STADT ITALIEN 4 (1300-1530)

 

Siena 1287-1355

Florenz 1310-48

Florenz 1348-78

Siena 1355-1400

Ciompi

Oberschicht

Proletarisierung

Florenz 1382-1421

Geschäftsleute: Karrieren

Florenz von 1421 bis zur Habsburger Dominanz

Mailand

Venedig (Historische Legendenbildung / Die Kunst der politischen Propaganda)

Genua

Pisa

Rom und der Kirchenstaat

Der Süden

 

 

 

 

In Italien ist für das späte Mittelalter massiv zu unterscheiden zwischen den hochkapitalistischen Stadtstaaten des Nordens und den beiden Sizilien im Süden.

Ein Musterbeispiel für den Norden ist Florenz, welches mit seinen städtisch-kapitalistischen Interessen die Toskana dominiert. Daneben behauptet sich noch die Seiden- und Bankenstadt Lucca. Die von Florenz eroberten Städte werden in ihren wirtschaftlichen Möglichkeiten stranguliert durch Unterbinden der Tuchproduktion mit Ausnahme des Wolltuchs von Prato und der Seide von Pescia. Das Land wird über starken Steuerdruck und andere Maßnahmen gezwungen, seine Erträge zugunsten der Städte und insbesondere von Florenz abschöpfen zu lassen, Der fehlende Anreiz für die Bauern führt zu weiterhin relativ geringer Produktivität insbesondere beim Getreideanbau. Entsprechend muss die Stadt Florenz immer wieder aus der Ferne zukaufen.

 

Mit dem genuesischen Sieg über Pisa bei Meloria 1284 verliert diese Stadt ihre politische Macht und gibt ihre wirtschaftliche an Handelsmächte wie Genua und Venedig ab, die sie als Zwischenhafen nutzen. Viele katalanische Handelsfirmen lassen sich hier nieder und florentinische wie die Bardi, Peruzzi, Acciaiuoli und Buonaccorsi. Je mehr die Handelsstadt so neu aufblüht, deston größer werden die Begehrlichkeiten von Florenz, welches sein Staatsgebiet immer mehr erweitert.

 

****

 

Der Popolo ist so wenig wie der Adel eine einheitliche Gruppe. Das „Volk“ als bürgerliche Kapitaleigner ist geschichtet nach der Profitabilität ihrer Gewerbe. Oben als Spitzen des Reichtums befindet sich der Seehandel und der Fernhandel über Land sowie die Geldwirtschaft. Mit Teilen des „Adels“, also der alten Familien, verbindet diese Leute ein gemeinsames wirtschaftliches Interesse, ebenso dort, wo Reichtum aus langsam kapitalistiertem Großgrundbesitz entsteht oder aus großem Immobilienbesitz in den Städten. Gegen sie gerichtet ist ihr politisches Interesse an entweder der Partizipation an den hergebrachten Adelsprivilegien oder stattdessen der Institutionalisierung solcher Ämter so, dass sie unter die allgemeine Verfügung des größeren Kapitals gelangen.

 

Das Papsttum macht vor, was in den Städten stattfindet: Papst Bonifaz VIII. ist primär ein Machtpolitiker, der sein Fürstentum, den päpstlichen Staat, im Konzert der Großmächte solide in Italien etablieren möchte und dafür europäische Politik betreibt. Das Jubeljahr 1300 dient auch zu diesem Zweck, aber das hindert Hunderttausende nicht daran, nach Rom zu pilgern, wo das das Geschäft befördert.

 

Eine neue Einnahmequelle ist die Besteuerung des ländlichen Territoriums um die Stadt herum und dann auch die Abgabenlast, die eroberte Städte zu tragen haben. Neue Steuern und Abgaben wurden erfunden, am Ende auch immer mehr indirekte Steuern auf immer mehr Waren. Das Eintreiben der Steuern wird zunehmend verpachtet, eine wichtige Einnahmequelle auch für die Pächter. Dazu kommen Kriegsanleihen, Zwangsanleihen und was immer den Mächtigen so an Neuerungen einfiel.

 

 

Im 13. Jahrhundert verbürgerlichen die Städte, werden zu politischen Einheiten, aber die immer weiter zunehmende Kapitalkonzentration führt zur politischen Entmachtung dieses mittleren Bürgertums. Bevor territoriale Fürsten von außen die Städte übernehmen, geraten sie entweder in die Hände neuer, nun „politisch“ begründeter Stadtherren meist aus dem Hochadel, oder aber die neue kapitalistische Oberschicht übernimmt die Stadtherrschaft und schließt sich dabei nach unten ab.

 

In Venedig entwickelte sich dieses oligarchische Element ziemlich bruchlos, da es hier sowohl an auf Großgrundbesitz gegründetem Adel fehlte, als auch das produktive Element durch die Dominanz des Fernhandels über See immer gering war. Andere Städte wie Genua, Bologna und Perugia pendeln zwischen despotischem und oligarchischem Regiment. In Florenz steigen die Medici nach und nach in eine de facto fürstliche Position auf, ohne die „republikanischen“ Strukturen zu beseitigen.

 

 

Siena 1287-1355

 

 

1277 schließt die populare Partei die ghibellinischen Patrizierfamilien (um die Salimbeni) aus dem oberen Rat aus und bildet einen Rat der oberen Mittelschicht. 1280 wird dieser Rat auf 15 Mitglieder verkleinert und 1285/87 durch einen jeweils zweimonatigen Neunerrat, das concistoro, ersetzt, die sogenannte 'Gute Regierung' zwischen 1287 und 1355.

Reiche Kaufleute, Bankiers und eine Anzahl mittlere, Bürger bilden die soziale Basis. "Neureiche, Juristen, Ärzte und fast alle Adeligen waren von den regulären Schlüsselämtern ausgeschlossen. Die Neun kontrollierten direkt die Nominierungen für die allgemeine Legislative und für das führende Amt des Fiskus, die vier Provveditori di Biccherna. … Bis 1318 wählten die abtretenden Neun, der Podestà, der Capitano del Popolo und die vier Chefs der Mercanzia, der Gilde der Bankiers und Großhandelskaufleute in einer geheimen Versammlung die folgenden Neun. Ab 1318 wählte der allgemeine Rat die Neun in einem komplexen System des Los-Ziehens. Die Namen der für diese Würde Wählbaren wurden jedoch von den noch im Amt befindlichen Neun bestimmt. Dies bedeutete nicht die einzige Kontrolle, denn die Mitglieder des allgemeinen Rates wurden von einer Versammlung der Neun, des Podestà, der vier Provveditori di Biccherna, den vier Konsuln der Mercanzia und den Konsuln der Ritterschaft gewählt. Die Neun wählten ebenso die Provveditori und den Podestà.“ (Martines, S.207, in meinem Deutsch)

 

Dieser "bürgerliche" Neunerrat regiert rund siebzig Jahre. Die Territorien des Staats werden vergrößert, ein freundschaftliches Bündnis mit Florenz wird gepflegt und der Handel blüht. Das Gebiet für den Seneser Hafen in Talamone wird 1303 erworben und der Hafen wird ausgebaut. 1321 wird eine Universität  durch die Einführung von Gelehrten aus Bologna wiederbelebt.

 

Seit 1327 finanziert die Stadt den Condottiere Guidoriccio da Fogliano. Mit ihm wird Krieg mit Pisa und den Aldobrandeschi in den Maremmen ausgetragen. 1328 eroberte er gegen Castruccio Castracani nach siebenmonatiger Belagerung den Ort Montemassi, worauf der Rat Simone Martini das Fresko Guidoriccio da Fogliano all’assedio di Montemassi für den Palazzo Publico in Auftrag gibt.

 

 

Florenz 1310-1348

 

Das 14. Jahrhundert sieht die Tuchstadt Florenz in voller Blüte. An die Stelle der Verfeinerung niederländischer Halbfabrikate tritt nun zur Gänze die Produktion von eigener Qualitätsware, aus englischer Wolle hergestellt.

 

1310 zieht König Heinrich VII. nach Italien und lässt sich in Rom krönen. Er hatte verkündet, ein Kaiser über allen Parteien zu sein, aber die Städte und das Regno unter Robert von Neapel sind misstrauisch. Es gelingt dem Kaiser auf dem Rückweg von der Krönung 1312 nicht, sich gegen Florenz zu behaupten. Sein Vorrat an Kriegern und Geld ist fast erschöpft. Im folgenden Sommer stirbt er in Buonconvento bei Siena an Fieber.

 

Adel und Großkapital waren in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts zu einer Machtelite verschmolzen, denen unter der Führung der übrigen Kaufleute und Bankiers als Popolanen das Kleinbürgertum und die Arbeiterschaft als popolo minuto gegenüberstehen.

 

1315 findet eine Reform der Besteuerung der Zünfte (artes) statt. Bislang waren ihre Vermögen als Summe der Besitztümer der einzelnen Firmen zusammen geschätzt und kollektiv von den jeweiligen Zünften eingezogen worden. Nun kommt es zur staatlichen Abschöpfung eines Teils eines jeden Warenumsatzes. Zur Kontrolle werden alle Betriebe zur Buchführung verpflichtet. Nachbarschafts-Komitees machen Einschätzungen. Im November 1315 wird dann festgelegt, dass auf kaufmännische Umsätze, wie Raith errechnet hat, rund 0,83% Steuern zu zahlen sind, während Ärzte, Richter, Bäcker, Schneider das Dreifache zahlen. Schlachter zahlen auf jedes Stück Vieh, Gastwirte für Einnahmen aus Übernachtungen auf jedes abgestellte Pferd und zudem rund 1,7% auf Essen und Getränke. Schon 1301 war es zu einer offiziellen Einteilung der Gewerbe gekommen, auf die nun zurückgegriffen wrd. Geschäfte im Wert von über 20 librae dürfen nur noch in Gegenwart eines vereidigten Beamten, des Sensals, abgewickelt werden. (u.a. Raith, S.83)

 

Die Masse der Wertschöpfung liegt in dieser Zeit beim produktiven Gewerbe, die großen Reichtümer werden aber von den Firmen im Großhandel und der Finanzwirtschaft gemacht. Dort sind in wenigen Jahren hohe Gewinne auf eingesetztes Kapital zu erzielen, in dieser Zeit zwischen 10 und 50% schwankend. Solche hohen Gewinne erreichen die Strozzi, Bardi und Peruzzi.

 

Dem Reichtum der wenigen steht die Armut und relative Rechtlosigkeit der vielen gegenüber. Arbeitsverträge sind, sofern überhaupt vorhanden, kurzfristig. Die Löhne dienen für viele höchstens zur notdürftigen Subsistenz. Während das Kapital in den 1252 eingeführten Goldflorinen rechnet, deren Edelmetallwert stabil blieb, wird in Silberwährung entlohnt, dessen Wert sich während des 13. und 14. Jahrhunderts laufend verschlechtert.

 

Die Arbeitszeit beginnt nach Sonnenaufgang nach der Frühmesse. Die ars lana hat überall Glocken aufgestellt, die zur Arbeit läuten. Arbeitsschluss ist bei Sonnenuntergang. Aufseher kontrollieren in den größeren Betrieben. Zwar gibt es außer den Sonntagen noch viele Feiertage, aber deren Zahl ist auf dem Weg in die „Neuzeit“ eher rückläufig

 

Arbeit unter den Bedingungen der Kapitalverwertung erbringt dasselbe Existenzminimum wie vorher unter einem Herrn auf dem Lande, aber nun als Teil der Warenwelt. Losgelöst vom Grund und Boden, auf/aus dem Erträge erwirtschaftet werden, ist der Arbeitende nun etwas weniger Wind und Wetter ausgesetzt, aber dafür den Konjunkturen des Marktes. Solange er Arbeit findet, ist die Arbeitszeit durchs Jahr gesehen nun länger, tendenziell weniger vielfältig, monotoner, und in der Arbeit dominieren viel stärker die Zwecksetzungen des Kapitaleigners. Seine Lebensperspektive ist wesentlich ungewisser geworden und er hat kaum mehr Rechte als vorher.

 

Arbeitskonflikte kommen vor mit Meistern bestückte Zunftgerichte, die ars lana besitzt sogar ein eigenes Gefängnis. (Raith, S.98) Versuche, sich zu organisieren, sind selten und werden brutal unterdrückt.

 

Frauenarbeit ist üblich und Kinderarbeit nicht selten. Besonders stark sind Frauen in der Spinnerei und Weberei vertreten. Grundsätzlich könnenen Frauen auch Meister werden und so Mitglied in einer Zunft. Aber das ist selten.

 

In den großen Städten findet Segregation statt. An zentralen Stellen massieren sich die Paläste der Reichen, an der Peripherie entstehen die Viertel mit den bezahlbaren Mietwohnungen der proletarisierten Massen. Die Pracht eines enormen Baubooms betrifft städtischen Adel und damit verwobene große bürgerliche Kapitaleigner, die Kirche und die Orden. Was Touristen heute bewundern, ist zu Stein geronnene Armut der Bauarbeiter und „Kunst“ als propagandistischer Luxus einer winzigen Oberschicht. In der Regel blieb den Armen nur die Identifikation mit Macht und Reichtum. Bei Großereignissen wie der Grundsteinlegung für die protzig groß konzipierte Kathedrale Santa Maria del Fiore konnten sie im Hintergrund anwesend sein, an keinen Entscheidungsprozessen beteiligt und gerade so als Arbeitskraft geduldet.

 

Der Stadtstaat mit seinem Territorium lädt dabei zum Lokalpatriotismus ein, Vorläufer des Nationalismus. Kriege helfen der Armut, sich mit dem Reichtum zu identifizieren. Aber es gibt keinerlei direkte Äußerungen dieser in aller Regel illiteraten Leute, die auf uns heute überkommen sind. In den Texten und Bildern derjenigen, die nicht dazugehören, sind die Massen ein Randphänomen, Kulisse, oder sie werden ignoriert. In Boccaccios 'Decamerone' tauchen immerhin die kleinen Geschäftsleute der bürgerlichen Unterschicht auf, Handwerker, Gastwirte usw.

 

In den Konflikten zwischen verschiedenen Gruppen des Kapitals spielt das wachsende Proletariat der lohnabhängigen Besitzlosen eine wichtige Rolle insofern, als es von Parteiungen, wie sie sich in den schwarzen und weißen Guelfen herauskristallisiert hatten, zunehmend eine Rolle als manövrierbare Masse auf den Straßen und Plätzen bekommt.

Auf Land basierender Adel und großes Kapital sind inzwischen verschmolzen. Konflikte unterschiedlicher Parteiungen unter Anführerschaft mächtiger Familien dürften manchmal auf unterschiedlichen Handels- und Finanzinteressen beruhen, manchmal aber auch nur auf handfesten und lang tradierten Animositäten untereinander. Insgesamt aber decken sich die ökonomischen Interessen der großen Magnaten-Familien.

 

Die expansionistische Politik des Stadtstaates Florenz wird immer aggressiver. Es kommt wieder einmal zum Krieg gegen Lucca, der 1315 zur Niederlage von Montecatini und 1325 zu der bei Altopascio führt. Die Stadt hat nur noch 500 Mann heimisches Militär, daneben 1500 Deutsche, Franzosen und Katalanen. Das öffentliche Defizit steigt an.

 

 

Im April 1328-29 kommt es unter einem Regiment der Spitzen von Cambio, Calimala, Lana und Seta zu einer der periodischen Hungersnöte, diesmal ausführlicher im 'Specchio Umano' des Getreidehändlers Domenico Lenzi beschrieben: Die Leute flüchten vom Land in die Stadt, wo jetzt Getreide subventioniert und gratis an Hungernde ausgeteilt wird. Der freie Verkauf von Getreide wird eingestellt. Militär sucht nach gehorteten Vorräten. Im Juni sind die Vorräte aufgebraucht. Erst 1331 kehren dann die alten Getreidepreise wieder zurück..

 

Die Arte della Lana übeflügelt die Calimala an Einfluss. Der Eintritt in die Arte ist inzwischen ausgesprochen teuer. 1332 hat sie 672 Mitglieder bei vielleicht bis zu 30 000 Menschen in der Wollindustrie. 1332 entsteht ein neuer Zunftpalast mit einem Brutusbild: Er hatte als erster Konsul Roms seine Söhne zum Tode verurteilt, weil sie die Monarchie wiederherstellen wollten, zumindest der Legende nach.

 

Venedig bleibt das Drehkreuz für den florentinischen Levantehandel und das Wechselgeschäft. Vermutlich sind nirgendwo mehr florentinische Firmenniederlassungen (Goldthwaite, S.181) und zudem wandern viele Wollproduzenten hierhin aus, um näher am Exportzentrum für ihre Produkte zu arbeiten.

Aber die großen Firmen sind nicht auf eine Region spezialisiert. Die der Alberti del Giudice zum Beispiel mit Vertretern in Venedig, Neapel, Bologna und anderswo präsent. Nach 1320 findet beschleunigt der Übergang vom Handel mit (flämischen) Tuchen und von der Verfeinerung von dortigen Halbfabrikaten zur kompletten Tuchproduktion in Florenz statt. Große Firmen kombinieren nun Investitionen in Handel, Produktion und Geldgeschäfte.

 

Im November 1333 kommt es zu Regenfluten und Überschwemmungen, im Baptisterium bis hoch zum Altar. Giovanni Villani: Ich habe diese Meinung über die Flut. Mit Hilfe der Naturgesetze hat Gott uns wegen unserer außerordentlichen Sünden gerichtet.

Neben solchen frommen Ansichten wird aber die von der Gemeinde kontrollierte Getreideversorgung mit dem Baubeginn des Getreidespeichers von Orsanmichele 1336 forciert. Schon länger subventioniert die Stadt bei Knappheit den Getreidekauf in der Ferne, auch durch Zollsenkung, Kontrolle der privaten Vorräte und Maßnahmen gegen Spekulanten.

 

 

1339 erklärt Edward III. praktisch seine Zahlungsunfähigkeit. 1343 Bankrott der Peruzzi, 1346 der Bardi. Zwischen 1333 und 1346 gibt es 350 bankrotte Firmen. Run der ausländischen Gläubiger. Massive Rezession, Preisverfall.

 

Für 1340 schreibt Villani von 15 000 Toten einer Epidemie.

 

1342 wird von Kreisen der Oberschicht Brienne de Gauthier (Walter von Brienne), mit dem Titel Herzog von Athen versehen, in die Stadt gerufen und mit quasi despotischen Mitteln ausgestattet. Er bedient sich zunehmend der Unterstützung durch den popolo minuto und das besitzlose und politisch rechtlose Proletariat, denen er neue Formen der Organisierung und politische Beteiligung zuspricht. Ein Jahr später setzt nach Vertreibung des Herzogs die Reaktion ein. Dagegen wiederum wenden sich die Arbeiter insbesondere der Wollverarbeitung, Raith spricht von einer ersten übergreifenden „Arbeitsniederlegung“ und von „Streik“ (S.43).

 

1341/42 ist die Gemeinde praktisch bankrott, trotz eines Zinsmoratoriums auf öffentliche Anleihen und immer weiter steigende Steuern auf Brot und Getreide. März 1342 bieten die Unternehmer-Eliten Walter de Brienne den Oberfehl über die florentinischen Truppen an. Bardi, Frescobaldi und Pazzi dürfen aus der Verbannung zurückkehren.

 

Die Verschuldung hat Anteil am Frieden mit Lucca, es kommt zu einer drastischen Senkung der Militärausgaben und Rückforderung illegal angeeigneten Komunalbesitzes durch Oberschicht-Familien. Die Färber dürfen aus der Kontrolle der Lana und für kurze Zeit immerhin eine eigene Zunft gründen. Kleine Händler und Handwerker dürfen Gonfaliere della Giustizia und Priore werden. Die Wollarbeiter dürfen sich in einer Bruderschaft organisieren und so in Prozessionen mitmarschieren. Für das Johannisfest ordnet Brienne an, dass die Prozession nicht mehr nach Nachbarschaften, sondern nach Zünften geordnet sein soll.

 

Arbeiter rotten sich vor dem Lanapalast zusammen und schreien: Tod dem Magistrat und den Reichen. Das Großkapital organisiert die Vertreibung Walters und stachelt dazu wiederum Massendemonstrationen an. Er flieht.

Der Rat der Vierzehn senkt darauf die Steuern der Reichen und schafft die Wollfärberzunft wieder ab.

 

Im September 1343 kommt es zu Demonstrationen der Mittel- und Unterschicht. Paläste der Pazzi, Bardi, Cavalcanti, Frescobaldi werden gestürmt und gebrandschatzt. Die Prioratsverfassung und die Ordinamenti werden wieder in Kraft gesetzt. 530 Adelige verlassen ihren Magnatenstatus und lassen sich verbürgerlichen, nachdem Magnaten der Zugang zu politischen Ämtern gesperrt wird.

 

Es gibt eine Regierung der mittleren und kleinen Zünfte und es kommt zum Aufstieg vieler Neubürger in die Politik. Giovanni Villani schreibt übertreibend: „Wir stehen jetzt unter der Herrschaft der Handwerker und kleinen Leute.“

 

Mit dem Frieden mit Pisa und Lucca werden revoltierende Städte aus der Florentiner Oberhoheit entlassen. Die Bankrotte von Bankhäusern gehen weiter, andere profitieren davon. Zwischen 1340 und 47 kommt es wegen schlechter Witterungsbedingungen erneut zu Hungersnöten.

 

 

Inzwischen verzehntfacht sich das öffentliche Defizit zwischen 1303 und 1338.

Zunehmende Finanzierung der Staatsschuld neben den indirekten Steuern über Anleihen, deren Zinsen - zunächst 5% -  wiederum über die indirekten Steuern finanziert werden. 1343-45 wird der bisherige ad-hoc-Haushalt in einen "Schuldenberg" konsolidiert, einen monte, eine Art gemeinsamen Topf, wie das in Genua und Venedig schon längst geschehen war. Damit steigt das Vertrauen in die städtischen Finanzen und es gibt eine Zunahme von freiwilligen Anleihen, die auf einen Markt geraten, sowohl das Kapital wie die Zinsen betreffend. Die Finanzspekulation nimmt zu.

Die Eintreibung der indirekten Steuern wurde im 13. Jahrhundert zeitweilig an Firmen verkauft, nun ist sie wieder in der Hand von städtischen Beamten.

1338 leihen die Bardi der Stadt rund 40 000 Florinen, die Strozzi 20 000.

 

1346 wird die Inquisition aus der Stadt vertrieben. Es folgt ein Interdikt mit wenig Wirkung.

 

Es findet nun der Aufstieg des Seidengeschäftes statt. Die Arte de la Seta, Por(ta) Santa Maria, schafft es, ihren Anteil am Priorat in kurzer Zeit mehr als zu verdoppeln. Arbeiterwiderstand wird mit der Todesstrafe beantwortet.

 

1347 Aufhebung des Interdikts unter Vermittlung der Franziskaner, die selbst Anteile an der Staatsschuld halten. Im Winter 1347 reist eine neue Pestwelle von Sizilien nach Norden.

 

"Künstler" sind weiter Handwerker, aber jetzt werden einige wie Arnolfo da Cambio berühmt und steigen sozial auf. Der Wohlstand führt zu steigenden Investitionen in „Kunst“. Giotto di Bondone ist in der Zunft der Ärzte, Apotheker und Gewürzhändler. Er besitzt zumindest ein Haus und einen Webstuhl, die er vermietet. 1334 wird er oberster Meister der Dombauhütte. Er übernimmt die Ausmalung der Kapellen der Bardi und Peruzzi von Santa Croce. Campanile des Doms. Selbständiger Turm des Bürgertums mit Reliefs des Andrea Pisano, auf denen bürgerliche Berufe abgebildet sind.

 

Ein weiterer "Star" unter den Künstlern wird der Bildhauer und Goldschmied Andrea Pisano. 1330-36 schafft er das südliche Bronzetür des Baptisteriums. 1340 wird er nach dem Tod Giottos oberster Dombaumeister.

 

Florenz 1348-78

 

Im 12. und 13. Jahrhundert wächst die italienische Bevölkerung insgesamt und insbesondere die der Städte rapide an. Unter anderem wegen der Epidemien des 14. Jahrhundert schrumpft sie dann ganz massiv, wird oft halbiert und holt erst teilweise bis 1500 wieder auf. Für Florenz wird die Bevölkerung von 1338 auf 95 000 geschätzt, 1526 sind es erst wieder etwa 50 000. (Martines, S.230). Preise sinken und Renditen für eingesetztes Kapital. Die „Wirtschaft“ schrumpft. Das hat aber viele verschiedene Ursachen.

 

Die Pest, was immer sich genau unter diesem Namen verbarg, schlug in großen Städten stärker zu als auf dem Lande, wo sie ganze Gegenden ausließ. Im Extremfall konnte sie schon einmal die Hälfte der Bevölkerung in kürzester Zeit hinraffen, in Florenz wird gemeinhin von einem Drittel, also mehreren zehntausend ausgegangen. Nachdem der Chronist Giovanni Villani von ihr heimgesucht wurde, schrieb sein Sohn Matteo die Chronik weiter: „Die niederen Schichten waren nach dem großen Sterben reicher und verdorbener als zuvor. Sie wollten nicht mehr in ihren überkommenen Berufen arbeiten. Sie verlangten plötzlich teure und exquisite Dinge für das tägliche Leben, und das brachte die ganze Stadt durcheinander. Die Diener, Dienstmädchen und Stalljungen verlangten einen Mindestlohn von 12 Florinen fürs Jahr und die Tüchtigen wollten sogar 18-22 Florinen. Und die Arbeiter verlangten dreimal so viel Lohn wie üblich.“

 

Vermutlich waren anteilig mehr kleine Leute als solche der Oberschicht der Epidemie erlegen. Dadurch stiegen die Löhne, und zunächst teilweise stärker als die Preise. Matteo übertreibt gerne wie sein Vater, und als Besitzbürger und Kapitaleigner entdecken sie die Veränderungen zunächst an dem „Personal“, dem Heer von weiblichen und männlichen Dienstboten, die gehobene bürgerliche Lebensführung erst ermöglichen.

 

Im Zuge dieser Entwicklung gelang es der Unterschicht der Selbständigen, die Zahl der arti minori von sieben auf vierzehn zu verdoppeln, durch Ausdifferenzierung und durch Zünftigwerden neuer Sparten. Die arti maiori wiederum werden durch Aufsteiger (auch aus den „kleineren“ Zünften) und die Nachkommen von Zuwanderern vor allem aus dem Contado aufgefüllt.

 

Die Pest von 1348 bringt nur eine Krise auf ihren Höhepunkt, welche schon vorher anfing, und am ausgeprägtesten in der Nordhälfte Italiens. Es handelte sich um eine erste Wachstumskrise des Kapitals, die durch das Massensterben nur noch weiter verstärkt wurde.

Krisen der Kapitalverwertung treten immer an Punkten auf, an denen sein inhärentes Wachstum gebremst oder ganz aufgehalten wird. Diese hier betraf vor allem Italien, für dessen größte Firmen nun deutlich wird, dass sie zwar an der Macht über ihre jeweilige Stadt partizipieren können, aber der Willkür großer Fürsten und Könige unterlegen sind. Dies wird zum Beispiel daran deutlich, wie englische Könige in den ersten Jahrzehnten des 14. Jahrhunderts mit den Krediten florentiner Firmen umgehen können, so dass diese in den Bankrott geraten.

