Adel, Fürsten, Gewalt
Die milites in Norditalien
Ortsherrschaft in Norditalien
Mittelitalien
Milites in Südfrankreich und Katalonien
Das Land im Königreich León im 10./11.Jh.
Adel, Burgen und Höfe nördlich der Alpen
Ministeriale
Das Land in Francien und den deutschen Landen
Das Land in England
Es gibt eine Interdependenz von Produktionssteigerung, Vermehrung des genutzten Landes, Bevölkerungssteigerung, der Marktwirtschaft, dazu dem Aufstieg des Handels- und Finanzkapitals, der Städte mit dem der lokalen Adelsherrschaft, dem der Fürsten, dem der (anglo)normannischen Könige. Durch die Aufteilung in einzelne Kapitel darf diese Interdependenz nicht übersehen werden. Für unsere Zwecke hier wird nur so die Rolle des Kapitals und die langsame Entstehung eines frühen Kapitalismus für all die anderen Bereiche und aus ihnen heraus sichtbar.
Adel, Fürsten, Gewalt
Die zwischen dem fünften und elften Jahrhundert allesamt aus Krieg entstandenen Reiche werden von gekrönten Kriegern angeführt, die selbst in ihren Kriegen oft mitkämpfen, und sie werden von adeligen Kriegern aufrecht erhalten, die manchmal durch reine Söldner ergänzt werden. Neben den Kriegen zwischen den Reichen, in ihnen gegen ihre gekrönten Häupter, dieser gegen Fürsten und solchen zwischen Fürsten wie auch einfacherem Adel ist für Friede nur kurzzeitig Platz. Zivilisationen sind grundsätzlich zumindest latent brutal, d.h. leben von der Gewaltandrohung von oben nach unten, der horizontalen Konkurrenz und dem Ducken von unten nach oben. Die extrem instabilen Zivilisationen des elften Jahrhunderts im lateinischen Abendland können es nur selten bei bloßer Gewaltandrohung belassen, ein Herzog und dann König wie Wilhelm ("der Eroberer") schiebt hinter die Gewalt des Krieges die Bestrafung von Gegnern mittels Blendens, Abschneidens von Händen bzw. Füßen und ähnlicher Formen wenig christlicher Nächstenliebe. Dafür belohnen ihn Reformpäpste der Zeit von Leo bis Gregor mit ihrer Freundschaft und Anerkennung und er wird 1074 in die Verbrüderung des Reformklosters Cluny aufgenommen. Aber wir wissen ja schon: Judentum, Christentum und Islam sind vor allem auch Religionen erbarmungslosen Hasses und brutalster Gewalt, wo immer sie die Möglichkeit erhalten.
Die Binnenstrukturen der Macht in den christlichen Reichen und Fürstentümern verändern sich weiter. Von Feudalismus kann zwar im 11. Jahrhundert ohnehin nicht die Rede sein, wenn dann begänne so etwas erst im zwölften. Anders als Kapital strukturiert das feudum als spezifisches beneficium aber auch ab dem zwölften Jahrhundert nicht die Reiche insgesamt, sondern nur einen wenn auch wesentlichen Aspekt der Machtbeziehungen in ihnen, während Kapital derweil immer mehr zum Movens, Bewegenden wird.
Aus Teilen einer kleinen Gruppe mächtiger Herren im Reich Karls ("des Großen") , ergänzt durch einige Aufsteiger, hatte sich bis ins frühe 11. Jahrhundert eine neuartige Adelsschicht gebildet, berittene Krieger, die von zunehmend festeren Adelssitzen aus gewalttätig um mehr Land und darauf arbeitende Menschen konkurrieren, und dabei auch versuchen, Kirche und Kloster zu berauben. Diese reagieren in Südfranzien vor allem mit kirchlich initiierten Friedensversammlungen, die den Mangel an königlichem Schutz kompensieren wollen.
Im Zuge dieser Friedens"bewegungen" und auch, um sich dem entstehenden neuartigen Adel als besserer Partner anzubieten, wird bald der Ruf nach Reformen lauter: Priester sollen nicht mehr heiraten, nicht jagen oder aber nicht mehr die Messe lesen.
Machtergreifung
Die Herausbildung eines neuartigen Kriegeradels aus alten Sippen und neuen Aufsteigern, die sich in Geschlechtern und Dynastien mit überwiegend dem Erbrecht des erstgeborenen Sohnes erweist, lässt sich als eine Art Machtergreifung beschreiben, deren sichtbarer Kern die Burg wird, und deren Machtbasis im Verlust der Freiheit von immer mehr Teilen der produktiven Bevölkerung besteht, die neben sich selbst auch den neuen Lebensstil dieser Herren unterhalten müssen, - während andererseits die Sklaverei und andere Formen massivster Unfreiheit ebenfalls zurückgehen, was manche Historiker dazu veranlasst hat, von "halbfreien" Bauern zu sprechen. Herr und ihm Untergebener trennen sich deutlicher. Am Ende gilt: "Die einen waren der Banngewalt unterworfen, die anderen nicht." (Moore, S.156)
Weltliche Herren legen sich dabei neben den Burgen Klöster als Familienzentren zu, und konkurrieren zugleich mit anderen Klöstern und Kirchen, die wiederum in ähnlichen Formen von Machtausübung über einen großen Teil des Landes verfügen. Während der gemeine Produzent auf dem Friedhof der Dorfkirche und dann auch der Pfarrkirche seiner Stadt beerdigt wird, lässt sich der neue Adel bei seinen Klöstern begraben. Erst im 12. Jahrhundert verwandeln " sich auch die Pfarrkirchen in Mausoleen der Stifterfamilien." (Moore, S.160)
Die Dynastiebildung, deren Kern am häufigsten Vater und ältester Sohn sind, muss oft erst einmal innerhalb der Sippe und nicht selten ausgekämpft werden. (u.a. Moore, S.117ff) Mit ihr einher geht die biblisch nicht zu begründende kirchliche Forderung nach Exogamie,- am Ende bis in den 7. Grad.
Die neue lokale Adelsherrschaft aus Burg, Land, Kloster und lokalen Kirchen konkurriert aber vor allem mit edlen Nachbarn um alles dies und darf das nach eigener Vorstellung bei Schwäche des Königtums vor Ort: Sie verschafft sich bewaffnet Recht mithilfe der Fehde. In der Folge müssen nichts oder kaum erbende Söhne, wenn sie nicht ins Kloster geschickt werden, sich eigene Karrieren suchen, als studierte Kleriker, die dann manchmal auch in städtische Ämter gelangen, oder im kriegerischen Gefolge bedeutender Herren. Manche werden sogar Kaufleute (Moore).
Aber noch bevor bürgerliches Kapital sich weiter ausbreitet, wird Land auch immer käuflicher, eine der Nachantike noch weithin übliche Haltung. Ende des 10. Jahrhunderts führte das bereits zu einem Anstieg der Preise "in der Gegend um Mailand, Marseille und Barcelona", und im beginnenden 11. Jahrhundert ist dieselbe Tendenz in Flandern und im Rheinland festzustellen. (Moore, S.137)
Diese immer weitere Machtergreifung des Adels aus Getreide-Ackerbau und Otsherrschaft wird mit der gewalttätigen Expansion der lateinischen Kernlande überall hingetragen. Der an einem englischen Kriegszug in Irland 1185 teilnehmende Gerald von Wales beschreibt das propagandistisch als Fortschritt:
Normalerweise schreitet der Mensch fort und strebt vom Wald in die Felder und von den Feldern zu Siedlungen und größeren Gemeinschaften, aber dieses Volk will nicht auf dem Acker arbeiten, verschmäht den Gelderwerb der Städte und verachtet die Rechte und Freiheiten der Bürger. (...) Man rodet wenig und sät noch weniger (...) nicht, weil die Erde nicht fruchtbar wäre, sondern weil sich auch für das beste Land keine Bauern finden (...) Denn sie lieben allein den Müßiggang und ergeben sich dem faulen Leben und finden, dass es nichts Besseres gibt als nicht zu arbeiten und keinen gröäßeren Reichtum als den der Freiheit (...) Sie zahlen keinen Zehnten und leisten keine Erstlingsabgaben und schließen keine formellen Ehen. (...) Sie lassen es in der Kirche an Ehrfurcht fehlen. (in: Moore, S.228)
Nichts beschreibt besser, wenn auch propagandistisch verzerrt, den Zustand vor der nun anstehenden Machtergreifung des Adels unter königlicher Aufsicht und ihre Folgen!
Lehen und Vasallen
Was sich darauf im 11./12. Jahrhundert herausbildet, ist ein Lehnswesen, welches zunehmend vor allem in Westfranzien und im anglo-normannischen Reich die politische Ordnung erfasst. Dieses entsteht durch Verrechtlichung bzw. Systematisierung bestimmter Formen von Leihen/Verleihungen, durch ein Lehnsrecht. Dazu gehört die zunächst nur praktisch durchgesetzte Erblichkeit von Lehen und ihre Integration in eine ständische Ordnung.
Dabei schreitet Norditalien 1037 mit der Konstitution von Konrad II. auch in der schriftlichen Fixierung voran, die Herren (die Bischöfe und Markgrafen), große und kleine Vasallen (vavassores) voneinander trennt, und zudem implizit von den Bauern (rustici) absetzt. Etwas vergleichbares gibt es dann weder dort noch in deutschen Landen in schriftlicher Form im 11. Jahrhundert. Erst die sogenannten Feudisten des 12. Jahrhunderts werden daraus dann ausführlichere Rechtsnormen entwickeln.
Herrschaft als Machtausübung funktioniert wesentlich über die Nutzung der Gefolgschaft von Vasallen, wobei Vasallität auf der Bindung zu gegenseitigem Nutzen beruht. Das ist schon alleine deshalb nicht einfach, weil Vasallen eines oder mehrerer Herren immer wieder in gewalttätige Konflikte miteinander gelangen, wobei Herren des öfteren Partei ergreifen, also ihre Interessenlage abschätzen müssen. Des weiteren kompliziert wird das, wo Vasallen zwei Herren verpflichtet sind, die sich gegenseitig bekriegen. Der siegreiche der Herren wird dann seinen ihm gegenüber punktuell untreuen Vasallen zumindest vorübergehend bestrafen müssen, um sein Interesse zu verdeutlichen. (z.B. Bates, S. 138f)
Die Verbindung von Lehen und Vasallität, zugleich Vasallentum gegenüber mehreren Herren, die Bannherrschaft von einer Burg aus über einen Ort und seine Umgebung und die Verbreitung ständischer Vorstellungen werden allesamt befeuert von einer Zunahme des Handels und der Geldwirtschaft. Das, was sich da als Vorstellung und Wirklichkeit neuartiger adeliger Geschlechter etabliert, bedarf der Machtentfaltung und Statusausprägung, die zunehmend ohne größere Geldsummen nicht mehr denkbar ist.
Was auffällt ist die Interdependenz von sich andeutenden feudalen Strukturen, Verfestigung von Reichen, Aufstieg der Städte, Ausweitung des Handels und Anhäufung von Kapital in städtischen Händen - und das alles in verschiedenen Gegenden in unterschiedlichem Maße. Entscheidend ist dabei, dass sich weder reichsweit noch regional despotische Strukturen wie im islamischen Raum und in Teilen Asiens ausbilden, die die Einwurzelung und Entfaltung von Kapitalismus abwürgen würden. Es kann auch noch nirgendwo von Formen ausgebildeter Staatlichkeit geredet werden, die eine starke Regulierungstendenz entwickeln könnten, wie sie dann hundert Jahre später in einigen Gegenden häufiger wird. Kapital hat so sich auch durch die Gewährung von Freiheiten weitende Räume zur Verfügung.
Wichtigste Faktoren dabei sind einmal die Dualität von weltlicher und geistlicher Sphäre im christlichen Raum und der außerhalb des anglonormannischen Reiches und des Normannenreiches über Sizilien immer noch vorrangig dezentrale Charakter weltlicher Machtausübung. Macht ist im Bereich weltlicher Herren geteilt, während die Kirche es im 11. Jahrhundert schafft, für die nächste Zeit zu einem hierarchisch durchorganisierten Machtblock zu werden, der allerdings genau deswegen immer neue Abspaltungen wird durchstehen müssen. Das führt zu Konflikten, in denen die Kirche volle Autonomie beansprucht, und zur gedanklichen und manchmal auch tatsächlichen Entflechtung von kirchlicher und weltlicher Macht. Etwas anders ist es in deutschen Landen, wo Bistümer und einige Abteien sich zu zugleich weltlichen Fürstentümern entwickeln und in der Nordhälfte Italiens, wo die Bischöfe immer mehr Macht an den städtischen Hochadel und dann auch das reichere Bürgertum abgeben müssen, um dann in den Städten zunehmend auf ihre geistliche Funktion reduziert zu werden.
Weiterhin bleiben die engere (Haus) und weitere Verwandtschaft (Sippe) die engste Bindung, die Menschen vorfinden und eingehen, aber dabei wird die angeheiratete (cognatische) Verwandtschaft eher unwichtiger und die Bedeutung der agnatischen nimmt zu, aus der sich Geschlechter bilden, zunächst beim entstandenen neuen Adel und dann auch in der stadtbürgerlichen Oberschicht.
Lehnsbindungen und Gefolgschaftsbindungen aus Schutz und Hilfe einerseits, auxilium et consilium andererseits bilden sich weiter aus, deren Gewicht muss aber immer wieder neu definiert werden, da klare Definitionen bis ins 12./13. Jahrhundert weithin fehlen.
Albero von Laon formuliert um 1025 in seinem Gedicht 'Carmen ad Rotbertum regem' in funktionaler Dreiteilung die Lehre von den Gruppen der oratores, der geistlichen Beter, der bellatores, der Krieger, und der laboratores, der Bauern und Handwerker, also der servi, wie sie sich schon seit dem 10. Jahrhundert herausgebildet hat. Dabei betont er den Vorrang des Betens vor dem Arbeiten und macht mit der ständischen Einteilung der Produzenten auch die Abstufungen in den Rechten der Bauern vernachlässigbar und ignoriert freie Bauernschaft. Er wertet die Bauern in Aussehen und Charakter ab, lobt aber ihre notwendige wie mühselige Arbeit:
Für alle schaffen sie die Kleidung und die Verpflegung, und kein Adeliger kann ohne die Arbeiter leben. Vom Arbeiter wird also der Herr genährt, den er zu nähen vermeint. Aber die Tränen und Klagen der Arbeiter sind grenzenlos.(in: Weinfurter(3), S.86)
Hier wie an wenigen anderen Stellen wird ablesbar, dass die Landbevölkerung ihr Los nicht immer klaglos hinnimmt. Aber Arbeit ist Dienst an den Höhergestellten. Sie ist naturgegeben, d.h. von Gott gewollt, denn wie anders sollten Klerus, Mönche und Krieger ansonsten ihre Aufgaben erfüllen.
