Anhang 18: SALIER

 

Konrad II.

Heinrich III.

Heinrich IV.

Der Sachsenkrieg

Der sogenannte Investiturstreit

Heinrich V.

 

 

 

Heinrich II. 1002-24

Konrad II.  1024-39

Heinrich III. 1039-56

Heinrich IV. 1056-1106

1066 Schlacht von Hastings

Papst Gregor VII. 1073-85

1077 Canossa

Heinrich V. 1098-1125

1122 Wormser Konkordat

 

 

 

Konrad II.

 

Sechs Wochen nach dem Tod Heinrichs II. üben die Stammesvertreter ohne die Sachsen 1024 am Rhein gegenüber von Oppenheim ihr Recht zur Erhebung eines neuen Königs aus. Offenbar unter der Leitung von Erzbischof Aribo von Mainz, der die erste Stimme abgibt, wird gegenüber von Oppenheim am Rhein ein Konrad aus einer fränkischen Familie gewählt, die man später als Salier bezeichnen wird.

Das weite, ebene Gelände zwischen Mainz und Worms fasst sehr große Menschenmengen; abgelegene Inseln verleihen ihm Sicherheit und Eignung für geheime Verhandlungen (...) Man verhandelte über die Kernfrage des Reiches, war sich über den Ausgang der Wahl im unklaren, bangte zwischen Erwartung und Besorgnis; Verwandte besprachen ihre Wünsche miteinander, Freunde erörterten ausführlich die Lage. (Wipos Gestat Chuonradi, c.2)

 

Ohne Zustimmung reisen die Lothringer und der Erzbischof Pilgrim von Köln ab. Abgeschlossen wird der Königserhebung durch den Umritt, bei dem sich die Sachsen noch einmal, wie schon bei Heinrich II., ihre besonderen Stammesrechte bestätigen lassen.

Die Opposition im Reich hält sich zunächst in Grenzen. Die hochadelige fränkische Familie, zwischen Nahe und Kraichgau vor allem angesiedelt, hatte sich wie manch andere gegen die Stärkung der Königsmacht unter Heinrich II. gewandt. Andererseits schreibt Wipo:

In der Überzeugung, die drohende Gefahr anders nicht besser und schneller abwenden zu können, mühten sich die genannten Bischöfe, Herzöge und anderen Herren sorgfältig und mit bemerkenswerter Beharrlichkeit, das Reich in seiner Not nicht länger ohne Herrscher zu lassen. (cap.1)

Das "Reich" wird mehr und mehr zu einer Größe, mit der sich die Großen in ihm identifizieren, zur Not auch gegen den Herrscher.

 

Mit dem Beginn des Neubaus eines Domes zu Speyer unter dem nun betonten Patronat der Gottesmutter Maria schafft Konrad für sich und seine präsumptiven Nachfolger eine beachtliche Grablege und ein Gegenstück zu Heinrichs Kaiserdom von Bamberg. Zum ersten Mal gibt es nun eine solche Grabkirche, die für eine ganze Königs-Dynastie angelegt ist. Ähnliches beginnen sich um diese Zeit auch die Vertreter des hohen Adels zu schaffen, wie die Markgrafen von Meißen mit Naumburg oder die Welfen mit Altdorf.

 

Was seine Ursprünge unter den Karolingern hat, unter den Ottonen dann weiter ausgebildet wird, findet beim ersten Salier seine Hochblüte: Der Gedanke, dass königliche Herrschaft im ostfränkisch-römischen Reich aus Gottes Gnade hervorgeht. Bei der Krönungsmesse in Mainz soll der Erzbischof Konrad zugerufen haben: Du bist der Statthalter Christi in dieser Welt, und wenig später: Möge die gesamte Kirche der Heiligen zum Herrn beten und Fürbitte leisten, damit unser Herr und König die Würde, die er heute hier rein vonGott empfängt, unverletzt bewahre, soweit das ein Mensch vermag.

Laut Wipo soll Konrad sich bereits auf dem Weg zur Messe demonstrativ der Bitten zweier Armer und einer Witwe, die offenbar entsprechend postiert worden waren, angenommen haben. Das ist sicher nicht dazu da, die Massen der Ohnmächtigen zu beeindrucken, sondern dem Königtum ein stärker kirchenchristliches Bild zu geben. Im Dom fordert der Erzbischof Konrad auf, öffentlich jemandem zu verzeihen, der ihn beleidigt hatte. Das tut der dann auch unter Tränen, die im übrigen bei rituellen Handlungen der Mächtigen wie auf Kommando fließen können und wiederum Rührung auslösen.

 

Hoftage werden oft auf auf hohe kirchliche Feste gelegt, und an mehreren hohen Festtagen im Jahr wird die Krönung mit voller Krönungsliturgie wiederholt. Wohin der Herrscher auch kommt im Reich, er wird unter Glockengeläut kirchlich-liturgisch empfangen. Weltliche und geistliche Macht werden als Einheit zelebriert.

 

Schon während des Umritts trifft Konrad in Konstanz auf Erzbischof Aribert von Mailand, der den König nach Italien einlädt. Zusammen mit anderen norditalienischen Bischöfen setzt er auf die Schutzmacht des „römischen Königs“, während die Markgrafen bis auf den mächtigen Bonifaz von Canossa einen Herrscher aus Westfranzien bevorzugen. Überhaupt nimmt die antideutsche Stimmung zu.

 

Die Pavesen hatten gleich nach dem Tod Heinrichs II. die Königspfalz dort zerstört, und als eine Gesandtschaft von ihnen das damit begründet, es habe keinen Herrscher mehr gegeben, lässt Wipo, Autor der Gesta Chuonradi, diesen erklären:

Ich weiß, dass ihr nicht das Haus eures Königs zerstört habt, denn damals hattet ihr ja keinen. Aber ihr könnt nicht leugnen, dass ihr einen Königspalast zerstört habt. Ist der König tot, so bleibt doch das Reich bestehen, ebenso wie ein Schiff bleibt, wenn dessen Steuermann fällt. Es waren staatliche Gebäude, nicht private; sie unterstanden fremder Hoheit, nicht eurer. (c7.)

 

Damit beansprucht der Autor das, was sich für das römische („deutsche“) Königtum längst durchgesetzt hatte und durch den Wechsel des Herrscherhauses bestätigt wurde, auch für ein italienisches Königtum: Die Integrität eines Reiches, wie sie für Italien nie gegeben war.

 

Lothringen unterwirft sich 1025 dem König. Als Konrad Anfang 1026 nach Italien zieht, gerät er sofort in die Feindseligkeiten zwischen den nord- und mittelitalienischen Städten, ein Problem, dem auch seine Nachfolger bis hin zu den Staufern ausgesetzt sein werden. Er braucht mit seinem Heer ein Jahr, um Pavia und die Markgrafen niederzuzwingen. Falls er zum König gekrönt wurde, dann nicht mehr in der alten langobardischen Hauptstadt, sondern in Mailand. Nach ihm wird es keine salische Königskrönung für Italien mehr geben. Zur Kaiserkrönung holt er den zu seinem Nachfolger erklärten Sohn Heinrich nach. Die Kontrolle des Hauses der Tuskulaner über die Stadt Rom und das Papsttum duldet er.

 

Ein Zug in den Süden vermag nicht mehr als die nominelle Hoheit über die langobardischen Gebiete zu erreichen, während die byzantinische Herrschaft im Osten stabil bleibt. Als Konrad über die Alpen nach Norden zieht, hat er einen Kaisertitel gewonnen und lässt zwei Verbündete mit Erzbischof Aribert von Mailand und dem Markgrafen von Canossa zurück, während vor allem die Städte ohne seine militärische Präsenz sofort wieder von ihm abfallen.

 

Etwas später wird eine Kaiserbulle die Umschrift Roma caput mundi regit orbis frena rotundi tragen, Rom als Haupt der Welt führt die Zügel des Erdkreises (Boshof). Das Imperium Romanum, wie es von nun an heißen wird unter Leugnung seiner deutschen Wurzeln, wird aber mehr denn je eine Fiktion bleiben, der weiter enorme Energien und unzählige Menschenleben geopfert werden. Und Italien hat dabei zwar einen König, aber der herrscht vor allem durch Abwesenheit.

Hagen Keller schreibt dazu: "Aber hätte der, der 1024 in Deutschland zum Nachfolger Heinrichs II. gewählt wurde, auf die Herrschaft über beide Reiche und damit wohl auf die Kaiserwürde verzichten können, ohne sich der Herrschaft unwürdig zu erweisen? Ein solcher Verzicht hätte für die damalige Zeit außerhalb alles Vorstellbaren gelegen. Die Herrschaft über Ober- und Mittelitalien brachte dem von den Deutschen erhobenen, in Aachen gekrönten König einen gewaltigen und sehr realen Machtzuwachs, das Kaisertum eine Würde, die ihn über alle Könige erhob, und, mit dem Schutz der römischen Kirche, zugleich eine Verpflichtung, die den Vorstellungen vom sakralen Charakter des Herrschertums erst ihre ganze Fülle verlieh." (Begrenzung S. 73)

 

Dagegen lässt sich manches einwenden: Gewiss publiziert Keller hier die Haltung des Königs, aber dass es anders ging, demonstrieren englische und französische Könige ohne derartige Großmannssucht. Und "die Deutschen" erheben keine Könige, sondern fast alle von ihnen werden überhaupt nicht gefragt. Der "Machtzuwachs" geht auf Kosten dieser Menschen, vermutlich werden sich die mit der Dummheit generationenlanger Unfreiheit behafteten Leute mit einer "Würde, die ihn über alle Könige erhob" zu identifizieren suchen, während sie zugleich für diese tagtäglich schuften müssen. Aber die Identifikation des Historikers mit der Macht bleibt eine unerfreuliche Angelegenheit.

 

Schließlich ist auch hinzuzufügen, dass der "sakrale Charakter des Herrschertums" in Kürze ohnehin seinen "Charakter" gewaltig ändern wird: Es wird nichts bleiben, was nicht englische oder französische, polnische oder ungarische Herrscher auch zu ihrer Legitimation brauchen.

 

Später fügt Keller noch hinzu: „Der Stolz der Fürsten, mit dem eigenen König das römische Kaisertum zu besitzen, war ein einigender Faktor.“ (Begrenzung, S. 89) Das lässt sich für einzelne Fürsten bis tief in die Stauferzeit eher bezweifeln, aber selbst wenn es überwiegend zutrifft, handelt es sich doch um eine fatale Entwicklung, denn ein „Deutschland“, welches die Historiker so gerne erfinden, um eine Kontinuität bis heute vorzutäuschen, wird es so niemals geben. Vielmehr werden die Deutschen in für Europa beispielloser Weise Opfer der eigenen Potentaten und ihrer Nachbarn werden, bis die dann zwischen 1866 und 1945 die Voraussetzungen dafür schaffen, dass sie danach als Volk untergehen.

 

Seine Macht im Kernreich setzt Konrad mit harter Hand durch. Erzbischof Aribo von Mainz verliert das Krönungsrecht, Sohn Heinrich wird in Köln zum Mitkönig geweiht. Aribo verliert weiter die königliche Gunst bei seinem Privatkrieg mit dem Grafen von Hammerstein und im Konflikt um Gandersheim. Er pilgert nach Rom, wo er stirbt.

 

Bayern fällt an Sohn Heinrich, was der König sich vom dortigen Adel bestätigen lässt. Zu 1026 schreibt Wipo in den 'Gesta Chuonradi': Während der Kaiser noch in Italien weilte, waren bei den Deutschen erfolglos große Missgunst, viele Ratschläge und zahlreiche Zusammenrottungen gegen den Kaiser deutlich geworden. Zu diesen Aufständischen gehören Herzog Ernst von Schwaben und Welf II. Der aufständische Schwabenherzog wird auf einem Hoftag in Ulm 1027 mit dem Abfall „seiner“ Grafen konfrontiert, die ihm laut Wipo folgendes erklären:

Wir wollen nicht leugnen, dass wir euch unverbrüchliche Treue gelobt haben gegen alle, ausgenommen aber den einen, der uns an euch gegeben hat. Wären wir Knechte unseres Königs und Kaisers und von ihm eurem Besitz- und Gerichtsrecht überlassen worden, dann dürften wir uns nicht von euch trennen. Da wir aber nun Freie sind, und wir als den obersten Schützer unserer Freiheit auf Erden den König und Kaiser haben: wenn wir ihn verlassen, dann verlieren wir unsere Freiheit, die, wie man sagt, ein rechtschaffener Mann nur mit seinem Leben aufgibt. (c.20)

 

Der Herzog von Schwaben „lief Gefahr, von nun an von zwei Seiten her eingeengt zu werden: vom König und vom (Grafen)Adel. Ein Entwicklungsprozess war in Gang gekommen, der zwar noch mehr als hundert Jahre beanspruchen sollte, der aber von nun an unaufhaltsam den Zerfall der alten Herzogtümer und Herzogsgewalten einleitete. (…) Durchaus vergleichbar mit seinem Zusammenwirken mit den italienischen Valvassoren hat Konrad II. auch hier die engere unmitttelbare Verbindung zu den >Untergewalten< angestrebt, die >Zwischengewalt< des Herzogs dagegen ausgehöhlt.“ (WeinfurterGeschichte, S. 51)

 

Herzog Ernst wird die Herrschaft zeitweilig entzogen und geht nach seinem Tod ebenfalls an den Sohn. Dabei verfällt die herzogliche Zentralgewalt und der Zerfall in regionale Herrschaften beginnt. Dem Welfen wird seine Grafschaft in Südtirol abgenommen, die an den Bischof von Brixen fällt.

Im Bericht eines Wormser Geistlichen wird zwar nicht die Ursache der kaiserlichen Ungnade gegenüber Herzog Adalbero von Kärnten erwähnt, aber beschrieben, wie die Fürsten vor seiner Absetzung in Abwesenheit verlangen, dass der Königssohn Heinrich, Herzog von Bayern zugezogen werden müsse. Der nun lehnt den väterlichen Beschluss ab, worauf der König einen Ohnmachtsanfall bekommt und den Sohn darauf unter Tränen beschwört, worauf dieser eine eidliche Verpflichtung gegenüber Adalbero erwähnt. Danach wird Adalbero mit fürstlichem Urteilsspruch abgesetzt. Kärnten fällt nun ebenfalls in salische Hand.

 

Erhebliche Energien werden auch auf den Erwerb der burgundischen Königskrone verwandt, die in den Händen des Hauses der Rudolfinger lag. Das Königreich reichte zwar nominell von der Provence bis an den Bodensee, die königliche Macht war aber de facto auf das Gebiet um den Genfer See beschränkt und äußerst schwach. Deshalb hatten sich die Könige unter den Schutz der Ottonen begeben, und am Ende hatte der letzte, kinderlose Rudolf III. Kaiser Heinrich II. als nächsten Verwandten zum Erben eingesetzt.

 

Mit dem Tod Heinrichs (II.) erklärt Rudolf die Vereinbarung für erledigt, während Konrad (II.) nun den Standpunkt vertritt, dass Heinrich nur ein Vertreter eines Reiches sei, für das der Erbfall weiter Geltung besäße. Man wird an Wipos/Konrads Text vom Schiff und Steuermann erinnert. Mit militärischem Druck kann sich Konrad durchsetzen, wobei Odo II., Graf von Blois-Champagne als eigentlich Erbberechtiger als Mitkonkurrent auftritt.

 

Nach dem Tod des burgundischen Königs 1032 marschiert Konrad denn auch ins Herzland von dessen Macht ein und lässt sich von den wenigen Anhängern, die er dort findet, 1033 zum König krönen, während die meisten großburgundischen Magnaten sich ihm verweigern.

Nach einem Bündnis mit dem „französischen“ König (Henri I.) und der Vereinigung beider Lothringen in der Hand Herzog Gozelos 1033 werden die Anhänger des Grafen von Blois-Champagne im Süden durch ein Heer von Bonifaz von Canossa-Tuszien und Erzbischof Aribert von Mailand besiegt und Odo im Norden durch den Kaiser, der dann das regnum Burgundiae auf seinen Sohn überträgt.

 

Der Kaiser verfügt nun über drei Reiche, von denen zwei ohne seine militärische Präsenz mehr oder weniger nur auf dem Papier stehen, aber da ist ja auch noch der Hegemonialgedanke gegenüber den östlichen Nachbarreichen. Zwischen Polen unter Mieszlo II. und Konrads Reich kommt es zu Kämpfen, wobei der Pole auch der Feindschaft des Großfürsten von Kiew und des böhmischen Herzogs ausgesetzt ist. Mit seinem Tod übernimmt der Adel die Macht, begleitet von einem Volksaufstand mit heidnischen und antideutschen Zügen (Boshof, S.72) Die Macht im südlichen Ostelbien wird darauf an Markgraf Ekkehard II. von Meißen übertragen, neben dem nun die Familie der Wettiner aufsteigt.

 

Auch Böhmen muss in die Knie gezwungen werden, bis es dann am Ende sich an einem Kriegszug gegen die Liutizen beteiligt, der mit der üblichen Grausamkeit geführt wird. Der böhmische Herzog wird zwar von den Großen seines Landes gewählt, empfängt aber sein Herzogtum vom römisch-deutschen König.

 

Ungarn wiederum fühlt sich durch die gegen die Interessen Venedigs gerichtete Politik Konrads berührt, mit dem es verbündet ist, und zudem durch des Kaisers vorübergehende Annäherung an Byzanz, das nach Unterwerfung der Bulgaren bedrohlicher Nachbar Ungarns geworden war. Ein Einmarsch Konrads in Ungarn scheitert allerdings.

 In Norditalien beschleunigen sich derweil die Entwicklungen, die das Land immer stärker königlich/kaiserlicher Kontrolle entziehen. Im 10. Jahrhundert war, schneller und durchgreifender als im Norden, der Bischof zum Stadtherrn geworden, der über die Regalien und die Gerichtsbarkeit verfügte und dabei den Grafen aus der Stadt verdrängte. Auf dieser Entwicklung beruhte die ottonische Königsmacht dort.

 

Die Bischöfe stellten mit ihren überwiegend in den Städten, aber auch im contado (dem Umland der ehemaligen civitas) ansässigen Vasallen im wesentlichen das königliche Heer. Diese besaßen Eigentum, aber zudem auch inzwischen erblich gewordene Lehen der Kirche, auf denen ihre Machtposition beruhte. Von diesen capitanei wiederum hingen Untervasallen ab, Valvassoren, die ebenfals an Macht zunahmen, aber noch nicht die Sicherheit von Lehen im Familienbesitz hatten. Sie machten ihrer Unzufriedenheit, die sich gegen Bischöfe und Kapitane richtete, zum Beispiel in Mailand 1035/36 Luft. Radikaler wandten sich die Cremonesen gegen die bischöfliche Stadtherrschaft, vertrieben ihren Bischof, zerstörten seinen ummauerten Bezirk und bauten die Stadt um.

 

Bei Wipo hört sich das so an: Damals kam es auch in Italien zu großen, für unsere Zeiten unerhörten Wirren durch den Aufstand des Volkes gegen seine Fürsten. Hatten doch alle Valvassoren Italiens und der niedere Adel sich gegen ihre Herren verschworen, alle diejenigen niederen Ranges gegen diejenigen, die höhergestellt waren. Sie wollten nicht mehr hinnehmen, dass ihre Herren ohne Rücksicht auf ihre Wünsche ungestraft gegen sie vorgehen könnten. Wollte der Kaiser nicht kommen, und ihre Interessen schützen, so würden sie sich ihr Recht selbst holen, erklärten sie. (c34)

 

In diesen Zusammenhängen gelingt es Konrad, sich stärker mit den Markgrafen zu verbinden, die in den Umwälzungen der Zeit im König aus dem Norden wieder eine Schutzmacht sehen. Zudem vermittelt Konrad Ehen des deutschen Hochadels mit dem norditalienischen: Die Welfin Chuniza heiratet Azzo II. von Este, Hermann von Schwaben Adelheid von Turin und Otto von Schweinfurt Immila von Turin. Beim zweiten Italienzug Konrads kommt es 1037 in Mailand zum Konflikt mit dem Erzbischof, mit dem sich andere Bischöfe verbünden. Konrad lässt sie als Hochverräter verurteilen und nach Deutschland schaffen.

 

Um die nun feindliche Bischofsmacht zu schwächen und neue Verbündete zu gewinnen, erlässt der König die 'constitutio de feudis'. Danach darf niemandem mehr sein Lehen ohne ein Gericht der Lehnsinhaber auf gleicher Ebene entzogen werden und auch die „Afterlehen“ werden erblich. Dabei ging es vor allem um die Befriedung des Verhältnisses zwischen Kapitanen und Valvassoren, welches verechtlicht und so der kriegerischen Konfliktlösung entzogen werden soll. Damit stellt sich der Vorgang der Feudalisierung zum ersten Mal als legaler Zustand dar, ein „Lehnswesen“ entwickelt sich und strahlt dann auch in den Norden aus. Die Verbindung von Leihe und persönlicher Verpflichtung erhält nun auch Rechtsstatus.

Bei Wipo heißt das: Die Lehnsleute konnte er völlig für sich gewinnen durch sein Verbot, einem Nachfahren die überkommenen Lehen seiner Ahnen zu entziehen. (c6)

 

Unterhalb dieser sich immer stärker fixierenden Adelsschicht steigen aus der Schicht der unfreien servientes insbesondere in deutschen Landen solche auf, die in Hofämtern, Verwaltungsposten, Gerichtsbarkeit und Militärdienst eine privilegierte Stellung einnehmen und bald als Ministeriale bezeichnet werden. Nach und nach werden sie auch mit Lehen für ihre Dienste ausgestattet, bleiben aber zumindest durch symbolische Abgaben an den Herrn von diesem abhängig und damit „unfrei“. Die Nachfolger Konrads werden sie wie die Stadtherren immer stärker in ihre Machtausübung einbeziehen, da sie aufgrund ihrer größeren Abhängigkeit verfügbarer sind und in ihren Ämtern „jederzeit absetz- oder vesetzbar“ (Boshof, S.90)

 

Solche Vorgänge der Verrechtlichung, die auch mit der Verschriftlichung bischöflicher Rechtssatzungen und den Sammlungen von Kirchenrecht einhergehen, laufen parallel zu neuen Friedensvorstellungen, die bei Heinrich III. nähere Erwähnung finden werden.

 

Konrads neugewonnenes Bündnis mit dem weltlichen Adel genügt nicht, um eine Stadt wie Mailand einzunehmen, und in den Städten entwickelt sich zunehmend eine Gegnerschaft gegen die „Deutschen“, die als fremde Gewaltherrscher angesehen werden, ein Unheil, an dem auch die staufischen Kaiser festhalten und scheitern werden.

 

Im italienischen Süden hält Konrad sich nur kurz auf, setzt in Capua Waimar IV. von Salerno ein, der nun auch Amalfi, Gaeta und Sorrent kontrolliert, und investiert auf dessen Bitte einen Normannenführer mit der von Salerno abhängigen Grafschaft Aversa. Sobald er den Rückmarsch antritt, wird seine Autorität aber wieder schwinden. Von nun an beginnt der Aufstieg der Normannen, von denen immer mehr aus der Normandie nachrücken, ohne sich um die Hoheit eines „italienischen“ Königs zu scheren.

 

Auch gegenüber den Kirchen und Klöstern setzt Konrad das fort, was die Ottonen begonnen hatten: Er nutzt sie für seine Machtausübung und scheut auch nicht davor zurück, Bischöfe aus ihrem Amt zu entfernen, wenn sie ihm nicht folgen. Andererseits stattet er folgsame Bischöfe immer besser und immer häufiger auch mit ganzen Grafschaften aus.

 

Die Klosterreform von oben im vorwiegend deutschen Reich fördert er, soweit sie seinen Herrschaftsinteressen entspricht und geht wie die Großen unter ihm dabei auch keinem Konflikt mit den Mönchen aus dem Weg.

 

Als er 1039 stirbt, hinterlässt er ein überdehntes Kaiserreich mit den Problemzonen, die er schon vorgefunden hatte, nur dass inzwischen Entwicklungen eingesetzt hatten, die ihm von der Höhe seines Thrones offenbar nicht zugänglich waren. Das theokratische Herrschaftssystem ging seinem Ende entgegen, in den italienischen Städten gab es Vorgänge, die sich seinem Weltbild entzogen, und die zentrifugalen Kräfte feudaler Strukturen waren kaum noch zu bändigen. Zudem zogen sich die sächsischen Großen stärker von einem Reich zurück, dem sie nicht mehr die Herrscher stellten, und das sie zunehmend als Unterdrückung empfanden. Es fehlt nur noch, dass der Nachfolger früh stirbt, um es in eine schwere Krise zu versetzen.

 

Heinrich III.

 

Während rund um die deutschen Lande Monarchien im Verlauf des 11. Jahrhunderts Fundamente für die Entwicklung von Staatlichkeit legen, und sich Elemente dafür auch in Städten und der Papstkirche finden, werden die Deutschen weiter dem Unheil imperialer Machtphantasien unterworfen. Das führt notwendig dazu, dass zwei theokratische Vorstellungen gewaltig aufeinanderprallen, die von Kaiser und Papst, die beide daran Schaden nehmen werden.

 

Die Frömmigkeit der Könige und Kaiser ist eng verbunden mit ihrem Amt. In einem christianisierten Königsheil stehend, im Bewusstsein, von ihrem Gott eingesetzt zu sein, üben sie als Beschützer „ihrer“ Kirche auch Macht über diese aus. So setzen sie wichtige Bischöfe und Äbte ein und nicht selten de facto auch Päpste.

 

Dieses sehr maskuline Kriegerchristentum erfährt eine erste Brechung durch den Aufstieg der Marienverehrung. Maria gehört nicht zur göttlichen Dreifaltigkeit, andererseits ist sie als jungfräuliche Gottesmutter auch nicht irgendeine der Heiligen, die auf Erden nichts anderes als Menschen waren.

 

Bei Thietmar von Merseburg taucht solche Marienfrömmigkeit bereits für die Zeit um 1000 auf: Nach dem Heimgang der Herrin (domne) entschied sich ihr seliger Gefährte (felix comes: Graf Arnfried), das Leben eines Mönches nach einer möglichst strengen Regel auf sich zu nehmen; nicht, dass ihn irdische Beschwernisse dazu gebracht hätten, sondern er beschritt ganz bewusst den Pfad der Tugend (…). Er reiste zur Marienkapelle nach Aachen et mundi domnam exoravit (und betete zur Herrin der Welt). Er muss aber dann erst einmal Bischof werden. Als die Augen im Alter nachließen, wurde er Mönch. ( IV,35/36).

 

In einem Evangeliar für „seinen“ Speyrer Dom lässt sich der König zusammen mit der Gemahlin Agnes vor der thronenden Gottesmutter abbilden. Sie soll ihnen als Gebärerin Christi einen Thronfolger schenken. Dazu heißt es: Oh Königin des Himmels, weise mich König nicht zurück. Durch die Überreichung dieser Gabe (des kostbaren Buches) vertraue ich mich, den Vater mit der Mutter und insbesondere die, mit der ich in Liebe zum Nachkommen verbunden bin, dir an. Mögest du allzeit eine huldreiche Helferin sein.

 

Als regina ist Maria inzwischen dem rex Christus gleichgestellt und mit ähnlicher göttlicher Macht ausgestattet, ein theologisches Phänomen. Zugleich sind Mutter und Sohn als Königspaar dem irdischen im Titel gleichgestellt. Aber Maria bleibt zusammen mit Christus vorläufig noch „Herrin“.

Der ihr geweihte Speyrer Dom soll unter Heinrich III. mehr als zuvor seinen Anspruch auf Macht und Herrschaft demonstrieren. Er wird um ein Drittel verlängert und ist nun mit rund 135 Metern die größte Kirche der lateinischen Christenheit. Ein etwa 9x21 Meter großes Areal wird für künftige Salierherrscher als Grablege reserviert.

