Land 4: DAS LAND, DER LANDADEL UND DIE RITTER (13.-14.Jh.)

 

Adel

Deutsche Lande

Friesische Freiheiten

Frankreich

Italien

England

Der englische knight und die gentry

Ritter auf deutschen Burgen

 

 

 

Während die Städte einen steten täglichen Geldfluss von einer Hand in die andere generieren, findet der zwischen Stadt und Land dort, wo sich die Produzenten vor allem auf eine Ware für den Markt spezialisieren (Getreide, Wein, Oliven, Färberpflanzen, Schafswolle usw.) vor allem zur Erntezeit statt, und darum ganz besonders im Herbst. Dann gelangen teilweise beachtliche Geldmengen in die Taschen der Bauern, von denen bald aber nicht mehr viel übrig bleibt. Denn nun müssen Pachtzinsen (zum Beispiel in England nach St.Michaelis oder in Lothringen am Martinstag), königliche Abgaben und Kredite zum Beispiel an jüdische Kreditgeber zurückgezahlt werden. Tagelöhner für die Ernte werden entlohnt. Was bleibt, wird in Gerätschaften und/oder mehr Land investiert. Bleibt dann noch etwas übrig, wird es beispielsweise für die Mitgift der Töchter angespart. "Innerhalb weniger Wochen, nachdem sich die Geldbörsen der Bauern mit gutem Silber gefüllt hatten, waren sie, außer bei den reichsten unter ihnen, fast wieder leer und blieben es auch für den Rest des Jahres." (Spufford, S.73) Etwas mehr über das Jahr verteilt bleiben bäuerliche Einnahmen im Umfeld größerer Städte, wo durch das Jahr frische und kurzlebige Nahrungsmittel geliefert werden können.  

 

Adel

 

Der Adel und die sich dem Adel nähernden vornehmen Geschlechter in den Städten sind beide keine ganz einheitliche und überregional und überzeitlich klar definierte Gruppen. Klar ist aber, dass diese privilegierten Gruppen eine winzige Minderheit der Bevölkerung darstellen. Um 1300 sollen in Frankreich unter zwei Prozent der Bevölkerung adelig gewesen sein (Contamine).

 

Unter ihnen ist wiederum nur eine kleine Minderheit betitelter Hochadel. Darunter etabliert sich ein niedriger, kleiner Adel, der in Frankreich über achtzig Prozent der Gesamtheit Adeliger umfasst. Dazu gehören Unteradelige, die (in deutschen Landen vor allem aus der Ministerialität) in den Adelsstatus aufsteigen, ist aber auch viel Adel, der einen materiellen Abstieg hinter sich bringt. Das gilt für Englands gentry wie für deutsche Lande, Frankreich und die iberische Halbinsel, wo caballeros und hidalgos den niedrigen Adel ausmachen.

 

In Frankreich steigt häufiger juristisch geschultes Bürgertum in Spitzenämter auf, was sowohl Reichtum wie Einheirat in den Adel nach sich ziehen kann. Solche Leute werden dann durch königliche lettres de noblesse geadelt. Damit beginnt eine Entwicklung, die dem Adel seine hergebrachte militärische Basis zunehmend entzieht. Er verändert seinen Charakter ganz langsam und bewegt sich hin zu einem lizensierten Stand, der sich durch adelige Lebensführung vor allem auszeichnet.

 

Das einigende Band niedrigen Adels ist in deutschen Landen die Ritterlichkeit, die im späten Mittelalter erblich wird als Ritterbürtigkeit. "Der Sohn eines Ritters zählte nun durch Geburt und Erbe zur Ritterschaft, zum 'genus militaris', auch wenn er vor dem Ritterschlag, der persönlichen Erlangung der Ritterwürde, als "Edelknecht", als servus nobilis bezeichnet wurde. Auf diesem Weg ließen die neuen Adeligen im 14. Jahrhundert auch die deklassierenden, die Unfreiheit betonenden Bezeichnungen als ministerialis oder "Dienstmann" hinter sich." (Fuhrmann in: Dirlmeier, S.211)

 

Am unteren Ende verschwimmt gerade auf dem Lande die Grenze zwischen Adel und unteradeliger Bevölkerung, wobei bürgerliche Geschäftsleute an Wohlstand gelegentlich kleinen Adel weit zu übertreffen beginnen. Bald dann schauen Ritter wie Ulrich von Hutten neidvoll auf Bürger wie Pirckheimer.

Während in der Nordhälfte Italiens alter Stadtadel und neues Großkapital miteinander zu einer aristokratischen Oberschicht verschmelzen, entsteht sie in deutschen Landen als Patriziat aufgestiegener Ministerialer und neuen größeren Kapitals. Dabei vermischen sich bürgerlicher und adeliger Ehrbegriff, an die Stelle der bürgerlichen Familie tritt eine adelige Geschlechterfolge mit entsprechender Arroganz im Verhalten. Wie schon früher in Italien bekämpfen sich solche Geschlechter auch in deutschen Städten, "wie in Regensburg, wo sich 1334 im sogenannten Auer-Aufstand Geschlechter-Faktionen mit ihren "Muntmannen", mit ihren Klientelen, erbitterte Fehden um die Macht in der Stadt lieferten." (Fuhrmann in Dirlmeier, S.213) Und wie in Italien versuchen Patrizier wie der Bürgermeister Rudolf Brun in Zürich 1336-60 und wie Heinrich Toppler um 1400 in Rothenburg, sich in eine Art Alleinherrschaft aufzuschwingen.

 

Den Hochadel bilden die betitelten Großen, Könige, Barone, Magnaten, Fürsten und Grafen. Sie zeichnet Königsnähe aus und die Weiterentwicklung höfischer Lebensformen, die einmal in Aragon und auf Mallorca, andererseits am französischen Königshof verfeinert und dann am burgundischen Hof noch einmal im Luxus gesteigert werden. Der deutsche Hochadel hinkt dabei hinterher, wenn man vom Prager Hof Karls IV. einmal absieht.

 

Während des 14. und 15. Jahrhunderts kommt es zu einem Abstieg vieler Familien des niederen Landadels.  Dieser muss selbst wirtschaften wie ein reicher Bauer oder wie ein Bürger, verschuldet sich dabei aber oft bei christlichen und jüdischen Geldverleihern. Geschäftsverbindungen zu reichen Schöffenfamilien können dann zu Eheverbindungen mit diesen führen, um an Geld zu kommen.