 

Ein wesentlicher Faktor in den nord- und mittelitalienischen Städten ist die feste Etablierung des Großkapitals im politischen Bereich der Städte, der Renten interessanter macht als unternehmerische Rendite. Das große Kapital, fest in politischen Posten verankert, zieht immer mehr Einkommen daraus. Mit dem Erwerb großer Territorien durch die neuen Stadtstaaten fließt ein stattlicher Anteil kaufmännischen Kapitals aufs Land ab, in risikoärmere Investitionen in Landgüter. Das gilt für Florenz schon im vierzehnten Jahrhundert und für Venedig im fünfzehnten, als die Seewege sich verengen und stattdessen die große Landmasse des Veneto dazugewonnen wird.

 

Zugleich erweisen sich die Grenzen des Wachstums aber sozusagen zu Hause. Zentrales Element in der Entwicklung des frühen Kapitalismus war der Krieg gewesen, jener nämlich, der Städten Handelsräume aufschloss und zugleich in der Rüstungsproduktion Nachfrage schuf. Kriege aber kosten Geld, bevor sie dann bei Erfolg Einnahmen nach sich ziehen. 1266 soll Florenz bereits 16000 eigene Leute für einen Krieg unter Waffen gehalten haben, die monatlich ca.     35 000 Florin gekostet haben sollen (Hyde, S.183) Nachdem bereits das 13. Jahrhundert fremde Söldner in Italien sah, schaffte sich Florenz 1305 zusätzlich eine Truppe von Katalanen an, die in den Krieg mit Pistoia ziehen soll und ebenfalls bezahlt werden muss. Als Heinrich von Luxemburg auf Italienfahrt ging, brachte er Söldner ins Land, die blieben. 1327 zog Ludwig der Bayer nach Italien, und seine Söldner verkaufen von ihrer Garnison Lucca aus die Stadt an einen Genuesen, nachdem sie vorher einen Visconti zum Signore gemacht hatten. 1345 entlassen die Pisaner Söldnerhaufen, die sie gegen Florenz eingesetzt hatten, und die sich dann in Norditalien verselbständigen. Marodierendes Söldnerunwesen verselbständigt sich und bedroht die Lande.

 

Der Krieg ist einer der Gründe, warum Städte ein effizientes Finanzwesen aufbauen und dann auch die monarchischen Territorialstaaten, Dieses wiederum fördert Kriege. Deren Überhandnehmen kann Kapitalverwertung dann auch wiederum empfindlich stören. Die Kosten nehmen überhand, der Krieg von Florenz gegen Verona 1338 kostete laut Giovanni Villani rund 600 000 Goldflorine. Die städtischen Einnahmen müssen entsprechend erhöht werden, und dies geschieht in Florenz zwar einmal durch Erhöhung der für das Kapital ertragreichen Staatsanleihen, aber ab einem bestimmten Punkt können diese nicht mehr mit den erwarteten Zinsen zurückgezahlt werden.Ab 1340 gibt es verzinste Zwangsumlagen.

Wenn aber dann die indirekten Steuern steigen, wird Geld aus jenen Kreisläufen abgezogen, die es am Ende in die Taschen des großen Kapitals spülen. Und zum anderen finden Kriege vor allem außerhalb der schwer befestigten Städte statt, wodurch die Ernährung der städtischen Bevölkerung gefährdet wird.

 

 

Klimatische Katastrophen mit ihren Hungersnöten, Epidemien und die fast Allgegenwart des Krieges erklären noch nicht hinreichend die große Wirtschaftskrise Mitte des 14. Jahrhunderts, obwohl die enormen Schrumpfungen der Bevölkerung das Wachstum des Kapitals vorübergehend nicht nur zum Stillstand bringen, sondern es auch schrumpfen lassen. Man wird wohl auch von einer ersten jener zyklischen Krisen des Kapitalismus ausgehen müssen, die auf Phasen der Expansion nun immer wieder folgen werden, und aus denen veränderte Verhältnisse einen erneuten Aufschwung der Konjunktur bewerkstelligen, solange geographisch und von den natürlichen Gegebenheiten her neue Ressourcen kommen.

 

Die Verschuldung der Stadt vor allem bei ihrem Großkapital ist in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts bereits so groß, dass keine Tilgung mehr zu erwarten ist. Staatsschuld wird der Normalfall. Die Zinsen auf die Schulden werden nun von der Stadt einseitig festgelegt, um neue machen zu können. Kommunale Schuldscheine werden dann auch frei handelbar, allerdings mit Abschlägen auf den Nominalwert.

 

Politik ist in letzter Instanz nun immer Vertretung ökonomischer Interessen, und das weniger kapitalkräftige Gewerbe und das wachsende Proletariat waren die Leidtragenden. Nach wenigen Generationen oligarchischer Machtausübung erhoben sie sich in der zweiten Hälfte des vierzehnten Jahrhunderts, um auf ganzer Linie zu scheitern. Die Raspanti werden aus der Stadt vertrieben, die, so geschwächt, in die Hände des Papstes und des Adels fällt. Symbol der neuen Macht wird die Festung des päpstlichen Gouverneurs, die die Massen 1375 schleifen, worauf der Adel fliehen muss und die Raspanti die Stadt wieder übernehmen.

 

Der Markt als oberstes Regulativ schaffte Mobilität, Durchlässigkeit der Schichten und eine neue Unübersichtlichkeit. Als Ordnungsfaktor bot sich ein Verband nichtmagnatischer großer Kapitaleigner an, der ein schon traditionell lokalpatriotisch gefärbtes Etikett benutzend sich als 'Parte Guelfa' aufstellte. Religiös eingerahmt, formierte sie sich als Schwurgemeinschaft zur gegenseitigen Unterstützung, „wie es die tun, die durch Blutsbande vereint sind... Wenn einer von uns von jemandem beleidigt oder erzürnt wird, so ist jeder von uns verpflichtet, ihm mit seinem Leben und Eigentum zu helfen, ihn zu verteidigen und zu rächen und darauf zu reagieren, als ob es ihn selbst beträfe...“.

 

Das ist keine großstädtische Oberschichtversion einer N'drangheta, aber es hat etwas davon, mit dem Unterschied, nicht nur ein ökonomischer, sondern unmittelbar auch ein politischer Interessenverband zu sein. Dabei werden Aspekte magnatischer Geschlechterbindung (Ehre etc.) in eine Assoziation reicher Unternehmer übertragen, die als pressure-group auch kriminelle Mittel (vendetta) nicht scheut.

 

1358 gelingt es dieser „Partei“, die Vergabe der städtischen Ämter zu kontrollieren. Bedrohliche Gegner werden als „Ghibellinen“ öffentlich diffamiert, bedroht und verurteilt. Eine Ebene darunter sind die von einer Mehrheit der „Konsuln“ der Schwurgemeinschaft ohne Öffentlichkeit ausgesprochenen „Ermahnungen“, die Gegner davon abhalten, Ämter anzustreben.

 

Daneben gibt es weiter den Konflikt zwischen den alten Magnatengeschlechtern, die von den hohen Ämtern oft ausgeschlossen waren, und die sich um die Albizzi scharten, und den jüngeren, stärker auf großem mobilen Kapital fußenden Familien, die sich zu dieser Zeit um die Ricci versammelten, Spitzenleute der „größeren“ Zünfte vor allem.

 

Nicht zuletzt wegen der vielen Kriege steigt die öffentliche Verschuldung weiter und gerät außer Kontrolle. Da die indirekten Steuern die Zinsen nicht mehr decken, werden diese erhöht, um mehr Anleihen ausgeben zu können, was die Verschuldung aber nur weiter in die Höhe treibt. Der Rückkauf der Anleihen wird eingeschränkt. Wer nun auf seine Zwangsanleihe verzichtet, bekommt dafür allgemeine Steuererleichterung, was die Anleihe als direkte Steuer auszuweisen beginnt. Spekulanten kaufen nun Anleihen zu einem geringen Preis auf, was wohl bald den Zorn der Ciompi erregen wird (Goldthwaite, S.497).

Man beginnt auch damit, Anleihen nach außerhalb zu verkaufen. Mastino della Scala investiert 50 000 Florin 1363 und bei seinem Tod 1400 hat Luchino Novello Visconti wenigstens 20 000 Florin derart angelegt. Bei Papst Eugen IV. werden es 1432 rund 100 000 sein (Goldthwaite, S.497f).

 

1365 wird der Getreidemarkt von Orsanmichele hinter den Palazzo Vecchio verlegt. Er kontrolliert weiter eine ganze Anzahl Geteidemühlen am Arno. Man meint, er habe nach dem Bevölkerungsverlust nur noch geringere Bedeutung. Dennoch kommt es 1370/71 zu großer Dürre, zu Hungersnot, dazu kommen Viehseuchen. Die Nahrungspreise steigen.1374 gibt es monatelangen Regen, danach kommt die Pest mit verminderter Kraft zurück.

 

Während die papstnahe Guelfenpartei in den 60er Jahren des 14. Jahrhunderts weiter die Stadt kontrollierte, werden 1373 die Albizzi und Ricci für zehn Jahre von allen Ämtern ausgeschlossen. Die Parte Guelfa war für die Rückkehr der Päpste nach Rom eingetreten. Salvestro de Medici schafft ein Bündnis der antiguelfischen Oberschicht mit Kreisen des mittleren Kapitals. Der Nachschub englischer Wolle verknappte sich durch den Hundertjährigen Krieg und genauso die Nachfrage nach florentiner Textilien. Es kommt nach 1367 zu Unruhen von Färbern und Wollarbeitern. Besonders 1374/75 kommt es zu einer Hungersnot. Viele Leute beginnen zu hungern. Die päpstlichen Legaten verbieten die Getreide-Ausfuhr aus dem Kirchenstaat nach Florenz.

Die Bevölkerung protestiert gegen die Guelfen-Clique. 1375 kommt es zu einem antipäpstliches Bündnis mit Mailand, dem sich Bologna, Perugia, Genua und andere anschließen. Otto di balìa sollen Krieg gegen den Papst vorbereiten.

 

1376 Interdikt, die Florentiner werden aus Avignon verbannt. Kurz darauf verkündet Gregor XI. unter dem Einfluss des Kardinal-Legaten für Italien (Robert von Genf) den Kreuzzug gegen Florenz. 1376 marschieren päpstliche bretonische und andere päpstliche Söldner in der Lombardei ein.Es gelingt ihnen aber nicht, nach einem Verwüstungszug Bologna einzunehmen. Aus Wut darüber veranstalten sie unter Aufsicht des päpstlichen Legaten das Massaker von Cesena.

Salvestro de Medici sorgt dafür, dass die Kirchen Zwangsabgaben leisten und 1377, dass Kirchenvermögen eingezogen wird. Geißlerzüge von Tausenden durch die Stadt. März 1378 stirbt der Papst.

 

Päpste verbündet mit schwarzen Guelfen, Florenz erklärt Papst Gregor XI. den Krieg, der verhängt über die Stadt das Interdikt. Kassiert die florentinischen Vermögen in Avignon.

 

Siena 1355-1400

 

Manche schätzen, dass die Pest von 1348 eine solche Mehrheit der Senesen dahinrafft, dass sie sich davon nicht mehr erholt.

 

1355 wird die Regierung des Großkapitals, der „Neun“, in Siena gewaltsam gestürzt. Der Anlass ist militärische Bedrohung von außen durch die Ankunft Karls IV., der den Aufstand unterstützt. Der Palast der Lana, der Wollunternehmer, wird als Symbol des städtischen Großkapitals geschleift. Eine neue Regierung der „Zwölf“ (dodicini) aus Vertretern des kleineren Kapitals, aber unterstützt vom Adel, wird eingesetzt. Es kommt bald zu Unruhen zwischen Anhängern der Tolomei, der Salimbeni und der alten noveschi.

 

Die Zwölf werden 1368 gestürzt und durch 13 Adligen und 3 Noveschiersetzt. Nach drei Wochen werden sie von alten Dodicini und den Salimbeini abgelöst, unterstützt von Karl IV.Schließlich werden vom kleineren Bürgertum zwölf difensori aus 5 Mitgliedern des popolo minuto, 4 Mitgliedern der Dodicini und 3 Mitgliedern der Noveschi eingesetzt. 

Dezember 1368 tun sich die Dodicini mit dem popolo minuto gegen die drei Noveschi zusammen.Letztere vertreiben für mehrere Tage die Dodicini aus dem

Rat der riformatori.  Aus Angst vor dem Kaiser, der auf seinem Weg nach Rom zwei Monate zuvor durch Siena gekommen war und auf seiner Rückreise dort wieder haltmachen sollte, versucht er seine Feinde durch die Gründung eines neuen Rats aus 150 riformatori zu beschwichtigen. Dieser ersetzt die 12 difensori durch einen neuen 15köpfigen obersten Rat, der aus 8 Popolani, 4 Dodicini sowie 3 Noveschi besteht, den monte dei riformatori

Karl IV. wendet sich dagegen und lässt den Palazzo Pubblico angreifen. Das Volk verteidigt sich aber und nimmt den Kaiser im Salimbeni-Palast gefangen. Darauf gewährt Karl der Regierung ein kaiserliches Patent und verlässt Siena, für seine Demütigung durch die Schenkung einer großen Geldsumme getröstet.

 

Der monte dei riformatori unterdrückt Opposition 1369 mit der Einsetzung eines Polizeichefs (esecutore) und der casata grande der Popolanen als Bollwerk gegen die Adligen, die aus der Verbannung zurückkommen dürfen, und die nun in Ämter gewählt werden können.

 

Unter den Wollkämmerern der untersten Klasse, die in den abschüssigen Gassen um die Porta Ovile wohnen, der Gesellschaft des Wurms, kommt es während einer Hungersnot 1371 zur Revolte, plündert die Häuser der Reichen, in denen größere Getreidevorräte vorhanden sind, stürmt das Gefängnis und den Palazzo Pubblico und vertreibt die 4 Mitglieder der Dodicini und die 3 Mitglieder der Noveschi aus dem Rat der Fünfzehn. Als sie sich in ihr Quartier zurückziehen, werden sie von Noveschi und Dodicini angegriffen, die in Häuser und Werkstätten einbrachen und viele Einwohner ohne Rücksicht auf Alter oder Geschlecht umbringen. Das wiederum rächen die popularen Dachdecker durch viele Exekutionen auf der Piazza. 

 

Die Dodicini wurden aus der Stadt verbannt. In der neuen Regierung der „Fünfzehn“ sind schließlich 12 Riformatori aus dem gehobenen Bürgertum und 3 Noveschi vertreten, die sich aber, ein Bündnis von mittlerem und oberem Bürgertum, gegen die Radikalisierung der Massen wenden. Das Ovile-Viertel mit seinen in der Compagnia del Bruco organisierten Textilarbeitern wird erobert und viele Männer und Frauen werden massakriert. Die wiederhergestellte Macht des mittleren und großen Kapitals wird dann 1384 von einem Heer exilierter Adeliger (Tolomei, Salimbeni, Piccolomini etc.) überwältigt und die Riformatori werden entmachtet. Die neue Regierung der Zehn enthielt vier „Zwölfer“ der neuen Mittelschicht, vier „Neuner“ der reichen Oberschicht und zwei Vertreter des unteren Bürgertums, die aber keine Riformatori waren. (Martines, S.182f)

 

Ciompi in Florenz

 

Den Hintergrund bieten Verschwörungen in den herrschenden Kreisen, aus denen mehrere Vertreter des oberen Bürgertums gedachten, sich der Massen zu bedienen. Dazu kommt die alltägliche (relative) Armut der Vielen, die geradezu unter dem Existenzminimum um die 16 Stunden am Tag arbeiten müssen, kommen die steigenden Brotpreise, das (relative) Elend der scheinselbständigen Färber, Kardierer, Scherer und Verfeinerer der Wolle, die oft bei dem ihnen vorgesetzten Kapital verschuldet sind und selbst nicht als zunftfähig angesehen werden, während die Lana ihre Arbeit durch detaillierte Vorschriften kontrolliert. Dazu das verständlicherweise als ungerecht angesehene System von Steuern und Abgaben und die Bereicherungsstrategien der Oberschicht am städtischen Vermögen und den kommunalen Finanzen.

 

Salvestro de Medici entmachtet die otto della guerra aus artes des popolo grasso, Adel und einem Vertreter des popolo minuto. Im Mai lässt er sich zum Gonfaliere di Giustizia wählen, dem die städtischen Milizen unterstehen. Er verlangt am 18. Juli 1378 die Einhaltung der Ordinamenti. Als die Magnaten sich zu wehren drohen, mobilisiert er den popolo minuto und die Arbeiterschaft. Die stürmen zum Palazzo della Signoria und mit viva il popolo Häuser der Reichen. Die ersten Paläste werden in Brand gesteckt. Das Gefängnis wird geöffnet. Vier auswärtige Tuchhändler werden aufgehängt. Salvestro tritt ab. Die Forderungen der städtischen Massen gehen auf Lohnerhöhungen und politische Teilhabe an der Stadtregierung. Es gibt Forderungen nach einer Zunft für die bislang Unzünftigen, nach Straffreiheit für die Aufständischen, Verringerung der Körperstrafen für kleine Schuldner bis zur Folter und dem Abhacken von Gliedern, zudem eine Art zweijähriges Schuldenmoratorium.

 

Der aus einer Kammacherfamilie stammende Michele di Lando wird 1378 zum Gonfaliere di Giustizia gewählt. Drei neue Zünfte der Wollhandwerker entstehen, der bei Färbern und Webern Beschäftigten und der Werkstattarbeiter ansonsten. (Raith, S.47)

 

Ein Preisstop gegen Metzger wird durchgesetzt. Die Ciompi wählen die otto santi del popolo di Dio. Versammeln sich in Camaldoli. Die Rückkehr in die Stadt wird mit Waffengewalt verhindert.

 

Anfang Juli nähern sich die kleinen Zünfte dem popolo di Dio an. Neues Priorat des neuen Groß-Kapitals und der kleinen Zünfte samt der neugebildeten. 29. Juli: Drei Zünfte der Wollarbeiter, eine der Färber, Tuchwäscher und Tuchspanner samt Kremplern und Seifensiedern und eine kleiner Textilhandwerker (Schneider, Hutmacher, Strumpfwirker).

 

Am 20. Juli 1378 verschärfen sich die Spannungen und ein zunächst friedlicher Marsch der Massen führt zur Stürmung des Regierungspalastes. Eine Regierung des unteren Bürgertums wird etabliert. Die Steuer auf Getreidemühlen wird abgeschafft, die Salzsteuer halbiert. Alles Getreide auf florentinischem Territorium wird in die Stadt gebracht und Maßnahmen gegen das spekulative Horten von Getreide werden ergriffen. Privat angeeignetes kommunales Eigentum soll rückgeführt werden und eine Kommission soll die städtischen Finanzen der letzten Jahrzehnte überprüfen. Am meisten kann dann die Forderung nach einer allgemeinen direkten Steuer die Privilegien der Reichen bedrohen. Diese soll das bisherige System der Zwangsanleihen ersetzen.

 

5. August Ende des Interdikts, inzwischen ist die Wirtschaft fast zum Erliegen gekommen.

 

Das Ganze eskalierte schließlich in einer Demonstration dieser Ciompi unter Führung der „Acht Heiligen des Gottesvolkes“ vor San Marco, mit neuen Forderungen: Eine zehnjährige Suspendierung der Zinszahlungen aus dem Fond der Staatsschuld, dem monte commune, da dieser die Steuerlast verschärfe, und ein zweijähriges Schuldenmoratorium.

 

Das Fass zum Überlaufen brachte dann am 28 August die Forderung, die Prioren der Stadtregierung sollten sich einen Eid von den „Acht Heiligen“ abnehmen lassen.

 

Damit wandte sich das mittlere Bürgertum ganz von den Ciompi ab, und die reicheren Zünfte verbanden sich mit den tradierten Staatsorganen unter Leitung des Gonfaliere de la Giustizia zum Gegenschlag.

 

31. August Versammlung des popolo di Dio vor dem Priorenpalast. Die städtische Miliz tritt dagegen an.

 

Die überall eine Sonderrolle spielende Metzgerzunft war die Speerspitze der blutigen Vernichtung der Rebellen, die getötet bzw. später hingerichtet wurden oder flohen. Die zwischen bürgerlicher Existenz und proletarischer Wirklichkeit schwankenden kleinen Produzenten wurden von der Stadtpolitik ausgeschlossen und ihre neugegründeten Zünfte wieder verboten.

 

Die gelegentlich populären Begriffe Revolution und Klassenkampf treffen die Sache beide nicht. Es lässt sich weder objektiv noch subjektiv eine Klasse der Kapitaleigner finden, vielmehr zerfallen diese in sehr divergierende handfeste Interessen. Darüber hinaus hat die Auslagerung vieler Arbeitsvorgänge unter der Kontrolle des Kapitals, wie man sie bei der Textilwirtschaft nicht nur in Florenz beobachten kann, in dieser Zeit die Grenze zwischen Kapital und Arbeit nach unten hin fast aufgelöst. Erst die weitere Proletarisierung der Arbeit wird einen klaren Unterschied erkennen lassen, der aber über die Jahrhunderte selten politisch wird.

 

Die Wendung der Unterschichten in Florenz richtet sich auch nicht gegen die Kapitalisierung und Verallgemeinerung des Warencharakters, schon damals für niemanden auch nur denkbar, da die Lebensgrundlagen fast aller darauf beruhten. Tatsächlich hätte ein Erfolg der Ciompi die Machtverhältnisse in der Stadt verändert, aber nicht auf den Kopf gestellt. Je radikaler und weniger politisch Teile von ihnen wurden, desto weniger hatten sie ein machbares Konzept. Eine Rebellion ist keine Revolution. Die einzige, die weiterhin stattfand, war die Revolutionierung aller Verhältnisse und Lebensbereiche durch den Kapitalismus, die bis heute, und seit dem 15./16. Jahrhundert mehr und mehr global, voranschreitet.

 

Was es in den „republikanischen“ Städten, von Oligarchien beherrscht, gab, war eine politische Klasse. Da war die kleine Minderheit der männlichen Bevölkerung, die eine Art politisches Bürgerrecht hatte, und von denen ein großer Teil in den tradierten legislativen Versammlungen saß, in Florenz um die 600 Männer, und da waren je nach Größe der Stadt einige zehn bis einige hundert Männer, die immer wieder in den kurzzeitig zu besetzenden Ämtern und kollegialen Räten auftauchten.

 

Oligarchie hieß, dass die mächtigeren (und reicheren) städtischen Familien sich abschlossen und die Ämter und Ratsposten, die immer nur für kurze Zeit, oft für zwei Monate besetzt wurden wie das florentiner Priorat, und dann erst nach zwei, drei Jahren erneut von demselben wieder besetzt werden konnten, quasi unter sich aufteilten, indem ihre Mitglieder durch diese Machtpositionen „rotierten“ (Martines).

 

De facto war die kleine politische "Klasse" noch einmal geschichtet, wobei die Wählbarkeit in die wichtige obere Etage von Listen abhing, in die die wählbaren Kandidaten eingetragen wurden, was die mächtigen Familien unter sich abmachten. Gewählt wurde dann entweder offen oder geheim, wobei die Mächtigen Mittel und Wege fanden, dass in Venedig zum Beispiel immer wieder dieselben 30 bis 40 Männer in die wichtigsten Ämter gewählt wurden (Martines, S.207)

 

Am 1. September neues Priorat, welches die neue Zunft des popolo minuto (?) auflöst. Am 5. September werden die Anführer der Ciompi hingerichtet.

 

Januar 1382 werden alle neuen Zünfte aufgelöst. "Die Furcht vor neuen gewalttätigen Ausbrüchen in der Arbeiterschaft trug viel zu dem nun einsetzenden Verfall der republikanischen Regierung bei und beschleunigte den Aufstieg der Medici zur beherrschenden Familie." (Tuchman, S.326)

 

 

Oberschicht

 

Mitte des 14. Jahrhunderts sind laut Giovanni Villani in Florenz ca. 30 000 Menschen direkt von der Tuchproduktion abhängig, die aber von nur etwa 200 Unternehmern kontrolliert wird. Dieser Konzentrationsprozess wird durch dieses und das folgende Jahrhundert weiter voranschreiten.

 

Die Einrichtung eines einheitlichen Staatshaushaltes und dessen Kreditfinanzierung neben der Willkür indirekter Steuern ist für die Politiker der kleinen Oberschicht geradezu eine Einladung für immer höhere Staatsverschuldung, an der sie als Hauptkreditgeber profitieren und wofür sie immer neue innovative Wege finden. Während die Expansion des produktiven und des distributiven Kapitals an der internationalen Konkurrenz immer mal wieder auf Grenzen stößt, wie auch Venezianer und Großkapital anderer italienischer Städte erfahren müssen, wächst auch so die Bedeutung des Finanzkapitals, und mit ihm die der Arte di Cambio. Der seit Generationen etablierte Reichtum beginnt, wie einzelne Unternehmerväter entdecken können, eine Rentiersneigung bei Söhnen zu entwickeln, die Donato Velluti zum Beispiel als Neigung zu „aristokratischer“ Lebensweise statt unternehmerischer Initiative beschreibt. Die Neigung zu Luxuskonsum und adeligen Betätigungen wie der Jagd gehört dazu, aber auch eine zunehmende Bildung mit Neigungen zu Poesie und Musik und vor allem hin zum nächsten Jahrhundert zum Studium der humanitates und darüber zur Verherrlichung eines republikanischen Roms mit seiner cives-Oberschicht, die die Politik der civitas kontrollierte und trug.

 

Diese Aristokratisierung der bürgerlichen Oberschicht findet ihren deutlichsten Niederschlag in dem nun recht üblichen Landgut von adeligem Gepräge. Dirlmeier fasst zusammen: "Im Sieneser Contado standen im 14. Jh.80 Prozent, um 1400 im Aretiner sogar 90 Prozent und 1427 im Florentiner Umland 68 Prozent des Kulturlandes in stadtbürgerlichem Eigentum." (Dirlmeier, S. 35).

 

Während der alte Adel dabei an Bedeutung verliert, schließt sich die kapitalistische Oberschicht immer stärker von der Masse der Bevölkerung ab, indem sie eine neue Mischung aus bürgerlichem Geschäftswesen und patrizischer Familienpolitik betreibt. Diese Familien bürgerlichen Reichtums sind keine großen Geschlechterverbände mehr, sondern enger begrenzt, wie es Kapitalbesitz vorgibt. Die Firma ist ein Verband aus Kapitaleignern, mit einer ganzen Anzahl an Investoren, die auf Zeit, aber überwiegend immer wieder in dieselben Firmen investieren. Der Firmenname ist der Familienname des wichtigsten Kapitaleigners. Er besitzt inzwischen eben so einen wie zuvor die adeligen Geschlechter.

 

Die Binnenstrukturen sind patriarchalisch und patrilinear, womöglich mehr als je zuvor aufgrund der Eingrenzung der Familie. Die Ehen sind Firmenbündnisse, von Vätern vereinbart und von ihnen vor Notaren beurkundet. Mit der Mitgift wird das Ganze dann eine geschäftliche und insofern bindende Transaktion. Religion und Kirche spielen keine Rolle, anders als bei denen, die sich ohnehin keinen Notar leisten können und darum die Neuerung der kirchlichen Verehelichung, also quasi der Beurkundung durch den Priester in Anspruch nehmen.