Dieser Ordnungversuch korrespondiert mit seiner Feststellung: Die Gesetze lösen sich auf, aller Friede verfließt, es ändern sich die Sitten der Menschen, es ändert sich auch die Ordnung.
Die einheitliche Betrachtung von Bauern nimmt zu. In Italien werden freie, halbfreie und unfreie Bauern schon seit dem 10. Jahrhundert immer weniger unterschieden, sondern als Hintersassen (manentes) zusammengefasst.
Daneben gibt es eher horizontale Bindungen, die sich als Bindungen zur Gebetshilfe für das Seelenheil darstellen, aber auch mit Machtentfaltung zu tun haben. Gebetsverbrüderungen gibt es seit der Karolingerzeit. Bei Thietmar von Merseburg ist eine solche auf einer Synode von Dortmund von Heinrich II., seiner Gemahlin, von drei Erzbischöfen und zwölf Bischöfen erwähnt. Stirbt einer von ihnen, haben die anderen sich um Messen und Psaltergesang zu kümmern. (VI, 18) Erzbischöfe, Bischöfe und der Domklerus sind für eine Messe zuständig, die übrigen Priester für drei, Diakone und andere niedere Geistlichkeit haben jeder 1500 Psalmen zu singen.
Horizontale Bindungen gibt es auch als Bruderschaften von Laien: Aus Modena ist das Statut einer Bruderschaft von über hundert Männern und Frauen erhalten, die für ihr Seelenheil zum Beispiel Geld für Kerzen in der Domkirche geben.
Über Berufsgenossenschaften für Hilfe und Schutz ist dabei noch wenig bekannt.
Die milites in Norditalien
Als Ausnahme basieren die hochadeligen Canossa weiter ihre Machtentfaltung auf die von Kaiser Otto I. verliehenen Grafentitel von Reggio, Modena und später Mantua. Machtzentren sind vor allem ländliche Burgen, aber auch der Stadtpalast in Mantua. Sie weiten unter Bonifaz ihre Herrenrechte soweit aus, dass es 1021 zum Aufstand von Städten und niederem Adel kommt, der militärisch niedergeschlagen werden muss. Wenig später, 1027, macht Konrad II. Bonifaz zum Markgrafen der Toskana. (siehe ausführlicher: Anhang 17). Solche Machtentfaltung erreichen ansonsten nur die Obertenghi und die Aldobrandeschi noch.
Während Norditalien im 10. Jahrhundert in lokale und regionale Mächte zerfällt, findet dieser Vorgang in der Toskana erst mit dem 11. Jahrhundert statt. Die neuen Canossa-Markgrafen haben kaum eine solide Basis dort und kaum noch Einfluss auf Lucca und Pisa. Lucca schüttelt den Einfluss der Canossa unter Heinrich IV. 1081 ganz ab. Bei Pistoia bauen die Cadolinger ihre Macht aus.
Im 9./10.Jh. steigt eine Schicht von Vasallen des Königs, die zunehmend dann auch in die Vasallität der Bischöfe eingeht, zu jenen vavassores maiores der Konstitutionen Konrads III. (1037) auf, die am Ende des 11. Jahrhunderts als Kapitane bezeichnet werden. Beteiligt an der hohen Domkurie und der städtischen Lehnskurie, mit Besitz und Lehen in Stadt und Land, ziehen diese alten Familien sich nach und nach stärker aus der Assistenz beim Stadtregiment zurück und überlassen sie den valvassores minores, die bald alleine den ordo der Va(l)vassoren bilden und sich nach unten von den rustici abgrenzen, die nun einen eigenen ordo bilden.
Spätestens seit dem 10. Jahrhundert konzentrieren mächtige Kapitanenfamilien ihren Besitz und ihre Macht auf einzelne ländliche Orte, wo sie von alten und neuen castra aus sich dann vor allem im 11. und 12. Jahrhundert Herrschaftsrechte aneignen. Wie vor allem in Westfranzien verfällt die Macht der Grafen parallel dazu und in ihre Funktionen teilen sich Bischöfe und Adel in Stadt und Land. Der stärkste Grundherr an Allod und Lehen wird zum Ortsherren, wobei wir oft nur vermuten können, wieweit Gewaltandrohung oder offene Gewalt eine Rolle spiele.
Indem reiche und mächtige Kapitanenfamilien über ihre Vasallität und ihre Lehen auf dem Lande und von ihrer zentralen Burg aus lokal in die Rechte des Bischofs vor Ort eintreten, insbesondere seitdem seit dem 10. Jahrhundert zu lokalen Kapellen die Taufkirchen (plebes/pieve) als Lehen in ihre Kontrolle geraten, bleiben diesem am Ende dort nur noch die kirchliche Gerichtsbarkeit, die Ordination der Geistlichen und das Viertel der Zehnten, welches nicht als Lehen ausgegeben werden darf. (KellerOberitalien, S.135).
Lokal, oft für eine Kastellsiedlung, gewinnt so eine Familie seit dem 10. Jahrhundert das Gericht über die bäuerlichen Einwohner (iurisdictio oder districtus), bald auch Anteile am Zehnten, andere Abgaben und Leistungen wie Zölle, Märkte, Forste, Hafen- und Ufergelder, allesamt Regalien, insgesamt eine Immunität mit einem Umkreis von ein, zwei Meilen. (u.a.: KellerOberitalien, Kap.III / Wickham, S.139ff)
An die Stelle der curtis als Fronhof tritt wie westlich und nördlich der Alpen für diese domini die curtis als Herrschaftszentrum, eine höfische Welt als ritterliche beginnt sich zu entfalten. Und genau dagegen versuchen Bischöfe, Grafen und Markgrafen anzugehen, die nun mit den großen Vasallen um Herrschaft konkurrieren.
Neben das incastellamento des 10. Jahrhunderts treten die kleineren castelli niederer Herren, deren Burgen nicht mehr dorfähnlich Bevölkerung aufnehmen, sondern als Familiensitz dienen.
Adel ist ein sehr deutscher Begriff, und Italien entwickelt im 11. Jahrhundert keine wirkliche Entsprechung. Aber Familien, "Geschlechter" entwickeln immer deutlicher ein Herrentum über die Masse der Bevölkerung, schichten sich auf und werden dann nach und nach einer feudalrechtlichen Definition unterzogen.
Die Familien sind als Erben antik-römischer Strukturen patriarchal-patrilinear. Erbberechtigt sind die Söhne zu gleichen Teilen, der Geschlechtermittelpunkt (Burg, Kapelle, Wehrturm) bleibt dabei ungeteilter Kern der Adels-Konsorterie (Najemy, S.7), um die Zersplitterung des Familienbesitzes einzugrenzen. Diese „Geschlechter“ entwickeln als erste „Familiennamen“, die Titel (Visdomini, Visconti, Avvocati), Herkunft oder den Namen eines Vorfahren (Alberti) in den Nachnamen verwandeln. Solche Namen machen aber im Florenz des 14. Jahrhunderts immer noch nur gut zehn Prozent aus. Da es 1342 hier schon mindestens 116 erwachsene Männer mit dem Namen Bardi gibt, kann man erahnen, wie wenige Familien inzwischen solche Namen als Geschlechternamen tragen. Aber ein solcher Name deutet eine alte Familie und damit Zugehörigkeit zu einer Elite an (Najemy, 9ff). Das Gedächtnis der meisten geht aber nur bis zum eigenen Großvater zurück, und eine Möglichkeit, sie zu bezeichnen, ist es, sie als Sohn von und Enkel von jemandem zu benennen. Mit dieser geringen Familientradition gelingt es den meisten auch nicht, über größere Verwandtschaftsbeziehungen zu verfügen, die einen Aspekt der Macht der noblen Elite ausmacht.
Wenn wir heute Leute nach ihrer Herkunft (da Siena) bezeichnen oder mit damaligen Spitznamen (Cimabue, Botticelli), ist das ein Hilfsmittel, um der Gängigkeit ihrer sie nicht spezifizierenden Vornamen zu entgehen.
Im zehnten Jahrhundert war es schon zu Konflikten zwischen Bischöfen wie Rather von Verona und einem begüterten Klerus sowie einer Schicht von milites gekommen, die sich zunehmend Kirchengut angeeignet hatte. Leute wie Rather und viele andere wurden von den Ottonen eingesetzt, um die Königsherrschaft zu befestigen, entwickelten aber zunehmend auch Reformgedanken für ihre Kirchen. Dagegen setzten die bischöflichen Vasallen zunächst ihre gleichzeitige unmittelbare Vasallität zum König.
Unter Kaiser Otto III. kommt es gegen Ende des 10. Jahrhunderts zu immer größeren Unruhen. In seiner Markgrafschaft stützt sich seit 990 Arduin von Ivrea auf Klöster und niederen Adel, was ihn in Konflikt mit den Bischöfen bringt. Das Ganze kulminiert zum ersten Mal, als Otto III. den im markgräflichen Machtbereich herrschenden Bischof von Vercelli mit Caresana belehnt, was Arduin ablehnt. Die Ritterschaft von Vercelli lehnt sich 997 offen auf, tötet Petrus von Vercelli und verbrennt seinen Leichnam samt der Kathedrale. Darauf marschiert Arduin in die Stadt, "um dort Recht und Ordnung wiederherzustellen". Nach 1000 werden von ihm Städte wie Novara und Como eingenommen. Das Ganze kulminiert darin, dass 1002 einige vom Abstieg bedrohte Markgrafen und Grafen zusammen mit hohen bischöflichen Vasallen Arduin nach dem Tod Ottos III. zum König erheben, wogegen sich die den Ottonen verpflichteten Bischöfe von Ivrea, Vercelli und Novara stellen. Bischof Petrus von Novara wird von seinen eigenen milites vertrieben, seine Kastelle werden zerstört und seine Kirchengüter unter den Aufständischen verteilt. Es geht dabei auch um die auf Bischöfe gestützte kaiserliche Macht gegen die des hohen weltlichen Adels: "Der Ausbau ihrer Herrschaften, zunächst von den Königen selbst gefördert, stieß sich mit der neuen Politik der Ottonen, die eine Rekuperation des Kirchengutes und eine Konzentration der öffentlichen Gewalt in der Hand der Bischöfe anstrebten." (KellerOberitalien, S.285)
1004 zieht Heinrich II. nach Italien, besiegt Arduin und lässt sich in Pavia krönen. Als sich die Einwohnerschaft gegen ihn stellt, übergibt er die Stadt den Flammen. Nachdem er abgezogen ist, stellt Arduin seine Macht zumindest im Nordwesten Italiens wieder her.In diesen Zusammenhang gehört die Freiheitsurkunde von 1005, die der mit Arduin verwandte Reformabt Wilhelm von Dijon für Fruttuaria diktiert, die das Kloster aus dem Machtbereich des Bischofs von Ivrea heraushebt.
1014 zieht Heinrich II. nach Rom und konfisziert Güter von Aufständischen, lässt sich zum Kaiser krönen. 1015 stirbt Arduin und wird in der von ihm gegründeten Abtei von Fruttuaria beerdigt, aber die Verhältnisse beruhigen sich nur kurz. 1024 wird die Kaiserpfalz von Pavia zerstört, 1030 der Bischof von Cremona aus seiner Stadt vertrieben.
1034 zieht der Mailänder Erzbischof Aribert II. (1018-45) mit Militär für Konrad II. nach Burgund, und als er zurückkehrt, trifft er auf die Opposition von Kapitanen, die sich zu wenig beteiligt fühlen, paululum dominabatur omnium suum considerans non aliorum animum, (Arnulf II, 10) Laut Arnulf von Mailand beginnt alles damit, dass Bischof Aribert von Mailand einem städtischen Hochadeligen sein Lehen entzogen haben soll. Viele Valvassoren verlassen die Stadt und finden Unterstützung beim ländlichen Adel. Es kommt zu Kämpfen.
Schließlich kommt es 1035 ganz allgemein im Gebiet von Mailand, Piacenza, Cremona und Pavia zum Aufstand vor allem der kleineren milites, Ritter auf burgähnlich befestigten Plätzen auf dem Lande, im Verein mit nichtadeligen Grundbesitzern gegen ihre seniores, also Herren, in dem es um Rechtssicherheit der (Unter)Vasallen geht. Dieser sogenannte Valvassorenaufstand betrifft weiterhin die von Konrad fortgeführte Revindikationspolitik zur Festigung der deutschen Herrschaft, die auch die großen Vavassoren bedroht. Wesentliche Ziele werden die Sicherung der Lehen durch Erblichkeit und Rechtssicherheit.
In Wipos Gesta Chuonradi heißt es:
Magna et modernis temporis inaudita confusio Italiae propter coniurationes, quas fecerat populus contra principes. Coniuraverant enim omnes valvasores Italiae et gregarii milites adversus dominos suoi et omnes minores contra maiores, ut non paterentur aliquid sibi insultum accidere a dominis suis supra voluntatem ipsorum, dicentes, si imperator nollet venire, ipsi per se legem sibimet facerent. (cap.34, in Investiturstreit, S.333)
Die italienische Konfusion besteht also aus Verschwörungen des "Volkes" gegen die "Fürsten", solchen der Militia gegen ihre Herren, der Kleinen gegen die Großen, und wenn der Herrscher nicht käme, würden sie das für sich regeln.
Auch wegen des Aufstandes entschließt sich Konrad II., noch einmal nach Italien zu ziehen. In Mailand wird er von Aribert Anfang 1037 zunächst feierlich empfangen. Doch dann kommt es zu Konflikten. Auf einem Hoftag zu Pavia wird der Erzbischof im März 1037 inhaftiert. Er kann wenige Wochen später fliehen und scheint dann den Versuch gemacht zu haben, Odo von Champagne als italienischen König zu rufen.