 

Ein herrischeres, autoritäreres Königtum kündigt sich an. Bislang war der Mainzer Erzbischof als Erzkapellan eine Art Erzkanzler gewesen. Nun wird das Kapellan-Amt von seiner Person getrennt und einem capellarius als Leiter der Hofkapelle übertragen. Dieser ist dem König gegenüber weisungsgebunden und ständig bei Hof anwesend wie die ganze Kapelle. Diese, für Verwaltung und Rechtspflege zuständig, wird so stärker als eine Art Kabinett an die Herrschaftsausübung gebunden (WeinfurterGeschichte, S.83ff)

Der königlich/kaiserliche Ton wird schärfer. Je stärker die Sakralität königlicher Macht betont wird, desto härter wird regiert. Für Majestätsverbrecher soll nun die Todesstrafe gelten.

 

Heinrich vergibt Bayern an einen Lützelburger (romanisiert später: Luxemburger) und Kärnten an einen Welfen. Schwaben geht an einen Ezzonen, der dessen Zerfall noch einmal aufhält, während Lothringen immer stärker auseinanderzubrechen droht. Hier wendet sich der Sohn des Herzogs von Gesamt-Lothringen, Gottfried II. ("der Bärtige"), gegen Heinrich, der eine erneute Teilung vollzieht. In diesem kriegerischen Konflikt zwischen 1044 und 1049 versuchen die Grafschaften Flandern und Holland ihre Macht zu erweitern.

Gottfried muss sich zunächst unterwerfen, wird als Reaktion auf seine deditio zunächst aber auf der Burg Giebichenstein eingesperrt. Als er nach neuen Unterwerfungsgesten 1046 freigelassen wird, erhält er sein Herzogtum dennoch nicht zurück. Darauf greift er wieder zur Gewalt:

Unter anderen Schädigungen, die er dem Reich zufügte, verbrannte er die Pfalz von Nymwegen, ein Bauwerk von wunderbarer, unvergleichlicher Schönheit, ferner eroberte er Verdun und äscherte dort die Hauptkirche ein. Doch nach kurzer Zeit bereute er seine Tat so tief, dass er sich öffentlich auspeitschen ließ und, um nicht geschoren zu werden, seine Haare mit vielem Geld auslöste. Ferner zahlte er für die Kosten des Wiederaufbaus der Kirche und leistete bei der Maurerarbeit öfters die Dienste eines einfachen Handlangers. (Lampert von Hersfeld zu 1046)

Darauf erhält Gottfried möglicherweise durch die Unterstützung von Papst Leo IX. Oberlothringen, nachdem er für den Kaiser gegen Flandern kämpft, und nach ihm dann Herzog Gerhard aus elsässischem Grafenhaus, welches für 700 Jahre dann dort herrscht, und der Lützelburger Friedrich Niederlothringen.

 

Bleibt Sachsen, wo sich zwar ein erbliches Herzogtum herausgebildet hatte, aber vor allem die Macht des Adels gewachsen war. Dieser trat in immer deutlichere Opposition zu den salischen Königen, die mit Burgenbau und der Förderung des kaiserlichen Goslar, „ihrer“ Bistümer Hildesheim und Halberstadt und des Erzbistums Hamburg/Bremen in ihrem Land als bedrohlicher Fremdkörper angesehen werden.

 

Wesentliche Stütze königlicher Macht bleibt weiter die Reichskirche, die zunehmend besser ausgestattet wird. Hofkapellane werden vom König als Bischöfe eingesetzt und mit Pfründen der Domkapitel ausgestattet. Bischöfe werden vom König nun nicht mehr nur mit dem Stab, sondern auch dem Ring investiert, der die intensive Bindung des Bischofs an seine Kirche symbolisiert. Mit der Förderung der Reichsunmittelbarkeit der Klöster im Zuge der Reformbewegung kann der König auch diese besser für seine Herrschaft instrumentalisieren.

 

Verläuft alles das in alten Bahnen, so deutet sich mit der katalanisch-südfranzösischen Friedensbewegung eine neue Zeit an. In deutschen Landen findet wegen geringerem Bedarf keine so starke geistliche Friedensbewegung statt. Aber ihre weltlichen Aspekte werden von den Herren dennoch vorangetrieben.

 

In Nordfrankreich und den deutschen Landen ist es vielmehr so, dass solche Schwur-Einungen mit Misstrauen betrachtet werden. Im Reich setzt sich Heinrich III. nach 1042 an die Spitze von oben verordneter Friedens-Vereinigungen, die er zu großen Sühne- und Versöhnungszeremonien ausbaut: Weihnachten nach dem Tod seiner Mutter „habe er im Dom von Trier allen, die sich gegen die königliche Majestät vergangen hätten, unter Tränen vergeben und habe alle im ganzen Reich aufgefordert, >ihren Schuldigern< zu vergeben. Überdies habe der König vor den Großen des Reichs eine Predigt gehalten und ihnen den Frieden verkündet, den die Engel bei der Auferstehung Christi der Welt verkünden.“ (Weinfurter, S.29)

 

Bei Lampert von Hersfeld lautet das so: 1044. Der König feierte Weihnachten in Trier, und dort sprach er alle, die sich wider die königliche Majestät (in regiam maiestatem) vergangen hatten, von Schuld frei und verkündete für das ganze Reich das gleiche Gebot, dass alle einander ihre Vergehen vergeben sollten.

Damit versucht Heinrich zu verhindern, dass die Friedensanstrengungen der Großen im Reich deren Position stärken. Stattdessen sollen sie "durch herrscherliche Anordnung aus einsamer Höhe herab" stattfinden (WeinfurterGeschichte, S.87)

 

Ungeachtet eines aufsteigenden Marienkultes und der Friedensbewegungen bleibt der Krieg weiterhin im Sommerhalbjahr das übliche Geschäft von Herrschern und Fürsten unter ihnen. Laut Lampert von Hersfeld findet 1040 ein königlicher Heerzug nach Böhmen statt, 1041 ein zweiter, 1042 ein Feldzug gegen Ungarn, 1043 ein weiterer, 1044 noch einer und nun (1045) blieb das Reich für kurze Zeit ruhig und friedlich (quietum et pacatum). 1046 zieht Heinrich nach Italien. Dann führte er (1047) Truppen zu Schiff auf dem Rhein nach Friesland gegen Gottfried. Dabei führen Fürsten ebenfalls Krieg oder wenigstens Fehde und genauso Adel unter ihnen.

 

Die Beziehungen zu Frankreich werden von einem labilen Frieden bestimmt, hinter dem sich französische Begehrlichkeiten bezüglich beider Lothringen verstecken. Polen ist geschwächt, böhmische Großmachtpläne werden niedergekämpft, Ungarn hingegen kann nicht längerfristig dem König botmäßig gemacht werden.

 

Neues kündigt sich in den italienischen Verhältnissen an, die deshalb etwas genauer zu betrachten sind. In Mailand kommt es zum Aufstand gegen die Kapitane und Valvassoren, die zusammen mit dem Bischof die Stadt verlassen müssen. Königliche Gesandte können vermitteln. Nach dem Tode des Bischofs erbitten die Mailänder vom König die Bestimmung eines Nachfolgers.

 

Unter anderem ausgehend von Vallombrosa breitet sich auch in der Toskana eine Reformbewegung gegen Priesterehe und Simonie aus, die auch den Hochadel erfasst. In Ravenna reformiert Johannes von Cesena und von Ponte Avellana aus greift Petrus Damiani ein. Es bleibt zunächst bei einer innerkirchlichen Bewegung, die, wie man an Damiani sehen kann, den sakralen Charakter des Königtums noch nicht angreift. Es geht dabei auch nicht um Religion, sondern um die Kirche und ihre „Verweltlichung“, die allerdings nun schon viele Jahrhunderte alt ist.

 

Ungeachtet dessen ist das Papsttum zunächst in den Händen des Tuskulaner Grafenhauses. Graf Alberich III. war es 1032 gelungen, seinen zwölfjährigen Sohn Theophylakt, einen Laien, als Benedikt IX. zum Papst zu machen. Ihm wird bald ein lockerer Lebenswandel vorgeworfen. 1044, im Jahr der Einigung von Mailand, wird er von einer Seitenlinie der Familie der Creszentier vertrieben, die als einen der Ihren Silvester III. einsetzen. Kurz darauf kann Benedikt Silvester wieder vertreiben, worauf er allerdings dann zugunsten eines Gregors VI. zurücktritt. Quellen unterstellen, er habe ihm quasi den Papsttitel verkauft.

 

Heinrich III. kann ungehindert durch Italien anreisen. Um in Rom einen akzeptablen Papst für seine Kaiserkrönung vorzufinden, beruft er eine Synode in Sutri ein, wo er die Absetzung zweier der drei Päpste durchsetzt, während Benedikt IX. erst gar nicht erscheint. Er wird dann einige Tage später in Rom abgesetzt. Heinrichs Einfluss bestimmt dann die Wahl seines Kandidaten, Bischof Suidger von Bamberg als Clemens II., der ihn auch krönt. Er wird zum Patricius der Römer gemacht, womit er praktisch jene Rolle übernimmt, die vorher mächtige römische Adelsfamilien bei der Papstwahl hatten. Mit dem Widerstreit der Meinungen über diesen königlichen Akt beginnt die Debatte über das Verhältnis von Kaiser und Papst. Immerhin verkündet der „deutsche“ Papst ein absolutes Simonieverbot für die Kirche und ist sich darin seines Kaisers sicher.

 

Da das Kaisertum ein deutsches ist und kein tatsächlich universales, regt sich nun massive Kritik im französischen Episkopat, welcher unterstellt, dass Heinrich einen Papst ausgesucht habe, der seine Ehe mit einer zu nah Verwandten akzeptiere. Darüber hinaus könne der Kaiser nicht für die ganze (lateinische) Christenheit sprechen, und Synoden, die französische Bischöfe unter Protest nicht besuchten, würden keine Päpste legitimieren.

 

Mit Clemens beginnt die Reihe aus deutschen Landen stammender Päpste, die allesamt Reichsbischöfe waren und auch als Päpste ihre deutschen Bistümer behalten, was eine enge Verknüpfung von Kaiser und Päpsten gewährleistet. Auf häufigen Synoden in Deutschland, Frankreich und Italien, die sie persönlich leiteten, wurde nun in Übereinstimmung mit dem Kaiser das Programm der Kirchenreform vorangetrieben.

 

Darauf zieht Heinrich mit seinem Papst nach Süditalien, wo er die Position der Normannen stärkt und ansonsten keinen nachhaltigen Einfluss ausüben kann. Inzwischen ist auch das Verhältnis zu Canossa abgekühlt, da offenbar Heinrich beunruhigt ist über die Machtentfaltung von Bonifaz, die er zu begrenzen sucht.

 Als der Kaiser in deutsche Lande zurückgekehrt ist, stirbt Papst Clemens, möglicherweise durch einen Mordanschlag. Während die Tuskulaner die Rückkehr ihres Benedikt IX. durchsetzen, beeilt sich Heinrich, mit dem Bischof Poppo von Brixen seinen Kandidaten als Damasus II. auf den Weg zu schicken. Nachdem der gegen Widerstände nach Rom durchgekommen ist, stirbt er bald, und der König macht den Bischof von Toul aus dem Haus der Egisheimer Grafen (südlich von Colmar) zu Leo IX.

Mit ihm vollzieht sich mehr als zuvor die Verwandlung des Bischofs von Rom und geistlichen Führers der Kirche in einen autoritären Stellvertreter (seines) Gottes auf Erden, der sich aus den inneren stadtrömischen Streitereien löst. Dazu bringt er sich seine engsten Mitarbeiter, alles Reformkleriker, aus Lothringen mit. Daraus wird die Keimzelle eines neuen Kardinalskollegiums als einer Art Hofstaat der Päpste werden. Boshof schreibt, „dass die liturgischen, mit dem päpstlichen Gottesdienst an den Hauptkirchen Roms verknüpften Funktionen der Kardinäle mehr und mehr zurücktreten hinter den Aufgaben der Kirchenpolitik und Kirchenleitung, die drei ordines der Kardinalbischöfe, -presbyter und -diakone zu einem Kollegium zusammenwuchsen, das gleichsam als ein Senat neben den Papst trat und ihm mit seinem gesammelten Sachverstand für die Regierung der Kirche zur Verfügung stand.“ (S.137)

 

Immer mehr Klöster werden nun direkt dem Papst unterstellt, wobei die Eigenkirchenherren eine Stiftsvogtei behalten. Im Streit darüber, ob die von simonistischen Priestern gespendeten Sakramente überhaupt „gültig“ seien, was Humbert von Silva Candida verneint, setzt sich zunächst die moderate Linie des Petrus Damiani durch, der das Sakrament von der Person des Geistlichen getrennt sehen will.

 

Am Sakrament der Eucharistie wird dagegen die reale Verwandlung von Brot und Wein in Leib und Blut Christi gegen den als Ketzer abgestempelten Berengar durchgesetzt. Die Kirche zieht sich ein immer engeres dogmatisches Korsett als Begleitung zu den hierarchischeren Strukturen an, was neue Möglichkeiten für Häresien zur Folge hat.

 

Nachdem Benevent seinen Herrscher abgeschüttelt hat, unterstellt es sich dem Papst. Damit gerät der in gefährliche Nähe zu den expandierenden Normannen. Der Kaiser will sich derzeit auf kein süditalienisches Abenteuer einlassen, und so zieht der Papst mit einem von deutschen Freiwilligen aufgefüllten Heer gen Süden. Den Deutschen war Straflosigkeit für ihre Verbrechen und Sündenerlass versprochen worden, und viele sterben in einer vernichtenden Niederlage in Apulien.

 

Ein Versuch, Versöhnung zwischen der lateinischen und der griechischen Kirche herbeizuführen, um so gemeinsam gegen die Normannen vorgehen zu können, scheitert an der Halsstarrigkeit der römischen Delegation, zu der Humbert von Silva Candida gehört, und der des byzantinischen Patriarchen. Während so die letzte Chance auf Kircheneinheit zerbricht, beginnen die süditalienischen Normannen mit dem Aufbau eines Großreiches.

 

Derweil wird die hergebrachte Position des Königs Schritt für Schritt aus Kreisen der Reformkirche angegriffen. Das Reimser Konzil von 1049 verbietet der Geistlichkeit den Kriegsdienst und macht so auf die Wesensverschiedenheit des geistlichen und weltlichen Amtes aufmerksam. Bischof Wazo von Lüttich bestreitet dem König das Recht, Bischöfe abzusetzen, da ihr geistliches Amt nur dem Papst Gehorsam schulde und der König nur Treue in seinem weltlichen Bereich verlangen könne. Darüber hinaus stehe die Salbung des Bischofs über der Weihe des Königs, da letztere zum Töten bestimme. Und schließlich verurteilt er die Absetzung Gregors VI. in Sutri, da Päpste nur von Gott gerichtet werden könnten.

 

In dieselbe Kerbe haut ein anonymer Text, der meist mit de ordinando pontifice betitelt wird: Darin heißt es, dieser Gott verhasste Kaiser (imperator iste Deo odibilis) handele nicht als Stellvertreter Christi, sondern als der des Teufels, indem er das Schwert führe und Blut vergieße.

Große Reformäbte wie Poppo von Stablo und Siegfried von Gorze hatten schon versucht, die Ehe des Kaisers mit der frommen Agnes von Poitou wegen eines kanonischen Eheverbotes zu verhindern, denn das kanonische Recht der Kirche stamme von Gott und stehe über Gesichtspunkten der weltlichen Machtentfaltung. Allgemeines Misstrauen gegenüber Heinrichs Lebenswandel und Regierungsstil kommt hinzu.

 Die immer wieder aufflackernden Konflikte mit Frankreich haben auch mit dem zunehmenden Selbstbewusstsein französischer Könige zu tun, die die enge Zusammenarbeit von Kaiser und Papst mit Misstrauen betrachten und sich nun stärker mit Reichsfeinden im Osten und Norden verbünden. Neue Kriegszüge gegen Ungarn scheitern, dem sich nun Böhmen annähert, dessen Herzog bislang an "deutschen" Hoftagen und Italienzügen teilgenommen hatten. Der böhmische Herzog ist an der Annektion polnischer Gebiete interessiert, was die königlich-kaiserliche Oberhoheit nicht dulden kann.

 

Inzwischen destabilisiert sich die Lage nördlich der Alpen in den 50er Jahren. Flandern zeigt sich immer reichsfeindlicher und versucht seine Macht nach Osten auszudehnen, was nur mit Mühe eingedämmt werden kann.

Die Kritik am harschen Herrschaftsstil Heinrichs nimmt derweil zu. Für das Jahr 1053 verzeichnet Hermann von Reichenau: Zu dieser Zeit murrten sowohl die Großen des Reiches wie auch die weniger Mächtigen immer häufiger gegen den Kaiser und klagten, er falle schon seit langem von der anfänglichen Haltung der Gerechtigkeit, Friedensliebe, Frömmigkeit, Gottesfurcht und vielfältigen Tugenden, worin er doch täglich Fortschritte hätte machen sollen, mehr und mehr ab zu Eigennutz und Vernachlässigung seiner Pflichten und werde bald viel schlechter sein als er war. (In WeinfurterGeschichte, S.89)

1053 lässt Heinrich III. seinen Sohn, dem Taufpate Hugo von Cluny offenbar den Namen Heinrich verliehen hatte, in Tribur zum Mit-König wählen. Dabei machten die Großen zur Bedingung, ihn nur anzuerkennen, wenn er sich als gerechter Herrscher erweise. (si rector iustus futurus esset) .

 

Die Sachsen fühlen sich durch die königliche Förderung sächsischer Bistümer in ihrer Autonomie bedroht. Zudem lässt Heinrich sie in ihrem Abwehrkampf gegen die Slawen alleine, der in Niederlagen mündet. Außerdem stören sie sich am autoritären Führungsstil des Herrschers.

Schließlich kommt es zum offenen Konflikt mit Bayern, möglicherweise über das Verhältnis zu Ungarn. Immer mehr bayrische Große schließen sich dabei dem Herzog an, aber der Aufstandsversuch scheitert 1055 nach dem Tod Welfs III. von Kärnten und Herzog Konrads von Bayern.

Mit der Verleihung von Bayern an Kaiserin Agnes privato iure, wie Lampert für 1056 schreibt, wurde ein Herzogsamt "wie ein privates Recht des Herrscherhauses betrachtet, gleichsam als Ausstattung der Kaiserin", fasst Weinfurter (Geschichte S.95) das zusammen. Stärker konnte man die Großen des Reiches kaum provozieren.

 

Gottfried der Bärtige, zunächst wieder stärker in der königlichen Huld, heiratet 1054 die Witwe des Markgrafen Bonifaz von Tuszien, Beatrix von Canossa-Tuszien, was die ohnehin schwache Kontrolle über Reichsitalien gefährdet.

1055 zieht Heinrich zum zweiten Mal nach Italien, um zusammen mit dem neuen Papst Victor II., einem Bischof von Eichstätt, gegen Gottfried den Bärtigen vorzugehen. Der flieht nach Lothringen, als der Kaiser in Brixen ankommt.  Beatrix und ihre Tochter Mathilde wiederum fliehen nach Florenz, werden dort aber gefangengenommen und mit dem Heer zurück in die deutschen Lande geführt. Der Bruder Gottfrieds muss nach Monte Cassino fliehen. Dem Problem des normannischen Machtausbaus in Süditalien werden allerdings keine militärischen Mittel entgegengesetzt.

 

Pfingsten 1056 kommt es zum offenen Bruch mit Frankreich, was die Versöhnung des Kaisers mit Gottfried dem Bärtigen nötig macht. Der wird danach bewusst und besonnen Reichsinteressen vertreten.

 

Im September 1056 wird ein vom Kaiser nicht unterstütztes sächsisches Heer von Slawen vernichtend geschlagen. Heinrich, der den Sohn mit Bertha, der Tochter des Hauses Turin-Savoyen verlobt hatte, stirbt 1056, einem kleinen Jungen das gefährdete Reich überlassend.

Lampert von Hersfeld schreibt zu 1057: Die sächsischen Fürsten verhandelten in häufigen Zusammenkünften über die Ungerechtigkeiten, die ihnen unter dem Kaiser zugefügt worden waren, und sie glaubten, sich dafür keine bessere Genugtuung verschaffen zu können, als seinem Sohn die Reichsregierung zu entreißen, solange noch seine Jugend günstige Gelegenheit zu solcher Gewalttat böte. Die Annahme war ja naheliegend, dass der Sohn in Charakter und Lebensart, wie man zu sagen pflegt, in die Fußstapfen seines Vaters treten werde. (...) Sie beschlossen, den König zu töten, wo immer sich eine Gelegenheit eröffnete

 

Die ostfränkische Reichskonstruktion hatte auf einer Hoheit über die vier regna oder Stämme Sachsen, Franken, Bayern und Alemannien/Schwaben beruht, zu denen dann noch das von stetem Zerfall bedrohte Lothringen kam. Um außer über die Verfügung über Königsgut noch etwas direktere Herrschaft ausüben zu können, werden Kirchen und Klöster gestärkt. Derselbe Weg wird in dem partiell annektierten Reichsitalien beschritten. Aber das nimmt dem König nicht die Notwendigkeit, auch stets aufs Neue den Rückhalt der weltlichen Großen in beiden Reichen zu suchen, was immer nur phasenweise gelingt.

 

Mit dem Kaisertum und dem besonderen Verhältnis zum Papsttum soll die königliche Macht im Nordreich gestärkt werden, aber mit dem ständigen Abzug von Energien nach Süden kann das nicht gelingen. Stattdessen bilden die weltlichen und geistlichen Großen Strukturen einer Aristokratie aus, über der und in der Könige lavieren müssen.

 

Das besondere Verhältnis von Kaiser und Papst stärkt das Papsttum nunmehr einerseits, und zwar besonders unter den letzten, deutschen Päpsten. Andererseits verlangt es eine ganz spezifische Sakralisierung kaiserlicher Macht. Mit der Neuformulierung kirchlicher Positionen, die als Rückbesinnung formuliert werden, werden beide Mächte massiv zusammenstoßen, was sich unter Heinrich III. bereits andeutet. Dabei wird sich die Labilität königlicher Herrschaft erweisen, indem aristokratische Kräfte sich den Konflikt zwischen Kaisertum und Papsttum zunutze machen.

 

Derweil werden das kapetingische und das anglonormanische Königtum aufsteigen, da für sie das Austarieren weltlicher und geistlicher Einflusszonen eher ein Randphänomen bleibt.

 

Heinrich IV.

 

Mehr als ein halbes Jahrtausend lang hatte die Kirche einen Anspruch auf religiös begründete Oberhoheit formuliert, aber selten nur eingesetzt. Zugleich stützten sich die Könige zunehmend auf die Bistümer und als Kaiser auf die Verbundenheit mit dem Papsttum. In der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts sind die königliche Machtvollkommenheit und die der Papstkirche soweit entwickelt, dass sie nun aneinandergeraten.

 

Vor dem Hintergrund des Aufstiegs neuartiger Städte, des Handels und einer komplexeren Schichtung der Bevölkerung insbesondere in den Städten, aber nicht nur dort, entsteht auch eine neuartige innerkirchliche Diskurspflege, die sich in dem Konflikt zwischen geistlicher und weltlicher Macht erhitzt und emotionaler wird bis hin zu massiven Beschimpfungen und Beleidigungen. Auch in dem Rückgriff auf historische Begründungen für unterschiedliche Positionen entwickelt sich dabei ein (diskursiver) Legalismus, der im übrigen auch Voraussetzung für die Entstehung von Kapitalismus wird, da er ihm Räume schafft. Damit ist nicht die relative Freiheit öffentlicher Gedankenäußerungen gemeint, wie es sie in antiken Römer-Städten gab, diese wird mit dem Aufkommen differenzierter Positionen bis in die frühe Neuzeit immer mehr durch Verfolgung abgeschnürt. Vielmehr geht es nur um die Entstehung eines neuen Diskursverhaltens, welches den gedanklichen Streit überhaupt stärker in Gang setzt. Die Schranken einer immer dogmatischer werdenden Kirche können dabei nicht ohne Gefahr für Leib und Leben überschritten werden, aber es entstehen Nischen in Bereichen von Wirtschaft, Technik, Philosophie und neu aufkommenden Ansätzen von Naturwissenschaften. Dieses Nischenwesen einer zersplitternden Welt wird auch vom ganz langsam entstehenden Kapitalismus begründet und wird diesen befördern.

 

Der Sohn Heinrichs III. ist fünf oder sechs Jahre alt, als sein Vater stirbt. Der hatte im Sterben in der Pfalz Bodfeld die Geschicke des Kindes und damit des Reiches in die Hand von Papst Viktor II. gelegt. War die Regentschaft Theophanus für das königliche Kind Otto noch ein Experiment gewesen sowohl bezüglich Regentschaft wie weiblicher herrscherlicher Machtentfaltung, so gelingt es dem königstreuen Papst, die Reichsfürsten eidlich an Königsmutter Agnes zu binden, die versucht, die "Politik" ihres verstorbenen Gemahls fortzuführen, wobei sie wesentlich schwächer auftritt - vielleicht durch persönliche Frömmigkeit am königlichen Machterhalt behindert.

 

Unter Agnes gewinnen die königstreuen Ministerialen an Einfluss, aber zugleich steigt die Macht der Landesfürsten gegenüber der Zentralgewalt. Mit der Verleihung von Schwaben an den ohnehin mächtigen Rudolf von Rheinfelden, von Bayern an Otto von Nordheim und Kärnten als Entschädigung an den Zähringer Berthold sinkt der Einfluss der Zentralgewalt zugunsten dynastischer Machtzentren, während Bayern zunächst in der Hand der Regentin verbleibt und Lothringen den Vermittlungsversuchen Annos von Köln überlassen ist, während Gottfried der Bärtige seine Macht in Mittelitalien ausbaut.

 

Das Sinken kaiserlicher Macht zeigt sich an der Einflusslosigkeit der königlichen Hofkapelle. Sie war bislang, wie Fleckenstein zusammenfasst, " ein lebendiges Bindeglied zwischen dem Hof und der Reichskirche, d.h. den Bischofskirchen und einigen großen Reichsstiften (...) Indem die Kapelläne an ihnen Pfründen erhielten und neben dem Hofdienst, zu dem sie in regelmäßigem Turnus verpflichtet waren, auch an den Bischofskirchen geistliche Funktionen zu versehen hatten; indem ferner der König selbst sich als Kanoniker in ihre Kapitel aufnehmen ließ und die Bischöfe, die zum großen Teil ebenfalls durch den Hofdienst gegangen waren, auch ihrerseits immer wieder am Hof erschienen, bildete sich ein Netz von Beziehungen heraus, das Hof und Reichskirche auf vielfältige Weise verband und dem König ermöglichte, seinen Einfluss in der Reichskirche zur Geltung zu bringen und seine Kirchherrschaft mit konkretem Inhalt zu erfüllen." (in: Investiturstreit, S.120) 

 

1057 verlässt der Papst dann zusammen mit Beatrix und Mathilde von Canossa wieder Deutschland Richtung Süden, wo Gottfried und Victor nun zusammen Reichsinteressen vertreten. Im Juni wird Bruder Friedrich Abt von Monte Cassino. Ende Juli stirbt der Papst und Friedrich wird wenige Tage später vom Reformflügel in San Pietro in Vincoli zum Papst gewählt. Es ist neben den Reformern die Militärmacht Gottfrieds und nicht mehr kaiserlicher Einfluss, welche den Papst (Stephan IX.) durchsetzen.

 

Danach reist eine päpstliche Gesandtschaft unter Hildebrand und Bischof Anselm von Lucca nach Deutschland, um die Zustimmung der "Regentin" einzuholen. In dem einen Jahr seiner Amtsausübung gelingt es dem neuen Papst, die Reformer Humbert von Moyenmotier, Petrus Damiani und Hildebrand stärker an Rom zu binden.

 

Die geschwächte königliche Position in deutschen Landen wird von konkurrierenden Bischöfen verwaltet, Anno von Köln, Siegfried von Mainz und Heinrich von Augsburg. An die Stelle weltlicher Großer treten bei Hofe eher Ministeriale wie jener Kuno, der mit der Erziehung Heinrichs beauftragt wird, was den weltlichen Hochadel weiter der Krone entfremdet - und was man Heinrich IV. später vorwerfen wird. Darüber hinaus kommt Kritik auf, dass eine Frau Bischöfe investiert, wogegen sich in Rom Humbert von Moyenmotier äußert. Schließlich war die Kaiserin schon in einer kirchlich verbotenen Nahehe gestanden. Je schwächer die Position der Regentin wird, desto schärfer der Machtkampf zwischen den fürstlichen Bischöfen.