 

Die Trierer Schöffenfamilie Praudom verheiratet ihre Tochter Agnes mit dem Ritter Hermann von Brandenburg aus luxemburgischen Adelsgeschlecht gegen mehr als 1000 Trierer Pfund. Ein anderes Beispiel ist die Adelsfamilie von Schönecken, "deren Schulden im Jahre 1316 bei dem Trierer Schultheißen und Schöffen Bonifaz auf 3000 Trierer Pfund aufgelaufen waren., wofür dem Gläubiger die Burg Ließem und Einkünfte in mehreren Dörfern verpfändet wurden. Sein Sohn Colin hatte schon einige Jahre zuvor Lisa von Schönecken geheiratet, die aus dieser Nebenlinie des Grafengeschlechtes von Vianden stammte und zu der die Trierer Darlehensgeber bereits seit den 90er Jahren des vorhergehenden Jahrhunderts Geschäftsbeziehungen pflegten. Er nannte sich fortan Ritter und Herr von Schönecken und zog sich vollständig aus dem städtischen Leben zurück." (alles bei Burgart, in: Anton/Haverkamp, S.373)

 

Der Hochadel ist eine durch und durch parasitäre Gruppe, die ihre

"gottgesandte" Machtposition weiter dazu nutzt, die unterworfene Bevölkerung nach Möglichkeit durch Abgaben auszuplündern und mit Kriegen zu verheeren. Im Ausbau ihres Schmarotzertums entwickeln sie dann, manchmal nach dem Vorbild der städtischen Obrigkeit, immer ausführlichere Formen von Staatlichkeit, ebenfalls gottgewollt, von der Kirche gefeiert und zunehmend mit Gemeinwohl-Formeln garniert.

Dabei heißt Schutz, dass die hohen Herren in ihrer massiven Gier nach Macht und Reichtum gegenseitig gewalttätig übereinander herfallen und damit wiederum ihre Schutzfunktion rechtfertigen. In ihrer Raubtier-ähnlichen Konkurrenz wird auch durch die Darstellung von Pracht und Luxus konkurriert, und auch dafür werden die Untertanen nach Möglichkeit und oft ganz legal ausgeplündert.

 

Die Verachtung für die unteradelige Bevölkerung auf dem Lande und die produzierenden kleinen Leute in den Städten wird im späten Mittelalter deutlicher und expliziter. Aber von kurzen Eruptionen abgesehen neigt die große Bevölkerungsmehrheit dazu, sich mit der Macht und dem zur Schau gestellten Reichtum der Mächtigen zu identifizieren.

 

 

Das Land in deutschen Landen

 

Gegen Ende des 13. und Anfang des 14. Jahrhunderts gelangt der Prozess des Ausbaus der Nutzung von Land zur Stärkung von Herrschaft weithin an sein Ende.

1296 bestimmt Herzog Otto II. von Braunschweig-Lüneburg noch für eine Neu-Siedlung bei Harburg, dass die Bauern sich dort ihren eigenen Richter wählen dürfen. Und:

Die das Land besitzen, werden es nach allen Rechte frei besitzen, ausgenommen sind Zehnt und Gericht, die uns gehören. Wer aus eines anderen Fürsten Herrschaft in das Land als Ansiedler (inhabitator) kommt und ein Jahr hindurch ansässig bleibt, der wird als frei betrachtet, wenn er auch Leibeigener gewesen ist. (in: Franz, S.400)

 

Ein auch schon späteres Beispiel ist die Nutzung einer Waldinsel im pfälzischen Raum. Bereits in römischer Zeit war das Gebiet um Wiesental im Lusshardt-Wald besiedelt. Dort lag das Kastell Wagbach aus dem späten 1. Jahrhundert und ein dazugehöriger Vicus. 1297 lässt der Speyrer Bischof Friedrich von Bolanden entlang des Wagbachs ein Straßendorf längs des Wagbachs anlegen, nach Plan und festen Hufengrößen, und lockt Neusiedler mit damals optimalen Besitzrechten.

 

Weiter geht Besiedlung im Baltikum, in Livland zum Beispiel dort, wo der Deutsche Orden kämpft: 1261 wird von ihm den Lübeckern so Land angeboten:

Wir wollen ihnen ein Lehen geben an den verlassenen Orten, in denen die abgefallenen Kurländer getötet wurden und die andere als Flüchtlinge verlassen haben. (in: Franz, S.350)

Weiter geht sie auch in Gebieten unter ungarischer, polnischer und böhmischer Herrschaft, wo Fürsten an deutschen Siedlern aus wirtschaftlichen Gründen interessiert sind, und weil wir wissen, dass in der Menge des Volkes der Ruhm der Fürsten besteht, weshalb sie Besiedlung fördern. (so König Ottokar II. von Böhmen in: Franz, S.352) Von Siebenbürgen über die Randgebiete Böhmens bis nach Schlesien entstehen so deutsche Siedlungsgebiete, die erst seit 1945 durch Unterdrückung, Vertreibung und Morden zugrunde gehen.

 

Im Deutschordensland vergibt der Orden "schätzungsweise anderthalb Millionen Hektar Rodeland, das sind ungefähr sechzigtausend Bauernstellen, zusammengefasst in etwa eintausendvierhundert Zinsdörfern und in einem großräumig geplanten Organisationsnetz  dreiundneunzig Städten und Städtchen zugeordnet, um dem Warentausch und der Verkehrserschließung des Landes zu dienen. Der Orden betrieb auch eigene Gutswirtschaft auf sogenannten Großschäffereien", und er erhebt den Getreidehandel zu einer Art Staatsmonopol. (Seibt, S.321)

 

Die Veränderungen in der Landwirtschaft finden längst je nach unterschiedlichem Klima und Boden und auch unterschiedlicher Machtstrukturen in verschiedenen Großgegenden Europas sehr unterschiedlich statt. Ende des 12. Jahrhundert beginnt sich die Dreifelder-Wirtschaft in Nordfrankreich durchzusetzen, in deutschen Landen wird sie erst im 13. und 14. Jahrhundert in immer mehr Gegenden zur Regel. Die Zugochsen erhalten statt des Holzjochs auf dem Nacken ein gepolstetes Holzbrett zwischen die Hörner, und beim Zugpferd wird häufiger mit dem Kummet die Zugkraft verdoppelt.

 

Die eigentliche Produktivität beim Getreideanbau steigt sehr langsam, in zweihundert Jahren vielleicht nur um 10%.  Zur Bodenverbesserung beginnt man in ersten Gegenden die Brache mit Hülsenfrüchten einzusäen, oder aber auch mit anderem Gemüse. Kleinere Betriebe betreiben weiterhin weit überwiegend Selbstversorgung. Weitaus intensiver und gewinnträchtiger wird der Obst- und Gartenbau rund um die Städte betrieben und mit Dünger aus der steigenden Viehzucht versorgt. "Als 'Erfahrungssatz' gilt, dass auf einem Landstück, das 100 Bauern ernährte, 1000 Gärtner ihren Unterhalt finden konnten." (Fuhrmann in Dirlmeier, S.172)

Im 13./14. Jahrhundert sind die Getreidepreise langfristigen Schwankungen unterworfen. Zwischen 1261 und 1350 fallen sie minimal, nach der großen Pest steigen sie deutlich an, um nach 1370 eher wieder zu fallen.

 

Mit der Ausweitung des Ackerbaus verringert sich die Allmende, das Land gemeinsamer Nutzung. In Konflikten über Wald und Weideland beginnt sie zu schrumpfen, durch Aufteilung einmal oder durch herrschaftliche Aneignung.