1037 gewährt Kaiser Konrad II. während der offensichtlich erfolglosen Belagerung von Mailand ad reconciliandos animos seniorum et militum, also zur Versöhnung der Gemüter der feudalen Herren und (ihrer) Krieger, in der später so genannten 'Constitutio de feudis' den vavassores maiores, den zukünftigen Capitanen und den vavassores minores das Recht auf „ihr“ Land als ohnehin schon praktizierte Erblichkeit ihrer Lehen (beneficia). Erben können Söhne und Enkel und selbst Brüder des jeweiligen Kriegers.
Kein Herr (senior) darf einem Krieger (miles) sein Eigengut oder beneficium mehr einfach so nehmen. Damit werden die in der letzten Zeit nicht mehr mit königlicher Zustimmung neu erbauten Adelsburgen als Eigentum, also Allod anerkannt und nicht mehr königlichen Belastungen ausgesetzt. Der Königsdienst des servitium regis (fodrum de castellis im Text) gilt also nur noch für diejenigen Burgen, die es schon seit jeher geleistet haben.
In der "Constitutio" wird zudem festgelegt, dass der Tausch verliehener Güter oder Verträge, die Herren als Livell weitergeben (cambium aut precarium aut libellum), nicht mehr ohne Zustimmung der betroffenen Vasallen stattfinden kann.
In Streitfällen (contentio) der maiores vavassores bis hin zum Lehnsentzug durch den Herren entscheidet nun ein Gericht von Standesgenossen (pares), und wenn dieses keine akzeptable Entscheidung schafft, gibt es die Möglichkeit, an kaiserliche Rechtsprechung zu appellieren.
Die maiores vasvasores werden so rechtlich gegenüber dem König/Kaiser den unmittelbaren bischöflichen und zugleich königlichen Vasallen gleichgestellt und das Eigentum als Erbgang in der Promogenitur festgelegt. Mit der Gesetzgebung fixiert sich ein ordo, der sich dann später als capitanei bezeichnet, und abgesetzt davon der der "geringeren" vavassores, die bald dann nur noch diejenigen sind, die als Va(l)vassoren bezeichnet werden.
Die geringeren Valvassoren sollen ihr Recht durch einen kaiserlichen Gesandten (missus) der nächsten Stadt oder von einem der Herren (seniores) gegeben werden. Damit setzen diese sich nun auch scharf von den rustici ab, den Bauern, denen nun der Zugang in die "Ritterschaft" der milites versperrt ist, zu der der Vavassor als miles nun auch gehört. Wenn nun Vavassoren selbst sich, zum Beispiel um Herrschaften über Orte aufzubauen,Vasallen mit Lehen zulegen, bleiben diese als aus der kirchlichen oder klösterlichen familia oder den Reihen der rustici entstammenden neuen "Ritter" von den Vorrechten des Gesetzes Konrads ausgenommen und werden als nichtadelig betrachtet.
Mit dem Aufstieg der Kapitanenschicht zu Herrschern über ganze Orte verschwindet für sie die Bezeichnung miles episcopi und wird durch den des capitaneus ersetzt. (KellerOberitalien, S.360). Die Bischöfe als Stützen kaiserlicher Herrschaft verlieren wie Markgrafen und manchmal noch jetzt Grafen an Macht.
März 1038 wird Aribert übrigens von Papst Benedikt IX. exkommuniziert. Nach Konrads Tod 1039 unterwirft Aribert sich Heinrich III. 1040 auf einem Hoftag in Ingelheim und huldigte ihm als neuem Herrscher. 1042 jedoch vertreiben die Mailänder Cives die Capitane und Valvassoren zusammen mit dem Erzbischof. Diesem gelingt dann die Rückkehr, und er stirbt wenig später.
Unruhefaktoren bleiben der Status der bischöflichen familia, deren Mitglieder weiterhin adelige Unterstützung hin zu mehr Freiheiten suchen, der Kampf um die Stadtherrschaft zwischen Bischof und Klerus auf der einen Seite und Adel und Freien auf der anderen sowie die Konflikte um die sich entwickelnde Ortsherrschaft mächtiger Adeliger. (KellerOberitalien). Der ländliche Capitanen-Adel konzentriert sich dabei auf die Erringung lokaler Banngewalt, während die stadtsässigen niederen Valvassoren die städtischen Dienste für die Bischöfe übernehmen. Zugleich kommen sie in Kontakt mit dem aufblühenden städtischen Handels- und Finanzgewerbe.
Städtische Valvassoren des 11. Jahrhunderts entstammen denn auch zunehmend Familien wohlhabender Gewerbetreibender, von Kaufleuten, Silberschmieden, Münzern. Viele bekennen sich zu römischem Recht, was ihrer Abstammung entspricht. Auf dem Lande sind es Nachkommen freier Großbauern oder Angehöriger städtischer Kaufmannsfamilien, die sich dort Grundstücke kaufen und zum Teil dort auch ansiedeln. Ende des Jahrhunderts kaufen sie sich dank ihres Reichtums sogar in Besitzungen von Kapitanenfamilien ein und kaufen längst auch Vasallen Rechte ab, wodurch sie "Lehen und Herrschaftsrechte erwerben." (KellerOberitalien, S.241)
In städtischen Valvassorenfamilien werden dann auch Handels- und Finanzgeschäfte betrieben, wodurch sie einzelne Kapitanenfamilien bald durch Reichtum, wenn auch niemals an Vornehmheit übertreffen. Ursprüngliche Investoren in und Betreiber von Mühlen waren wohlhabende Kirchen, Klöster und Kapitanenfamilien. Dann nehmen Valvassoren solche Mühlen zu Lehen und können sie schließlich den Kapitanen sogar abkaufen. Sie setzen dann dort abhängig Beschäftigte als Müller ein und gewinnen daraus Einnahmen. Im 11./12. Jahrhundert konkurrieren nunmehr adelige und zugleich reiche Valvassoren mit "bürgerlichen" Familien als Geschäftsleute und Unternehmer, natürlich aber nicht als Produzenten in körperlicher Arbeit. Solche Valvassoren können dann spätestens im 12. Jahrhundert in dieselben Positionen eintreten wie Kapitane.
In der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts gelingt es Valvassoren also, sich selbst mit ritterlicher Lebensführung auszustatten und darüber seit dem 12. Jahrhundert in den Bereich der Nobilität aufzusteigen. Was sie von den Kapitanen vor allem unterscheidet, ist die fehlende allodiale Basis, also ein bedeutenderer Besitz jenseits der Lehen, was sie dabei behindert, selbst vergleichbare Herrschaftsfunktionen auf dem Land zu übernehmen.
Mit der Verbindung von Kapitanen und Vavassoren zu einem ritterlich-adeligen Stadt (ordo) findet eine dann Jahrhunderte überdauernde Neudefinition von "Adel" ihren Abschluss. Alle darunter sind nun Volk (populus) und auf dem Lande Bauern, rustici.
Unglücklicherweise wissen wir wenig vom städtischen Adel des 11. und 12. Jahrhunderts. Wenn im 14. Jahrhundert Leute wie Dante oder Velluti zurückschauen, kennen sie noch Namen von Vorfahren, können diesen aber kaum Tatsachen zuordnen und haben nur sehr vage Vorstellungen von ihren wirtschaftlichen und Machtgrundlagen oder gar ihrer Lebensweise und Vorstellungswelt. Und vor ihnen ist die Quellenlage sehr dürftig.
Eine ganz andere Art von Adel entwickelt sich in den Städten wiederum in dem, was u.a. Keller als "Konsulatsaristokratie" bezeichnet (Oberitalien, S. 367), in der sich Adel und einzelne Vertreter der "bürgerlichen" Oberschicht zusammenfinden.
In der Folge werden in Norditalien im 12. Jahrhundert libri feudorum ein solches Feudalrecht weiter systematisieren, eine Entwicklung, die nördlich der Alpen erst deutlich später einsetzt (Patzold, S. 45ff). Der Bauernschaft wird abgesehen von nachlassender Hörigkeit dabei nur der Weg in die Stadt als Aufstiegschance übrigbleiben.
Auffallend ist, dass diese frühesten lehns- oder feudalrechtlichen Fixierungen zusammenfallen mit der Vorgeschichte der Kommunen zunächst in Norditalien und das heißt auch mit der Ausweitung von Produktion, Handel und Finanzen in den Städten sowie der zunehmenden Monetarisierung der Beziehungen im ländlichen Raum. Es erscheint sinnvoll, die Entstehung des Kapitalismus gegen Marx nicht im Schoße eines "Feudalismus" zu suchen, sondern eher eine zeitgleiche Entfaltung zu konstatieren, bzw. gar ausgeprägte feudale Strukturen als Folge der Einwurzelung sich kapitalistisch entwickelnder Ansätze zu begreifen.
Ortsherrschaft in Norditalien
Im 11. Jahrhundert kommt es zur Ortsherrschaft des oberen Va(l)vassoren-Ordos, der am Ende des Jahrhunderts dann als der der Capitanen bezeichnet wird. Unterstützt wird diese Ortsherrschaft bzw. dörfliche Bannherrschaft (die die Feudisten dann dominatus loci nennen) durch die Vasallen der Kapitane, die Valvassoren, denen es an Eigengut fehlt, um mithalten zu können, die aber an den herrschaftlichen Vorrechten beteiligt werden. Sie setzt Bevölkerungskonzentration in Dörfern voraus und fördert diese, führt dort zu spezialisiertem Handwerk und fördert die Marktorientierung der Bauern.
Die Bauern geraten so in doppelte Unterordnung. Einmal unterliegen sie den Belastungen, die aus der tradierten Grundherrschaft resultieren, zum anderen denen der Bannherrschaft, die in Konkurrenz zu alten grundherrschaftlichen Strukturen tritt. Ritterlicher und städtischer Besitz auf dem Dorf ist frei von den Diensten und Abgaben, die alle Bauern des Ortes für ihren Bannherrn zu leisten haben: Wachdienste im Kastell, Beherbergungspflicht für bis zu sechs Ritter, Hand- und Spanndienste und Naturalabgaben, die spätestens im 13. Jahrhundert dann durch Geldleistungen abgelöst werden können. Jeder dritte gefangene Fisch wird vom Ortsherrn einkassiert, dazu die Abgabe von der Bannmühle, wenn die Bauern des Ortes ihr Korn dorthin bringen. Erst nachdem der Ortsherr hat Eicheln im Wald lesen lassen, dürfen die Bauern sich an die übriggebliebenen machen. Dazu kommt die Unterwerfung unter die herrschaftliche Orts-Gerichtsbarkeit. Alle solche Vorrechte werden von den Juristen bald vom Land abgeleitet, über welches der Ortsherr herrscht.
Mit der Bannherrschaft des Kapitanen mit ihrer Konzentration auf einen Ort und die Unterwerfung der bäuerlichen (nicht aber der ritterlichen) Bevölkerung unter einen dominus, der auch die Allmende reguliert und die Flurordnung, entstehen Landgemeinden, die auch zu Pfarreien (parocchie) werden. Mit den Rechten über die Kirche und zumindest eines Teils der nun nicht mehr nur auf Taufkirchen bezogenen Zehnten einher geht ein zunehmender Einfluss der Pfarrgemeinde auf die Ernennung des Pfarrers und das Kirchengebäude. Die Gemeinde unter dem dominus loci teilt sich in rechtlich miteinander verschmelzenden Adel aus nicht herrschaftlichen Kapitanen und Valvassoren und ihren ständischen Privilegien, die sich dann auch nichtadelig-städtische Grundbesitzer im Ort zulegen, und eine doppelt belastete Bauernschaft.
Bannherrschaft und ländliche Gemeinde entwickeln sich nicht zufällig parallel zur Gemeindebildung in den Städten. Kapitalisierung, Modernisierung und zunehmende Verallgemeinerung des Warencharakters erhöhen Quantität und Qualität der Lebensmittel, was zu einem bis Anfang des 14. Jahrhunderts anhaltenden Bevölkerungswachstum führt. Dieses wiederum macht Grund und Boden und die Nahrungsmittel zu nachgefragteren Waren. Entwaldung, Deichbau, Entwässerung in der Poebene seit dem 11. Jahrhundert werden dann von den Zisterziensern besonders forciert, wie von der Abtei Chiaravalle Milanese.
Neue Nutzung von Ödland trägt ähnlich wie nördlich der Alpen dazu bei und ebenso die Privatisierung von gemeinschaftlich genutztem Land. Bevölkerungswachstum heißt von nun an wie schon in der Antike immer Beseitigung von Naturlandschaft.
Persönlich abhängige Arbeit, „feudale“ Zwangsarbeit wird weniger, zuerst im nahen Umfeld der Städte. Bäuerliche Landwirtschaft entsteht in Pacht von den Grundbesitzern, zu denen nach und nach immer mehr reiche Städter gehören.
Bereits im 10. Jahrhundert bildet sich eine Schicht von Pachtbauern, livellarii, heraus, die, wie in der Umgebung von Mailand, ihr Land unterverpachten und von der Rente leben, Leute, die dann dazu neigen, in die Stadt zu ziehen und zu verbürgerlichen, ein Vorgang, der bis ins 13. Jahrhundert anhalten wird.
1030 ist die Halbpacht, mezzadria, zum ersten Mal auf Florentiner Gebiet dokumentiert und in den nächsten 200 Jahren wird sie nicht nur dort zur typischen Voraussetzung für bäuerliche Landwirtschaft. Land im Territorium der Stadt wird Spekulationsobjekt wie in der Stadt selbst und verteuert sich immer weiter. Städte nutzen mehr und mehr ihre ländlichen Territorien für Lebensmittel, Brennstoffe, Arbeitskräfte, Baumaterial, als Neuland für Investitionen und als neuen Markt – und profitieren von seiner Besteuerung. (Martines, S.222ff)
Pachtbauern haben, je kleiner die Betriebsgröße ist, sehr knapp zu kalkulieren und lassen sich zudem von städtischen bzw. bürgerlichen Landbesitzern Saatgut und Vieh geben, was sie aus der Ernte zu entgelten haben. Diese Landeigner können so in der Stadt Vorräte anlegen für die regelmäßig auftretenden Zeiten der Not und scheiden zugleich damit weitgehend aus dem Lebensmittelmarkt als Konsumenten aus, während deren Zahl durch die allgemein ansteigende Bevölkerung deutlich ersetzt wird.