 

Agnes setzt auf den Bischof Heinrich von Augsburg als Berater, was Erzbischöfe wie Anno (II.) von Köln oder Siegfried von Mainz in die zweite Reihe versetzt. Die Niederaltaicher Annalen für 1060 kommentieren: Das war der Anfang der Schmerzen. Der König war nämlich ein Knabe; die Mutter aber, wie das bei einer Frau erklärlich ist, gab leicht nach, indem diese und jene Leute ihr Ratschläge erteilten.Die übrigen, die am Königshof sich im Vorsitz befanden, neigten begierig zur Habsucht, und niemand konnte dort ohne Geldzahlungen für seine Angelegenheit Gerechtigkeit finden, und so waren Recht und Unrecht vermischt.

 

Während Hildebrand noch in Deutschland ist, stirbt der Papst schon 1058. Der römische Stadtadel (Crescentier und Tuskulaner gemeinsam) setzt schnell den Tuskulaner Benedikt X. als Nachfolger durch. Gegen ihn wählen die Reformer 1059 unter Leitung des tuszischen Markgrafen mit Damiani, Hildebrand und anderen den Bischof von Florenz, dessen Papstname Nikolaus II. wird. Der kann mit militärischer Hilfe Gottfrieds in Rom einziehen. war er doch schon von diesem in Florenz als Bischof durchgesetzt worden.

 

Dieser bedeutende Reformpapst setzt auf der Lateransynode von 1059 das Papstwahldekret durch: Päpste werden nunmehr nur noch von den Kardinalbischöfen gewählt, dem Klerus und "Volk" von Rom bleibt nur ein Akklamationsrecht. Damit soll nicht der kaiserliche Einfluss zurückgedrängt werden, sondern der des stadtrömischen Adels. Es heißt entsprechend, dass der honor König Heinrichs zu wahren sei. Ein Verbot der Laieninvestitur wird angedeutet, allerdings noch nicht so deutlich formuliert.

 

Ein im Norden wohl stärker wahrgenommener Affront gegen die Krone ist die Ergänzung der nördlichen Absicherung durch das Canossa-Fürstentum mit der Belehnung der Normannen Richard und Robert Guiskard in Melfi mit Capua bzw. Apulien, Kalabrien und Sizilien, was das Reich als Rechtsbruch begreifen konnte.

 

Einmal wird der Papst damit Lehnsherr, eine weltliche Macht, zum anderen ist damit auch der Auftrag verbunden, die Normannen mögen Sizilien erobern, ihr neues Lehnsgut. Richard von Capua ringt daraufhin die um Benedikt X. gescharten Adelsfraktionen von Rom nieder. Der Papst hat dem Kaiser nunmehr die Herrschaft über Mittel- und Süditalien abgenommen. Andererseits ist das Kaisertum in Italien derzeit kaum noch präsent.

 

Daneben kommt es zu Annäherungen des Papstes an Volksbewegungen wie die Pataria. 1061 kommt es so zum Konflikt zwischen der Regentschaft in Deutschland und den deutschen Bischöfen einerseits und den Reformbestrebungen des Papstes. Dieser kulminiert in der Aufforderung des Papstes an den Erzbischof von Mainz, sich sein Pallium in Rom abzuholen, anstatt es zugesandt zu bekommen. Eine Reichssynode kündigt Nikolaus den Gehorsam auf. Bevor der Konflikt höherkochen kann, stirbt der Papst Ende Juli.

 

Während eine Delegation der römischen Adelsfraktion und der lombardischen Bischöfe, die den päpstlichen Zentralismus nicht hinnehmen wollten, ins Reich reist und die Insignien des Patricius an Heinrich übergibt, sorgen die Reformer unter Hildebrand mit Unterstützung der Markgräfin Beatrix von Canossa im September 1061 für die Wahl eines der Ihren, Anselm von Lucca als Alexander II., worauf auf einer Baseler Synode im Oktober der Bischof von Parma Cadalus/Honorius II. als Gegenpapst gekürt wird. Dem gelingt es im März 1062 durch die markgräflichen Linien zu gelangen. Gottfried bricht darauf eilends von Lothringen nach Süden auf.

 

In dieser Situation entführt Bischof Anno von Köln, der mit den Reformern sympathisiert, Anfang April 1062 den elfjährigen Heinrich IV. von der Insel Kaiserswerth nach Köln und reißt damit die Reichsleitung an sich. Wie antisalische Propaganda aus Sachsen das Ganze propagandistisch umdeutet, zeigt folgende Passage aus Lampert von Hersfelds Annalen für 1062, die begründen sollen, warum der Mutter das Kind genommen werden sollte: Während der Minderjährigkeit ihres Sohnes führte die Kaiserin selber die Regierungsgeschäfte, und sie bediente sich dabei in erster Linie des Rates des Bischofs Heinrich von Augsburg. Deshalb konnte sie dem Verdacht unzüchtiger Liebe nicht entgehen (Unde nec suspicionem incesti amoris effugere potuit), denn allgemein ging das Gerücht (fama), ein so vertrauliches Verhältnis sei nicht ohne unsittlichen Verkehr erwachsen. Daran nahmen die Fürsten schweren Anstoß, sahen sie doch, dass wegen der persönlichen Liebe zu einem Manne ihr Einfluss, der im Reich am meisten hätte gelten müssen, fast gänzlich ausgeschaltet war. Diesen unwürdigen Zustand ertrugen sie nicht: sie veranstalteten deshalb häufig Zusammenkünfte, erfüllten ihre Pflichten gegen das Reich nur nachlässig, reizten die Volksstimmung (popularium animos) gegen die Kaiserin auf...(usw., Annalen für 1062)

 

Das erinnert an bald ebenfalls aufkommende (lancierte) Gerüchte über Gregor VII. und Mathilde von Canossa. Es bedurfte nicht der heutigen Schmutzpresse und der parallel geschalteten elektronischen Medien, schon damals wurden Schmuddelkampagnen im Kampf um die Macht inszeniert.

 

Die die Regentschaft wenig schätzenden Niederaltaicher Annalen vermerken für 1062:

Der König begann bereits zum Jüngling heranzuwachsen, am Hof aber kümmerten sich die führenden Leute nur um ihre eigenen Sachen, und keiner lehrte den König, was gut und gerecht sei. Daher war im Reich vieles in Unordnung geraten. Deshalb trafen sich der Erzbischof Anno von Köln, die Herzöge und die Vornehmen des Reiches in häufigen Zusammenkünften und beratschlagten sehr besorgt darüber, was hier zu tun sei.

 

Die hier durchschimmernde These von einem rebellischen Überfall im Interesse des Reiches (die Weinfurter, Geschichte S.97 vertritt) wird auch von Lampert von Hersfeld angedeutet:

...viele erhoben Beschuldigungen, die königliche Majestät sei verletzt und ihrer Selbstbestimmung beraubt. Um die Missstimmung über diese Tat zu beschwichtigen und den Anschein zu zerstreuen, als hätte er mehr aus persönlichem Ehrgeiz als um des allgemeinen Besten willen so gehandelt, ordnete der Erzbischof an, dass jeder Bischof, in dessen Diözese der König sich jeweils aufhalte, dafür zu sorgen habe, dass die Belange des Reiches (res publica) keinen Schaden nehmen und dass bei Angelegenheiten, die vor den König gebracht würden, die erforderlichen Weisungen erteilt werden.

 

Aber während das um 1080 entstandene Annolied einen ebenso mächtigen wie würdigen Erzbischof beschreibt, (Am königlichen Hof war seine Macht so groß /Dass alle Reichsfürsten ihre Sitze unter ihm hatten / Im Dienst für Gott verhielt er sich so / Als wäre er ein Engel), heißt es im Sinne seines baldigen Kontrahenten, des Erzbischofs Adalbert von Hamburg/Bremen in der Kirchengeschichte des Adam von Bremen:

Der Kölner, den man der Habsucht zieh, verwandte alles, was er zu Hause und bei Hof erraffen konnte, zum Schmuck seiner Kirche. Sie war zuvor schon groß gewesen, er machte sie aber so bedeutend, dass sie über jeden Vergleich mit einer anderen Kirche des Reiches erhaben war. Auch beförderte er seine Verwandten, Freunde und Kappelläne und überhäufte sie alle mit den höchsten Würden und Rängen.

 

Es handelte sich darum, dass der Kölner Kirchenfürst im Streit mit dem ezzonischen Pfalzgrafen dabei war, sich zum einzigen Machtzentrum eines zu schaffenden Territorium zu erheben, in dessen Mittelpunkt die wohl größte Stadt der deutschen Lande lag. Dabei machte er den Adel zu lehnsabhängigen Vasallen, fasste die Pröpste der Stifte in und um Köln zu einem Priorenkollegium zusammen, über das er ebenfalls den Adel kontrollieren konnte und nutzte zudem die Kirchenreform für seine Zwecke. (WeinfurterGeschichte, S. 105ff) Verwandte und Freunde werden überall wo möglich eingesetzt (Adam von Bremen). Dazu gehört sein Bruder Werner, den er in Magdeburg durchsetzt, während er es nicht schafft, seinen Neffen Konrad gegen den Trierer Domklerus einzusetzen, der ermordet und durch einen Nellenburger ersetzt wird.

 

Er war ein typischer Aufsteiger aus einfachen edelfreien Verhältnissen in Schwaben, ging nach Bamberg und Paderborn, gelangte unter Kaiser Heinrich III. in die Hofkapelle und dort in die Kanzlei. 1054 macht Heinrich ihn zum Propst von St. Simon und Juda in Goslar, 1056 wird er Erzbischof von Köln und Erzkanzler für Italien.

 

Aber ganz ähnlich wie Anno versuchte Adalbert, sich ein möglichst geschlossenes Nordsee-Territorium mit Ambitionen darüber hinaus anzueignen, wofür er laut Adam auch viel Geld einsetzt. Ab 1063 stärker an den Hof gelangt, versucht er zu diesem Zweck, sich mit Unterstützung des minderjährigen Heinrichs durchzusetzen: ...er habe nicht mit ansehen können, dass die Leute seinen Herrn und König wie einen Gefangenen herumzerrten. (Adam von Bremen, s.o. III,47) Keller fasst zusammen: "Schon die Entmachtung der Kaiserin Agnes hatte wohl hauptsächlich das Ziel, den unbedachten, der Politik Heinrichs III. widersprechenden und für Heinrich IV. tatsächlich unheilvollen Konflikt mit dem Reformpapsttum zu beenden." (Begrenzung, S. 165) Zu ergänzen wäre, dass die langsam Territorien schaffenden Fürsten die Gunst der Stunde nutzten, um das Königtum/Kaisertum zu schwächen. Adalbert gewinnt inzwischen immer mehr die Oberhand bei Hofe, einigt sich dann aber mit Anno.

 

Lampert berichtet:

Diese beiden herrschten an Stelle des Königs, von ihnen wurden Bistümer und Abteien, von ihnen wurde alles, was es an kirchlichen, was es an weltlichen Würden gibt, gekauft (...) Gegen Äbte (...) übten sie ihre Raubzüge mit völliger Hemmungslosigkeit (...) Sie machten einen Angriff auf die Klöster und teilten sie unter sich wie Provinzen (...) So nahm der Bremer Erzbischof zwei Abteien in Besitz, Lorsch und Corvey, und behauptete, das sei die Belohnung für seine Ergebenheit und Treue gegenüber dem König. Damit es aber nicht Missgunst unter den übrigen Reichsfürsten erwecke, gab er mit Einwilligung des Königs dem Erzbischof von Köln zwei, Malmedy und Kornelimünster, dem Erzbischof von Mainz eine, Seligenstadt, dem Herzog von Bayern eine, Altaich, und dem Herzog Rudolf von Schwaben eine, Kempten. (zu 1063).

1066 wird der König einen Teil der gegen den Widerstand der Klöster und Bischöfe gemachten Übertragungen wieder rückgängig machen.

 

Wie handfest es zwischen geistlichen Herren zugehen konnte, berichtet Lampert von Hersfeld für das Jahr 1063, davon nämlich, wie der noch kindliche Heinrich IV. in Goslar Weihnachten feiert, und sich der Bischof von Hildesheim und der Abt von Fulda mit Fäusten prügeln, als es um den privilegierten Sitzplatz neben dem Erzbischof von Mainz ging. Der Bischof meinte, den Platz des Abtes einnehmen zu dürfen, weil der Ruhm seines Reichtums den seiner Vorgänger weit übertraf. Eine nicht sehr spirituelle Begründung, wenn sie denn so stimmte.

 

Als der kleine König dann, wiederum in Goslar, Pfingsten feiert, ist Schlimmeres bereits vorprogrammiert.

Denn der Bischof von Hildesheim, der die damals erlittene Zurücksetzung nicht vergessen hatte, hatte den Grafen Ekbert (von Braunschweig) mit kampfbereiten Kriegern hinter dem Altar verborgen. Als diese nun den Lärm der sich streitenden Männer hörten, stürzen sie rasch hervor, schlagen auf die Fuldaer teils mit Fäusten, teils mit Knüppeln ein, werfen sie zu Boden und verjagen sie durch den unvermuteten Angriff wie vom Donner Gerührten mühelos aus der Kapelle der Kirche. Sofort rufen diese zu den Waffen. Die Fuldaer, die Waffen zur Hand hatten, scharen sich zu einem Haufen zusammen, brechen in die Kirche ein, und inmitten des Chores und der psalmodierenden Mönche kommt es zum Handgemenge. Man kämpft jetzt nicht nur mit Knüppeln, sondern auch mit Schwertern. (...) Auf Gottes Altären werden grausige Opfer abgeschlachtet, durch die Kirche rinnen allenthalben Ströme von Blut, vergossen nicht wie ehedem durch vorgeschriebenen Religionsbrauch, sondern durch feindliche Grausamkeit.

 

Laut Lampert wäre es dem Abt schlecht gegangen, wenn er nicht die Anwesenden reichlich bestochen hätte, aber immer da, wo den Autor die Freude am Erzählen packt, muss man besonders vorsichtig sein, denn er schmückt dann gerne aus, übertreibt und ergreift wenig unauffällig Partei.

 

War das nun typisch oder untypisch für mönchische und weltgeistliche Herren? Wohl weder noch, denn die überlieferten Quellen geben dazu zu wenig für Verallgemeinerungen her. Lampert zumindest schien das Ganze wohl frevelhaft, aber nicht völlig ungewöhnlich.

 

Nach Annos Machtübernahme zieht sich Kaiserin Agnes ganz ins Privatleben zurück, wie Lampert berichtet. Damit muss Wibert, der Kanzler Italiens und Befürworter Kadalohs, aus der Regierung ausscheiden. Anno regt eine Untersuchung über die Rechtmäßigkeit der beiden Päpste an, die im Mai 1064 auf einer Synode in Verona/Mantua unter seiner Leitung und unter dem militärischen Schutz Gottfrieds für Alexander II. und zuungunsten von Cadalus ausgeht, den Tuszier und Normannen militärisch vertreiben.

 

Wer immer diese Zeit als beginnendes Feudalzeitalter benennen mag, aus den Quellen wird deutlich, dass es für die Mächtigen im Kern nicht zuletzt um Geld bzw. geldwertes Edelmetall geht. Wir sind mitten in der Entstehungsgeschichte des Kapitalismus, und feudale Vorstellungen erweisen sich immer häufiger als einer hemmungslosen Geldgier übergestülpt. Solches berichten Quellen allerdings nur für diejenigen, denen sie in Gegnerschaft oder Feindseligkeit gegenüberstehen. Lampert von Hersfeld beispielsweise wirft dem gerade im Reich dominanten Erzbischof von Bremen und einem mit ihm Verbündeten Raffgier vor: Keine andere Aussicht, irgendein Lehen zu erlangen, gab es selbst für einen rührigen, vortrefflichen Mann, als es zuvor mit ungeheuren Geldopfern (ingenti profusione pecuniarum suarum) diesen beiden abzukaufen. (Annales zu 1063) Bei aller Übertreibung hier, frühmittelalterliches Machtgefüge mit seinen personalen Beziehungen wird längst durchlöchert durch solche, die über Geld vermittelt sind.

 

Die „Schätze“, um die es in den Quellen ständig geht, der „Reichtum“, der mit Adel gleichgesetzt wird, unter Ignorieren des gerade neu entstehenden bürgerlichen Kapitals, wird nicht primär in jene Vermehrungsmaschine eingesetzt, die Kapitalismus heißt, und die vorwiegend ein neues Bürgertum zu betreiben beginnt, sondern vornehmlich in gewalttätige Aktion umgesetzt, die Reichtümer vermehrt. Aber ein Jahrhundert später wird herrschaftliche Macht bereits primär darauf aus sein, angelaufenen Kapitalismus abzuschöpfen und dafür zu fördern.

 

Inzwischen hat Heinrich IV. 1065 die Regierung mit seiner Volljährigkeit angetreten und sieht die königliche Macht massiv geschwächt, sowohl durch die Reformkirche wie den Aufstieg der Fürsten. Versuche, erzbischöfliche Verschleuderung von ihnen anvertrautem Reichsgut zurückzufahren und die Fürstenmacht einzuschränken, scheinen den jungen König zu überfordern. Er stützt sich dabei mehr und mehr auf die Minsterialen, was die Aversionen des Hochadels gegen ihn verstärkt. Unter dem Einfluss Erzbischof Adalberts von Bremen schließt er die übrigen Großen von der Beteiligung an der Reichsführung aus. Gottfried dem Bärtigen gelingt es derweil, sich bis 1967 das Herzogtum Niederlothringen hinzuzufügen, mit dem ihn Heinrich kurz darauf belehnt.

 

Bei einem Hoftag Ostern 1065 wird Heinrich vorzeitig mit dem Schwert umgürtet und in die Herrschaft eingesetzt. Offensichtlich erwartete man von ihm ungeduldig eine bessere Ordnung im Reich und die Parteinahme für das Reformpapsttum. Schon Pfingsten soll sich in Augsburg das Heer sammeln, um nach Italien zu ziehen. Es ist nicht klar dokumentiert, warum der König die Romfahrt absagt.

 

Als dann eine von Papst Alexander erbetene zweite Romfahrt Anfang 1067 ebenfalls abgesagt wird, ist die Reformpartei tief enttäuscht. Rückblickend unter dem Eindruck von Canossa und was dann unmittelbar folgte, wird bei Lampert von Hersfeld (Annales) schon für 1065 deutlich, in welchem Umfang Themen der Kirchenreform in deutschen Landen zum Streitobjekt geworden sind. So schreibt er, der Nachfolger Bischof Gunthers von Bamberg habe gewollt, dass man ihm auf jede nur mögliche Weise den Zugang zum Episkopat öffne, und seine Boten haben, um es zu kaufen, eine unermessliche Summe Silber und Geld aufgewendet. Ob das nun stimmte oder nicht, war vielleicht schon damals unüberprüfbar, aber es zeigt, wie der Propagandakrieg vom Grundsätzlichen ins Persönliche überging.

 

In Italien kontrolliert Hildebrand immer mehr die päpstliche Politik, die sich vom Kaisertum zunehmend löst. Dafür verbündet sie sich mit der stadtbürgerlichen, vor allem in Mailand agierenden Pataria, die neben eigenen Interessen der Partizipation am Gemeinwesen auch den Kampf gegen Priesterehe und Käuflichkeit der Ämter führt. Der Konflikt mit den Reformkräften intensiviert sich noch wegen Heinrichs fehlenden Bereitschaft, die Mailänder Pataria gegen den sündigen Bischof zu unterstützen. Aber damit verliert Heinrich auch die Kontrolle über sein italienisches Königreich. Die intensive Verschmelzung von Religion und Macht birgt zunehmendes Unheil.

 

Andererseits ist die päpstliche Neigung, die besonders von Hildebrand unterstützt wird, die norditalienische Pataria zu unterstützen, nicht inhaltlich, sondern taktisch bestimmt. Die mit Heinrich aufs engste verbündeten lombardischen Bischöfe waren die stärksten Gegner dieser "Volks"bewegung und auch darum tendenziell Gegner eines Reformpapsttums, welches auf Zentralisierung und Zurückdrängung bischöflicher Kollegialität aus war.

 

Die Königsmacht wird durch die erneut steigende Bedeutung der Hofkapelle einerseits stabilisiert. Bis 1076 kommen die Kandidaten für alle wichtigen Bischofssitze wieder aus ihr, nicht zuletzt dabei auch aus dem königlichen Pfalzstift St.Simon und Juda in Goslar. Andererseits aber deutet sich neues an, denn es gibt immer mehr Widerstand vor Ort gegen seine Entscheidungen, wie in Worms, Speyer, Konstanz, Bamberg und Köln (Fleckenstein, s.o. S.128)

 

Auf einer Reichsversammlung in Tribur im Januar 1066 zwingen die Großen des Reiches Heinrich, Adalbert von Hamburg-Bremen zu entmachten.

So wurde er denn mit allen Helfershelfern seiner Gewaltherrschaft schmachvoll vom Königshof vertrieben (...) So kam die Verwaltung der Staatsgeschäfte (rerum publicarum administratio) wieder an die Bischöfe in der Weise, dass jeder nach der Reihe die Anordnungen treffen sollte, die für den König und für das Reich erforderlich waren. (Lampert, Annales für 1066)

 

Sofort versucht der erneut einflussreiche Anno von Köln, gegen den Willen der Trierer seinen Neffen dort als Bischof durchzusetzen, aber als dieser mit Gewalt in sein Amt zu gelangen versucht, wird er ermordet. ...die reichen Schätze, die der Bischof mitgebracht hatte, plünderte (der Trierer Vogt), den gefangengenommenen Bischof gab er in die Hände der Henker und befahl, ihn von einem hohen Felsen hinunterzustürzen und so zu töten (Lampert, Annales für 1066). Ganz beiläufig erwähnt der Chronist im nächsten Abschnitt die Schlacht von Hastings, nichts ahnend von deren Bedeutung.

 

Heinrich IV. selbst gelingt es gelegentlich nicht, offenbar ungeeignete Kandidaten als Bischöfe gegen den Willen der dortigen Geistlichkeit durchzusetzen. Überhaupt scheint er nach der Übermacht der Berater seiner frühen Jahre nun ganz auf Beratung verzichten zu wollen - mit verheerenden Folgen.

 

Noch im selben Jahr gehen nach der Entmachtung Adalberts die ostelbischen Gebiete für die deutsche Mission verloren, als es zu einem Aufstand gegen den mit dem Reich verbündeten Obodritenfürsten Gottschalk kommt. Christen werden gesteinigt, Hamburg und Schleswig enden in Schutt und Asche. Das geht so weiter bis nach 1072, ohne dass der König eingreift.

 

Wie schon einmal, 983, versuchen auch hier wieder vorzivilisatorische und anzivilisierte Völkerschaften zwischen Deutschen und Polen ihre Sitten und Bräuche, ihre Vorstellungen von einem eigenen gemeinsamen Leben für sich aufrechtzuerhalten, und da gegen sie nicht ganz mit der erbarmungslosen Wucht vorgegangen wurde, mit der der große Karl seine Franken in das Zerstörungswerk gegen die Sachsen zog, wird es sehr lange dauern, bis sie "zivilisiert" werden. Historiker, die seit damals den Standpunkt fortschreitender Zivilisierung vertreten, werden sie seitdem auf jenem "Müllhaufen der Geschichte" abladen, den Karl Marx, so ungeniert formulierte.

 

Als der junge König dann 1069 vor einer weiteren Reichsversammlung erklärt, sich von seiner Gemahlin scheiden lassen zu wollen, und zwar ohne Angabe handfester Gründe, er sei einfach nur unfähig, mit ihr zum Koitus zu kommen, was auch weltliche Kreise schockiert, schickt der Papst Damiani, um ihm das schärfstens zu verbieten. Heinrich muss nachgeben. Ihm wird ohnehin von seinen Gegnern zunehmend ein heftig lockerer Umgang mit Frauen nachgesagt, was sich heute nicht mehr überprüfen lässt, aber wohl kaum völlig aus der Luft gegriffen ist (wie Vollrath, Weinfurter und andere allerdings meinen).

 

Beim dem König nicht sehr gewogenen Lampert von Hersfeld heißt es,

er habe erklärt, er passe mit seiner Gemahlin nicht zusammen; lange habe er die Augen der Menschen getäuscht, aber nun wolle er sie nicht mehr täuschen; er könne ihr nichts vorwerfen, was ihre Verstoßung rechtfertige, aber er sei - er wisse nicht, durch welche Schickung, welche Gottesstrafe - unfähig, die eheliche Gemeinschaft mit ihr zu vollziehen.

 

Da wir nichts wissen, hilft auch kein Spekulieren. Aber klar ist, ein König muss wenigstens einen Nachfolger zeugen und es wird von ihm erwartet, dass er das auch mit einer Frau, die nicht seiner Wahl ist, zustande bekommt. Da seine Potenz aufgrund der ihm nachgesagten Frauengeschichten nicht in Frage steht, können die Fürsten seinen Antrag auf Auflösung der Ehe laut Lampert nur abscheulich finden. Königinnen waren nicht primär für das Vergnügen bestimmt. Unter so etwas leidet allerdings die königliche Majestät.

 

Derweil ist Gottfried der Bärtige dem Tode nahe und beginnt sich mit Beatrix und Mathilde nach Lothringen, in die Burg Bouillon in den Ardennen, wo er 1069 stirbt. Wohl schon früher war die Ehe Mathildes mit dem Sohn ihres Stiefvaters, mit Gottfried "dem Buckligen" eingefädelt worden. Beatrix kehrt 1070 nach Italien zurück, während Mathilde wohl nach schwerer Geburt ein totes Kind bekommt. 1071/72 flieht sie vor ihrem Mann nach Italien und vermeidet jedes Wiedersehen mit ihm, was diesen 1073 dazu bringt, sie aufzugeben und sich nach Lothringen zurückzuziehen.

 

Schon für 1057 hatte Lampert von Hersfeld geschrieben: Die sächsischen Fürsten verhandelten in häufigen Zusammenkünften über die Ungerechtigkeiten, die ihnen unter dem Kaiser zugefügt worden waren... (Annales) Es kommt zu einer rebellio. Das erst spät und gewaltsam in das Reich der Franken integrierte große Gebiet mit seinen aus altgermanischen Traditionen herrührenden Besonderheiten wird Unruheherd bleiben.

 

1070 nun wird von einem Adeligen Egino behauptet, Otto von Northeim, seit 1061 Herzog von Bayern, habe ihn mit der Ermordung des Königs beauftragt. Als der Herzog zusammen mit den anderen Großen eine gemeinsame Untersuchung verlangt, lässt sich Heinrich darauf nicht ein und verlangt einen Zweikampf, den Otto ablehnt. Laut Lampert finden die sächsischen Großen, es sei nicht recht und billig, dass ein Mann von höchstem Adel und völlig unbescholtenem Ruf (...) mit einem solchen durch und durch verrufenen Menschen kämpfen solle (Annalen). Nach verheerenden kriegerischen Auseinandersetzungen können dann doch Vermittler einen Kompromiss erzielen: Otto soll nach einjähriger Haft zumindest seine Eigengüter behalten dürfen. Vorübergehend wird Welf IV., Schwiegersohn Ottos, der nun allerdings seine Frau verstößt, in Bayern eingesetzt. Lampert erwähnt den Unmut der bayrischen "Fürsten", die dabei nicht gefragt werden.