 

Die so schon rechtlich Verheirateten nehmen dann brav die sposalizio vor, der Notar gibt dem Bräutigam den Ring, den dieser der Braut auf den Finger schiebt. Was noch bleibt, ist der feierliche Weg der Braut in Begleitung von Leuten des Bräutigams zu dessen Haus. Wieviel Ehe- und Familienleben aus einer so quasi bürgerlich-dynastischen Verbindung hervorgeht, lässt sich nicht nur daraus erahnen, sondern ergibt sich auch aus der Tatsache, dass der Ehemann und dann Familienvater ein in Politik und Geschäft hochbeschäftigter Mann ist.

 

Die Dame verfügt im steinernen Palast ihres Gemahls über so viele Dienstboten, darunter auch immer noch gelegentlich Sklaven als Statussymbol, dass sie im Kern beschäftigungslos ist. Kinder werden kurz nach der Geburt und für etwa zwei Jahre zu bezahlten Ammen aufs Land weggeschickt, beachtlich viele sterben dort, und sie gelangen danach in professionelle Kinderbetreuung und dann zu Hauslehrern. Diese Familie ist Versorgungsinstitut für reiche Frauen und Reproduktionsinstitut als Ort der Begründung geschäftlichen Eifers: Die Firma ist ein Familienbetrieb.

 

Die Kinder gehören zum Vater, und wenn die Frau verwitwet, fallen sie an seine Familie zurück, insbesondere im Falle ihrer Wiederverheiratung (in eine andere Firma). Er verfügt auch ganz praktisch über sie. Söhne entkommen erst mit der Verheiratung der väterlichen Gewalt, und sie heiraten spät, im Schnitt Anfang dreißg, während Töchter möglichst früh verheiratet werden. Geschäftsfähigkeit erreichte der Sohn vorher nur durch einen Vertrag vor dem Notar, in dem er emanzipiert wurde, also aus den Händen der väterlichen Gewalt herausgelangte, was ab 1355 in einer Liste bei der Mercanzia niedergelegt wird.

 

Die Stadt wird ein öffentlicher Raum zur Zelebrierung großbürgerlichen Reichtums und seiner Macht, sie wächst nicht mehr wie zwischen dem 11. und 13. Jahrhundert, sondern sie dient nun planvoll seiner Inszenierung, für die die Vertreter des Großkapitals einen Großteil ihres für den Konsum bestimmten Geldes abzweigen. Häuser werden abgerissen, um Straßen zu begradigen und zu verbreitern, sogar Kirchen werden abgerissen, um große Plätze zu schaffen, wie beim Stadtpalast und beim Dom. Die Städte verlassen den Typus einer mittelalterlichen Stadt und werden modern, bis sie dann im Verlauf des zwanzigsten Jahrhunderts ihre Urbanität verlieren.

 

Die Unternehmerschaft plant, auch unter Beteilung des mittleren Bürgertums und der Zünfte, den neuen Dom (hier ist die Arte della Lana federführend), während die Seide-Zunft den Getreidemarkt von Orsanmichele in eine Kirche umbaut. Die nun voll in den Kapitalismus und seine neuen Werte integrierte Kirche und die Bettelorden werden baulich zu Geschöpfen des hochkapitalisierten Bürgertums. Die Kirche Orsanmichele wird mit den sehr weltlichen Bildnissen der Zünfte geschmückt und der Campanile des Doms, der eigentlich ein bürgerlicher Prunkturm und kein Kirchturm mehr ist, mit den Abbildungen des Handwerks.

 

Das Großkapital baut Kapellen an die Kirchen der Bettelorden an, die deutlich als ihre Einrichtung markiert werden, und versieht sie mit Bilderschmuck, dessen Themen religiös sind, dessen Ausführung allerdings der Verherrlichung der Geldgeber dient. Diese Selbstdarstellung setzt die ökonomische Konkurrenz des Kapitals als Verherrlichung von Reichtum fort. In dieser Konkurrenz kommt es zu einem Wettlauf um den technischen Fortschritt in der Bildhauerei und Malerei, deren Hauptaufgabe nicht mehr Ausdruck von Religiosität, sondern technische Perfektion ist, die bis weit ins 15. Jahrhundert Kopie „der Natur“ sein soll, also realistischer Illusionismus. Das ist die rasante Veränderung der Malerei zwischen Giotto und Masaccio, die Räumlichkeit und/oder Volumen der Körper, manchmal auch Detailgenauigkeit als technische Leistung vorführt. In dieser Konkurrenz des großen Kapitals werden Künstlerpersönlichkeiten über ihre Werke ermöglicht, und der Status dieser Leute steigt und ihr Wohlstand.

 

In der Baukunst entstehen die privaten Bürgerpaläste des Großkapitals parallel zu den Palästen der politischen Macht, der ungenierte Protz der Reichen entlädt sich in einer Tendenz zu immer mehr baulicher Größe, in der die ästhetisch immer weniger ansprechende Leere der sich vergrößerenden Innenräume durch von der Architektur abgelösten Bilderschmuck kompensiert wird. Kathedralen werden monumental und reizen dabei die Grenzen des noch gerade so technisch machbaren aus, man sehe die von Siena und Florenz, die so an Größe konkurrieren wie die jeweiligen Kapitalassoziationen an sich imperial gebender Macht. In den immer gigantischeren Kuppelkonstruktionen erweist sich der voll entfaltete Kapitalismus als ein rein technisches Projekt, wie es dann in St.Peter in Rom seinen abstoßenden Höhepunkt erreichen wird.

 

Während das Moment der ästhetischen Innovation in Malerei und Bildhauerei bedeutsam wird, verliert es in dem Größenwahn der Kirchenbauten jene Qualitäten, welche in den Städten der aufstrebenden Monarchien die bürgerlichen Kathedralbauten der Gotik leisten. Die kalte Formelhaftigkeit toskanischer Renaissancebauten nominell sakraler Provenienz mit dem Charme von Bahnhofshallen oder klassizistischer Kurstadteinrichtungen steht dabei neben dem klotzartigen Protz immer schmuckloserer Fassaden der Privatpaläste, deren Regelmäßigkeit die ihrer internationalisierten Geschäftswelt wiedergeben, und die bis ins 16. Jahrhundert vor allem durch immer weiter gesteigerte Größe auffallen.

 

Malerei und Bildhauerei lassen sich aber nicht darauf reduzieren. Sie sind nicht nur immer Luxusprodukte der Konsum- und Repräsentationsfreude des großen Kapitals, vielmehr entwickelt sich Kunst dabei ganz langsam und beim einen mehr und beim anderen eher weniger zu einem sehr persönlichen Ausdrucksmittel des Künstlers, der damit zunächst fast unmerklich aus dem Rahmen des rein Kunsthandwerklichen heraustritt. Zwar schaffen diese Leute Konsumwaren für einen Markt reicher Auftraggeber, aber diese, auf der Suche nach dem repräsentativ Besonderen und selbst keine Künstler, werden in den innovativen Sog der geschmacksbildenden Konkurrenz dieser kleinen Warenproduzenten besonderer Art hineingezogen. Dabei bleibt, dass der Künstler nicht unmittelbar für einen Markt, sondern erst auf Nachfrage eines Auftraggebers arbeitet, wie ursprünglich jeder Handwerker. Aber Künstler arbeiten nicht nur im Rahmen jener aktuellen Moden, die wir später Stile nennen, sondern treiben diese selbst voran und geben ihnen mehr als zuvor eine individuelle Handschrift.

 

Proletarisierung

 

In Florenz und wohl auch in anderen Städten Norditaliens teilt sich die Bevölkerung in die relativ wenigen Familien des großen Kapitals und eine breite Schicht von Handwerkern und Ladenbesitzern. Das Textilhandwerk als ganzes ist zwar eingebunden in das Verlagssystem, aber formal unabhängig, führt wie die übrigen Handwerker eigene Bücher, geht Partnerschaften ein und besitzt die eigenen Werkzeuge. Bezahlt wird nach Stücklohn, so wie die übrigen und selbständigeren Handwerker ihre Produkte verkaufen.

Tagelöhner, meist am Samstag bezahlt, sind vor allem die am Bau Tätigen. Sie erhalten Löhne je nachdem, wieviel Fertigkeiten ihre Tätigkeit erfordert, hochspezialisierte etwa das Doppelte von einfachen Arbeitern, und besitzen selbst kein eigenes Sicherungsnetz. Das ist wiederum anders bei denen, die in Klöstern und Konventen arbeiten, aber relativ schlecht bezahlt werden.

In den Handwerksbetrieben arbeiten Jugendliche ab dem Alter von 11-13 Jahren, aber auch sie sind nicht zu einem Proletariat zu rechnen, da sie in der Regel als Erwachsene selbst Handwerke oder Geschäfte aufmachen oder in solchen angestellt werden. Sie machen so einen großen Teil der zwischen einzelnen Beschäftigungen pendelnden Arbeitskräfte aus.

Für Mädchen und junge Frauen ergeben sich zunehmend mehr Anstellungen als eher gering bezahlte Dienstmädchen. Ansonsten sind Frauen außerhalb der Konvente in der Regel verheiratet, vom Mann versorgt und verdienen sich in vielen Branchen nur ein minderbezahltes Zubrot.

Bis zur Pest steigen die Löhne geringer als die Preise, danach verkehrt sich das durch den Arbeitskräftemangel bis Mitte des nächsten Jahrhunderts eher ins Gegenteil, bis Löhne dann wieder fallen. 

Einige wenige Sklaven gibt es bis ins 15. Jahrhundert in Florenz als dauerhaftere Haushaltsbedienstete, als es freie Frauen sind, aber sie verschwinden dann fast völlig. In produktiven Bereichen werden sie in der Stadt nicht eingesetzt.

 

Florenz 1382-1421

 

1380-94 ist Luigi Marsili, Augustinermönch von San Spirito, wieder in Florenz. Er ist einflussreicher Mann des Gesprächskreises in einer Villa des Bankiers Antonio degli Alberti und ist bekannt mit Coluccio Salutati. Der, reicher Notar, ist seit 1375 Kanzler von Florenz. Niccolò Niccoli entstammt der Kaufmannschaft. 1396 kommt Manuel Chrysolaras nach Florenz: Er erteilt Griechischunterricht. Leonardo Bruni, geboren 1369 in Arezzo, studiert Griechisch bei ihm. Er wird eine Art Lobschreiber von Florenz

 

In Florenz sind es rund 4o -70 Familien, die die Stadt kontrollieren, weitere Magnatenfamilien werden dabei verbürgerlicht. Die Oligarchie resultiert aus der Tatsache, dass keine Familie in ihrem Wirtschaftszweig eine Art Monopolstellung erringen kann, und alle so auf ein gedeihliches Miteinander angewiesen sind. Als die Alberti als reichste Familie zu viel Einfluß zu bekommen drohen, werden sie von 1387 bis 1401 ausgewiesen. Aber als Firma, die von Rom über London bis Paris operiert, floriert sie eher mehr denn je zuvor.

 

Je oligarchischer das Stadtregiment in Florenz wird, desto peinlicher wird auf den Anschein einer nicht manipulierten Ämterzuteilung geachtet. Dabei galt eine mathematische, nicht eine repräsentative „Gerechtigkeit“: Die Ämter werden auf die vier Viertel bzw. die sechszehn gonfaloni gleich verteilt, allerdings ungeachtet der Stärke der Bevölkerung dort. Aber ausgesuchte Gremien von immer engerer Mitgliedschaft stellen dabei die Listen der Wählbaren zusammen, die aus einer Vielzahl von Säckchen gezogen werden, die vorher in der Sakristei einer Kirche von eingeschworenen Geistlichen bewacht werden. Und mehrere hintereinandergeschaltete Kontrollgremien sorgen dafür, dass immer wieder dieselben Namen gezogen werden, mal für dieses, mal für jenes Amt.

 

Laut Martines sind vor der Kontrolle der Stadt durch die Medici die, die ständig in irgendwelchen Ämtern auftauchen, rund hundert Leute, und rund vierhundert, die seltener an ein wichtiges Amt gelangen. Im 15. Jahrhundert schließt sich die erste Gruppe, zu der die Ridolfi, Guicciardini,, Albizzi, Strozzi, Ruccelai, Soderini, Salviati und andere Namen gehören, immer mehr ab, nachdem vorher Einzelne aus der zweiten Gruppe wie die Gaddi, Pucci und Pandolfini noch aufsteigen konnten. (Martines, S.213)

 

Die Spitzen des Stadtregiments wie das Priorat in Florenz ordnen sich dann noch Beratergremien zu, die aus derselben oligarchischen Schicht kommen. Beratungen unter dem Gonfaliere della Giustizia dauern solange, bis eine Zweidrittel-Mehrheit gefunden wird.

 

Die Macht der Spitzen der Renaissance-Exekutiven beschreibt Martines so: „Nicht nur konnten sie Leute verhaften, verurteilen und hinrichten.; sie konnten auch Verfassungsgarantien suspendieren. Sie konnten die legislativen Versammlungen umgehen, den Krieg erklären, Steuern erheben, oder das Gemurmel der Gemeinschaft per Dekret zum Schweigen bringen.“ (Martines, S.219) Anders gesagt, es gibt keine wirkliche Gewaltenteilung oder Rechtstaatlichkeit, aber in Krisenzeiten haben die derzeitigen Demokratien Mittel und Wege, diese ebenfalls auszuhebeln, wie durch das Ausrufen des Notstandes zum Beispiel.

 

Der wohl wichtigste Unterschied zu heute in den Renaissance-Oligarchien ist wohl das direkte Stadtregiment als Staatsregierung des großen Kapitals. Dieses, politisch geworden, partizipiert persönlich in Ämtern oder durch seine Beteiligung in beratenden Gremien, ist politisch allgegenwärtig und in seinen Spitzen einigermaßen komplett vertreten. Erst als aus Stadtstaaten, die gerne als Republiken bezeichnet werden, territoriale Fürstentümer werden, und als Italien unter französischen, kaiserlichen, und dann spanischen Einfluss gerät, beginnt der Rückzug des Großkapitals aus der direkten Politik, die längst von seiner Properität ihre eigene abhängig machen muss.

 

Es kommt nun zu Konflikten zwischen Alberti und Albizzi, die mit der Verbannung der ersteren enden. Dann regiert eine Oligarchie unter den zwei Polen Maso degli Albizzi und Niccolò da Uzzano. Pratiche der Prioren werden von den Kanzlern protokolliert. Hier können einige hundert Großbürger verbal am Stadtregiment partizipieren. Giovanni Cavalcanti meint, dass aber die wesentlichen Entscheidungen jeder Öffentlichkeit entzogen sind.

 

Nach seiner Wahl 1378 zieht Papst Urban VI. nach Rom, muss sich aber den ganzen päpstlichen Apparat wegen des Schismas weiter mit Avignon teilen. Firmen aus Florenz agieren nun in beiden Städten.

 

Der kriegerische Expansionsdrang im Interesse des großen Kapitals geht weiter. 1384 findet die Einverleibung von Arezzo statt, 1390 die von Montepulciano.

 

Herzog Giangaleazzo Visconti in Mailand kontrolliert immer größere Teile der Toscana (Siena, Pisa), von Umbrien (Perugia) und Bologna. Florenz muss erleben, wie es von den toskanischen Häfen abgeschnitten wird. Der Visconti steht kurz vor der Stadt Florenz, als er 1402 stirbt.

 

1399 neue Geißlerzüge

 

1400/1411 Pest

 

Mit dem Abzug der Mailänder Truppen beginnt der Angriff auf Pisa. 1406 wird es schließlich nach langer Belagerung erobert. Damit bekommt Florenz zum ersten Mal einen eigenen Hafen.

Zwischen 1406 und 1426 verliert Pisa fast die Hälfte seiner Bevölkerung, im wesentlichen durch Abwanderung. Entsprechend verliert es einen Großteil seiner Wirtschaftskraft. Mit der Präsenz in Pisa verliert Genua völlig seine Bedeutung für florentinische Firmen.

 

1419 stirbt Papst Johannes XXIII. (Baldassare Cossa) in Florenz, nachdem ihn das Konzil von Konstanz abgelehnt hatte, und ihn sein Bankier Giovanni de Medici untergebracht hatte. 1419/20 residiert Martin V. im Westflügel von Santa Maria Novella, bevor er nach Rom kann. Mit der Einigung auf dem Konstanzer Konzil 1420 beginnt der Aufstieg von Rom mit großem Hof und Luxuskonsum. 1527 erreicht die Stadt knapp 60 000 Einwohner. Transportunternehmer richten einen ständigen Warenverkehr zwischen Florenz und Rom ein. Rom ist ein sonderlicher Produktionsstandort, liefert aber Getreide, Salz und Alaun.

 

1421 wird Livorno gekauft und Porto Pisano erworben. Florenz wird zunehmend zu einer mit den anderen konkurrierenden Seemacht. See-Konsuln sollen die Entwicklung beaufsichtigen und ein Arsenal wird aufgebaut. Florenz entwickelt bald sein eigenes Galeerensystem, allerdings nicht mit dauerhaft durchschlagendem Erfolg.

 

Mit der Expansion des Stadtstaates steigt seine Verschuldung. 1415 sind es drei Millionen Florin, 1427 sind es vier Millionen, und dabei bleibt es für viele Jahrzehnte. Eine Abwertung der Schuld wird erreicht durch die Abwertung eines Buchgeldes, des fiorino di sugello, gegenüber dem gemünzten Goldflorin. Zinsen werden nur noch unregelmäßig gezahlt, und der Wert der Anleihen im Monte, ohnehin bei nur noch 50%, sinkt im Verlauf des 15. Jahrhunderts herab auf etwa 20%.

 

Unter den Anjou-Herrschern gewinnt Buda an Bedeutung, nachdem sie schon nach 1320 als Leiter der Münze von Kremnitz hervorgetreten waren. Gegen Ende des 14. Jahrhunderts lassen sich immer mehr Florentiner in Buda nieder, als Steuereintreiber, Verwalter des Salzmonopols und Leiter der königlichen Münze. Mit Kaiser Sigismund (ab 1411) wird es kaiserliche Hauptstadt und mehr große Firmen aus Florenz betreiben hier Geschäfte, vor allem Einfuhr von Wolltuchen und Ausfuhr von Kupfer vor allem nach Venedig.

Anderer Hauptort florentinischer Geschäfts-Aktivitäten wird Nürnberg, wo im wesentlichen Seide verkauft wird.

 

Mit dem Aufstieg der Seidentuch-Produktion in Florenz gewinnt L'Aquila als Zentrum des Einkaufs von Rohseide und Safran aus den Abruzzen an Bedeutung, die erst Ende des 15. Jahrhunderts zurückgeht. Die Tuchexporte nach Rom, Neapel und Konstantinopel nehmen zu.

 

Während Krieg, Hunger und Pest wüten, schmückt sich die Stadt und die Künstler steigen ähnlich wie die humanistischen Gelehrten auf. 1401 Ausschreibung für die Ostttür des Baptisteriums, die Lorenzo Ghiberti gewinnt vor einer Bürgerkommission. 1412 beauftragt ihn die Calimala mit dem Johannes für Orsanmichele, der 2.55 Meter groß wird. Ein Sohn von Taddeo Gaddi wird Wollhändler, ein zweiter Kaufmann und Vertreter von Datini in Venedig. Die letzte Tür des Baptisteriums feiert die großbürgerliche Stadt. 1420 gewinnt Brunelleschi den Wettbewerb für die Domkuppel. Ist mehr Techniker als Künstler.

 

1390 neues Fest der drei Weisen aus dem Morgenland. 1417 Bruderschaft Compagnia dei Magi dokumentiert.

 

 

Der Umschwung: 14./15. Jahrhundert

 

Im 12. und 13. Jahrhundert wächst die Bevölkerung insgesamt und insbesondere die der Städte rapide an. Unter anderem wegen der Epidemien des 14. Jahrhundert schrumpft sie dann ganz massiv, wird oft halbiert und holt erst teilweise bis 1500 wieder auf. Für Florenz wird die Bevölkerung von 1338 auf 95 000 geschätzt, 1526 sind es erst wieder etwa 50 000. (Martines, S.230). Preise sinken und Renditen für eingesetztes Kapital. Die „Wirtschaft“ schrumpft. Das hat aber viele verschiedene Ursachen.

 

In Genua sinkt der Umsatz an Fernhandelswaren schon vor der großen Pest von 1348 massiv. Danach sinkt er er noch einmal um mehr als die Hälfte, ähnlich wie die Bevölkerungszahl. Ein wesentlicher Faktor in den nord- und mittelitalienischen Städten ist die feste Etablierung des Großkapitals im politischen Bereich der Städte, der Renten interessanter machte als unternehmerische Rendite. Das große Kapital, fest in politischen Posten verankert, zieht immer mehr Einkommen daraus. Mit dem Erwerb großer Territorien durch die neuen Stadtstaaten fließt ein stattlicher Anteil kaufmännischen Kapitals aufs Land ab, in risikoärmere Investitionen in Landgüter. Das gilt für Florenz schon im vierzehnten Jahrhundert und für Venedig im fünfzehnten, als die Seewege sich verengen und stattdessen die große Landmasse des Veneto dazugewonnen wird.

 

Die ausländische Waren-Konkurrenz nimmt zu, und im Zuge der Konzentrationsprozesse auch das Volumen des Kapitals für die Aufrechterhaltung des Einkommens. In Roovers Portrait des Seidenunternehmers Andrea Banchi (1372-1462), der schließlich zur kleinen reichen Spitze von Unternehmern in Florenz gehört, wird deutlich, wie es schwieriger, mühsamer wird, sein Kapital noch gewinnbringend produktiv einzusetzen. Dazu gehört der Überblick über die vielen einzelnen Arbeitsgruppen, die noch in keiner Manufaktur oder gar Fabrik zusammen arbeiten, sondern in voneinander getrennten Gruppen von meist höchstens 6 Leuten, alle hoch spezialisiert in einem bereits ähnlich wie die Wolltextilherstellung extrem arbeitsteiligen Gewerbe. Nach der Investition in die vielen einzelnen Arbeitsschritte kam die in den Laden in Florenz und in den Handel andernorts, nach Genf, Rom; Neapel, Paris, Brügge, Barcelona. Dabei wurde europaweit konkurriert mit vielen anderen Firmen, und es ging nicht nur um die Qualität der Tuche, sondern um ihr Mithalten mit den neuesten Moden.

 

Andrea Banchi wird sehr reich, aber der Preis ist, dass er wenig Zeit für einträgliche Politik oder den Genuss seines Reichtums hat. Großkaufleute, Bankiers und Finanzspekulanten erwirtschaften in derselben Zeit ein Vielfaches auf bequemerem Wege.

 

Der zunehmende Reichtum und Luxus des großen Kapitals lässt durch die Generationen die unternehmerische Initiative erlahmen. Es findet sich nicht einmal mehr genug adeliger Nachwuchs für die Führungspositionen in der venezianischen Flotte. Der Anteil des in Produktion und Handel investierten Kapitals nimmt ab. In den venezianischen Handelsniederlassungen finden sich immer weniger Kaufleute bzw. ihre höheren Angestellten ein. Es gibt mehr Luxusleben im Palazzo auf dem Lande.

 

Falls man beim Großkapital von Bürgersinn sprechen kann, so besteht der in der Wahrung seiner Interessen bei aller Konkurrenz untereinander. Letztlich verbirgt sich das hinter den Texten der neuen Literaten, die von Gemeinsinn, Friedenswahrung und Gerechtigkeit sprechen. Diese Leute finanzieren sich aus politischen Ämtern, aus der Staatsschuld, zahlen wenig Steuern und vermeiden diese, soweit sie können. Sie sind auch die Profiteure der zahllosen Kriege, in denen sie wirtschaftliche Konkurrenz zu schädigen oder zu untewerfen suchen. Für 1390 berichtet Martines, dass die unterworfenen Städte 80% des gesamten Haushaltes der Stadt Mailand unter Giangaleazzo Visconti trugen. Nur ein Drittel des venezianischen Haushaltes von 1463 stammte aus der Stadt Venedig selbst, und nur ein Bruchteil davon aus direkten Steuern, die die herrschende Schicht belastet hätten.

 

Die Kriege wiederum, die wenn erfolgreich, zum Reichtum der Reichen beitrugen, wurden zunächst mit Erhöhung der Belastungen für die Masse der Bevölkerung finanziert und nur selten durch außerordentliche Abgaben der Oberschicht. Das ändert erst im 15. und 16. Jahrhundert mit der Zunahme direkter Steuern und dem Wertverlust von Investitionen in die Staatsschuld. Langsam führen die staatlichen Bedürfnisse zur Strangulierung einzelner Wirtschaftszweige und zu einem Ende des Wirtschaftswachstums (Martines S. 252).

 

Wer immer die „Errungenschaften“ der italienischen Stadtstaaten zwischen 1100 und 1500 feiert oder sich an ihren Resten heute touristisch erfreut, feiert mit all dem, womit er sich heute identifizieren kann, vor allem den Aufstieg des Kapitalismus, das heißt, von Kapitalisierung und Warenwelt. Aus dem Aufstieg der größeren Kapitaleigner, jener, denen in größerem Umfang unternehmerisches Handeln möglich war, und ihrer Verschmelzung mit Teilen des Adels entsteht eine ökonomisch definierte Gruppe, die den Staat kontrolliert und mit seiner Hilfe die Masse der Bevölkerung. Diese ist auf dem Land dem Zugriff des Kapitals ausgesetzt, was sie in die Städte fliehen lässt, wo sie den Konjunkturen des Wetters, der Epidemien, der Politik und damit des periodisch wiederkehrenden Hungers ausgesetzt sind, andererseits aber auf die Almosen der Reichen und die karitativen Leistungen des Staates hoffen können.

 

Martines geht davon aus, dass die Löhne tendenziell fallen, während die Lebenshaltungskosten steigen, das Ganze nur unterbrochen durch Katastrophen wie die Pest von 1348. Arbeitsverträge dauern maximal nur ein Jahr, Arbeiter können aber auch nur für einen Tag eingestellt werden. Löhne wie für städtische Bauarbeiter können in Naturalien ausgezahlt werden, oder in Geld, welches auch nur die schiere Subsistenz umfasst. Alte und Kranke sind auf ihre Verwandten angewiesen und alle zusammen auf ein schwer durchschaubares Glück. Am Ende kommt es zu Auswanderungswellen von Facharbeitern in Venedig im Schiffsbau und in Florenz im Textilgewerbe

 

Das zunehmende technische Raffinement führt zu immer stärkerer Arbeitsteilung. Ohne die Maschinen der sogenannten industriellen Revolution war menschliche Arbeitskraft die wesentliche Energie. Anstelle des späteren Fabriksystems ist die Arbeit in verschiedenste Arbeitsgänge aufgeteilt, die unterschiedlichen und lokal getrennten Werkstätten zugeteilt sind. Diese hängen, was den Rohstoff oder das vorgefertigte Produkt angeht, vom Kapitaleigner ab, so wie oft auch, was die Werkzeuge betrifft.

 

Auf einem Markt, der seit der Antike mehrere Kontinente umfasste, herrschte zunehmende Konkurrenz. Ohne nationale Gesetzgebung zur Hebung der Kaufkraft und Eingrenzung der Konkurrenz waren die Unternehmer auf das Drücken der „Einkommen“ des neuen Proletariats angewiesen. Stattdessen gaben sie nach erfolgreicher Kapitalverwertung Almosen und spendeten für Kirchen, Orden und deren Gebäude. Dazu gehören die Kunstwerke, deren Inhalte formal weiter christliche bleiben, auch wenn sie in ihrer Ausgestaltung immer mehr verweltlichen. Aber: „The images of ragged workers and poor folk in the frescoes of Masaccio, Cosimo Tura, and Filippino Lippi are not fictions...“. (Martines, S. 261)

 

Geschäftsleute: Karrieren

 

Die Laufbahn von Francesco Datini belegt, dass man auch im Gefolge der großen Krisen des 14. Jahrhunderts von verhältnismäßig kleinen Anfängen in jungen Jahren mit entsprechendem Talent und Glück zu einem der großen Wirtschaftsmagnaten der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts aufsteigen kann. Das ist natürlich nur ganz wenigen möglich, denn die Menge des auf den Einzelnen zu konzentrierenden Geldes als Kapital ist begrenzt. 