Die Monetarisierung ist in Norditalien weiter fortgeschritten als nördlich der Alpen. Grundstücke werden gekauft, Herren gegeben, die sie wiederum als Lehen den Käufern ausgeben. Städtische Kaufleute kaufen Land auf dem Lande, kaufen etwas später auch Lehen, um von der Rendite (Rente) zu profitieren. Allmende werden von Valvassoren wie auch Lehen gekauft und verkauft. Reichtum hängt nicht nur an ererbtem und geliehenem Land, sondern immer mehr auch an Geld.
Geldwertes Eigentum und Verfügungsmasse schichtet anders als nur ständisch. Der Immobilienwert des Besitzes von Kapitanen beträgt viele hundert bis tausende Pfund, bei ländlichen Valvassoren sind es 100-200 Pfund, bei städtischen oft ein Vielfaches davon. In der Bauernschaft gibt es rustici, die mehrere, bis zu 20 Pfund Vermögen besitzen und bis an die 10 Pfund Schulden machen können, vor Gericht mehrere Pfund Strafe zahlen können und ihren Bräten bei der Eheschließung eine dos von mehreren Pfund geben können, sie können sogar ins Rittertum, wenn auch nicht in den Adel mehr aufsteigen, während viele andere in die Armut und Verschuldung absinken.
Zwar ist das alles nicht gleichbedeutend mit verfügbarem Geld, oft muss dieses als Darlehen vorgeschossen werden, aber es bedeutet Sicherheit für solches.
Die Tendenz zur Kapitalisierung ist auf dem Land (wie sowieso in der Stadt) erst einmal nicht mehr aufzuhalten. Indem Grund und Boden zur Ware werden, kaufen wohlhabende Bürger Höfe auf, nutzen sie als Zweitwohnsitz für den Sommer oder spekulieren mit Grund und Boden. Bäuerlichen Pächtern und kleinem grundbesitzendem Adel leihen sie Geld zu enormen Zinssätzen. Es kommt zur Konzentration von immer mehr Land in immer weniger Händen. Das entstehende Bauerntum hingegen besitzt nur einen winzigen Teil des ländlichen Raumes. (Martines erwähnt, in der Lombardei seien das am Ende dieser Entwicklung 1547 nur drei Prozent gewesen.)
Mit der Übernahme großer Teile des Landes durch die Stadt findet nicht nur ein neuer Konzentrationsprozess des Landbesitzes in immer weniger Hände statt, sondern auch eine Vergrößerung des Landes der einzelnen Höfe in nichtbäuerlicher Hand. Diese versorgen die Keller und Vorratsspeicher der großen Kapitaleigner in der Stadt für die Selbstversorgung, mit der sie über die nicht seltenen Hungerkrisen hinwegkommen, während die Masse der städtischen Bevölkerung leidet oder an Folgen von Unterernährung stirbt.
Mittelitalien
Im weiten Umfeld von Rom gehört das Land fast ausschließlich den römischen Kirchen und Klöstern. Dieses Land wird bis ins 11. Jahrhundert vornehmlich an eine reiche und mächtige Schicht weltlicher Familien verpachtet, von da an aber immer mehr auch an Gewerbetreibende und wohlhabende Handwerker. An unterster Stelle stehen jene Pächter, die das Land bearbeiten.
Gegen Ende des 11. Jahrhunderts setzt ein Prozess ein, in dem einzelne große Pächter ihr Land in Eigentum verwandeln können.
Die Fragmentierung von Grund und Boden durch Erbteilung ist im wesentlichen ausgeschlossen, da es sich um geistlichen Besitz handelt, der nicht vererbt und dabei geteilt werden kann. Andererseits können Pächter ihr Pachtgut oder Teile davon verkaufen, worauf es zwar nicht im Eigentum, aber im Pachtland manchmal geteilt wird. Insgesamt aber bleibt es möglich, dass Kirchen und Klöster manchmal geschlossene Ländereien von bis zu 20 Quadratkilometern in Eigentum haben.
Die Pachten der römischen Herren scheinen mit etwa einem Viertel der Ernten recht niedrig zu sein, dafür sind die Eintrittsgebühren in den Pachtvertrag sehr hoch, und neben den Gebühren bei Verkauf des gepachteten Geländes wohl wesentliche Geldquelle der Eigentümer. Dabei ist Geld im Spiel, und das wird wiederum durch Verkauf der Ernte erwirtschaftet (Wickham(2), S.79ff)
Die Quellenlage über die Bauern ist generell schlecht, aber für das Umland von Rom fällt sie fast ganz aus. Es wird Land verpachtet und am Ende wohl mündlich unterverpachtet, Gebäude werden nicht erwähnt. Im Bereich des später so genannten Agro Romano scheint es darüber hinaus kaum Dörfer zu geben.
Eine Besonderheit sind die scolae, die Obstbauern in Nachbarschaft der ummauerten Stadt bilden, eine Art kleine Kooperativen, in denen im wesentlichen offenbar die Konkurrenz untereinander und Streitfälle geregelt werden sollen. In ihr schließen sich manchmal Produzenten, aber auch Unterverpächter zusammen und wählen einen Prior. Scola kann ansonsten den "Zusammenschluss von Handwerkern, Salzarbeitern, Fischern, Bootsführern" bedeuten (Wickham(2), S.90).
Ein weiterer Sonderfall sind die Weinberge rund um die Stadt, die teils wohl von Stadtbewohnern eines deutlich unteradeligen Sozialstatus selbst bearbeitet werden, wobei diese wohl ähnlich wie die Obstbauern miteinander kooperieren, und teils von Unterverpächtern.
Milites in Südfranzien und Katalonien
Im Verlauf des 10. Jahrhunderts zergliedert sich vor allem der Südteil Westfranziens in ein dichtes Netz von zunächst noch aus Holz gebauten Burgen.
Um 1000 werden im Anjou unter Graf Fulco Nerra die ersten Burgen aus Stein gebaut (Langeais). Es folgen die des Grafen von Blois. Burgen werden nicht nur Zentren von Herrschaften, sondern demonstrieren durch ihre Zahl auch die Macht von Herren über sie.
Indem sowohl Adel wie übrige milites in Burgen ziehen, beginnen beide Gruppen miteinander zu einer Schicht niederen Adel in rund 1000 westfränkischen Burgbezirken zu verschmelzen.
In schriftlichen Urkunden werden nun zwischen übergeordnetem Herrn und zu Pferde kämpfendem Mann mit Verfügung über eine Burg gegenseitige Verpflichtungen niedergelegt, die Verfügung über Burg und Land und Verpflichtung zu militärischem und auch anderen Diensten. Der Lehnsakt enthält die Mannschaft und den Treueid.
Wie alle Machthaber verbinden auch die castellani die Realität gewalttätiger Unterdrückung mit der Funktion des Schutzes nach außen und der Friedenswahrung im Inneren. Dafür und für Bau und Unterhalt der Burgen und ihrer Mannschaften verlangen die Burgherren von den ihnen Untertanen Abgaben und Dienste. Der Friedenswahrung, also der effizienten Nutzung untertäniger Arbeit dient die Etablierung von Gerichtshoheit und das Abpressen von Gebühren und Strafen, die erst so recht seigneurie banale einrichtet, Banngewalt. Indem sie sich über die grundherrliche Gewalt wölbt, schafft sie Ansätze eines einheitlichen kleinräumigen Untertanenverbandes, den Abgaben und Dienste der Leute aus den unterschiedlichen, nebeneinander existierenden und ineinander verschränkten Grundherrschaften in gleichem Maße zu leisten haben.
Über das gemeinsame Gericht und gleichartige Leistungen verschwimmen die unterschiedlichen Grade von Unfreiheit und Abhängigkeit. Zur Ernährung von sich und seinen Mannen kommen Einkünfte aus schon existierenden oder neu zu errichtenden Märkten, dazu Zölle und Steuern auf den Handel. Die Leute werden zur Nutzung seiner Mühle, Weintrotte und seines Backofens gezwungen und müssen dafür zahlen. Bei willkürlichem Bedarf erhebt der Burgherr darüber hinaus eine Taille, die wohl auch besonders gute Ernten noch einmal extra abschöpfen soll.
Indem sich so eine auf militärisch-polizeilicher Gewalt gestützte Macht über die Grundherrschaften und unterhalb der Fürstentümer etabliert, entsteht so eine kleinräumige Vorform von Staatlichkeit: Erpressung von Gehorsam und geregelte Plünderung der Ergebnisse von Arbeit werden mit Schutz und Friedenssicherung begründet. Spätere Staatlichkeit scheint bereits durch, ebenso wie die sich selbst legitimierenden und regulierenden vorstaatlichen Strukturen von Mafia, Ndrangheta und Camorra.
Der doppelte Druck von Grundherrn und Bannherrn kann einerseits die Initiative der Unterdrückten erlahmen lassen, aber andererseits sie auch dazu inspirieren, die Produktion auszuweiten und zu intensivieren, um überhaupt durchzukommen, was letzteres laut Gilomen in der Regel der Fall ist, was dann zu stärkerer Marktbezogenheit der Bauern führt (S.58). Die Konzentration von Geld in den Händen der Bannherren führt dann zu gesteigertem Warenkonsum in ihren Familien und damit zu zunehmender Nachfrage auf städtischen Märkten.
Über solchen Burgherrschaften wölben sich dann wieder größere Gebietshoheiten und Fürstentümer und ein Königtum, welches nun anfängt, darüber eine zunächst geringe Hoheit zu errichten. "Der Mörtel, der diese neuartig strukturierte Gesellschaft zusammenhielt und stabilisierte, war die Verbindung von Vasallität und Lehen." (Patzold, S.64). Am Beispiel des Maconnais benannte Georges Duby das Neue als Feudalgesellschaft.
In schriftlichen Urkunden werden nun zwischen übergeordnetem Herrn und zu Pferde kämpfendem Mann mit Verfügung über eine Burg gegenseitige Verpflichtungen niedergelegt, die Verfügung über Burg und Land und Verpflichtung zu militärischem und auch anderen Diensten. Der Lehnsakt enthält die Mannschaft und den Treueid.
Ähnliche Verträge wie in der Südhälfte Westfranziens sind aus dem nördlichen Katalonien seit dem früheren 11. Jahrhundert überliefert. Wie im zukünftigen Frankreich südlich von Paris finden solche Verträge bereits deutlich vor den Texten der norditalienischen Feudisten statt. Dabei wird es schon damals in der Grafschaft Barcelona üblicher, für die Leistungen des Mannes nicht mehr Land zu verleihen (dies steht nur begrenzt zur Verfügung), sondern ihm eine Art jährlichen Sold zu bezahlen. (Patzold, S.68)
Die aufkommenden feudalen Rechtsbeziehungen wölben sich auch im zukünftigen Katalonien über Abhängigkeitsformen von Bauern zu ihren Herren, deren Charakter zunehmend rechtlich fixiert wird. In einer Übergabe-Urkunde des im Großraum Barcelona liegenden Klosters Sant Cugat del Vallès an ein Paar mit zwei Kindern heißt es, gegen zwei mancusos eingeschmolzenen Goldes übergibt das Kloster ein
Allodium, und zwar mit allem, was dazu gehört, Taubenhaus (...) kultivierte und brach liegende Weinberge, Wälder, Land mit Gestrüpp und mit allen Arten von Obstbäumen und anderen, Bewässerung mit ihren kanalisierten Leitungen. (...) mit der Übereinkunft und Voraussetzung, dass ihr das besagte Allodium immer gut und zur Gänze bewirtschaftet und euch bemüht, die Kulturen rentabler zu machen, und immer so gut ihr könnt die Gebäude des Gutes renoviert und verbessert, und dass ihr von allen Früchten und Erträgen, die das Gut erbringt, drei Viertel behaltet und den vierten Teil getreu an uns und das Kloster übergebt.Aber von den vorgesagten Weinbergen teilt ihr allen Wein getreu zu gleichen Teilen zwischen euch und uns. (...)
Desgleichen gebt ihr uns auch den vierten Teil von allen Erträgen aus Weinstöcken und Bäumen, die ihr neu anpflanzt. (...) Alles wird gegeben, damit ihr das Recht habt, es zu besitzen und zu haben, wie oben beschrieben, im Dienst von San Cugat. Wenn eine der beiden Seiten einen Teil des Vertrages bricht, muss sie zwei Unzen Gold zahlen. (m. Übers. nach Manzano, S.813ff)
Das Land im Königreich León im 11. Jh.
Das was Historiker gemeinhin als Feudalisierung bezeichnen, ist hier die schrittweise Unterwerfung von Bauern unter Herren. Dabei spielen Veränderungen von unten und von oben ineinander.
Zu ersterer Entwicklung gehört das Auftreten von boni homines oder onesti viri mit besonderen Qualifikationen und/oder größerem Wohlstand (Pierre Bonnassie für Katalonien), mit besseren Produktionsmitteln wie Zugtieren, und Eisenpflügen (Duby für Westfranzien). Die Leute gelangen an mehrere Felder über Geldeinsatz, haben mehr Marktzugang. In ihnen versammeln sich die Faktoren Reputation und Reichtum.
Die Termini in den Quellen sind oft maiores und minores. 1036 wird ein Hauskauf in Sopena bezeugt von der ganzen plebs des Dorfes San Esteban maximum usque ad minimo. Eine andere Übereinkunft wird von allen Einwohnern sub uno a maximo usque a minimo akzeptiert. (Godoy, S.66)
Zu den Dorf-Honoratioren gehört auf jeden Fall der Priester, der oft über mehr Land verfügt als die meisten. Daran kann er zum Beispiel durch Landschenkung als Vorleistung für besondere Totenmessen kommen. Oft ist auch im 10. Jahrhundert der Priester im persönlichen Besitz seiner Kirche, die er gelegentlich, wie er stolz dokumentiert, selbst erbaut oder geerbt hat.
Es kommt zur Etablierung einer Justiz von außen auch durch vermittelnde Notabeln in den Dörfern. Diese vermittelnden Honroratioren sind gelegentlich Gläubiger der übrigen Dorfbevölkerung, aber bieten ihnen manchmal auch so Hilfe an, was ihre Autorität erhöht. Gelegentlich schießen sie Lebensmittel in Notlagen vor, und wenn die nicht mehr zurückgezahlt werden können, muss stattdessen Land übergeben werden.