 

In Frutolfs Weltchronik liest sich das sehr anschaulich so:

Herzog Otto verlor die Herzogsgewalt von Bayern. Er war von Herkunft ein Sachse, ein Mann von reichstem Adel. An Klugheit und kriegerischer Tüchtigkeit waren ihm nur sehr wenige zu vergleichen.; und bei allen Großen galt er als so überaus hervorragend, dass der König, den die Sachsen schon nur mehr mit Argwohn und Hass betrachteten, die Furcht hegte, er werde gegen ihn auf den Thron des Reichen erhoben werden, wenn seine Sache sich schlecht entwickle. Daher ergriff ein gewisser Egino - er war von weniger vornehmer Geburt und kaum begütert, nur wegen seiner Frechheit und Nichtswürdigkeit unrühmlich bekannt - zur Verleumdung. Er schlich sich, wobei ihm einige aus dem Gefolge des Königs Rückhalt gewährten, bei Hofe ein und erklärte, jener große Held, den er doch gar nicht kannte, habe mit ihm über die Ermordung des Königs verhandelt. Auch trug er sich selbst, wie es Brauch ist, der königlichen Gewalt als Bürgen an, bis er durch einen Zweikampf mit dem Herzog die Wahrheit seines Berichtes erwiesen habe. Was weiter? Otto verschmähte es, mit Egino - oder besser der Herzog mit dem Räuber, der Vornehmste mit dem Unedlen - vor dem Gericht oder auf einer Versammlung des Königs zu kämpfen (…)

 

Wie ein Majestätsverbrecher verlor Otto so die Herzogsgewalt von Bayern, die der aus Schwaben gebürtige Welf, ein vornehmer sowie kluger wie kriegerischer Mann, übernahm. Und der Samen aus solch schwerer Zwietracht spross und wuchs zu beklagenswerten Früchten dauernder Kämpfe (… in Schneidmüller, S.131)

 

Als er den Unterstützer Ottos, den Billunger Grafen Magnus weit länger in Haft belässt, verstärkt das nur den Groll der Sachsen, die sich ihrer Rechte beschnitten fühlen.

 

Es geht längst um Konflikte über den Ausbau territorialer Herrschaft, an denen in Sachsen neben dem König auch die Bischöfe von Osnabrück und Hamburg/Bremen gegen Billunger und andere beteiligt sind. Was übrig bleibt, sind nach Lampert viel verbrannte Erde, ermordete Zivilisten und geschändete Frauen, ist Schutt und Asche. Konflikte mit Schwaben und Kärnten folgen, die laut Lampert von Hersfeld zunächst einmal beigelegt werden können.

 

Inzwischen werden von geistlichen und weltlichen Großen durch Reformierung Reichsklöster der königlichen Verfügung entzogen. Schließlich tritt der Mailänder Erzbischof resigniert zurück und schickt dem König seine Insignien (Ring und Stab), der einen Gottfried damit investiert, was auf den Widerstand der Pataria trifft. Papst Alexander II. exkommuniziert den königlichen Kandidaten. 1072 setzt der Patariaführer Erlembald mit päpstlicher Unterstützung den Gegenbischof Atto durch, wogegen wiederum seine bisherige patarische Basis opponiert. Als der König dann auch noch die Weihe Gottfrieds durchsetzt, bannt Alexander II. fünf Ratgeber des Königs als Simonisten. Erst Canossa wird sie wieder in den Schoß der Kirche zurückführen.

 

Fazit der Annalen von Niederaltaich für 1072:

Seit langem schon hatte der König begonnen, alle Mächtigen zu verachten, dagegen die Geringeren durch Reichtümer und Hilfen emporzuheben, und nach dem Rat der Letzeren verwaltete er, was zu verwalten war. Von den Vornehmen aber ließ er selten einen zu seinen geheimen Angelegenheiten zu. Und weil vieles gegen die Ordnung geschah, entzogen sich die Bischöfe, die Herzöge und andere Große des Reiches den Angelegenheiten des Königs. (in: Althoff(2), S.153)

 

Der Sachsenkrieg, Etappe im Aufbau von Staatlichkeit

 

1073-75 wenden sich erst sächsische Große, dann große Teile der Bevölkerung in einem machtvollen Aufstand gegen Heinrichs Praxis, Sachsen vor allem auch durch Burgenbau stärker unter seine Kontrolle zu bekommen. Was zunächst nach Festungsbau gegen die Slawen aussieht, entpuppt sich bald für die Sachsen als Versuch, ein königliches Territorium in Konkurrenz zur Entwicklung solcher durch die (anderen) Fürsten zu entwickeln. Wie auch anderswo beginnt Heinrich hier, „die Nutzung von Wald, Wasser und Weide einzuschränken und mit >Gebühren< zu belegen.“ (KellerBegrenzung, S. 172) Das passt zum allgemeinen Schwinden von Naturlandschaft, welches einhergeht mit dem Schwund allgemeiner Nutzung von „Natur“. Zivilisierung bedeutet schließlich auch Verteilung des Landes an Eigentümer, was damals auch Annektion und Gewalt bedeuten kann.

 

Bischof Benno von Osnabrück ist für Heinrich IV. nicht nur der Bauleiter für den Speyrer Dom und für mehrere Kirchen in Goslar, sondern auch der für eine ganze Burgenlandschaft im Gebiet des Harzes. Diese neuartigen Höhenburgen mit ihren Tortürmen und "gewaltigen zentralen Rundtürmen" (Weinfurter, S. 56) und ihren Besatzungen mit schwäbischen (königstreuen und/aber landfremden) Ministerialen wirkten auf die Menschen dort wie despotische Zwingburgen.

 

Lampert schreibt für 1073: Denn diesen Stamm liebte der König ganz besonders, und viele von ihnen, Leute von niederer Herkunft und fast ohne Ahnen, hatte er in die höchsten Ämter befördert und zu den Ersten am Hofe gemacht. Die Sachsen wollte er vollständig ausrotten und Schwaben in ihrem Land ansiedeln.

 

Die Sachsen, die ohnehin einem nichtsächsischen König misstrauen, fürchten Überfremdung und Verlust ihrer hergebrachten Rechte (die von den Vätern ererbte Freiheit, lateinisch libertas). Die Übertreibungen von Lampert könnten durchaus die Stimmung unter den Leuten dort wiedergeben. Tatsächlich werden aber erst einmal von den Sachsen die königstreuen Bischöfe von Bremen, Osnabrück und Zeitz vertrieben, während der König Güter von Rebellen einzieht (Lampert).

 

Beim Sachsen Lampert taucht in den Annalen öfter ein auch von barbaras nationes geachtetes ius gentium auf. Die Nationen sind hier barbarische (nicht christlich zivilisierte Völker), die gentes hingegen sind die zivilisierten Stämme insbesondere im Reich, zu denen auch die Sachsen gehören. Das Reich ist die res publica, auch das regnum Teutonici, aber seine Basis sind die Stämme, wiewohl dieser Stammesbezug dabei ist, sich in Bezug auf die herrschaftlichen Ordnungen aufzulösen, was Lampert wohl nicht sieht. Zugleich sind es ausgerechnet die Sachsen für ihn, die am wenigstens ein geschlossenes Herrschaftsgebiet besaßen seit der Eroberung durch die Franken, welche dieses Stammesrecht als ethnisches, also tradiertes, hochhalten. Recht ist also für ihn weiterhin ein solches ethnisches, während sich gleichzeitig insbesondere in den Städten eine Tendenz aufmacht, völlig neue Rechtsvorstellungen zu entwickeln, so wie auch die lehnsrechtlichen Vorstellungen seit diesem 11. Jahrhundert ethnisches Volksrecht zu durchlöchern beginnen.

 

In Brunos 'Sachsenkrieg' ist es Bischof Adalbert von Bremen, der den Rat gibt, hohe und von Natur befestigte Berge in einsamen Gegenden zu suchen und Burgen auf ihnen zu bauen, wie sie dem Reich zu großem Schutz und Schmuck zugleich gereichen würden, wenn sie nur an geeigneten Orten stünden. (...) Er befestigte sie nach außen hin durch eine starke Mauer, Türme und Tore, schmückte sie im Innern mit wahrhaft königlichen Gebäuden, errichtete ein Stift in ihr und trug darin so reiche Geräte zusammen und versammelte hier eine so ansehnliche und zahlreiche Geistlichkeit von überall her, dass es dank seiner gesamten Ausstattung einigen Bischofssitzen durchaus gleichkam, andere aber sogar übertraf. (in: QuellenHeinrich, S.213)

 

Wie der Alltag mit diesen Burgen aussah, beschreibt Lampert für 1073:

Da diese nicht ausreichend Lebensmittel hatten, erlaubte ihnen der König, sich aus den benachbarten Dörfern und Feldern wie in Feindesland Beute zu holen. Die Bewohner der Gegend wurden gezwungen, die Burgen selbst aufzubauen, das Baumaterial herbeizuschaffen und persönlich wie Knechte im Schweiße ihres Angesichts Dienste zu leisten (...) Die Burgbesatzungen machten täglich Ausfälle, raubten alles, was sie in den Dörfern und auf den Feldern vorfanden, trieben unerträglich hohe Abgaben und Steuern von Wäldern und Feldern ein und beschlagnahmten häufig, angeblich als Zehnt, ganze Viehherden. (Annales)

 

Den servus kann man als Knecht oder Sklaven übersetzen, gemeint ist jemand, dem die hergebrachte Freiheit genommen wurde. Lampert setzt noch eins drauf, um die Empörung zu steigern:

Ihre Töchter und Frauen vergewaltigten sie (violabant) mit Wissen und fast vor den Augen der Männer. Manche schleppten sie auch gewaltsam in ihre Burgen, missbrauchten sie, wenn die Lust sie ankam, schändlich und schickten sie schließlich mit Schimpf und Schande ihren Männern zurück.

Von alledem her ist es verständlich, dass nicht nur Adel, sondern auch Bauern und städtische Gewerbetreibende sich zunehmend gegen den König wandten.

 

Vielleicht ist der sächsische Unmut auch darauf zurückzuführen, dass Heinrich mit dem traditionellen Gegner der Sachsen, dem dänischen König, Geheimverhandlungen führte (Brunos Sachsenkrieg, cap.20). Die süddeutschen Fürsten nehmen Kontakt zu den sächsischen Rebellen auf, die ihre „alte Freiheit“ durch Finanzierung und Arbeitsleistungen für die Burgen und manches andere bedroht sehen.

 

Vermutlich war inzwischen bei Heinrich aus der Erfahrung des bisherigen Verlustes herrscherlicher Macht der Wille zu mehr Zentralgewalt entstanden, was man vielleicht im Nachhinein als Weg zu mehr Staatlichkeit interpretieren kann. Der Ausbau des Reichs- bzw. Königsgutes rund um den Harz sollte dem Herrscher eine verlässliche territoriale Basis dafür liefern. Und Ministeriale sollten als unfreie Dienstleute für Verwaltung, Rechtsprechung, Münze und Wirtschaftsförderung wie beim Goslarer Bergbau und überhaupt dem in großen Teilen des Harzes jenen Adel ersetzen, der wesentlich wankelmütiger war und stärker auf Eigeninteressen bedacht. Ein Staat braucht willfährige, von der Macht abhängige Beamte.

 

In Brunos 'Sachsenkrieg' taucht das im Kapitel 56 als tyrannidem exercerent auf, eine Übertreibung, aber doch nicht ganz an den Haaren herbeigezogen: Erst Gehorsam baut einen Staat. Bei Lampert von Hersfeld (1076) wird zwischen dem König und den Tyrannen folgendermaßen unterschieden: Der König regiert nach Gesetz und Brauch der Vorfahren seine Untertanen, der Tyrann hingegen erlangt Macht mit Gewalt und Gehorsam von Widerwilligen.

 

Man sieht, der aus einer nur unklar rezipierten Antike gewonnene Tyrannenbegriff ist noch nicht hilfreich für die Definition von Staatlichkeit (res publica), und wird denn auch vorläufig nur die Oberfläche von Polemiken garnieren können. Aber eines ist für Heinrichs Gegner klar: Tyrannis produziert Knechtschaft (servitus), und darauf läuft seine Herrschaft hinaus. Jedenfalls brüskiert Heinrich die sächsischen Großen seit dem Konflikt um Otto von Northeim immer wieder, wie 1073, als er laut Bruno (Sachsenkrieg 23) zu einer mit ihnen vereinbarten Beratung einfach nicht erscheint, was deren kriegerische Maßnahmen auslöst:

Denn er hatte die Türen seiner Kammer verschlossen und trieb innen mit seinen Schranzen (cum suis parasitis) Würfelspiel und andere unnütze Dinge unbekümmert darum, dass er so viele bedeutende Männer vor seiner Tür warten ließ, als seien sie die niedrigsten Knechte (mancipia). (in: QuellenHeinrich, S.221)

 

Jedoch, Herrscher stehen inzwischen vor der Alternative Konzentration von Macht in ihrer Hand oder Machtverlust. Im ersten Kapitel der mit Heinrich sympathisierenden 'Vita Heinrici IV. imperatoris' heißt es denn auch: Wer sich widerspenstig gegen ihn und seine Macht erhob, den schlug er dermaßen zu Boden, dass an dessen Nachkommen noch heute die Spuren der königlichen Strafe sichtbar sind. Dadurch sorgte er in gleicher Weise für seine eigene Macht wie für das künftige Wohl des Reiches, denn die Menschen sollten lernen, den Frieden nicht zu stören und das Reich nicht mit Waffengewalt zu verheeren.

 

In der Praxis hieß das, unter Umgehung der großen Fürsten mit den mittleren Rängen des Adels und mit Ministerialen zusammenzuarbeiten. In derselben Zeit entwickelt interessanterweise Gregor VII. seine Vorstellungen einer gegenüber dem Papst zu bedingungslosem Gehorsam verpflichteten Kirche, welche weltlicherseits erst im Bolschewismus verwirklicht werden, wo derselbe absolute Wahrheitsanspruch nun in säkularisierter Form auftritt. Im Ungehorsam gegenüber dem Papst wird Gott verachtet, so wie im Ungehorsam gegen die roten Diktatoren jener Gott, der sich in Geschichte aufgelöst hatte und deren alleinseligmachendes Ende.

 

Nicht nur haben wir es hier mit ersten Anfängen von Staatlichkeit zu tun, sondern mit der darauf sofort reagierenden Freiheitspropaganda, wie sie Bruno im Buch vom Sachsenkrieg für Hortensleben dem Rebellen Otto von Northeim in den Mund legt, der selbst ein Territorialherr unter einem eher schwachen König werden wollte:

Starke Burgen hat er, wie ihr wisst, in großer Zahl an von Natur aus festen Plätzen errichtet und ziemlich starke Kräfte seiner Getreuen, mit aller Art Waffen versehen, in diese gelegt. Was diese Burgen bedeuten, haben die meisten bereits erfahren, Wenn es nicht Gottes Barmherzigkeit und eure Macht verhindern, werden es bald alle wissen. Denn nicht gegen die Heiden, die unser ganzes Grenzgebiet verwüstet haben, sind sie errichtet worden, sondern mitten in unserem Land, wo ihn niemals jemand zu bekriegen beabsichtigte, wurden sie mit solchem Bollwerk befestigt. Euch, die ihr in der Nähe wohnt, nahmen sie mit Gewalt eure Habe und verschleppten sie in die Burgen. Eure Frauen und Töchter missbrauchten sie nach Belieben zu ihrer Lust. Eure Knechte und euer Zugvieh fordern sie nach Willkür in ihren Dienst. Sogar euch selbst zwingen sie, jede Last – und sei sie noch so schimpflich - auf euren Schultern zu tragen. Aber wenn ich mir in Gedanken vorstelle, was unser noch harrt, erscheint mir alles, was ihr jetzt erduldet, noch erträglich. Wenn er nämlich seine Burgen in unserem ganzen Land erst einmal nach Gutdünken erbaut und sie mit bewaffneten Kriegern und allem übrigen Bedarf ausgerüstet haben wird, dann wird er eure Habe nicht mehr vereinzelt plündern, sondern alles, was ihr besitzt, wird er euch mit einem Schlag entreißen, wird euer Gut an Fremde geben und euch selbst, freie und adelige Männer, unbekannten Menschen als Knechte dienen heißen. (…) Aber ihr, die ihr frei geboren seid, ihr wollt geduldig die Knechtschaft tragen. (Kap. 25 in: QuellenHeinrich, S.223f)

 

Auf derselben Versammlung äußern sich andere Große entsprechend. Es handelt sich hier zuallererst um die Freiheit jenes Adels, der von der Unfreiheit produktiv Arbeitender lebte, und zudem um eine ganz althergebrachte, die Freiheit, Ethnos und tradierte Sittlichkeit miteinander verband. Aber immerhin hat hier Freiheit noch einen durchaus positiven Klang, während sie heute jenseits der Freiheit der Konsumwahl weithin auf Unverständnis oder gar Ablehnung stößt.

 

Wenn Lampert (Annales für 1073) schreibt, der König wolle alle Sachsen und Thüringer zu Knechten/Sklaven machen (in servitutem redigere) und ihre Güter konfiszieren, ist das sicher überzogen. Aber etwas davon muss im Bewusstsein der Menschen gewesen sein, und zwar vom Bauern bis zum Adeligen und zum Mönch. Leider wissen wir so gut wie nichts davon, wie sich die große und sich nicht schriftlich äußernde Mehrheit der Menschen zu dieser Auseinandersetzung verhielt. Aber für diese produktive Mehrheit waren alltäglich Kaiser und Könige weit entfernt, und nah waren ihre Grundherren auf der untersten Ebene und bestenfalls noch die Herrschaften direkt darüber.

 

Ein paar Mal treten sie aber doch im Sachsenkrieg bei Lampert auf. Einmal nach dem ersten Frieden: Plebs universa tumultuabatur contra principes, quod se frustra in tantas bellorum procelllas impulissent. (Annales 1074). Die Menschen wohl unterhalb des Adels sind einhellig empört, dass ihre Führer sie in einen Krieg getrieben haben, der ihnen so wenig gebracht hat. Das zweite Mal ist anlässlich der Schlacht an der Unstrut 1075 die Rede von den gemeinen Leuten und Bauern, die für die Bedürfnisse des Heeres im Lager Knechtsdienste (servilem operam) leisteten... Nach der sächsischen Niederlage gibt es Versammlungen, auf denen plebs contra principes heftig auftreten, weil sie zum Krieg verführt worden seien, während die Großen wiederum der Plebs ein faules Lagerleben vorwerfen. Dieselbe plebs will dann laut Lampert nicht mehr weiterkämpfen.

 

Interessant auch, das oben einmal auftaucht, was sonst meist verschwiegen wird, wenn auch zu verdächtig propagandistischen Zwecken nur bezüglich des Feindes: Der sexuelle Missbrauch von unterworfenen ebenso wie unfreien Mädchen und Frauen, der für die waffentragenden Mächtigen nicht zuletzt in Kriegszeiten, aber auch sonst eher häufig gewesen sein dürfte, wie heute auch, und allenthalben gerne (wie heute auch) verschwiegen wird.

 

Wichtiger an dem ganzen Konflikt aber ist wohl, dass sich hier ähnlich wie in der Kirche der Grundkonflikt in der Entstehung von Staatlichkeit äußert: Der zwischen Kollegialität/Genossenschaftlichkeit einerseits und Gehorsam bzw. bedingungsloser Unterwerfung andererseits. Den Päpsten gelingt es dabei, die Kollegialität der Bischöfe nach und nach durch Zentralismus zu zerschlagen, während die Könige in den deutschen Landen massiv Macht an jene Fürsten abgeben müssen, die sich in die Macht im Reiche teilen und dieses kollegial verwalten wollen.

 

Da die wiederum vom Adel unter sich jenen Gehorsam verlangen werden, den sie nach oben nicht zu geben bereit sind, wird kein deutscher Staat entstehen, so wie sich zum Beispiel ein französischer entwickeln wird. Stattdessen wird sich in den Fürstentümern Staatlichkeit entwickeln, bis einer von ihnen, Preußen, sich einverleibt, was noch zu haben ist, und das dann Deutschland nennt.

 

Die sächsischen Forderungen konzentrierten sich laut Lampert (Annales zu 1073) darauf, die neuen Burgen wieder einzureißen,

er solle Sachsen, wo er schon seit seiner Kindheit residiere und in Müßiggang und Faulheit schon nahezu völlig erschlafft sei, zeitweise verlassen und auch einmal andere Teile seines Reiches aufsuchen; er solle das Gesindel, durch dessen Ratschläge er sich und das Land zugrunde gerichtet habe, vom Hofe verjagen und die Verwaltung der Reichsgeschäfte den Fürsten überlassen, denen sie zustehe; er solle auch den Schwarm Konkubinen verabschieden, denen er gegen die kanonischen Bestimmungen beiwohne, ohne vor Scham zu erröten, schließlich solle die Unterordnung unter den König auf der Basis ihrer Freiheit (ingenuos homines in libero imperio natos) geschehen.

Damit stehen sich zwei letztlich diametral entgegengesetzte Reichsverständnisse gegenüber. Bei Bruno heißt es als Forderungen Ottos:

Er müsse seine Burgen zerstören und dürfe sie nie wieder herstellen; er dürfe ihr Land nicht mehr plündern und müsse in Sachsen alle Anordnungen nach dem Rat der Sachsen treffen; er dürfe keinen Mann aus fremdem Stamm (extraneae gentis hominem) als Berater bei ihren Angelegenheiten hinzuziehen und sich niemals an einem von ihnen wegen seiner Vertreibung rächen. (cap.31 in: QuellenHeinrich, S.233f)

 

Offene und meist von der Zahl der Beteiligten her überschaubare Schlachten sind seltener als allgemeiner Verwüstungskrieg. Sie lassen sich aus den Quellen als Metzeleien, Schlächtereien im Nahkampf sehen. Wenn es aus dem Sachsenkrieg Heinrichs IV. für 1073 heißt, ... und sie hieben so lange auf die auseinanderstiebenden und fliehenden Gegner ein, bis nicht vernünftige Überlegung, sondern das Grauen (horror) und der Überdruss am Blutvergießen (sacietas) dem Töten ein Ende machte (Lampert, Annales), dann ist das keine geordnetere Schlacht des späteren Mittelalters, sondern jenes Phänomen, welches als Blutrausch bekannt, beim Ausagieren von Aggressionen überhand nehmen kann.

 

Als die Lage für Heinrich bedrohlich wird, bittet er den Papst um Unterstützung und der schlägt sich auf die königliche Seite. Wegen seiner Ausmaße sprechen Zeitgenossen zum ersten Mal von einem Bürgerkrieg in deutschen Landen.

 

Im Sommer 1073 muss der König bei Nacht zusammen mit Bischof Benno von Osnabrück aus seiner Burg fliehen. Benno kann sich auf seine Feste Iburg zurückziehen und sein Bistum behaupten. Laut Lampert will man dem König nicht in exteras gentes regem persequi, in die Länder anderer Völker nachstellen. Stattdessen versuchen die Sachsen, seine Burgen zu erobern.

 

Die gens lässt sich genauso als Volk wie als Stamm übersetzen, da das beides offensichtlich nicht unterschieden wird. Und den Sachsen geht es ganz offensichtlich um ihre spezifischen Freiheiten. Dass sie Verbündete finden, belegt, dass die seit Heinrich III. begonnene Linie in Richtung auf eine Verstaatlichung des Reiches bei den Fürsten im Reich allgemein wenig Zustimmung findet, die die unerbittliche Härte des Königs (Lampert) beklagen.

 

Die Vorwürfe richten sich dann immer stärker gegen seine Lebensführung, denn er habe gegen seine vertrautesten Freunde, gegen seine Gemahlin, gegen seine eigene Schwester, die Äbtissin von Quedlinburg, und gegen andere, ihm durch Verwandtschaft aufs engste verbundene Personen derartige Schandtaten begangen, dass in einem Verfahren nach dem Kirchenrecht ein Urteil auf Ehescheidung, den Entzug des Rittergürtels und den völligen Ausschluss vom weltlichen Leben und erst recht von der Regierung ergehen müsste. (Lampert, Annalen für 473)

 

Ungeachtet des Wahrheitsgehaltes der Vorwürfe im einzelnen fällt auf, dass solche Anschuldigungen persönlicher Art gegen einen König eher selten und das letzte Register sind, welches seine Gegner ziehen konnten. Er verliert mit ihnen seine Ehre, modern gesprochen den Respekt seiner ihm Untergebenen.

 

1073/1074 muss Heinrich zweimal in Gerstungen in Verhandlungen unter Vermittlung der Erzbischöfe von Mainz und Köln und der Herzöge von Lothringen, Schwaben und Kärnten seine Burgenpolitik aufgeben. Laut Lampert verspricht er, die Burgen selbst aufzugeben, soweit sie nicht schon von den Aufständischen eingenommen sind. Im Carmen de bello Saxonico heißt es, er müsse den Sachsen das Recht der Väter zurückgeben. His ut ius patrium reddat. (Teil 2,40) Damit ist ein König auf Druck der Fürsten massiv ins Unrecht gesetzt, was mit seinem königlichen Selbstbild nicht vereinbar sein wird.

 

Eine Art Kleinkrieg geht weiter, und in den Annalen des Lampert für das Jahr 1074 heißt es:

Inzwischen streife das Heer des Königs - mehr nach Beute als nach Kampf begierig, weit und breit durch die Dörfer in der Umgebung von Hersfeld, plünderte sie aus wie in Feindesland und ließ den unschuldigen Einwohnern unter dem Vorwand der Beschaffung der für den Felddienst nötigen Lebensmittel nichts übrig als das elende Leben. Immerhin, möchte man sagen...

 

Entweder folgt der König dem nicht konsequent, oder aber es ging mit sächsischen Bauern nach der vereinbarten Teil-Zerstörung der Harzburg die Begeisterung durch, denn

sie zerstörten die Mauern zur Gänze, brannten die dortige Holzkirche nieder, plündern die Kleinodien und zerstrümmern die Altäre. Damit dem König kein Grund zur Wiederherstellung der Burg bleibe, graben sie schließlich die Gebeine seines Sohnes und seines Bruders aus, die er dort beerdigt hatte (...) Die Reliquien der Heiligen, die nach der Zertrümmerung der Altäre herausgerissen worden waren, und die ausgegrabenen Körper entriss der Abt des benachbarten Klosters (...) dem rasenden Haufen und brachte sie mit allen Ehren in sein Kloster. (Lampert, Annales für 1074, ähnlich Bruno cap.33)

 

Der Verdacht liegt nahe, dass beim einfachen Volk die Erinnerung an die Verbindung von Eroberung und Christianisierung noch einmal durchschlägt und es sich dabei eben auch um ein Zeichen sehr oberflächlicher Christianisierung handelt.

 

Das nun wiederum geht einigen Großen im Reich zu weit, sei es aus religiösen Gründen oder aus Furcht vor eigenmächtigem Handeln aus den Reihen der Landbevölkerung.

Und der König und Kaiser versammelte also die Fürsten jener Lande, warf sich bald vor dem Einzelnen, bald vor der ganzen Versammlung demütig zu Boden und erhob Klage (...) mit diesem Unrecht sei der Verachtung seiner selbst auch noch die der himmlischen Heerscharen. und was schwerer als dieses wiege, die der göttlichen Majestät hinzugefügt worden (...). Das Entsetzlichste aber sei, dass sie die Reliquien der Heiligen mit entweihender Hand von den geweihten Altären gerissen und wie Unrat auf unheiligen Stätten zerstreut hätten. Das alles brachte er unter Tränen vor, dann küsste er jedem die Füße und bat, sie möchten wenigstens die Gott und seinen Heiligen angetane Schmach nicht ungestraft lassen (... Bruno, Sachsenkrieg, cap.35)

 

Soviel hier einmal zu herrscherlichen Posen und Ritualen. Heinrich nutzt die Gelegenheit und lehnt alle Verhandlungen mit den sächsischen Großen ab. Die übrigen Fürsten schwenken zu Heinrich hinüber oder zurück und der kann jetzt wieder militärisch durchgreifen. Erneut bricht Krieg aus,

 

Es kommt zur großen Schlacht an der Unstrut, wo vor allem bäuerlich-sächsisches Fußvolk brutal niedergemetzelt wird. Wichtigste Entlohnung bis ins hohe Mittelalter hinein bleibt die Beute. Nach dem königlichen Sieg an der Unstrut 1075 gegen die Sachsen

... machten sich die Krieger ans Plündern, und sie fanden im Lager der Feinde eine solche Fülle an Lebensmitteln, eine solche Menge Gold und Silber und kostbare Gewänder, dass man glauben konnte, sie seine nicht ausgerückt, um mit dem königlichen Heer zu kämpfen, sondern um ihm ein Gastmahl zu geben und die Pracht ihrer Schätze prahlend vor Augen zu führen. (Lampert, Annales zu 1075)

 

Das ist natürlich sächsische Propaganda, und Lampert war nicht dabei gewesen. Aber solche Schilderungen des Plünderns des Feindes tauchen als abschätzige Abwertung des Gegners immer nur bei diesem auf, dafür aber als normaler Vorgang.