Als Jugendlicher geht Datini in das päpstliche Avignon, wo er schließlich eine eigene Firma aufbaut. Anfänge finden mit Waffen- und Rüstungshandel  statt. Dazu kommt dann der Import von Gewürzen und Tuchen. Nachdem er die aufblühende avignonesiche Firma einem Geschäftsführer übergibt, geht er nach zweiunddreißig Jahren 1382 nach Prato zurück, beginnt selbst mit der Tuchproduktion und gründet dafür zwei Firmen, zudem einen Färberbetrieb. Er hat nun Firmen in Prato, Florenz und Pisa. Dazu kommt 1392 eine in Genua, von der aus Geschäfte bis ins Piemont und nach Paicenza betrieben werden. Da ein Großteil der Wolle aus Spanien stammt, macht er auch dort Betriebe auf, 1393 in Barcelona.Diese Firma wiederum hat Zweige in Valencia und Palma de Mallorca, und von Valencia reichen die Geschäfte bis Kastilien, südlich bis Lissabon, Las Palmas auf Gran Canaria und bis nach Westafrika.

Im florentinischen Kataster von 1429 lassen sich im nachhinein 42 Firmen erkennen, die außerhalb Italiens operieren, und 29 davon zwischen Südfrankreich und Südspanien.

Langsam weitet sich sein Handel über alle gewinnbringenden Güter aus und bis ins Bank- und Versicherungsgeschäft hinein. Sein vielfältig verflochtenes Firmenimperium reicht schließlich "von den englischen Cotswolds nach Arabien und von Kastilien in die Krim." (Spufford, S.101) 1410 stirbt er.

 

Unterhalb der Firmeninhaber bzw. Kapitaleigner machen immer mehr Leute in den großen Firmen Karriere, die sich im Sinne des Kapitals als tüchtig erweisen. Rasanter Aufstieg innerhalb einer Generation gelingt dabei vor allem denen, die schon von Haus aus Vorteile mitbringen, zu denen Eigentum und Schulbildung gehören.

 

Die Eltern von Giovanni Benci besitzen ein Haus in Florenz und einen kleinen Bauernhof im Umland. Nach der Schule landet er 1409 mit fünfzehn Jahren als eine Art Laufbursche bei der römischen Niederlassung der Medici, wo er nach rund zehn Jahren Hauptbuchführer wird. 1424 wird er nach Genf geschickt, um dort eine Niederlassung zu gründen, in der er dann Geschäftsführer und Anteilseigner wird. Während des Konzils eröffnet er eine Zweigstelle in Basel. 1435 ist er dann Stellvertreter des Geschäftsführers in der Zentrale in Florenz und leitet von dort aus die Bankgeschäfte. 1443 wird er Firmenleiter als Hauptgeschäftsführer.

Für 1451 ist belegt, dass es ihm gelungen ist, "18 000 Florins in die Dachgesellschaft zu investieren. Das Steuerregister, catasto, von 1457 zeigt, dass er seinen Erben ein Vermögen im geschätzten Wert von über 26 000 Florins, also Goldgulden, hinterlassen konnte; das war über ein Fünftel des angegebenen Vermögens der Medici selbst." (Spufford, S.42)

 

Auch der Florentiner Francesco Sassetti ist kein Kind armer Eltern, denn sein Vater ist Geldwechsler, stirbt allerdings früh. Mit knapp zwanzig Jahren tritt Francesco als Faktor in Genf in die Medici-Firma ein. Sieben Jahre später ist er dort Geschäftsführer, und als die Niederlassung nach Lyon verlegt wird, taucht er erst dort und dann in Avignon als Geschäftsführer und Teilhaber auf. 1459 wird er in Florenz Stellvertreter des Hauptgeschäftsführers und 1463 dessen Nachfolger. 

Er soll während seines Aufstiegs etwa das doppelte Vermögen des Giovanni Benci angesammelt haben, was es ihm dann ermöglicht, in Santa Trinità i Florenz eine eigene Kapelle bauen zu lassen und Domenico Ghirlandaio mit der Ausmalung zu beauftragen. Als dann allerdings die Medici-Firma in eine schwere Krise gerät, verliert er praktisch sein ganzes Vermögen wieder.

 

Wenn man erst einmal ein Anfangsvermögen in einer Firma zusammen bekommen hat, kann man dies auch außerhalb derselben steigern. Die Städte des großen Kapitals finanzieren sich im wesentlichen einmal durch indirekte Steuern, die für den weiteren Aufbau eines Vermögens unbedeutend sind, und darüber hinaus durch den Aufbau einer Staatsschuld. Die Vermögenden zahlen dort ein und bekommen dafür feste, wenn auch nicht sehr hohe Zinssätze, die wiederum die weniger vermögende Bevölkerung mit den indirekten Abgaben finanzieren. Spufford schätzt, dass die Investitionen der Benci-Erben in Staatspapiere bei fünf Prozent ein Jahreseinkommen von 1300 Florins ergeben, "und das zu einer Zeit, als ein ausgebildeter Handwerker 25 bis 30 Florins pro Jahr verdiente." (S.42)

 

In stetem Fluss wird so das Geld, welches die ländlichen und städtischen Produzenten erarbeiten, einmal in die Taschen der Fürsten und Könige geleitet, vor allem aber in die des Handels- und Finanzkapitals und derer, die unmittelbar daran partizipieren.

 

Florenz von 1421 bis zur Habsburger Dominanz

 

Im 15. Jahrhundert nimmt der Zugang zur englischen Wolle mit dem Aufstieg der dortigen Tuchproduktion rapide ab und es wird für eine Weile auf Wolle aus den Abruzzen umgestiegen, bevor dann gegen Ende des Jahrhunderts kastilische Merinowolle zur wesentlichen Ressource wird, welche die Produktion der nun für den Handel so wichtigen gehobenen rascia-Stoffe ermöglicht. Dabei verlieren die heimischen Handelsfirmen an Bedeutung zugunsten genuesischer und kastilischer Kaufleute.

 

Mit dem eigenen Hafen und der eigenen Galeerenflotte sinkt die Bedeutung von Venedig für den florentinischen Osthandel. Mit dem Niedergang der flämischen Tuchindustrie und der in dem Nahen Osten steigt der Handel von Wolltuchen in den östlichen Raum.

 

1435 erobert Alfonso V. von Aragon das Königreich Neapel und beschneidet im Einvernehmen mit dem Handelskapital von Barcelona und Valencia die Möglichkeiten Florentiner Firmen. 1447 werden die Firmen aus Barcelona vertrieben, sogar Kleidung aus Florentiner Wolle und Seide wird verboten, sie werden schließlich in Neapel eingeschr änkt. Dieser Krieg gegen die Stadt wird erst 1454 mit dem Frieden von Lodi beendet, aber inzwischen haben sich katalanische Händler in Süditalien festgesetzt.

Unter Ferdinando (Ferrante) I.treten wieder gute Beziehungen zu Florenz ein.

Zwischen etwa 1420 und 1520 wächst Neapel von rund 40 000 auf rund 200 000 Einwohner und entfaltet vor allem einen riesigen Markt für Luxuswaren auch Florentiner Herkunft, insbesondere luxuriöse Wolltuche und Seidentuche, während das Königreich die Rohseide liefert.

 

Im zweiten Drittel des 15. Jahrhunderts beginnt der Aufstieg der Seidenproduktion, deren Rohstoff zunächst aus der Levante kommt, und in geringerem Maß aus Spanien und Süditalien (L'Aquila). Mit der Förderung der Pflanzung von Maulbeerbäumen in der Toskana nimmt deren Anteil neben dem anderer italienischer Regionen im Verlauf des Jahrhunderts dann immer mehr zu. Für den Absatz werden derweil die beiden wachsenden Residenzstädte Rom und Neapel immer wichtiger. Gegen Ende des Jahrhunderts fassen Florentiner Firmen dann stärker in Nürnberg Fuß, um in das Netzwerk aufstrebender süddeutscher Städte hinein zu gelangen.

 

1427 legt die Stadt - vielleicht nach dem Vorbild von Venedig - ein Vermögenskataster für die Einziehung der innerstädtischen direkten Steuern an. Angegeben werden müssen Immobilien (ohne die eigene Wohnung), Tiere, Handesware, geschäftliche Investitionen, Kredite beim Monte (auf 50% heruntergerechnet) und private ausstehende Kredite. Abgezogen werden alle Verbindlichkeiten und das Netto-Vermögen wird dann mit 0,5% versteuert. Dabei ist es relativ leicht, liquides Vermögen zu unterschlagen.

 

In diesem Jahr verfügen rund 100 Familien, knapp 1 Prozent der Haushalte, bereits über ein Viertel des Gesamtvermögens in der Stadt. Von den rund 120 000 Einwohnern vor der großen Pest sind nur noch 38 000 übriggeblieben, die Mitte des 16. Jahrhunderts wieder auf 60 000 ansteigen wird.

Dennoch bleibt eine positive Zahlungsbilanz auf der Basis von Woll- und Seidentuchexporten. Der Konsumbedarf wird weiter überwiegend vom Handwerk und in den Läden der Stadt gedeckt, bleibt also dort (Goldthwaite).

 

Ein Teil des Großkapitals zieht sich im Vertrauen darauf, dass die übrigen schon weiter allgemeine Kapital-Interessen vertreten, zunehmend aus der Politik zurück. Francesco Datini und Filippo di Matteo Strozzi beteiligen sich überhaupt nicht direkt.

Der Machtkonflikt konzentriert sich auf die Familien degli Albizzi und die Medici. 1433 wird Cosimo de Medici samt Familie nach Venedig verbannt, von wo aus er sein Bankensystem weiter betreibt, um 1434 wieder zurückzukehren. Darauf sorgt er dafür, dass die Albizzi verbannt werden. Aus dem Hintergrund zieht er nun die Fäden in der Stadt. Das gegen Mailand gerichtete Bündnis mit Venedig wird gelockert und ein Ausgleich mit Mailand angestrebt.

 

In L'Aquila wird inzwischen nicht nur Rohseide eingekauft, sondern seit Mitte des Jahrhunderts auch als Ersatz für englische die matriciana-Wolle aus den Abruzzen. Ein Netzwerk florentinischer Firmen agiert von der Stadt aus.

 

Mit der Eroberung Konstantinopels durch den Ottomanenherrscher beginnt Florenz zu seinem Reich freundschaftliche Kontakte zu knüpfen, was natürlich Venedig verärgert. Man bedankt sich 1455 für die freundliche Behandlung florentinischer Händler und nimmt die Galeerenroute dorthin im nächsten Jahr wieder auf. 1461 agiert bereits ein florentinischer Konsul in Konstantinopel. Es gibt bald Niederlassungen in Pera mit einer eigenen nazione und wichtigen Städten des neuen Reiches. 1507 sollen bereits an die siebzig Florentiner in Konstantinopel residieren, wohl mehr als in irgendeiner Stadt außerhalb Italiens (Goldthwaite, S.184). In einer Übereinkunft von 1482 erlaubt Sultan Beyazit II. den Florentinern den Import von 5000 Ballen Tuche pro Jahr, etwa ein Drittel der gesamten städtischen Produktion (Goldthwaite, S.185). Für die Tuche kommen Rohseide, Leinen, Häute und Färberstoffe neben Geld zurück.

Mit der ottomanischen Eroberung von Albanien kommt gegen Ende des 15. Jahrhunderts eine Landroute dazu, bzw. eine kombinierte Handelsroute über Ancona und Ragusa (Dubrovnik). Ragusa war 1378 von venezianischer Herrschaft in ungarische übergegangen, kehrt 1407 in die Hand von Venedig zurück, behauptet aber ein hohes Maß an Unabhängigkeit. Bedeutend ist neben vielem anderem sein Handel mit serbischem Silber ab 1370.  Im 15. Jahrhundert haben die Medici, die Pazzi, Pitti und Strozzi hier Niederlassungen.

 

Die Außenpolitik des Stadtstaates wird weiter von Handelsinteressen bestimmt. Als 1484 ein Botschafter nach Neapel abreist, wird im folgendes auf den Weg gegeben: Sie repräsentieren uns und unsere Interessen, besonders unsere Kaufleute im allgemeinen wie im besonderen. (in: Goldthwaite, S.486 mit Quelle). Wirtschaftspolitik im Inneren beschränkt sich aber auf die Schaffung günstiger Rahmenbedingungen für die Tuchfirmen, in deren Handeln allerdings kaum eingegriffen wird.

 

1487 werden die Pazzi nach ihrer Verschwörung verbannt, wobei ein Zweig der Familie weiter eine Firma in Valencia betreibt.

 

Auch um das Hinterziehen von Steuern zu verhindern, wird 1495 mit der Decima nur noch das Einkommen schaffende Immobilien-Vermögen besteuert. Damit werden tatsächlich die besonders Reichen bevorzugt, jene nämlich, die zusammen nur 22% der Immobilien, aber 43% des übrigen Reichtums unter sich vereinen. Ziel ist es in der Präambel der Verordnung, nicht in die Geschäfte einzugreifen und in den Handel unserer Stadt. (Goldthwaite, S.507f)

 

Gegen Ende des 15. Jahrhunderts dringen Händler von Portugal bis Süddeutschland immer aggressiver ins Mittelmeer ein und dabei auch nach Florenz.

 

Sohn Lorenzo ("Il Magnifico") herrscht mit der Härte eines Signore. Seinen Sohn Giovanni kann er zum Kardinal machen, nach Lorenzos Tod 1492 wird er 1513 zum Papst Leo X.

 

Mit dem Italienzug von Charles VI. muss sich Piero de Medici dessen Forderungen unterwerfen, dann wird die Familie vertrieben und kann erst 1512 zurückkehren. 1527-32 wird sie erneut vertrieben. 1537 machen die Habsburger Cosimo zum ersten Herzog der Toskana. Die Stadt ist nun politisch und finanziell geschwächt, während sie immer noch eine reiche Oberschicht beherbergt.

 

Schon die Invasion von 1494 löst die Rebellion von Pisa aus, die von 1494 bis 1509 andauert.

 

Mit dem Erwerb der spanischen Krone 1516 beginnt Karl V. die Fugger und die Genuesen in ihren Handels- und Finanzinteressen in Süditalien zu unterstützen, wobei sich um die Jahrhundertmitte die Genuesen massiv durchsetzen und nun den Handel mit Getreide und Rohseide dominieren und die Regierung in Neapel weitgehend mit Finanzen versorgen. Die großen Firmen von Florenz reduzieren sich zunehmend auf das auf ihre Stadt ausgerichtete Basisgeschäft: Einfuhr von Getreide, Wolle und Rohseide und Ausfuhr von Textilien.

 

Mit der Umstellung der Produktion auf leichtere, aber teurere rascia-Textilien schwindet im 16. Jahrhundert der Levantemarkt, der ohnehin stärker nun von französischem Handel dominiert wird. Die Beziehungen zu den Ottomanen verschlechtern sich, während die französischen immer exzellenter werden. Alexandria löst für Florenz immer mehr Konstantinopel als orientaler Haupt-Handelsort ab. überhaupt aber werden die Märkte im Norden immer wichtiger.

 

1529-30 wird Florenz zehn Monate lang belagert. Danach kommt es zur Rückkehr der Medici und 1537 mit Cosimo I. zur Verwandlung der Toskana in ein Fürstentum.

 

Für Florenz bleibt gegen Ende des 16. Jahrhundert vor allem der Handel mit Seidentüchern wichtig, der nun über Nürnberg bis nach Krakau ausgedehnt wird.

 

 

Mailand unter den Visconti

 

Im späten Mittelalter wird deutlich, dass die größeren Städte fast überall in Europa auch zu neuen, und intensiveren Formen von Herrschaft und Machtausübung tendieren. Entweder kontrollieren kleine Kreise des größeren Kapitals die Städte, manchmal vorübergehend durch ebenso kleine Kreise einer Handwerkerelite assistiert, oder aber es setzen sich neue Despoten mit ihren Familien durch, in deutschen Landen eher selten und meist nur für kürzere Zeit, in der Nordhälfte Italiens eher als Regelfall.

 

Wie schon einst die Podestà sind auch die Signori (Herren) ein Versuch der großkapitalistischen Oberschicht, einmal innere Konflikte durch eine Herrschaftsform zu verringern, die nun erhebliche Gewaltmittel in die Hände bekommen soll, und um zum anderen Kraft für expansive Kriege nach außen zu gewinnen.

Mailand ist anders als Venedig eine Stadt, die ein Gleichgewicht zwischen Handel und produktiven Gewerben hält. Dabei dominieren für den Export Textil- und Metallproduktion, Mailand ist schon vor Nürnberg eine Waffen- und Rüstungsschmiede Europas.

 

Die Visconti lassen sich gut und stellvertretend für viele andere Fürsten der Zeit als sich selbst mehr oder weniger legalisierende Großverbrecher darstellen, Vorläufer jenes Unheils sich selbst legalisierender staatlicher Super-Kriminalität, wie wir sie seit dem späten 18. Jahrhundert kennen.

Am Anfang steht ein Ottone Visconti, der seine Macht-Karriere in der Kirche beginnt, 1260 Podestà von Novara wird und zwei Jahre später von Urban IV. gegen die populare della Torre-Familie als Erzbischof eingesetzt wird, um römisch-päpstliche Interessen zu fördern. Erst 15 Jahre später kann er sich in der Schlacht bei Desio gegen die Torriani durchsetzen, von denen er Napoleone della Torre und fünf seiner Verwandten nun in Eisenkäfige sperren lässt. Damit wird er erst tatsächlich Erzbischof und Stadtherr. 1287 macht er seinen Neffen Matteo Visconti zum Capitano del Popolo und 1291 zum Stadtherrn, während er sich ins Kloster von Chiaravalle zurückzieht.

 

1302 vertreiben della Torre den Matteo nach Verona, aber Heinrich VII. sorgt 1311 dafür, dass er sich wieder Mailand aneignen kann. Es gelingt ihm, unter anderem Piacenza, Pavia, Bergamo, Cremona und manch andere Stadt unter seine Knute zu bekommen. 1322 wird er wegen seiner ghibellinischen Positionen vom Papst exkommuniziert und dankt zugunsten seines Sohnes Galeazzo ab.

 

Nach sechs Jahren, in denen er kurzfristig vom Kaiser wegen des Verdachts der Zusammenarbeit mit dem Papst eingesperrt wurde, folgt auf ihn Sohn Azzo als Despot der Stadt. Der ist reich genug, sich vom Kaiser für 25 000 Florin den Titel eines kaiserlichen Vikars zu kaufen. Er erobert zahlreiche Städte, ermordet seinen Onkel Marco (1329), unterdrückte einen Aufstand seines Vetters Lodrisio, reorganisiert die Verwaltung seines Reiches und hinterlässt Mailand seinen Onkeln Lucchino und Giovanni.

 

Lucchino beendet die Konflikte mit Rom, ist reich genug, um dem Este Obizzo III. Parma abzukaufen und bringt Pisa in seine Abhängigkeit. Er gilt als ebenso grausam wie eifersüchtig und wird 1349 von seiner Ehefrau Isabella Fieschi vergiftet. Es heißt, das sei nach einer Orgie dieser „Dame“ geschehen, an der u.a. der Doge von Venedig und ihr Neffe Galeazzo ihre körperliche Reize zugleich genossen haben sollen.

 

Sein Bruder Giovanni, der nun fünf Jahre lang Erzbischof und Stadtherr ist, schafft es, Genua und 1350 das päpstliche Bologna zu erobern und somit eine Despotie über den größten Teil Norditaliens zu errichten. Offenbar ist er hinreichend nach dem Geschmack Petrarcas (und vice versa), um dessen Förderung anzunehmen.

 

 

Vor der Mitte des 14. Jahrhunderts wird eine Mauer vollendet, die Mailand zur flächengrößten Kommune Italiens macht. Natürliche Wasserläufe und Kanäle durchziehen die Stadt, und an ihrem Lauf haben sich Färber und Gerber niedergelassen. Mühlen dienen dem Mahlen des Getreides, industrieller Produktion und treiben Sägewerke an. Hundert Waffenschmieden stellen Rüstungen her. Die handwerklich organisierte Produktion, weitaus bedeutender als in Venedig, greift wie dort nicht in die Politik ein.

Es heißt, die Stadt besitze seit dem 13. Jahrhundert 6000 Trinkwasserbrunnen, 300 öffentliche Öfen, zehn Hospitäler für mehrere tausend Kranke, Unmengen an Juristen, zehntausend Mönche (Tuchman, S.224)

 

Die Visconti fördern aus eigenem Interesse die Wirtschaft der Stadt und deren Machtstellung, die sie mit der eigenen identifizieren.

Das Reich wird bei Giovannis Tod unter den drei Söhnen Stefanos, Matteo II., Galeazzo II. und Bernabo aufgeteilt. Matteo wiederum, dem Bologna, Piacenza und Parma zufällt, treibt es offenbar so wild, dass er von den Brüdern der „Sittenlosigkeit“ bezichtigt und auf ihre Veranlassung 1355 ermordet wird. Galeazzo II., der von Pavia aus regiert, ist ein etwas weniger terroristisch agierender Despot, ebenfalls Förderer von Petrarca, der in seiner Hauptstadt eine Universität gründet. Für 200 000 Gulden Mitgift kann er seine Tochter Violante an einen Sohn von Edward III. verkaufen und Sohn Gian Galeazzo an eine Tochter von Jean II. von Frankreich. Damit schaffen es solche fürstlichen Großverbrecher, nicht nur sich selbst zu legalisieren, sondern auch in die Reihen „legitimer“ Herrscher aufgenommen zu werden.

 

 

Neben der Wirtschaftsförderung betreiben die Despoten eine expansive Politik nach außen, nachdem Lodi und Como schon längst von Mailand unterworfen waren. Um die Mitte des 14. Jahrhunderts machen sich die Visconti Asti, Bergamo, Brescia, Cremona, Novara, Piacenza, Parma und Pavia untertan.

Zwischen 1371 und 75 kann Bernabò Visconti die Reggio Emilia annektieren. Dieser Expansionsdrang soll durch ein Bündnis von Florenz und dem Kirchenstaat gebremst werden.

 

Bernabó, verheiratet mit der Tochter eines della Scala-Despoten von Verona, residiert in Mailand, ist unentwegt in Kriege verwickelt; und muss sehr drückende Steuern erheben, um deren Kosten zu decken. Er kämpft gegen Innozenz VI. und Urban V., die gegen ihn einen Kreuzzug ausruft, wie auch gegen Kaiser Karl IV., der ihn seiner Lehen für verlustig erklärt.

Er "beschlagnahmte kirchliches Eigentum, zwang den Erzbischof von Mailand, vor ihm niederzuknien, verbot seinen Untertanen, den Zehnten zu zahlen, Vergebung zu erbitten oder in irgendeiner anderen Weise mit der Kurie zu verkehren, er zerriss Botschaften des Papstes an ihn und trampelte auf ihnen herum." (Tuchman, S.232)

 

Bei 15 oder 17 ehelichen und mindestens 10, eher vielmehr unehelichen Kindern kann er eheliche an drei Wittelsbacher, einen Habsburger und einen Württemberger Grafen verheiraten, uneheliche an Condottiere wie Hawkwood.

 

Die weit über den Durchschnitt fürstlichen Terrorismus hinausgehende Grausamkeit Bernabós fasst Jacob Burckhardt so zusammen:

 

In Bernabò meldet sich ganz unverkennbar eine Familienähnlichkeit mit den schrecklichsten römischen Imperatoren. Der wichtigste Staatszweck ist die Eberjagd des Fürsten; wer ihm darein greift, wird martervoll hingerichtet; das zitternde Volk muß ihm 5.000 Jagdhunde füttern, unter der schärfsten Verantwortlichkeit für deren Wohlbefinden. Die Steuern werden mit allen denkbaren Zwangsmitteln emporgetrieben, sieben Töchter mit 100.000 Goldgulden ausgestattet und ein enormer Schatz gesammelt.“ (in: Die Kultur der Renaissance in Italien)

Wenn Bernabó durch die Straßen ritt, waren alle Bürger gehalten, das Knie zu beugen; er pflegte häufig zu sagen, er sei Gott auf Erden, Papst und Kaiser in seinen Landen.“ (Tuchman, S.223)

 

Nach dem Tod seines Bruders versucht er, Alleinherrscher zu werden. Als eine Enkelin Bernabós 1385 kurz davor ist, Königin von Frankreich zu werden und eine Tochter Ansprüche auf Neapel hat, lädt der junge Gian Galeazzo seinen Onkel zu einem Treffen außerhalb von Mailand ein. Dort wird Bernabó überfallen, Mailand wird eingenommen und Gian Galeazzo reißt den Goldschatz an sich. Der Bevölkerung wird erlaubt, den Palast Bernabós zu plündern und die Steuerregister zu verbrennen. Gian Galeazzo senkt dann erst einmal die Steuern. Ein Sohn Bernabós wird eingesperrt und ein anderer gekauft. Bernabó wird dann ermordet. Elisabeth/Ysabeau von Frankreich wird das nicht vergessen.

 

Über Gian Galeazzo sagt der ebenfalls despotische Francesco Carrara, Herrscher über Padua:

Ich kenne Gian Galeazzo. Weder Ehre noch Mitleid noch Treueschwüre haben ihn jemals zu einer selbstlosen Tat getrieben. Wenn er je das gute sucht,dann, weil sein Interesse es fordert, denn er ist ganz ohne Moral. Güte wie Hass oder Zorn ist für ihn eine Frage der Berechnung. (in: Tuchman, S.362)

 

Ihren Fürstenstatus demonstrieren die Visconti, indem sie Ende des 14. Jahrhunderts in ein Kastell am Stadtrand ziehen.  Gian Galeazzo beginnt 1386 als Prestige-Projekt den geradezu überdimensionierten Neubau der Mailänder Kathedrale, zu dem dann allerdings im weiteren die Mailänder Bevölkerung mit Arbeitsleistung und Spenden beiträgt.

Er lässt eine Certosa bauen und eine Brücke über den Ticino in Pavia. Er verwaltet sein Reich und seine Reichtümer unter relativ modernen Gesichtspunkten und versucht, nach Norditalien (Verona, Padua, Mantua und Ferrara) auch die Toskana bis Pisa und Siena zu erobern bzw. zu erwerben.

 

Die Visconti setzen die Erblichkeit ihres "Amtes" durch, die Ludwig der Bayer und Karl IV. damit bestätigen, dass sie ihnen das Reichsvikariat über die Stadt verleihen. Gegen 100 000 Florin kauft Gian Galeazzo 1395 sich von König Wenzel einen Herzogstitel.

 

1393 versucht Gian Galeazzo, die Macht von Bologna und Florenz dadurch zu brechen, dass er die Franzosen im Bündnis mit sich nach Italien holt. Papst Clemens wird eingeladen, ein Königreich Adria Louis d'Orléans als Lehen zu geben und dafür reiche Einnahmen zu gewinnen und so soll dann das Schisma im französischen Sinne beendet werden. Dagegen wenden sich Florenz und der burgundische Herzog sowie die Pariser Universität, die mit Nicolas de Clamanges den Konzilsgedanken vertritt.