Godoy: Entwicklungen von innen wie von außen verbinden sich und schaffen Feudalisierung, wie sie das nennt (S.50) in einem sehr langsamen Übergang.
Schon in Schwelle 2: Im 10. Jahrhundert werden comes (Grafen) über mehrere benachbarte comissa eingesetzt, die dem entstammen, was sich nun als höherer Adel versteht. Nicht nur sie, sondern ebenfalls als Adel herausragende Familien beginnen mit Burgenbau oder wenigstens dem eines Turmes. Neben der islamischen Bedrohung gilt das vor allem der normannischen, die immer wieder Gegenden verwüsten. Die Zentren des comisso werden so zerteilt in einzelne Adelsherrschaften, die auch von Gegenleistungen für Militärdienst profitieren.
Die Bezirke der comissos werden nach und nach zu comitatus, in denen auch die Abgaben für den König eingezogen werden. Die Macht des Königs geht dabei zurück mit dem Aufsteigen eines Adels, mit dem er regional konkurrieren muss und der sich zunächst als gens begreift.
Von oben vergibt die Monarchie Machtvollkommenheiten an Grafschaften und die wiederum so wie der König an örtliche Magnaten, die ihre Verfügungsmasse vergrößern und vererben können. Fast überall etabliert sich adelige Macht oder ist schon vorhanden.
Wo nicht, bleiben freie Bauern und dörfliche Autonomie länger erhalten. Das ist nach dem 8. Jahrhundert zwischen Duero und Kordilleren zunächst fast überall der Fall. Erst Mitte des 9. Jahrhunderts unter König Ordono I beginnt es sich zu ändern, insbesondere dann unter Ordono II (914-24), der die Stadt León zu seinem Zentrum macht. Um 1000 haben sich dann weltliche Magnaten und geistliche Institutionen als Machthaber etabliert.
Rechtliche Einheiten wie territorium haben Frühformen von Städten als Zentrum und comisso oder mandatio eher ländliche Räume, in denen Rechtsprechung vom König an weltliche oder geistliche Herren geht. Sie bekommen rechtliche Funktionen (Immunitäten) delegiert, in denen die Aktivität königlicher Sayonen ausgeschlossen wird, was mit Gaben von Land flankiert wird. Sowohl Auftrag wie Land mit Leuten werden erblich. In Urkunden tauchen dabei das obsequium bzw. servitium der Bauern auf, wobei gelegentlich Abgaben spezifiziert werden, die auf die Übertragung von Aufgaben durch den König an Magnaten zurückgehen. Als der König 944 dem Kloster Sahagun Herrenmacht über die villa Pozolos überträgt, heißt das, dass die Einwohner zum Gericht des Klosters gehen und dabei servitium leisten müssen, was wohl Naturalien meint. (Godoy, S.93) Sie gehören nun zu einem gemeinsamen Rechtsbezirk.
Richterliche Funktionen des Adels nehmen zu. Magnaten beaufsichtigen Straf-Gerichte mit ihren Richtern und kleinen Ministerialen unter den Resten (visi)gotischen Rechtes (liber iudiciorum). Richter urteilen, die Magnaten bestimmen die Strafen. Wo Magnaten das Gericht betreiben, erhalten sie das iudicato, welches die Verurteilten zu zahlen haben, und welches oft in einem Stück Land bestehen kann, aber wohl auch in Vieh oder Lebensmitteln. Bei schweren Delikten von solchen gegen das Leben bis zum Verrücken von Grenzsteinen kassieren die Gerichtsherren die Strafe (calona) ganz ein. Solche Prozesse finden oft noch vor dem concilium durch boni homines des Ortes statt, die auch als Richter fungieren und die Rolle von Zeugen einnehmen.
Gegen Landgaben intervenieren Magnaten für die boni homines in Konfliktfällen und binden sie so an sich. Diese werden das Bindeglied in der Unterwerfung der Bauern.
Zunehmende Macht und Reichtum der Klöster schafft Bindungen zu einzelnen Bauern, die aus der Dorfgemeinschaft herausragen. Sie werden als klösterliche Klientel Vermittler zwischen Kloster und Dorf und vom Kloster als Zeugen benannt. Sie machen wiederum Schenkungen pro remedio animae, also für ihr Seelenheil, die ihre Bindungen ans Kloster verstärken und oft erst nach ihrem Tod materiell wirksam werden.
Es gibt früh Eigenkirchen und Eigenklöster von geistlichen und weltlichen Herren, die sie gegründet haben. Mehr oder weniger fromme Schenkungen an diese Klöster vergrößern die Verfügungsmasse weltlicher Magnaten. Die Priester der Eigenkirchen verbinden die Herren mit dem Ort.
Die Kirchenreform der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts tendiert mit ihrer strengen Hierarchisierung dazu, Dorfkirchen den Dörflern zu entziehen und direkter unter die Aufsicht der Bischöfe zu stellen. Dabei fällt nun die Terzie, der dritte Teil des Zehnten, an, sowie andere Abgaben an den Bischof wie ein Teil der Gaben der Gläubigen in der Messe. Es beginnt das direkte Regiment der Bischöfe und ihrer Vertreter über die Dorfgeistlichkeit, die sich zumindest teilweise dagegen wehrt, wobei die Bauern ihren Priester weiter selbst aussuchen möchten. Wenn das Dorf eine neue Kirche gebaut hat, verlangt der Bischof, sie an seine Kirche zu übertragen, bevor er sie weiht.
Eine spanische Besonderheit ist die Bedeutung des Krieges gegenüber dem Islam. Die Condes sind zentrale Kriegsherren von Burgen aus. Kriegsdienst aller Freien (fonsado) ist Pflicht, dazu gehört auch die Erhaltung von Festungen, gehören Wachdienste usw.. All das kann aber in zunächst überschaubare Abgaben bzw. Dienste an die Grafen oder maiores (merinos) verwandelt werden. In Kastilien geschieht das ebenfalls im 9./10. Jahrhundert. Damit beginnt ein Adel die Überschüsse der Masse der Bauern abzuschöpfen und sein patrimonium auszubauen.
Wie in Franzien existiert die erhebliche militärische Bedeutung des Besitzes eines (Reit)Pferdes. Die nunmehr auftauchenden infanzones stammen aus der wohlhabenderen Dorfbevölkerung, genauer aus jener, die wenigstens ein Pferd besitzt. 974 schafft der Graf von Kastilien so gehobenes Militär: damus foros bonos ad illos caballeros, ut sint infanzones (in: Godoy, S. 97) Damit kann auch im Einsatzfall ein Wehrsold verbunden sein. Selbst von anderen Diensten befreit, können die Infanzonen nun auf Arbeiten anderer Bauern zurückgreifen.
Infanzonen wiederum können als Gefolge von Magnaten auftreten, als milites und fideles, zum Beispiel als Eid leistende Zeugen für diese. Sie bilden eine Art Klientel aus der kleinen Dorfoberschicht, erhalten dabei auch Land gegen Dienste.
Andere boni homines werden milites castri, während die übrigen Bauern Dienste oder Abgaben leisten (Bonnassie beschreibt das für Katalonien)
Ganz generell begeben sich Bauern in die Dienste von Herren, um dafür Schutz und Land zu erhalten. Velito Álvarez, in Diensten der Gräfin Mummadona und ihres Sohnes Pedro Munoz erhält pro servitio bono quod nobis fecisti et facis 1064 unter anderem zwei Grundstücke im Ort, drei landwirtschaftliche Grundstücke, einen Garten, alles vererbbar. Als Pedro Munoz Graf wird und vom König einen Hof in Villa Muzanne erhält, gibt er diesen an Velito weiter propter servitium bonum quod mihi facis et spopondis facere. (Godoy, S.101)
Oft ist mit solchen "Wohltaten" als Gegenleistungen auch die freie Wahl eines Herren verbunden, während für andere Bauern, die in einem seigneurial zugeordneten Dorf in ein freies (autonomes) überwechseln wollen, massive Abgaben nötig sind.
Die Zeit des Übergreifens weltlicher und geistlicher Großer auf die Dörfer ist auch die, in der es einer kleinen Dorfelite gelingt, durch Zukauf insbesondere von Land zu Großbauern zu werden. Godoy liefert als Beispiel einen Pedro in Villacesán. 1010 besitzt er einen abgeschlossenen Hof mit seinen Gebäuden, Gärten und Weidenund ein Stück Land nahe beim Cea. 1016 erwirbt er die Hälfte von sechs Ländereien, den vierten Teil einer weiteren und zwei komplette. Kurz darauf erhält er als Entschädigung von einem Rodrigo, der ihm Schaden zugefügt hatte, einen Weinberg. 1021 erwirbt er noch einmal zwei Weinberge und zwei Ländereien. In der Regel bezahlt er mit barem Geld (solidi). (Godoy. S.109f)
Solche Leute treten auch als Bürgen für vertragskonformes Verhalten anderer Dorfbewohner auf und als Vermittler, die bei den Herren Strafmilderung erwirken können, zum Beispiel die Verwandlung einer Geldstrafe in die Abgabe von Land, was ihre Autorität erhöht.
Das concilium wird nach 1100 zum concejo beim Anwachsen der Macht der Herren. Das entspricht den Interessen der Herren wie der Dorfelite. Das beginnt um 1090 mit den ersten fueros dort. Nun bilden die boni homines das conzilio homium bonorum. (Godoy, S.116)
Adel, Burgen und Höfe nördlich der Alpen
Im Mittelalter laufen zwei Begriffe und Vorstellungswelten nebeneinander, der antike Begriff von Nobilität und der germanische einer Edelfreiheit. Aus letzterer entsteht ein vor allem in deutschen Landen und in England vor der normannischen Eroberung geläufiger Adelsbegriff. Der Noble und der Edle haben gemeinsam, dass sie die Freiheit haben, Krieger zu sein und ihre Konflikte untereinander im Kampf austragen zu dürfen, sie sind miles, und zwar als bewaffnete Reiter zu Pferde.
Zu 1048 berichtet Lampert von Hersfeld darüber, wie zunächst ein Billunger namens Thietmar im gerichtlichen Zweikampf von einem Lehnsmann erschlagen wird, und dessen Sohn Thiemo dann Blutrache übt: Der Übeltäter wird an den Beinen zwischen zwei Hunden aufgehängt.
Gemeinsam ist ihnen auch die Ablehnung produktiver Arbeit, weswegen sie als miles zugleich auch Herren sind, was heißt, dass sie primär von eigenem und zudem von verliehenem Land leben, dessen Arbeitskräfte als familia zu ihren Höfen, curtes gehören. Im Kern leben sie also von der Arbeit anderer, auch wenn ihre Kämpfe und Kriege gelegentlich als Mühe (arebeit oder travail) dargestellt werden.
Selbst das Betreiben von Handels- oder Finanzgeschäften gilt nördlich der Alpen als unedel, was im Verlauf des 11. Jahrhunderts dazu führt, dass Adel die durch Handel und Handwerk aufblühenden Städte verlässt, soweit er dort überhaupt Wohnsitz hatte, und sich immer mehr aufs Land konzentriert. Städtische Ministeriale treten dort immer mehr in ihre Funktionen ein, und die werden dann entweder über ihre Dienste in den Adel aufsteigen oder aber durch Handel und Finanzgeschäfte Teil einer großbürgerlichen Oberschicht werden.
Das hindert den Adel aber nicht daran, dem Besitz von Geld als barer Münze oder ungemünztem Edelmetall zunehmend nachzujagen und sich so an einer monetär und marktwirtschaftlich orientierten Welt zu beteiligen, wobei sie zum entstehenden Kapitalismus als nachfragende Konsumenten und darum indirekt auch Förderer von Kapitalanhäufung beitragen.
Adel ist Teil von Machtstrukturen, an deren Spitze seit dem Ende des westlichen Imperium Romanum Könige stehen und an ihrer Basis Grundherrschaften. Der adelige Krieger war in ihnen in einem zunächst oft noch hölzernen Herrenhaus nahe bei der landwirtschaftlichen und handwerklichen Arbeit angesiedelter Gutsherr. In dem Maße, in dem es ihm gelingt, seine Grundherrschaft zu vergrößern, gar mehrere an sich zu ziehen und die Produktivität zu vergrößern und mehr für einen Markt produzieren zu lassen, löst er sich aus dem grundherrschaftlichen Verbund, verlässt den Herrenhof (Salhof, Fronhof) und zieht auf die Höhenburg, die "zum Mittelpunkt einer neuartigen Herrschaft" wird (so bei WeinfurterGeschichte, S.64).
Mit dem Burgenbau im 11. Jahrhundert beginnt ein Großteil des Adels nördlich Italiens sich einmal aus dem direkten Zusammenhang seiner Grundherrschaften und zum anderen aus der sich intensivierenden städtischen Entwicklung zurückzuziehen. "Das Nebeneinander von Burg und Stadt ist ein weltweit einmaliges Phänomen", schreibt Mitterauer. ((2), S.124) Und: "Überall war der Burgbann, mit dem die Herren dieser neuen Burgen zur Burgwerksleistung aufbieten konnten, das Kernstück von Hoheitsrechten, die für den neuen Typ der Bannherrschaft charakteristisch sind." (S.128) "Nicht der ritterliche Kampf zu Pferde bewirkte >Herrschaft über Land und Leute<, sondern die Errichtung hunderter und tausender Burgzentren, die sich über diese Reiche verteilten." (S.130)
Im 10. Jahrhundert taucht laut Familienerinnerungen ein Guntram als Ahnherr der Habsburger auf. Zu den Enkeln gehören ein Radbot und der Bischof Werner von Straßburg. Einer von beiden soll die Habichtsburg/Habsburg als Zentrum eines Rodungsgebietes im Aargau um 1020/30 errichtet haben. Indem dann eine solche Burg zum Familienzentrum wird, beginnt die Adelsfamilie nach ihr benannt zu werden. 1108 ist mit Otto II. erstmals ein Angehöriger mit dem Geschlechtsnamen comes de Hauichburch belegt.
In einer Übergangszeit kann es auch passieren, dass sie mal mit der einen und dann mit der anderen mehrerer Burgen namentlich verbunden wird, wie das bei den Staufern der Fall ist. Das königliche Herrschaftsrecht zur Genehmigung des Baus einer solchen Burg schwindet dabei nach und nach.