 

Darauf bricht der König aber alles herkömmliche Recht, als er die gesamte sächsische Führung deportiert, eos per Galliam, Sueviam et Baioariam, per Italiam et Burgundiam deportari fecit, er ließ sie also nach verschiedenen Orten in Gallien, Schwaben, Bayern, Italien und Burgund bringen, wie Lampert von Hersfeld voller Groll berichtet, so dass er seine Politik der Kontrolle Sachsens durch königliche Zwingburgen wieder aufnehmen kann. Damit setzt sich immer mehr eine Vorstellung vom Tyrannen Heinrich durch, die später Gregor VII. nur noch aufzugreifen braucht. Laut Lampert von Hersfeld werden nicht nur die bisherigen Burgen wieder aufgebaut, sondern neue angelegt, wieder mit einheimischer Arbeit.

 

Nun wollen die süddeutschen Herzöge nicht mehr weiter mit ihrem König in den Krieg ziehen. Andere Herzöge, nämlich Rudolf von Schwaben, Welf von Bayern und Berthold von Kärnten hatten dem König die erbetene Hilfe abgeschlagen, weil, wie sie sagten, das viele im vorigen Feldzug unnütz vergossene Blut sie reue und weil sie den harten, unversöhnlichen Sinn des Königs ablehnten, dessen Zornesglut weder die Tränen der Sachsen noch die Blutströme über Thüringen hätten löschen können. (Lampert von Hersfeld, …)

 

Inzwischen hat Heinrich einen zweijährigen Sohn Konrad mit jener Berta, mit der er einst den Koitus nicht absolvieren konnte. Er wird nun zum Nachfolger bestimmt, allerdings bei Anwesenheit nur weniger Großer.

 

Der sogenannte Investiturstreit

 

Derweil haben aber erst Alexander II. und dann Gregor VII. den Kampf insbesondere gegen simonistische Bischöfe in Italien, Frankreich und zunehmend in Deutschland aufgenommen, worauf sich insbesondere unter den lombardischen und deutschen Bischöfen heftiger Widerstand regt, und zwar gegen jenen autoritären Zentralismus, mit dem der Papst sie über seine Legaten behandelt, als ob sie seine Angestellten seien.

Was immer dieser gefährliche Mensch will, das verlangt er von den Bischöfen, als wären sie seine Hausknechte, erklärt Erzbischof Liemar von Bremen.

Besonders empörend für diese Kirchenfürsten ist, dass solche Legaten oft nicht ebenbürtig und von niederem Rang sind. Zudem unterstützt Gregor, dass Laien und niedere Geistlichkeit Bischöfe wegen wirklicher oder vorgegebener Vergehen auf direktem Weg beim Papst denunziert werden. Viele dieser von Gregor bedrohten Bischöfe sind selbst Vertreter der Kirchenreform, treten gegen Simonie und Priesterehe auf und für reformierte Kloster, wollen aber das herkömmliche bischöfliche Kollegiatsprinzip nicht aufgeben, dem Papst zwar eine herausragende Rolle, aber keine absolutistische Monarchie zugestehen.

 

Die Vorstellungen Heinrichs vertreten in Italien vor allem Cadaloh, weiter Bischof von Parma, Bischof Dionysius von Piacenza und Wibert, den Heinrich ins Erzbistum Ravenna einsetzt, was Papst Alexander unter der Bedingung duldet, dass Wibert "ein feierliches Gehorsamsgelöbnis gegenüber dem Papst" (W.Goez, S.143) ablegt, eine ungewöhnliche Neuerung. 

 

Nach der Niederschrift des 'Dictatus Papae' tritt für Gregor dann immer mehr die Forderung nach bedingungslosem Gehorsam des Klerus und nach Überordnung des Papstes über die Könige in allen die Kirche betreffenden Fragen in den Mittelpunkt. Wichtig ist, dass es dabei nicht um persönliche Frömmigkeit, sondern um hierarchische Einordnung in alttestamentarischem Sinne vor allem geht.

 

Seit 1071 schwelt der Konflikt über die Besetzung des Mailänder Bischofsstuhls und das Verhältnis zur Pataria. Weil Heinrich sich über die Positionen Papst Alexanders hinwegsetzt, werden fünf königliche Berater von ihm gebannt. Gregor VII. versucht dann zunächst, ins Einvernehmen mit Heinrich zu kommen, der sich zeitweilig entgegenkommend zeigt. Als Heinrich dann, in deutschen Landen wieder etwas gestärkt, 1075 Tedald als Nachfolger für das Mailänder Bischofsamt bestimmt, ohne sich mit Gregor abzustimmen, der einem anderen den Vorzug gegeben hatte, schlägt dieser zurück. Fünf von Heinrichs Beratern werden im Frühjahr erneut gebannt.

Im Laufe des Jahres steigert sich der Konflikt. Der König habe sich nicht von seinen gebannten Beratern getrennt, und damit seiner Gehorsamspflicht gegenüber dem Papst nicht genügt. Im Schreiben vom Dezember 1075 heißt es als Begrüßung, Gregorius episcopus, servus servorum Dei Henrico regi salutem et apostolicam benedictionem, si tamen apostolice sedi, ut christianum decet regi, oboedierit. (Bischof Gregor, Knecht der Knechte Gottes, sendet König Heinrich Gruß und apostolischen Segen, vorausgesetzt, dieser gehorcht dem Papst, wie es einem christlichen König geziemt. In Laudage/Schrör, S. 104). Und schließlich: Deshalb musst du dich vorsehen, dass in deinen Worten und Botschaften an uns kein willentlicher Ungehorsam sich findet und du (...) nicht uns, sondern dem allmächtigen Gott damit die schuldige Ehrerbietung verweigerst.

 

Nicht ganz klar ist, inwieweit der Papst dabei ignoriert, dass der König mit den Großen an seinem Hofe, die seine Berater sind, nicht umspringen kann wie Päpste seit dem siebten Gregor mit ihren Bischöfen; sind es doch hohe Adelige, die ein Mitspracherecht einfordern können und die sich nicht absetzen lassen wie Beamte. (KellerBegrenzung, S. 159)

Noch ist das kein völliges Investiturverbot, sondern eine verbale Abstrafung königlichen Ungehorsams, welches sich darin äußert, dass er über seine Ratgeber alleine bestimmt und den Papst da nicht hineinregieren lässt. Mindestens aber so bedrohlich ist es, dass nun durch den Papst Gott direkt zu den Menschen spricht – und damit kein Diskurs mehr möglich ist.

 

Heinrich bricht darauf erneut alle Konventionen, als er diese päpstlichen Drohungen (er würde gebannt werden, wenn er nicht in Rom erschiene) öffentlich macht, bevor er dem Papst antwortet. Althoff beschreibt (in Schneidmüller/Weinfurter, S.39) sein Verhalten als eines der Konflikt-Eskalierung, der Zuspitzung hin zur Klärung auf Biegen und Brechen. Damit werden Weichen gestellt, die in die nächsten Jahrhunderte hineinwirken werden.

 

1076 versammeln sich binnen kurzer Frist wohl teilweise unter massivem königlichem Druck (Lampert) die deutschen Bischöfe in Worms und kündigen Hildebrand/Gregor den Gehorsam auf, was sie mit seiner ungültigen Wahl, seiner Machtanmaßung und seinem Sähen von Zwietracht sowie unter anderem auch mit Vorwürfen gegen seinen Lebenswandel begründen. Die Römer werden zum Aufstand aufgerufen. Offenbar hat Gottfried der Bucklige das Schreiben mitunterzeichnet, kurz bevor er dann ermordet wird.

 

Heinrich lässt einen eigenen Brief verfassen, in dem er Hildebrand (!) zudem vorwirft, ihm seine Patricius-Würde genommen zu haben. Damit nämlich ist bislang die Papstwahl an die königliche Zustimmung gebunden. Er befiehlt "dem falschen Mönch" dann auch, steige herab von deinem Thron. In einer zweiten Version an die deutsche Öffentlichkeit verstärkt er das Ganze noch rhetorisch. Der Propagandakrieg ist damit in vollem Gange. 

 

Um 1080 wird der Mönch und spätere Abt Lampert (von Hersfeld) zwei Bischöfe beschreiben, deren Bild nicht unbedingt repräsentativ ist, aber doch immerhin zeigt, worauf es nicht nur für ihn bei einem der meist adeligen geistlichen Herrn ankommt: Sie sollten denselben Ansprüchen genügen wie weltliche Mächtige. Da heißt es in den Annales für 1065:

Er verschied (…) in blühendem und zum Genuss irdischer Freuden besonders tauglichen Alter, ein Mann, der sich außer (…) auch durch körperliche Vorzüge auszeichnete. Er stammte aus einer der vornehmsten Familien des Hofes und hatte außer seinem Bistum außerordentlich reiche Besitzungen (possessionibus affluentissimus), er war gewandt in Rede und Tat, bewandert in göttlichen und weltlichen Schriften, an Wuchs, Schönheit der Gestalt und Makellosigkeit des ganzen Körpers (statura et formae elegantia at tocius corporis integritate) übertraf er alle Sterblichen in hohem Maße (…). Offenbar extra erwähnenswert war auch, dass er sich auch gegen Menschen niedersten Standes leutselig und umgänglich zeigte (…)

Zwei Abschnitte weiter wird das Negativbild eines Wormser Bischofs, der vorher (nur?) Mönch war, gezeichnet:

er war auf einem Bein völlig lahm und in jeder Beziehung sehenswert: er war nämlich ungeheuer stark (dick? groß?), überaus gefräßig und so dick, dass sein Anblick eher Entsetzen als Bewunderung hervorrief, und kein hundertarmiger Gigant, kein anderes Scheusal des Altertums, wenn es aus der Unterwelt aufgetaucht wäre, hätte die Augen und die Blicke des staunenden Volkes (populi) so stark auf sich gezogen.

 

Ist es sächsisch-germanisches Erbe, welches körperliche Vorzüge bei geistlichen Herren so in den Vordergrund schiebt? Oder ist die Häme beim zweiten darauf zurückzuführen, dass er politischer Gegner war?

Lampert ergreift deutlich Partei gegen Kaiser Heinrich IV., einen salischen Franken, der lange Krieg gegen Sachsen führt. Interessant ist auch, ein solches Bischofsbild, es gab natürlich auch anders akzentuierte, einmal in den Reihen derer zu sehen, die mit Heinrich gegen Papst Gregor antraten, um dann wenig später überwiegend sich der weltlichen Fürstenopposition anzuschließen.

 

Ganz andere Kriterien legt Heinrich an, als er 1068 Benno zum Bischof von Osnabrück macht. Er stammt einer nichtadeligen, aber zu einem gewisssen Wohlstand gekommenen schwäbischen Familie, wird in Straßburg zum Kleriker ausgebildet und erweitert seine Ausbildung dann an der Klosterschule auf der Reichenau. Dann wird er Magister in Speyer, gerät in das Umfeld des Königs und wird dann Lehrer am Goslarer Stift St. Simon und Juda. Danach holt ihn Bischof Hezilo als Lehrer nach Hildesheim, wo er an dessen Seite in die große Politik einsteigt. Als Domprobst wird er Leiter der bischöflichen Verwaltung und dann auch Erzpriester in Goslar. Vorübergehend steigt er zum Verwaltungschef von Annos Kölner Erzdiözese auf, um dann selbst Erzbischof zu werden. In der Biographie, die Norbert von Iburg verfasst, heißt es:

Weil stets mit weltlichen Aufgaben anstelle von geistlichen Fragen befasst gewesen, erklärt er mit lauter Stimme seine Unwürdigkeit, zum Bischof gewählt zu werden, da er lange Jahre hindurch nur gelernt habe, mehr in den diesseitigen Angelegenheiten als in der Kirche Gottes Verantwortung zu tragen. (so in WGoez, S.157) Er wird einer der treuesten Anhänger des vierten Heinrich bleiben... (Siehe auch Großkapitel 'Kirche und Welt')

 

Auf der Fastensynode 1076 in Rom liest Gregor den ihm gehorsamen anwesenden Bischöfen (nicht den lombardischen) die Erklärung aus deutschen Landen vor und erklärt darauf die Absetzung des Königs, die Lösung seiner Untertanen (totius regni gubernacula Teutonicorum et Italie) von allen Treueeiden, verbietet ein servitium regis und verhängt seinen Bann über ihn. Heinrich lässt mit der Exkommunikation des Papstes antworten, aber der Donnerschlag des Papstes ist zu mächtig und die Fürsten werden ihn sofort gegen den König nutzen. Auch die Freilassung der Sachsen hilft nun wenig.

Die Ungeheuerlichkeit des Vorganges ist allen Beteiligten bewusst, laut Bonizo von Sutri erzitterte unser ganzer Erdkreis, und noch Generationen später wird Otto von Freising, die Ungeheuerlichkeit betonend, schreiben: Lego et relego Romanorum regum sive imperatorum gesta et nusquam invenio quemquam eorum ante hunc a Romano excommunicatum vel regno privatum, soviel er also liest, nirgendwo vorher erfährt er von einem Kaiser, der von einem Papst exkommuniziert oder abgesetzt wurde (Chronik, S.490). Das Kaisertum wird damit an seiner schwächsten Stelle getroffen, fährt er fort, nämlich an seiner Begründung durch das Papsttum.  

 

Stefan Weinfurter hat in Kapitel 8 seines Canossa-Buches anhand der Eideslösung des Papstes sehr schön dargestellt, welch enormer Umbruch damit verbunden war. Die Bindekraft des Eides begann gerade, insbesondere in Städten etwas herzustellen, was man (was selten der Fall ist) mit Fug und Recht als "Gesellschaft(en)" bezeichnen kann, zugleich hatte er bislang eine Welt von Freien miteinander verbunden. Nur der Unfreie hatte bislang dem (freien) Herrn stattdessen Gehorsam zu leisten. "Der Eid war bis dahin die unumstößliche und verpflichtende Klammer der Reichsgemeinschaft gewesen." (S. 135f) Eide waren vor Gott und Heiligen (nicht vor dem Papst) geschworen worden, und die Verteidiger des Königs betonten nun, dass sie in Zukunft an Wert verlieren würden, wenn irgendeine Instanz sie einfach lösen könnte. Ja, aus einem Eid würde nun ein Meineid dadurch.

Manegold von Lautenbach und andere setzten dagegen, Eide verlören ihre Bindekraft dort, wo sich der, dem sie geleistet wurden, moralisch ins Unrecht setzt - wie Heinrich IV., der dem Papst nicht den schuldigen Gehorsam leiste und sowieso ein Lotterleben führe. Weinfurter spricht vom "Siegeszug einer neuen Moralelite, die in Kirche und Welt zugleich großen Einfluss entwickelte. (...) Eine Art von >Moralisierung< des politischen Handels griff um sich - und brachte in einer Gegenbewegung die Desakralisierung der Politik hervor." (S. 143)

 

Moral ist bekanntlich ein Machtinstrument, der immaterielle Hammer, mit dem persönliche Verantwortlichkeit in Gehorsam verwandelt wird, und das moderne Diffamierungsinstrument schlechthin. Der Andere wird zum Bösen, wenn er nicht gehorcht, und der Schwache, der sich nun mit der Macht identifiziert, fühlt sich stark mit ihr und entwickelt zugleich, wie Nietzsche und Freud gut erklärt haben, das ressentiment, welches sich gegen noch Schwächere richtet: Juden, Ketzer/Dissidenten, Hexen und was alles zur Vernichtung zur Verfügung steht.

Der Jesus der Evangelien, um das noch etwas zu verdeutlichen, war die verkörperte Antithese zur Moral gewesen. Nicht der Gerechte und der Erfolgreiche, sondern der (reuige?) Sünder und der Arme waren ihm lieb gewesen. Moral hatte dann die Kirche entwickelt, und zwar vor allem Sexualmoral, die sich an altrömische Vorstellungen anschloss und die Ambivalenzen zwischen Körper, Geist und Seele/Psyche abschmelzen wollte. Keusche Reinheit des Körpers verband mit Gott, und zwar inzwischen soweit, dass dieser durch die Mächtigen der Kirche wie durch ein Medium spricht.

Gemeinschaftsbildender Ethos hingegen beruhte auf und vertraute  persönlichen Verbindlichkeiten, deren höchster Ausdruck im Eid besteht, einem persönlichen Versprechen, welches Treue in der Eidestreue symbolisiert. Wenn Eide nun an Moral gebunden werden, also ihre persönliche Verbindlichkeit verlieren, muss etwas anderes an ihre Stelle treten: zivilisierende Staatsmacht, die sich wie in der Kirche moralische Superiorität sichert. Der erste Ansatz in dieser Richtung wird von den neuen Fürsten geleistet, und zwar, indem sie mit dieser neuen Kirche in ein waffenstarrendes Bündnis treten.

 

Das päpstliche Vorgehen spaltet nun die deutschen Bischöfe, die es im Unterschied zu denen Norditaliens mit der Angst zu tun bekommen. Neuerliche Versuche Heinrichs Ostern und Pflingsten zu einer klareren Aburteilung des Papstes scheitern mangels Beteiligung.

Etwas anderes betont Stefan Weinfurter: "Mit der Anerkennung des päpstlichen Primats (...) konnte die bischöfliche Amtsautorität gesteigert werden." (S.133) Indem die Bischöfe langsam entdecken, dass sie mit dem gregorianischen Hierarchieverständnis zwar uneingeschränkt weisungsgebunden werden, dieses Prinzip aber auch nach unten weitergeben können, werden Elemente von Staatlichkeit für ihre Diözese möglich, zumindest im geistlichen Bereich. Dazu gehört direktere Aufsicht über Stifte und Klöster, die Entwicklung eines diözesanen Archidiakonats, welches immer mehr zu einem Verwaltungsamt unter bischöflicher Befehlsgewalt wird, und dessen zunehmende Kontrolle über die Pfarrer. Waren Pfarren früher an Grundherrschaften gebunden (zum Beispiel die bischöflichen), so werden sie jetzt dem entzogen und erhielten einen ortsgebundenen Charakter. Der Sprengel ist nun zum Beispiel ein Dorf oder ein Stadtteil. Pfarrer werden dabei zu einer eigenen geistlichen Rechtsinstanz, zu der richterliche Funktionen und die Aufsicht über die "Gemeinden" gehört: Wie oft geht einer in die Kirche, geht er beichten, arbeitet er brav nicht am Sonntag, hält er die eheliche Treue. Über diese durch Befehl und Gehorsam charakterisierte neue Hierarchie Bischof - Archidiakon - Pfarrer bekommt der Bischof praktisch direkten Zugriff sogar auf die kleinen Leute in seinem Machtbereich, den er durch weltliche Zukäufe, Burgenbauten und die ganz normale Vetternwirtschaft auszubauen sucht. Mit diesen Gemeindestrukturen entstehen aber zugleich, wie aus Köln ausführlicher bekannt, solche noch sehr begrenzter "bürgerlicher" Selbstverwaltung, die vorläufig noch überwiegend die bischöfliche Macht stabilisieren. In solchen Räumen aber beginnt sich frühester Kapitalismus auch in deutschen Landen einzuwurzeln.

 

Der Konflikt des Königs mit Papst und nun auch Bischöfen belebt den Widerstandsgeist der sächsischen Großen und süddeutschen Herzöge erneut. Es formiert sich eine breit angelegte Opposition, in der auch schon von der Neuwahl eines Königs die Rede ist. Die ersten sächsischen Deportierten werden freigelassen und können den Widerstand in ihrer Heimat schüren. Laut Lampert tritt Otto von Northeim, dem die Kontrolle über die Harzburg teilweise und über ganz Sachsen überlassen war, nach und nach zum Widerstand über.

 

Heinrich zieht erneut gegen Sachsen. Dort wird das Goslarer Pfalzstift inzwischen von seinen Gegnern kontrolliert. Die Hofkapelle als Bindeglied zur Reichskirche fällt immer mehr aus. In ihr gewinnt nun die Kanzlei mit ihren Notarsfunktionen an Bedeutung.

 

Lampert berichtet kaum vom Konflikt Heinrichs mit Gregor, sondern stellt den mit den Sachsen und überhaupt den deutschen Fürsten in den Mittelpunkt seiner Darstellung. Das führt zu der Vermutung, dass der sich anbahnende "Investiturstreit" im nördlichen Teil des Reiches als eher zweitrangig aufgenommen wird. Lampert berichtet auch vom Widerstand mit dem Ziel, die Zustände im Reich zu bessern, ad meliorandum regni statum.

 

Zwischen April und August gibt es päpstliche Schreiben in die deutschen Lande, die dem König Buße und Besserung abverlangen, damit er wieder in den Schoß der Kirche zurückkehren könne. Erst im September verschärft sich der päpstliche Ton.

 

Die weiteren Ereignisse werden von den Chronisten je nach Lage der Interessen und Informationen unterschiedlich dargestellt (Beumann in Investiturstreit, S.36). Während Heinrich Mitte Oktober 1076 mit einem Heer in Oppenheim ist, treffen sich die schwäbischen und sächsischen Fürsten (Lampert) auf der anderen Rheinseite in Trebur. Es kommt zu tagelangen Verhandlungen beider Seiten und offenbar auch zu ausgiebigen, wenigstens einwöchigen Untersuchungen über die Herrschaft und Lebensführung des Königs. Vermutlich ist das Lager von Trebur gespalten, wobei nur ein Teil unmittelbar die Absetzung des Kaisers und eine Neuwahl betreibt. Gesandte erklären Heinrich dann am Ende, der Papst solle über ihn entscheiden, nachdem dieser in einem Brief die Absetzung Heinrichs verhindern wollte, andererseits aber betont hatte, die Kirche sei nicht Magd, sondern Herrin (domina). Nun verspricht Heinrich in einer 'Promissio' angesichts der Übermacht, dem Papst Gehorsam (oboedientia) zu leisten, satisfactio zu bieten und sich einer Untersuchung seiner Amts- und Lebensführung durch ihn zu stellen, Buße zu tun (poenitentia), seine gebannten Räte zu entlassen und die ihn unterstützenden Bürger von Worms im Stich zu lassen. Gegenüber den Fürsten widerruft er die Wormser Absetzung des Papstes, lässt aber die poenitentia aus. Diese geben ihm darauf ein Jahr, sich vom Bann zu lösen und laden Gregor nach Augsburg als Schiedsrichter ein.

Der Papst verschiebt nun laut dem schwäbischen Annalisten (Berthold) den Termin von Augsburg vom 6. Januar auf den 2. Februar, was Heinrich zeitlichen Spielraum ließe. Der Papst bittet um Geleit und berichtet, er komme am 8. Januar nach Mantua.

 

Lampert von Hersfeld erklärt die Haltung der Großen gegenüber Heinrich IV. 1076 so: wie er die Fürsten vom vertrauten Umgang mit ihm ausgeschlossen, dagegen die niedrigsten Menschen (infimos homines) ohne Ahnen zu höchsten Ehren emporgehoben habe und mit ihnen Nächte wie Tage in Beratungen verbringe und als Äußerstes, wenn er könnte, den hohen Adel womöglich gänzlich auszurotten (nobilitatem exterminio). Das ist völlig überzogen, gibt aber wohl in etwa die königsfeindliche Gerüchteküche wieder. Die Delegierung königlicher Aufgaben nicht mehr nur an den Adel, sondern zunehmend an unfreie Ministeriale, also Beamte sozusagen, wird als bedrohlich empfunden. Laut Lampert ist für die Fürsten die Ordnung des Staates zerrüttet, der Friede der Kirche gestört, die Majestät des Reiches vernichtet, das Ansehen der Fürsten geschwunden, die Sittlichkeit untergraben, die Gesetze sind außer Geltung... (alles: Annales zu 1076)

 

Als finalen Beschluss verlangten die Fürsten vom König also, sich bis Jahresfrist vom Bann zu lösen, also zum 22. Februar 1077, was zum sogenannten Bußgang von Canossa führt. Dieser muss in aller Eile vonstatten gehen, denn der Papst bricht gerade auf, in deutschen Landen mit den Fürsten über Heinrich zu entscheiden. „ ...die Führung der Christenheit, anders war die Rollenverteilung von Canossa nicht zu deuten, war an den Papst übergegangen,“ meint Boshof (S.232). Das ist aber bestenfalls eine Momentaufnehme, entspricht sicher inzwischen Gregors Vorstellungen, wird aber nicht durchzuhalten sein.

Nach einhelligem Urteil der Historiker wird aber folgende Sicht der Dinge, wie sie Lampert gibt, für handfest gehalten:

Der König seinerseits wusste nur zu genau, dass es Rettung für ihn nur gebe, wenn er sich vor dem Jahrestag von dem Bann löste, und so schien es ihm nicht in seinem Interesse zu liegen, die Ankunft des Papstes in Gallien (nördlich der Alpen) abzuwarten, und die Untersuchung der Sache einem so feindseligen Richter, so hartnäckigen Anklägern zu überlassen. (Annales zu 1076)

 

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Mit der Bezeichnung Heinrichs als rex Teutonicus „wurde das Reich in >nationaler< Beschränkung den übrigen europäischen Ländern gleichgestellt, sein in der Hegemonialstellung der ottonisch-frühsalischen Zeit begründeter imperial-supragentiler Charakter geleugnet, womit zugleich der Anspruch des deutschen Königs auf die universale Würde des Kaisertums negiert wurde. In der Sicht des Papstes gab es eben nur eine universale Würde: die des Stellvertreters Petri.“ (Boshof, S.232f)

 

Heinrich hatte Udo von Trier nach Rom geschickt, um mit Gregor zu verhandeln, und wartet in Speyer möglicherweise die Antwort ab. Weihnachten ist er in Besancon.

 

Das Prekäre der Situation verdeutlicht, dass die königliche Familie mitten in einem der härtesten Winter seit langem aufbrechen muss, und die Herzöge von Schwaben, Bayern und Kärnten die Alpenpässe in ihrer Verfügung blockieren, - ihnen ist nicht an einer Lösung des Königs vom Bann gelegen, die einer erneuten Verurteilung in deutschen Landen im Wege stehen könnte.

Der Weg muss also über den verschneiten und vereisten Pass beim Mont Cenis gehen.

Lampert von Hersfeld beschreibt in seinen Annalen die königliche Demütigung: Sie krochen bald auf Händen und Füßen voran, bald stützten sie sich auf die Schultern ihrer Führer, manchmal auch, wenn ihr Fuß auf dem glatten Boden ausglitt, fielen sie hin und rutschten ein ganzes Stück hinunter. (...) Die Königin aber und die anderen Frauen ihres Gefolges setzte man auf Rinderhäute, und die dem Zug vorausgehenden Führer zogen sie darauf hinab. Die Pferde ließen sie teils mit Hilfe gewisser Vorrichtungen hinunter, teils schleiften sie sie mit zusammengebundenen Beinen hinab...

 

Wenn man das Reich der Deutschen im König personifiziert sah, dann hatte es vorübergehend aufgehört zu bestehen. Sah man es wie die Fürsten unter ihm als eine Föderation mehr oder weniger gleichberechtigter Herrscher mit einem König von ihren Gnaden, so hatte es erst jetzt wirklich Gestalt gewonnen. Aber in Italien angekommen,

da strömten alle Bischöfe und Grafen Italiens um die Wette zu ihm, empfingen ihn, wie es sich für die königliche Würde geziemt, mit höchsten Ehren (...) Sie hatten nämlich schon von Anbeginn seiner Regierung sein Erscheinen in Italien herbeigesehnt, weil das Land ständig durch Kriege, Aufstände, Raubzüge und mannigfaltige private Fehden beunruhigt wurde (...) Weil sich außerdem das Gerücht verbreitet hatte, er eile voller Zorn herbei, um den Papst abzusetzen, freuten sie sich außerordentlich... (s.o.)

 

Als Gregor von Heinrichs Aufbruch nach Italien hört, zieht er sich auf seinem Weg nach Deutschland nach Canossa unter den Schutz der Markgräfin Mathilde zurück, nachdem ihn das militärische Geleit deutscher Fürsten erst einmal in Mantua nicht erreicht. Im Begleitbrief zum Sicherungseid Heinrichs von Canossa wird Gregor in der Zusammenfassung von Beumann erklären, "der König habe, bevor er den Boden Italiens betrat, Gesandte vorausgeschickt, durch diese Gott, dem hl.Petrus und ihm jedwede Genugtuung in Aussicht gestellt und oboedientia gelobt, sofern er nur vom Papst Absolution und apostolischen Segen erlangen könne." (in: Inverstiturstreit, S.44) Den Fürsten wirft Gregor  vor, ihm nicht rechtzeitig Geleit geschickt zu haben, weswegen seine Reise nach Deutschland nicht habe fortgesetzt werden können.

