisbar sind feudale Rechtsformen in Urkunden Kataloniens, was etwas damit zu tun hat, dass es karolingisch-fränkischer Einflussbereich war, aber auch, dass Barcelona frühe Stufen hin zu einem Kapitalismus entwickelt, wenig nach Amalfi oder Lucca oder Mailand. Dabei entstehen zwei Parallelgesellschaften: Eine städtische aus Kapital und gewerblicher Lohnarbeit, und eine vor allem ländliche mit verhältnismäßig abhängigen Bauern und darüber einem Adel, den die katalanischen usatges, ein Text von 1068 (in einem Dokument von hundert Jahren später erhalten), unter anderem auch zum Beispiel am Gebrauch von Weizenbrot definieren (Manzano, S.375). Über ihnen stehen die vasvessores, denen der hohe Adel wiederum Burgen mit Mannschaften von fünf bis zehn Burgmannen überlässt. Solche hohen Barone verfügen über zehn und viel mehr Burgen, von denen es nach heutigen Schätzungen damals über 800 gegeben haben soll. Von solchen Burgen und ihren Herren, castlás, soll sich catalá abgeleitet haben, Ursprung der Regionalbezeichnung catalunya (Manzano, S.373)

 

Im Verlauf des 11. Jahrhunderts gelingt es den Herren von Barcelona, die Barone, insbesondere auch solche, die sich den Grafentitel zugelegt hatten, unter ihre Hoheit zu bringen, was dazu führt, dass sie sich nun principes nennen, Fürsten also. Die wohl mächtigste Familie darunter, die Moncada, erleidet bei ihrem Aufstieg in die Nähe eines solchen Ranges dasselbe Schicksal, welches auch Familien im entstehenden Frankreich und den deutschen Landen widerfahren kann: Nachdem die Erbin des Adelshauses den Nachkommen des Seneschalls des Grafen von Barcelona heiratet, gelingt es dem Fürsten (Ramón Berenguer IV) nach fast zwei Jahrzehnten, den Erzbischof von Tarragona dazu zu bewegen, die Ehe zu anullieren. Der Seneschall steigert den Konflikt dabei bis dahin, der Stadt Barcelona ihre Wasserzufuhr zu kappen, aber es kommt dann zu einer Übereinkunft (convenientia), nach der er wenigstens die Hälfte des Moncada-Erbes behalten und sich dann bei den Eroberungen im südlichen Neu-Katalonien (Tortosa etc.) beteiligen darf. Seinem Sohn wiederum gelingt es, die Erbin der Vizegrafschaft des Béarn zu heiraten, wodurch das Adelshaus sich auf beiden Seiten der Pyrenäen ausdehnen kann, um sich dann nach und nach in immer mehr Linien zu verzweigen.

 

Aragón, welches dann auch ein allerdings relativ eigenständiges Katalonien in sein Königreich ein Stück weit inkorporiert, ist ebenfalls Burgenland. was zunächst  an der langen Frontlinie zu den islamischen Herrschaften liegt, und dann, als das obere Ebrotal eingenommen wird, an der Übernahme der Festungen der anderen Seite. Hier geht die Feudalisierung der Machtstrukturen stärker von der Reconquista aus, der Belehnung adeliger Familien mit neu eroberten Burgen und Ortschaften. Als 1095 beispielsweise Huesca erobert wird, erhält eine Familie Maza Besitzungen in der Stadt und dazu honores in Form von Burgen im Umland. Sie erwirbt sich dann im Laufe der Zeit erheblichen Reichtum, mit dem sie sich unter anderem Platz in der oszensischen Kathedrale als Grablege der Familie erwerben.

 

Ganz anders ist es vorläufig in Galizien, León und Kastilien, wo die Aristokratie sich stärker den Monarchen unterwerfen muss und an deren umherreisenden Höfe gebunden wird. Hier ist keine Burgenlandschaft überliefert, von der sich bis heute Reste erhalten hätten. Der Adel reist selbst zwischen seinen befestigten Gutshöfen herum und baut sich dabei kein burgartiges Zentrum auf. Und südlich springen im Zuge der Reconquista die Ritterorden ein und befestigte neue und neubesiedelte Ortschaften. Entsprechend benennen sich dann Adelslinien weiter nicht nach einer zentralen Burg, sondern fügen dem eigenen Namen den eines Vorfahren hinzu, was dann Auswirkungen bis heute haben wird.