Um 1027 gründete Radbot (985–1045) zusammen mit seiner Ehefrau Ita von Lothringen (995–1035) das Benediktinerkloster Muri, sein Bruder Rudolf (985/990– um 1063) das im Oberelsass befindliche Kloster Ottmarsheim.
Der habsburgische Besitz basiert auf Allod zwischen Reuss und Aare mit der namengebenden Burg und bald auf Klostervogteien in der Nordschweiz (Muri) und im Elsass. In den Konflikten um Reformkirche und weltliche Macht entwickelt sich dann die Darstellung der Entstehung eines Hauses Habsburg.
Bei der Erbteilung kann dann die Stammburg entweder in einer Hand bleiben, oder aber die weit verstreuten einzelnen von Burgen ausgehenden Herrschaften und Rechte werden in jeder Gegend jeweils unter allen (männlichen) Erben aufgeteilt. Das sind zwei Möglichkeiten, die Macht einer Adelsfamilie zu tradieren. Eine weitere war es, die namensgebende Burg nicht auf Eigentum, sondern einem Lehen zu errichten, denn Lehen waren unteilbar.
Dieser zentralen Burg wird die immer erblicher werdende Vogtei über ein Familienkloster beigeordnet, welches als Grablege und zum Totengedenken bestimmt ist. Burg, Kloster, Vogtei und dazugehörende Gerichtsbarkeit und Grundherrschaften mit ihren Pfarreien bildeten so einen Herrschaftskomplex, der in der Familie bleiben soll. Größere solche Gebiete werden von mehreren Burgen kontrolliert, die möglichst nicht mehr als einen Tagesritt voneinander entfernt sein sollten.
Sobald die Herren in (oft Höhen)Burgen (oder Wasserburgen) umziehen, wird der Herrenhof von einem Meier bewirtschaftet. Haben die Burgherren mehrere solche Grundherrschaften, dann gehören auch mehrere Meier dazu. Diese Entwicklung beginnt im 11. Jahrhundert und setzt sich im 12. durch. Die mit der Rechtsprechung betrauten Schulzen und mit der Verwaltung beschäftigten Meier sind zunächst immer noch hörige Bauern, aber sie beginnen, adelige Vorlieben und Verhaltensweisen und ein adeliges Selbstbewusstsein nachzuahmen, wie Ekkehard von Aura schon um 1050 in seinen St. Galler Klostergeschichten klagt.
Adel und Ministerialität unterscheiden sich zunächst ähnlich wie Kapitane und Valvassoren in Italien darin, dass erstere umfangreiches Eigengut an Grund und Boden besitzen, während letztere auf Verleihungen für ihre Dienste angewiesen sind. An Fürstenhöfen beginnen sich dann die Ministerialien dem Adel im Lebensstil und in den verfügbaren Geldmitteln anzugleichen.
Adelsherrschaft entwickelt sich auch dort, wo es Edelfreien gelingt, die Schutzfunktion über Kirche oder Kloster zu gewinnen. Der adelige Krieger kann sich dann als Vogt in einer schon vorhandenen Burg niederlassen, die Mittel von Kirche und Kloster für seine Zwecke nutzen, und von dort aus herrschaftliche Befugnisse über das zugestandene Maß erwerben. "Die Vogtei bot also vorzügliche Möglichkeiten der Herrschaftsbildung, ohne dass der Besitz der Güter oder der Hörigen dafür erforderlich war. Außerdem war die Vogtei ein Amt, das heißt, sie unterstand nicht der erbrechtlichen Teilung." (WeinfurterGeschichte, S.72)
Insofern war es für große Teile des Adels naheliegend, Kirchen- und Klosterreform zu unterstützen. Die alte Verfügungsgewalt des Eigentums an Kirchen und Klöstern wird ersetzt durch die neue über die materiellen Güter in Form von Herrschaftsrechten. (Siehe im Großkapitel 'Kirche und Welt' unter Klosterreform)
Im 11. Jahrhundert entwickelt sich in solchen Zusammenhängen auch unter den ländlichen Herren in deutschen Landen ein neuartiges Selbstbewusstsein und Selbstverständnis: Der sich entfaltende Stolz auf die eigene Abkunft mündet in Genealogien, Stammbäumen, und bei allen Erbteilungen beginnen sich "Linien" an Orten festzumachen: An der Burg, nach der man sich dann auch zu benennen beginnt, an der Kapelle oder Kirche und an dem Kloster, welches man gründet.
Deutlicher als anderswo wird im Südwesten, wie solch neuartiger Adel sich durch Anschluss an Kirchen- und Klosterreform aus der Unterordnung unter König und Fürsten zu befreien sucht: Klöster werden nach den burgundischen und lothringischen Vorbildern in geistlicher Hinsicht der libertas Romana unterstellt und erhalten den Schutz der Vogtei durch die Adelsfamilie. (Siehe Genaueres in 'Kirche, Kloster und Welt'). Nur wohlhabende Herren können es sich leisten, Klöster zu gründen und aufrechterhalten, was entsprechend Adelsstolz fördert. Bei aller Erbteilung wird die Einheit von nun namensgebender Stammburg, Kapelle/Kirche und Kloster dadurch erhalten, dass diese in einer männlichen Linie vererbt werden. Davon sich abspaltende Linien bei mehreren männlichen Erben müssen sich neu etablieren.
Frühe Erbauer steinerner Burgen werden die Normannen der Normandie und sie werden diese dann nach 1066 auch in England einführen.
In deutschen Landen beginnt adeliger Burgenbau im 10. Jahrhundert mit gehöftartigen Holzbauten mit hölzenen Palisaden. Später kommt ein Turm hinzu. Im Flachland entstehen vielleicht nach normannischem Vorbild Motten, befestigte und von Palisaden umgebene Turmhäuser auf künstlich aufgeschütteten Hügeln mit einer Vorburg als befestigtem Ort für Wirtschaftsgebäude. Im elften Jahrhundert kommen Fachwerkkonstruktionen dazu, später dann wird die Gebäudebasis ganz aus Stein errichtet. Wo möglich werden allerdings bald steinerne Höhenburgen vorgezogen.
Adel als Familienstatus ist ganz stark nach Reichtum und damit Macht geschichtet. Wo Dorfgemeinschaften entstehen, gibt es kleine Adelige, die dort neben den Bauern auf ihrem Herrenhof wohnen, solche, die es nur zu einer bescheidenen Burg mit wenig Herrschaftsfunktionen bringen und solche, die über mehrere Burgen mit ihren Herrschaftsbereichen verfügen und so manchmal zu weltlichem Hochadel aufsteigen, von denen es dann aber im 12. Jahrhundert nur wenige in den sich entwickelnden Fürstenstand schaffen.
Die vielfältigen Formen von Landleihen, die einen Teil der in der Praxis erblichen wirtschaftlichen Verfügungsmasse der Herren ausmachen, sind kaum schriftlich dokumentiert: Die Verleihung ist in der Regel ein mündlicher Akt. Dabei zeichnet sich laut Patzold in Flandern früher als anderswo im Norden "ein innerer Bezug zwischen Lehen und Vasallität" ab (Das Lehnswesen, S.58ff). In Texten taucht früher als sonstwo in deutschen Landen das feudum auf.
Ministeriale
Ministerialität ging wohl aus der Schar jener Grundholden hervor, die direkt dem Herrenhof zugeordnet waren (Weinfurter) und zu besonderen Diensten herangezogen wurden, die dann in den Familien erblich werden. Dazu gehört auch der Dienst als Meier über Grundholde eines Herrn, was ursprünglich wohl mit etwas mehr Hufenland und geringeren Abgaben und Diensten verbunden ist. Diese neigen dann bald dazu, sich zunehmend selbst wie Herren aufzuführen.
Im 11. Jahrhundert die Ministerialität, also die unfreie Dienstmannenschaft, neben den Adel als Kriegerstand, und zwar dort, wo ihr trotz Unfreiheit das Waffentragen nicht nur zugestanden, sondern manchmal sogar auferlegt wird, ein ganz besonderes Novum vor allem für den deutschen Raum. Zuerst taucht sie unter diesem Begriff als equites loricati in bischöflichen Herrschaften auf und dann auch in weltlichen. Neben der Verwaltung im Herrschaftsbereich, in Zollstätten und als Stadtvögte unterliegt ihr zunehmend auch dessen Verteidigung, weswegen der Ministeriale erst befestigte Türme auf Hügeln, auch künstlich aufgerichteten, für sich baut, und dann auch burgähnliche Gebäude, wobei er auch schon vorhandene Anlagen seiner Herren besetzt und verteidigt.
Diese Entwicklung betrifft nicht nur jene Herrschaften, denen, was jetzt zunehmend durchgesetzt wird, das Waffentragen verboten ist, die kirchlichen also, sondern auch einen höheren Adel, der anfängt zu versuchen, sich ganze Gebiete zusammen zu heiraten, zu erkaufen oder kriegerisch zu erstreiten. Er schafft sich seinen eigenen dienstbaren Kriegerstand und beginnt, je nach Vermögen, Adel nicht mehr nur kriegerisch, sondern immer mehr durch einen aristokratischen Lebensstil bestimmt zu sehen.
Die Ministerialen haben für den Fürsten den Vorteil, im Unterschied zur wechselseitigen Verpflichtung in der Vasallität einseitig auf den Herrn verpflichtet zu sein. Dienstbarkeit muss so nicht durch Ausgabe eines Lehens erworben werden. Ein adeliger Vasall würde eher dazu tendieren, eine ihm übertragene Burg als ihm erblich zu eigen betrachten. Aber die Ministerialen werden darin später folgen.
Mit dem Eintritt in die militia verschwimmt der Unterschied zu den vasallischen milites nach und nach. Ministeriale sind nicht nur Burgmannen, also die Besatzungen von Adelsburgen, sondern erhalten selbst kleine Burgen bzw. bauen sie selbst. Als Burgherren wird dann der Übergang zum niederen Adel fließend.
Schon Mitte des 11. Jahrhunderts beklagt Ekkehard von Aura, dass Minsteriale aufgrund fehlender Aufsicht des Abtes des Klosters St.Gallen dabei sind, wie Adelige Schild und Waffen zu führen und mit Hunden auf die Jagd zu gehen, anstatt sich hinreichend um die Interessen ihrer Herren zu kümmern. So
hatten die Meier (maiores) der Orte, über die geschrieben ist, dass die Kenchte, wenn sie nicht furchtsam sich ducken, aufgeblasen aufmucken, geglättete Schilde und Waffen zu führen begonnen. Sie hatten gelernt, mit anderem Klage als die übrigen Dörfler in die Hörner zu blasen. Hunde haben sie gehegt, zuerst für Hasen, zuletzt auch nicht für Wölfe, sondern um Bären und um tuskische Eber, wie einer gesagt hat, zu jagen. "Die Keller", sagten sie, "mögen Höfe und Acker bebauen. Wir wollen unsere Lehengüter besorgen und, wie es Männern geziemt, der Jagd nachgehen." (in: Franz, S.135)
Für 1061/62 ist ein erstes (Bamberger) Ministerialenrecht überliefert (iustitia ministerialium Babenbergensium), in dem sie bereits als eigene „Rechtsgruppe“ (Weinfurter) auftreten. Sie besitzen danach bereits eigene Lehen als Dienstlehen, die erblich sind und sind von der Vogteigerichtsbarkeit befreit und direkt dem Hofgericht des Bischofs unterstellt. Ein gemeinsames Dienstrecht entwickelt sich aber nicht.
Mit Reichsministerialen operiert auch das römisch-deutsche Königtum bis ins 13. Jahrhundert, wo sie dann wegen der Schwäche der Könige ausfallen. Aber sie sind inzwischen längst so dem Adel angenähert, dass sie für den Aufbau einer effektiven Reichsverwaltung ohnehin ausfallen.
Das Land in Francien und den deutschen Landen
Das, was hier als Vorgänge der Schwellenzeit bezeichnet wird, reicht nördlich der Alpen bis tief ins 11. Jahrhundert. Die alte Trias von Sklaven, Kolonen und freien Bauern wird bis in die Begrifflichkeit der Urkunden durch den neuen Bauernstand ersetzt, die rustici, die manchmal auch bereits als ländlicher populus auftauchen und in den ideellen Ständeordnungen als laboratores. Darüber üben die milites bewaffnete Macht aus, in den Volkssprachen vom Reiter zum Ritter avancierend, und ganz oben steht in diesen (geistlichen) Texten der Klerus (samt den Mönchen).
Ein eigener Begriff für fast alle, nämlich die produktiv tätige Landbevölkerung, existiert zunächst nicht, was wohl auch etwas damit zu tun hat, dass zunächst fast alle Bauern sind. Im 11. Jahrhundert wird dann in deutschen Landen gebure, der Nachbar oder Mitbewohner, langsam immer mehr auf die „Bauern“ eingegrenzt. Das hat etwas mit jener Reflektion ständischer Gliederung zu tun, in der diese erst zugleich aus den Eigentums- und Machtverhältnissen entsteht. Historiker sprechen von der neuen "funktionellen Einteilung der Gesellschaft". War die frühmittelalterliche Ordnung zunächst eine von Laien, Klerus und Mönchen gewesen, so werden nun Klerus und Mönche in einer Gruppe zusammengefasst, die Laien dagegen in zwei neue Gruppen aufgeteilt. Ergänzen ließe sich, dass es sich um eine Abwertung des Mönchtums als eigentlichem Weg zum Heil handelt, d.h. um eine Aufwertung des Priestertums, um das also, was in Papst Gregor VII. kulminieren wird.
Dabei werden die Bauern zunächst von den milites abgegrenzt, indem sie als nicht völlig Freie keine Waffen mehr tragen sollen. Im Lateinischen sind sie nun die laboratores, daneben gibt es notdürftige Versuche, den altrömischen agricola oder rusticus ins entstehende Mittelhochdeutsche zu übersetzen. Später werden von ihnen die cives ausgegrenzt, deren wesentliches Kennzeichen nicht mehr labor, also Arbeit, sondern ihr Rechtsstatus ist.