 

Neben den Getreide-Monokulturen prägen vor allem solche des Weinbaus ganze Regionen mit ihren ökonomische Vorteilen und ökologischen Nachteilen. In ihnen wird die Kommerzialisierung der Landbewirtschaftung am stärksten vorangetrieben: Es wird massenhaft produziert, und zwar auch für ferne Märkte. Die großen Besitzer von Wingerten geben dabei die Verantwortung für die Produktion weitgehend an die Produzenten ab. Diese geben (oft) etwa ein Drittel des Ertrages als Pacht zurück, und beide Seiten sind dabei voll in einen allgemeinen Markt integriert, auf den die Pächter nun auch für einen Teil ihrer Nahrungsmittel angewiesen sind.

Der Weinbau fördert mit seiner kommerziellen Seite das Entstehen von auf besondere Weise agrarisch fundierten Kleinstädten und prägt zudem selbst größere wie Trier oder Straßburg mit. Er ist saisonal extrem arbeitsintensiv und bedarf so einer proletarisierten Landarbeiterschaft, die teilweise in solche kleinen Weinstädte integriert wird.

 

Rinderzucht konzentriert sich auf Weideland mit geringen Möglichkeiten zum Ackerbau, dagegen ist Schweinezucht überall verbreitet, und meist sind Schweine auch der Hauptlieferant von Fleisch. Sehr verbreitet ist aber die Schafzucht, die neben Fleisch Wolle, Leder und Pergament liefert und schon früh Motor des Aufblühens eines Kapitalismus wurde. Sie wird oft in der Form der Transhumanz (Wander-Weidewirtschaft) betrieben.

In der späteren Schweiz, in Tirol und überhaupt dem Alpenland geht die Großviehhaltung von der Subsistenzwirtschaft zur Exportorientierung über, was den Aufstieg einer wohlhabenderen Bauernschicht fördert. Ansonsten ist aber inzwischen der Vorgang des Rückgangs der Viehwirtschaft zugunsten des Getreideanbaus fast abgeschlossen, an dem auch der Rückgang der Weiden und Wälder zur Ernährung der Tiere beteiligt ist.

 

In einigen Gegenden entstehen größere Monokulturen der Rohstoffproduktion für gewerbliche Produktionen wie Waid (Thüringen, Maastal und Hennegau) und Krapp (um Speyer, in Schlesien und Holland).

Das alles darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Masse bäuerlicher Haushalte zuallererst darauf konzentriert bleibt, den eigenen Grundbedarf an Nahrung und anderen Verbrauchsgütern selbständig herzustellen und so im Notfall weitgehend unabhängig von der übrigen Welt zu bleiben. Basis ist also eine "Einheit von Produktion und Konsum in Haushalt und Familie" (Rösener, S.134) und die unbezahlte Arbeit der Familienmitglieder.

 

 

Einzelne Herren bewirtschaften weiter ihre Herrenhöfe selbst, aber viele Fron- oder Meierhöfe werden weiterhin an solche Bauern ausgegeben, die Hofgerichtsrechte und andere herrschaftliche Rechte für ihre Herren übernehmen. Andere werden zerstückelt und an Pächter vergeben. Die neue bäuerliche Landwirtschaft ist inzwischen stark nach Hofgröße differenziert. Es gibt Zeitpachtverträge für sechs bis zwölf Jahre, Teilbau in den Weinbaugebieten mit gemeinsamem Risiko von Herr und Bauer und Erbleihe oder Halbpacht. Letztere sieht auf einem Hof des Kölner Klosters St.Gereon 1277 so aus:

Der Kolone erhält Saatgut für Getreide und Geld für das Ernten. Die Herren und der Kolone werden genau die gleiche Zahl Rinder, Schweine, Schafe und anderes Vieh im Hofe haben und der Kolone wird kein Vieh alleine haben. Und wenn es zur Winterzeit not tut, soll für dieses und anderes Vieh das Futter zu gleichen Kosten für die Herren wie den Kolonen gekauft werden. Hüten muss der Bauer das Vieh alleine. (in: Franz, S.366)

 

Manchmal wie 1268 durch das Domkapitel zu Meißen im Dorf Mischwitz wird alles an die Bauern zu erbrechtlichem dauernden Besitz verkauft, in diesem Fall für 40 Mark feinen Silbers. Sie sind nun von Untertänigkeit (servitus) befreit, wie es dort heißt, zahlen nun nur noch einen jährlichen Zins, verpflegen den Herrn des Dorfes (dominus villae), wenn er dreimal im Jahr nach dem Rechten sieht, und leisten nur noch geringere Naturalabgaben und Arbeitsdienste zur Erntezeit. (in: Franz, 358f)

 

Die Entstehung von Dörfern schreitet voran, im Rahmen übergeordneter feudaler Rechtsvorstellungen bilden sich Dorfgenossenschaften weiter aus, die tendenziell weniger von Herrschaft kontrolliert werden, auch wenn sie noch von Resten der herkömmlichen Villikation durchsetzt sein können. "Das Dorf war am Ende des 14. Jhs. Zwischenresultat eines Prozesses, der von den vertikal-herrschaftlichen Abhängigkeiten der Höfe innerhalb der Villifikation zu einem horizontal-genossenschaftlichen Siedlungsverband führte." (Dirlmeier, S.61f)

Mit dem Zusammensiedeln im Dorf beginnt man etwa zeitgleich wie in der Stadt auch jenseits des Adels und allgemein einer Oberschicht stabiler zu bauen: "Aus 'mobilen' Gruben- und Pfostenhäusern des Früh- und Hochmittelalters wurden 'immobile' Ständerhäuser auf Steinfundamenten." (Dirlmeier, S.62)

 

Mit der Auflösung der Villikation in das Dorf wird der einzelne Hof stärker zur selbständigen Einheit, ein wenig parallel zur Situation im Handwerk, weniger nach oben und mehr horizontal auf die Dorfgemeinschaft orientiert. Das Herrenrecht verlagert sich tendenziell von der wirtschaftlichen zur gerichtsherrlichen Seite. Die Dorfgemeinschaft ist gemeinsam einer Dorfvogtei unterstellt, die mit Vertretern des Dorfes zusammenarbeitet. Niederer Adel im Dorf ist davon befreit und wohlhabendere Bauern versuchen sich durch Eintritt in den nächstgelegenen städtischen Rechtsverband als Pfahlbürger daraus zu befreien. In Weistümern werden Rechte nun häufiger detailliert festgehalten.

Dörfer werden dabei nicht nur Gerichts- sondern auch Steuerbezirke, ähnlich wie Städte.