 

Die "Städte" hier sind im 11. Jahrhundert winzig, ganz anders als in Al-Andaluz, auch wenn die Herrscher nun beginnen, sie zu fördern. Das territorial gedachte Recht des Visigotenreiches verschwindet immer mehr und wird durch regionale und kaum schriftlich fixierte Gewohnheitsrechte abgelöst. Mit der Reconquista gewinnen Städte in den eroberten Gebieten als Verwaltungszentren an Bedeutung und in fueros werden Einwohnern in diesen concejos, wie sie nach den Versammlungen der Menschen mit Bürgerrecht genannt werden, Besitzrecht, überhaupt einheitliches Recht, Wahl der Amtsinhaber und Abgaben festgelegt. Städte werden so zu Stützen des Königtums im Gegensatz zu immer wieder rebellischem Adel.

 

Feudale Strukturen in Katalonien und Aragon sind denen östlich davon verwandt: Mannschaft de boca e de mans, also mit osculum und Hände in Hände geben, Staffelung von Strafgeldern je nach Mitgliedschaft in einer feudalen Schicht und Gottesurteilen für Bauern und Rechtsentscheid durch Zweikampf unter Adeligen.

 

All dies entwickelt sich in Kastilien und León eher erst im 12. Jahrhundert, als ganze Gegenden und Städte als tenencias (verwandt mit den englischen tenancies und wohl auch mitteleuropäischen beneficiae) von den Königen an hohe Adelshäuser wie die Lara verliehen werden, deren erste tenencia eben Lara in der Region Burgos ist. Später kommen für sie solche in den Gebieten von Toledo, Ávila, Baeza und anderswo dazu.

Unter ihnen bestehen die niedrigen Infanzonen weiter, die sich wohl langsam in die fijos de algo, Söhne von etwas (Besitz) verwandeln und später Hidalgos heißen, und denen dann Cervantes einen so schönen wie geistreichen Abgesang bereiten wird. Zur kastilisch-leonesischen Besonderheit entwickelt sich die Verfügung mehrerer divisores an einer gemeinsamen behetría, die die gemeinsame Verfügung über ein Dorf bedeuten kann, und die jeweils unterschiedliche Vertragsgrundlagen hat.

 

Alles Land teilt sich in großen Teilen Spaniens immer strenger in drei Kategorien, den königlichen Besitz des realengo, den klösterlichen und bischöflichen des abadengo und den übrigen der solariegos (der zukünftigen solares). Alle können in encomienda gegeben werden, die geistlichen und klösterlichen vor allem, um weltliche Herren als Verbündete zu gewinnen. Auf allen zahlen Bauern Abgaben (vor allem die infurciones) und auf den meisten leisten sie zunächst und bis ins hohe Mittelalter zumindest Dienste (corveas, die französischen corvées). Letztere können auf einen Tag in der Woche fallen und betragen manchmal zumindest um die 24 Tage im Jahr. Dazu kommt das Recht des Rückfalls an den Herrn, wenn der Bauer keinen Erben hat (manería), die Abgabe zur Genehmigung einer Heirat (ossas), manche andere Abgaben zudem, und spezielle Strafen bei feudal definierten Vergehen aller Arten. Wie in anderen lateinischen Ländern kommen Bannrechte an Mühlen, Backöfen und Schmieden zum Beispiel dazu. Und in allen ihren grundherrlichen Angelegenheiten sind die Grundherren wie in den Bannherschaften anderer Länder immun.

 

Rebellionen gegen die Grundherren wie die Äbte von Sahagún können sich über Jahrzehnte hinziehen, wobei manchmal auch Handwerker und Händler wie dort sich mit den Landleuten verbünden. Dort wird erst 1255 mit einem königlichen fuero (lokal- oder regionalspezifische Rechtsordnung) dem Einhalt geboten.

Teils über heftigen Druck gelingt es im 12. Jahrhundert örtlich oder regional in solchen fueros mehr Rechte für Bauern und Bürger durchzusetzen, wie die Abschaffung der Arbeitsdienste und spezifisch feudaler Abgaben wie bei Erbe, Heirat etc., den freien Besitz an Haus und Grund und ähnliches. Soweit ist Verwandtschaft auch mit Entwicklungen in deutschen Landen erkennbar.

 

Die Vorstellung von einem Gebiet, Territorium, welches nicht mehr nur an eine fürstliche Familie gebunden ist, sondern von einem Herrschertum, welches an das Gebiet gebunden wird, setzt sich langsam durch, was sich wie in deutschen Landen in neuen volkssprachlichen Begriffe und Vorstellungen von Grenze niederschlägt: Zu den limites kommen so die fronteras im 11. Jahrhundert in Texten aus Aragón und später im großkastilischen Raum. Damit verbunden ist das Ende der Erbteilungen, welches zunächst im zukünftigen Katalonien einsetzt. Reiche (reinos) bekommen definitivere Territorien, die sich natürlich durch Krieg und Heirat verändern lassen.