Ganz unten in der neuen Hierarchie, deren Vorläufer schon von allen Autoren der Karolingerzeit als „Ordnung“ verstanden wurde, als Frieden und Sicherheit gewährende ordo, verschwinden weiter unabhängig-freie Bauern in Formen von Grundherrschaft, um dem Kriegsdienst und anderen Verpflichtungen wie dem Erscheinen bei Gerichtstagen zu entgehen, aber auch aufgrund von Druck von seiten der Herren. Dabei vermischen sie sich statusmäßig und rechtlich ganz langsam immer mehr mit den Knechten des Grundherrn, die dieser in der Grundherrschaft nun manchmal so einsetzt wie die ehemals freien Bauern.
Die Acta Murensia beschreiben für ungefähr 1040, dass Freie in Wohlen im Aargau sich gegen Zinszahlung mit ihrem Land unter den Schutz eines Guntran begeben. Freie nun (liberi homines), die in diesem Dorfe (dem vicus Wolen nämlich) wohnten, übergaben ihm (Guntran) in der Meinung, er sei gütig und
milde, ihr Land gegen den gesetzmäßigen üblichen Zins (census) mit der Bedingung, dass sie unter seinem Schutz und Schirm sicher sein könnten.
Der machte dann bald von seiner unbeschränkten Machtfülle Gebrauch, denn er befahl ihnen nach einiger
Zeit, fast als wären sie seine Grundholden (mansionarii), ihm Dienst zu leisten (servire), und zwar in seiner Landwirtschaft, beim Schneiden und
Einbringen des Heues, und er bedrückte sie bei jeder Gelegenheit, wo es ihm passte, Er untersagt ihnen, zum Holzfällen seinen Wald zu betreten, wenn sie ihm nicht jährlich zwei Hühner
gäben, eines für ihr Haus, ein anderes für die Waldnutzung.
(deutsch in: Epperlein(2), S.145)
Als Heinrich III. nach Solothurn kommt, wird verhindert, dass die Bauern mit ihren Klagen bis zu ihm durchdringen. Der Adelige aber argumentiert, dass die Renten auf das Land immer mehr abnehmen, und diese immer mehr von seinem (also bislang ungenutzem und eigentumsmäßig undefinierten „Ödland, Wald etc.) zu ihrem Nutzen aneignen, weshalb er von ihnen zusätzliche Leistungen verlangen müsse.
Offenbar ist es häufiger geschehen, dass Bauern, die sich unter den Schutz eines Herrn begaben, nach und nach in dessen familia, seinen Hörigenverband übergingen und deren Rechtsstatus annahmen. Aber die Quellen geben kaum etwas dazu her.
Es steht zu vermuten, dass vieles der Villifikationsverfassung und der inzwischen daraus aufkommenden Konflikten auch schon früher auf diesem Wege entstanden ist. Und so nimmt denn im 11. Jahrhundert das zu, was manchmal in den Dokumenten als „Aufsässigkeit“ der Bauern erscheint.
Im Hofrecht von Münchmeier von etwa 1100 wird auch deutlich, dass nach der längst vollzogenen Auflösung der Genizien die Frauenarbeit nun auf die Höfe verteilt ist:
Die Frau eines Hörigen muss zum Kloster gehen und vom Propst des Klosters Wolle oder Leinen, fertig für den Spinnrocken, ein Broit von der Güte der Herrenbrote und ein Maß Wein, was alles zusammen Stoff heißt, empfangen. Daraus wird sie ein Stück weben, das 7 Ellen lang und 3 Ellen breit ist. Wenn sie fertig ist, bringt sie es in das Kloster und empfängt dafür vom Kellermeister zwei Brote, wie sie den Herren im Konvent gereicht werden. (s.o., S.164) Tendenzen ländlicher Lohnarbeit im Textilsektor zeichnen sich ab.
In den zwanziger Jahren des 11. Jahrhunderts erstellt der Bischof Adalbero von Laon in seinem Rotbertlied ein Schema, in dem die laboratores identisch sind mit den servi. Arbeit ist Dienst an den Höhergestellten. Er ist naturgegeben, d.h. von Gott gewollt, denn wie anders sollten Klerus, Mönche und Krieger ansonsten ihre Aufgaben erfüllen.
Der Bischof ist sich der Tatsache bewusst, dass die Arbeiter (Bauern) das schlechteste Los erwischt haben, die Verbindung von Mühen und Unfreiheit: Aber die Tränen und Klagen der Arbeiter sind grenzenlos. Hier an wie an wenigen anderen Stellen wird ablesbar, dass die Landbevölkerung ihr Los nicht immer klaglos hinnimmt.
Im Laufe der Zeit stellen sich Veränderungen ein: Die Frondienste werden stärker durch Geldzahlungen der abhängigen Bauern abgelöst, die entsprechend stärker auch für den Markt produzieren, wodurch sie an das entsprechende Geld kommen.
Geld wird immer wichtiger. Eigenleute des Bistums Verden werden laut einem Dokument von König Konrad II. von etwa 1028 gleich unvernünftigen Tieren (seu bruta animalia) für einen Schleuderpreis (...) verkauft, und der Bischof erhält das Recht, sie zurück zu kaufen. (in: Franz, S.124)
1035 setzt derselbe Konrad für die Limburger Klosterleute fest:
Jeder Mann entrichtet jährlich einen Schilling, eine Frau aber 6 Pfennige, oder aber es dienen Männer wie Frauen wöchentlich einen Tag bei dem Abtshof. Der Abt hat auch die Verfügungsgewalt über ihre noch unverheirateten Söhne. Weiterhin muss beim Tod entweder das beste Stück Vieh oder das wertvollste Kleid abgegeben werden. (in: Franz, S.128)
Im Leistungsverzeichnis der Grundherrschaft des Klosters St.Maximin zu Trier kurz vor 1050 steht für ihre Wasserbilliger Bauern:
Da angeblich 60 mansionalia, die auch Hofstellen (curtilia hereditarie) heißen, in erblichem Besitz sind (...) in jedem Jahr von den einzelnen Hofstellen 3 Schillinge Geldzins zu zahlen sind, das macht 9 Pfund. Allerdings waren bislang die Leute unserer familia, nämlich der villa, die Wasserbillig (Bilacus) heißt, bei der Bezahlung der Abgaben des geschuldeten Zinses und bei Leistung der Dienste immer hartnäckig (...) und widersetzten sich hartnäckig, und man konnte ihnen bisher fast nicht beikommen. (in: Kuchenbuch, S.212) Man findet dann aber eine Art Kompromiss. wenn man der Quelle glauben kann.
Am Ende dieser Entwicklung stehen Urbare wie das der Abtei von Marchiennes in Ostflandern von etwa 1120. "Was die dortigen rustici bzw. agricolae (...) jährlich für ihre curtilia (Höfe) zu entrichten haben, hat zum größten Teil die Gestalt barer Münze angenommen." (Kuchenbuch, S.49) Dort heißt es zum Beispiel:
Es gibt ein Dorf (vicus) in der Nähe, das in der Bauernsprache (rustico nomine) Bouvingeias heißt. An dessen äußerstem Ende gehören abgesondert dreizehn Hofstellen der Kirche. Jede bezahlt Mitte März 4 Pfennige, am Johannistag einen Pfennig anstelle des Sicheldienstes, ein Brot anstelle des furca-Dienstes, zu drei Gerichtstagen im Jahr zwei Pfennige, an Wiehnachten ein Maß Hafer, das ist der zwölfte Teil eines Scheffels, und eine Fuhre Buchenholz. (... In der Nähe) sind zwei mansiones mit Bewohnern, die für die Zinsabgabe von einem Schilling diese Herrlichkeit besitzen und dennoch wie auch die übrigen den gemeinsamen Rechten (communibus legibus) unterworfen sind. (s.o.S.222ff)
Zum anderen wird vom Herrn zunehmend zusätzliche Lohnarbeit eingesetzt. Eine weitere Veränderung wird die Verringerung des ländlichen Handwerkes, da mehr Waren in der Stadt gekauft werden.
Was aber bleibt, sind die Macht über die Pfarrei seiner Kirche und zwei Formen von Gerichtsbarkeit, die der Herr ausübt: Zum einen die Leibgerichtsbarkeit über die abhängigen Bauern und Arbeiter, zum anderen die adelige lokale Gerichtsbarkeit, die sein Herrenrecht ist.
Dem Leben dieser Landbevölkerung scheint es fast ebenso an Friedfertigkeit zu mangeln wie dem unter den Herren. Ein frühes Dokument ist die doppelte Urkunde für das Bistum Worms und das Kloster Lorsch 1023 durch Kaiser Heinrich II. Da ist die Rede von „heftigen Kämpfen“ zwischen den Hörigen beider Seiten. „Unzähligen Leuten hätten sie schon das Leben gekostet. Hofbauern der einen Seite überfielen mit großem Gefolge Bauern der anderen in wechselseitigen Raub- und Rachezügen: fehdeartige Auseinandersetzungen … tobten auch im bäuerlichen Milieu, und zwar nicht nur zwischen Angehörigen verschiedener Grundherrschaften, sondern auch innerhalb der einzelnen Grundherrschaftsverbände selbst.“ (Keller(2), S. 43)
Der betroffene Bischof Burchard von Worms gibt dem Verband seiner eigenen Hörigen in derselben Zeit (um 1023) eine Art Rechtserklärung, (lex familiae Wormatiensis eclesiae), die unter anderem die Willkür der Verwalter des Bischofs über die miseri et pauperes, die Elenden und Armen, einschränken soll.
„Von den inneren Verhältnissen der familia hören wir zum Schluss, dass Totschlag fast täglich geschehe, dass allein im Jahr zuvor 35 Hörige der Kirche von Hörigen der Kirche erschlagen worden seien und dass die Totschläger sich hochmütig der Untat brüsteten und keinerlei Buße getan hätten. Gegen solche Missstände soll mit körperlicher Bestrafung der Beteiligten und Brandmarkung der Anführer vorgegangen werden. Aber das Grundanliegen der (…) Bestimmungen ist die reconciliatio: die Verwandtschaft des Täters muss zur compositio bereit sein und der Verwandtschaft des Getöteten Frieden garantieren, während diese (…) dazu gebracht werden muss, das Friedensangebot anzunehmen und ihrerseits der Verwandtschaft des Täters firmam et perpertuam pacem (sicheren und dauerhaften Frieden) zu geloben.“ (Keller(2), S. 43)
Im Hofrecht von Münchmeier von etwa 1100 heißt es so:
Der Abt oder der Bevollmächtigte des Klosters richten über das Zertreten, Abweiden und Überschreiten der Saaten, Weinberge und Wiesen, das Stehlen der Feldfrüchte und das Überpflügen der Äcker und über Schuldner (... in: Franz, S160)
Alles in allem wird ein Teil des niederen Adels durch alle diese Vorgänge wirtschaftlich geschwächt werden. Die Ortsherrschaft durch Bann und Gerichtsbarkeit wiederum wird die Entstehung von sich genossenschaftlich organisierenden Dörfern fördern.
Im Unterschied zum familiengebundenen weltlichen Adel, dessen neuartige Herrschaft bei fehlender männlicher Nachkommenschaft immer vom Aussterben bedroht war, sind die adeligen Bischöfe aufgrund ihres Amtscharakters durch viel stärkere Kontinuität ausgezeichnet und zudem durch ihre Stadtbindung. Diese Urbanität bischöflicher Herrschaft drückte sich auch in einem dem weltlichen Adel vorausgehenden Effizienzdenken aus, welches das Wirtschaften (Erzielen von Einnahmen) und die Verwaltung gleichermaßen betraf. Dabei verwandeln sich die direkten klerikalen Untergebenen des Bischofs immer mehr in Beamte mit spezifischen Aufgaben.
Effizienz erscheint in den Urkunden in der zunehmenden Forderung nach Gehorsam (oboedientia) und in den übrigen Quellen als Klage über die zunehmende "Strenge" der bischöflichen Herren. In diesem Effizienzdenken treffen sich die klerikalen Herren mit dem Handel und dem Handwerk ihrer Städte.
Mit dem Ausbau der deutschen Bischofsstädte zu fürstlichen Residenzen im 11. Jahrhundert und ihrem neuen Geldbedarf wird gerade im ländlichen Bereich immer häufiger über die gnadenlose Strenge der bischöflichen Herren bzw. ihrer Bediensteten geklagt, wenn es diesen um Effizienz in der Produktion und damit um Steigerung ihrer Einkünfte geht. Bei Hagen Keller wird erwähnt, "Meinwerk von Paderborn soll, als Händler verkleidet, zu Bauernhäusern seiner Grundherrschaft gezogen sein; und wo er Gärten voller Unkraut sah, ließ er die Bauersfrau durch die Brennesseln und Dornen schleifen. "(Begrenzung S.128)
Über Benno II. von Osnabrück heißt es beim Abt von Iburg:
Im Eintreiben der Zinsen, die alljährlich gefordert werden, war er bekanntlich ungemein streng. Nicht selten zwang er die Bauern durch eine Tracht Prügel, ihre Schuldigkeit zu tun. Aber das wird ihm jeder verzeihen und wie er für eine dringend notwendige Maßnahme erachten, der die Menschen dieses Landes und ihr eingefleischtes Grundlaster, ihre Treulosigkeit und Verschlagenheit, selber ertragen muss.
Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion und Produktivität geben den Bischöfen die Mittel in die Hand, ihre Städte auszubauen. Für den zweiten Benno von Osnabrück wird das bereits daran deutlich, dass er selbst ein intensives Studium von Ackerbau und Viehzucht betreibt und daraus ein neuartiges Rentabilitätsdenken entwickelt, in dem die Untertänigkeit in der Grundherrschaft sich an den Gewinnen zu messen beginnt, die sie hervorbringt. Ein sich nur langsam verändertes Wirtschaften geht Schritt für Schritt immer stärker in eines über, das sich jenem Fortschritt verschreibt, der Intensivierung und Beschleunigung heißt.
Zur Modernisierung gehört auch die Verschriftlichung der Rechte und Pflichten der Hörigen und die Formen ihres Zusammenlebens in Hofrechten, in denen die familia großer Herren rechtlich fixiert wird. Im erhaltenen Hofrecht des Bischofs Burchard vom Worms von etwa 1025 werden so zum Beispiel die Erbfolge der Hörigen, Heiraten mit Hörigen anderer Grundherrschaften und Abgabe beim Todfall (zwei Drittel) sowie Strafen für Mord und Todschlag unter ihnen geregelt.