 

Die Kommerzialisierung, also Marktbezogenheit der Landwirtschaft schreitet weiter voran. Um 1300 bezahlt die Mehrheit der Bauern ihre Abgaben an den Grundherrn zumindest zum Teil in Geld. Erzbischof Eudes Rigaud von Rouen schreibt über die Einnahmen und Ausgaben des Nonnenklosters Saint-Saens in der Normandie 1257:

Zum Nonnenkloster gehören insgesamt 87 Hektar Ackerland plus 3 Hektar Wiese. Von dem Ackerland werden etwa 46 Hektar mit Getreide, Weizen, Gerste und Hülsenfrüchten eingesät. Sie haben ein Geldeinkommen von 140 Pfund. Ihr (Natural)Einkommen beträgt 16 Tonnen Weizen, 132 Tonnen Hafer, 220 Kapaune und 111 Schafe. Kapaune und Schafe können als Geldzahlung von 27 Schilling abgelöst werden. Sie haben eine Mühle in Equiqueville und ein Waldstück, von dem sie die Größe nicht kennen. Sie besitzen Einnahmen aus der Schweinemast und der Geteidemühle sowie Strohlieferungen, aber sie kennen deren Wert nicht. Sie besitzen 57 Schafe, 12 Pflugpferde und ein Pfluggespann mit 4 Ochsen. Sie haben 18 Tiere, sowohl Kühe als auch Ochsen, Ihre Außenstände betragen 26 Pfund und ihre Schulden betragen 234 Pfund. (in: Ertl, S.69f)

 

Seitdem die Grafen von Flandern die Neuland-Gewinnung fördern und für die Besiedlung weitgehende Freiheiten gewähren, weitet sich dieser privilegierte Status tendenziell auch auf andere Bauern aus. Im Ziel wird das dann so aussehen: „1335 können die Schöffen von Ypern schreiben, dass sie nirgendwo mehr weder von Leibeigenen noch von Todfall, noch von irgendwelchen anderen Freiheitsbeschränkungen gehört haben.“ (Pirenne, S.86)

 

In Tirol werden im späten Mittelalter über die direkte Beziehung zum Landesherrn die grundherrlichen Beziehungen besonders stark gelockert.

 

Die Zunahme der Bedeutung von Markt und Geld fördert weitere Differenzierung in reichere und ärmere Bauern analog zur Entwicklung in der Stadt, es entsteht eine bäuerliche Oberschicht, die nun Schöffen sind und Ämter innehaben wie auch in anderen Ländern Europas.

Große Bauernhöfe werden größer, weil sie eher auf dem Markt Überschüsse verkaufen und dann in ihre Wirtschaft investieren können. Zudem können sie an schwächere Höfe Kredite verleihen und so Gewinne machen. Bäuerliches Selbstbewusstsein macht sich unter ihnen breit. Im 'Meier Helmbrecht' heißt es so vom Vater: Noch gerner bin ich ein Gebûr / danne ein armer Hoveman.

Aber offenbar gebären sich einzelne wohlhabende Bauern wie Rittersleute. Der österreichische Ritter Seifried Helbling schreibt:

den Ritter hab ich gesehen, / des Vater ein Gebûre was (...) Dâ von wirt er rîche: / er trahtet wîslîche, / daz er ze Hove wert sî (...) sîn Tohter vor Frouwen naet (stickt) / schôn ab einem Bildaer (von einer Vorlage) (...) manegem Ritter wonent mit, / vil Kint unde Noetikeit, / der sîn Tohter nîht verseit (versagt) / dem selben Gebûren. (in: Franz, S.374f)

 

Schon zwei Jahre vor dem englischen Bauernaufstand von 1281 wendet sich König Rudolf I. gegen Hintersassen eines Salzburger Stiftes:

Sie entziehen sich den gewohnten Dienstlasten (consuetae servitutis oneribus) und versuchen durch falsche Vorspiegelungen zu betrügen, nachdem sie dazu den mächtigen Schutz einiger angerufen haben. (in: Franz, S.368) Auch solche Fälle dürfte es öfter gegeben haben.

 

 

Für die meisten Bauern gilt aber wohl eher, was ein Franziskanerprediger gegen 1300 sagt:

Die Bauern (agricolae) sind gottgefällig wegen ihrer Arbeit, aber auch wegen der Bedrückung, mit der sie von den Herren unrechterweise bedrängt werden. Sie werden zwar auf deren Hälse im (jüngsten) Gericht ihre Füße setzen, jetzt aber werden sie von ihnen ausgebeutet und bedrückt (roduntur et opprimuntur) durch unrechtmäßige Dienstleistungen (..., in: Franz, S.412). Das bringt ihn aber nicht dazu, sie deswegen zu idealisieren.

 

In seinem relativ viel gelesenen 'Renner' erklärt um 1300 Hugo von Trimberg, als ihn in einem Dorf die Bauern fragen, warum die einen sich plagen müssen und die anderen ein müheloses Leben führen, sie seien die Nachkommen Chams, den sein Vater Noah verfluchte und zum Knecht bestimmte. Der nämlich hatte seinen Vater entblößt und betrunken vorgefunden und sich als unfähig erwiesen, ihn angemessen zu bedecken, wofür erst seine Brüder kommen mussten. Hier wie an so vielen anderen Stellen wird deutlich, wie sehr sich im lateinischen Mittelalter die Christen mit den antiken Juden vor Jesus identifizieren.

 

Immer häufiger wird vor allem in Städten auf den Wert und die Bedeutung bäuerlicher Arbeit für alle anderen Menschen verwiesen, die davon für ihre Ernährung abhängig sind. Aber daneben gibt es auch negative Äußerungen wie die des Straßburger Kaufmanns Rudolf Merswin von etwa 1370:

Du solt wissen, die Geburen lebbent in diesen Citen onne alle Gottesforhte rehthe also Fihhe (wie das Vieh), und si sint ouch also gar schalcehte (böse) worden und also ehthe hoffertig und also ehthe bese in irme Gemuote (in: Franz, S.479)

 

König Rudolf I. bestimmt für Ehen,

die Bauern oder Bäuerinnen, die Freie (liberi) genannt werden, mit Schutzholden (homines advocaticiis) oder einem anderen höheren oder niederen Standes (condicio) geschlossen haben (...) dass das Kind immer dem schlechteren Stand folgen solle. (in: Franz, S.370)

Solche Regelungen werden dann vielerorts auch regional im 14. Jahrhundert verkündet.