 

Die Situation ist ohne Beispiel, an dem man sich orientieren könnte, und Klarheit dürfte nur bei dem Flügel der deutschen Fürsten bestanden haben, der auf jeden Fall Absetzung und Neuwahlen des Königs forderte, vor allem also bei den Sachsen und den Anhängern Rudolfs von Rheinfelden. Heinrich brauchte die Absolution, um in deutschen Landen gegen seine Gegner antreten zu können, und Gregor neigte wohl dazu, sie ihm nach deutlichem Unterwerfungszeremoniell zu gewähren.

Deshalb wohl scheitern in Norditalien tagelang die Vermittlungsversuche mächtiger geistlicher und weltlicher Großer wie des Abtes Hugo von Cluny und der Markgräfin Mathilde. Auf Seiten Heinrichs führt Bischof Benno von Osnabrück die Verhandlungen. Aber Gregor braucht einen starken Kaiser als Verbündeten gegen die reformfeindlichen Bischöfe in Italien, nachdem größere Teile des deutschen Episkopates inzwischen bereits zumindest machtpolitisch zu ihm umgeschwenkt sind.

In Italien und außerhalb des canusinischem Machtbereichs hatte Gregors Bannung Heinrichs kaum Wirkung gezeigt. Ein Jahr vor Canossa hatte der Papst einen der zentralen Führer der italienischen Bischofsopposition, Dionysius von Piacenza, abgesetzt:

Aber weil Gott nicht wollte, dass die Sünden des Ungehorsams, durch welche jener uns schon oftmals verletzte, mit dem Schleier des Erbarmens verborgen und ungestraft bleiben sollten, hat Dionysius auch weiterhin Lügen ausgestreut und als Eidbrüchiger und vieler Verbrechen Überführter unsere Ermahnungen nicht beachtet. Deshalb setzten wir ihn auf Grund des unwiderruflichen Urteils der heiligen Synode und der nicht zurücknehmbaren Willensbekundung sämtlicher Teilnehmer ohne Hoffnung auf Begnadigung vom Bischofsamt ab und beschlossen, ihm niemals in aller Zukunft wieder Gehör zu schenken. (in WGoez, S.145f)

Die Lage in Norditalien wird dadurch charakterisiert, dass Dionysius sein Bischofsamt weiter ungehindert und im Einvernehmen mit seiner Herde ausüben kann.

 

Für Gregor wie Heinrich bleibt so nur eine extreme Bußinszenierung des Königs vor der Burg, wie sie Gregor in einem Brief an die Reichsgrößen beschreibt. Sie ist vermutlich in dieser Weise vorverhandelt worden.

Heinrich stand danach drei Tage vor dem Burgtor, nachdem er alle königlichen Herrschaftszeichen abgelegt hatte, in kläglichem Aufzug, barfuß und in einem Wollhemd, und hörte nicht eher auf, mit vielen Tränen die Hilfe und die Tröstung des apostolischen Erbarmens zu erflehen, bis alle Anwesenden, zu denen diese Rufe gelangten, von soviel Milde und Mitleid erfüllt wurden, dass sie sich mit vielen Bitten und Tränen für ihn bei uns verwandten und sich alle über die ungewöhnliche Härte unseres Sinns verwunderten. (In Weinfurter, S.19f)

 

Der Papst gibt sich erpresst, muss sich aber geschlagen geben und den König vom Bann lösen. Er verpflichtet ihn immerhin, sich in Bälde den Großen des Nordreiches zu stellen. Der königliche Eid lautet in der päpstlichen Version: Innerhalb eines Zeitraumes, den Papst Gregor festlegen wird, werde ich mich dem Recht stellen gemäß Gregors Urteil oder Eintracht gemäß seinem Rat herstellen (in: Althoff(2), S177). Damit ist der Inhalt von Heinrichs Versprechen, promissio an den Papst erledigt, er ist in den Augen des Papstes als rex, König wiederhergestellt und verpflichtet sich nur noch, den Streit mit den Fürsten zu beenden. Gregor will zwar dabei auftreten, aber für die Fürsten ist der Vorwand der Bannung erledigt. Sie müssen nun zur Sache kommen und treffen sich dazu in Ulm. Damit ist Gregors Versuch, selbst steuernd in die deutschen Dinge einzugreifen, gescheitert.

 

In der Heinrichsvira heißt es: Als Heinrich erkannte, wie sehr er in Bedrängnis geraten war, fasste er in aller Heimlichkeit einen schlauen Plan. Plötzlich und unerwartet reiste er dem Papst entgegen und erreichte mit einem Schlag zwei Dinge: er empfing die Lösung vom Bann und unterband durch sein persönliches Dazwischentreten die für ihn bedrohliche Zusammenkunft des Papstes mit seinen Widersachern. (cap.3 in: QuellenHeinrich S.421)

 

Viele Große im Reich fühlten sich dadurch düpiert. Manche Dinge waren inzwischen miteinander verklammert: Diktatorischer Machtanspruch der Päpste, Festhalten der Könige an ihrer sakral durchdrungenen autoritären Herrscherrolle, alte Freiheitsvorstellungen in Sachsen, königliche Versuche, Ansätze von Staatlichkeit zu entwickeln, bischöfliche Versuche, Stadtherrschaft auszubauen und ein Territorium zu entwickeln, erstes Aufmucken von Städtern, die auf dem Weg sind, ein bürgerliches Selbstbewusstsein zu entwickeln, Einwurzelung von frühestem Kapitalismus, Ansätze adeliger Territorialherrschaft, die in Konflikt mit königlichen Interessen treten. Für die Großen des Reiches hatte der Papst dabei ignoriert, dass ihr Hauptinteresse sich gegen eine Erweiterung der Königsmacht richtet, und dass sie die päpstlichen Suprematsvorstellungen vor allem in diesem Sinne nutzen wollen.

 

Die von Lothringen ausgegangene Klosterreform erfasste das Reich in mehreren Bewegungen und suchte den Schulterschluss mit Papst und Hochadel, auf dessen Schutz und Zuwendungen sich die Klöster angewiesen sahen. Von ihnen wie von vielen Kirchen aus wurde antikönigliche Propaganda betrieben und solche zur Kirchenreform. Eine wie immer kurze Frömmigkeitsbewegung scheint eingesetzt zu haben, in der die unfreien Unterschichten ihr Ressentiments gelegentlich, von Priestern angeheizt, auch gegen nicht moralisch korrekte Kollegen wandten und diese auch schon mal ungestraft auf offener Straße verprügelten. Seitdem ist so etwas wie ein städtischer Mob in großen Teilen Europas zu verzeichnen. Dagegen wandten sich wiederum Kirchen und Klöster hergebrachter Ordnung, die sich für nicht weniger fromm hielten, und die vor einer Spaltung des Landes in "Gute" und "Böse" warnten, also in solche, die sich als moralisch Gute im Besitz absoluter Wahrheit sähen und derer, die da demütiger waren, und für die wohl vor allem jener außergewöhnliche Abt Petrus 'Venerabilis' stand, der zu den wenigen gehörte, die den Mut hatten, im zweiten und dritten Ketzerprozess einem der bedeutendsten Denker des Mittelalters, Petrus Abaelard die Stange zu halten.

 

Mit der Reformkirche und den sich reformierenden Klöstern hatte der höhere Adel in deutschen Landen ein Instrument gewonnen, welches er im Investiturstreit nun zu nutzen trachtete. Als Gregor VII. sich genötigt sah, im Machtpoker mit dem König nachzugeben, wurde er für die neuartig sich erhebenden Fürsten weniger interessant. "Die Interessen des Papstes und der Fürstenopposition liefen von nun an keineswegs mehr parallel." (Weinfurter S.147)

 

Bevor Heinrich nach Canossa nach Deutschland zurückkehrt, weilt er in Reggio und es wird deutlich, wie enttäuscht Gregor davon ist, dass er die lombardischen Bischöfe nicht reglementiert. Auf der Fastensynode 1078 belegt der Papst weitere lombardische Bischöfe mit Kirchenstrafen, ohne dass das Folgen zeigt. 

 

Gregor schärft seinen Legaten in deutschen Landen ein, klarzustellen, dass der das Verbrechen des Götzendienstes begehe, der es unterlässt, dem römischen Stuhl zu gehorchen (in: Althoff(2), S.179f).

Der von vorneherein auf Absetzung drängende Teil der deutschen Fürstenopposition trifft sich, ungeachtet der Einlösung mancher ihrer Forderungen durch den König in Canossa, 1078 zunächst in Ulm und dann im März in Forchheim. Die von ihm vollzogene Trennung päpstlicher von fürstlichen Interessen war wohl von vielen als böser Trick gesehen worden.

 

Anwesend sind in Forchheim dann außer Rudolf von Schwaben/Rheinfelden die Herzöge Berthold und Welf, Otto von Northeim, die Erzbischöfe von Mainz, Salzburg und Magdeburg sowie vier Bischöfe. Vom päpstlichen Wohlwollen begleitet war wohl vor allem Bischof Altmann von Passau. Der hatte zwar Siegfried von Mainz wieder auf die päpstliche Seite gebracht, diesen aber als Vertreter des Papsttums in deutschen Landen abgelöst. Den aufständischen Sachsen stand Gregor eher weiterhin fern, und Rudolg gegenüber hatte er wohl Misstrauen. 

 

Diese optimates regni, wie der schwäbische Annalist sie nennt, tragen wohl mehrere Tage lang ausführlich ihre Beschwerden gegenüber Heinrich vor. Dabei tun die Legaten Gregors in Forchheim alles, um die Wahl eines neuen Königs zu verhindern, denn diese sollte allenfalls Ergebnis der Beratungen von Augsburg unter päpstlicher Aufsicht sein. Geschickt formulieren sie ihre Verwunderung darüber, wieso man einen derart gottlosen Menschen so lange ertragen habe, und nun wolle man ihn eilig absetzen. Gregor wollte sich nicht in den Dienst fürstlicher Interessen einordnen. Stattdessen beklagen sie seine Haltung in der Lombardei.

 

Während Paul von Bernried in seiner Vita Gregors Heinrich bereits abgesetzt sieht, geht der schwäbische Annalist davon aus, dass er noch, und zwar wegen seines gegenüber den Fürsten begangenen Unrechts abzusetzen sei. Ähnlich wie Paul begründen die Sachsen nach Forchheim in einem in Brunos Sachsenkrieg zitierten Brief an Gregor die Absetzung mit Gregors Handeln:

Als uns jene Lossprechung vom Banne durch Euren Brief bekannt wurde, da verstanden wir es so, dass an dem Spruch, welcher bezüglich des Reichs gegen ihn ergangen war, nichts geändert sei, und auch jetzt wissen wir noch nicht, ob er überhaupt geändert werden kann. Denn wir vermögen es auf keinen Fall zu verstehen, wie die Lösung der Eide rückgängig gemacht werden kann. Wenn aber keine Eide binden, kann das regium dignitatis officium nicht verwaltet werden. Da wir nun also schon über ein Jahr ohne Herrscher (rector) waren, haben unsere Fürsten durch Wahl einen anderen auf den Platz gestellt, dessen sich jener unwürdig erwiesen hat. (Brunos 'Sachsenkrieg' cap.108, in: QuellenHeinrich, S.357) )

 

Tatsächlich stand wohl die Wahl Rudolfs von vorneherein bereits fest. Darum hatte er sich im elsässischen Kloster Ebersheimmünster auch schon eine (Ersatz)Krone anfertigen lassen.

 

Es bleibt unklar, inwieweit man Heinrich förmlich abwählt und aus Gregors Suspendierung des Königs nun seine Absetzung macht. Laut Bruno will Otto von Northeim Bedingungen bezüglich seines bayrischen Herzogtums stellen, was der Legat, hier nur einer, damit zurückweist, dass dies Simonie sei.

Der Kandidat verspricht bei Paul von Bernried, dass das Königtum nicht mehr einfach vererbt werden solle und bei Bruno zudem die Einhaltung kanonischer Bischofswahl.

In Brunos Buch vom Sachsenkrieg heißt es, es wurde durch die Autorität des Papstes bekräftigt, dass die königliche Gewalt niemandem, so wie es vorher Gewohnheit (consuetudo) gewesen war, als Erbe zufallen sollte, denn vielmehr solle der Sohn des Königs, auch wenn er noch so würdig sei, eher durch eine spontane Wahl (electio spontanea) als durch Erbfolge König werden; wenn aber der Sohn des Königs nicht würdig sei, oder das Volk ihn nicht haben wolle, dann soll es in der Macht des Volkes (in potestate populus) stehen, den zum König zu erheben, den es wolle. (cap.91, in: QuellenHeinrich, S.335)

 

Danach schlägt Erzbischof von Mainz ihn vor, die anderen geistlichen Fürsten folgen und dann der senatorius ordo, die weltlichen Fürsten. und wählt Rudolf von Rheinfelden zum König.

 

So wie einem simonistischen Prälaten sein Amt wird Heinrich die Eignung zum Königsamt abgesprochen und in freier Fürstenwahl auf einen "Geeigneteren" übertragen. Der Geeignete war auf jeden Fall einer, von dem man ein schwächeres Königtum und mehr Spielraum für die Fürsten erwartete. Zudem sollte er den Frieden mit den Päpsten suchen.

Um 1083 wird der Reformer Manegold von Lautenbach ausdrücklich die Absetzung von ungeeigneten Königen befürworten, da sie (analog zu Kirchenämtern im Sinne der Reform) praktisch nur Verwalter eines Amtes seien. Für den frommen Mann ist allerdings von vorneherein ein Herrscher ungeeignet, der sich nicht dem Papst unterwirft.

 

Das wirklich Neue hier ist die Absetzung eines Herrschers. Königswahlen waren beim Fehlen eines designierten Nachfolgers üblich und selbst wenn es einen gab, fand dennoch so etwas wie ein Anerkennungsritual statt. Ein Erbkönigtum wie in Frankreich und England gab es hingegen nicht, und wird auch Heinrich VI. nicht erreichen können.

 

Die spezifischen fürstlichen Interessen, die sich hier durchsetzen, um - nur im Rückblick gesehen - den Weg in ein "deutsches" Wahlkönigtum zu bahnen, treffen sich nicht mit Gregors Vorstellungen eines nach unten starken, aber ihm in gewisser Hinsicht unterworfenen Königtums, welches den inneren Frieden sichern und den Schutz der Schwachen gewährleisten soll. Weinfurter meint, dass mit dem "Übergang zum Wahlkönigtum" sich das Reich als Interessens- und Handlungsgemeinschaft der Fürsten zu verstehen lernte und sich dadurch innerlich festigte." (S.152) Das ist aber ein Prozess, der sich über die nächsten hundertfünfzig Jahre erstrecken wird.

 

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Während Heinrich bald Rudolf nach Sachsen abdrängen kann, welches für den König allerdings verloren ist, zeigt sich gerade in den Städten bei Bürgern, Ministerialität und auf dem Land bei Bauern auch Unterstützung für ihn, während Gregor sich aus dem Thronstreit heraushält und stattdessen nun 1078/80 im Zuge von Auseinandersetzungen mit dem französischen Klerus in voller Klarheit die Laieninvestitur (aller zu weihenden Kleriker) verbietet. Heinrich lässt Rudolf von Rheinfelden, Welf IV. von Bayern und Berthold von Kärnten wegen Hochverrat verurteilen, behält Bayern und gibt Schwaben an den Staufer Friedrich, der bereits über reiche Besitzungen in Nordschwaben und im Elsass verfügte, und gibt ihm dazu seine Tochter. Dagegen setzt die Opposition auf einen Zähringer, der sich in Südschwaben festsetzt.

 

Der brutale Bürgerkrieg in deutschen Landen geht weiter, was Gregor dazu veranlasst, eine Versammlung zu fordern, die sich für den wahren König entscheiden solle.

Die päpstlich geforderte Untersuchung war als colloquium bezeichnet worden, also als untersuchendes Gespräch. Heinrich hatte den Vermittlern vor Canossa versprochen, sich dem zu stellen. Bis 1080 wird Gregor versuchen, dies Gespräch zustande zu bringen, dem Heinrich sich ebenso wie Rudolf verweigern wird.

 

1078 dekretiert der Papst das allgemeine Verbot der Laieninvestitur, die bislang die christliche Kirche geprägt hatte. Damit kommt es nach dem Stellen der Machtfrage zwischen weltlicher und geistlicher Macht nun zu ihrer schon länger absehbaren Konkretion: Wer bestimmt, wer Geistlicher werden darf? Während die Städte sich auf den Weg zu ihrer Selbstverwaltung machen, der bürgerlichen Freiheit, möchte Gregor die Kirche in die libertas ecclesiae führen, sie aus den Zwängen weltlicher Einflussnahme lösen. Damit bestreitet er aber zugleich den sakralen Charakter der Herrschaft des großen Konstantin und des großen Karl. Und damit wendet sich Gregor grundsätzlich auch gegen das (deutsche) Kaisertum: Heinrich ist nur rex Teutonicus in einem regnum Teutonicorum und nicht auch potentieller Kaiser, dem nur noch der Krönungsakt fehlt.

 

Nach und nach entdeckt Gregor, wie gefährlich für ihn die engen Kontakte zwischen Heinrich und den norditalienischen Bischöfen sind und setzt die ungehorsamen unter ihnen ab. 1080 wird Heinrich auf der römischen Fastensynode zum zweiten Mal gebannt, weil er das colloquium verhinderte, und als er von Gregor offenbar ultimativ die Bannung Rudolfs verlangt. Der Papst erkennt nun den Gegenkönig an. Wörtlich "erlaubt" er ihm, das regnum teutonicum "zu regieren".

 

Mit diesem bislang stärksten Eingriff in innerdeutsche Machtverhältnisse wendet sich ein Teil der Reichsbischöfe von Gregor ab, allerdings nur wenige von ihnen wie Benno von Osnabrück sind dabei, als in Brixen ein von Heinrich und vielen lombardischen Bischöfen, unter ihnen Dionysius von Piacenza, vorgeschlagener Gegenpapst, Bischof Wibert von Ravenna, als Papst Clemens III. gewählt wird. Allerdings wird offenbar auch hier von den kaiserlichen Bischöfen Druck ausgeübt. Benno soll sich bei der Abstimmung selbst unter dem Altartisch versteckt haben, um nicht gegen den amtierenden Papst stimmen zu müssen. (WGoez, S.161)

Inzwischen übersteigert Gregor seine machtpolitischen Möglichkeiten. So ruft er in Rom von der Kanzel herab: Ihr sollt alle wissen. Wenn er nicht bis zum Fest des hl. Petrus nicht zur Buße kommt, dann wird er tot sein oder er wird abgedankt haben (mortuus erit aut depositus). Wenn das so nicht eintritt, dann muss man mir nichts mehr glauben.

 

In deutschen Landen rüsten beide Seiten zur Entscheidungsschlacht, und während sich der Papst mit Petrus im Bunde weiß, Rudolf mit dem Papst, verbündet sich Heinrich noch inniger mit der Gottesmutter, indem er ihrer salischen Heimstatt in Speyer erneut Geschenke macht: Obwohl wir die Verdienste aller Heiligen verehren, so müssen wir doch ganz besonders den Schutz jener Jungfrau Maria erflehen, durch die allein der einzige Herr aller sich der ganzen Gläubigen erbarmt hat.

In der Entscheidungsschlacht in Thüringen wird im Oktober 1080 die Übermacht Rudolfs nur insofern besiegt, als dieser selbst an einer Verletzung stirbt. In Brunos Sachsenkrieg wird das Gemetzel mit Erinnerungen an alttestamentarische Schlachten garniert.

Auf der anderen Seite formuliert der Autor der Vita Henrici im vierten Kapitel:

Dies war eine gewichtige Lehre, dass niemand sich gegen seinen Herrn erheben darf. Denn Rudolf empfing durch seine abgehauene Rechte die gerechte Strafe für den Meineid, da er sich nicht gescheut hatte, den Treueid, den er seinem Herrn und König geschworen hatte, zu brechen, und gleichsam als hätte er nicht genügend Todeswunden erhalten, traf ihn auch noch die Strafe an diesem Glied, damit durch die Strafe die Schuld offenbar werde.

 

Heinrich bedankt sich bei der himmlischen Maria, der Königin der Engel, mit einem umfassenden Umbau des Doms zu Speyer, der nun zur größten Kirche des lateinischen Abendlandes heranwächst. Maria ist für ihn inzwischen die Mittlerin zu Christus geworden.

 

Nach dem Tod Rudolfs wird sich ein neuer Gegenkönig nur in Teilen Sachsens halten können, während Heinrich 1081 merkt, dass er die Entscheidung in Italien suchen muss, wo Gregor sich nicht auf die Normannen stützen kann, da der Fürst von Capua zu Heinrich überläuft und Robert Guiskard in einen Krieg mit den Byzantinern Süditaliens verwickelt ist. 1081/82 gelingt es, Mathilde von Tuszien militärisch zurückzuwerfen, Pisa und Lucca öffnen dem Kaiser ihre Tore und in Lucca werden ihr die Reichslehen durch Gerichtsbeschluss entzogen und sie wird geächtet. Offenbar werden ihre Gelder knapp, denn sie lässt Klosterschätze einschmelzen, um dem Papst zur Hilfe zu kommen. (GoezMathilde, S.119)

 

Allerdings gelingt es ihm erst 1083/84, in die Stadt Rom einzudringen. 1084 tritt ein Großteil der Kardinäle zu ihm über, nachdem der König einen Feldzug gegen die Normannen unternommen hatte, die in Rom nicht als Freunde betrachtet wurden. Zudem hatte Heinrich im Einvernehmen mit den Kardinälen das Papstwahldekret präzisiert. Gregor wird nun abgesetzt und exkommuniziert und Wibert als Clemens III. eingesetzt. Es folgt die Kaiserkrönung des königlichen Paares.

 

Nun erst kommt Robert Guiskard Gregor zur Hilfe. Als Heinrich vom Anmarsch der Normannen unter Robert Guiskard hört, zieht er sich in die Lombardei zurück. Robert nimmt Rom mit seinen Normannen ein, haust dort aber so fürchterlich, dass ihn die Römer vertreiben. Gregor nimmt er nach Salerno mit, wo der bald stirbt.

Nach einem Sieg Mathildes über Anhänger Heinrich IV. bei Sorbara im Sommer 1084 kann sich Mathilde an die Rückeroberung eines Teils ihrer Herrschaft machen.

 

Nördlich der Alpen drängt Heinrich den Gegenkönig zurück und immer mehr Bischöfe treten auf die Königliche Seite über. 1084 kann Heinrich Wezelo als neuen Mainer Erzbischof durchsetzen. 1085 hat er auf der Mainzer Synode die große Mehrheit der Bischöfe auf seiner Seite. Dann überspannt er den Bogen, als er gregorianische Bischöfe gegen königstreue austauscht, was zu Doppelbesetzungen führt, wobei Heinrich sich oft nicht durchsetzen kann. Immerhin kann er sogar seinen Sohn Konrad zum König krönen lassen.

 

Auch das Papstschisma bleibt bestehen, 1086 wählt die Reformpartei den Abt von Montecassino zum Papst Victor III. Der braucht ziemlich lange, um mit normannischer und mathildischer Unterstützung in Rom einziehen zu können, wird aber bald von den Römern wieder vertrieben und beschließt sein Leben dann in seinem Kloster.

 

1088 gibt Heinrich seinen harten Kurs gegenüber den Bistümern wieder auf und es kommt zu Verhandlungen. Nach und nach können dadurch wieder Mitglieder der Hofkapelle in Bistümer einziehen. In dieser gewinnt aber immer mehr die Kanzlei an Bedeutung, und da immer weniger große Pfründe für die Mitglieder zu vergeben sind, zieht dort zunehmend niederer Adel und Ministerialität ein. Die alte Vernetzung von Hochadel und Königtum, gelegentlich als Reichskirchensystem bezeichnet, schwindet.

 

Auf den Gregorianer Viktor III. folgt im März 1088 der ehemalige Prior von Cluny, Odo von Châtillon, als Urban II., von einer Kardinalsfraktion in Terracina gewählt, während eine andere zu Clemens hält, selbst Reformer, aber ein anderes Verhältnis zur weltlichen Macht anstrebend. Urban wird sich kaum jemals in Rom wirklich sicher fühlen können.

 

1089 erhält Gottfried von Bouillon als treuer Gefolgsmann Hwinrichs IV, Niederlothringen als Lehen übertragen.

 

Da Heinrich an dem hergebrachten Kaisertum festhält, bleibt ihm nichts anderes übrig, als 1090 erneut nach Italien zu ziehen und seinen Papst zu unterstützen.

Urban II. vermittelt nun die Heirat der dreiundvierzigjährigen Mathilde von Tuszien mit dem jungen (höchstens 18-jährigen) Welf V. Laut diesem hat sie rein machtpolitischen Charakter und wird nie vollzogen. Andersseits bringt Welf kaum Truppen oder Geld mit (GoezMathilde, S.140)

Heinrich kann Mathilde militärisch zunächst nicht niederkämpfen und Canossa nicht einnehmen, dafür aber 1091 in Manuta einziehen und eine Schlacht gegen ein vom fünften Welf angeführtes Heer erringen. Danach kommt es aber zu militärischen Rückschlägen. Die Situation des Kaisers wird immer schwieriger, und wohl darum springt sein Sohn und Thronfolger Konrad 1093 von ihm ab und läuft zu Urban II. über, der ihm zur Heirat mit Maximilla, der Tochter Rogers I. von Sizilien verhilft. Der Erzbischof von Mailand krönt ihn in Sant'Ambrogio zum reichsitalienischen König. Allerdings bekommt er kaum Unterstützung in Deutschland.

 

Aber es bildet sich im selben Jahr ein lombardischer Städtebund (Mailand, Cremona, Lodi und Piacenza), der nun Mathilde und den Welfen unterstützt. Während der Kaiser zwischen Verona und dem Gardasee fast ohne Rückhalt festsitzt, läuft auch seine zweite Frau Praxedis zu Mathilde über, die sie bei sich aufnimmt.

 

Wenn man zurückschaut, kann man drei Etappen erkennen: Kirchenreform, dann Investiturproblematik, dann Machtkampf Gegors mit den Königen: Gegenüber Heinrich wurde von Gregor die königliche Gehorsamspflicht dabei immer mehr in der Vordergrund geschoben. ">Canossa< hat, so überraschend dies klingen mag, den >Investiturstreit< in Deutschland zunächst in den Hintergrund gedrängt", meint Weinfurter (S.176)

Der wurde derweil auf das entstehende Frankreich konzentriert und den Konflikt mit König Philipp.

 

Während Heinrich noch in der Nähe von Verona festsitzt, schafft es Urban II., Praxedis auf einer Synode in Piacenza 1095 dazu zu bringen, Schlimmes aus seinem laut ihr verworfenen Sexualleben öffentlich vorzubringen. Wie schon bei Gregor und Mathilde beginnt hier die persönliche Diffamierung des Gegners über intime und wenig überprüfbare Details. Danach verschwindet Praxedis in der Versenkung und kehrt am Ende nach Russland zurück.

 

Noch 1095, zerbricht das ungleiche Ehebündnis der Welfen mit Tuszien, vielleicht als Welf V. entdeckt, dass Mathilde ihr Erbe bereits dem Papst versprochen hatte, wie es jedenfalls einige Historiker sehen. Heinrich kann nach längeren Verhandlungen mit dem Welfen 1097 nach Deutschland zurückkehren. Volle Kontrolle über Reichsitalien wird er nicht mehr erlangen. Mathilde von Tuszien wird zumindest einen Teil ihrer Güter wieder zurückgewinnen.

Die Betonung der Unterschiede zwischen Deutschen und Italienern nimmt immer mehr zu. " Überall tauchen in der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts italianisierende Namenszusätze auf: so 1073 in einer Gerichtsurkunde Mathildes von Canossa ein gewisser Rainerius Toccacoscia. Bei Frauen werden Eigennamen mit italienischem Klang immer beliebter: Bonissima, Speciosa oder gar Italia." (GoezMathilde, S. 49. Sie bezieht sich natürlich nur auf die Oberschicht).