Clemens stirbt und der Kardinal de Luna wird als Benedikt XIII. durchgesetzt, nachdem er seinen Rücktritt für die Möglichkeit der Beendigung des Schisma versprochen hat, was er dann nicht einhält. Coucy zieht mit einem zusammengewürfelten Heer durch Norditalien nach Savona, das sich für 6990 Florinen kaufen lässt.

Der Herzog von Burgund, Königin Ysabeau und Florenz führt dazu, dass Genua die Herrschaft direkt dem König anbietet, und der kauft Louis d'Orléans seine Ansprüche für 300 000 Franken ab. (Tuchman, S.478)

 

Beim Versuch, Florenz einzunehmen, stirbt Gian Galeazzo an der Pest und der Condottiere Facino Cane de Casale übernimmt die Regentschaft für die beiden Söhne, in der die meisten Eroberungen in die Hände solcher Condottiere geraten.

 

 

Zweimal, 1385-88 und 1402-12 gelingt es anderen Familien, die Visconti kurzzeitig abzulösen. In dieser Zeit gelingt es Venedig, die Kontrolle über Bergamo und Brescia zu gewinnen.

 

Giovanni Maria wird 1402 Herzog und zeichnet sich durch schrecklichste Grausamkeit aus. 1412 wird er von Ghibellinen ermordet. Noch grausamer vielleicht ist Bruder Filippo Maria, der die Lombardei von Condottieri wie Carmagnola, Piccinino und Francesco Sforza beherrschen lässt. Indem er die Witwe von Facino Cane heiratet, kann er sich um fast eine halbe Million Gulden bereichern. 1441 heiratet Sforza Viscontis Tochter Bianca Maria und wird 1450 Nachfolger.

 

1447 endet mit dem Tod des erbenlosen Filippo Maria Visconti die Herrschaft der Familie. Versuche, die alte Republik wiederzubeleben, scheitern in gewalttätigen inneren Konflikten. Der ehemalige Kondottiere Francesco Sforza, Schwiegersohn des letzten Visconti, gewinnt dabei die Oberhand. Er erobert zunächst Städte in der Lombardei und wird 1450 in Mailand als Signore anerkennt. 1454 macht er sich zum Herzog. Noch einmal kommt es unter seiner Despotie zu wirtschaftlichem Wohlstand.

 

Die Schwäche der italienischen Stadtstaaten wird schon beim Italienzug von Charles VIII. deutlich. Sein Nachfolger Ludwig XII. dringt 1499 in das Herzogtum ein, welches nun im wesentlichen fremden Mächten ausgeliefert ist.

Bellinzona und Locarno gehen an die Eidgenossenschaft verloren, Parma und Piacenza an den Kirchenstaat.

1535 übernimmt Spanien Mailand.

 

Venedig

 

Die wichtigsten italienischen (See)Handelsstädte im späten Mittelalter bleiben Genua und Venedig. Genua bezwingt Pisa militärisch (1284 Meloria) und konkurriert mit dem Ausbau des Gotthard-Passes zunehmend erfolgreicher mit Venerdig um den Landhandel mit dem Norden. Dazu kommt das aufgestiegene Florenz, nachdem es Pisa annektiert hat und bevor es um 1480 der venezianischen Konkurrenz unterliegt. Während Venedigs Interessen traditionell stärker im Osten liegen, versucht Genua sich auf beiden Seiten des Mittelmeers durchzusetzen. Handel und Krieg gehen weiter hand in Hand.

 

Im 13. Jahrhundert wachsen die einzelnen Stadtteile Venedigs zusammen und sind überall durch Brücken verbunden. Die Straße zwischen Rialto und Markusplatz ist nun gepflastert und Steinbauten lösen die Holzbauweise ab. Entlang des Canal Grande entstehen die Palazzi der Reichen mit ihren gotischen und orientalischen Zierformen. Der Dogenpalast wird um 1340 gotisiert und die Fassade des Markusdomes wird mit Marmor und Mosaiken verziert.

 

Ungefähr 5% der städtischen Bevölkerung Venedigs von wohl über 100 000 Einwohnern gehören einer Art Stadtadel an, der das Großkapital umfasst und abgeschlossen vom Rest der Bevölkerung die politischen Geschäfte betreibt.

Im Großen Rat, aus dem alle Amtsträger kommen, sitzen nur solche Adelige.

Im Verlauf des 14. Jahrhunderts nimmt der Reichtum auch jenseits dieser Gruppe weiter zu.

 

Im Großen Rat, der Adelsversammlung der bald rund Zweitausend, aus dem alle Amtsträger herkommen, findet nichts statt, was nicht im Collegio aus Doge, seinen sechs Räten, den savi, sechzehn Ministern und den drei Chefs der Quarantía, der obersten Kriminaljustiz vorbesprochen ist. Von hier gehen die Vorgaben an den Senat der 230, der sie an die große Versammlung weitergeht.

Nun erlassen 120 gewählte Mitglieder eines Senates die Gesetze und vertreten die Außenpolitik. Ein Rat der Zehn ist oberstes Gericht. 

Um 1350 kontrollieren rund vierzig adelige Geschlechter das Stadtregiment. Sie wandern dabei ungefähr jährlich von einem Amt und Kollegialorgan ins nächste, Bis auf das lebenslängliche Amt des Dogen sind alle Besetzungen der Ämter zeitlich eng begrenzt, dürfen aber nach einer gewissen Karenzzeit wiederbesetzt werden. Kontinuität gewährt neben dem Dogen vor allem eine professionalisierte Verwaltung.

 

1289-1311 ist Pietro Gradenigo Doge, der das Amt vor allem antreten kann, weil der beliebtere Bahamonte Tiepolo zurücksteht, um einen Bürgerkrieg zu vermeiden. Als der Papst nach Avignon übersiedelt, möchte er die Gelegenheit nutzen, Ferrara zu erobern. Der Papst, der nicht nur seine wirtschaftlichen Interessen bedroht sieht, antwortet mit Bann und Interdikt. Venedig muss nachgeben.

 

1310 kommt es zum Aufstand des Bahamonte Tiepolo mit (möglicherweise) dem Versuch der Errichtung einer Signorie über den Stadtadel. Damit versuchen auch die inzwischen ausgeschlossenen Popolanen auf die Abschließung des Machtzentrums nach unten zu reagieren. Aktueller Anlass ist wohl der Krieg gegen Ferrara, der das Interdikt des Papstes und die Schädigung der Landgüter venezianischer Adeliger. Nach Straßenschlachten und Bränden in Venedig wird der Aufstand von Truppen des Dogen niedergeschlagen, nachdem er vorher schon verraten worden war.

Darauf setzt der Maggior Consiglio einen Zehnerausschuss ein, der die Vorgänge untersuchen soll. Die Führer des Aufruhrs werden verbannt und der Ausschuss bleibt bestehen, um sie zu beobachten. Daraus wird bald eine Art staatlicher Geheimdienst und Staatsgerichtshof.

 

Nirgendwo zeigt sich die Verschränkung von Staat und Kapital deutlicher als im Arsenal, welches seit 1104 im Stadtteil Castello besteht und bis Anfang des 16. Jahrhunderts immer neu ausgebaut wird. Hier kann die Stadt seit dem 14. Jahrhundert zugleich fast 50 neugebaute Galeeren auf Reede legen (Rösch, S.60), die sie dann Jahr für Jahr neu versteigert. Es ist für sich der größte Arbeitgeber von Venedig. Zugleich ist es "das größte aller Warenlager, hier stapelte die Signoria Holz, Teer, Leinwand, Einzelteile und Waffen. Als militärische Nachschubbasis unterlag das Arsenal der Geheimhaltung." (s.o.)

 

Nach 1300 setzt sich die Galeere aus Schiffstyp in Venedig durch. Teile der Besatzung sind bewaffnet und kampferprobt. Man fährt im Konvoi unter dem Befehl eines staatlichen capitano, manchmal von Kriegsgaleeren begleitet.

1325 wird das Arsenal vergrößert, damit dort die neuartigen Handelsgaleeren (siehe: Großkapitel 'Gewerbe') und die kleineren Kriegsgaleeren gebaut werden können.

Der Schiffsbau selbst ist eine rein handwerkliche Arbeit vielfältiger Arbeitszweige, wiewohl sie stärker von Lohnarbeit bestimmt wird. "Geleitet wurde der Bau eines Schiffes von einem Werkmeister, der sich eine geeignete Mannschaft von notwendigen Handwerksmeistern, Schiffszimmerleuten , Kalfaterern, Schmieden, Rudermachern und Trägern aussuchte, die dann mit ihren Gesellen und Lehrlingen die Arbeit gegen Zahlung eines Wochenlohns erledigten." (Rösch, S.165) Neben dem Arsenal ist die Tana angesiedelt, die Hanf erst aus Tana, später aus Bologna zu Schiffstauen verarbeitet.

Die Leitung des Arsenals hat ein Admiral, der auch das weiter bestehende Materiallager dort beaufsichtigt.

 

An anderen Stellen der Stadt werden in privater Regie die übrigen Rundschiffe (Koggen usw.) gebaut. Sie dürfen ebenso wenig wie Galeeren an Nicht-Venezianer verkauft werden.

 

Die im städtischen Arsenal gebauten Handelsgaleeren gehören dem Staat und werden jedes Jahr in einer Auktion verchartert. "Der patrono (Herr) des Schiffskonsortiums musste den 2000 Adeligen angehören, deren Familien im Goldenen Buch eingetragen waren, dem Register der venezianischen Aristokratie, doch der Kapitän war ein bezahlter Angestellter des Staates, der für die sichere Heimkehr des Schiffs verantowrtlich war. Die Mannschaftsgrößen und die Bezahlung, die Zahl der mitgeführten Waffen, der Frachtsatz, die mitgeführte Ladung, die Anlaufhäfen, die Segelzeiten, die Bestimmungsorte und Zwischenstationen wurden alle vorher festgelegt. (...) Die Galeeren folgten festgelegten Routen wie ein Liniendienst, dessen Zeiten Anfang des 14. Jahrhunderts bestimmt wurden und dann 200 Jahre lang galten. " (Crowley, S.229f.)

 

Neben diesen staatlichen Geleitzügen aus Kaufmannsgaleeren unter einem staatlich eingesetzen Capitano gibt es andere, weniger wichtige Handelsziele, die frei von dieser staatlichen Organisation von Handelskoggen und anderen Rundschiffen angesteuert werden.

 

Der Aufstieg der Mameluken in Ägypten verändert die machtpolitische Landkarte des Nahen Ostens. Die islamischen Heere bestehen längst nicht mehr aus arabischen Kriegern, sondern aus Sklaven, wie sie zum Beispiel auch Venedig und Genua verkaufen. Offizieren dieser Sklavenheere, in Ägypten auch Mameluken genannt, gelingt es, in Ägypten um 1250 die Macht zu ergreifen und dann als einzige erfolgreich die Mongolen zurückzuschlagen. 1268 gelingt es Baibar(s), Antiochia zu erobern. Seine Nachfolger erobern Palästina, als letztes fällt Akkon. Palästina wird weitgehend verwüstet und wird in der Folge und bis ins zwanzigste Jahrhundert nur noch dünn besiedelt sein.

Während die Mameluken sich zunächst auf die Seite der Armen stellen, werden sie im Verlauf des 14. Jahrhunderts zu einer Gruppe von Großgrundbesitzern, die Ägypten bis zur Eroberung durch die Osmanen weiter beherrschen.

 

Die blutige Eroberung von Akkon mit seinen rund 40 000  Einwohnern ist aus der Sicht der Kirche ein schwerer Schlag gegen die Christenheit, und Venedig verliert wie die anderen Handelsstädte seine privilegierte Rolle in Palästina, aber das hindert die Stadt nicht, während der Eroberungskriege der Mameluken mit diesen weiter Handel zu treiben, und ihnen jene Sklaven zu liefern, die dann gegen die Christen eingesetzt werden. Der Papst Bonifaz VIII. verhängt 1302 wieder einmal ein Handelsverbot, nun gegen die Mameluken in Ägypten und Palästina, welches auch Venedig nicht völlig ignorieren kann.

 

Der Handel hatte sich aber seit der Öffnung des Schwarzen Meeres ohnehin stärker in diese Richtung gewendet. Nach 1260, seitdem das Mongolenreich stabile Grenzen gefunden hat, gibt es einen direkten und sicheren Handelsweg nach China, den 1260/80 Vater und Onkel, und dann der Sohn Marco Polo erkunden. Zwischenstation dahin sind die Handelsniederlassungen am Schwarzen Meer, die nun zu Drehscheiben des Welthandels werden. Genua und Venedig kämpfen dort unentwegt um die Vormacht, unter anderem auch mit militärischen Mitteln.

1294 plündert eine venezianische Flotte genuesische Besitzungen auf Zypern. Eine Flotte der Genuesen segelt darauf vor Lajazzo und besiegt die Venezianer. 1298 siegt in der Adria bei Curzola eine riesige genuesische Flotte über eine venezianische, über 170 Schiffe sollen an der Seeschlacht beteiligt gewesen sein. Unter den Gefangenen ist auch Marco Polo.

 

In Caffa auf der Krim kontrollieren Genuesen den Handel, in Trapezunt im Süden Venezianer. Nach 1332 errichten die Venezianer einen weiteren Stützpunkt in Tana am Asowschen Meer, günstiger gelegen als Station auf dem Weg nach China, aber schon sechs Wochen Schiffsreise von Venedig aus entfernt. Immerhin aber ersparte man sich nun eine ganze Strecke Landweg.

Das ostasiatische Warenangebot ist vorläufig dem europäischen noch weit überlegen, was zu einem Abfluss von Edelmetallen aus Europa nach Asien führt. Wichtig sind Caffa und Tana aber auch als Zentren des Sklavenhandels bis weit ins 15. Jahrhundert. Sie dienen als Arbeitsklaven in der venezianischen Landwirtschaft auf Kreta genauso wie als Haussklaven in Venedig oder Genua. Mädchen werden zudem in die Prostitution oder in die Harems reicher Muslime verkauft, Jungs in die islamischen Armeen. Ein nicht geringer Teil dieser Sklaven sind, nebenbei gesagt, mehr oder weniger Christen.Danach wird es mit Pausen belagert.

 

Die gemeinsame Machtausübung des adeligen Großkapitals führt zur immer weiteren Aufspaltung von Funktionen und Befugnissen. Aus bewährten Amtsträgern wird nach 1330 ein Rat gebildet, für den sich später die Bezeichnung Senat durchsetzt. In ihm werden unter anderem die Grundzüge der Politik festgelegt. Von ihm trennt sich immer mehr der Rat der Quarantia, der Vierzig ab, seit 1179 vom Maggior Consiglio gewählt, der als oberster Gerichtshof fungiert.

 

Oberstes Gesetz des Kapitals ist, dass es nur in seiner Vermehrung existiert. Ihr ist alles andere untergeordnet, auch jede Glaubensvorstellung. Seit der kriegerischen Ausbreitung des Islam treibt das politische Handelskonsortium, welches Venedig ist, Handel mit den Feinden des christlichen Abendlandes, da dieser eine wesentliche Existenzgrundlage ist, und Kriege vor allem mit seinen christlichen Konkurrenten.

Das führt seit Jahrhunderten zu Konflikten mit den Päpsten, wobei die Stadt auch 1343 wieder einmal bei einem davon um eine Art Ausnahme-Erlaubnis bittet: Da diese Stadt dank der Gnade Gottes gewachsen ist und wohlhabend wurde durch den Fleiß ihrer Kaufleute, die für uns in unterschiedlichen Teilen der Welt, zu Lande und zur See, Handelsposten errichteten und Gewinne erwirtschafteten, und weil dies unser Leben ist und jenes unserer Söhne und weil wir nicht anders leben können und auch nichts anderes kennen als den Handel, daher müssen wir in all unseren Gedanken und bei all unseren Unternehmungen wachsam sein, wie es auch unsere Vorfahren waren, und Vorkehrungen treffen, damit wir unseren Wohlstand und unsere Reichtümer nicht einbüßen. (so in: Crowley, S.14)

Kurz darauf erlaubt der Papst mit Einschränkungen wieder den Handel mit Ägypten und Syrien, wohin die Venezianer erneut stärker ausweichen.

1343 vertreiben Mongolen die Venezianer aus Tana, deren Waren nun für einige Jahre mit denen der Genuesen über Caffa laufen. Als Tana zurückgewonnen ist, beginnt bald der dritte große Krieg zwischen Genua und Venedig.

 

Während Venedig sein Stapelrecht vehement aufrechterhält, gelingt es 1346 Nürnberger Kaufleuten als Gegenmaßnahme bei Kaiser Ludwig dem Bayern durchzusetzen, dass den Venezianern der Direkthandel im Reich mit Ausnahme von Köln untersagt wird.

In just dieser Zeit bricht unter den Tataren um Caffa die Pest aus und Venezianer und Genuesen verlassen fluchtartig den Ort und bringen so die Seuche in ihre Heimatstädte. Um 1350 ist ein Großteil der venezianischen Bevölkerung tot, die Quellen sprechen von drei Fünfteln, was aber wohl übertrieben ist. Geschätzt wird, dass die Stadt auf 60 000 Einwohner zurückgeht.

 

Ähnlich wie in anderen Städten Norditaliens stockt der Handel für einige Monate und hebt dann wieder an. Und derweil geht der Konflikt zwischen Venedig und Genua weiter und mündet 1350 in einen neuen offenen Krieg.

 

Inzwischen bricht das System einer städtischen militia immer stärker zusammen. Zunehmend mehr Venezianer neigen schon längere Zeit dazu, nicht mehr selbst zu kämpfen, sondern einen Ersatzmann zu bezahlen, der oft aus den griechischen Besitzungen Venedigs kommt. Erschwerend wird, dass die Pest auch die venezianische Bevölkerung erheblich reduziert. Nun sind es im wesentlichen griechische und katalanische Söldner, die unter venezianischen Offizieren auf den Schiffen Krieg führen.

 

Dazu kommen im 14. Jahrhundert mit Söldnern geführte Kleinkriege zu Lande, die sich vor allem gegen die Skaliger (della Scala) von Verona richten. 1339 wird für einige Zeit Treviso erobert, aber es gibt noch keine systematische Eroberungspolitik in Norditalien.

 

1351 verbündet sich Konstantinopel mit Venedig, nachdem es dort zu genuesischen Übergriffen gekommen war. Unterstützt wird die Lagunenstadt durch Galeeren des aragonesischen Königs, des ewigen Feindes Genuas. Nach einer unentschiedenen Seeschlacht auf dem Bosporus verbündet sich Genua mit dem Sultan Orhan und erzwingt von Byzanz dessen Verzicht auf den Zugang zum Schwarzen Meer.

Eine Seeschlacht vor Sardinien wird von Venedig gewonnen und eine weitere etwas später vor dem südlichen Peloponnes von Genua. Schließlich transportieren die Genuesen gegen erhebliche Zahlungen ein osmanisches Heer über die Dardanellen und diese setzen sich in Gallipoli fest. Nachdem "türkische" Piraten schon länger das östliche Mittelmeer unsicher machen, beginnt nun der Vormarsch eines osmanischen Landheeres in Europa.

 

Nach dem Tod von Andrea Dandolo wird 1354 der Greis Marin Falier ins Dogenamt gewählt. Offenbar versucht er bald, ein despotisches Regime mit seinen Anhängern durchzusetzen, was von Denunzianten an den Rat der Zehn verraten wird. Kurzerhand werden zehn Verschwörer an den Fenstern des Dogenpalastes aufgehängt, andere landen im Kerker und Falier wird ausführlicher der Prozess gemacht und dann vor dem Dogenpalast mit dem Schwert hingerichtet.

Damit steigen die Dieci zu immer größerer Macht auf, insbesondere, da die Signoria nun immer häufiger an den Sitzungen teilnimmt.

 

Inzwischen ist der Staatsapparat auf rund 800 leitende Ämter angewachsen, "davon 150 auf der Terraferma und 100 im Seereich." (Rösch, S.139) Manche sind recht lukrativ und besonders für verarmende Adelige attraktiv, andere wie die Posten der Botschafter verlangen auch erhebliche eigene Beiträge. Wer sich weigert, ein Amt zu übernehmen, wird mit einer Geldstrafe belegt.

Wer im venezianischen Adel nicht als Erstgeborener Ämterzugang und Reichtum erbt, wird durch ein reiches Angebot an lukrativen kirchlichen Ämtern entschädigt. Zum venezianischen Herrschaftsgebiet gehören am Ende fünf Erzbistümer und 38 Bistümer, das Patriarchat von Grado und nach 1420 das Patriarchat von Aquileia. Dazu kommt auch das Amt des Primicerius von San Marco, des Vorstehers der dortigen Kanoniker, der sogar das bischöfliche Pallium tragen darf. Schließlich gibt es noch die Abts- und Äbtissinnenstellen der vornehmeren Klöster, allen voran San Giorgio  Maggiore für die Männer und San Zaccaria für die Frauen.

 

1358 kommt es zu Verlusten in Dalmatien an Ungarn. Alle solche Rückschläge lassen Venedig aber immer noch als kapitalistische Stadt par excellence erscheinen, von der auch Petrarca fasziniert und hin- und hergerissen ist. In einem seiner Altersbriefe aus Venedig vom April 1363 betrachtet er die Unmenge riesiger Schiffe dort und fragt: Woher rührt dieses brennende, unstillbare Verlangen nach Besitztümern, welches den Geist der Menschen beherrscht? Die Frage bleibt rhetorisch, denn die Verbindung von persönlicher Gier und Vermehrungsdrang des Kapitals heischt wie schon seit Jahrhunderten nur moralische Antworten, und im wesentlichen wird das bis heute so bleiben. 

 

Moral: Venedig betreibt bis 1381 Sklavenhandel, und zwar verkauft es zumindest nominell nicht christliche Sklaven vor allem an islamische Herrscher und Oberschicht. Als das dann für die Stadt Venedig verboten wird, wird der Menschenhandel nach Kreta verlegt. Bekanntlich werden die christliche wie die muslimische Welt bis ins 19. Jahrhundert Sklaverei betreiben.

 

Während Petrarca fasziniert auf die venezianischen Schiffe schaut, bricht im selben Jahr ein großer Aufstand auf Kreta unter anderem gegen die harte Besteuerung durch die Metropole aus. Zunächst kontrollieren die Rebellen die Insel, dann werden sie von einem venezianischen Heer nach grausamen Kämpfen besiegt. Nach weiteren vier Jahren Guerillakrieg ist die Insel weithin verwüstet und die großen Ebenen des Getreideanbaus lässt man nun versteppen.

 

1372 stürmen Zyprioten in Famagusta das genuesische Viertel und plündern es. Als Antwort erobert Genua das bislang von den Lusignan beherrschte Zypern. Inzwischen unterstützen beide Seemächte unterschiedliche Kaiser. Es geht um den Zugang zum Bosporus und damit zum Schwarzen Meer. 1378 erklärt Venedig Genua mal wieder den Krieg. Genua, Francesco Carrara von Padua und König Ludwig von Ungarn verbünden sich darauf gegen Venedig. Für den Landkrieg heuert Venedig den Veroneser Söldnerführer Giacomo de Cavalli an.

 

Noch 1378 operiert eine venezianische Flotte unter Vettor Pisani zunächst erfolgreich, erleidet dann aber im nächsten Jahr eine Niederlage vor Istrien. Eine zweite Flotte unter Carlo Zen übt sich weit entfernt von Venedig in Piraterie gegen genuesische Handelsschiffe. Inzwischen wird Venedig zu Land eingekreist. Der Krieg konzentriert sich auf Chioggia, welches die Genuesen belagern und schließlich im August 1379 einnehmen.

1379 findet in Venedig eine Art frühe levée en masse statt, da es an Militär mangelt, während die Stadt Hunger leidet. Vettor Pisani wird erst wegen Feigheit vor dem Feind eingesperrt und kann dann unter dem Druck "des Volkes" die Leitung über Operationen unternehmen, die von venezianischer Seite Chioggia einschließen sollen mit dem Ziel, es zurück zu erobern, während es nun seinerseits wieder ausgehungert wird. Derweil betreibt Carlo Zen weiter Kaperkrieg gegen genuesische Handelsschiffe und verkauft die Beute auch auf eigene Rechnung.  Januar 1380 ist die Zen-Flotte vor Chioggia. Im Sommer ergibt sich das ausgehungerte Chioggia und das ist die Wende im Krieg.

1381 erhält Venedig im Frieden von Turin Treviso zurück, während Dalmatien bei Ungarn verbleibt. Der venezianische stato di mar bleibt ansonsten im wesentlichen erhalten.

 

Nach mehreren Jahren der Erholung von den Schrecken des Krieges beginnt Venedig erneut zu expandieren. Während die Osmanen in Europa voranmarschieren und Byzanz nach und nach auf das Umland von Konstantinopel schrumpft, suchen Cattaro, Patras und andere Orte den Schutz der Venezianer und unterwerfen sich ihnen. Für 100 000 Florin verkauft Ladislaus von Neapel seine Ansprüche an Dalmatien und dann werden die Orte wie Spalato (Split) und Zara (Zadar) wieder eingenommen, schließlich auch das albanische Durazzo und Lepanto (Nafpaktos), nur Ragusa (Dubrovnik) bleibt davon frei. Für 30 000  Dukaten wird schließlich vom Napolitaner auch Korfu gekauft.

 

Erst jetzt entsteht so zur Gänze der venezianische stato di mar mit seiner zentralen und schriftlich-bürokratisierten Verwaltung. Tana ist längst wieder als östlicher Vorposten eingerichtet worden. Es handelt sich um ein Zentralreich mit venezianischen Kolonien vor Ort, die auf die Handelsinteressen der Metropole ausgerichtet sind. Der gesamte Handelsverkehr muss dabei auf venezianische Schiffe zurückgreifen. Die Nichtvenezianer dürfen ihre orthodoxe oder jüdische Religion ungehindert ausüben, was zählt, ist Geld und nicht Glaube.

Diese Ausrichtung der Kolonien auf die Hauptstadt lässt die heimischen Gewerbe schon vor der Ankunft der Osmanen verarmen, Großgrundbesitz zur Versorgung von Venedig wird insbesondere auf Kreta von Sklaven bearbeitet. Selbst die Küsten Kern-Griechenlands werden ganz auf den Handel Venedigs ausgerichtet und verarmen.

 

Mit dem 15. Jahrhundert kommt es als Reaktion auf den Ausbau eines riesigen Machtbereiches der mit Ferrara verbündeten Carrara dann zum Ausbau der venezianischen terra ferma durch eine neue Führungsgruppe in der Stadt, an der die Foscari-Familie erheblich beteilgt ist. 1402 stirbt Gian Galeazzo Visconti an der Pest. Venedig verbündet sich bald vorübergehend mit Mailand. Zwischen 1404 und 1406 werden Padua, Vicenza, Verona und kleinere Territorien unterworfen. Mit Friaul, Feltre und Belluno kommen Waldgebiete dazu und die Kontrolle von Alpenübergängen. Zwangsanleihen finanzieren die gewaltigen Kriegsanstrengungen.

Gegenwehr des Westkaisers ist vergeblich. Sigismund, 1387 ungarischer König, 1411 römischer König und ab 1433 Kaiser, kann nicht verhindern, dass sich Venedig unter dem Dogen Foscari (ab 1423) über Brescia (1426) und Bergamo (1428) bis Crema (1447) immer mehr der Stadt Mailand nähert, gegen dessen Herren Filippo Maria Visconti seit dessen militärischen Erfolgen über Florenz immer wieder Krieg geführt wird.