1158 findet zum letzten Mal eine Erbteilung zwischen Kastilien, León und Groß-Galizien statt, wobei die ersten noch weitere 70 Jahre getrennt bleiben. Der hohe Adel wie die Lara und die Castro nutzt das, um zwischen beiden Monarchien und ihren feindlichen Brüdern bzw. Vettern hin und her zu pendeln, um ihre eigenen Interessen dabei zu verfolgen.

 

 

Bis zum Antsantritt des minderjährigen Alfonso VIII von Kastlien nutzt Navarra die Schwäche dieses Reiches, um sich im Bündnis mit León nach Biszcaya, Álava und Guipúzcoa auszudehnen, was dann 1169 mit der Volljährigkeit des kastilischen Herrschers (mit 15 Jahren) durch dessen Bündnisse mit Aragón wieder etwas zurückgenommen wird und 1179 in einem dauerhafteren Grenzabkommen endet.

 

Kurz vor 1150 erobert Ramón Berenguer IV von Aragon/Barcelona erst Tortosa und dann Lérida. Die Expansion wird nach der Eroberung des nunmehrigen Südkataloniens durch Aragón/Barcelona in dieser Richtung gebremst, während sie unter Alfonso II nach Nordosten nun ins Béarn und sogar in die Provence und 1172 ins Roussillon  stattfindet, unter den misstrauischen Augen der Grafen von Toulouse.  Nachfolger Pedro II macht sich dann 1204 sogar nach Rom auf, um sich die Krone als Vasall vom Papst aufsetzen zu lassen. Bekanntlich wird dieser unaufhaltsame Aufstieg von Aragón fast hundert Jahre später noch zur Erringung der sizilischen Krone führen.

 

Nach 1145 zerbricht das spanische Almoravidenreich, welches ohnehin erst mit dem prächtigeren Lebensstil im islamischen Spanien kollidiert und sich dann von ihm beeinflussen lässt. Einzelne Nachfolgereiche konkurrieren miteinander bis um 1170.

 

 Schon zuvor zahlt Alfonso VII von Kastilien mehr als 20 000 Dinare an Genua und erhält dafür 1147 Unterstützung von deren Flotte bei dem Husarenstreich der Einnahme von Almería, aber nach der Plünderung der enormen Reichtümer der Stadt muss es zehn Jahre später bereits wieder geräumt werden. Ebenfalls 1147 gelingt Alfonso I von Portugal mit tatkräftiger Unterstützung vorbeikommenden Militärs des zweiten Kreuzzuges Lissabon einzunehmen.Eine Kreuzfahrerflotte aus Engländern, Flamen, Normannen vor allem war von Darthmouth aus in Richtung "Heiliges Land" aufgebrochen, macht in Porto Station und wird dann vom portugiesischen König Alfons I. mit dem Versprechen reicher Beute zur Eroberung von Lissabon überredet. Den Menschen der Stadt wird nach siebzehnmonatiger Belagerung übel mitgespielt. Ein Teil der Kreuzfahrer siedelt sich darauf dort an und reist gar nicht mehr weiter.

 

Um 1147 bemächtigen sich die striktere Reformen fordernden Almohaden Marrakeschs. Auch noch 1147 setzt der Almohadenkalif Al-Mumin zum ersten Mal zu einem Erkundungszug nach Spanien über. In den folgenden Jahrzehnten sickern Vertreter der Almohaden im heutigen Andalusien ein. Unter Al-Mumins Sohn Yakub ibn Yusuf wird Sevilla zu einem wichtigen Hauptort, von dem noch der Torre de Oro und die Giralda übrig geblieben sind. Von dort richtet er seine Angriffe gegen das im Süden expandierende Portugal.

 

Es gibt auch weiterhin keine konzertierte Reconquista, sondern neben ihr die Kämpfe der Königreiche und in ihnen hoher Adelshäuser gegeneinander, wobei weiterhin Bündnisse mit einzelnen islamischen Herrschern in El-Andaluz eingegangen werden. So verbündet sich der kastilische König mit den Almohaden gegen den gemeinsamen Feind Portugal. Noch 1196 zum Beispiel verbündet sich der König von León mit almohadischen Truppen zu einem gemeinsamen Angriff auf kastilisches Gebiet. Der kastilische König wiederum kämpft mit der Hilfe muslimischer Truppen gegen Navarra.

Mit der später vom Papst wegen Verwandtschaft anullierten Heirat der Tochter des kastilischen Königs Alfonso VIII mit dem Leoneser Herrscher beginnt die erneute Annäherung beider Reiche, die sich unter den Söhnen der beiden fortsetzen wird.

 

Auch beim Dritten Kreuzzug unterstützt eine Flotte die Reconquista von König Sancho I. von Portugal, die zur Eroberung der Algarve führt.