 

In der Aussöhnung mit Welf IV. wird dessen Herzogstitel für Bayern 1096 bestätigt. Oberschwaben  wird seitdem von den Welfen kontrolliert und so aus dem schwäbischen Raum herausgelöst, der Südwesten Schwabens bis zur Reichsvogtei Zürich von den Zähringern beherrscht, die einen eigenen Herzogstitel behalten und der Rest von den Staufern mit einem schwäbischen Herzogstitel. Aus Herzogtümern der Stämme werden Territorialherzogtümer (WeinfurterGeschichte), von Fürstenfamilien kontrolliert, unter denen es allerdings noch einen Flickenteppich von Herrschaften des niederen Adels, von Grundherrschaften weltlicher und geistlicher Natur und einen ebensolchen von Rechten und Gerichtsbarkeiten gibt.

 

Sohn Heinrich (V.) wird 1099 mit 12 Jahren in Aachen zum König gekrönt, nachdem die Fürsten der Absetzung Konrads zugestimmt hatten. 1101 stirbt Konrad.

 

Zunächst unbeachtet vom lateinischen Westen sind Turkvölker dabei, ein riesiges Reich aufzubauen, welches vom Kaukasus über das Zweistromland und Syrien nach Palästina ausgreift. Auf dem Konzil zu Piacenza im März 1095 erreicht den Papst ein Hilferuf von Kaiser Alexios Komnenos gegen diese Seldschuken. Urban II. hat mit Hilfe mächtiger römischer Adelsgeschlechter seine Position in Rom gefestigt, so dass er nach Frankreich aufbrechen kann, wo er im November 1095 auf der Synode von Clermont, zu der er auch Laien einberufen hat, unter anderem zum Kreuzzug aufruft. Der allerdings soll weniger der unmittelbaren Unterstützung von Byzanz dienen, denn er ist direkt nach Jerusalem ausgerichtet. Für die Zeit dieses Kreuzzuges verkündet er für die Sicherheit der Kreuzfahrer einen allgemeinen Gottesfrieden und Ablass.

Die "deutsche" Beteiligung am ersten Kreuzzug ist gering, aber es gibt sie beim Volk und im niederen Adel. Darunter sind Auswanderer, die nach dem ersten Kreuzzug nach Outremer übersiedeln. Im Zuge dieser Wanderbewegung in den Orient werden jüdische Minderheiten in rheinischen Städten massakriert.

Im Kern sind Kreuzzüge vor allem eine Sache französischer Mächtiger und italienischer Städte. Am Kreuzzug 1101 nehmen mit Welf IV., dem Erzbischof von Salzburg und Graf Heinrich von Regensburg etwas mehr Deutsche teil. Im altfranzösisch sprechenden "rück"eroberten "Heiligen Land" spielen Deutsche dann auch eine geringe Rolle. 

1103 gibt es einen norwegischen Kreuzzug unter seinem König.

 

Zurück zu Clermont: Urban vertieft die Ablehnung der Laieninvestitur nun ausdrücklich auch durch das Verbot der Lehnshuldigung des Klerus. Es kommt zu einem triumphalen päpstlichen Auftritt, wobei auch der französische König exkommuniziert wird, derweil er in Italien dem Konflikt mit Clemens und dessen Anhängern ausgesetzt bleibt.

Der Bischof Ivo von Chartres weist dann bald für Frankreich den Ausweg: Könige würden doch eigentlich die Bischöfe nur mit ihren weltlichen Gütern investieren, was ihnen zustehe, und was mit der geistlichen Seite des Amtes gar nichts zu tun habe.

 

Pfingsten 1097 zurück, versucht Heinrich das Königtum in Deutschland zu stabilisieren.  Bayern bleibt bei den Welfen, mit denen er sich ausgesöhnt hatte, und die zudem Oberschwaben erhalten, welches so aus dem schwäbischen Raum herausgelöst wird. Im alemannischen Südwesten etablieren sich die Zähringer und die Staufer bekommen eine Art herzogliche Stellung, die aber die Aufteilung Schwabens nicht mehr aufhält. Mit Schwaben wird die Verwandlung der alten Stammesherzogtümer in neue Territorialfürstentümer deutlich. Sohn Heinrich (V.) wird 1099 mit 12 Jahren in Aachen zum König gekrönt, nachdem die Fürsten der Absetzung Konrads zugestimmt hatten. 1101 stirbt Konrad.

 

1099 folgt auf Urban Paschalis II. für die gregorianische Partei, der den Bann über Heinrich IV. erneuert, wobei Heinrich IV. passiv bleibt. 1100 stirbt der Gegenpapst. In deutschen Landen kommt es zum Erlass von regionalem Frieden, was Heinrich 1103 mit einem mehrjährigen kaiserlichen Landfrieden krönt.

 

Indem die Strafen nun von der auf germanischer Tradition beruhenden Geldstrafen, die die Ärmeren benachteiligten, bei schwereren Verbrechen zu Körperstrafen übergingen, der „peinlichen“ Gerichtsbarkeit, die nun für alle sich deutlicher entwickelnden Stände gleichmäßig gelten sollte, und indem „die Friedenswahrung zu einer Angelegenheit der Zentralgewalt“ (Boshof) wird, jedenfalls auf neue Weise, soll die königliche Macht gestärkt, Staatlichkeit entwickelt werden. Aber auf der anderen Seite wächst dennoch die dezentrale Fürstenmacht.

 

Der Investiturstreit schwelt weiter und mit ihm der Unwillen der Fürsten gegenüber den königlichen Ansätzen zentralisierter Staatlichkeit.Laut Ekkehard von Aura will Heinrich nach Rom reisen, um Frieden herzustellen.

Paschalis II. erklärt 1102, dass er unter dem Lehnseid, der den Bischöfen verboten sein solle, rechtlich genau das hominium gemeint sei, die Mannschaft, und bannt den Kaiser dann erneut: Dies sollen nach unserem Willen alle, insbesondere diejenigen nördlich der Alpen wissen, damit sie sich von seiner Sünde fernhalten, erklärt er laut Ekkehard.Das unterstützt die wachsende Opposition in deutschen Landen.

In Italien soll Mathilde 1102 die Schenkung ihres Eigenbesitzes an das Papsttum erneuert haben, allerdings sind von beiden Schenkungen schon bald keine Dokumente auffindbar. (GoezMathilde, 165)

 

Das Ende kommt für den König 1104/05 mit dem Aufstand seines königlichen Sohnes, als gerade Vorbereitungen für einen neuen königlichen Heerzug gegen Sachsen im Gange sind. Mancher Historiker der letzten Jahrzehnte meinte, er habe der Unnachgiebigkeit seines gebannten Vaters etwas mehr Konzilianz und die Autorität des im Schoße der Kirche Befindlichen entgegensetzen wollen.Weinfurter meint, wie einst sein Bruder musste er befürchten, dass sich eine breite Opposition gegen seinen Vater bilden würde und dass er selbst für sein Thronerbe keine Anerkennung mehr finden würde, wenn er auf dessen Seite bliebe." (Geschichte, S.144)

 

Ihm schlossen sich schnell jene jungen Leute aus dem Hochadel an, denen der Aufstieg der Ministerialität und die punktuellen Bündnisse mit städtischem Bürgertum zu weit gingen, aber auch jener Adel, der in dem vierten Heinrich vor allem den Feind der Reformkirche sah. Als beide Paschalis um Vermittlung anrufen, setzt dieser ganz auf die Karte des Aufrührers. In der Vita des vierten Heinrich lautet das so: Um Gelegenheit für ihre Einflüsterungen zu finden, griffen sie zu den besten Lockmitteln der Verführung: Sie nahmen ihn häufig mit zur Jagd, luden ihn zu üppigen Gelagen ein, trübten durch Scherze seine geistige Klarheit und verleiteten ihn zu vielen Streichen, wie sie der Jugend eben einfallen. (...) Sie wunderten sich, dass er einen so strengen Vater ertragen könne, nichts unterscheide ihn von einem Knecht, da er wie ein Knecht alles geduldig aushalte. (Kap.9). Bei allem, was hier nicht zu überprüfen ist, bekommt man doch einen Einblick in das Leben junger Hochadeliger.

 

Es gibt Gespräche mit sächsischen Grafen. Laut Ekkehard von Aura feiert der fünfte Heinrich dann das Osterfest 1105 in Quedlinburg mit Sachsen und süddeutschen Großen, zudem dem Erzbischof von Mainz und dem päpstlichen Legaten.Der fünfte Heinrich setzt sächsische Bischöfe ab, die sein Vater eingesetzt hatte. Fürsten und Adel setzen sich mit Heinrichs Sohn ins Benehmen, um seine Erhebung vorzubereiten.

 

Bei einem Hoftag in Regensburg greifen Ministeriale einen ihnen missliebigen Grafen an, erobern schließlich den Turm, in den er sich zurückgezogen hat und enthaupten ihn, ohne dass der König eingreift. (KellerBegrenzung,S.187). Das steigert die hochadelige Ablehnung.

Das väterliche und das Heer des Sohnes belauern und bedrohen sich, 1105 stehen beide Heere bei Regensburg gegeneinander und einigen sich, nicht gegeneinander zu kämpfen, wofür es offenbar Versprechungen an die Fürsten seitens des Aufrührers gab. Der Sohn bekommt Speyer unter seine Kontrolle. Heinrich IV. wird freies Geleit für eine Reichsversammlung in Mainz zugesichert, aber er wird unterwegs abgefangen, nachdem er dem Sohn wohl nicht das Zugeständnis seiner Abdankung gemacht hat,  und er wird in die Pfalz nach Ingelheim gebracht.

Ihm werden die väterlichen "Schätze" und königlichen Insignien abgepresst. In der Vita Henrici heißt es, Heinrich V. kehrte triumphierend über seinen Betrug zu der Mainzer Reichsversammlung zurück (die zur Klärung angebraumt worden war), und als hätte er eine Heldentatvollbracht, brüstete er sich noch damit, , wie schlau er seinen Vater gefangengenommen hätte. Da hallte der Reichstag von jubelndem Beifall wider, das Verbrechen nannten sie Gerechtigkeit, den Betrug Tugend.

 

Anfang 1106 kann Heinrich aus Ingelheim nach Köln fliehen, wo ihn die Bürger freundlich aufnehmen und verteidigen. 1106 stirbt der alte Kaiser als Flüchtling, außerhalb der Papstkirche in Lüttich. In dieser Zeit verliert die kaiserliche Partei in Italien weitere Bistümer (Brescia, Reggio, und nun Parma).

 

***Entsakralisierung, Verrechtlichung, Friedenswahrung***

 

Im sogenannten Investiturstreit verfällt jene besondere "geistliche" Qualität, mit der Karl und die Ottonen das Kaisertum aufgeladen hatten. Wenn die Staufer dann versuchen, wieder auf Karl d.Gr. zu rekurrieren, wird das nicht mehr dasselbe sein. Die "Entsakralisierung des Herrscheramtes" (Ernst-Dieter Hehl in Schneidmüller/Weinfurter, S. 18) ist nicht mehr aufzuhalten. Der Rekurs auf das römische und d.h. vorchristliche Recht wird unumgänglich, und zwar ohne christliche Ausdeutung. Damit beginnt der Aufstieg der Rechtsschule von Bologna. Ohne all das bleibt der Prozess der Verweltlichung auf dem Weg ins und besonders durch das Hochmittelalter unvollständig. Die Regalien, also die königlichen Rechte, werden dabei einer vernünftigen Klärung zugänglich, während die Vernünftigkeit im päpstlichen Bereich  sich in Dogmatismus verlieren wird. Zugleich beginnt die Scholastik, in die Kirche mit einer Vernunft einzudringen, die selbst den sakralen Charakter der Kirche von oben zerstören wird.

 

Was mit Max Weber als Entzauberung der Welt" beschrieben hat, beginnt auf der Ebene des klaren Denkens der Wenigen. „Aber: nun ging der Zauber erst richtig los, die französischen und englischen Könige begannen ihre Laufbahn als Wunderheiler, sie wurden zu >>rois thaumaturges<<, die Deutschen unterlagen erneut und verstärkt dem Zauber des Kaisertums." (Hehl, s.o.S.24) Kaum nötig, anzumerken, dass nun der faule Zauber beginnt, der bis heute nicht mehr aufgehört hat, sondern in seinen Auswirkungen nur immer schrecklicher wurde. Und Hehl weist zu Recht darauf hin, dass die entzauberte und dem faulen Zauber überantwortete Welt immer neue Wellen einer gefühlsintensiveren Frömmigkeit hervorruft, bis sie ab dem späten 18. Jahrhundert in Wellen politisierten Massenwahns endet.

 

Sobald die Herrscher-Person nicht mehr per se sakral ist, wird das entstehende Amt sakralisiert. Der Herrscher muss dann in eine rollengemäße Sakralität hineinwachsen. (Hehl, s.o.S.25). Aus alledem wird die Rechtfertigung von Macht erwachsen, welche dem sakralen Anschein entwächst und sich auf weltliche Ideologieproduktion hinbewegt, die im 18./19. Jahrhundert einen Alleinvertretungsanspruch gewinnt.

 

Eine weitere Veränderung, die sich durch den Rückgriff auf die Vergangenheit erhellen lässt: Frühmittelalterliche Herrschaft ist abhängig von einer umfangreichen Gefolgschaft, mit der es ein ausgiebiges Geben und Nehmen geben muss. Auf dem Weg ins Hochmittelalter wird sie begleitet von Personal des Herrscherhofes (Kapelle, Kanzlei etc) und von dem auf Interessen beruhenden Konsens mit den regionalen Mächtigen, denen, die zu Fürsten werden.

Beim Interessenkonflikt, der nicht verbal gelöst werden kann, sprechen zunächst die Waffen oder zumindest die Drohung mit ihnen. Für den Herrscher ist das Rebellion, für den Aufständischen Herstellung von Gerechtigkeit. In oder nach der kriegerischen Begegnung schickt man Boten als Vermittler. Diese haben einen verbindlichen Auftrag zum Aushandeln einer Konfliktlösung. Können Herrscher genügend Militärmacht versammeln, werden sie dem Aufständischen einen Vergleich anbieten, der als erstes die deditio, die demütige(nde) Unterwerfung mit Fußfall anbietet, womöglich bei Übergabe seines Besitzes an den Herrscher, worauf dieser die Verzeihung gewährt, damit ihm alles zurückgibt und ihn wieder in seine Freundschaft (amicitia) aufnimmt. Besonders "großherzige" Herrscher mit viel "Milde" (clementia) schaffen es, das sogar mehrmals zu wiederholen, bis der Kandidat durch Verstocktheit in manchmal endgültige Ungnade fällt.

Diese clementia war neben der Großzügigkeit schon eine Tugend der römischen Cäsaren gewesen. Im 10. Jahrhundert, als sie zunehmend wieder auftaucht, wird aus der klugen bzw. moralischen Tugend eine christliche, denn Herrscher jenseits des Islam sollten der Erwartung entsprechen, milde zu sein, wie es schon ihr Christus gewesen war.

 

Im zentralen Konflikt zwischen Papst und Königen/Kaisern in dem die letzten beiden salischen Herrscher gelegentlich mit dem Rücken zur Wand bzw. zum Abgrund stehen, wird das königliche Regiment im "deutschen" Reich autoritärer und härter. Die Konsequenz sind langandauernde und weiterschwelende Konflikte, die das hochmittelalterliche Reich um 1250 erst einmal fast zerbrechen lassen.

Diese Verhärtung hat einiges damit zu tun, dass die Könige/Kaiser der fürstlichen Verdichtung territorialer Herrschaft etwas entgegensetzen zu müssen glauben: Die Verdichtung bzw. ansatzweise Territorialisierung von Königslandschaften, wobei sie in Konflikt mit entsprechenden fürstlichen Tendenzen geraten. In diesen Konflikten Königsmacht zu definieren, wird immer schwieriger, und die königliche clementia geht dabei zunehmend verloren.

Die zunehmende Härte königlicher Machtausübung korrespondiert mit Aspekten tatsächlicher Schwäche, denn das Reich ist, wie Ehlers formuliert, "ein Verband derjenigen Führungseliten, die einen der ihren als König akzeptieren und im Zusammenwirken mit ihm auf Hoftagen, bei Rechtshandlungen, im Krieg oder auf Italienzügen regierten. Das Reich existierte deshalb nur als funktionsfähige Gemeinschaft seiner Glieder und nahm sich selbst nur auf den Treffen der Großen mit dem König wahr." (EhlersOtto, S.150)

 

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Den inneren Frieden zu wahren bzw. herzustellen ist selbstverständliche Pflicht jeden christlichen Herrschers. Dagegen verstößt Heinrich IV. mit seinen Kriegen gegen die Sachsen wie überhaupt die Fürstenopposition und dem fast durchgehenden Konflikt mit der "offiziellen" Papstkirche. Die Friedenssicherung gerät dabei bis 1102 in die Hände der Konfliktparteien.

Von königstreuer Seite initiieren die Beschöfe von Lüttich (1182) und Köln (1183) einen Gottesfrieden, den Heinrich unterstützt. Frieden soll in den Bistümern um Weihnachten und Ostern und an bestimmten Festtagen herrschen. Dabei ist das Waffentragen verboten.

1184 reagieren die Sachsen in Goslar mit einem Frieden, der sich wohl über mehrere Bistümer erstreckt. Das wiederum führt auf der Mainzer Synode von 1185 zu einem Gottesfrieden, bei dem Heinrich IV. anwesend ist. Für Kaufleute, Bauern, Frauen und alle Geistlichen wird hier ein Friede erklärt, der durch das ganze Jahr gelten soll.

 

Es wäre schön zu erfahren, inwieweit und ob überhaupt und wie lange Menschen sich daran halten. Während diese Frieden kirchlich initiiert sind, wird 1093 in Ulm von antikaiserlicher Seite durch die Herzoge Welf und Bertold und viele schwäbische Große ein weltlich initiierter Friede für die ganze Alamannia geschworen, der dann noch auf den Elsass und Bayern ausgedehnt wird.

 

Nachdem der Kaiser 1102 zum Weihnachtsfest nach Mainz gekommen war, gibt er beim Hochamt zu Epiphanias (1103) einen Kreuzzugsplan bekannt und erlässt in diesem Zusammenhang einen großen Reichsfrieden, an dem zahlreiche Große des Reiches und auch die nun versöhnten Sachsen teilnehmen. Wer nun neben der Geistlichkeit und den Mönchen Kaufleute, Schiffer, Bauern, Frauen und Juden bedroht, wird unabhängig vom Stand mit harten Körperstrafen belegt. Erlaubt bleibt die reguläre Fehde: Si in via occurrerit tibi inimicus tuus, si possis illi nocere, noceas. (in: Investiturstreit, S.157)

 

Der Friede ist nun ein erster, klar (quasi gesetzlich) definierter Rechtsbegriff, der für alle im Reich Geltung hat.  Als innerer Friede wird er Prämisse und Begründung für Staatlichkeit werden. Die Landfrieden des 12. Jhs. werden "schließlich dem einst freien, sein Land bebauenden und das Schwert führenden Manne (verbieten), eine Waffe zu tragen." (Fried, Formierung Europas, S.29) Der Aufstieg des Staates verläuft über die schrittweise Entmachtung seiner ihm Untergebenen. Das beginnt der Adel schon im Verlaufe der Herrschaft des dritten Heinrich zu spüren, da er in germanischer Tradition Recht und Friedensherstellung damit verband, "dass die Beteiligten ihr Gesicht wahren" können. Friede war bislang das, "worauf sich Rechtsgenossen einigen konnten. Ein vom König befohlener Friede musste demgegenüber als systemwidrig empfunden werden, missachtete er doch die Spielregeln der gewohnten Friedenswahrung." (Weinfurter, S.S.38/39). Andererseits sind es Fürsten unterhalb des Königtums, die sich diese Neuerung zuerst zunutze machen. Darunter werden alle lernen müssen, dass Staatlichkeit  schließlich eine Form geregelter Unfreiheit ist.

 

Heinrich V.

 

Die fehlende Bereitschaft Heinrichs IV., sich mit dem gregorianisch aufgeladenen Papsttum ins Benehmen zu setzen, deren Kern die Aufrechterhaltung des tradierten Verständnisses vom Kaisertum war, setzt sich in geringerem Umfang unter Heinrich V. fort, auch wenn es immer wieder Verhandlungen gibt. Daneben wird es endgültig verunmöglicht, den Zerfall der deutschen Lande in einzelne Fürstentümer aufzuhalten, was, wenn überhaupt, nur durch eine Stärkung königlicher Macht möglich gewesen wäre, die aber weiter mit der kaiserlichen kollidieren wird. Dabei ist der Ausgangspunkt vielsprechend für seine Herrschaft: Über fünfzig Reichsfürsten sind zugegen, als er gekrönt wird. (KellerBegrenzung, S.190)

 

Heinrich V. versucht aber zunächst überall dort, wo unter seinem Vater die Konflikte lichterloh hochbrannten, durch Ausgleich und Mäßigung wieder eine gewisse Ordnung herzustellen. Seine Regierungszeit ist im Osten geprägt von eher freundlichen Beziehungen zu Polen, einer zunehmenden Annäherung Böhmens, die später zur Integration in das Reich führen wird, und den Aufstieg Ungarns zur Großmacht, was Einflussnahme dort gering hielt.

 

Sachsen wird nach dem Tod des letzten Herzogs 1106 aus dem widerspenstigen Haus der Billunger an Lothar von Supplinburg vergeben, um so besser den „billungischen Machtkomplex“ (Boshof) dort zu zerschlagen. Er ist für die Sachsen akzeptabel. Der König kann es aber nicht dauerhaft unter seine Kontrolle bekommen, ebensowenig wie stattliche Teile von Niederlothringen, wo sich Reichsflandern immer mehr verselbständigt und auch die Friesen ein Eigenleben führen.

 

Unter dem Einfluss der religiösen Aufheizung durch den Investiturstreit und die erfolgreiche Verbindung von Krieg und Seelenheil in Jerusalem 1099 beginnt in Ostsachsen ein neuer Anlauf zur Expansion in slawisches Gebiet. 1108 rufen dort Bischöfe und weltliche Große zu einem Kriegszug auf, der fast schon wie ein Kreuzzug klingt:

Die Heiden sind ganz schlimm, aber ihr Land ist überreich an Fleisch, Honig, Mehl, Vögeln, und wenn es bebaut wird, bringt es in allem so üppige Ernten, dass ihm keines verglichen werden kann. Daher, o ihr Sachsen, Franken, Lothringer und Flamen, ihr berühmten Männer und Bezwinger der Welt, hier könnt ihr eure Seelen retten und, wenn ihr wollt, das beste Land zur Besiedlung gewinnen. (in: KellerBegrenzung, S.237)

 

Der Investiturstreit spitzt sich immer mehr auf das Thema Lehnshoheit des Königs über die Bischöfe zu und auf deren Ableistung des Lehnseides für ihre Reichsgüter. Damit wird die Geldleistung für das geistliche Amt (an den weltlichen Herrn) langsam als erledigt abgehakt.

Die erforderliche gedankliche Leistung, die in der Trennung von geistlichen und weltlichen Aufgaben und Rechten der Bischöfe enden wird, wird sowohl die Scholastik als auch die Juristerei beflügeln: Autoren wie Ivo von Chartres, Wido von Ferrara und Manegold von Lautenbach schaffen es, diese Trennung herauszuarbeiten. Höfe, Güter und vom König verliehene Rechte sind Regalia bzw. Temporalia, weltliches Gut, während das geistliche Amt mit seinen Spiritualia davon getrennt wird.

Aus dieser Trennung ergibt sich zweierlei: Der König hat auf die Einkleidung (Investitur) der Bischöfe mit dem Ring zu verzichten, da dieser die Vermählung des Bischofs mit seinem Kirchsprengel symbolisiert und zudem auf die mit dem Stab, der die Hirtengewalt des Bischofs darstellt.

Genauso gravierend ist die zweite Folgerung, die sich aber schon seit Jahrzehnten angebahnt hatte: Das königliche Gut und die königlichen Rechte, die Regalien, trennen sich nun ganz vom Privatbesitz des Königs: Eines gehört dem Reich und eines ihm selbst und persönlich. Genau diese Trennung führt zur Einigung zwischen dem Papsttum und den französischen und englischen Königen.

 

Voraussetzung für die französische Lösung war die förmliche Trennung König Philipps von seiner zweiten Frau Bertrada 1104, von den Päpsten Urban und Paschalis immer wieder gefordert (vgl. Großabschnitt Abaelard und Heloysa). Der König konnte damit wieder in den Schoß der Kirche aufgenommen werden. 1107 wird das Bündnis in Saint-Denis feierlich beschworen, darunter auch, ganz besonders dem Kaiser Heinrich tapfer Widerstand zu leisten (audacter resistere), wie Abt Suger berichtet.

Eine hochrangige deutsche Delegation mit mehreren Bischöfen, Welf V. und Berthold von Zähringen macht sich zwar zu Verhandlungen mit dem Papst auf, kommt aber zu spät an. Suger beschreibt verächtlich Auftreten und Benehmen der deutschen Barbaren, insbesondere von Welf.

 

Für die deutschen Lande ist der Konflikt aber so verhärtet, dass gerade die Eigentumsrechte am weltlichen Besitz der Kirche wichtig werden, für die die Reformer keine uneingeschränkte Verfügung des Königs akzeptieren wollen, und dieser damit eine wichtige Machtgrundlage schwinden sieht, weswegen er auch nicht auf die Investitur mit den Symbolen Ring und Stab verzichten zu können meint. Nachdem der Rückhalt der Reformpäpste bei den Normannen immer unbedeutender wird, vollzieht das Papsttum jetzt seine grundsätzliche Wende vom Bündnis mit deutschen Kaisern zu französischen Königen. Dem Kaisertum werden so seine historischen Grundlagen seit Karl d.Gr. und Otto d.Gr. entzogen.

 

Das weit in die Zukunft ausstrahlende Revirement der Allianzen wird von Heinrich mit der Verlobung und späteren Heirat mit der anglonormannischen Königstochter Mathilde vollzogen. Darauf zieht er mit einem besonders großen Heer nach Italien, noch im Einvernehmen mit dem mitziehenden deutschen Episkopat. Beim Versorgen von Mensch und Tier mit Nahrung und Unterkunft wird allerdings ein zunehmender Widerwillen in Italien spürbar: Die Menschen erleben solche Heerzüge in sogenannten Friedenszeiten immer mehr als Belastung durch Fremde.

 

In der 'De investitura episcoporum' war ja schon kurz zuvor der Vorschlag gemacht worden, dass der König auf die Investitur mit dem Ring verzichtet, da er den Priestern nicht ihre geistlichen Aufgaben übertragen wolle. Aber die königliche Investitur müsse vor der geistlichen stattfinden, da der König ihnen so viele mobile und immobile Güter, Rechte und Regalien (regalia) überlasse, mit denen sie eine gewichtige Stütze für ihn seien. Die Regalien werden dann auch in diesem Text ausführlich aufgezählt.

In Verhandlungen mit dem Papst macht dieser nun einen erstaunlichen Vorschlag: Die Kirche würde auf allen ihr überlassenen Reichsbesitz verzichten, wenn der König dafür auf die Investitur der Bischöfe verzichtet. Dabei wurden als Regalien alle hohen Ämter vom Herzogtum bis zum Grafenamt, ferner Grundbesitz und finanziell nutzbare Rechte wie beispielsweise Münze, Zoll und Markt gefasst.

 

Anfang 1111 kommt es rund 50 Kilometer vor Rom (Turi/Sutri) zu fast nun schon abschließenden Verhandlungen, bei denen sich Paschalis bei Investiturverzicht des Königs/Kaisers zum Verzicht auf die weltlichen Besitzungen der Reichsbischöfe bereit erklärt, die jetzt ausführlich als „Regalien“ definiert werden: weltliche Ämter wie Grafschaften und Vogteien, Grundbesitz, Städte und Dörfer, Rechte an Münze, Zoll und Markt. "Sie wurden als dem Reich, also der Institution, nicht dem König als Person zugeordnete Rechte verstanden, und auf ihnen, die prinzipiell als unveräußerlich galten, beruhte, soweit sie den Kirchen überlassen waren, der Königsdienst." (Boshof, S. 275) Dass die Verhandlungen ohne die Öffentlichkeit der Entourage beider stattfinden, wird noch eine Rolle spielen.