 

In der Regel ducken sich die deutschen Bauern im 13./14. Jahrhundert vor ihren Herren. Manchmal sind Beschwerdelisten von Bauern überliefert, in denen wie 1312 vor dem Gericht zu Matrei Übergriffe der Herren beklagt werden. Da heißt es zum Beispiel:

Iz chlagente die Leute, die Herrn Thomas dem Vriuntsperger stent, daz er von in mer nimt danne den rechten Zins und daz si von im grozlich wertent betwungen umme Stiure (in: Franz, S.425)

Ebenfalls in Tirol beklagen sich um 1325 Bauern gegen ihren Herren:

So hat derselbe Randolt mit Gewalte und mit gewafender Hant wol mit 25 Mannen in das Gerichte zu Guvedoun (Gufidaun) mit Gewalt geriten und hat da an Gerichte gephant uf zwain Guoten und hat genomen da Rinder und wolde die niht uf Reht uzgebn. Do het ez der Richter gerne widertan, der het des von nieman Hilfe und mochte sein selber auch niht widertuen mit den Seinen ane Hilfe. (in: Franz, S.426)

1355 verbietet Kaiser Karl IV. ausdrücklich für die Lausitz,

daz etlich edle Lüte (...) arme Lut, die under in gesezzen und in zu Cins und andern redlichen Sachen pflichtig sint, mit ubrigen Stüren besweren und ungewonlich Cins vordern und nemen und sie auch zuweilen wider Recht und an Genad beschaczen, davon dieselben armen Lüte und danach unser Land verderben. (in: Franz, S.471)

 

Andererseits können in manchen Gegenden kleine Höfe, die nicht mehr die Subsistenz gewähren, dank der Expansion der Textilproduktion in den Städten durch Rohstoffe für diese ein Zubrot gewinnen. Auf solche Weisen verzahnt sich Landbewirtschaftung immer mehr mit städtischem Kapitalismus.

 

Im hochkommerzialisierten Hennegau und in Flandern beispielsweise ist Ende des 13. Jahrhunderts bereits die Mehrheit der Höfe nicht mehr größer als 3ha und auf Zuverdienst im ländlichen Leinen- und Wollgewerbe angewiesen. In Teilen Frankreich und Englands bilden inzwischen solche Kleinbauern die Mehrheit der ländlichen Familien. Sie wandern in die Städte ab, arbeiten im Textilbereich oder sind Lohnarbeiter bzw. Gesinde auf den großen Höfen.

Für die Mark Brandenburg 1375 hingegen gilt als Erbe der Ostkolonisation, das Großbauern mit Höfen zwischen 20 und 40 ha rund 24% ausmachen mittlere Höfe mit 2 bis 20 ha etwa 70% und Kleinbauern darunter 6%. (Rösener, S. 210f)

 

Im Mittelpunkt des Dorfes steht die Kirche, das Dorf bildet eine Pfarrei mit der wichtigen Rolle des Pfarrers und der Kirchweih als zentralem Fest. Zusammengehalten wird es zudem durch die Verwaltung der Feldflur und der Allmende an Wald und Wiese, Wegen und Brunnen und durch das Dorfgericht, dessen Schöffen sich durch Kooptation ergänzen.

Einen Sonderfall stellt die zunehmende Selbstverwaltung der schweizerischen Talschaften dar.

 

Mit der Horizontalisierung wichtiger Beziehungsgeflechte führt die Verselbständigung der Bauernhöfe ähnlich wie beim mittleren und unteren Bürgertum der Städte zu mehr sogenannter sozialer Kontrolle, wirtschaftliche Freiheiten führen nicht unbedingt zu solchen stärkerer Privatheit, sowie auch die zunehmende Verselbständigung gegenüber Grundherren nun ersetzt wird durch neue obrigkeitliche Kontrolle.

 

Bauern haben bei aller Verselbständigung weiter ihre (Bann)Herren, die von ihnen leben. Sie wandern weiter teilweise in die Städte ab. Die Stadt Mainz gibt dazu 1255 folgende Rechtsauskunft:
Wer von den Bauern während des halben Jahres seinen Wohnsitz in eine Stadt verlegen will, kann von ihr zu vollem Bürgerrecht (iure civitatis) aufgenommen werden (...)Wenn aber ein Eigenmann in besagte Städte zum Wohnen zieht, so muss sein Herr, wenn er ihn zurückfordert, nach dem Recht und der von der Stadt bislang beobachteten Gewohnheit in jeder Beziehung Genugtuung erhalten. Pfahlbürger (palburgere) soll es aber in Zukunft nicht mehr geben. (in: Franz, S.334)

 

Die Festlegungen für und wider der Bewaffnung der Bauern bleiben vielfältig. 1338 stellt die Essener Äbtissin fest, dass

Leibeigene (iure servitutis), Wachszinsige oder nach sonst einem Recht Zugehörige vielfach unter den Einfällen (incursibus) böser Menschen zu leiden haben und tagtäglich an Personen und Besitz grausam und unmenschlich heimgesucht werden. Darum heißt es: Wenn ein Mann im Essener Gebiet (territorium) oder Bann (districtus) wohnt und ein Pferd im Wert von 4 Mark soester Pfennig oder darüber, einen Panzer und andere für seinen Leib passende Waffen besitzt oder besitzen kann, dessen Pferd und Waffen sollen nach seinem Tod seinen Kindern und Erben  gleichwohl auf den Höfen und Hufen, Häusern und Hütten (casae), in denen der Verstorbene seine Wohnung gehabt hat, zur Verteidigung des Essener Gebietes oder Bannbezirks verbleiben. (in: Franz, S.452)

 

 

Friesische Freiheiten

 

In Teilen Frieslands, des friesischen Siedlungsgebietes, erhalten sich durch das Mittelalter eine Art Bauernrepubliken ohne Adel und Fürsten. Von Großbauern gewählte Redjeven einer bäuerlichen Oberschicht vertreten die selbständigen Landgemeinden.

Über die Entstehung und Frühzeit dieser friesischen Freiheit ist wenig bekannt. Die genossenschaftliche Verfasstheit der Gemeinden mag zunächst etwas mit der Wikingerabwehr zu tun gehabt haben und dann auch mit Notwendigkeiten des Deichbaus. Um 1240 schreibt der englische Franziskaner Bartholomaeus Anglicus: Der Stamm ist nach außen frei, keinem anderen Herrn unterworfen. Für die Freiheit gehen sie in den Tod und wählen lieber den Tod, als dass sie sich mit dem Joch der Knechtschaft belasten ließen. Daher haben sie die militärischen Würden abgeschafft und dulden nicht, dass einige unter ihnen sich mit einem militärischen Rang hervorheben. Sie unterstehen jedoch Richtern, die sie jährlich aus der Mitte wählen, die das Staatswesen unter ihnen ordnen und regeln (… in: Franz, S.326)

 

Ein Sonderfall sind die Dithmarscher Bauern, die unter den Bremisch-Hamburgischen Erzbischöfen mehr "Spielräume" (Rösener) bekommen und "als >Geschlechter< im Hochmittelalter als Siedlergemeinschaften in die Marschgebiete der nahen Nordseeküste vorrückten und durch genossenschaftlichen Deichbau neues Land erschlossen und sicherten. Diese Geschlechter waren bäuerliche Schwurgemeinschaften" (... Rösener, S.239)

 

Um 1300 gibt es 27 Landgemeinden, die sich zu sieben Seelanden zusammengeschlossen haben und die sich jedes Jahr an Pfingsten bei einem Upstalsboom in der Nähe von Aurich treffen. Zwei von Grundbesitzern gewählte Vertreter jeder Landgemeinde treten dort als Richter auf. Im 14. Jahrhundert werden diese Strukturen von mächtigen Familien durch ein Häuptlingstum der hovedlinge überwuchert, welches eher frühe germanische als feudale Machtverhältnisse darstellt.