Der Status der Leute in der bischöflichen familia ist im Wormser Hofrecht deutlich abgestuft. Da sind ganz unten die Knechte und Mägde der Mancipien, wie man sie von den Mansen/Hufen auf dem Lande her kennt und die eben auch am Herrenhof arbeiten. Dann gibt es die Dagewarden, die ursprünglich täglich aufzuwarten haben, wie der Name sagt, und laut Schulz(2) langsam mit den Zensualen zusammenfallen, deren Dienste durch Abgaben (Kopfzins, Todfallabgabe) ersetzt werden. Ihr Recht wurde schon 1016 in der carta ingenuitatis zusammengefasst. Oberste Gruppe sind die Fiskalinen, die in vielem dem entsprechen, was bald für Ministeriale gelten wird.
Ausdrücklich als Ministerialer wird nur der Meier angesprochen, aber auch die Fiskalinen haben das Privileg, zu keinen niedereren Ämtern herangezogen zu werden als den klassischen Hofämtern. Zudem besitzen sie ihr eigenes Gericht unter Vorsitz des Bischofs. Wenn ihr Herr ihnen keinen Dienst überträgt, können sie auch den eines anderen annehmen und ihre Pflichten beim ersteren durch Geld ableisten.
Sie waren vom königlichen Fiskus 897 an die Wormser Kirche verschenkt worden, wo sie eine „Genossenschaft von Reiterdienstleistenden bildeten“ (societas parafridorum, Schulz2, S.37). Zu solchen frühen Ministerialen gehören auch die Münzerhausgenossen.
1016 verfasst der Wormer Bischof Burchard das erste erhaltene Zensualenrecht für ein Wormser Kloster. Darin wird ein Kopfzins von zwei Denaren festgesetzt, der auch für den gilt, der auf keiner Hufe sitzt. "Die Ausgliederung der Zensualen aus der Zuständigkeit des Vogtes, die Bestellung eines eigenen magister für die Erhebung der Abgaben und die Freiheitsgarantie selbst im Falle wiederholter Abgabensäumnis lassen erkennen, dass hier eine Gruppe ihre eigenen Interessen durchzusetzen verstand und sich dabei auch der Unterstützung des Bischofs erfreute." (Esders, S.87)
Technische Neuerungen wie das langsame Ersetzen des Ochsen durch das Zugpferd, der zunehmende Übergang vom Holz zum Metall bei den Geräten und damit verbunden der eiserne Räderpflug (carruca), der die Erdschollen umwendet und nicht nur anritzt, spielen eine zunehmende Rolle.
Mit dem Beetpflug muss nicht mehr wie beim Hakenpflug in einem zweiten Durchgang quergepflügt werden. Auch so wird nun Unkraut besser bekämpft, die Humusbildung verbessert und der Boden besser durchlüftet. Aber häufiger wird er erst im 12./13. Jahrhundert mit dem häufigeren Einsatz von Pferden und dem Kummet.
Fördernd ist auch das wärmere Klima des 11. bis 13. Jahrhunderts, und zwar über die Expansion landwirtschaftlich genutzter Flächen hinein in Höhenlagen und die Intensivierung der Produktion, wodurch die Ernährung wachsender Städte gesichert wird.
In dieser Zeit schwächt sich langsam in Mitteleuropa und in der Nordhälfte Frankreichs die sogenannte Villifikationsverfassung ab, die in Fronhof und Hufen abhängiger Bauern trennt, mit ihren Abgaben und Diensten und der Streusiedlung dieser Bauern. Im Süden des ehemaligen Galliens und insbesondere in England sind freie Bauern ohnehin noch häufiger. Im 12. und 13. Jahrhundert verschwinden dann in der Praxis die zu leistenden Dienste der Landbevölkerung und werden durch Geldzahlung abgelöst.
Das Ende dieser überwiegend auf Selbstversorgung gerichteten Wirtschaftsweise löst nicht nur das Handwerk aus der Hofordnung und verstärkt eine Marktorientierung der landwirtschaftlichen Produktion, sondern fördert auch mit der Dreifelderwirtschaft und den drei Zelgen, in die die Ackerfluren nun in mehr Gegenden geteilt werden, die Entstehung von Dörfern als Siedlungen und Dorfgemeinschaften mit ihren Absprachen. In geringerem Umfang und Ausmaß beginnt hier eine ähnliche Entwicklung wie in den Städten. Der erfolgreiche Gutsherr, der nunmehr eher von Renten lebt, gelangt zu einem gehobeneren Lebensstil und die Dorfgemeinde kann gelegentlich einen ein wenig der Stadtkommune ähnlichen Rechtsstatus erhalten.
Neben die Intensivierung der Produktion tritt die Ausdehnung der Nutzflächen. Hochadelige Stiftungen wie zum Beispiel für die Abbaye des Dames von Saintes versehen diese mit Wäldern, die erst noch urbar zu machen sind.Das Gewinnen von Kulturland aus Wäldern ist für die betreffenden Bauern eine enorme Mühsal. Kommen sie dort an, müssen sie sich erst einmal Notunterkünfte einrichten, als Schutz vor Witterung und vor Wölfen, mancherorts auch Bären. Dann wird das Unterholz geschlagen und nach einer gewissen Austrocknung in Brang gesteckt. Wo das nicht geschieht, muss der Wald Baum für Baum mit der Axt vernichtet werden. Die Versorgung mit Nahrung, Geräten und Saatgut muss für ein, zwei Jahre der Grundherr leisten. (Buchmann, S.46f)
An der Nordseeküste beginnt die Landgewinnung durch Eindeichung. Um 1050 lässt Graf Balduin V. von Flandern den 18 km langen Oude Zeedijk errichten. Neue Nutzflächen entstehen auch mit der langsam und punktuell einsetzenden Ostsiedlung von Flamen, Holländern (und damals noch anderen) Deutschen.
Naturlandschaft als Allgemeingut verschwindet weiter zugunsten von privatisierter Kulturlandschaft. Darunter leiden die langsam etwas freier werdenden Bauern, soweit sie nicht direkt mitprofitieren, denn Naturlandschaft wurde bis dato von ihnen genutzt, für die Schweinemast, das Schlagen von Holz und vieles anderes. Im 13. Jahrhundert berichtet ein Mönch Conrad von dem, was um 1070 bei Innerzell in Bayern geschah:
Ein gewisser edler Graf von Kastll mit Namen Hermann ging mit seinen Knechten und Bauern über die Bewirtschaftung seines väterlichen Erbes von Willing hinaus in den freien Wald des Ortes, den man damals Helingerswenga nannte und heute Innerzell, und bemächtigte sich seiner für sich und seine Gemahlin, die Gräfin Hazig guten Angedenkens wie es damals üblich war und immer noch ist, sich eines gemeinsamen Waldes (d.h. "Ödlandes") ausgehend von der Bewirtschaftung des Erbes zu bemächtigen. Er ließ es in seine Herrschaft übergehen (…) so wie es die Leute taten, das heißt, indem er die Bäume fällte, abbrannte, und durch Häuserbau, so dass er es nach drei Tagen auf diese Weise schaffte, damit sein Eigentumsrecht herzustellen. (in: Audebert/Treffort, S.46)
Ausweitung der Nutzfläche, Intensivierung des Anbaus hin zu leicht steigender Produktivität und klimatische Vorteile nördlich der Alpen führen zu einer Steigerung des Ertrages, der sich in einer ungefähren Verdopplung der Bevölkerung zwischen 1000 und 1300 niederschlägt.
Die Parzellierung nicht nur eines Teiles der Welt, sondern nunmehr ihrer Gesamtheit in Privateigentum setzt ein und wird für große Teile des lateinischen Abendlandes in wenigen Jahrhunderten bereits abgeschlossen. In der Zeit der Entstehung des Kapitalismus wird so die freie Verfügbarkeit von Lebensraum beendet: Wer nun ohne Grundeigentum oder ersatzweise hinreichend viel Geld ist, wird arm werden, Bettler, Almosenempfänger, Lohnarbeiter.
Das Land in England (11.Jh.)
Während die Sklaverei am Ende des 11. Jahrhunderts fast verschwunden ist, blüht sie am Anfang noch, als selbst geringere estates 10 bis 30 Sklaven haben, denen es allerdings besser geht als in früheren Zeiten. Viele steigen von dort in die Situation rechtlich unfreier Bauern auf, in die einzelne Freie wohl auch unter Druck der Herren absinken. Diese unfreien Bauern, die nach der normannischen Eroberung dann villeins heißen werden, sind vor allem dadurch gekennzeichnet, dass sie einen stattlichen Teil ihrer Arbeitszeit auf dem Herrenhof verbringen müssen. Sie unterliegen der Gerichtsbarkeit des Herrn des manors.
Auf dem Herrenhof arbeiten müssen auch die rechtlich freien Bauern, aber sie unterstehen wenigstens der öffentlicheren Gerichtsbarkeit der Hundert (hundreds). Darüber stehen rechtlich freie Bauern mit größeren Ackerflächen, die nicht auf dem Herrenhof ackern müssen, ihm aber sonstige Dienste zu leisten haben.
Im Unterschied zum Kontinent gibt es dank des von Wilhelm "dem Eroberer" kurz vor 1086 in Auftrag gegebenen Domesday Books einen wenn auch groben und der Interpretation etwas offenen Überblick über das Land. Danach gibt es zwischen 5000 und 10 000 Familien von Herren, geschätzte 25 000 städtische Familien, und die alle werden von rund 270 000 Bauernfamilien, von im Domeday Book erwähnten etwa 28 000 Sklaven und zudem von an den Herrenhof gebundenen Landarbeitern ernährt. In etwa 3080 Gemeinden gibt es insgesamt 5624 Mühlen. (Mitterauer(2), S.23)
Die normannischen Eroberer sind Krieger und Herren und zu fein für (produktive) Arbeit. Entsprechend bleibt die ganze ländliche Produzentenschicht angelsächsisch, und das heißt, unter den neuen Herren bestehen.
Zwei Arten von Grundherrschaft herrschen vor. In der Mitte und fast überall im Südens des Landes ist ein großer Teil der kultivierten Fläche direkt in der Hand eines Herrenhofes (demesne, die Domäne) und wird oft an wenigstens zwei Tagen die Woche von abhängigen, aber rechtlich freien villeins (Dörflern) mit ungefähr 15 acres Land und Häuslern (bordars/cottagers) mit weniger als 5 acres bewirtschaftet, die ansonsten ihr vom Herrn zugeteiltes Land und die Allmende bewirtschaften. Zusammen mit den Sklaven, die durchschnittlich noch vielleicht 10% der ländlichen Bevölkerung ausmachen, bildet der ganze Komplex ein kleines Dorf (manor oder village), welches gemeinschaftlich Zwei- oder schon Dreifelderwirtschaft betreibt.
Eine solcher manor, der zugleich ein Dorf beinhaltet, ist Pinbury nördlich von Cirencester, welches Wilhelm der Eroberer Nonnen von Caen schenkt. Im Domesday Book heißt es:
Es gibt 3 hides. In der demesne gibt es 3 Pflüge. 8 villeins und ein Schmied mit 3 Pflügen. Es gibt 9 Sklaven. Eine Mühle, die 40 Silberpfennige einbringt. Das Ganze war und ist 4 Pfund (Einkünfte) wert.
Dreißig Jahre später werden noch 17 Rinder, ein Pferd, 122 Schafe und 10 Schweine erwähnt. (in: Dyer, S.92) Die vier Pfund werden wohl aus Verkäufen auf dem Markt realisiert und dann so nach Caen geschickt.
Mit dem nicht erwähnten Priester und seiner möglichen Familie bedeutet das ein Dorf von rund 80-90 Einwohnern, wobei die villeins ca. 35 acres jeweils bearbeiten, zusammen weniger als das Domänenland, aber für jeden einzelnen und seine Familie reichlich genug zum Leben. Dazu braucht jede Familie noch Zugang zu mehreren acres Waldland für Heizung und Kochen.
In Kent, dem Nordosten und Norden ist das Land des Herrenhofes viel kleiner und umgeben von winzigen Weilern, wo die an den Herrn gebundenen, aber persönlich viel freieren Bauern leben, die kaum Fronarbeit leisten, sondern im wesentlichen Abgaben in Naturalien und zunehmend auch in Geld zahlen. Der Herr ist Gerichtsherr in diesem Gebiet (soke) und die Bauern sind seine sokemen. Sie und andere relativ freie Bauern machen im 11. Jahrhundert vielleicht 15% der bäuerlichen Bevölkerung aus. Bischöflicher Großgrundbesitz kann 50 oder mehr solcher manors mit ihren Bauern in mehreren Grafschaften (counties/shires) umfassen. Sehr mächtige Familien von Earls können wiederum ein Mehrfaches davon zusammenraffen.
Während der größte Teil des urbar gemachten Landes in England Ackerland für den Weizenanbau vor allem ist, wird in den Niederungen von Wales und Schottland eher Hafer angebaut und die Höhenlagen sind der Viehzucht und Waldbewirtschaftung überlassen.
Den Quellen ist zu entnehmen, dass nach der normannischen Eroberung die Zahl freier angelsächsischer Bauern abnimmt. Die Bevölkerung insgesamt nimmt aber im 11. Jahrhundert auch in England zu, und Landgewinnung ist nur in einigen Gegenden noch möglich, wie die Entwässerung der Romney Marsh oder der Fens von East Anglia. Der übriggebliebene Wald wird durch königliche Gesetzgebung bald immer mehr der Bewirtschaftung und Rodung entzogen. Durch Teilung nimmt die Zahl der Kleinbauern (später: smallholders) immer mehr zu, von denen sehr viele überhaupt kein Großvieh über vielleicht Hühner hinaus haben, sich Zugvieh leihen müssen und von Brot und Getreidebrei vor allem leben.
Diese Leute benötigen ein Zubrot durch Lohnarbeit auf der Domäne bzw. für wohlhabendere Nachbarn oder durch handwerkliche Nebentätigkeiten und werden dadurch in den Markt integriert, dass sie selbst Lebensmittel zukaufen müssen, so wie vor allem auch die Städter, selbst wenn einige noch Land vor oder in der Stadt haben.
Überhaupt sind am Ende des Jahrhunderts etwa 10% der englischen Bevölkerung Stadtbewohner, und die Masse von ihnen muss durch das Land miternährt werden, was bedeutet, dass dieses genug produziert, um regelmäßige Überschüsse in die Städte zu verkaufen.