 

Im zwölften Jahrhundert konzentriert sich die Macht auf der Halbinsel immer mehr in der Hand von Adelsfamilien auf mächtigen Burgen. Dazu gehören die Moncada in Katalonien, in Rioja die Haro und in Galizien die Tratamara. Dabei existieren sowohl Vasallität wie Lehnsvergabe, ohne aber aneinander gebunden zu werden (Borgolte, S.164)

 

Unter Alfonso VIII. (1158-1214) entfaltet sich auch hier zunächst die Macht großer Adelshäuser, allen voran die Castro und Lara, die vor allem während der langen Minderjährigkeit des Königs bis 1170 einen regelrechten Bürgerkrieg veranstalten, in dem die Person des jungen Königs als Faustpfand dienen soll. Bei Erreichung der Volljährigkeit heiratet er in Tarazona mit Eleonore die Tochter von Henry II. und Eleonore von Aquitanien, die die Gascogne als Mitgift erhält. Zusammen mit dem Aragoneser erobert er die Gebiete zurück, die sich der Navarrese angeeignet hatte.

Eleonore zieht Trovadore und er auch Gelehrte an seinen Hof und er gründet ein studium generale in Palencia. 1188 verleiht er seinen Untertanen auf einer Reichsversammlung erhebliche Recht, die an die Magna Carta gemahnen: "Sicherheit für Person und Besitz sowie Gerechtigkeit für jedermann. Wer auch immer angeklagt wäre, sollte am königlichen Gericht uneingeschränktes Gehör bei seiner Verteidigung finden; nichts sollte gegen den Beschuldigten unternommen werden dürfen, bevor er schriftlich vor das Gericht zitiert wurde." (Borgolte, S.163)

 

Mit 1188 sind weitere Ereignisse verbunden: Nach dem Tod seines Königs fällt Alfonso in León ein und es kommt zum Heiratsvertrag für den Barbarossasohn Konrad mit der Alfonso-Tochter Berenguela, der aber dann nicht eingelöst wird.

 

Vor allem widmet er sich der König der Aufgabe, der Reconquista neuen Schwung zu verleihen. 1212 kann Alfonso VIII in der Sierra Morena kastilische und leonesische Truppen mit von ihren Königen geführten Heeren aus Navarra und Aragón und Rittern von östlich der Pyrenäen vereinen, ein großes almohadisches Heer bei Navas de Tolosa schlagen und dabei den Kalifen persönlich in die Flucht schlagen, der ein Jahr später ermordet wird. Als dann gut ein Jahrzehnt später dessen Nachfolger ebenfalls und kinderlos ermordet wird, ist die Almohadendynastie am Ende und Al-Andaluz als Ganzes führerlos.

 

Zwei Jahre nach Navas de Tolosa stirbt dieser Alfonso, und seine Tochter Berenguela wird kurz darauf 1217 zur Alleinerbin des Thrones, leistet Verzicht und erklärt ihren Sohn Ferdinand (1217-52) mit dem König von León zum Nachfolger, der dann die beiden Königreiche für alle Zukunft in einer Hand vereinen wird. Der heiratet 1217 Beatrix, die Tochter Philipps von Schwaben.

 

Im Zuge des ersten sogenannten Albigenserkrieges nach 1208 unterliegt Pedro II von Aragon in der Schlacht von Muret auf Seiten der "Häretiker" und verliert mit allen transpyrenäischen Gebieten auch sein Leben.

 

Mit der Integration immer größerer Teile Spaniens in den Einflussbereich der römischen Kirche gerät diese auch unter den Druck der Kirchenreform. Dabei wird versucht, dem spanischen Klerus beizubringen, geistliche Gewänder zu tragen, auf Bewaffnung und die Vergnügen der Jagd zu verzichten, kein Geld mehr zu Wucherzinsen zu verleihen, und Simonie und Konkubinat abzuschaffen. Zumindest das Zölibat lässt sich aber kaum durchsetzen. (Borgolte, S.165). Inwieweit die Beschreibung eines arabisch-spanischen Autors zu Sevilla in seinem Tratado der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts stimmt, mag offen bleiben: Der Klerus ist völlig verdorben, er besteht nur aus Hurenböcken und Schwulen. Christlichen Frauen müsste es verboten werden, die Gotteshäuser außerhalb der liturgischen Feiern und der Kirchenfeste zu betreten, da sie dorthin schon aus Gewohnheit gehen, um zu essen, zu trinken und mit den Geistlichen Unzucht zu treiben. Es gibt keinen Kleriker, der nicht mindestens zwei Mätressen hätte. Dem Klerus sollte der Eheschluss erlaubt werden, wie das im Osten der Fall ist. (in: Borgolte, S.166)