 

Die friesische und Dithmarscher Freiheit und freiheitliche Tendenzen im Alpenraum führen in einigen Gegenden dazu, dass dort das Recht der (freien) Bauern zum Waffentragen nicht eingeschränkt wird und das alte Fehderecht samt der Blutracher durch das (kurze) Mittelalter erhalten bleibt. In Dithmarschen gelingt es den Bauerngemeinden mit einem Heer, den Angriffen der Grafen von Holstein standzuhalten.

 

Selbst das Häuptlingstum des 15. Jahrhunderts mit seiner Grafschaft Ostfriedland und der Herrschaft Jever haben keinen fürstlichen Rang (Schubert, S.14), und die Versuche der Fürsten von außerhalb, sich die Gebiete anzueignen, scheitern bis zum Sieg der Dithmarscher 1500 in der Schlacht von Hemmingstedt. Danach werden die Friesen in einzelnen Etappen von benachbarten Fürsten erobert und verlieren so nach und nach die meisten ihrer Freiheiten.

 

 

Frankreich

 

Die Bevölkerung wächst, aber die landwirtschaftliche Nutzfläche kann nicht mehr zunehmen. Hungersnöte treten vermehrt auf, die Arbeitslöhne steigen und die Grundrenten fallen (Ehlers). Adelige Familien sinken in die bäuerliche Schicht ab und können ihre ritterliche Ausrüstung nicht mehr selbst bezahlen: mehrere gefechtstüchtige Pferde, Lanze, Schwert, Helm und immer aufwendigere Rüstung.

 

Wie in allen Ländern eines aufblühenden Kapitalismus nimmt auch in Frankreich die Eigenbewirtschaftung des Domaniallandes, der Réserve, in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts ab, wobei die Zisterzienser wie überall voran schreiten. Die zisterziensische 'Grange de Vaulerent' mit 225 ha im Nordosten von Paris wird 1315 verpachtet und bis 1401 in sieben Zinsgüter zerstückelt, "die ruinierte Hofstelle der Grangie taugte nur noch als Sammelstelle der Revenüen." (Fuhrmann in Dirlmeier, S. 171)

 

Jakob von Vitry ist für die erste Hälfte des 13. Jahrhunderts ein Zeuge schlechter Behandlung von Bauern durch den Adel: Ihr wisst, dass viele Leibeigene ihre Herren getötet und ihre Häuser verbrannt haben. (in: Tuchman, S.49) 1251 sammelt sich im Zusammenhang mit dem Kreuzzug ein Pastorellenzug, aus Hirten, Bauern und jungen Leuten: Sie sammeln Anhänger und Waffen auf dem Weg, stürmen Burgen und Abteien, verbrennen Rathäuser, öffnen Gefängnisse und verfolgen zwischen Bordeaux und Albi die Juden. Sie wenden sich gegen Kirchen und Priester und sogar gegen Avignon. (Tuchman, S.49)

 

 

 

 

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Italien

 

In Italien bleibt es meist bei der Zweifelder-Wirtschaft, wobei man aber seit dem 12. Jahrhundert beginnt, auf der Brache Leguminosen zur Stickstoffanreicherung auszusähen. Im Nordwesten Italiens kommt dann Dreifelder-Wirtschaft auf, wobei auch hier die Brache eine Leguminosen-Aussaat erhält. Die Produktion beim Weizen steigt in Italien und Spanien vielleicht etwas schneller als in deutschen Landen. Die Allmende verschwindet schon um 1200 ganz.

 

In Teilen Italiens verwandelt sich das Land noch radikaler durch Wein- oder auch Oliven-Monokulturen. In der Mezzadria übernimmt ein Pächter mit seiner Familie einen Hof samt Land, Geräten, Saatgut und bald auch Dünger, die der Adelige stellt, gibt eine jährliche Pacht von oft der Hälfte des Ertrages ab und muss im Fall der Beendigung des Vertrages das Gut in möglichst noch verbessertem Zustand zurückgeben. In riesigen monokulturell bewirtschafteten Regionen leben so Pächter auf vereinzelten Höfen, wie noch heute in Apulien zum Beispiel, wo die Städte sich an der Küste befinden.

Auch in der Toskana konzentriert sich der Landbesitz in immer weniger Händen, insbesondere in denen Florentiner Familien, die es in Teilpacht vergeben und bearbeiten lassen.

Im weiten Umland Roms beginnt das, was italienische Historiker incasalamento nennen. Gutshöfe kontrollieren immer größere Ländereien mit Getreide, die sie an Bauern verpachten, die vor allem Abgaben in Produkten abliefern. Solche Höfe können mit einem Turm versehen sein, mit Scheunen, manchmal mit Wassermühlen und gelegentlich auch mit Walkmühlen. Da herum bilden sich Siedlungen, die oft mit der großen Pest erst einmal untergehen werden. Danach nimmt dann eine Produzentenschaft in Lohnarbeit zu. (Wickham(2), S.87)

 

 

England

 

In England nimmt im 13. Jahrhundert die Tendenz zu direkter Bewirtschaft adeliger Güter zu. Diese stabilisiert den Anteil "unfreier" Bauern (villeins), der je nach Gegend mehr oder weniger als die Hälfte der Leute umfassen kann. Dies meint einen Rechtsbegriff, der sich auf die Klagefähigkeit gegenüber den Herren bezieht. Jenseits davon nimmt mit der voranschreitenden Monetarisierung und Kommerzialisierung der Landwirtschaft der Anteil der Zwangsarbeit ab, die Carpenter auf vielleicht ein Drittel der unfreien Bauernschaft begrenzt. Tatsächlich wird Arbeitsdienst immer mehr durch Geldzahlungen abgelöst, so wie die freien Bauern ihr Land gegen eine Pachtzahlung nun fast wie im erblichen Eigentum halten. 

 

Das adelige manor gilt weiter als vom König verliehen und ist das wesentliche Strukturelement auf dem Lande. Es besteht aus der direkt bewirtschafteten Domäne, den Land pachtenden tenants und den abhängig/unfreien Bauern. Neben der Banngewalt (Mühle, Backhaus, Jagd usw.) steht die patrimoniale  Gerichtsgewalt im manor court, die allerdings selten ein ganzes Dorf abdeckt.

Die dörflichen Rechtsbeziehungen werden immer stärker verschriftlicht und in sogenannten byelaws festgehalten. Dörfler werden selbstbewusster, prozessieren auch schon mal gegen Übergriffe der Herren.

 

Die Realität besagt, dass etwa die Hälfte der ländlichen Bevölkerung, persönlich frei (freeholders), also frei von Zwangsarbeit, ein solides Auskommen von "seinem" Land hat, etwa die Hälfte wiederum davon produziert regelmäßig in größeren Mengen für den Markt und kann Landarbeit einstellen.