Die militärische Arbeit leistet seit 1425 der Condottiere Carmagnola, zuvor in Mailänder Diensten und durch seine Kriege bereits schwerreich geworden. Als man 1432 von Verhandlungen von ihm mit Mailand Kunde bekommt, lockt man ihn unter einem Vorwand nach Venedig, macht ihm den Prozess und richtet ihn auf der Piazzetta hin. Das hindert die Stadt aber nicht daran, ihn dann ehrenvoll in der Frarikirche beizusetzen.

 

1430 entladen sich die politischen Spannungen, die mit der Großmachtbildung in Norditalien bei gleichzeitigem Rückzug aus Griechenland verbunden sind, in einem Attentatsversuch des Antonio Contarini. gegen den Dogen Foscari Daneben gibt es die andauernde Kritik durch die Loredan-Familie.

 

Mit dem riesigen Gebiet, welches zum Veneto wird und eine Familie eigener Dialekte pflegt (zu denen im Belluno das Ladinische und Kimbrische kommen) versorgt sich nun Venedig mit Lebensmittel und Rohstoffen, nicht zuletzt auch mit Holz aus den Alpen.

 

Ob sich der Kapitalismus nun politisch als Despotie einer Familie oder als "Republik", also als Konsortium mächtiger Kapitaleigner darstellt, Machtausübung in der Nordhälfte Italiens hat im 15. Jahrhundert ein erhebliches Maß an Gewalttätigkeit bis hin zur Grausamkeit entwickelt. Nach den Siegen über Padua werden die Carrara nach und nach eingekerkert und entweder dort ermordet oder aber öffentlich hingerichtet. Öffentlich werden die Eroberungen und Morde als Sieg der Freiheit über die Tyrannei verkauft - in Venedig jedenfalls mit Erfolg.

 

1423 stellt der Doge Mocenigo, Vertreter einer moderaten Expansionspolitik in Norditalien, auf dem Totenbett für seine Räte eine Bilanz auf, die ein Plädoyer für die Fortführung der unter ihm betriebenen Politik ist:

Ich teile Ihnen mit, dass wir in unserer Zeit vier Millionen Staatsanleihen getilgt haben, jenes Darlehen, das von der Kammer für den Krieg mit Padua, Vicenza und Verona ausgegeben wurde, so dass sich unsere Staatsschuld auf sechs Millionen beläuft. Außerdem haben wir darauf gedrängt, dass jedes halbe Jahr auf die Staatsschuld Zins gezahlt wurde und alle Behörden und Regierungsämter und alle Ausgaben des Arsenals und was immer wir sonst noch geben müssen (...)

Die Welt der hochkapitalistischen Stadt besteht aus Zahlen, die sich in Geld ausdrücken lassen. Wo dieses herkommt, schließt er gleich an:

Weil außerdem Frieden herrschte, hat unsere Stadt jedes Jahr zehn Millionen Dukaten Kapital auf Handelsreisen in alle Welt geschickt, mit Rundschiffen, Galeeren und anderen Schiffen, so dass sowohl bei der Ausfuhr wie bei der Einfuhr nach Venedig zwei Millionen Dukaten  verdient wurden, so dass beides vier Millionen ausmacht. Ihr habt gesehen, auf See sind dreitausend Schiffe von 10 bis 200 Tonnen, die 17 000 Seeleute Besatzung haben. Ihr habt gesehen, dass wir 300 Rundschiffe haben mit 8000 Mann Besatzung. Ihr habt gesehen, dass jedes Jahr 45 große und kleine Galeeren mit 11 000 Seeleuten ausfahren. Ihr habt gesehen, dass wir 3 000 Schiffszimmerleute haben und 3 000 Kalfaterer, Färber von Seide, Wolle und Baumwolle sind 16 000. Ihr habt gesehen, dass sich die Vermögensschätzung für die Häuser auf 750 000 beläuft und die jährliche Miete auf 500 000. Es gibt 1000 Adelige, deren jährliches Einkommen 700 bis 4 000 Dukaten beträgt. Ihr habt gesehen, dass die Einkünfte Venedigs sich auf 774 000 belaufen, diejenigen der Terraferma auf 464 000 und vom Seereich 376 000. (und so geht es weiter; in: Rösch, S. 146f)

 

So wie Venedig schon im hohen Mittelalter für den Ostteil der Poebene über ein Monopol im Salzhandel verfügte, so monopolisiert es auch den Pfefferimport.

 

Aber Mocenigo warnt auch vor den Foscari: Aus welchem Grunde manche von euch Francesco Foscari wählen wollen, verstehe ich nicht. Denn dieser Francesco Foscari ist ein Lügner und sagt vieles, was jeder Grundlage entbehrt. Wenn ihr ihn, was Gott verhindern möge, zum Dogen macht, werdet ihr bald im Krieg stehen. Wer 10 000 Dukaten hat, wird dann nur noch 1000 haben, wer 10 Häuser hat, wird nur noch eines haben; wer 10 Röcke oder Strümpfe und Hemden hat, wird Mühe haben, auch nur ein Stück davon zu besitzen, und so wird es mit allem anderen gehen, weil ihr euer Gold und Silber, eure Ehre und euer Ansehen zerstören werdet. Und wo ihr Herren seid, werdet ihr die Vasallen von Kriegern, Troßknechten und Kindsköpfen sein. (in: Rösch, S.97)

 

Die erfolgreiche Gegenseite hingegen um die Foscari-Familie will bei der Aufteilung Italiens unter wenige Großmächte neben Mailand, Florenz, dem Kirchenstaat und dem Königreich Neapel dabei sein, wie sie sich im 15. Jahrhundert dann auch ganz massiv vollzieht.

 

Nachdem jahrhundertelang die politische Macht bei einer kleinen Gruppe des Großkapitals liegt, wird dann 1423 die Volksversammlung auch offiziell und per Gesetz abgeschafft und 1462 das Wort commune durch dominium bzw. signoría ersetzt (Fuhrmann, S.60). Rund 2000 adelige Handelsherren bestimmen die Politik vom Senat aus.

Getagt wird weiter im Palazzo Ducale, wo nicht nur der Doge wohnt, sondern auch die Räte sich versammeln und die Gerichte tagen. Das heutige Aussehen dieses Palastes wird übrigens vom Dogen Foscari gestaltet. Überhaupt gehört das immer noch besichtigbare Venedig bis auf einige Kirchen nicht mehr dem an, was nach allgemeiner Übereinkunft als Mittelalter bezeichnet wird.

 

Es ist enorm, wie gut es den städtischen Machthabern gelingt, die politisch rechtlosen städtischen Massen bei der Stange zu halten. Sie haben durch die Länge ihres Arbeitstages ohnehin keine Möglichkeit zur Beteiligung an der Politik über Klatsch und Tratsch hinaus, aber sie sind auch sowieso politisch völlig rechtlos und durch die Jahrhunderte daran gewöhnt zu ducken. Dass sie sich ducken, können sie durch Identifikation mit der Macht verdrängen, die insbesondere im Amüsement der Feste leicht machbar ist. Zwischen kirchlichen und politischen Festivitäten und Prozessionen ist dabei kaum noch ein Unterschied feststellbar.

Ein Mailänder, Pietro Casola, beschreibt die Allerheiligen-Prozession von 1494, was für viele Prozessionen der letzten Jahrhunderte schon Gültigkeit hat: Und alle gingen je zwei und zwei (...) in völliger Ordnung hinter dem Dogen. Das ist sehr von dem unterschieden, was ich an vielen Höfen beobachtet habe, wo in dem Moment, in dem der Fürst vorbeigeschritten ist, Geistliche und Weltliche alle zusammen weitergehen ohne jede Ordnung. (in: Rösch, S.109) In Venedig kann das Publikum so die auf es zugeschnittene Version der Verfassung betrachten und bewundern. Von den wirklichen Machtverhältnissen weiß es außer der eigenen Ohnmacht nur wenig, und von der im wesentlichen im Geheimen betriebenen Politik nur das, was nach außen propagiert wird.

 

Im 13. Jahrhundert beginnen Geißlerbruderschaften sich in scuole zu verwandeln, die sowohl gemeinsame Frömmigkeit praktizieren wie karitative Aufgaben übernehmen, die Betreuung von Sterbenden, die Beerdigung und die Armenfürsorge vor allem. Geleitet von Cittadini, also von dem zweitrangig werdenden Teil des Adels, haben grundsätzlich auch erstrangige Nobili und Handwerker Zugang. Da sie das Schichtmodell der venezianischen Verfassung durchbrechen und auch von der Macht ausgeschlossene Gruppen umfassen, geraten sie unter die Kontrolle des Rates der Zehn, der auch ihre Größe auf 500 oder 600 Mitglieder beschränkt.

Im 15. Jahrhundert dann als scuole grande bezeichnet, besitzen diese eher wenigen Vereinigungen eigene prächtige Häuser nahe der jeweiligen Kirche, auf die sie bezogen sind und häufen nach und nach erhebliche Vermögen an. Zu ihrer erheblichen Prachtentfaltung gehört dann auch die Teilnahme an den großen Prozessionen.

 

Neben den wenigen großen Scuole gibt es seit dem 13. Jahrhundert auch die scuole minore, zunächst in der Nachbarschaft der (nicht politisch werdenden) Berufsvereinigungen, deren Aufgaben der internen Regulierung sie im Laufe der Zeit übernehmen. Sie tagen zunächst oft in den Vorhallen der zugehörigen Kirche, bevor sie nahebei eigene, weniger palastartige Häuser beziehen.  Daneben entwickeln auch Gruppen von Ausländern eigene Scuole für sich.

 

 

Ende des 14. Jahrhunderts gibt es vier festgelegte Handelsrouten: Nach Alexandria, Beirut, Konstantinopel und zum Schwarzen Meer. Dazu kommt noch die anstrengende fünfmonatige Fahrt nach Brügge und London. Zuständig für die Planung der Konvoifahrten (mude) ist der Große Rat.

Nach Aufzeichnungen aus dem vierziger Jahren des 15. Jahrhunderts sieht das dann so aus: Vom 15-15, Februar fahren unbewaffnete Schiffe nach Syrien ab, vom 1.-15. März Galeeren nach Tunis und Tripolis, vom 15.März bis 25. Juni fahren Galeeren nach Flandern, vom 22. April bis 8. Mai zu den Berberstaaten und nach Aigues Mortes, am 25.6. nach der Romania, also nach Konstantinopel, und was wichtiger wird, ins Schwarze Meer. Im Juli und Anfang August fahren unbewaffnete Schiffe wieder nach Syrien, am 24. 8. nach Beirut, am 30.8. dann wieder Galeeren nach Alexandria.

 

Mit den Fahrten nach Alexandria und ins Schwarze Meer werden die wertvollen Waren wie z.B. Gewürze aus dem fernen Osten nach Venedig geholt. Um sie stetig für den Verkauf in Venedig zur Verfügung zu haben, dürfen sie nur auf den großen bewaffneten Galeeren und im Geleitzug transportiert werden. Die wirtschaftliche Macht Venedigs hängt auch an der regelmäßigen Versorgung mit diesen Gütern. (Spufford, S.299) Solange die Schwarzmeer-Route offen ist, haben die Venezianer Verhandlungspotential über ihre Konditionen und Preise in Alexandria. Seit 1319 gewährt der (griechische) Kaiser von Trapezunt den Venezianern eine Niederlassung. Von hier führt der Handelsweg nach Täbris und Hormuz, von hier kommen neben Gewürzen zunehmend Indigo, Perlen, Seiden- und Brokatstoffe. Eine Nebenroute dieser Muda di Romania führt nach Soldaia auf der Krim und nach Tana am Asowschen Meer, wo man u.a. in großem Umfang Sklaven einkaufen kann.

 

1322 gelingt es dem Papsttum, für über zwanzig Jahre den venezianischen Handel mit Alexandria zu verbieten. Für diese Zeit gewinnt die muda di trafego an Bedeutung, die Tunis und Tripolis anläuft, manchmal auch Beirut und Zypern. Besonders in Tunis kann man sich dann mit ägyptischen Waren eindecken. Ein Ausweichhafen ist auch Lajazzo im bis 1375 christlichen Kleinarmenien an der südöstlichen Mittelmeerküste.

 

Mit dem Rückgang des Warentausches auf den Messen der Champagne beginnen schon Ende des 13. Jahrhunderts einzelne Privatunternehmer, Schiffe an die Mündungen des Swyn und der Themse zu schicken. Für die lange Strecke werden besonders schwere Galeeren gebaut, und 1314 beschließt der Senat, auch diese Strecke mit fünf solchen Schiffen zu befahren. Da hier Piraterie, besonders auch genuesische, sehr gefährlich ist, sind insgesamt rund 1000 Militärs an Bord. Solch große Handelsgaleeren können schon einmal mehrere 100 000 Dukaten an Frachtwert an Bord haben.

 

Letztlich bestimmen die Monsumwinde die Abfahrt der indischen Schiffe und von dort aus werden dann die venezianischen Termine festgelegt und einander zugeordnet. Wenn die Schiffe dann in Venedig ankommen, müssen sie bei San Marco in die dogana da mar, wo der Zoll von 3-5% bezahlt und die Waren dann ausgeladen und auf flache Kähne verfrachtet werden, um den Canal Grande hinauf und in die Lagerhäuser am Rialto gefahren zu werden.

 

Bei der Rialtobrücke liegt die dogana da terra für die Waren, die über die Alpen und vom italienischen Festland kommen. Das politische Zentrum bleibt der Dogenpalast mit der angeschlossenen Markuskirche, das wirtschaftliche Zentrum liegt beiderseits der Rialtobrücke. Hier erwirtschaftet der Kaufmannsadel, der seine Paläste in der Nähe am Canal Grande hat, seinen Reichtum. Noch 1493, als die politische Macht Venedigs zu Ende geht, schreibt Marin Sanudo:

In diesem Stadtteil liegt die Insel Rialto, sozusagen der reichste Platz der ganzen Welt. Als erstes ist am Kanal der Getreidespeicher, groß und wohlgefüllt, mit zwei Toren und zahlreichen Läden, wo die Signori del Frumento zuständig sind. (...) Kommt man an die Riva del Ferro, wo das Eisen verkauft wird, gelangt man, am Ende der Rialtobrücke, zur öffentlichen Waage. Hier werden alle Waren, die zum Verkauf gelangen, gewogen und für Zoll und Umsatzabgaben Buch geführt. Hier befindet sich das eigentliche Rialto, ein kleiner Platz, wo am Morgen und nach dem Mittagessen alle zusammenkommen. Und es werden große Geschäfte getätigt mit einem Wort: "Ja" oder "Nein". Hier finden sich auch amtliche Makler in großer Zahl. (in: Rösch, S.151) Die für Geschäftsabschlüsse obligaten Makler verhelfen der Staatsmacht zu größtmöglicher Kontrolle.

 

Nachrichten von den Fahrten der Galeerenkonvois werden an der Rialtobrücke ausgehängt, und hier finden auch die jährlichen Versteigerungen der Galeeren statt.

 

Hier sind auch die vier staatlich beaufsichtigten Banken, die zwei der nobili Pisani und Lippomano und die zwei der cittadini Garzoni und Agostini, die hier ihre Tische aufstellen. wobei inzwischen immer mehr bargeldloser Zahlungsverkehr stattfindet. Und passenderweise befindet sich hier auch die Staatskasse, geleitet von den Camerleghi di Comun, mit ihren zwei Wachmannschaften. Hier landen jeden Tag die Einnahmen des Staates.

 

Sich hier im Zentrum der Geschäfte niederzulassen, ist enorm teuer. Sanudo, der dort selbst unter anderem aus einem Gasthaus 250 Dukaten Miete bezieht, schreibt: Auf der Insel Rialto bezahlen die meisten Gewölbe und Warenlager, deren Zahl ziemlich groß ist, ihre Mieten an San Marco. Und von jedem kleinen Lokal auf Rialto zahlt man eine hohe MIete, nicht nur für Magazine, sondern auch Personen, die Ladengeschäfte mieten. Und es gibt Lokale, die circa 100 Dukaten Miete zahlen, und dabei kaum zwei Schritte lang und breit sind. (in: Rösch, S.152)

 

Bis tief ins 14. Jahrhundert dient das Parterre des Kaufmannspalastes noch als Warenlager mit einem vorgelagerten Portikus für die Anlieferung. Seit im 15. Jahrhundert die Waren in Magazinen auf dem Rialto gelagert werden, ist dies nur noch immer prächtiger ausgestatteter Anlegeplatz der Gondeln. Die zentrale Firmenverwaltung bleibt in der Wohnung darüber und verlangt oft nur einen Raum. Aber der Geschäftsabschluss findet auf dem Rialto statt, wo es auch die wichtigen Informationen gibt. Und auf dem Rialto leistet der Kaufmann auch seine Zahlungen an die Banken, deren Lokal ebenfalls nach heutigen Vorstellungen sehr klein ist. Mit einer Bank davor oder, wie bei anderen Läden, auf einem heruntergelassenen Klappladen, mit einem Teppich ausgelegt, finden die Transaktionen statt. Drinnen hängen, wie auf einem Gemälde von Carpaccio ersichtlich, in Stecktaschen an der Wand die Geschäftsunterlagen.

 

Auf der Rialtoinsel gibt es auch die Gemeinschaften ausländischer Kaufleute, unter denen die Deutschen eine zahlenmäßig große Rolle spielen. Rund 100 deutsche Kaufleute wohnen zeitweise im 15. Jahrhundert im Fondaco dei Tedeschi, und sie besitzen dort feste Räume und feste Sitzplätze an einer der beiden Tafeln. Deutsche Gastwirte versorgen sie und deutsche Bäcker.

 

Mit der steigenden Bevölkerung und den vielen Gästen lebt man sehr eng zusammen. Mehr Brücken und Wege werden gebaut, damit man sich zu Fuß besser bewegen kann. Mehr Menschen bedeutet ein steigendes Problem mit der Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung. Süßwasser gibt es als in unterirdischen Zisternen aufgefangenes Regenwasser, welches aber immer wieder in Gefahr gerät, mit Brackwasser vermischt zu werden. Die Reicheren lassen sich Trinkwasser vom Festland liefern und überall in der Stadt sind Wasserverkäufer unterwegs. Das Abwasser landet in den Kanälen, die deshalb, wie immer wieder berichtet wird, gelegentlich übel riechen.

Der viele Abfall (natürlich viel weniger als um das zweite Millenium und noch nicht so gefährlich) darf seit dem 13. Jahrhundert nicht mehr einfach in die Lagune geworfen werden, aber bestraft wird wie immer nur der, der erwischt wird. Dafür gibt es Müllsammelstellen, wo ihn städtische Bedienstete abholen.

Für 1493 ist die Anschaffung von zwölf Müllschiffen durch die Stadt belegt.

Auch ein drittes Spezialproblem der Lagunenstadt muss von der Stadt gelöst werden: Das Vergraben der ständig anfallenden Leichen. 1485 wird für all das eine gemeinsame städtische Behörde eingerichtet, die auch die Zuständigkeit für Prostituierte und Stadtstreicher erhält. (Rösch, S.184)

 

Der Handel mit asiatischen Gewürzen bleibt auch nach 1400 zunächst eine Domäne der Venezianer, die rund drei Viertel von der Levanteküste nach Venedig bringen. Dort erwerben zum Beispiel süddeutsche Kaufleute Pfeffer, Zimt, Muskat, Gewürznelken  und Ingwer, wo es dann in den Detailhandel in Mitteleuropa geht.

Aber die Zeiten ändern sich. Das Reich der Mongolen zerfällt und in China regiert die Ming-Dynastie, die sich bewusst von der Außenwelt abschottet. Damit verlagern sich die Handelswege wieder nach Süden, über den indischen Ozean und das Rote Meer. Von dort gelangen die Waren nach Damaskus und Beirut, aber auch nach Kairo und Alexandria.

 

Nachdem ein französisch-ungarisches Kreuzfahrerheer 1396 bei Nikopolis von den Osmanen vernichtend geschlagen wird, nähern sich das Osmanenreich und der venezianische stato räumlich immer mehr einander an. 1416 siegt Venedig in einer Seeschlacht und vernichtet fast die ganze osmanische Flotte. Beide Seiten entwickeln inzwischen enorme Grausamkeiten wie das Pfählen von Gefangenen.

Andererseits schaut Venedig zu, wie das islamische Heer das Binnenland Griechenlands und dann des nördlichen Balkans unterwirft, und gratuliert dem Osmanenherrscher gelegentlich auf diplomatischen Missionen zu seinen Eroberungen. Gelegentlich wie 1423 mit Salonica (Thessaloniki) wird versucht, eine Stadt zu schützen, aber schon 1430 wird es aufgegeben. Venedig versucht es mit einem Frieden mit Murad und mit Tributzahlungen. Letztlich bleibt es im 15. Jahrhundert mit der Abwehr des islamisch-türkischen Vormarsches alleine.

 

Die Zeiten ändern sich auch in anderer Weise. Auf die Imitation außéreuropäischer Waren folgt deren Weiterentwicklung, während die Produktion in Syrien und Ägypten zum Beispiel zurückgeht. Zucker, Seife, Glas und Papier werden nicht mehr importiert, sondern nun dorthin exportiert, woher sie einst kamen. Venedig und andere norditalienische Städte werden zu Exporteuren eigener Produkte. Der Niedergang des islamischen Großraumes rund um das südliche Mittelmeer setzt ein. Der Kapitalismus des lateinischen Abendlandes beginnt zu triumphieren. Exportiert werden Waren, nicht aber eine Zivilisation, die dem Islam fremd bleibt.

 

1443 gelingt Foscari ein oberitalienisches Bündnis gegen Alfonso I. von Neapel, aus dem das Mailand der Visconti aber bald ausschert, um auf die napolitanische Seite überzutreten. Nach mehreren weiteren Kriegen gegen Mailand, seit 1450 unter Francesco Sforza, gelingt Venedig im Frieden von Lodi 1454 eine weitere Ausdehnung seines Territoriums.

 

DIe Expansionspolitik unter Foscari verlangt bei massiv steigender Staatsverschuldung den Untertanen immer höhere Abgaben ab. Inzwischen werden auch die Bewohner der Lagunenstadt zur direkten Besteuerung herangezogen. Aber den Batzen der Kriegskosten müssen die Untertanen der Terra ferma beitragen.

 

1445 kommt es zur Affäre um Jacopo, den einzigen die Pest überlebenden Foscarisohn, dem wegen Konspiration mit Mailand der Prozess gemacht wird. In den 50er Jahren kommt es zu weiteren Prozessen gegen ihn, hinter denen vor allem auch die Loredanfamilie steht. 1451 gelingt es der Opposition im Rat der Zehn, Foscari abzusetzen.

 

Bei allen inneren Konflikten wird Venedig weiterhin von außen als Hort politischer Stabilität betrachtet. Rund 150 Familien, vielleicht etwas mehr, besetzen mit ihren Zweigen den Großen Rat der etwa Zweitausend, dessen Konsistenz den Ausschluss der übrigen Bevölkerung von der Macht bedeutet. Nachdem man mit fünfunfzwanzig in diesen Rat eintritt, arbeiten sich zumindest Einzelne der Familienvertreter neben ihren Geschäften nach und nach durch die kurzzeitig begrenzten Ämter und Kollegialorgane, um vielleicht mit über vierizg im Senat zu landen, oder in noch höherem Alter im kleinen Rat, der Signoria. Diese, aus dem Dogen, seinen Beratern (savi/consiglieri) und den Spitzen der Quarantia bestehend, lässt sich als die eigentliche Regierung der Stadt,  bezeichnen. Sie tagt morgens, fasst Beschlüsse und leitet nachmittags die Sitzungen der übrigen Staatsorgane.

Unterhalb dieser Adelsrepublik wird diese aber auch von einer "bürgerlich" besetzten Staatskanzlei getragen, die in zwei Kammern geteilt über etwa 50 festangestellte Notare verfügt, von denen viele ein Universitätsstudium hinter sich haben. An der Spitze steht ein von dem Maggior Consilio auf Lebenszeit gewählter cancelliere grande, der zwar keine institutionalisierte Macht besitzt, aber aufgrund lebenslanger Erfahrung durchaus Einfluss ausüben kann. Wie der Doge ist er in byzantinischer Tradition Purpurträger und darf bei den großen Prozessionen sogar vor dem Dogen gehen.

 

1452/53 verteidigt die große venezianische Kolonie zusammen mit den Griechen Konstantinopel vergeblich. Als die Stadt dann zu Istanbul wird, gratuliert Venedig Mehmet II. zu seinem Sieg und bekommt dafür schon im April 1454 wiederum offene Häfen und Handelsprivilegien.

 

Mit dem Eroberer Mehmet II. beginnen immer deutlicher osmanische Weltherrschaftspläne Gestalt anzunehmen. Er begeistert sich für römische Cäsaren und Alexander "den Großen", orientiert sich über die Geographie des einzunehmenden Italiens und plant die Islamisierung der noch "ungläubigen" Welt. 1460 gehört ihm fast ganz Griechenland. Serbien wird besiegt. In manchen Gebieten wird von grausamsten Massakern an Christen berichtet. Die Überlebenden werden oft versklavt. 1462 besetzt er die Wallachei und Serbien. Florenz, Mailand und Neapel sehen zu, wie der stato der Venezianer schrumpft.

 

Während der Handel mit Ägypten floriert, ist Venedig gegen das Osmanenreich endgültig in der Defensive.

1470 verliert Venedig Negroponte (Euböa) und 1475 die Kolonien am Schwarzen Meer. 1477 zieht ein berittener osmanischer Trupp mordbrennend durch Friaul. Scutari (Shkodra) muss aufgegeben werden. 1479 besitzen die Osmanen mehr Orte auf der Peloponnes als die Venezianer. Damit Venedig im folgenden Frieden weiter im osmanischen Reich Handel treiben darf, muss es nun einmal 100 000 Dukaten und 10 000 jährlich zahlen. Mehmet II. lässt kurz darauf Otranto von einer Truppe überfallen und lässt dort plündern und morden.

1489 erhält Venedig immerhin Zypern.

 

Mit dem bald fehlenden Zugang zum Schwarzen Meer fallen die hellhäutigen Sklaven Südosteuropas weg, die bislang einen erheblichen Teil der venezianischen Handelswaren ausgemacht haben. An ihre Stelle treten nun zunehmend Schwarzafrikaner. "Marin Sanudo erklärt, dass man sich in aller Regel von Sklaven aus Schwarzafrika in seiner Gondel rudern ließe, wobei die vornehmen Adelsfamilien und die Senatoren zum Zeichen ihrer Würde zwei Ruderer beschäftigten." (Rösch, S.201)

 

1475 stirbt der ehemalige Untergebene von Carmagnola, Condottiere und Kriegsunternehmer Bartolomeo Colleoni, der nach Diensten bei verschiedenen Herren in Italien schließlich den Oberbefhl über die venezianischen Landtruppen übernimmt und am Ende seines Lebens gut 230 000 Dukaten alleine an Bargeld zusammengerafft hat: Der Krieg bringt ihm das ein, was Cosimo de Medici mit friedlicheren Geschäften zusammen bekommt. Da er in seinem Testament einen Teil seines Vermögens dem Staat vermacht, falls dieser ihm ein Reiterstandbild vor San Marco errichte, bekommt er immerhin eins vor der Scuola Grande di San Marco aufgestellt.