 

Tatsächlich hätte das die feinsäuberliche Trennung von Kirche und Staat bedeutet. Der König/Kaiser hätte einen enormen Machtzuwachs gehabt, andererseits wäre die Frage schnell gekommen, wie er all diesen Besitz selbst hätte „verwalten“ können. Er hat keinen derartigen (Staats)Apparat. Zudem hatten Könige und Kaiser bislang auch in den Augen ihrer Reichsvölker ihre Herrschaft unmittelbar von Gott empfangen. Mit der deutlichen Gefährdung dieser Vorstellung durch die klare Trennung der zwei Schwerter der Christenheit konnte Heinrich sich wohl nur so geradeso abfinden.

 

Für die Bischöfe und Äbte des Reiches hätte es den Verlust ihrer weltlichen Macht bedeutet, da sie nun nur fast noch vom Zehnten und Spenden sich würden finanzieren können, und viel stärker vom Papst abhängig würden. Darum würden sie niemals zustimmen können. Der Adel hätte seine Kirchenlehen verloren und sähe sich einer enorm gesteigerten Zentralgewalt gegenüber.

 

Als die Vereinbarung nach dem Einzug in Rom bekannt wird, kommt es unter den anwesenden deutschen geistlichen wie weltlichen Fürsten zum Tumult, der sich dann über die Stadt ausbreitet: Das Dokument sei Häresie. (Ekkehard von Aura)

Darauf wird klar, dass der Papst seine Seite der Vereinbarung nicht einhalten kann. Heinrich fordert nun von ihm Kaiserkrönung und volles Investiturrecht und entführt ihn, als er ablehnt, dann samt vielen Kardinälen gewaltsam aus der Stadt. Paschalis knickt nach einer Weile ein und sichert dem König die Investitur mit Ring und Stab vor der Weihe zu. Unter weiter massivem Druck wird Heinrich dann im April zum Kaiser gekrönt. Danach hält er sich ein paar Tage bei Mathilde und im Einvernehmen mit ihr auf ihrer Burg Bianello auf. (Donizo laut GoezMathilde, S.178) Sie soll ihn nach Donizo (Vita Mathildis) sogar zu ihrem Erben eingesetzt haben. Jedenfalls unterstützen ihn nun die Vasallen Mathildes. Offenbar hinterlässt Heinrich Reichsitalien in einem kurzen Zustand der Ruhe.

 

Interessanterweise schafft es das bald von Reformern angefeindete Privileg Paschalis II. vom Februar 1111, den Tatsachen in die Augen zu schauen:

In den Regionen Eures Reiches aber sind Bischöfe und Äbte so sehr mit weltlichen Sorgen beschäftigt, dass sie gezwungenermaßen fast ständig das Grafenamt wahrnehmen und Kriegsdienst ausüben. Dies kann aber in der Tat kaum oder gar nicht ohne Raubzüge, Gottesfrevel, Brandschatzung oder Morde abgehen. Denn die Diener des Altares sind zu Dienern des Hofes (ministri curi) geworden, weil sie von den Königen Städte, Herzogtümer, Markgrafschaften, Münzrechte, Reichshöfe und sonstige Dinge, die zum Dienst am Reich gehören, empfangen haben. Deshalb bildete sich auch die für die Kirche unerträgliche Gewohnheit heraus, dass gewählte Bischöfe nur dann die Weihe empfingen, wenn sie zuvor durch die Hand des Königs investiert wurden. Aus diesem Grunde auch standen oft die Schändlichkeit der simonistischen Häresie und die Amtserschleichung (ambitio) in so hoher Blüte, dass Bischofsstühle ohne irgendeine vorangegangene Wahl in Besitz genommen wurden. (in Laudage/Schrör, S.204/5)

 

Mit dieser Aufzählung der Regalien und ihrer Funktion wäre in der Sache eine Einigung wie die Wormser von 1122 möglich gewesen, wenn über den persönlich gewordenen Machtkampf nicht Gesichtswahrung zu einem Kernproblem geworden wäre. In einem Privileg vom April 1111 gesteht dann der Papst, allerdings unter dem Druck von Waffengewalt, genau das zu:

Denn eure Vorgänger haben die Kirchen ihres Königreiches mit so vielen Verleihungen ihrer Kronrechte (regalium) reich versehen, dass dieses Reich besonders durch die Schutzmittel (presidiis) gestärkt werden muss, … (in Laudage/Schrör, S.216/7)

 

Paschalis II. hatte allerdings unter Regalien diejenigen Kirchenbesitzungen verstanden, die "originär von den Königen stammten und zum Reich gehörten. (...) Die königliche Partei hielt dagegen am weitergefassten Regalienbesitz fest, der alle weltlichen Besitzungen und Rechte einer Kirche meinte, also ihre >Temporalien<..."(WeinfurterGeschichte, S.149) 1122 wird diese Unklarheit aufrechterhalten bleiben.

 

Zentrales Problem bleibt aber, dass Heinrich mit dem Papst heimlich und hinter dem Rücken der Fürsten verhandelt hatte, die das ähnlich wie unter dessen Vater für eine Bedrohung ihrer Machtpositionen ansehen mussten. Sie werden jetzt genauso wieder den Dauerkonflikt mit ihm suchen.

 

Zurück in Deutschland demonstriert der Kaiser nun seinen Willen, die salischen Herrschaftsvorstellungen fortzusetzen. Da der Papst den toten Vater vom Bann befreit hatte, wird er nun feierlich in Speyer bestattet. Die Stadt erhält neue Privilegien dafür, das Gedenken an Heinrich IV. jährlich zu feiern.

 

Ekkehard von Aura wird schreiben: Heinrich nahm, wie beschrieben, zunächst unter dem Anschein der Frömmigkeit dem exkommunizierten Vater das Reich weg. Im festen Besitz der Königswürde änderte er aber sein Verhalten.

 

Mit dieser Entwicklung wenden sich viele deutsche Bischöfe wieder vom Kaiser ab. Der Erzbischof von Salzburg, von Anfang an im Dauerkonflikt mit seinen Ministerialen, bricht nach Heinrichs Verhalten gegenüber Paschalis mit dem frischgekrönten Kaiser. Nachdem er nach Salzburg zurückgekehrt ist, klagten die Ministerialen beim Kaiser über seine Grausamkeit (Blendung ihres Anführers etc.) und Heinrich inhaftiert seinen Gegner für ein Jahr. Der flüchtet schließlich, so berichtet seine Vita, zu Mathilde.  Ein Jahr später, 1112, widerruft ein Laterankonzil die als „Pravileg“ (Schandgesetz) gescholtene Vereinbarung, nachdem ein hoher Legat den König bereits gebannt hat.

 

Da Heinrich im wesentlichen die königliche Macht mit denselben Mitteln stärken möchte wie schon sein Vater, mit dem Ausbau des Reichsbesitzes, Burgenbau und Einsatz von Ministerialen als militärischem Rückhalt und in der Verwaltung, gerät er in Konflikt mit den geistlichen und weltlichen Großen, die zunehmend sich eigene, geschlossenere Territorien zulegen wollen.In diesen Konflikten betrachten die Fürsten den König nicht als Einiger des Reiches, sondern als Partei, so wie jeder einzelne von ihnen es selbst ist. In den folgenden Kämpfen (1112-15) verliert er zunächst die Kontrolle über Norddeutschland,wo Lothar von Supplinburg eine noch mächtigere herzogliche Stellung erringt als seine billungischen Vorgänger. Gegen die vom König eingesetzten Leute unterstützt er seine Parteigänger als Markgrafen und Grafen. Im Bündnis mit dem sich nach Westen in Holstein und nach Osten in Richtung Pommern vordringenden Obodritenfürsten erweitert er seine Einflusszone.

 

Heinrich stößt zudem immer gewaltsamer auch mit bischöflichen Fürsten, die auf dem Weg sind, zu Territorialherren zu werden, wie jenen von Köln und Mainz zusammen. Dabei verliert er auch die Zustimmung der Stadtbürger, die sich von ihren Bischöfen privilegieren lassen, um deren Interessen mit ihren eigenen zu verbinden.

 

Typisch dabei ist der Bruch mit dem Reichskanzler Erzbischof Adalbert von Mainz, gegen dessen Territorienbildung bis hin zum Versuch der Gewinnung der Reichsfeste Trifels sich Heinrich wendet. 

 

Der Erzbischof wird inhaftiert, 1114 findet dort ein Reichstag statt, auf dem es auch zur Vermählung mit Mathilde kommt. Ende desselben Jahres beginnt der Sachsenaufstand unter Lothar von Supplinburg, der 1115 den König nach der Schlacht am Welfesholz aus ganz Sachsen dauerhaft vertreiben kann. Angelegentlich eines neuen Mainzer Reichtages bedrohen ihn bewaffnete Mainzer Bürger so machtvoll, dass er der Freilassung des Erzbischofs zustimmen muss. Der König verliert die Unterstützung der Städte.

 

Heinrich ist immer noch exkommuniziert. Offensichtlich folgt, wie Althoff beschreibt (in Schneidmüller/Weinfurter, S.41ff), der fünfte Heinrich bald wieder dem Vorbild seines Vaters, und sucht nicht mehr das Gespräch, sondern die militärisch herbeigeführte Dominanz und scheitert dabei.

 

Während insbesondere der Staufer auf der Seite des Königs verbleibt, hindert ihn das aber nicht, seine Hausmacht mit der „Besetzung von bischöflichen Burgen und (der) Neuanlage fester Plätze vom Unterelsaß bis in den Speyer- und Wormsgau (Boshof S.285) auszubauen. Ein solches Bestreben hin zu Territorialität und fürstlicher dynastischer Hausmachtpolitik schafft nicht nur Grundlagen für zukünftige (neue) Staatlichkeit, sondern verdoppelt diese im Reich in eine königliche, auf Königslandschaften basierende und eine viel unmittelbarere und handfestere der Fürsten, die ein solches neuartiges Fürstentum definiert. Aus den klassischen Treuebindungen werden dabei Rechtsbeziehungen, die sich in einem immer ausgefeilteren Lehnswesen niederschlagen.

 

Da wenigstens Süddeutschland dem König ergeben bleibt, zieht er 1116 noch einmal mit geringer militärischer Begleitung nach Italien, um das Erbe der 1115 verstorbenen Mathilde von Tuszien anzutreten und ihm ergebene Leute damit zu belehnen. Mit ihm zieht der Welfe Heinrich der Schwarze, der hinnimmt,. dass der Salier das mathildische Erbe nun für sich beansprucht. Als er Rom 1117 betritt, ist der Papst nach Benevent geflohen und die Macht in der Stadt ist zwischen den Grafen von Tuskulum, den Frangipani, Pierleoni und den neu aufsteigenden Colonna umstritten.

Heinrich lässt sich vom Erzbischöf Mauritius von Braga in der Peterskirche festlich krönen, was Paschalis aus dem normannischen Exil mit dessen Exkommunikation beantwortet, und was wiederum denselben 1118 zu einer Rolle als Gegenpapst prädestiniert.

Aus dem Schutz der Normannen kann Paschalis erst nach Rom zurückkehren, als ihm die Pierleoni und die Colonna Schutz anbieten. Aber er stirbt kurz darauf und sein Nachfolger wird Gelasius. Als der Kaiser dann in Rom erscheint, flieht er. Heinrich setzt einen Gegenpapst ein. Darauf wird Heinrich selbst vom Papst gebannt, der mit seinem Auftreten in deutschen Landen droht. Als sich darauf die Situation verschärft, muss er 1118 zurück nach Deutschland.

Als Gelasius vor dem Adelshaus der Frangipani nach Frankreich flieht, wird Calixt II., bislang Erzbischof von Vienne und erbitterter Gegner Heinrichs, 1119 zum Papst gewählt. Mit ihm beginnt eine neue Phase von Verhandlungen zwischen Vertretern beider Seiten, die in dem Hoftag von Tribur im Sommer kulminieren. Sowohl Anhänger wie Gegner Heinrichs V. sind anwesend sowie Gesandtschaften aus Rom und Vienne. "Dabei wurde die Anerkennung Calixts II. als selbstverständlich vorausgesetzt und als vollzogen betrachtet; auch Heinrich V. ließ stillschweigend seinen Papst fallen." (Büttner in: Investiturstreit, S.401).

Der König beginnt, um die königliche Macht auch im Norden zu festigen und damit das Konfliktpotential mit dem Papsttum aus den deutschen Machtkonflikten herauszuziehen, mit ernsthafteren Verhandlungen mit Vertretern des Papstes. Der König versteht endlich, dass die Verquickung von Investiturproblematik, auf die sich die Kirchenreform nun zugespitzt hatte, und Fürstenopposition nur durch einen Ausgleich mit dem Papst, eine Kompromisslösung aufgebrochen werden kann.

 

Friedrich II. von Schwaben vertrat den König während seiner Abwesenheit im Reich und begann, Mainzer Gebiet für sich zu gewinnen. In Zusammenarbeit mit seinen Bürgern gelingt es dem Erzbischof dann zurückzuschlagen und den Staufer auch aus seinem Oppenheim zu vertreiben. Zum Dank gibt Adalbert seinen Bürgern ein großes Stadtprivileg, etwas, was bislang Königsrecht war. 

 

Auf der Synode in Reims befindet sich der Papst auf französischem Gebiet, während Heinrich V. sich zwischen Verdun und Metz aufhält. Boten gehen hin und her und dann scheitert ein Treffen in Mouzon, bei dem der Papst die entschädigungslose Aufhebung des Investiturrechtes verlangt. Wilhelm von Champeaux, gelehrter Bischof von Châlons, versichert dazu dem Kaiser, auch ohne Verleihung von irgendetwas dem König doch dient de tributo, de milicia, de theloneo et de omnibus que ad rem publicam pertinebat antiquus, sed a regibus christianis ecclesie Dei donata sunt. (bei Classen in: Investiturstreit, S.421).

Heinrich V. wird in Gegenwart der Bischöfe von Mainz und Köln erneut exkommuniziert.

 

Als Heinrich 1121 gegen Mainz anrückt und die Stadt belagert, sammelt sich ein vorwiegend sächsisches Heer, um die Stadt und das Erzbistum zu schützen. Bevor es zum Kampf kommt, beschließen 24 Große des Reiches eine Schwurgemeinschaft, die auf einem Reichstag zu Würzburg eine für den König bindende Kompromisslösung finden soll und ihm gemeinsam die Zustimmung abverlangt.

Man trifft sich derart, dass der Kaiser in Würzburg ist und die papsttreuen (Erzbischof Adalbert, die sächsischen Truppen u.a.) einen Tagesmarsch entfernt.

 

Der Beschluss vom Würzburger Reichstag zeigt die neue Kräfteverteilung:

Dies ist der Beschluss, zu dem die Fürsten übereingekommen sind hinsichtlich der Kontroversen zwischen dem Herrn Kaiser und dem Reich. (…) Der Herr Kaiser soll dem päpstlichen Stuhl gehorchen. (dominus imperator apostolice sedi obediat.) Bezüglich des Schadens, den er der Kirche zugefügt hat, wird mit Rat und Hilfe der Fürsten zwischen ihm und dem Herrn Papst ein Ausgleich geschaffen, und der mit dem Papst zu schließende Frieden muss fest und unverbrüchlich sein, so dass der Herr Kaiser erhält, was ihm und dem Reich zugehört, und dass die Kirche und ein jeder das Seine in Ruhe und Frieden besitzen könne. (…) Was das betrifft, dass die Kirche gegen den Kaiser und das Reich wegen der Investitur Klage führt, so werden die Fürsten sich ohne List und ohne Heuchelei bemühen, dass das Reich in dieser Sache seinen honor erhält.

 

In diesen Ausgleich akzeptiert nun der Kaiser, dass der Kreis der Fürsten einbezogen wird. In der Würzburger Abmachung zwischen dem Imperator und dem regnum, welches vor allem aus den principes besteht (Büttner). Ekkehard von Aura für Würzburg beschreibt das so:

Eine Woche lang kamen sie täglich zu einer gemeinsamen Versammlung zusammen und verhandelten unablässig und eingehend über das gegenwärtige Schisma zwischen König- und Priestertum. Mochten auch einige, die den Frieden hassten, versuchen, neue Ärgernisse den alten hinzuzufügen, so konnte doch niemand der Absicht und der Anordnung Gottes entgegenwirken, auf Grund derer so viele Häupter des Staates (tot Capita rei publice) zusammengekommen waren. Darum gestand Kaiser Heinrich endlich in Erinnerung an sein Versprechen voll und ganz zu, dass alle verhandelten Fragen nicht durch sein Urteil und nach dem Bestreben einiger seiner Leute, sondern nach Fürstenbeschluss abgeschlossen wurden.

 

Das später von Leibniz so genannte Wormser Konkordat von 1122, in dessen Zusammenhang Heinrich auch wieder in die Kirche aufgenommen werden kann, wird zwischen den päpstlichen Legaten und dem Kaiser geschlossen. "In Rom feierte man den Abschluss (...) als Sieg, indem man auf einem Mosaik im Lateranpalast den Kaiser abbildete, wie er dem Papst die lesbar wiedergegebene Verzichtsklausel übergab..." (P.Classen in: Investiturstreit, S.416). In die großen Kirchenrechtssammlungen wird es aber nicht aufgenommen, und der genaue Text gerät bereits wenige Jahrzehnte später auch im Reich in Vergessenheit.

 

Die knappe Substanz ist nicht nur gedanklich schon länger vorbereitet: Der Kaiser hat in deutschen Landen das Recht, bei der Bischofswahl anwesend zu sein (concedo electiones episcoporum et abbatum Teutonici regni, qui ad regnum pertinent, in presentia tua fieri), gesteht kanonische Wahl zu (absque simonia et aliqua violentia), hat ein unklares Entscheidungsrecht im Fall der Uneinigkeit der Wähler (ut, si qua inter partes discordia emerserit, metropolitani et comprovincilium consilio vel iudicio saniori parti assensum et auxilium prebeas), verzichtet auf die Investitur mit Ring und Stab, darf aber den gewählten Bischof in deutschen Landen vor der Weihe unter symbolischer Nutzung des Szepters mit den Regalien investieren. Electus autem regalia per sceptrum a te recipiat, et quae ex his iure tibi debet faciat, heißt es in der Papsturkunde. In Italien und Burgund (ex aliis vero partibus imperii) geschieht das allerdings erst nach der Weihe (infra sex menses).

 

Zwei Punkte werden wohl bewusst unklar bzw. recht offen gelassen. Das zweimalige et quae ex his iure tibi debet faciat der Prälaten, also ihre Verpflichtungen gegenüber dem König, werden nicht näher benannt. Homagium und Treueid sind dabei aber wohl implizit enthalten, da vom König nie darauf verzichtet wurde, der Papst aber kann das gegenüber seinen Anhängern kaum explizit ausdrücken. Ausgenommen werden zudem omnibus, que ad Romanam ecclesiam pertinere noscuntur. Es wird also zwischen vom König verliehenes Gut und Eigengut der Kirche unterschieden, was sich dann aber in der Praxis nicht wird durchsetzen können.

 

Boshof fasst die Konsequenzen so zusammen: „Nun bestimmte sich ihr Verhältnis zur Zentralgewalt von lehnsrechtlichen Kategorien her; sie wurden Vasallen des Königs. Die geistlichen Szepterlehen glichen sich den weltlichen Fahnenlehen an; die hohen Geistlichen wurden Reichsfürsten, die aus politischen Interessen immer häufiger die Gemeinschaft mit den weltlichen Fürsten suchten – und dies auch gegen den König.“ (S.297) Dies allerdings ist ein Vorgang von mehreren Jahrzehnten danach. Aus dem servitium regis wird dabei dann eine lehnsrechtlich bestimmte begrenzte Pflicht.

 

Mit der unterschiedlichen Behandlung von regnum Teutonicum einerseits und Italien und Burgund andererseits wird zum ersten Mal in einer rechtskräftigen Urkunde ein deutsches Reich erwähnt, auch wenn es in Zukunft weiter namentlich ein „römisches“ bleibt, welches nicht nur geographisch, sondern auch strukturell vom übrigen Kaiserreich getrennt wird. Der Begriff von einem „deutschen Reich“ wurde im Investiturstreit unter Heinrich IV. zum ersten Mal benutzt, und zwar sowohl von Gregor VII. wie von seiner Partei in den deutschen Landen. Kurz darauf beginnt der Ausdruck 'Kaiser und Reich' üblich zu werden, wobei sich "Reich" mit den Fürsten identifizieren lässt, während König bzw. Kaiser und Reich nicht mehr automatisch zusammenfallen.

 

Tatsächlich ändert sich durch die Bestimmungen von 1122 nicht wirklich viel, sondern Dinge werden eher rechtlich bekräftigt: Wie bei den Übereinkünften zuvor für Frankreich und England wird festgeschrieben, dass die Kirche weiter von sehr weltlichen Besitzungen und Rechten lebt und damit weltliche Herrschaft ausübt, soweit eben auch der königlichen Macht untersteht, von der diese abgeleitet ist.  Und dass die (geistliche) Weihe von der Kirche vorgenommen und vom Papst mit der Überreichung des Palliums bestätigt wird, ist auch nicht neu. 

 

Mit dem rechtsförmigen Regalienbegriff wird Geistliches und Weltliches für alle Zukunft getrennt, Lehnsrecht und Kirchenrecht laufen nun nebeneinander her. "Kein Bischof oder Abt kann Lehnsherr sein, ohne selbst belehtn zu sein, gleichgültig, welches der Gegenstand des Lerhens ist." (P.Classen in: Investiturstreit, S.427) Classen nennt das "Feudalisierung der Reichskirche".

 Nach und nach fallen dann regalia und temporalia begrifflich zusammen. Die Reichskirche erhält nun zwei Herren und zwei Loyalitäten, eine geistliche und eine weltliche, was erst mit Luther und deutschen Landeskirchen sich wieder ändern wird.

 

Tatsächlich wird also ein Stück weit eine Trennung von Kirche und Staat vollzogen. Das Verhältnis der Bischöfe zum König "bestimmte sich (nun) von von lehnsrechtlichen Kategorien her; sie wurden Vasallen des Königs. Die geistlichen Szepterlehen glichen sich den weltlichen Fahnlehen an; die hohen Geistlichen wurden Reichtsfürsten, die aus politischen Interessen immer häufiger die Gemeinschaft mit den weltlichen Fürsten suchten - und dies auch gegen den König. In diesem Sinne hat man von einer Feudalisierung der Reichskirche gesprochen". (Boshof, S.297) Zugleich verliert der König/Kaiser auf diese Weise seinen Einfluss auf die Besetzung des Stuhles Petri.

 

Im Kern wird damit genau das betrieben, was die Reformkirche einst abschaffen wollte, nämlich die Verweltlichung der Kirche. Der Reichtum der Bischöfe wird bestätigt so wie ihr sehr weltliches Machtstreben, zugleich wird aber genau das nicht mehr an den geistlichen Auftrag der Kirche gebunden, sondern insbesondere im regnum der Teutonen über Verleihung an den weltlichen Oberherren. Protz im Kirchenbau und die neuartige Ausstattung derselben werden diese Verweltlichung seit der Spätzeit der Romanik demonstrieren. „Im Grunde hat die fortschreitende Feudalisierung die Bindung an die Welt, die Verquickung mit weltlichen Angelegenheiten noch verstärkt, und das lag letztlich sogar im Interesse der Mehrheit dieser Bischöfe und Äbte, die aus der Aristokratie hervorgingen und wie diese herrschaftlich dachten.“ (Boshof, S.298) Leute wie Gerhoch von Reichersberg werden das Ende des langen Konfliktes begrüßen, aber nicht die daraus folgende Verweltlichung der Bischöfe, deren militärische Bedeutung im "römischen" Reich eher noch steigt.

 

Weinfurter fasst das so zusammen: „Der große Gewinner des Wormser Konkordats aber waren die Bischöfe. (…) Sie waren nun – rechtlich von Papst und Kaiser abgesichert – auf dem Weg zu geistlichen Reichsfürsten. Durch ihre lehnsrechtliche Bindung an den König begann sich allmählich die gesamte Reichsstruktur zu ändern hin zu einer lehnsrechtlichen Ordnung. Auch bei den weltlichen Fürsten schälte sich im späteren 12. Jahrhundert eine Spitzengruppe heraus, die sich lehnsrechtlich definierte und abgrenzte. Das Reich begann sich – abgeleitet vom Wort feudum für Lehen – zu >feudalisieren<. (S.206)

 

Nicht alle Vertreter der papstkirchlichen Sache waren allerdings zufrieden. Erzbischof Adalbert von Mainz beklagt den Kompromiss als Abweichen von den bisherigen Maximalforderungen der papsttreuen Partei im Reich in einem Brief nach Rom.

 

Gewinner sind aber schon durch die massive Mitwirkung der Fürsten am Konkordat diese selbst. Indem das regnum Teutonicum Ansätze einer Rechtsform gewinnt, entwickelt es sich zugleich zu einer Assoziation mächtiger Fürsten. Das das aber nicht definitiv ethnisch gemeint ist, belegen die slawischen Anteile östlich der Elbe und in Böhmen und die geringen romanischen südlich des Alpenkamms und die größeren im Westen. Insbesondere wird nun jeder größere Eingriff in Reichsgüter und Rechte in Zukunft zunehmend auf die Mitwirkung der Fürsten und ihre Beschlüsse angewiesen sein. Während in Frankreich ein Weg in zunehmende Königsmacht verläuft, gehen die deutschen Lande (und Italien) in die entgegengesetzte Richtung.

 

Die zunehmenden und sich anders als in deutschen Landen begründenden Machtansprüche der französischen Krone, die immer deutlicher mit einem sehr neumodischen Nationalismus operiert, werden eine tendenziell nationale Kirche hervorbringen, die sich dann politisch instrumentalisieren lässt. Englischer Nationalismus wird erst über den Verlust kontinentaler Gebiete groß werden und zu geringerer nationaler Bindung der Kirche führen, was deren Verstaatlichung unter dem achten Heinrich leichter machen wird.

 

Die Identität von „deutschem“ Königtum und römischem Kaisertum, die sich seit Otto d. Gr. eingeschlichen hatte, wird formell gelöst, was noch Folgen haben wird. Der Aufstieg eines Teils der Erzbischöfe in einen neuen Fürstenstand wird die Kirche als Basis eines starken Königtums verschwinden lassen. Zunächst noch wenig dokumentiert, wird das überall zu einer Entfremdung zwischen Teilen der Bevölkerung und des kirchlichen und monastischen Christentums kommen lassen, wird die Verweltlichung der Bevölkerung und in die Entstehung religiöser Volksbewegungen fördern.

 

Das Papsttum, dem Einfluss der Kaiser entzogen, wird zu einem mit Königen konkurrierenden und sich verbündenden Fürstentum mit eigener territorialer Macht, welches in seinem Anspruch an Universalität weiterhin potentieller Gegner der Kaiser bleibt.

Das alte Kernland des lateinischen Abendlandes ist gescheitert, bevor es zu einem einheitlichen Gebiet werden konnte.

 

Während Sachsen immer noch außerhalb der königlichen Kontrolle ist, verstärkt sich das salisch-anglonormannische Bündnis. 1123 kam es zum Aufstand der Normandie und Heinrich V. eilt seinem Kollegen Heinrich I. zur Hilfe. Als er allerdings mit kleinem Gefolge nach Reims zieht, schafft es Ludwig VI. bei den französischen Großen patriotische Gefühle zu entflammen, und sie scharen sich um ihn.

 

Als dann auch die Stadt Worms im Konflikt mit den Staufern vom König abfällt, stirbt Heinrich nach Eroberung der Stadt Als er merkt, dass er stirbt, macht er den Staufer Friedrich zu seinem Erben. Witwe Mathilde wird nach England zurückkehren und 1129 Gottfried von Anjou heiraten und damit das Haus Anjou-Plantagenet begründen.

 

Unter den Fürsten setzt der sterbende Kaiser auf den Staufer Friedrich. Aber Erzbischof Adalbert von Mainz drückt Lothar von Supplinburg durch, den schärfsten Gegner der Krone und Bündnispartner der bislang feindlichen Päpste.