Für einen Bauern aus Gloucester 1299 hat Christopher Dyer ein Jahres- Budget errechnet, welches auf der Ernte von 8.2 Tonnen auf acht Hektar Getreide beruht, etwa einem Achtel dessen, was heute in Mitteleuropa erreicht wird. Von vielleicht 79 erzielten Schillingen gehen 28 als Grundrente an den Herrn, dazu kommen Ausgaben für Werkzeuge, einzelne Lebensmittel wie Salz und Lohn für Hilfsarbeiter. Ein Pfund (also 20 Schillinge) bleibt in etwa für Kleidung und anderes. (in: Ertl, S.171) Ungelernte Arbeiter verdienen in dieser Zeit in England ungefähr 40 Schillinge im Jahr.

 

Neben diesen eigentlichen Bauern, den husbandmen, existieren als die andere Hälfte smallholders als labourers, die auf Zusatzverdienste angewiesen sind, als Teilzeitschmied oder Wagner etwa, im Textilbereich oder für Hilfsarbeiten in Mühlen. Entsprechend zahlen sie auch keine Steuern an den König. Theoretisch sind aber alle "freien" Bauern dem König zu Kriegsdienst verpflichtet, weswegen sie wenigstens Pfeil und Bogen besitzen sollen.

Aus dieser Gruppe der smallholders vor allem rekrutieren sich die Leute, die weiterhin in Hungersnöten auf Almosen angewiesen sind oder umkommen.

 

Dörfer haben anders als in deutschen Landen keine eigenen Gerichte. Als "freie" Untertanen des Königs können aber alle freeholders vor königliches Gericht unter den sheriffs gehen und auch gegen ihre Herren klagen, zum Beispiel, wenn sie zu villeins abgestuft werden sollen oder es Übergriffe auf die Allmende (commons) gibt. Solche courts sind die der alten Hundertschaften: "Alle männlichen Personen über 12 Jahre, die 'Jahr und Tag' (...) in einem Dorf wohnten, mussten einem solchen Personenverband aus zehn Haushalten bzw. 8 bis 15 Männern angehören und wurden auf jährlich bzw. halbjährlich stattfindenden leet courts mit ihren view of frankpledge eingeschworen." (Dirlmeier, S.67)

Diese ursprünglich angelsächsische Einrichtung zur Verbrechensbekämpfung nutzten die anglonormannischen Herrscher zur Kontrolle des Landes, sie diente der Landbevölkerung aber auch selbst als Organisationseinheit.

 

Mit den sozialen Verwerfungen im 14. Jahrhundert geht dann auch in England größere soziale Differenzierung auf dem Lande einher. In vielen Gegenden gelingt es einer bäuerlichen Oberschicht, immer mehr Land zu erwerben; die Schicht der Yeomen entwickelt sich, die aus der Dorfgemeinschaft ausbricht und nach 1380 mit dem Instrument der Einhegungen (enclosures) eine neue dörfliche Oberschicht bildet. Damit bricht neuzeitliche Kapitalisierung mit aller Macht in die mittelalterliche Landwirtschaft ein.

 

Der englische knight und die gentry

 

Der englische Ritter, knight, ist in mancherlei Hinsicht ein Sonderfall in der europäischen Geschichte, und zwar einer, der mit der frühen Kommerzialisierung feudaler Strukturen in England zusammenhängt. Wesentlicher Aspekt dabei ist, dass Besitz immer weniger wichtig wird und Einkommen entsprechend an Bedeutung gewinnt.

In England bedeutet das, dass Ritter zunehmend nicht mehr nur oder manchmal auch gar nicht mehr wesentlich Militärs sind, sondern in Ämter aufsteigen wie das des Sheriffs, an Gerichten beteiligt ist und im 13. Jahrhundert dann als Vertreter ihres shires im Parlament auftauchen. Entsprechend wird in den 1220er Jahren ein Mindesteinkommen für die Zugehörigkeit zur Ritterschaft festgesetzt, dass damals bei jährlich 15-20 Pfund liegt und oft eher etwas mehr beträgt. Ende des 13. Jahrhunderts steigt die Erwartung an ritterliches Einkommen auf 40 Pfund.

Natürlich sind eigentlich mittlere Barone mit einem Einkommen von über hundert Pfund auch Ritter, und Earls mit einem von mehreren tausend Pfund auch, aber sie sind erst einmal Barone, tenants- in-chief, und damit Leute, die viele Ritter als ihre tenants haben.

 

Ritter werden also langsam zu einer Art "Stand" innerhalb des Adels, dessen Mitglieder wie jeder Adel seit dem 11. Jahrhundert versuchen, ihre Güter, die sie von höherem Adel erhalten, in einer patrilinear und durch Primogenitur gekennzeichneten Familie zu halten und möglichst zu erhalten. Dabei wird versucht, jüngeren Söhnen möglichst durch Zukauf ein eigenes kleineres Gut zu überlassen und den Mädchen eine marriage portion.

 

Dieser Ritterstand verringert sich aus mehreren Gründen im 13. Jahrhundert und besonders in dessen erster Hälfte ganz erheblich, geht in manchen Gegenden auf ein Drittel zurück. Nicht seine militärische Funktion, die ohnehin immer mehr auch Söldner übernehmen, spielt dabei eine Rolle, sondern sein großer Bereich "ziviler" Aufgaben wie die Beteiligung an Juries und in Ämtern, also an der lokalen und regionalen Verwaltung im weitesten Sinne. Um einen knight irgendwo einzusetzen oder irgendwo hin zu entsenden, wird es wichtig, zu definieren, wer überhaupt ein solcher ist. Zu diesem Zweck wird wie auf dem Kontinent eine Art Initiationszeremonie eingeführt, zu der auch das Gürten mit dem Schwert, also das alte Anlegen des cingulum, gehört. Das bereits kostet zunehmend Geld, und dazu gehört eine möglichst eindrucksvolle Ausrüstung und eine militärische Gefolgschaft. Aufwand ist für den Ritter auch, dass jeweils zwölf von ihnen verpflichtet sind, an der grand jury der Grafschaft teilzunehmen, und wo es wenige von ihnen gibt, müssen sie oft mitmachen.

Solche Umwälzungen, die bis in die Verschuldung von Ritterfamilien führen konnten, und dann in Antijudaismus gegenüber jüdischen Schuldnern wie in den Reihen Simons de Montfort, können die Ritterschaft erheblich verkleinern. Mitte des 13. Jahrhunderts gibt es nur noch rund tausend Ritter, die so initiiert (dubbed) sind. Die Tendenz zur Kommerzialisierung und die Betonung des Einkommens (in cash) führt dabei nicht nur zum Abstieg ritterlicher Familien, sondern zum Aufstieg von Juristen und Verwaltungspersonal, das in Ritterfamilien einheiratet oder aber Güter absteigender Ritter aufkauft.