 

1494 marschiert der französische König Charles VIII. in Italien ein, um seine Ansprüche auf Neapel durchzusetzen. Dabei besucht Philippe de Commynes Venedig: Ich war sehr erstaunt, als ich diese Stadt liegen sah und so viele Glockentürme, Klöster und so große Gebäude erblickte, die alle im Wasser waren; und das Volk hat keine andere Möglichkeit des Vorwärtskommens als in diesen Gondeln. (...) Und zum Canal Grande: ich habe hier Schiffe von vierhundert Tonnen und mehr dicht bei den Häusern gesehen; ich glaube, sie ist die schönste Straße der ganzen Welt (...) Die Häuser sind sehr groß und hoch von gutem Stein, und die alten alle bemalt. Die anderen, die seit hundert Jahren gebaut worden sind, haben alle Fassaden aus weißem Marmor, der hundert Meilen weit aus Istrien kommt; auch haben sie für die Vorderfront noch viele große Blöcke aus Porphyr und Serpention (...) Venedig ist die eindrucksvollste Stadt, die ich jemals gesehen habe (..., Memoiren, in: Fuhrmann, S.110)

 

Commynes weiß auch, wie man so so einer prächtigen Stadt kommt, zum Beispiel so: Die Venezianer hatten in Apulien sechs Plätze von großer Bedeutung als Pfand: das waren Brindisi, Otranto, Gallipoli, Trani und andere. Monopoli hatten sie auch; sie hatten es uns fortgenommen, aber es war wenig wert. Sie liehen dem König Ferrante eine Summe Geldes und berechneten den Dienst ihrer Reisigen, die sie in diesem Königreich hatten, mit 250 000 Dukaten so hoch, dass sie dafür die Plätze behielten. (...) Mir scheint, von Otranto, das am Ende des Golfes liegt, bis Venedig sind es 900 Meilen. Der Papst hat dort Ancona und andere Plätze dazwischen; aber alles, was durch diesen Golf segeln will, muss an Venedig Zoll zahlen; diese Plätze erworben zu haben, ist für die Venezianer eine größere Sache, als viele Menschen denken; sie beziehen von dort große Getreidelieferungen und Öl, zwei ihnen sehr gelegene Dinge. (in: Rösch, S.57)

 

Der Reichtum vieler großer Handelshäuser in der Stadt von nunmehr rund       150 000 Einwohnern bleibt zunächst, aber die Macht des Staatswesens Venedig nimmt immer weiter ab. 1499 kommt es zu einer erneuten Niederlage Venedigs in einer Seeschlacht bei Lepanto (Nafpaktos), worauf auch fast alle Besitzungen in Festland-Griechenland verloren gehen. 1503 gibt Venedig auf und anerkennt die Eroberungen des Sultans Beyazid, der bis auf Korfu, Kreta, Zypern und Rhodos nun das ganze östliche Mittelmeer beherrscht.

Venedig muss sich nun darauf konzentrieren, als italienische Landmacht zu überleben. Aber zeitgleich mit der Katastrophe des Verlustes des östlichen Mittelmeeres findet eine zweite statt: Mit der Umrundung Afrikas durch die Portugiesen, die darauf in Südasien ihre ersten Handelsstützpunkte einrichten, verlagert sich der Hauptstrom des Welthandels vom Mittelmeer weg hin zum Atlantik und in Richtung Pazifik.

 

Die Fahrten des Kolumbus in spanischem Auftrag stoßen zunächst in Venedig auf geringes Echo. Umso mehr aber dann 1500 die Nachricht, dass Vasco da Gama von seiner Fahrt in die entgegengesetzte Richtung mit indischen Waren zurückgekehrt ist. Girolamo Priuli schreibt in sein Tagebuch: Ob auch viele sich die Sorgen von der Seele reden und nicht sehen wollen, was da kommt, so bedeutet doch diese Nachricht mehr als der ganze Türkenkrieg und ist die schlimmste, die man nach dem Verlust der Freiheit selbst hören kann und aller Krieg und Mühsal ist Spiel dagegen. Denn wie ein Kind nicht ohne Milch, so kann unsere Stadt nicht ohne Handel sein. (in: Rösch, S.177)

 

Es ist dies ein wesentliches Kapitel in der schon länger anhaltenden Drift von Reichtum und Macht nach Westen und Norden und aus dem Mittelmeerraum heraus.

 

***Historische Legendenbildung***

 

Das politische Geschäft wird bis heute nicht zuletzt auch mittels Lügen und Betrug betrieben, mal mehr, mal weniger. Wichtigste Zielgruppe dabei ist die Masse der Untertanen, die möglichst wenig mit offener Gewalt und möglichst intensiv mit Proagandamitteln bei der Stange gehalten werden soll. Da in unserer Zeit das kirchliche und das weltliche politische Geschäft immer noch eng miteinander verzahnt sind, ist es leicht, sie mit Legendenbildungen für dumm zu verkaufen - sind doch Legenden das, womit die Kirche bei den Massen am besten Propaganda betreiben kann. Dass dabei Lügen, wenn sie lange genug wiederholt werden, auch von denen manchmal geglaubt werden, die sie verkünden, ist bekannt. Zudem ist es leichter, Lügenmärchen zu verkünden, wenn man sie wenigstens halbwegs selber glaubt. Und die meisten Menschen glauben gerne alles, wovon sie meinen, dass es ihnen nützt.

 

Zivilisationen beruhen alle auf einem Staatsmythos, der in der Vergangenheit immer religiös verbrämt war. Alle Macht stammte von angeblichen überirdischen Mächten, die sie sehr irdischen Machthabern übertragen haben. Die Machthaber in Venedig nutzen für diesen mythischen Machttransfer vor allem ihren Staatsheiligen Markus. Dieser interveniert von seinem himmlischen Zuhause aus mit seinen magischen Kräften immer mal wieder für den Reichtum der Stadt. Darüber hinaus wirkt er auch mittels seiner heiligen Knochen im Schrein in der Markuskirche legitimatorisch: Von seinem Altar bekommt der neugewählte Doge die Staatsfahne, ein magisch aufgeladenes Objekt.

 

Damit ist es aber nicht genug. Eine weitere Staatslegende schafft im 13./14. Jahrhundert mithilfe einer raffiniert konstruierten Lügengeschichte die päpstliche, also überirdische Legitimation für weitere magisch aufgeladene Gegenstände. Nach diesem Lügenmärchen wurde Papst Alexander III. so sehr von Kaiser Friedrich I. ("Barbarossa") bedroht, dass er nach Venedig floh. Die Stadt will vermitteln , aber der böse Kaiser will nicht und schickt seinen Sohn mit 75 Galeeren gegen die Stadt. Natürlich siegt das eigentlich unterlegene Venedig mit göttlicher Hilfe, nimmt den Kaisersohn und sein Gefolge gefangen, die sie dem Papst übergeben. Dankbar schenkt der dem Dogen einen goldenen Ring und das Recht darauf, sich jährlich "mit dem Meer zu vermählen", ein erstaunlich heidnischer Brauch für einen Papst. Das alles beeindruckt den Kaisersohn so sehr, dass er seinen Vater zum "Frieden von Venedig" bewegt. Als der Papst dann nach Rom zurückkehrt, wird er von seinen Römern begeistert mit acht Fahnen und acht silbernen Posaunen empfangen, die er umgehend dem Dogen auch noch als magisch aufgeladene Herrschaftszeichen schickt. Nebenbei wird nun auch das Zeremonialschwert des Dogen, welches er schon Jahrhunderte zuvor trug, als päpstliches Geschenk ausgegeben.

 

Mit diesem Lügenmärchen wird ein wenig christliches Ritual als prächtiges Spektakel mit Volksfestcharakter christianisiert und weitere Symbole der Macht eines Konsorziums von Kapitaleignern werden es gleich mit. Aber auch damit noch nicht genug.

Nach der Mitte des 14. Jahrhunderts taucht die nächste Legende und noch ein Ring auf. Ein armer alter Fischer gerät mit seinem Boot in einen Sturm, und nach und nach steigen drei Männer bei ihm ein. Sie leiten das Boot dorthin, wo ein Schiff voller Dämonen den Sturm verursacht und vernichten dieses. Es stellt sich heraus, dass es sich bei den drei Gästen um die Heiligen Markus, Nikolaus und Georg handelt. Zum Abschied gibt Markus dem armen Fischer seinen Bischofsring, eigentlich auch eine Art Ehering, den er dem Dogen überbringen soll.

 

Ein dritter Ehering taucht ebenfalls auch noch allerheiligst auf: Als man nämlich 1094 die Überreste des Markus nicht mehr finden kann, und das Wunder seines Auftauchens in einer Säule bzw. aus ihr heraus geschicht, weist der gute Markus leibhaftig mit einer Hand dorthin, wo die Knochenreste dann auch liegen. Dabei ist der wunderbare goldene Ring an einem Finger seiner Hand zu sehen. Das beeindruckt den edelreichen Domenico Dolfin, so besagt die Legende später, so sehr, dass er den Ring haben möchte und am Ende auch bekommt. Jahrhunderte später, und das ist nun historisch, schenkt ein Lorenzo Dolfin "diesen" Ring der frommen Scuola Grande di San Marco, was diese gewaltig aufwertet.

 

Diese und andere staatstragende Legenden werden wie Heiligenlegenden und andere Wundergeschichten nicht als solche, sondern als eiserne Wahrheiten verkauft und erst in Mosaiken und dann später in Tafelgemälden dargestellt und den Menschen offeriert. Und immer bilden dabei Kapitalinteresse als politische Macht und auf der anderen Seite Kirche und Religion eine untrennbare Einheit.

 

Den Dogenring "von 1177" (vom Papst) trägt der Doge sichtbar. Der von der Scuola wird immerhin gelegentlich vorgezeigt. Den von Markus, dem Evangelisten, nutzt der Doge seit dem 13. Jahrhundert für eine weitere mystische Heirat. Als Patronatsherr von Santa Maria Nuova in Gerusalemme darf der Doge die Äbtissin der dortigen Augustinerinnen mithilfe dieses (eben auch) Eheringes symbolisch heiraten, um seine Macht über die fromme Gemeinschaft so zu symbolisieren.

 

Historiker heute, wenig interessiert an den auch noch schlecht dokumentierten Individuen in den städtischen Volksmassen, die auch weniger zur Identifikation einladen als prächtige Mächtige, drücken sich in der Regel davor, sich mit der eigentlich so zentralen Frage zu beschäftigen, was es denn wirklich mit den Lügengeschichten der Mächtigen und der Gläubigkeit der Massen auf sich hat. also mit staatstragender Mythenbildung wie mit religiösen Märchengeschichten.

 

Grundlegend ist die Tatsache, dass die Menschen damals nicht dümmer waren als heute und die Mächtigen nicht raffinierter oder gar bösartiger, als sie es auch heute sind. Aber heute wie damals lädt das Spiel von Macht und Ohnmacht sowohl zu willfähriger Gläubigkeit wie zu geschickter Manipulation ein. Gewiss war auch der Kenntnis-Horizont der Menschen anders, aber nicht kleiner als heute, wo er im wesentlichen durch institutionelle staatliche Indoktrination und die Propaganda elektronischer Massenmedien, also für die allermeisten unüberprüfbar hergestellt wird.

 

ff

 

***Die Kunst der politischen Propaganda***

 

Die darstellenden Handwerks-Künste sind im lateinischen Abendland zunächst Propagandainstrument der Kirche, sie dienen der systematischen Indoktrination der ihr Untergebenen. (siehe Kirche...). Je mehr in den aufblühenden Stadtstaaten Kirche von der weltlichen Macht instrumentalisiert werden kann, desto mehr nutzt nun auch diese Malerei und Bildhauerei für ihre Zwecke. Machthaber und Firmenchefs tauchen nicht mehr nur als Teil des Bildes auf, sondern werden zu seinem Zentrum. Erfolgreiche Schlachten und Kriege werden auf Gemäldetafeln verherrlicht. Das Ganze wird aber weiter "christlich" dekoriert.

 

Damit fließt nicht nur immer mehr Geld in florierende Kunsthandwerks-Unternehmen, was technisch besonders versierten und den neuesten Moden verpflichteten Künstlern zunehmend kleinen Reichtum bescheren kann, sondern die Macht und die "Kunst" treten in immer engere Beziehungen, die Künstler können bis in die Entourage weltlicher Macht aufsteigen.

Es ist dieses Propagandamoment, welches neben technischer Perfektion und immer individuellerer "Handschrift" der Kunst ihre Anführungsstriche nimmt. Anders gesagt, in dem Maße, in dem weltliche neben kirchliche Inhalte treten, versuchen Künstler ihren Werken einen parareligiösen Offenbarungscharakter zu geben und weltliche Kunst so mindestens mit "geistlicher" gleichwertig erscheinen zu lassen.

 

Verstärkt wird diese Tendenz dort, wo einzelne Künstler über das Feld der Auftragsarbeit hinausgehen und in die Welt des Warenangebots eintreten: Man produziert für einen erst noch zu erobernden Markt. Hier können sie technisch freier experimentieren und zugleich individueller gestalten. Auf diese Weise wird eine erste Phase des Geniekultes geboren, in der die Inspiration des Klerus durch einen heiligen "Geist" abgelöst wird durch jene des Künstlers durch eine nebulös vorgestellte parareligiöse Sphäre. Ein kleines wohlhabendes Bildungsbürgertum nimmt das dankbar auf, genauso wie Despoten und andere Monarchen.

 

Dass die Macht anders als religiös legitimiert werden kann, ist besonders für die hochkapitalistischen Stadtrepubliken wie Siena, Florenz und Venedig wichtig, denn das schnöde Geld reicht nicht als Legitimationsgrundlage insbesondere auch für die ohnmächtig gehaltenen Massen aus. Immerhin gibt es parallel zur neuartigen Kunst im 14./15. Jahrhundert eine zunehmende Neigung zu Verfassungsdebatten, die die Machtverhältnisse nicht mehr (nur) religiös legitimieren wollen.

 

ff

 

Genua

 

Noch im 13. Jahrhundert finanziert eine Gruppe Genueser Kaufleute die Eroberung von Chios und der Alaunvorkommen von Phokäa. "Die Mitglieder der 'Maona di Chio e di Focea' genannten Gesellschaft erhielten Anteilsscheine, die geteilt oder veräußert werden konnten, sodass das Unternehmen den Charakter einer Aktiengesellschaft annahm." (Ertl, S.152)

 

Kaiser Michael VIII. Palaiologos vergibt für das Alaun aus Phokäa gegen Abgaben an die adeligen Genuesen Benedetto und Manuele Zaccaria ein Monopol, das sie zwischen 1275 und 1455 halten. Das gibt ihnen enorme Macht, da dieser Stoff vor allem für die Gerberei, Textilfärberei und Glasproduktion wichtig ist.

Eine weitere Schlüsselrolle spielt für Genua der Besitz der Insel Chios, über die der Handel mit türkischen Produkten läuft. 1305 überträgt Kaiser Andronikos das Eiland an Benedetto Zaccaria, damit der ihn gegen die Ottomanen und katalanische Söldnerhorden unterstützt.

 

1308 wird Kaffa durch den Khan eines Turkvolkes zerstört und erst 1316 erneut aufgebaut. Aber insgesamt  dehnt sich der genuesische Handel in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts bis Indien und China aus.

Nachdem es den Genuesen bislang immer nur für kurze Zeit gelungen ist, den gewalttätigen Parteienstreit in der Stadt zu bändigen, nutzen sie die Ankunft von Heinrich VII. in Italien und im Herbst dann in ihrer Stadt, um ihm die Stadtherrschaft zu übertragen. Das wird allerdings ohne längere Folgen bleiben, da der Kaiser in Süditalien dann scheitert und stirbt. Damit ervlässt der kaiserliche Vikar die Stadt, und die Regierung in Pisa zu übernehmen.

Die Spinola, Doria und andere "ghibellinische" Große übernehmen die Macht in Genua und bilden einen Rat der 24, den sie zur Hälfte mit Adel und zur Hälfte mit Popolo besetzen. Bald danach kommt es zum Machtkampf zwischen Doria und Spinola, die Spinola werden nach mehreren Bürgerkriegswochen vertrieben und die Grimaldi übernehmen mit den Doria die Macht. Sie setzen eine Armee von rund 1500 Rittern und 10 000 Fußsoldaten in Marsch, die den Söldner Spinolas unterliegen, so dass die Stadt an sie 17 000 Florin (Goldgulden) zahlen muss, um die Gefangenen zurück zu bekommen. Mit dem Geld rebellieren die Söldner dann gegen ihren Auftraggeber Oberto Spinola und töten ihn.

 

Anfang des 14. Jahrhunderts ist die Staatsschuld enorm angewachsen. Ein eigenes Büro sorgt inzwischen für die Bezahlung der Staatsanleihen, für die die Masse der Einnahmen herhalten müssen. Ziel ist eine Konsoplidierung der Staatsschuld bei 6% Zinsen. Um die Einnahmen zu erhöhen, werden immer neue Abgaben erfunden, die in ihrer Mehrheit die vielen kleinen Leute treffen, die damit die Rendite der wenigen Reichen bezahlen. Zugleich wird versucht, die Ausgaben zu kürzen: Niederen Beamten wird das Einkommen reduziert, Besatzungen der Burgen und Kastelle werden verkleinert. Aber alles in allem gehen von Einnahmen von rund 140 000 Lire über 110 000 für den Schuldendienst weg. Damit kann ein laufender Haushalt in Friedenszeiten bedient werden, aber jeder Krieg und selbst Bürgerkrieg verlangt neue zusätzliche Schulden (Epstein, S.189ff).

 

1313 wird ein Büro der Gazaria eingerichtet, welches zunächst den Schiffsverkehr nach Tana, Kaffa und ganz allgemein dem Schwarzen Meer regulieren soll und dann auch für den Handel mit Persien zuständig wird. Darüber hinaus wird es für Entschädigungen aus individueller genuesischer Piraterie zuständig, die immer mehr auf das für den Staat nützliche Maß eingegrenzt werden soll. Nach und nach beginnt es auch den Verkehr im westlichen Mittelmeer zu regulieren, so wie das der venezianische Staat schon länger für seine Schiffe tut.

 

Es bleibt nicht bei der ersten Phase des Bürgerkrieges in Genua. 1317 gelingt es Carlo Fieschi und Gaspare Grimaldi, die Macht der wieder eingesetzten Podestà ignorierend, die Ämter von Rektoren und Volkskapitänen an sich zu reißen. Viele ligurische Städte wenden sich gegen dieses "guelfische" Regime an Mailand um Hilfe. Ein ghibellinisches Heer belagert die Stadt und nun bitten die Guelfen dort Robert von Neapel um Hilfe. Im Sommer wird die Stadt an Robert übergeben. Bald wird sie nun von der Gegenseite belagert, die sich allerdings vor dem Winter zurückzieht.

Der Bürgerkrieg zieht sich ins nächste Jahr. Guelfen wenden sich gegen Albenga, welches von Provenzalen und Kalabresen geplündert wird. Im September 1320 greift eine große Flotte des Federigo von Sizilien ein.

1322 ruft Papst Johannes XXII. einen Kreuzzug gegen die Matteo Visconti und seine Verbündeten aus, zu denen auch die Spinola und Doria gehören. Die Guelfen Genuas können sich nun für ihren Kampf gegen die Ghibellinen das Kreuz an ihre Übergewänder heften. Beide Seiten betreiben fließig Piraterie gegeneinander. Die Guelfen der Krim versuchen sich mit dortigen Türken zu verbünden. Derweil setzen sich die Aragonesen immer solider auf Sardinien fest.

 

In Genua bricht regelmäßig Hunger aus. Chios wird von den Byzantinern zurück erobert. Als 1331 die katalanische Gefahr wieder steigt, schließt man innerhalb Genuas einen kurzen Waffenstillstand und schließt Frieden mit Neapels Robert. Derweil plündert eine katalanische Flotte Mentone und Monaco. Im Herbst wird aus dem Waffenstillstand Friede, Robert bleibt Herr von Genua und teilt die hohen Ämter unter Guelfen (mit ihrem Popolo-Anhang) und und den vornehmlich hochadeligen Ghibellinen auf. Er regiert die Stadt über seinen Rektor und einen Rat aus acht Adeligen und acht Popolanen.

Die riesigen Staatsschulden aus der ganzen letzten Zeit werden in einer neuen Staatsschuld von knapp einer Million Lire konsolidiert, die in Anteilen von 100 Lire zu 10% ausgegeben werden. Neue und höhere Steuern auf Konsumgüter sollen die Zinsen einbringen. Vertreter des Popolo werden nun die entsprechende Ausplünderung der Masse der Bevölkerung mittragen.

 

1335 revoltieren die Ghibellinen, die Fieschi und bald auch andere Guelfen

fliehen und Roberts Leute dürfen abziehen. Ein Doria und ein Spinola werden zu Volkskapitänen in einem parlamento gewählt. 1336 wird Friede mit Aragon geschlossen.

1339 der nächste Aufstand. Zunächst rebellieren Schiffsbesatzungen wegen Lohnerhöhungen, dann das "Volk" in ligurischen Ortschaften, und schließlich läuft es in Genua selbst auf den Straßen zusammen. Ein neuer Volksvertreter soll gewählt werden. Während der Wahlverein im Palazzo Pubblico tagt, warten draußen die Masssen, unter denen plötzlich jemand Simone Boccanegra fordert. Der erklärt ihnen, dass er für ein so niederes Amt zu vornehm sei und sie ohnehin eher einen dominus bräuchten. Darauf setzt sich in der Menge der Ruf fiat dux durch, hoch lebe der Doge. Die Doria und Spinola verlassen die Stadt.

 

Wenig später erklärt eine Menge Boccanegra zum Dogen auf Lebenszeit. Nun werden alle Guelfen aus ihren Ämtern geworfen. Die Menge verbrennt nun die Gläubigerlisten der Staatsschuld und dann auch die Unterlegen des Zollamtes. Boccanegra wird das alles aber später wiederherstellen. Der Doge zieht in den Palazzo Pubblico, nun Palazzo Ducale.

Von sechzehn bekannten Räten um den Dogen ist keiner adelig. Zwei sind Tucher, drei Metzger, ein Produzent von Schilden und ein Meister der Wollzunft sind darunter (Epstein, S.205) Die Hegemonie  über Ligurien wird wieder hergestellt. Eine genuesische Flotte zerstört im Schwarzen Meer eine türkische, die die genuesischen Niederlassungen gefährdet. Mit Pisa wird eine Art Bündnis geschlossen.

Im Kern vertritt Boccanegra die Interessen des größeren unteradeligen Kapitals vor allem und seine Handelsinteressen. Die Staatsschuld wird wie schon viel früher in Venedig als Compera in einem Topf zusammengefasst und auf niedrigerem Zinsniveau konsolidiert.

 

Der Anteil unternehmungslustiger Genuesen, die in fremde Dienste treten, wird von nun an steigen. Zwischen 1320 und 1340 wird ein genuesischer Entdecker (Abenteurer) wohl in portugiesischen Diensten, für Portugal die Kanaren aufsuchen. Genuesische Schiffe werden zum Beispiel an den kastilischen König verliehen.

1344, als der Khan eines Turkvolkes beginnt, Caffa zu belagern, stellt eine Koalition aus Grimaldi, Spinola, Fieschi und Doria ein Heer auf, welches gegen Genua marschiert. Der Doge flieht mit seiner Familie nach Pisa. Ein  neuer Doge wird gewählt, die großen Adelshäuser werden wieder ausgewiesen. Ende 1345 sind einige Adelige wieder am Stadtregiment beteiligt. 1346 ist Ligurien wieder eingenommen, bis auf Monaco in den Händen der Grimaldi. Chios und Phokäa werden wieder eingenommen und voneiner  genuesischen Unternehmergruppe verwaltet, die die Gewinne aus Mastix und Alaun für sich vereinnahmen können, um ihre Ausgaben bei der Rückeroberung zu tilgen. Dafür erhalten die jeweiligen Bevölkerungen miserable Arbeitsbedingungen.

Kurioserweise nehmen die großkapitalistisch-aristokratischen Maona-Mitglieder den gemeinsamen Familiennamen Giustiniani an, womit sie Geschlossenheit im Auftreten demonstrieren. Es wird ihnen gelingen, Chios bis 1566 zu kontrollieren, als es von den Osmanen eingenommen wird.

 

In Genua sinkt der Umsatz an Fernhandelswaren schon vor der großen Pest von 1348 etwas. Direkt nach ihr erholt er sich aber offenbar wieder sehr schnell.

Anders sinkt die Bevölkerungszahl, von der Epstein schätzt, dass sie ungefähr von 70 000 auf  40 000 fällt (S.213). Danach ist auch der Landweg nach China dauerhaft versperrt,

 

Im Westen versucht Genua in vier großen Kriegen, Venedig niederzukämpfen. Der erste beginnt bereits bald nach dem ersten großen Durchzug der Pest 1350 und führt nach abwechselnden Seesiegen beider Seiten und schweren Verlusten zur Übergabe der erschöpften Stadt an den Herrn und Erzbischof von Mailand, Giovanni Visconti, der 1355 von seinen Neffen einen Frieden aushandeln lässt.

 

1356 revoltiert ein Teil der Bevölkerung gegen den Mailänder Herren, Simone Boccanegra taucht in Genua auf und wird vom popolo zum Dogen gekürt. Er verbündet Genua mit dem Königreich Kastilien gegen Aragon. Die neuen Schulden aus dem Krieg mit Venedig werden nun durch Zwangsanleihen zu 10% abgedeckt, die über die Salzsteuer und Zölle fundiert werden. 1362 erhebt sich auch gegen ihn Opposition und er scheint dann vergiftet worden zu sein. Sein bisheriger Mitarbeiter Gabriele Adorno wird neuer Doge. Er vereinbart mit Mailands Visconti die Zahlung von 300 000 Florin über fünfzehn Jahre, um Frieden zu schließen. Die zwölf Ältesten werden zur Hälfte mit Adel und zur anderen mit Popolanen besetzt. Adorno kann eine Revolte überstehen und erhä#lt von Kaiser Karl IV. 1368 das kaiserliche Vikariat übertragen.

1370 wird Adorno von einer Revolte abgesetzt und durch den Dogen Campofregoso ersetzt. Im Jahr darauf schenkt der ebenso reiche wie adelige Francesco Vivaldi der Gemeinde neunzig Schuldscheine zu inegesamt 9000 Lire, deren Erträge die gesamte letzte aufgelegte Staatsschuld im Laufe der Zeit tilgen soll.

 

Inzwischen haben spanische Händler den Genuesen den gesamten Afrikahandel abgenommen und kontrollieren damit auch die Goldzufuhr von dort. Weggefallen ist zudem der Sardinienhandel. Was bleibt, ist einmal der Einkauf von Olivenöl, Käse und Nüssen von Sizilien und Süditalien, transportiert das zusammen mit Geld nach Ägypten, holt von dort Luxusartikel, die dann nach Flandern transportiert werden. Von dort gehen hochwertige Tuche zurück in den Mittelmeerraum. Zum anderen holt man aus Spanien Gold und Wolle, von dem ein Teil in die Niederlande geht und ein Teil in die Toskana, vor allem nach Florenz. Zypern wird immer mehr von genuesischen Händlern kolonisiert, insbesondere Famagusta, um von dort aus Handel mit dem islamischen Osten zu betreiben.