 

1219 ist Stephen de Fretwell soweit verschuldet, dass er dem Abt von Eynsham seine mehreren hundert acres in Oxfordshire überlassen müssen gegen ein bescheidenes Haus im Ort bei niedriger Miete allerdings, mit Krämern und Bediensteten der Abtei als Nachbarn, und angewiesen auf Lebensmittel von der Abtei. Dafür wird der Abt die Schulden des nunmehr aus dem Kleinadel abgestiegenen bezahlen und so seine Ländereien, die Stephen als Pfänder gegeben hatte, auslösen, die Hälfte davon behalten und die andere Hälfte an ihn zurückgeben.

 

Später wird man kleinere (und absteigende) Ritter und aus der Ritterschaft absteigende Esquires und darunter Gentlemen als Gentry zusammenfassen, die die lokale Verwaltung und Gerichtsbarkeit gemeinsam übernimmt. Zudem steigt solche Gentry zu Domänenverwaltern (der desmesnes) der tenants-in-chief, also der Barone auf, die inzwischen unmittelbar nichts mehr mit der Ebene der ländlichen Produktion zu tun haben, und sich hauptsächlich für die Abrechnungen ihrer Beauftragten interessieren.

Anders als in deutschen Landen bilden die mächtigeren Barone außerhalb der walisischen Marken keine Fürstentümer, auch wenn manche mit riesigen honours (der Summe ihrer Güter und Rechte) gelegentlich darauf abzielen. 1166 haben so die Ferrers in ihrer honour 45 tenants, was sie theoretisch dazu verpflichtet, dem König im Kriegsfall 79 Ritter oder ersatzweise scutage zu stellen. Der größte tenant muss davon neun aufbieten. Der ganze baroniale Besitz ist über vierzehn Counties verstreut, mit der Burg von Tutbury im Zentrum. (Carpenter, S.405)

 

Mit der (Magna) Carta wird zum ersten Mal definiert, was eine Baronie ist, nämlich durch die Festlegung, dass ein baronialer Erbe 100 Pfund relief für die Übernahme seines Erbes an den König zu zahlen hat. Damit wird es nötig, festzulegen, wer Baron ist, denn alle darunter haben weniger zu zahlen, und die tenants unter dem Herrn eben auch an diesen. Dabei wird deren Land im 12. Jahrhundert ebenfalls erblich.

 

Diese finanziellen Festlegungen der Standeszugehörigkeit innerhalb des Adels, verbunden mit den langsam durch Geldzahlungen abgelösten Arbeitsleistungen unfreier Bauern und den Abgaben in Geld von freien Bauern und den (nicht an der Produktion direkt beteiligten) tenants an die jeweiligen Herren bzw. deren Verwalter kommerzialisieren die gerade erst gut hundert Jahre alten feudalen Zusammenhänge derart, dass sie zu einer formalen Hülle für ganz andere Strukturen werden.

Herren bedienen sich zunehmend der militärischen und verwalterischen Dienste von Leuten, die nicht mehr in einem feudalen Abhängigkeitsverhältnis von ihnen stehen und die mit Geld entlohnt werden. Ein Musterbeispiel sind die ritterlichen Gefolge, mit denen sich Herren umgeben. William Marshal, Earl of Chepstow und Pembroke, hat zu 12 der 18 Ritter, mit denen er sich meist umgibt, keinerlei feudale Beziehungen mehr.

Dieselbe Situation entsteht dort, wo große Herren Leute, welche in ihrem Raum Ämter bekleiden, und nicht mehr nur das des Sheriffs, in nicht mehr feudale Abhängigkeit bringen. Damit versuchen sie den Einfluss des Königs, der diese Ämter besetzt, für ihre Gegend zu reduzieren. In den Unruhen um 1260 wird unter anderem der Vorwurf verbreitet, das Sheriffs und königliche Richter nur noch die Interessen von Magnaten vertreten, die sie mit fees auf ihrer Gehaltsliste haben.

Schließlich werden Dienste welcher Art auch immer weniger mit Land belohnt, da solches nur selten noch gerade zur Verfügung steht, es ist längst verteilt, sondern mit Geld oder mit mit Geld dotierten Ämtern. Das beginnt schon beim König. Edward bezahlt so einmal an 18 englische Lords über 22 000 Mark, für die sie 225 Ritter für seinen Kreuzzug stellen sollen.

 

Knights und Gentry mit ihren vielleicht 10 000 Familien um 1300 halten zusammen mehr Land als die Barone. Das kann der einzelnen Familie bis zu 100 Pfund im Jahr einbringen oder auch nur 5. Kleinere Gentry betreibt ihr Land überwiegend in demesne, bewirtschaftet es also direkt und oft über Lohnarbeit. Im 13. Jahrhundert kostet alleine ein Pferd für den Kampf durchschnittlich 6 Pfund, und dann bleibt wenig Einkommen übrig, um sich noch Aussehen und Status eines niederen Adeligen zu bewahren.

 

Gentry neigt also dazu, Söhne studieren zu lassen, insbesondere das Recht, eine gute Vorbildung für Verwalterstellen bei den großen Baronen. Dafür gibt es manchmal bereits schriftliche Anstellungsverträge und eine jährliche Bezahlung. Aber Juristen werden auch sonst zunehmend gebraucht. Wenn das Geld aus solchen Beschäftigungen dann dazu ausreicht, ist das zentrale Betreben, Land zuzukaufen, um in größerem Umfang für den Markt produzieren zu können.

 

 

Ritter auf deutschen Burgen

 

Im weiten Umfeld um Reichsstädte oder ganz wie die Bolanden und Münzenberger übers Land verstreut liegen die Burgen und Besitzungen der Reichsministerialen, die mit der Schwächung der Königsmacht seit dem Ende der Stauferherrschaft entweder in der landesherrlichen Dienstbarkeit aufgehen, in der städtischen Oberschicht oder aber eine oft bescheidene Existenz auf reichsunmittelbaren ritterlichen Burgen einnehmen.

Sie werden gelegentlich durch königliche Privilegierung unterstützt wie die universitas castrensis de Frideberg (Friedberg im Taunus), erhalten eigene Gerichtsbarkeit. Die Burg Oppenheim wird durch Burglehen aufrechterhalten, die das Reich aus seinen Einkünften finanziert. Dabei entsteht aus der Verschmelzung von bislang unfreier Ministerialität und ärmerem (freiem) Landadel eine immer einheitlichere niedere Adelsschicht, der ihr Rittertum gemeinsam ist.

In Oppenheim wohnt ein Teil der Burgmannschaft in der Stadt, die es mit königlicher Hilfe gegen bürgerlichen Widerstand dominiert. In Friedberg entsteht dagegen neben dem ritterlichen ein städtisch-bürgerliches Gericht. In Hagenau gibt es ein Gericht für den niederen Adel, ursprünglich das Gericht für die Burgmannen, und das bürgerliche Laubengericht, welches nur für für die Stadt und das Umland zuständig ist. (Soweit Fred Schwind in: Beiträge 2, S. 72ff)