Die bedeutenderen Händler machen in Genua weniger als 1% der Bevölkerung aus, Nur wenige Familien betreiben ihn: 13 Mitglieder der Lomellini zum Beispiel, 14 der Spinola, 12 der Doria und 7 der Grimaldi.

Die Gesamteinnahmen der Gemeinde teilen sich in 130 000 Lire für den Schuldendienst und 20 000 für die übrigen Aufgaben, weswegen jedes Jahr üblicherweise mehrere weitere Zehntausende als Schulden dazukommen, und weitere in Kriegszeiten. Mehrere Staatsämter sind für die Finanzen zuständig, aber die größte Macht besitzen Ausschüsse der Gläubiger, darunter einer, der die Abgaben kontrolliert, die die Masse der Bevölkerung leistet, um den Schuldendienst für die Wenigen zu bezahlen.

 

1372 kommt es anlässlich der Krönung Peters II. von Zypern zu blutigen Konflikten zwischen Venezianern und Genuesen. Genua entschließt sich zum Krieg und schickt im folgenden Jahr eine Flotte mit 14 000 Mann nach Zypern. Die führenden Teilnehmer bilden eine Maona, die die Ausgaben schultert und dabei auf entsprechende Beute-Einnahmen hofft. Zypern wird besiegt und die Maona erhält enorme Summen vom Verlierer zugesprochen udn de facto die Macht auf der Insel, um sie wirtschaftlich auszupressen.

 

1376 gibt einer der beiden byzantinischen Thronprätendenten an Genua Tenedos ab, welches Venedig von dessen Konkurrenten zugesprochen bekommen hat. 1378 bricht darum der sogenannte Chioggiakrieg aus, in dem Genua sich mit dem österreichischen Herzog, dem ungarischen König und dem Carrara von Padua verbünden kann, während Venedig den Visconti Mailands und den König von Zypern auf seiner Seite hat.

Zunächst siegen die Venezianer bei Anzio, und als dann Mailänder Truppen auftauchen und venezianische Schiffe vor Portovenere, wird der Doge gestürzt und durch Niccolo Guarco ersetzt. Um den weiteren Krieg zu finanzieren, wird auch der größte Teil Korsikas an eine Maona abgegeben, also eine Kapitalgesellschaft. Dann siegen die Genuesen bei Pola und landen schließlich mit einer riesigen Flotte bei San Niccolo de Lido. Mit Hilfe padovanischer Truppen wird dann Chioggia eingenommen. Mailand bedroht Genua mit einem Landheer und wird zurückgeschlagen. 

1380 haben die Venezianer dann Chioggia hinreichend lange belagert und ausgehungert, dass die Genuesen mitsamt ihren Söldnern kapitulieren müssen. 1381 wird Frieden geschlossen: Die Venezianer haben sich behauptet und die Genuesen kaum etwas außer Schulden hinzu gewonnen.

 

In der Folge kommt es zu massiven inneren Konflikten. Dabei intrigieren zunächst Montaldo, Antoniotto Adorno und Pietro Campofregoso. Guarco flieht. Leonardo Montaldo kann sich dann als Doge durchsetzen, stirbt aber 1385 und wird durch Adorno abgelöst. Der kann den Besitz Genuas in Ligurien durch Käufe vergrößern, in denen Zehntausende Lire eingesetzt werden. In seiner Amtszeit wird auch er selbst immer reicher.

Für 1387 ist ein erster Handelsvertrag mit dem osmanischen Sultan überliefert, der Genua Handelsfreiheit gewährt. Dafür stellen die Genuesen den Osmanen-Herrschern bei Bedarf Teile ihrer Flotte zur Verfügung. Mit Mailand werden friedliche Beziehungen hergestellt und ein Kriegszug gegen den Herrscher von Tunis führt zur Eroberung von Djerba und zu reichlicher Beute.

 

Anfang der 90er Jahre werden die inneren Machtkämpfe heftiger. Eine Guelfenpartei aus Adel und reichen Kaufleuten (es gibt so etwas wieder) verbündet sich mit König Charles VI. von Frankreich, den sie zum Herrn von Genua machen wollen. 1392 wird einer von ihnen, Antonio Montaldo, Doge. 1393 kehrt Adorno nach Genua zurück und inszeniert eine Rebellion, die zur Flucht von Montaldo führt. 1394 wird Adorno nach heftigen Unruhen Doge. Inzwischen attackiert Enguerrand de Coucy die westliche genuesische Riviera für den französischen König und Savona macht sich selbständig. Schließlich zerfällt der ganze Contado und die bürgerkriegsähnlichen Zustände nehmen immer mehr zu.

 

1395 ist der Abgabendruck auf die Bevölkerung so heftig, dass es zu gewalttätigeren Revolten kommt. Darauf wird eine zweiprozentige Erbschaftssteuer eingeführt und zum anderen bald danach eine Lohnsteuer für Seeleute. Insgesamt finanzieren die meisten Einwohner weiterhin durch Umverteilung den Reichtum der Wenigen.

 

Das Ergebnis der jahrelangen chaotischen Anarchie ist 1396 das von Adorno unterstützte Angebot an den gelegentlich in Geistesgestörtheit verfallenden französischen König, als Stadtherr von Genua zu fungieren. Er solle quasi als mächtiger Podestà fungieren, da die Stadt selbst ihr Schuldenproblem nicht durch neue Zwangsanleihen in den Griff bekommt und selbst auch keine Ordnung mehr in den Machtkämpfen herstellen kann. Die Stadt stellt selbst in langen Diskussionen fest, dass sie sich nicht mehr selbst regieren kann. Das große Kapital und die alten Geschlechter haben keine Form gefunden, die Gemeinde so wie Venedig als politisches Konsorzium des Großkapitals zu konsolidieren.

 

1396 wird ein (französischer) königlicher Gouverneur für Genua eingesetzt, dem es allerdings daran fehlt, mehr Macht als ein Doge zu erhalten. Um mehr "Ordnung" herzustellen, hätte es des Geldes für Söldner bedurft, die sie aufrecht erhalten. Als im Sommer 1398 die Pest ausbricht, flieht der Gouverneur und es bricht wieder Bürgerkrieg aus, von dem der Chronist Stella nachher meint, er habe einen erneuten Schaden von einer Million Florin angerichtet. Dann revoltiert der Popolo und der neue Gouverneur Calleville gibt ihm nach. Weitere Revolten folgen, die der Gouverneur nicht mehr kontrollieren kann.

 

Im Herbst 1401 marschiert mit dem Marschall von Frankreich, Jean Le Meingre ("Boucicault") und seinen fast tausend Söldnern ein Regime des Terrors in die Stadt ein, von den Volksmassen begeistert begrüßt. Boucicault verbietet den Genuesen schwere Waffen, verbietet Treffen der Zünfte und Konsule, reduziert Bruderschaften auf religiöse Betätigung.

Ab etwa 1404 taucht Widerstand gegen die französische Besatzungsmacht auf, und als sich Boucicault 1409 in Frankreich aufhält, setzt ihn eine Versammlung ab und bittet den Markgrafen (Marchese) von Montferrat, das Stadtregiment, also praktisch das Amt des Dogen, zu übernehmen.

 

1405 beginnen neu eingesetzte Prokuratoren an einer Lösung für die inzwischen drei Millionen Lire umfassende Staatsschuld zu arbeiten. 1407 wird eine Gruppe von Gläubigern aus den reichsten Familien der Stadt als Casa de San Giorgio eingesetzt, um die Staatsschuld zu verwalten und die Auszahlungen zu überwachen. Der größte Teil der Schuld wird neu konsolidiert und mit nunmehr 7% verzinst, wodurch die Anteilseigner etwas Rendite verlieren, aber ihr Kapital behalten können. Acht mit mindestens tausend Lire an Anteilen ausgestattete Protektoren und ein Rat von 52 mächtigeren Anteilseignern wacht über ihr eigenes Vermögen. Dazu versammelt die Bank in sich die meisten städtischen Einkünfte. Daraus entwickelt sie sich zu einer öffentlichen Bank insoweit, als die Anteilseigner ihre Zinsen dort einlagern können und zudem, da die Bank über Einkünfte aus Pera und Kaffa verfügt, dort Wechselgeschäfte tätigen können. Der sonstige Bankalltag der Menschen wird aber weiter über Privatbanken abgewickelt.

Zeitweilig verwaltet San Giorgio auch die Münze, was sie aber bald überfordert. Zeitweilig wird die Bank auch die Herrschaft über genuesische Kolonien im Mittelmeerraum innehaben. Insgesamt übernimmt so das große Kapital über seine Staatsbank einen großen Teil der Macht im Staat direkt.

 

Unter dem Markgrafen wendet sich Genua gegen Frankreichs Präsenz in Neapel. Aber die Machtkonflikte in der Stadt bleiben, auch wenn Guelfen und Ghibellinen immer mehr durch "Weiße" und "Schwarze" ersetzt werden. 1413 kommt Tommaso Campofregoso in die Stadt zurück und eine Revolte gegen den Markgrafen findet statt, die Giorgio Adorno, der ebenfalls zurückkehrt, zum Dogen über ein Bündnis aus Adel und popolanem Großkapital macht. 1414 findet die nächste Revolte statt. Adorno wird mit Steuerfreiheit auf Lebenszeit, 300 Florin jährlicher Pension und dem Konsulat in Kaffa abgefunden und kurz darauf erreicht es Tommaso Campofregoso, zum Dogen gemacht zu werden. Der kann dann sechs Jahre lang wie ein Fürst herrschen und leben und seine Brüder für seine Macht- und Prachtentfaltung einsetzen. Der Übergriff Aragons auf Korsika kann noch einmal halbwegs aufgehalten werden.

 

1421 verbünden sich die Exilanten Montaldo, Adorno, Spinola und Fieschi mit dem Mailänder Filippo Maria Visconti, der sich wiederum mit Aragon verbündet. Mailand schickt ein Landheer unter Francesco Visconti ("Carmagnola") und Aragon eine Flotte. Der Doge gibt auf und wird dafür von den Siegern mit Zigtausenden Florin Entschädigung und der Herrschaft Sarzana abgefunden.

 

Mailand behält nun Korsika für sich und Florenz und Venedig machen (nicht nur) in Genua Propaganda gegen die Visconti und ihre despotische Herrschaft. Mailand benutzt nun Genua für seinen Krieg gegen Florenz und Venedig. Bis 1433 muss Genua so noch einmal Krieg gegen Venedig führen. Dabei sind beide Seiten bereits erheblich geschwächt. Das Ende kommt mit dem Frieden zwischen Mailand, Venedig und Florenz.

1435 bricht erneut Krieg zwischen Aragon und Neapel aus, in dem Mailand Genua verpflichtet, gegen Aragon zu kämpfen. Die Genuesen siegen noch einmal in einer großen Seeschlacht bei Ponza, nehmen Alfonso gefangen, müssen ihn aber den Visconti ausliefern. Die verbünden sich kurz darauf gegen Neapel und Visconti verlangt nun von den Genuesen, Seite an Seite mit den Katalanen zu kämpfen. Es kommt in Genua zum Aufstand, der Mailänder Gouverneur wird getötet und ein Regierungsausschuss wird gebildet.

 

In der städtischen Politik des späten Mittelalters geht es um Geld und Status, darum, wie man beides durch Kapitaleinsatz gewinnt und durch Landbesitz absichert. Genua ist ein Musterbeispiel dafür, wie es den um die Macht konkurrierenden Kapitaleignern nicht gelingt, sich für längere Zeit friedlich zu einigen. Man weiß längst, dass man eines Staates bedarf, der sich als Vertreter eines generalisierten Kapitalinteresses über die Einzelkapitalien setzt, und hat sich dafür den französischen König und den Herrscher über Mailand ausgeborgt, aber ohne ihnen die Macht zuzugestehen, die sie bräuchten. Viele norditalienische Kommunen haben sich längst unter despotische Familien gebeugt und Venedig hat ein sehr kompliziertes Staatswesen entwickelt. Es ginge darum, die Verbindung mächtiger Familien mit ihren Unternehmungen mit Söldnern und mit leicht mobilisierbaren Volksmassen zu durchbrechen, aber keine Stadt schafft das ohne despotische Maßnahmen, ohne Terror und Tyrannei. 

 

Dazu ändern sich die Zeiten: Das genuesische Handelsvolumen sinkt im 15. Jahrhundert insgesamt. Mit dem Fall Konstantinopels schwindet ein Handelspartner, 1455 nehmen sich die ottomanischen Türken Phokäa und sein Alaun, Zypern geht langsam in venezianische Hände über, 1475 erobern die Ottomanen die Krim.

Aber im Westen setzt sich die Stadt immer weiter durch. Im 14./15. Jahrhundert besitzt die Stadt von der Mittelmeerküste aus immer mehr Niederlassungen in Spanien. Ein Teil des Handels von Genuesen findet allerdings nicht mehr von der Heimatstadt aus statt und die unternehmungslustigeren unter ihnen wandern ganz aus.

 

Während Venedig den lateinischen Handel im östlichen Mittelmeerraum immer mehr übernimmt und zunehmend auch eigene Produkte exportiert, gelingt das Genua im Westen weniger. Es gibt zwar Ansätze von Tuchproduktion (Wolle, Baumwolle, insbesondere Seide) und Papierherstellung, aber diese bleiben deshalb stecken, weil es kaum Abnehmer im eigenen bergigen Hinterland gibt. Förderlich ist nur die relative Machtlosigkeit der Zünfte und die auch daraus resultierende billige Arbeitskraft. Selbst der Schiffsbau geht massiv zurück.

 

1435 müssen die Mailänder gehen. Tommaso Campofregoso wird Doge und schließt Frieden mit Venedig und Florenz, um sich an die Rückeroberung Liguriens zu machen. Dann unterstützt er vergeblich die Franzosen in Neapel mit Galeeren, 1442 kann Alfonso von Aragon die Stadt einnehmen - das Anjou-Regime dort ist zu Ende. Damit ist Genua von zwei Feinden umgeben: Aragon und Mailand.

 

Nach der Revolte eines Fieschi übernimmt ein Raffaele Adorno das Dogenamt. 1444 muss unter ihm die Casa di San Giorgio wegen Insolvenz ihr Bankgeschäft aufgeben, aber sie verwaltet weiter den Großteil der staatlichen Einkünfte, mit denen sie die Rendite der Anteilseigner bezahlt. Damit bestimmt sie letztlich, was die Gemeinde in Friedenzeiten für Ausgaben zur Verfügung hat (Epstein, S.277ff). Zudem verwaltet die Casa ab 1453 auch Korsika und seit den 70er Jahren Gemeinden wie Ventimiglia und Sarzana. Über die Casa bilden so immer mächtigere Kapitaleigner einen Staat im Staate, wie Macchiavelli bald beschreiben wird. Und während der offizielle Staat weiter den alten Machtkonflikten unterliegt, ist die Casa von gewinnträchtiger relativer Einigkeit geprägt.

Derweil wächst die Staatsschuld ins Unermessliche. 1440 sind es 7 Millionen Lire, 1461 werden das 10 Millionen und 1509 sind es bereits 20 Millionen.

 

Derweil gerät das Dogenamt immer mehr in die Hände der (Campo)Fregoso-Familie. Nach und nach geht das östliche Mittelmeer für den genuesischen Handel verloren. 1454 schließen der Sforza und Cosimo de Medici Frieden, dem sich in Lodi Venedig und dann auch Genua anschließen.

 

Genuesische Abenteurer unternehmen auf der Suche nach Geld und Gold Reisen durch die Sahara, von denen eine bis an den Gambiafluss und ins Reich von Mali führt. Aber Genua wird davon nicht mehr profitieren. Um 1470 verschwindet auch Cristoforo Colombo, Sohn eines Wollwebers aus der Stadt, und versucht eine Karriere vor allem in Portugal und Spanien. 

Die Stadt ist inzwischen eine zweitrangige Macht geworden und entscheidet sich 1458, sich unter den Schutz des französischen Charles VII. zu stellen. Im Gegenzug schickt Alfonso von Aragon eine Flotte mit Exil-Spinolas und Adornos zur Belagerung der Stadt. Todesfälle sorgen für ein Nachlassen der Bedrohung.

 

1461 führen Prospero Adorno und Erzbischof Paolo Fregoso eine Revolte gegen die Franzosen an und kämpfen dann miteinander um die Macht. Schließlich siegt Adorno und bittet Francesco Sforza um Hilfe, der tausend Söldner und Geld schickt. Renée von Anjou mit 6000 Soldaten kann vernichtend besiegt werden.

Im folgenden Jahr gelingt es dem ebenso korrupten wie kriegerischen Erzbischof Paolo Fregoso, zum Dogen aufzusteigen. Zwei Jahre später stellt sich Genua erneut unter die Oberhoheit Francesco Sforzas.

 

1471 kommt Galeazzo Maria Sforza zu Besuch und ist mit den Freiheiten in der Stadt offenbar unzufrieden. Mit Francesco della Rovere aus Savona wird dann ein Großgenueser Papst (Sixtus IV.), der den Aufstieg ligurischer Geistlicher zu Kardinälen und späteren Päpsten fördert, der zweite wird dann der della Rovere Julius II. sein.

 

Ein Jahr nach der Ermordung von Herzog Galeazzo in Mailand kommt es 1477 zu einem erneuten Aufstand in Genua. Darauf schickt Mailand den exilierten Propero Adorno mit einem Heer nach Genua und der wird dort zum Gouverneur. Ein Jahr später revoltiert aber auch er gegen Mailand und macht sich zum Dogen. Darauf wenden sich Ferrante /Ferdinando von Neapel, Papst Sixtus und die Fregoso gegen ihn und Battista Fregoso wird nun Doge.

 

1480 erobern die Türken Otranto und Genua unterstützt einen päpstlichen Kreuzzug, der die Stadt zurückerobert. Inzwischen ist Paolo Fregoso Kardinal und wird erneut Doge. Derweil wird Kardinal Cibo von Genua mit einer reichen Kinderschar Papst (Innozenz VIII.) und kümmert sich um die Versorgung dieser Kinder. Weiter Teil des Sforza-Imperiums, unterstützt Genua 1494 die Ankunft von Charles VIII. in Italien. Genuas Rolle als Stadtstaat ist völlig ausgespielt.

 

Genuesen üben inzwischen massiven Einfluss auf Handel und Finanzen im spanischen Neapel aus und Ende des 15. Jahrhunderts werden sie unter den Päpsten aus Genua die wichtigsten päpstlichen Bankiers.

1503 dominieren sie die Casa de Contratación, die den transatlantischen Handel kontrolliert. Als Bankiers der Könige bekommen sie außerdem die Aufsicht über die wichtigsten europäischen Ströme von Edelmetall und Kredit.

 

Pisa (in Arbeit)

 

Im 13. Jahrhundert scheidet Pisa nach und nach aus dem "Konzert" der italienischen Großmächte aus. Im Maghreb können sie noch eine Weile eine gewisse Rolle spielen, wie in Bougie, wo es noch 1353 heißt, sie seien die wichtigste Gruppe unter den italienischen Kaufleuten (Mitterauer, S.138).

 

 

Rom und der Kirchenstaat (in Arbeit)

 

Für 1300 wird von Bonifaz VIII. zum ersten Mal ein sogenanntes Heiliges Jahr ausgerufen, um sehr konzentriert Pilgerströme anzulocken.

 

Der Nachfolger von Bonifaz VIII. stirbt 1304. Ein mehr als ein Jahr dauerndes, von französischem Klerus dominiertes Konklave wählt dann den Erzbischof von Bordeaux als Clemens V., der den französischen König in allen Punkten unterstützt und nach kurzem Aufenthalt in Lyon 1309 nach Avignon übersiedelt.

 

Mit der Abwanderung der Päpste nach Avignon verschärfen sich die inneren Konflikte.

1343 gewährt Papst Clemens VI. auf Bitten der in Ruinen liegenden Stadt dieser Jubeljahre im Abstand von 50 Jahren. Im Zusammenhang damit erklärt er wieder einmal das Zustandekommen der Gnadenschätze der Kirche durch Jesus, Maria und die Heiligen, die als Ablass an die Gläubigen verkauft werden.

1347 errichtet Cola di Rienzo eine gegen Papst und Adel gerichtete Herrschaft in Rom. 1354 wird er ermordet.

Der wirtschaftliche Rückschlag durch die Abwesenheit der Päpste wird ergänzt durch den Aufstieg popolaner Familien und zunehmende kommunale Selbstverwaltung. Nach der Rückkehr der Päpste schwächt dann das Schisma erneut die Bedeutung der Stadt für die päpstliche Machtentfaltung.

 

Als Pilgerstadt bleibt Rom aber durch das späte Mittelalter bedeutend.Für 1350 wird trotz Pest ein zweites Heiliges Jahr ausgerufen. Inzwischen ist die Lehre von dem praktisch unerschöpflichen Gnadenschatz ausgearbeitet, den die Heiligen durch die Zeiten mit ihren guten und wundersamen Werken angesammelt haben und den die Kirche (!) verwaltet. Mit dem Ablass, den sie in besonderem Umfang bei den Heiligen Jahren in Rom vergibt und auch ansonsten anfängt zu verkaufen, wird zwar offiziell nicht die Sündenschuld der Menschen getilgt, aber ihre Strafzeit im Fegefeuer/Purgatorium verringert.

 

 

Daneben lassen sich Handwerker - auch in großem Maße aus deutschen Landen - hier nieder: Deutsche Bäcker und Schuhmacher haben hier ihre eigenen Bruderschaften, daneben gibt es deutsche Weber, Goldschmiede, Bader und Barbiere, schließlich auch deutsche Buchdrucker.

 

Bis 1378 regieren die Päpste in Avignon, wo nun ein Großteil der kirchlichen Reichtümer hinfließt und die päpstliche Hofhaltung stattfindet mit den Kardinälen und dem riesigen Personal. Ende des 14. Jahrhunderts hat das Papsttum praktisch seine Stadtherrschaft durchgesetzt.

 

1417 ist Rom dann wieder zur Gänze Zentrum der römisch-christlichen Welt.

Nach und nach wird Rom in eine Renaissancestadt umgebaut. Die Päpste lassen die mächtigen Adelsburgen schleifen, die nun als prächtige Paläste wiedererstehen. Kurz vor der Mitte des 15. Jahrhunderts entsteht der Plan einer neuen gigantomanischen Peterskirche, der allerdings nicht bei allen Römern Zustimmung findet.

 

Um 1463 werden dann bei Tolfa im Kirchenstaat Alaunvorkommen entdeckt. Papst Pius II. sorgt dafür, dass eine dafür geschaffene Monopolgesellschaft Abbau und Handel übernimmt. Den Handel mit türkischem Alaun versucht er dann für die ganze Christenheit zu verbieten. Mit König Ferrante von Neapel trifft er schließlich Vereinbarungen, um den Preis des Alauns hochzuhalten.

 

Der Süden

 

Mit der sogenannten sizilischen Vesper 1282 gelingt es dem Haus Aragón, Sizilien zu erobern, und die Anjou behalten nur Festland-Sizilien mit der Hauptstadt Neapel. In Kriegen bis ins 14. Jahrhundert versuchen beide Seiten, den anderen zu besiegen.

Der Anjou Robert ("der Weise") herrscht von 1309-43 über das Königreich Neapel. Er ist ein Führer der guelfisch-antikaiserlichen Fraktion und gerät in heftigen Konflikt mit den Kaisern Heinrich VII. und Ludwig ("dem Bayern"). Er privilegiert die Florentiner Firmen der Bardi, Acciaiuoli und Peruzzi bei der Weizenausfuhr und den Finanzen.

Er baut das Castel Nuovo und fördert fast wie ein "Renaissancefürst Leute wie Petrarca und Boccaccio, und  Künstler wie Tino di Camaino, Simone Martini und Giotto di Bondone, Ausdruck des Bündnisses mit Florenz.

 

Seine Enkelin Johanna ist Nachfolgerin. Sie verbündet sich mit Papst Clemens VII. und erwählt auf dessen Rat den Herzog von Anjou zum Nachfolger. Papst Urban unterstützt darauf Karl von Durazzo, der als Karl III. Neapel erobert und Johanna einsperrt und dann ermorden lässt, als Charles von Anjou ihr zu Hilfe nach Italien marschiert. In Savoyen erhält er für 20 000 Dukaten im Monat Militärhilfe von Amadeus von Savoyen (dem "Grünen Grafen"). In Mailand verlobt Charles seinen Sohn mit der Bernabó-Tochter Lucia, was ihm 50 000 Florins einbringt.

Vor Neapel ist Anjous Armee bereits enorm geschwächt, als eine Epidemie es weiter dezimiert; Amadeus stirbt. Der französische Kronrat bewilligt erhebliche Hilfsgelder für ihn, aber das französische Heer zieht erst einmal gegen die Engländer in Richtung Flandern. Anjou schickt Pierre de Craon, um das Geld zu holen, welches dieser dann entwendet.

Frühjahr 1384 bricht Coucy mit Söldnern nach Italien auf, um Anjou zu retten. Gian Galeazzo zahlt Subsidien. Coucy zwingt die Städte unterwegs zu Zahlungen, plündert Dörfer und erobert einzelne Burgen. Aus Florenz heißt es:

Sie stahlen nicht nur Gänse und Hühner, raubten nicht nur die Taubenschläge aus und schleppten die Schafe, Böcke und das Vieh davon, sie erstürmten unsere waffenlosen Mauern und unverteidigten Häuser, als lägen sie im Krieg mit uns. Sie nahmen Leute gefangen und folterten sie und erzwangen Lösegelder. Sie töteten Frauen und Männer aufs grausamste und steckten ihre leeren Häuser in Brand. (in: Tuchman, S.364)

 

Kurz nach dem Tod Ludwigs von Anjou erobert Coucy Arezzo. Als er nun die Nachricht vom Tode Anjous erfährt, verkauft er Arezzo für 40 000 Florinen an Florenz und kehrt zurück. Die Reste des angevinischen Heeres schlagen sich mühselig nach Frankreich durch.

Papst Urban VI. versucht nun vergeblich, Teile des Königreiches Neapel für den Kirchenstaat einzunehmen, lässt die Opposition von sechs Kardinalen einsperren und lässt etwas später fünf von ihnen umbringen.

 

 

Inselsizilien duldet unter der zentralisierten Herrschaft des Hauses Aragon im 14./15. Jahrhundert keine 1282 angeklungene kommunale Bewegung und solche städtische Dominanz wie im Norden Italiens. Die Produktivität im Getreideanbau ist deshalb auch etwa doppelt so hoch wie in der Toskana, und im Mazzaratal  angebautes Getreide ist dadurch ein in die Ferne gehandeltes wichtiges Exportprodukt.

Beide Sizilien bleiben agrarischer und zugleich mit ihrer Lebensmittelproduktion sehr exportorientiert. Was im Norden Kapitalkonzentration ist, wird im Süden Konzentration von Land in immer weniger Händen von Latifundienbesitzern. (Philip Jones)

Kleinbauern verkaufen und erwerben Waren auf einem offenerem Markt als im Norden und spezialisieren sich auf Produkte wie Wein und Öl, produzieren im Nebenerwerb Seide und arbeiten saisonal in der zunehmenden Zuckerproduktion. Der fürstliche Flächenstaat operiert eben hier ganz anders als mit konzentrierterem Kapital Handel und Finanzen betreibenden und die Tuchproduktion kontrollierenden Stadtstaaten.

 

Der kapitalistisch-bürgerliche Stadtstaat erweist sich nicht nur hier als wesentlich brutaler als fürstlich-landesherrliche Staatlichkeit.